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Anime Evolution: Erweitert

Zweite Staffel
von

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Kapitel neun

Anime Evolution: Erweitert

Kapitel neun
 

Prolog:

Ich war nie besonders dünnhäutig oder risikoscheu gewesen, nein, wahrlich nicht. Und ich habe auch noch nie jemandem verleidet, das eigene Leben zu riskieren. Immerhin hatte ich meine Jugend als Soldat in einem Krieg verbracht. Zumindest einen großen Teil, und den an der Front.

Aber in diesem Moment, diesem einen Moment, als die fünf Korvetten von der AURORA abhoben, da ging mir doch ein Stich durchs Herz. Natürlich weil Megumi, Yohko und Makoto an Bord dieser Korvetten waren. Aber ich machte mir auch um die anderen Besatzungsmitglieder Sorgen. Was wenn die Schiffe das Schwerefeld der AURORA verließen und zerquetscht wurden? Was wenn sie beim Übergang in den Normalraum pulverisiert wurden? Was wenn sie aus dem Wurmloch heraus fielen, mehrere Lichtmonate von Alpha Centauri entfernt und damit niemals in der Lage, uns einzuholen?
 

Unwillkürlich hielt ich den Atem an, aber zwei Fälle waren noch nicht eingetreten. Weder waren die Korvetten zerquetscht worden noch hatte das Wurmloch sie abgestoßen. Stattdessen flammten die Triebwerke der kronosischen Schiffe der FOXTROTT-Klasse auf und beschleunigten die kleinen Schiffe.

Nun kam noch die letzte Prüfung. Wie vertrugen die kleinen Schiffe den Übertritt in den Normalraum? Kam es zu gravitatorischen Wellenverwerfungen? Zu Zeitverzerrungen? Mir standen die Haare zu Berge, als ich an die vielen Möglichkeiten dachte, was den Korvetten alles passieren konnte.

"ALPHA hier", meldete sich die anführende Korvette, die nach dem griechischen Alphabet durchnumeriert waren. "Wir verlassen nun das Wurmloch."

Ich atmete stoßweise wieder aus, sog die Luft erneut ein. Dann ging ein Flimmern über die fünf Schiffe hinweg und sie verschwanden.

Eisige Panik griff nach meinem Herzen, bis mein Gehirn die nüchterne Information, die fünf Boote hätten sich lediglich getarnt weit genug im Körper verbreitet hatte, um den gelinden Schock zu stoppen.

Ich warf einen Blick auf den Hilfsmonitor neben meiner rechten Hand. Dort wurden die Schiffe anhand ihres letzten Kurses und der letzten Geschwindigkeit per Computerberechung eingezeichnet.
 

Als sie den Übergang erreichten betete ich inständig, dass keine Explosionen erfolgten oder sonst irgendein demoralisierendes Zeichen, dass von der Zerstörung einer oder mehrerer Korvetten kündeten.

"Wir sind durch, AURORA", kam die erlösende Meldung der ALPHA.

Lauter Jubel brach auf allen Frequenzen aus und ich beteiligte mich daran. Ich würde Megumi nicht verlieren. Nicht dieses Mal.

"Colonel Ino hier", meldete sich Makoto zu Wort. "LRAO schleusen aus und gehen auf vorherberechnete Positionen."

"Admiral Richards hier. Fahren Sie fort, Colonel. Dies wird die Feuerprobe für das Bruder Auge-Projekt."

"Die erfolgreiche Feuerprobe", antwortete mein Cousin.

Verdammt, wann hatte er nur gelernt, so cool zu sein? Rann denn Eiswasser durch seine Adern?
 

Die LRAO schleusten aus, entfernten sich und gingen mit Hilfe der Booster auf Distanz und die vorher festgelegten Beobachtungspositionen. Von dort würden sie versuchen, per Passivortung so viele Eindrücke wie möglich von der Umgebung des Wurmlochs aufzunehmen.

Die Korvetten hielten weiter auf Kurs zu, der Naguad-Fregatte auf Fluchtkurs hinterher.

"Colonel Uno hier", meldete sich Megumi mit ernster Stimme. "Mechas sind bereit."

"Bruder Auge meldet keinen Feindkontakt, ausgenommen die Fregatte."

"Na, dann sag mal deinen Spruch auf, Cousinchen", murmelte ich und lauschte gespannt, wie Sakura im Hauptidiom der Anelph zu sprechen begann. Ich verstand zwar nicht wirklich viel von der kurzen Unterhaltung, die sich kurz darauf zwischen ihr und dem Kapitän der Fregatte entwickelte, aber wenigstens bekam ich den Namen mit. TAUMARA hieß das Schätzchen.

Und ich sah die Reaktion, als die Korvetten sich enttarnten und das Feuer eröffneten.

"Hat die Inspektion wohl abgelehnt", bemerkte ich mit einem schiefen Lächeln.
 

Übergangslos griff wieder der Ernst nach mir. Ich sah die Mechas der Angriffstruppe ausschleusen und die Attacke beginnen. Gegnerische Mechas unbekannter Bauart schleusten aus der TAUMARA aus und stellten sich.

Gewiss, wir waren die Mecha-Elite der Menschheit. Doch das da draußen waren Naguad. Naguad, von denen wir annahmen, dass sie die Mecha-Technologie erst zu den Anelph gebracht hatten, von denen wiederum wir das Prinzip übernommen hatten.

Konnten wir so ohne weiteres mit zwanzig, hundert oder mehr Jahren Erfahrung mit dieser Waffe konkurrieren?

Ich straffte mich, als sich die SUNDER von der Oberfläche der AURORA löste und langsam aber sicher beschleunigte.

"SUNDER ist auf dem Weg", sagte Kei Takahara mit verbissener Stimme.

Sicherlich ärgerte es ihn, dass er diesmal nur unser Chauffeur war. Genauer gesagt sollte er uns nur ein wenig näher an die TAUMARA heran bringen, bevor wir mit Hilfe der Booster angriffen.

Dies war nach wenigen Sekunden auch erreicht.

"Fertigmachen." Ein letztes Mal überprüfte ich die Kopplung zwischen Prime und dem Booster. Alle Anzeigen waren auf grün.

Ich stellte den Mecha auf dem Katapult ab, auf den anderen drei wusste ich Daisuke, Doitsu und Yoshi. Danach würden die sechs Slayer ausschleusen und uns so weit es ging unterstützen.
 

Ich aktivierte mein KI, sah fasziniert zu, wie es beinahe materielle Gestalt annahm und um meine Arme eine leuchtende Aura bildete. In diesem Moment begann auch der Booster vom KI zu partizipieren. Die Energieanzeigen des Geräts schossen übergangslos in die Höhe.

"Commander Akira Otomo auf Prime Lightning, bereit zum Start."

"Commander, Sie haben grünes Licht. Viel Glück und viel Erfolg."

"Danke, Kei. Du darfst dann das nächste Mal mitspielen."

"Ich hätte mich wohl doch zu den Mechas melden sollen", erwiderte der Freund säuerlich.

Ich grinste. "Otomo auf Lightning. Schießt mich raus!"

Ein harter Ruck ging durch den Mecha und er wurde per Katapult ins Freie befördert. Das Vakuum des Alls fing mich ein.

Kurz sah ich mich um, bemerkte drei weitere Impulse neben mir und trat den Booster durch.

Die anderen folgten mir. Ein wenig tat ich das auch für Doitsu und Daisuke, deren Freundinnen in den Mechas waren, die nun bald folgen würden. Je schneller wir da waren, je eher wir den Kampf für uns entschieden, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass die Mädchen, und vor allem Akari in den Kampf eingreifen mussten.
 

"Otomo hier. Wie ist die Lage, Colonel Uno?"

"Akira. Schön deine Stimme zu hören. Diese Mistkerle sind gut, verteufelt gut. Beeil dich lieber, ja?"

"Mach ich." Kurz sah ich zurück. Ein Infanteriependler löste sich vom BAKESCH, an Bord ein Enterkommando unter der Leitung von Major Hatake. Ihm zur Seite standen die beiden Dämonenkönige. Und es hätte mich kein bisschen verwundert, wenn Joan Reilley auch an Bord war.

Vor mir flammte mein Schild mehrfach auf, vernichtete Mikromaterie auf meinem Weg zu TAUMARA. Die Energieanzeige wurde davon kaum beeinträchtigt.

Prime ritt auf dem Booster mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, wir hatten bereits das Dreifache des normalen Höchstwerts erreicht. Es fühlte sich gut an, wirklich gut.

Wenngleich ich ein Ohr an meinem Puls hatte. Nicht, dass mich der Booster mehr KI kostete als gut für mich war. Niemandem war damit genützt, wenn ich vollkommen ausgelaugt im Kampfgebiet ankam.

"Die Naguad haben da ein paar nette neue Spielzeuge", meldete Megumi. "Achtet vor allem auf die Multiraketen. Die sind fies und gemein."

"Verstanden. GAZ zwanzig Sekunden."

"GAZ dreiundzwanzig Sekunden", kam eine weitere Meldung über unseren Gefechtskanal.

Entsetzt sah ich auf meinen Bildschirm und erkannte, dass die Slayer fast zu uns aufgeschlossen hatten.

"Ja, da soll mich doch...", rief ich erschrocken.

"Tja, wir können unser KI eben besser kontrollieren als Ihr", neckte Akane. "Außerdem, sollt Ihr vielleicht den ganzen Spaß alleine haben?"

Als Antwort gab ich Gegenschub. Die sechs Slayer sausten an mir und den Jungs vorbei. Leider auch an der Fregatte und der Gruppe kämpfender Mechas.

Ich grinste gemein. Das hätte ich ihnen vielleicht noch mit auf den Weg geben sollen. Das sie zu schnell waren, um die gegnerischen Mechas effektiv zu bekämpfen, wenn sie nicht vorher die Geschwindigkeit reduzierten.

"Blue Lightning ist im Geschäft", meldete ich mich an. "Und er hat Freunde mitgebracht."

"Ihr kommt genau richtig!", hörte ich Megumi rufen. "Dieser Mecha hier macht mir gerade wirkliche Schwierigkeiten und..."

"Megumi, pass auf! Er schießt ein Energienetz!", klang Yohkos besorgte Stimme auf.

"Das Netz hat die Lanze an meinen Mecha gefesselt! Ich setze mich ab!"

"Vorsicht, der feindliche Anführer greift dich an! Megumi! Megumi!"
 

Ich fühlte, wie eine eisige Hand nach mir griff, mein Herz berührte und es mit Frost durchzog. Megumi, nein, das konnte nicht sein! Die beste Mecha-Pilotin der Erde konnte doch nicht in solch eine Lage geraten!

Ich benutzte noch einmal den Booster, zog beide Herkules-Schwerter. Dann war ich heran und sah den feindlichen Mecha, der einen riesigen Dolch in Megumis Mecha Lady Death getrieben hatte.

Mit einem wütenden Aufschrei passierte ich ihn, zog beide Schwerter durch. Als ich ihn hinter mir gelassen hatte, taumelte nur noch ein Wrack durch das Vakuum des Alls.

"Megumi! Geht es dir gut? Megumi!", rief ich atemlos.

"Lady Death meldet schwere interne Schäden, Sir", meldete Prime. "Colonel Uno ist nicht bei Bewusstsein. Die Lebensüberwachungsmaßnahmen sind beschädigt, deshalb kann die Diagnose nichts über den Zustand der Pilotin sagen, Sir."

"Otomo hier. Wir brauchen sofort ein Rettungsteam im Einsatzgebiet!"

"Die SUNDER ist bereits auf dem Weg. Commander, es wäre nett, wenn Sie bis wir eintreffen das Einsatzgebiet befriedet hätten."

Ich kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und ließ Prime die Schwerter heben. "Ich habe verstanden."

Inzwischen hatten die Slayer ihren Fehler begriffen. Mehr noch, sie hatten sich einholen lassen, anstatt zu wenden und negativ zu beschleunigen, was erneut wertvolle Zeit gekostet hätte.

"Also", hörte ich Sarahs beinahe fröhliche Stimme, "was gibt es für uns zu tun?"

Ich entlud eines der Herkules-Schwerter auf einen Gegner, trennte ihm damit den Sensorkopf vom Torso. "Jede Menge, Sarah-chan."
 

1.

Müde rieb ich mir die Augen. Nach der Schlacht hatte ich viel zu tun gehabt, viel zu viel. Aber dennoch hatte ich mir die Zeit genommen, an dieses Krankenbett zu kommen, nachdem der behandelnde Arzt mir gemeldet hatte, sie würde bald wieder aufwachen.

Ich betrachtete die schlafende Frau neben mir. Sie hatte mehrere Verbrennungen erlitten, war dem Vakuum ausgesetzt gewesen und kämpfte mit einer leichten Stickstoffembolie. Aber sie war definitiv nicht mehr in Lebensgefahr.

Ich spürte, wie sich meine Hände verkrampften.

"Hey", sagte ich leise, als sie die Augen öffnete.

"Hey", antwortete sie und blinzelte verschlafen. "Wie lange war ich weg?"

Ihr Anelph war holprig, aber ich musste anerkennen, dass sie die Situation schnell erkannt hatte und entsprechend reagierte. "Zwei Tage und sechs Stunden."

"Meine Leute?", fragte sie vorsichtig.

"Wir", informierte ich sie in meinem eigenen, gebrochenen Anelph, "haben die TAUMARA geentert. Sie wurde längsseits festgemacht. Wir betrachten sie nach der Gegenwehr als Prise. Von den vierundzwanzig Mechas unter Ihrem Kommando haben wir neunzehn zerstört. Sie haben fünf Piloten verloren, acht weitere liegen mit Ihnen hier auf der Krankenstation.

Der Kapitän der TAUMARA beging während der Enterung Selbstmord, des weiteren wurden siebenunddreißig Besatzungsmitglieder getötet, einhundertsiebzehn verletzt."

"Verstehe", murmelte sie. "Wann kann ich wieder aufstehen?"

"Morgen. Dann kommen Sie..."

"In Gefangenschaft?", fragte sie in einer Mischung aus Hoffnung und Angst.

Ich grinste sie an. "Dann kommen Sie zu mir nach Hause mit. Ich habe Sie adoptiert, Aria Segeste."

Erschrocken sah mich die Banges-Pilotin an. "Sklaverei?"

Ich unterdrückte ein Auflachen. "Verstehen Sie mich nicht falsch. Es ist nur so, dass trotz der Gegenwehr die Rechtslage, Ihre Leute betreffend, noch immer unklar ist. Deshalb haben wir nach der Kaperung der TAUMARA leider die rechtliche Handhabung verloren, Sie wie Kriegsgefangene zu behandeln. Deshalb werden Sie in unseren Augen zu Zivilisten zurückgestuft. Wir trauen Ihnen natürlich nicht, deshalb teilen wir die Mannschaft der Fregatte auf möglichst viele Orte auf. Vornehmlich Orte, an denen wir ein Auge oder mehr auf Sie und Ihre Leute haben können. Mein Zuhause ist einer dieser Orte."
 

Ich erhob mich. "Zusammenkünfte sind Ihnen gestattet, aber Sie müssen sich täglich Zuhause einfinden. Sie dürfen Arbeit annehmen um selbst Geld zu verdienen, aber ein Taschengeld wird Ihnen automatisch gezahlt. Das Essen und Wohnen bei mir ist frei, Sie müssen sich aber an den Hausarbeiten beteiligen. Sobald Sie wieder gesund sind.

Ich hole Sie morgen ab. Die Ärzte haben mir versichert, dass Sie dann wieder fit sind."

"Verstehe", murmelte sie. "Aber warum ich? Und warum zu Ihnen nach Hause? Und wer sind Sie?"

Wieder huschte ein Grinsen über mein Gesicht. "Ich bin der Pilot des Mechas, der Sie abgeschossen hat, Aria Segeste. Also trage ich bis zu einem gewissen Punkt auch die Verantwortung für Sie. Außerdem brennt da jemand darauf, Sie kennen zu lernen. Die Pilotin des roten Mechas kann es kaum noch erwarten, Sie in natura zu erleben."

Ich nickte ihr zu. "Mein Name ist Akira Otomo. Ich bin der Oberbefehlshaber der Hekatoncheiren-Division, der besten Mecha-Truppe an Bord. Schlafen Sie ein wenig, Aria Segeste. Morgen beginnt ein neuer Abschnitt Ihres Lebens."

Die Frau sah mich aus großen Augen an. Sie wollte mir antworten, aber das Gespräch, in Verbindung mit den Medikamenten, hatte sie erschöpft. Sie schloss langsam die Augen und schlief wieder ein.

Ich schmunzelte bei diesem Anblick und verließ leise ihr Zimmer.
 

Der Chefarzt erwartete mich bereits. Ich schüttelte den groß gewachsenen Mann die Hand. "Doktor Schneider. Es freut mich, Sie wieder zusehen."

Der ehemalige Arzt der Titanen-Plattform erwiderte den Druck meiner Hand und nickte. "Ebenso, Sir."

"Was machen Ihre Patienten?"

"Wir haben Gliedmaßenabrisse, Erfrierungen und hohen Blutverlust. Einige Naguad mussten wir in medizinische Tanks stecken, die Abrisse wurden teilweise reimplantiert, andere mussten in die Totalregeneration. Wir haben nicht alle abgerissenen Körperteile gefunden oder konnten nicht alle verwerten."

Ich nickte schwer. "Dennoch. Sie leisten gute Arbeit."

"Die Medizin der Anelph ist höchst erstaunlich. Wir haben viel von ihnen gelernt." Der Mann sah mir in die Augen. "Gut, dass Sie dabei sind, Sir. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, meine Patienten..."

Irrte ich mich oder hatte ich da eine Träne in den Augen des Arztes schimmern sehen?

Ich sah ihm nach.
 

Ein unfruchtbarer Gedankengang, entschied ich und ging weiter.

Ich erreichte einen Behandlungsraum und trat leise ein. Megumi Uno absolvierte gerade ein Belastungs-EKG und strampelte sich die Seele aus dem Leib.

Verstehen konnte ich sie ja. Nachdem sie abgeschossen worden war, war lange Zeit unklar gewesen, ob sie überhaupt am Leben war. Nun kämpfte sie darum, wieder diensttauglich geschrieben zu werden.

"Oh, oh. Colonel, Ihre Herzfrequenz hat sich gerade drastisch erhöht. Dem müssen wir auf den Grund... Oh. Commander Otomo." Der behandelnde Arzt machte auf dem Ausdruck einen entsprechenden Vermerk. "Da haben wir ja schon unsere Ursache."

"A...ki...ra", japste sie atemlos.

Ich setzte mich und betrachtete die junge Frau. Sie schien energisch und kraftvoll und ihr Körper war von einer Schweißschicht bedeckt. Shirt und Shorts klebten an ihrem Körper und zeigten, dass sie sich für diesen Test nicht geschont hatte.

Ich lächelte sie an. Irgendwie fand ich es süß, dass sich ihr Herzschlag beschleunigt hatte, als sie mich gesehen hatte. "Hallo, Schatz."

Sie nickte mir zu und versuchte zu lächeln. Aber es wurde nur eine erschöpfte Grimasse. "Bin...gleich...fertig", sagte sie keuchend und trat noch einmal kräftig in die Pedale.
 

"Und nun langsam auslaufen lassen, Colonel."

Megumi begann nun weniger stark zu treten und mehr Atem zu schöpfen.

Ich trat vor sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

"So geht das nicht, Commander!", beschwerte sich der Arzt. "Jetzt habe ich noch einen Ausschlag, den ich kommentieren muß."

Megumi wurde rot. Ich unterdrückte ein Auflachen. Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, das gesamte Diagramm zu sabotieren. Aber immerhin ging es hier um die Diensterlaubnis meiner Freundin.

"Du warst bei ihr?", fragte Megumi, die nun wesentlich ruhiger atmete.

Ich nickte. "Ja, sie ist soweit wieder auf dem Damm. Ich hole sie Morgen ab."

"Ich bin schon sehr gespannt auf sie. Ich meine, sie hat mich aus meinem Mecha geschossen. Mich! Das können nicht viele Menschen über sich sagen."

Ich zählte kurz nach. "Nur ein Schlachtkreuzer der ZULU-Klasse."

"Eben", antwortete sie und stoppte. Der Arzt reichte ihr ein Handtuch und begann die Kontakte zu lösen.

"Es wird schwierig", sagte ich ernst. "Sehr schwierig. Es wäre vielleicht einfacher gewesen, sie alle in ein Lager zu stecken."

"Ach", sagte Megumi und winkte ab. "Warum die Dinge unnötig komplizierter machen? Aus einem Lager hätten die Naguad nur versucht auszubrechen. Außerdem bekommen wir auf diese Art vielleicht einen Einblick in ihre Lebensart."

Ich schmunzelte. "Willst du vielleicht nicht eher sichergehen, dass du weißt wo die Pilotin ist, die dich aus Lady Death befördert hat?"

Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten, entspannte sie aber sofort. "Das ich darauf reingefallen bin... So ein dämliches Netz... Interessante Waffe, aber warum musste es mir passieren?"

Ich umarmte sie und drückte sie fest an mich. "Das ist doch alles egal. Wichtig ist nur eine Sache. Du lebst und bist gesund. Mehr verlange ich gar nicht von der Welt."

"Akira", hauchte sie erstaunt. Zögernd schloss sie ihre Arme um mich. "Akira, ich bin vollkommen schweißdurchnässt."

"Ein sicheres Zeichen dafür, dass du lebst", erwiderte ich sanft.

"Falls ich den Raum verlassen soll, Commander...", bemerkte der Arzt spitz, was dazu führte, dass Megumi und ich peinlich berührt die Umarmung abbrachen.

"Schon gut, schon gut. Ich warte draußen auf dich, ja?"

"Ich beeile mich", versprach sie lächelnd.
 

2.

Ich erinnerte mich noch sehr gut an die Ankunft der SUNDER an ihrem Dockplatz auf der AURORA. Wie ich die Schleuse verließ, das riesige Raumschiff betrat, und mit lautem Beifall und Pfiffen begrüßt wurde. Verstehen konnte ich die Mannschaften ja, die unsere Ankunft spontan zu einer Feier umfunktioniert hatten. Im Gegensatz zur TAUMARA hatten wir nur Verletzte, aber keine Toten zu beklagen und die Schäden an der Gamma und der Epsilon konnten wieder behoben werden.

Also hatte ich mich in dem Moment einige Zeit treiben lassen, Hände geschüttelt, mit Piloten meiner Division kurz geschwatzt und dem allgemeinen Hochgefühl nachgegeben.

Es war ja auch zu unglaublich. Keine Verluste. Die feindliche Fregatte eine Prise. Hunderte Gefangene. Neue Mecha-Typen. Es war nicht alles glatt gelaufen, sicher nicht. Aber für die restliche Mission war es ein gutes Zeichen gewesen.

Das war der Anfang.

Die nächsten beiden Tage hatte ich mit der Umstellung der Aufstellungen verbracht, mit der Arbeit für Briareos, da Megumi vorerst unter Beobachtung auf der Krankenstation stand und Yoshi ihre Arbeit nicht alleine machen wollte.

Dutzende Berichte hatten geschrieben werden wollen und das fünfte Interview für die bordeigenen Sender wurde dann doch schon etwas nervig.

Zudem ließ ich mir von ein paar Freunden unter den Anelph einen Crashkurs in ihrer Sprache geben. Mein Glück dabei war, dass sie eine Kunstsprache war und entsprechend einfach gelernt werden konnte. Dennoch wartete hier noch viel Arbeit auf mich, bis ich flüssig konjugieren konnte. Und meine Aussprache... Na egal.

Dennoch, dieser Empfang... Diese Begrüßung... Sie war etwas Besonderes gewesen. Konnte es immer so sein? Natürlich nicht. Ab diesem Punkt konnte es nur noch schwerer werden. Und aus dem Feiern würden irgendwann stumme Blicke voller Vorwürfe werden, wenn die Verlustzahlen in die Höhe schossen.
 

"Akira. Träumst du?", erklang Megumis tadelnde Stimme neben mir.

Ich sah auf. "Hübsches Sommerkleid", stellte ich fest.

Sie lächelte bei meinen Worten und drehte sich einmal im Kreis um sich selbst. "Finde ich auch. Es betont meine Figur, hat Akari gesagt."

"Akari hat das gesagt? Akari?"

"Was? Meinst du etwa, Akari hat keinen guten Geschmack?", fragte Megumi enttäuscht.

"Das ist es nicht. Ich sehe ja vor mir, wie gut ihr Geschmack ist. Was mich stört ist, dass sie sich für weibliche Kleidung interessiert."

Verlegen legte ich eine Hand vor die Stirn. "Tut mir Leid, aber ich verliere mich viel zu sehr in der Großer Bruder-Rolle. Dabei hat Akari ihre eigene Erfahrung eines vierhundertjährigen Lebens und war bei der zweiten Marsexpedition dabei. Doch irgendwie komme ich aus meinem Beschützerdenken nicht raus."

Megumi verzog die Lippen zu einem Schmunzeln. "Na, den Beschützerinstinkt würde ich besser nicht begraben. Denn als ich mit Akari dieses Kleid gekauft habe, waren wir eigentlich unterwegs, um ihr einen neuen Badeanzug zu besorgen."

Vor Schreck rutschte ich die Wand, an der ich lehnte ein Stück herab. "WAS?"

"Nun brüll hier nicht so", tadelte Megumi und bohrte sich mit dem kleinen Finger im linken Ohr. "Bin ja nicht taub. Noch nicht. Tja, sie wollte mit Michi schwimmen gehen oder so. Sie meint, er ist nicht so ein Kerl wie die anderen Jungs in ihrer Klasse."

Kein Wunder, ging es mir durch den Kopf. Die Jungs aus ihrer Klasse wollten sicher auch nicht ihren großen Bruder töten.

Ich ballte die Hände, zwang mich aber sofort, sie wieder zu öffnen. "Dein Kleid steht dir ganz hervorragend. Seit du auf dem Boot in Argentinien dieses weiße Sommerkleid getragen hast, da dachte ich..."

"Ist schon in Ordnung, Akira", sagte sie lächelnd und gab mir einen Kuss. "Du darfst ruhig eifersüchtig sein und Michi traktieren, weil er sich so gut mit Akari versteht. Ich habe ja selbst ein kritisches Auge auf ihn."
 

Sie ging ein paar Meter voraus, drehte sich um und beugte sich ein wenig vor. "Aber trotzdem danke, dass du mein Kleid gelobt hast."

Ich spürte, wie mir heiß wurde. Selbst nach drei Jahren schaffte es dieses Mädchen noch, mein Blut zum kochen zu bringen. Und sei es nur mit einem dezenten Blick auf ihr Dekolleté, welches sie mir gerade präsentiert hatte.

"Warte. Warte auf mich!", rief ich und lief Megumi hinterher. Wenn ich mit dieser Frau zusammen blieb, machte ich mir klar, stand ich bereits mit einem Bein vor dem Altar.

Merkwürdigerweise gefiel mir dieser Gedanke. Etwas zu sehr vielleicht.

**

Ich blinzelte in die warme Mittagssonne. "Vorsicht, Akira!"

"Hab ihn", antwortete ich und trat einen schnellen Schritt nach vorne, um den Ball zu Yoshi zu baggern. Der bedankte sich mit einem Pritscher bis knapp vor das Netz. Dankbar sprang ich und drosch den Ball über die Kante. Doch ich hatte nicht mit der Agilität unserer Gegner gerechnet. Doitsu erwischte den Ball noch mit dem Fuß und ließ ihn dadurch aufhüpfen. Gelegenheit genug für Kenji, dem Ball mit einem Bagger Höhe zu geben. Höhe genug, dass Doitsu wieder hochkommen, springen und hinter hauen konnte.

"Yoshi!", blaffte ich, doch der Freund hatte schon reagiert und war in Position. Doch dann erstarrte er und ließ den Ball passieren.

Ärgerlich riss ich die Sonnenbrille hoch und wollte ihn schon anfahren, als ich merkte, dass der Ball ins Aus gegangen war.

Yoshi grinste mich überlegen an. Er deutete auf seine Augen und zwinkerte.

"Ja, du hast das bessere Augenmaß", gab ich mich geschlagen, ging zu ihm und tauschte einen Handschlag aus. Danach gingen wir ans Netz und reichten unseren Gegnern die Hände.

"Knapp gewonnen, Akira, Yoshi", stellte Doitsu fest.

"Knapp gewonnen ist trotzdem gewonnen", bemerkte Yoshi grinsend.

"Dennoch. Wir fordern eine Revanche", sagte Kenji ernst.
 

"Von wegen. Jetzt sind wir erst mal dran!", hörte ich eine Frauenstimme hinter mir.

Ich fühlte zwei Hände auf meinem Rücken und wurde schon vom Netz weg geschoben. "Wir warten schon die ganze Zeit.

Ich sah zurück und erkannte Megumi. "Hey, und ich dachte, dein größtes Glück ist es, mir beim Sport zu zusehen", scherzte ich.

"Nicht, wenn ich selbst spielen kann", erwiderte sie und beförderte mich von der Spielfläche.

Doitsu wich Hina aus und Yoshi wurde von Joan Reilley runter geschmissen.

Danach sahen die drei Frauen Kenji an, der sofort die Arme hochriss und sagte: "Schon gut, schon gut, ich gehe von selbst."

Ich runzelte die Stirn. "Wollt ihr zu dritt spielen?"

"Hauptsache, wir spielen und springen viel. Oder nicht?", sagte Megumi und zwinkerte mir zu.

Ich hustete verlegen und setzte die Sonnenbrille wieder auf. Wie schaffte sie das nur immer?

"Also", sagte ich und ließ mich neben dem Feld nieder, "wer ist die vierte Spielerin? Yohko? Gina? Ami?"
 

"Entschuldigt meine Verspätung!", hörte ich eine bekannte Stimme sagen.

Ich fuhr herum. "Ai-chan!"

Yamagata wurde rot und verneigte sich vor mir. "Akira-sama. Ich hoffe, ich störe nicht."

Ich schluckte heftig, als ich ihren himmelblauen Badeanzug sah. Den konnte sich die schüchterne Frau unmöglich alleine gekauft haben. Nicht mit dem hohen Beinausschnitt und... Lag das an ihren Overalls oder hatte der Badeanzug eingearbeitete Körbchen? Oder warum war mir bisher nicht aufgefallen, dass Yamagata durchaus Oberweite hatte?

"Natürlich störst du nicht. Die Strandparty ist für alle Freunde gedacht." Für einen Moment, einen winzigen Moment war ich froh über die Sonnenbrille. "Was ist eigentlich mit dir los? Willst du einen Massenauflauf verursachen?"

Yamagata wurde rot. "I-ich... Joan-sama hat den Badeanzug ausgesucht." Sie sah betreten zu Boden. "Ist er zu gewagt?"

Ich warf einen Seitenblick auf meine Mitspieler. "Was meint Ihr, Jungs?"

Yoshi zuckte die Schultern. "Genau richtig, finde ich."

"Nett, vor allem Schnitt und Farbe", kommentierte Doitsu.

"Äh...", sagte Kenji.

"Damit steht es fest, der Badeanzug steht dir", sagte ich freudig und zeigte ihr den gehobenen Daumen. "Exzellent."

Als mich eine Fuhre Sand traf, fuhr ich herum. "HEY!"

Megumi sah mich belustigt an. "Wenn Ihr mit eurer Inspektion fertig seid, meine Herren, Joan hätte gerne ihre Partnerin. Ist das möglich?"

"Musst du mir deswegen Sand ins Genick kicken?", murrte ich. Ich winkte Yamagata durch. "Hab viel Spaß, Ai-chan."

Sie verneigte sich vor mir und den Jungs. "Danke. Vielen Dank."
 

"Und? Was meinst du?", fragte ich Yoshi.

"Nun, was Ai-chan an Größe fehlt, macht sie mit Technik wett. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass ihre Technik auf langjährige Erfahrung schließen lässt."

"Das meinte ich nicht." Ich deutete auf Yohko und ihre Nachbarin, die am Strand des Serenity-Meeres lagen und die Sonne genossen.

Yoshi folgte meiner Armbewegung und seufzte. "Ja, schon klar. Aria, hm? Sie hat sehr wenige Hemmungen, sich an unseren Lebensstil anzupassen. Und es scheint, als hätte sie mit Yohko bereits Freundschaft geschlossen. Uns stehen interessante Wochen bevor."

Ich nickte dazu. "So ähnlich denke ich auch. Die Frage ist aber, was davon ist geschauspielert und was ist echt? Ich meine, Hey, wir haben ihre Einheit ausgelöscht, ihr Schiff erobert, sie von ihren Freunden getrennt und nun geradezu gezwungen, in unserer Familie zu leben.

Ehrlich gesagt würde ich mich wohler fühlen, wenn sie mich wenigstens einmal angeschrieen hätte. Oder zum weinen aufs Dach gegangen wäre."

"Sie ist eine harte Frau. Ich meine, keine Ahnung wie die Naguad ihre Frauen sehen und ob sie so etwas wie Gleichberechtigung kennen, aber diese hier hat ein Kommando Mechas geführt. Es bedeutet egal in welcher Armee des Universums, dass du eine Menge Dreck schlucken musst und oft genug deine wahren Gefühle unterdrückst."

"Ach, findest du? Soll ich dir dann mal unseren Divisionspsychologen schicken, damit er dir eine Therapie gegen deinen aufgestauten Frust verschreibt?"

"Sehr witzig. Aus diesem Grund habe ich ja einen Bogen und Pfeile. Und wenn es mich mal wieder richtig frustriert, dann habe ich ja dich als bewegliches Ziel." Er zwinkerte mir zu.

"Na, danke. Deswegen trainierst du dein KI", sagte ich brummig.

"Unter anderem. Aber du hast Recht. Es geht zu schnell. Ich meine, sieh sie dir an. Gestern zieht sie bei uns ein, und heute liegt sie bereits halbnackt in einem von Sakuras Badeanzügen am Strand und schämt sich nicht einmal der Verbände auf ihren Verbrennungen Ersten und Zweiten Grades. Selbst für einen extrovertierten Menschen ist das übertrieben." Er sah mich direkt an. "Meinst du, sie hat Angst? Sterbensangst vor uns?"

Nachdenklich warf ich einen weiteren Blick zu meiner Schwester und der Außerirdischen. "Natürlich hat sie Angst. Ich bitte dich. Sie kennt unser Volk nicht, geschweige denn uns. Alles, was sie sicher von uns weiß ist, dass wir mit der AURORA durch das Universum schippern, und das tiefer in ihr Imperium hinein. Und dann hängen wir auch noch mit den Anelph ab, die vor ein paar Jahren drei BAKESCH von ihnen geklaut haben. Ich an ihrer Stelle hätte tierische Angst."
 

"Ist vielleicht ein Grund dafür, warum sie sich mit Yohko so gut versteht. Als sie zu uns kam, war sie noch Lonne. Danach wurde sie Lilian. Und in beiden Phasen war sie eine gejagte und geduldete Frau, die von unserem Wohl abhing. Ich weiß nicht, wie Yohko uns damals derart vertrauen konnte, ich weiß nicht ob ich das gekonnt hätte", sinnierte Yoshi. "Und ich verstehe nicht, warum Aria Segeste das vorgibt."

Nachdenklich kratzte ich mich an der Schläfe. "So siehst du das also. Dein Therapievorschlag?"

Yoshi zuckte mit den Schultern. "Punkt eins, sie hat eine Freundin gefunden. Lass die beiden ihre Beziehung vertiefen. Ich habe von anderen Besatzungsmitgliedern der TAUMARA gehört, die ebenfalls zaghaft Freundschaften aufgebaut haben. Oder von solchen, die vollkommen zurückgezogen leben. Für sie wird es ein weiter Weg werden, uns zu akzeptieren.

Manche werden das nie können, denn, seien wir doch ehrlich, Akira, wir kommen als Angreifer. Und zwar als Angreifer, die ihr Imperium attackieren. Ihr Zuhause. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, nein, wenn die Situation sie zwingt, wird Aria gegen uns und für das Interesse des Imperiums handeln. Soweit sie dies kann."

Ich nickte schwer. "Vollkommen normales Verhalten, das ich auch von jedem von uns erwarten würde. Ob wir sie alle doch lieber in ein Lager stecken?"

Yoshi lachte rau. "Himmel, Akira, wir haben nicht mal ein ordentliches Gefängnis. In dem, das es in Fushida City gibt, passen gerade mal zwanzig Leute rein. Und das ist dann auch noch halboffener Vollzug für Verkehrsdelikte und dergleichen. Außerdem nimmst du den Naguad damit das, was du ihnen eigentlich schenken wolltest - uns nicht als Invasoren zu begreifen sondern als weitere humanoide Rasse, die einfach nicht assimiliert werden will."

"Wie treffend formuliert, wie treffend formuliert", kommentierte ich ernst.
 

Wir schwiegen einige Zeit und beobachteten die Mädchen beim Beachvolleyball. Mir gingen eigene Gedanken durch den Kopf, und ich war sicher auch Yoshi dachte über seinen ganz persönlichen Blickwinkel nach. Noch drei Tage, dann würde Megumi wieder ihren Dienst aufnehmen dürfen. Noch drei Tage, dann würden er und ich Megumis Büro räumen und ihr einen Haufen Papierkram zurücklassen. Doch in Anbetracht der Naguad, die nun mitten unter uns lebten und beim Gedanken an die Grey Zone war das eher eine nebensächliche Episode.

"Da hinten kommt Kei", murmelte Yoshi und grinste zu mir herüber. "Und er bringt Ban Shee mit. Na, wie steht es um dein dickes Fell, Akira-sama?"

Ich runzelte verärgert die Stirn. "Ich habe es ihm überlassen, ob er sie mitbringt oder nicht. Die beiden arbeiten eng zusammen und haben deswegen wenig Zeit, Freundschaften einzugehen. Wenn jemand so eng zusammenhängt wie die beiden und die wenige Zeit in Betracht zieht, dann kommt man zu dem Schluss, dass sie sich zumindest nicht hassen, oder? Also kann sie doch ruhig mitkommen."

"Ach, und an den ganzen Ärger den du hast, weil sie dich total auf dem Kieker hat, denkst du überhaupt nicht?" Yoshi zwinkerte mir zu.

"Für meine Freunde muß ich halt mal Opfer bringen. Und Kei ist solch ein Freund", sagte ich und warf mich in eine selbstlose Pose.

"Soll ich Politur für deinen Heiligenschein holen?", scherzte Yoshi.

Mein Blick wurde ernst, als ich die beiden näher Kommenden fixierte. "Außerdem interessiert mich wie Ban Shee auf Aria Segeste reagiert. Sie, eine nicht assimilierte Anelph auf der Flucht und Aria, eine Naguad aus den Kernsystemen, frisch besiegt."

Yoshi zuckte vor mir zurück. "Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du einen Hang zum Bösen hast, Akira?"

"In letzter Zeit nicht", scherzte ich mit sardonischem Lächeln.
 

Kei und Ban Shee passierten Yohko. Kei tauschte mit meiner Schwester nur einen kurzen Gruß aus, immerhin hatten sie sich erst beim Frühstück gesehen. Die Anelph ging schweigend neben Kei her.

Nun wurde die Naguad aufmerksam und musterte die zwei. Ich sah, wie sich eine kurze Unterhaltung entwickelte. Eine sehr kurze, denn plötzlich sprang die Naguad auf und rief: "Ban Shee RYON?"

Überrascht und getrieben von Adrenalin kam ich auf die Beine. "Das geht schief!"

"Furchtbar schief!", erwiderte Yoshi und befand sich bereits an meiner Seite, als ich los sprintete, um das Schlimmste zu verhindern. Wir liefen dabei über das Spielfeld und versauten Megumi eine Spitzenverteidigung, aber der Ärger würde nicht so schlimm ausfallen wie ein offenes Massaker zwischen Ban Shee und Aria, die Keis Stellvertreterin offensichtlich kannte.

Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf. Natürlich musste sie Ban Shee Ryon kennen, immerhin war sie ja mit der TAUMARA auf der Suche nach den BAKESCH und den geflohenen Anelph gewesen. Mist, warum hatte ich an derart Offensichtliches nicht gedacht?
 

Wir überwanden die fünfzig Meter in Rekordzeit, verständigten uns stumm. Ich würde Aria aufhalten und er Ban Shee. So sah es unsere stille Kommunikation eigentlich vor, als die Naguad etwas tat, was unsere kurze Kalkulation vollkommen über den Haufen warf.

Sie trat einen Schritt auf die Anelph-Frau zu, legte beide Hände aufeinander und dann auf ihre Brust und sah zu der größeren Ban Shee mit feucht schimmernden Augen auf. "Kapitän Ban Shee Ryon..."

Erschrocken musterte die Anelph die junge Frau und trat vor ihr einen Schritt zurück.

"Äh..."

"Ban Shee!", rief Aria und trat wieder einen Schritt vor. "Ich bin Aria Segeste, Jahrgang neununddreißig! Ich war in Ihrer Klasse. Ich meine, ich..."

"Ich weiß, wer Sie sind und was Sie waren", erwiderte die Anelph verlegen. "Ich war ein halbes Jahr Gastdozentin an Ihrer Akademie, richtig? Und Sie steckten in Ron Damers Klasse."

"Richtig. Loria Segeste ist meine Schwester und Sie haben auch mit meinem Bruder Torent gedient. Ich habe mir immer gewünscht, Sie einmal wieder zu treffen, Ban Shee."

"So, so, Ihr kennt euch also von früher", murmelte ich schmunzelnd, als Yoshi und ich neben den vieren gestoppt und etwas Atem geschöpft hatten.

Verlegen sah Ban Shee von Aria zu mir und wieder zurück. "Es ist Jahre her. Ich war Gastdozent auf Naguad Prime. Ich war Lieutenant und habe Gefechtstaktiken unterrichtet."

"Sie ist die Beste!", sagte Aria bestimmt. "Das haben sie alle gesagt. Admiral Pheser, Kommodore Warren, Direktor Riyas..."

"Was? Die alten Haifische haben das über mich gesagt?", wunderte sich die Anelph. "Und ich dachte, die waren froh, dass sie mich nach dem halben Jahr los waren."

"Nein, so war es ja gar nicht. Es ging die Akademie rauf und runter. Sie haben nie die Gift empfangen, Ban Shee, deshalb hielt man Sie für eine Oppositionelle. Allerdings eine Oppositionelle mit den besten taktischen Fähigkeiten der gesamten imperialen Flotte."

Die Anelph schluckte hart, als sie meinen Blick sah. "E-es war notwendig. Mein Vater hatte den Plan lange vorbereitet und damit unsere Flucht glücken konnte, brauchten wir Leute auf den BAKESCH. Ich war einer von ihnen. Und um dahin zu kommen, musste ich eine der Besten werden."

"Was sie auch geworden ist. Zudem, die Flucht - eine Glanzleistung an Koordination und Vermeidung unnötiger Gewalt. Einfach Klasse. Alle an der Akademie waren begeistert über die Effizienz. Und jetzt stehe ich hier, mit Ban Shee Ryon... Ich..."

"Ruhig, ruhig, Aria. Sie läuft dir ja nicht weg. Zufällig weiß ich, wo sie arbeitet", sagte ich amüsiert und klopfte der Naguad leicht auf die Schulter. "Sie ist zufällig Erster Offizier unseres BAKESCH."

"WAS?" Aria hatte so laut gerufen, dass mir fast die Ohren klingelten. Im ersten Moment hatte ich es für Begeisterung gehalten. Aber nein, es war Entsetzen. "DAS KANN NICHT WAHR SEIN!"

"Aria, bitte", tadelte ich.

"Tschuldigung, Akira-chan, aber es ist doch wahr. Welcher Vollidiot macht sie denn zum Ersten Offizier? Sie sollte den BAKESCH kommandieren!"

"Sie ist Erster Offizier, weil ihr Kapitän der beste Mann unserer Flotte ist", sagte ich ernst.

"Phhh. Ja, eurer Flotte. Aber kann er Ban Shee das Wasser reichen?", murmelte sie beleidigt.

"Oh, es hat einige Zeit gedauert das einzusehen, aber mein Kapitän, besser gesagt mein Kommodore ist wirklich besser als ich", bemerkte die Anelph schmunzelnd.
 

Aria musterte erstaunt Ban Shee, dann mich. Abrupt wandte sie sich ab. "Wer es glaubt. Ich habe Kapitän Ryon jedenfalls kämpferischer in Erinnerung. Wer ist denn dieser Kommodore?"

Zögernd hob Kei Takahara die Hand, während wir alle auf ihn deuteten.

"Kei?" Entsetzt starrte Aria den jungen Mann an. "Unser Kei? Aus unserer Gemeinschaft? Ich habe mitgekriegt, dass er in der Flotte dient. Aber doch nicht gleich den BAKESCH!"

"Vorsicht", warnte ich sie. "Er ist der jüngste Kapitän unserer Flotte, und er kommandiert unser stärkstes Schiff. Das hat er nicht erreicht, weil er unfähig ist."

"Er braucht ja auch gar nicht fähig zu sein. Er hat ja einen sehr guten IO, der alles für ihn ma-gargl!"

Übergangslos war Ban Shee näher getreten und testete mit ihren Zeigefingern gerade Arias Mund auf Dehnfähigkeit. Ein merkwürdiger Glanz lag in ihren Augen, als sie die Naguad tadelte. "Kei Takahara ist ein guter Offizier und ein guter Kommandeur. Ich würde nicht unter ihm arbeiten, wenn ich ihn nicht als besser anerkennen würde. Wenn du also, kleines Mädchen, ihn noch einmal kritisierst, dann ist das so als würdest du mich kritisieren. Und weißt du, was ich dann mit dir mache?"

"Gargl!"

"Genau das." Ban Shee nahm ihre Hände zurück. "Hast du das endlich kapiert?"

Die Naguad rieb sich die schmerzenden Wangen. "Ja", meinte sie schmollend. Sie musterte Kei, sah ihm in die Augen und machte dann: "Hm!" Wütend sah sie weg, enthielt sich aber eines weiteren Kommentars. Stattdessen ließ sie sich wieder auf ihren Platz sinken.
 

Ich schmunzelte. "An wen erinnert sie mich nur gerade so?"

Ban Shee nickte dazu. Dann runzelte sie die Stirn, sah mich an und wurde ein wenig bleich.

Neben mir prustete Yoshi los. "Gut formuliert, Akira."

"Wenn Ihr dann hier fertig seid", sagte Yohko von ihrer Decke aus, "Ihr steht mir in der Sonne."

"Okay, okay", murmelte ich und machte eine einladende Handbewegung in Richtung Volleyballfeld.

"Danke", murmelte Yohko und räkelte sich kurz auf ihrer Decke.

"Bitte, bitte." Ich warf Yoshi einen schiefen Blick zu. "Komm schon. Den Anblick hast du Zuhause jeden Tag."

"Was? Wie? Ich komme ja schon, Akira..."

Mein bester Freund schloss zu uns auf und bekam so Yohkos zufriedenes Schmunzeln nicht mehr mit... Übrigens auch nicht den giftigen Blick, den Aria Kei hinterher warf.

Die beiden sollten wohl besser in nächster Zeit in verschiedenen Schichten an einem Tisch sitzen, dachte ich amüsiert.
 

3.

Als ich das harte Knie in meinem Rücken spürte, ächzte ich vor Schmerz auf. Na wenigstens überfiel sie mich diesmal nicht wieder auf der Herrentoilette.

"Hallo, Akira-chan", flüsterte sie amüsiert.

"Hi", erwiderte ich, während ein Ellenbogen in meinem Genick dafür sorgte, dass sich mein Schädel nicht von der Wand entfernen konnte. "Hab mich schon gefragt, wann du mal wieder auftauchst."

"Es ist ja wohl auch an der Zeit, oder?", tadelte die Agentin der Kronosier mich. Wie bei unserem ersten Treffen konnte ich kaum einen Arm bewegen - wenigstens versuchte sie diesmal nicht mich zu erdrosseln.

"Erst gerätst du an diese Killerbande, und jetzt lässt du dich auch noch mit den Naguad ein. Akira, Akira. Ich lasse dich nur solange leben, wie diese Mission ein Erfolg ist. Aber wenn du diese Leute frei herum laufen lässt, kann man das schwerlich behaupten, oder?"

"Was für ein Quatsch. Denkst du, daran habe ich nicht gedacht?", fuhr ich die Agentin an.

Der Druck auf meinem Rücken ließ etwas nach. "Wie meinst du das?"

"Na, denk doch mal nach. Wir reisen hier mit ner Menge Zivilisten. Alle wichtigen Bereiche werden sowieso permanent überwacht. Und wir wissen, dass sie da sind und dass sie etwas versuchen können. Darauf haben wir uns eingestellt."

"Ha. Und das geht genau so lange gut, bis mal ein Aggregatblock in die Luft fliegt, hm?"

Ich sah an der Mauer vorbei in die Höhe. Über mir zog ein Sauerstoffdistributor seine Bahn. Gerade in Fushida City waren Unmengen an Beton verbaut worden, auch für die Schule, auf deren Dach ich gerade stand. Der frische Beton zog Unmengen an Sauerstoff aus der Atemluft, während er aushärtete, welcher nun künstlich wieder eingeführt werden musste, wenn sich nicht alle an einen sehr, sehr geringen Sauerstoffanteil in der Luft gewöhnen wollten.

"Da mache ich mir keine Sorgen drum", erklärte ich süffisant, zumindest so weit meine Schmerzen dies zuließen. "Denn du willst ja nach Hause kommen, oder?"

"Was meinst du damit?", blaffte die Agentin im Körper einer Unschuldigen mich an.

"Nun, damit liegt es in deinem ureigensten Interesse, dass keine Aggregate explodieren, oder?"

Ich spürte, wie der Ellenbogen in meinem Genick zu zittern begann. Ich hatte sie, verdammt ja, ich hatte sie.

"Mistkerl", hauchte sie und übergangslos verschwand der Druck.

Für einen Moment blieb ich so stehen wie ich war. Dann stieß ich mich von der Wand ab, drehte mich einmal um mich selbst und rief: "Nur weil ich ein Mistkerl bin, habe ich aber nicht weniger Recht, und das weißt du auch!"

Dennoch, dieser kleine Sieg und die regelrechte Rekrutierung der Agentin, indem ich ihre eigenen Ängste schürte, das waren Dinge, die mich sehr zufrieden machten.

Leider würde der Ärger für mich und die AURORA an diesem Punkt erst beginnen.

Obwohl ich wusste, dass es sinnlos war, suchte ich noch nach einem Anzeichen meiner Besucherin. Aber da war nichts. Nicht einmal eine Ahnung ihrer Aura.

Wer immer sie war, sie konnte ohne weiteres die Beste sein. Und sie war auf meiner Seite. Solange ihr Leben bedroht war.

**

Makoto warf mir einen ernsten Blick zu. Ich nickte ebenso ernst. Er drückte eine Sensortaste und der Anelphsche Hologrammprojektor erwachte zum Leben.

"Nothing´s wrong, you´re fine with me..."

Ich zog beide Augenbrauen hoch. "Ein Joan Reilley-Musikvideo?"

Hastig und verlegen lächelnd deaktivierte mein Cousin die Projektion wieder. "Tschuldigung. Habe ich ganz vergessen. Ich wollte es mal als Holo aufbereitet sehen. Könnte man später vermarkten."

"Mako...", tadelte ich.

Er nickte und strich sich mit einer Hand über den Kurzhaarschnitt, mit dem er sich eigentlich von seinem weiblichen Äußeren hatte trennen wollen, während er mit der anderen den Projektor neu justierte.
 

Der entstehende Kubus flimmerte kurz und machte einem Mecha Platz. Nun, er war vielleicht nicht so hübsch wie Joan Reilley im Mini, aber mindestens ebenso spektakulär.

"Dies sind die Ergebnisse unserer bisherigen Analysen", erklärte er mir und den anderen Anwesenden. "Wir konnten die TAUMARA zwar erobern, aber dem Kapitän gelang es, einen Großteil der Daten im Computerkern zu löschen. Wir versuchen diese Daten zur rekonstruieren, werden aber noch Wochen brauchen. Die Anelph-Spezialisten arbeiten bereits mit Hochdruck daran, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass die Daten, die sie damals bei der Flucht mitgebracht hatten, mittlerweile völlig veraltet sein können." Er sah auf. "Und es wahrscheinlich sogar sind."

Sakura hob eine Hand. "Das sind alles bekannte Fakten, Makoto. Was habt Ihr aber bisher herausgefunden?"

Mako deutete auf das Hologramm. "Dies ist einer der feindlichen Mechas, die mit uns im Kampf gestanden haben. Die Typenbezeichnung ist Banges.

Das besondere an diesen Maschinen ist ihre Modulbauweise. Dieser Banges hier ist für den Nahkampf konfiguriert. Mit dem entsprechenden, weiter ausladenden Ortungskopf und anderen Armwaffen kann er ohne weiteres ein Fernkampftypus werden, mit dem richtigen Equipment ein Infanterietender, eine fliegende Ortungsstation, und so weiter. Jeder Banges besteht aus der Rumpfsektion für den Piloten. Alles andere, vom Fusionsreaktor bis hin zu den Beindüsen, kann ausgetauscht und entsprechend der Situation angepasst werden."

Das Bild wechselte und zeigte nun die Fernkampfversion mit weit ausladenden Raketenlafetten an den Armen. Kurz darauf kam der Spähertyp, der erheblich kleiner war, aber über stärkere Beindüsen verfügte.

"Sie wollen also sagen, dass jeder dieser Banges jederzeit umgerüstet werden kann, solange das entsprechende Equipment vorhanden ist?"

"Ja, Admiral Richards, das ist das Ergebnis unserer Untersuchungen. Bei der Bestandsaufnahme der Prise fielen uns sieben Mechas und Umrüstsets für neun Maschinen in die Hände. Dazu Ersatzteile und Nachschub für zwölf oder mehr. Es hätte mehr sein können, aber erstens haben die Naguad Teile ihrer Ausrüstung vernichten können, bevor Okame-kun eingreifen konnte"- Makoto nickte dem Dämonenkönig zu -"und zweitens ist die TAUMARA schon eine sehr lange Zeit unterwegs."

"Sehe ich das richtig", begann Megumi, "alles was wir hier im Holo vor uns sehen basiert auf Berechnungen und Fakten, die wir selbst eruiert haben, da wir größtenteils nicht auf den Computerkern zugreifen können?"

"Das ist richtig", sagte Makoto ernst.

"Okay, dann habe ich eine Frage: Wie schätzt dein Team die Kampfkraft der Banges gegenüber unseren Mechas oder den Daishi ein?"

Makoto sah sie an, bevor er leise zu sprechen begann: "Wir erwarten, dass ein Nahkampfbanges stärker ist als ein Hawk der Neuesten Generation."

Aufgeregtes Raunen ging durch den kleinen Raum. "Zudem haben wir die Untersuchung der TAUMARA abgeschlossen. Sie ist unseren Fregatten leicht unterlegen, aber auch nur, weil der Sprungantrieb viele Ressourcen und Platz benötigt."
 

"Dennoch sollten wir den Gedanken im Hinterkopf behalten, oder?", murmelte ich ernst. "Es war zu erwarten gewesen, dass die Naguad in den Jahren seit der Flucht nicht geschlafen haben. Und das neue Innovationen nach und nach auch die Grenzen des Reiches erreichen würden. Es ist gut zu wissen, dass wir ihnen wenigstens in der Schiffstechnologie überlegen sind."

"Nicht überlegen. Nur stärker", tadelte Makoto mich.

Ich grinste bei diesen Worten. "Wie dem auch sei, wir müssen die Situation ja nicht hinnehmen, nur weil sie so ist wie sie ist. Megumi, suche dir aus allen drei Regimentern die besten sechs Piloten raus. Dann lass alle sechs, solange wir hier noch im Alpha Centauri-System sind, auf den eroberten Banges trainieren. Und sobald sie dort sattelfest sind, werden diese sechs ein Red Team bilden."

Megumi nickte ernst. Sie würden Naguad simulieren. Und wir würden an ihnen erproben, wie wir sie am besten bekämpfen konnten.

"Ich habe nicht vor, erneut gegen Naguad zu kämpfen, aber es wäre naiv zu glauben, wir könnten es vermeiden."

"Dasselbe gilt für die TAUMARA", sagte Sakura ernst. "Ich will, dass die Arbeiten am Computerkern weiter mit Hochdruck betrieben werden. Gleichzeitig will ich, dass die Schäden der Schlacht beseitigt werden. Verschiedene Teams sollen anschließend auf ihr trainieren. Wenn man die Schwächen und Stärken eines Gegners kennt, ist er nur noch halb so gefährlich."

**

Wenn man die Schwächen eines Gegners kennt...

Dieser Satz ging mir eine lange Zeit durch den Kopf. Auch als ich schon lange beim KI-Training unter Futabe-sensei war.

Yoshi saß im Lotus neben mir und summte ein populäres Lied. Erstaunlicherweise war es nicht von Joan Reilley, was in der Öffentlichkeit der AURORA schon fast ein Sakrileg war.

Ich merkte kaum, wie ich einfiel und ebenfalls leise mitsang, während mich dieser eine Gedanke beschäftigte.

Ein bekannter Feind. Was sagte Sun-Tzu dazu, in der legendären Niederschrift Die Kunst des Krieges? Bist du schwach, erscheine stark. Bist du stark, erscheine schwach. Kenne deine Schwächen und Stärken. Kenne die Stärken und Schwächen deines Gegners.

Nun, nicht unbedingt in einem einzigen Satz, aber vom Sinn her entsprach das seiner Lehre über die Kriegskunst.

Unser Feind, die Naguad, sie machten mir Sorgen. Wir wussten fast nichts über sie. Selbst den Anelph, die als assimiliert galten, waren nicht alle Daten des Imperiums zugänglich gewesen. Bei einer Gigantkultur und einer riesigen Verteidigung, wie das Naguad-Imperium sie besaß, wäre eine komplette Information ohnehin Unsinn gewesen. Es gab Statistiken zu diesem Thema. Wie viele Mecha-Regimenter sie unterhielten, wie viele Schiffe welcher Klassen. Aber uns lagen keine Daten über Kampfkraft oder sogar einzelne Piloten vor. Nicht einmal Gefechtsgeschichten. Okay, das war nicht ganz richtig. Über einige Schiffe, vor allem die BAKESCH, die den Anelph zur Flucht verholfen hatten, gab es Geschichtsdaten. Ebenso über viele Schiffe, die mit ihnen zusammen gedient hatten.

Leider war dies nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn laut der Statistiken, die nicht derart aussagekräftig waren, umfasste dies nur ein Zwanzigstel der Schiffe, die im Dienst waren. Und dazu waren die Daten noch fünf Jahre alt.

Über neu Indienstgestellte Schiffe und außer Dienst gestellte lagen keine Informationen vor.

Alles in allem erhofften wir uns viel, sehr viel von den Daten aus dem Computerkern der TAUMARA.
 

"Akira-chan!" Ich spürte, wie etwas Weiches auf meinem Kopf landete. Zwei Fuchsaugen sahen mich auf dem Kopf stehend an, während die lange Schnauze meine Nase anstupste.

"Hallo, Kitsune." Ich lächelte, als ich die Dämonin erkannte. Ich hatte sie schon schmerzlich vermisst, obwohl ich sie erst beim Frühstück gesehen hatte.

"Störe ihn nicht, Kitsune-kun", sagte Futabe-sensei und trat neben uns. "Obwohl er dieses schreckliche Lied singt, das so in den Ohren schmerzt, ist er gerade dabei die Grundlagen des KI zu erkunden. Das gelingt aber nur, wenn er sich von seinen Dämonen lösen kann, die gerade in ihm wüten."

Ich sah zu Sensei auf. Der Mann verstand mich zu gut.

Wenn ich genau drüber nachdachte, hatte ich einige wirklich gute Lehrer gehabt, die mich auf meinem Weg begleitet hatten, die Last für mich mit trugen. Im gleichen Maße war ich für viele Freunde Lehrer, aber auch Schüler geworden.

Ohne Jeremy Thomas wäre ich nie so weit gekommen. Ohne Futabe-sensei hätte ich niemals die geistige Disziplin erreicht, die mich oft genug am Wahnsinn hat vorbei schlittern lassen.

Ohne Karl, seine Tipps, seinen Rat und seinen Beistand wäre ich nicht das, was ich heute war. Und dabei wusste ich nicht einmal seinen Nachnamen. Andererseits hatte ich ihm oft genug gesagt, was er mir bedeutete und wie sehr ich ihn respektierte.

Und um dieses Geschenk, das diese drei Männer mir gemacht hatten zu würdigen, musste ich erneut meine eigenen Dämonen überwinden, mein Bestes geben und vor allem dieses Schiff wieder sicher nach Hause bringen. Mit ein paar Tausend Anelph mehr an Bord, im Idealfall.

Und mein Training, genauer gesagt meine KI-Ausbildung war ein wichtiger Schritt in dieser Richtung.

"Innere Dämonen? Akira-chan, du wirst doch nicht fremdgehen? Oder bin ich nicht mehr deine Lieblingsdämonin?" Übergangslos verwandelte sich Kitsune in diese niedliche junge Menschenfrau mit den fuchsroten Haaren und lastete mit ihrem vollen Körpergewicht auf mir.

Ich ignorierte die Berührung durch ihre Brüste; diese Spielchen hatten wir schon lange hinter uns gelassen. Stattdessen sah ich ihr in die nun menschlichen Augen und sagte: "Keine richtigen Dämonen. Nur Ängste. Ängste um euch, die AURORA, die Deppen neben mir."

"Deppen?", rief Daisuke entrüstet.

"Schon gut, wollte nur mal sehen, ob du wirklich in Trance bist oder heimlich zuhörst", erwiderte ich grinsend.

Yoshi zwinkerte in meine Richtung. "Ausrede."

"Honda-kun", sagte Futabe-sensei mit ruhiger, leiser Stimme. Und verursachte damit mehr Panik bei Daisuke als es Gebrüll gekonnt hätte. "Du hast am meisten zu lernen. Du musst dein KI erst steuern lernen. Die Konzentration, die Meditation ist dafür essentiell. Wenn du hier versagst, dann wirst du nie den Level meines Enkels erreichen. Oder den Level von Ataka-kun."

Doitsu öffnete kurz die Augen und zwinkerte in Daisukes Richtung.

Dem stand kalter Schweiß auf der Stirn. Einerseits weil er Angst vor dem alten Mann hatte. Andererseits weil es wirklich sein Ziel war, zu uns aufzuholen.

Aber anstatt zu antworten, senkte er die Augenlider und begann konzentriert zu atmen. Leise begann er die Melodie zu summen, zu der Yoshi und ich vorhin gesungen hatten.

Sensei grunzte zufrieden. Das war sein allergrößtes Lob.
 

"Ne, ne, Akira-chan", meldete sich Kitsune wieder zu Wort. Sie richtete sich auf, kam um mich herum und hockte sich vor mich auf den Boden. Sie sah mich mit ihren klaren Augen an und verwundert sah ich darin wilde Entschlossenheit und tiefe Zuneigung. "Egal was du für Ängste hast. Egal wohin du gehst. Du weißt doch, du bist mein Lieblingsmensch. Ich stehe das mit dir durch. Ich stehe alles mit dir durch."

Übergangslos hatte ich einen Kloß im Hals. "Danke, Kitsune-chan."

Erfreut klatschte die Füchsin in die Hände. "So, nachdem das geklärt ist, kommen wir zum nächsten Punkt. Was willst du über das KI wissen? Ich kann dir jede Frage beantworten und dir jede praktische Anwendung zeigen."

"Wirklich?", rief ich überrascht.

"Hey, kann ich da auch noch was lernen?", rief Yoshi herüber.

"Das beste Wissen", begann Futabe-sensei, ließ den Rest aber offen.

Ich nickte resignierend. Der alte Glatzkopf hatte ja Recht. "Das beste Wissen ist das, auf das man selbst kommt", sprach ich den Satz ganz aus.

"Ich sehe, du hast doch was bei mir gelernt", murmelte der alte Priester zufrieden. "Kitsune-kun, du kannst gerne hier bleiben. Aber leite ihn nicht an. Er geht in die Tiefen seiner Seele und spürt dem KI nach.

"Aber dabei kann ich ihm doch..."

"Kitsune-kun!", sagte Futabe-sensei scharf. Selten hatte ich ihn so laut werden gehört.

"Ja, ja. Schon gut. Ich habe es ja kapiert", murrte sie und setzte sich neben mich auf den Boden. "Aber hier bleiben darf ich, ja?"

Futabe-sensei nickte nur knapp und ging dann wieder. Er ließ uns allein und überließ diese Lektion seinen Schülern.
 

Wieder begann ich leise zu singen. Yoshi grinste über sein ganzes Gesicht und fiel ein. Doitsu stimmte ebenfalls ein und Daisuke summte unmerklich lauter.

Kitsune strahlte über das ganze Gesicht und sang ebenfalls mit. Sie hatte eine bemerkenswert gute Stimme. Eine hypnotisch gute Stimme, die einen euphorisch, aber irgendwie auch...
 

...an einen völlig anderen Ort brachte.

Ich schlug die Augen auf und fand mich in meinem alten Hawk Blue Lightning wieder. Allerdings war ich ein unbeteiligter Beobachter, während mein jüngeres Ich im Pilotensessel saß und sein KI produzierte. Ich erkannte Akari, die neben ihm hockte und ich sah die Herakles-Klinge, wie sie von dem KI erfüllt wurde, das mein junges Gegenstück und die Youma Slayer produzierten, um den angreifenden ZULU abzuwehren.

Ich bekam aus meiner beobachtenden Position mit, wie die ins Gigantische vergrößerte Klinge durch den Schiffsrumpf fuhr und ihn längs spaltete.
 

Die Szenerie wechselte. Ich war wieder auf dem Mars. Überrascht sah ich, wie die Klinge eines Herakles-Schwertes durch die Cockpit-Panzerung schlug, auf mein junges Ich zuraste, die KI-Abwehr um Bauch und Brust durchschlug und mich pfählte.

Für einen Moment glaubte ich die alten Schmerzen erneut zu spüren. Mich schauderte bei dem Anblick.
 

Erneut wechselte die Szene. Ich stand im Regen irgendwo in Tokio. Bestenfalls fünf oder sechs Jahre alt. Vor mir auf dem Boden saß meine kleine Schwester und weinte. Sie war zu schnell gelaufen, gestolpert und hatte sich ein Knie aufgeschlagen. Und im Moment heulte sie Rotz und Wasser.

Der kleine Junge redete beruhigend auf sie ein, aber das brachte nichts. Schließlich seufzte er resignierend, legte beide Hände auf das Knie. Sie versanken in einem strahlenden Licht, welches in das Knie hinein zu fließen schien. Kurz darauf begann sich die aufgeschlagene Wunde zu schließen.
 

Ich schüttelte den Kopf. Ich erlebte KI-Anwendungen mit. Nur drei von wie vielen? Ich konnte es nicht sagen. Aber es mussten Dutzende, Hunderte gewesen sein.

Antworten lieferten mir diese Bilder nicht. Aber sie bestätigten etwas, was ich schon lange wusste. Meine Fähigkeit, das KI zu benutzen, war nicht neu. Nur ausgefeilter. Trainierter.

Der kleine Junge vor mir wurde durchscheinend. Das überraschte mich. Denn nun konnte ich in dem gläsern gewordenen Burschen, der ich einmal war, eine Art feines Gespinst erkennen, das den ganzen Körper durchzog. In ihnen pulsierte eine helle, fast gleißende Substanz.

An sieben Punkten konzentrierte sich diese Substanz in beinahe daumengroßen Ballungen. Dazu kamen viele wesentlich kleinere Ballungen, die sich über den restlichen Körper verteilten.

Die oberste war im Kopf. Die nächste lag in der Herzgegend. Eine weitere in der Lunge. Leber, Magen, Verdauungstrakt und Geschlecht, wenn ich sie grob einteilte. Sieben Ballungen innerhalb meines Körpers, in denen diese Energie pulsierte.

Es erschien mir einen Moment wie die klassische indische Einteilung in Chakren, einem der KI-Lehre verwandten System.

Doch dann sah ich genauer hin und erkannte etwas anderes, neues.

In den Ballungen mischten sich zwei Energien. Eine weiße und eine schwarze. Eine starke und eine schwache. Eine fröhliche und eine düstere.

Yin und Yang. Zusammen ergaben sie das KI.

Im Magenchakra sammelte sich die meiste Energie. Und von dort schoss sie über das Kapillarsystem in beide Arme, in die Handflächen. Von dort ging sie auf Yohkos Körper über.

Ich sah genauer hin, erkannte einerseits das aufgeschlagene Knie. Andererseits ihr KI-System, das über dem Knie einen großen schwarzen Fleck aufwies, durch den ich nicht hindurch schauen konnte.

Das KI meines jüngeren Ichs fraß sich nun in diesen Fleck hinein, machte ihn durchsichtig und entblößte das bisher verdeckte Kapillarsystem, welches zögernd wieder zu arbeiten begann. Als der Fleck ganz fort war, strahlte das Knie besonders hell und Yohkos körpereigenem Chakra.
 

Ich fühlte mich fortgerissen. Fort von dieser Szene. Fort aus diesem Geschehen. Übergangslos stand ich im Nirgendwo, in Finsternis. Über mir leuchteten ein paar Sterne.

"Das KI", erklang eine Stimme hinter mir, "ist ein körpereigenes Produkt. Es ist nicht erfassbar, aber ist das die körpereigene Elektrizität, die ein Mensch unbewusst produziert? Es ist eine Energie. Eine sehr starke Energie, die aber nur wenige Menschen kennen oder auch nur kennen wollen. Sie zu kontrollieren kann übel enden, wenn man halbherzig oder zu forsch angeht. Sie kann aber auch das Tor zu einem Reich aufstoßen, in dem jeden Tag neue Wunder warten."

Ich wandte mich in der Dunkelheit um. "Dai-Kuzo-sama."

Die Spinnendämonin trat lächelnd neben mich. "Ich wusste, dass du eines Tages kommen würdest, Akira. Deshalb hinterließ ich diesen Abdruck in deinem KI-Gedächtniss. Er wird dir Rede und Antwort stehen."

Ich nickte. "Vieles habe ich schon selbst verstanden. Das KI ist ein Kreislauf innerhalb des Körpers, ähnlich wie das Blut. Er ist immens wichtig. Ist er gestört, kann dies Schmerzen, sogar den Tod verursachen."

"Das ist richtig."

"Aber da ist noch soviel mehr. Ich meine, ich habe damit mein Schwert verstärkt. Ein Schiff vernichtet. Wie kann das sein, mit einer Kraft aus meinem eigenen Körper?"

"Falsche Frage", erwiderte der Schatten von Dai-Kuzo lächelnd.

Irritiert sah ich sie an. "Es liegt doch nicht in der Natur des KI, ein Schwert noch schärfer zu machen, oder?"

"Warum sollte es das nicht? Es hat doch funktioniert, oder, Akira?"

"Ja, das schon. Aber es erscheint mir so unwirklich. So nach dem Motto: Du hast da gerade was Tolles getan, aber eigentlich geht das gar nicht."

"Du kannst dir deine Antwort selbst geben, Akira", belehrte mich Dai-Kuzo sanft.
 

Ich dachte einen Moment nach. "Eine körpereigene Energie, die ich bewusst produzieren und lenken kann. Ich kann damit Einfluss auf meinen Körper und andere Körper nehmen. Und anscheinend kann ich das auch auf feste Materie, sonst hätte ich den ZULU nicht vernichten können."

"Du bist auf einem guten Weg", lobte sie mich.

"Zudem haben die Kronosier Seelen in Waffen gesperrt. Auch das muß KI-Energie gewesen sein. Sie haben auch Unmengen geraubt und gespeichert. Das KI muß, sobald es einmal produziert wurde, sehr vielseitig sein."

"Das stimmt. Wir Dämonen bestehen aus einer Art des KI, wenn du so willst."

Ich lächelte knapp. Das hatte ich schon gewusst. "Aber wie kommt dieser Sprung? Wie auf meine Waffe? Wie gegen das Feindschiff? Wie?"

"Ja, wie? Wie hast du es gemacht?"

"Ich", sagte ich zögernd, leise, widerstrebend, "habe es gewollt."

Langsam hob ich meine Hände vor die Augen und sah sie an. "Ich habe es gewollt."

Die Hände versanken in gleißender KI-Energie. Es wurden zwei gewaltige Flammen, die meterweit in die Höhe stachen. Es musste da einen Zusammenhang geben. Zwischen meinem Körper und der toten Materie.

Ich zog eine wahnwitzige Möglichkeit in Betracht. Vor fünf Milliarden Jahren waren die Atome, aus denen ich und auch die AURORA und alles was in ihr war, von einer sterbenden Sonne ins All geschleudert worden. Ja, wir bestanden alle aus Sonnenstaub. Und dies nach Jahrmilliarden.

Konnte es sein? War das die Lösung? Der Glutofen einer Sonne, aus der all diese Atome stammten? Weil sie gleicher Herkunft waren, bedeutete dies, dass sie das KI aufnehmen konnten? Sich vielleicht an KI erinnerten?

Mir schauderte bei dem Gedanken, denn er führte in eine Richtung, die mir fast die Füße unter den Beinen wegtrat: Es lief alles auf KI-beseelte Sonnen hinaus.

Nein, das war der falsche Denkansatz. KI - körpereigene Energie, geboren aus der Wärme und der normalen Körperelektrizität und einigen Faktoren, die ich noch nicht kannte.

Tote Materie, wie passte das zusammen? Gar nicht? Nein, das ging nicht, denn ich selbst hatte den Zusammenhang Dutzende Male herbeigeführt, war es gewissermaßen.

"Doch eine Scheinwelt?", fragte ich zaghaft.

"Denk noch einmal drüber nach", bat mich Dai-Kuzo lächelnd.

"Aber mir fällt nichts ein. Ich kann es einfach hinnehmen und gut ist. Oder weiter nachspüren, was das KI eigentlich ist. Ich spüre, das es wichtig ist, diese Antwort zu bekommen, doch ich weiß nicht wieso."

"Und dies ist die Frage, die du eigentlich mir stellen solltest. Aber zuerst: Was ist KI?"

"Kraft", antwortete ich spontan. "Kraft, die jeder Mensch hat, aber nur wenige steuern sie oder wissen überhaupt von ihr."

"Was für eine Kraft, Akira?"

"Eine... Eine Art Blut. Essentiell für den Menschen."

"Warum kann dies zu einer Waffe werden?", fragte Dai-Kuzo geduldig.

"Weil ich es so will?", fragte ich leise.

"Auch."

Ich sah der Spinnendämonin in die Augen. Ich spürte es, ich war einer wichtigen Antwort auf der Spur. War tote Materie doch beseelt? Lag das Geheimnis darin? Oder...

Ich japste auf, als mir die Antwort in den Sinn kam. Instinktiv wehrte ich sie ab, doch Dai-Kuzo ergriff meine Hände. "Wehre dich nicht, denn du brauchst diese Antwort, bevor du die eigentliche Frage stellst, Akira."

Zögernd gehorchte ich und stellte mich der Antwort auf die Frage. Was war KI? Warum konnte ich damit tote Materie beeinflussen?

Die Antwort war simpel, so simpel, und dabei so erschreckend. Ich betrachtete die Flammen auf meinen Händen, die unter der Kraft meines KI noch weiter wuchsen und nun beinahe zwanzig Meter in die Dunkelheit ragten. KI, das war die Verbindung zwischen Körper und Geist, Leben und Tod, Vervollkommnung und dem Beginn der Reise. Ich wollte, ich konnte nicht an ein beseeltes Universum glauben, weil es mir zu sehr Angst machte. Aber ein Universum voller Energie, das konnte ich verstehen und akzeptieren. Und damit verstand ich auch, warum ich KI in einem weit höheren Maße produzieren konnte als es mein Körper eigentlich vermocht hätte.

Ich war nicht einfach nur Akira Otomo. Ich war Teil eines Großen, Ganzen. Und das KI war nur eine weitere Art, auf die ich auf dieses Ganze Einfluss nahm. Dabei war das KI ein ebenso natürlicher Bestandteil dieses Ganzen wie es jede andere Einflussname von mir war.

Doch ich hatte dieses Talent trainiert, verbessert, ausgebaut.

Okay, es war eine Manipulation, aber sie entsprach den Regeln.

Ich fühlte eine ungeheure Erleichterung, als ich das erkannte.

Im Prinzip nutzte ich nur etwas, was es schon gab und verstärkte es lediglich. Erschreckend und erhebend zugleich empfand ich die Tatsache, dass jedes Lebewesen diese Kunst erlernen, also auf eine natürliche Fähigkeit zugreifen konnte.

Viele Tiere taten dies sicher auch unbewusst. Aber nur wir Menschen konnten es lernen. Oder vielmehr wieder lernen.
 

"Danke, Dai-Kuzo-sama. Ich habe nun eine Antwort, auch wenn ich spüre, dass es noch nicht die ganze Antwort ist."

"Das stimmt, Akira. Doch noch kannst du nicht gehen. Du musst noch eine Frage stellen."

"Gut. Warum ist es wichtig für mich zu wissen, was das KI eigentlich ist?"

"Eine gute Frage, Akira. Du kannst sie dir selbst beantworten", sagte Dai-Kuzo ernst.

Das verwunderte mich. So ein Gesicht zeigte sie selten. Das letzte Mal hatte sie so drein gesehen, als sie das superdeformte Blondchen gefangen hatte, dass Yoshi und mich hierher gebracht hatte.

"Doch einen Hinweis will ich dir geben. Wenn KI eine natürliche Eigenschaft ist und manche Menschen aus deinem Volk sie beherrschen, Akira..."

Übergangslos stürzte ich in ein tiefes, schwarzes Loch! Ich spürte große Gefahr nahen, Panik griff nach meinem Herzen! Alles versank in Dunkelheit!

Nein. Nein! NEIN!
 

"Akira-chan!", hörte ich Kitsune rufen, während sie mich schüttelte.

Aus glasigen Augen sah ich sie an. "Häh?"

Ihre Augen waren mit Tränen verwässert. Dennoch lächelte sie glücklich, als sie mir um den Hals fiel. "Ich bin so froh. Ich dachte, du stirbst, Akira-chan. Alles KI ist aus dir gewichen, nichts konnte dir helfen. Wir wollten sogar schon einen Krankenwagen für dich rufen."

Meine Arme waren matt und schwer, dennoch umarmte ich die Dämonenkönigin.

Yoshi legte schwer eine Hand auf meine Schulter. "Wir dachten echt, du stirbst. Was ist dir nur passiert, Akira?"

Doitsus Blick strich mich voller Sorge. Seine Hände glühten noch von KI nach. KI, mit dem er mich behandelt hatte? Ich sah zu Yoshi. Auch um seine Hände war diese Restaura.

"Ich habe die Hölle gesehen", hauchte ich und erkannte meine Stimme kaum als die eigene wieder. Ich entließ Kitsune, sprang auf und ballte beide Hände zu Fäusten. Überschlagsblitze aus KI-Energie rasten über meinen Körper, ballten sich an den Fäusten. "Wir haben einen gigantischen Fehler gemacht!", sagte ich ernst. "Die Kultur der Naguad ist älter als unsere. Älter, versteht Ihr?"

Yoshi wurde bleich. Auch Doitsu schien zu kapieren. Nur Daisuke sah mich erstaunt an. "Ja, und?"

"Sie haben Krieger, die das KI beherrschen", sagte ich düster.

Über Daisukes Gesicht flog Entsetzen.

"Womöglich sogar eine ganze Division mit ihnen..." Langsam legte ich eine Hand auf Kitsunes Kopf. "Und sie werden eigene Daimons haben, die womöglich mit ihnen zusammen arbeiten."

"Du hast wirklich die Hölle gesehen", hauchte Yoshi.

"Noch nicht ganz", erwiderte ich. "Es war eine Hölle. Aber unsere Arbeit der nächsten Wochen wird entscheiden - ist es die Hölle der Naguad, oder der AURORA?"

"Vom Deprimierten zum Anheizer. Das macht dir so schnell keiner nach", kommentierte Doitsu, gegen seinen Willen grinsend. "Natürlich die Hölle der Naguad."

Daisuke nickte mit einem schiefen Grinsen. "Holen wir die Slayer. Wir müssen trainieren."

"Holen wir die Slayer", schloss ich. "Und die Dämonen."

**

"Micchan!" Akari winkte fröhlich zu dem jungen Mann herüber, der zögernd auf den Tempelplatz trat. Seit einigen Tagen vernachlässigten die Slayer und die KI-begabten Soldaten der UEMF ihren Dienst - und in meinem sowie Akaris Fall die Schule - um unter Futabe-senseis Anleitung die Zeit bis zum nächsten Sprung zu nutzen, um... Ja, um das eigene KI so gut wie irgend möglich zu beherrschen. Und um bald schon selbst ein guter Lehrer zu werden, um anderen, viel versprechenden Kandidaten die eigenen KI-Fähigkeiten näher zu bringen und sie nutzbar machen. Für unsere militärischen Zwecke.

Das hatte natürlich auch bedeutet, meinen Schüler zu vernachlässigen. Michi Torah, der Junge, der mich töten wollte, hatte irgendwann hier auftauchen müssen um zu erfahren, warum ich unsere Trainingsstunden ausfallen ließ.

Ich hatte mir für diesen Fall auch ein paar sehr gute Erklärungen zurecht gelegt, aber Akari kam mir zuvor. Sie verneigte sich vor Futabe-sensei, um eine kurze Pause zu machen und lief dann auf Michi zu. Die beiden wechselten hastig ein paar Worte, und mit einem letzten, irritierten Blick in meine Richtung verließen sie die Tempelanlage wieder.

"Was hat sie gesagt, Sensei?", fragte ich den alten glatzköpfigen Priester.

"Das sie mit ihrem Freund sprechen will, Otomo-kun."

Die Doppeldeutigkeit der Worte entging mir nicht und ehrlich gesagt fühlte ich mich ein paar Jahre zurück versetzt, in eine ganz ähnliche Situation zwischen Yohko und Yoshi.

Nur das Yoshi damals nicht versucht hatte, mich zu töten. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.

"Na, Akira, was willst du jetzt als großer Bruder machen?", fragte Yoshi und legte einen Arm um meine Schulter. "Ihnen hinterher schnüffeln oder Akari vertrauen?"

Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Die Sache war weitaus schwieriger als mein bester Freund glaubte. Abrupt wandte ich mich um und nahm meine Übungen wieder auf. Was sollte schon passieren? Akari war eine Sechzehnjährige mit der Erinnerung eines vierhundert Jahre alten Dämonen. Was konnte ihr passieren? Ich fühlte mich wirklich nicht wohl mit meiner Entscheidung, ihr nicht hinterher zu spionieren.

**

Michi fühlte sich nicht ganz wohl dabei, während Akarin vor ihm herging, ihn von der Tempelanlage fort bringend. Er folgte ihr, obwohl er eigentlich Akira hatte zur Rede stellen wollen.

Auf einer Bank ließ Akari sich nieder und deutete auf den Platz neben sich.

"Micchan", begann sie, wurde rot und sah fort.

Michi erwachte aus seinen eigenen Gedanken und beobachtete erstaunt, wie ihr zartes Gesicht Farbe bekam. "Akarin?"

"Micchan, es gibt da etwas, was ich dir sagen muß. Ich meine, es sind einige Dinge, die ich dir erzählen will. Würdest du mich bitte anhören?"

Zögernd nickte der junge Mann. "Natürlich, Akarin. Wozu sind Freunde sonst da?"

Ihr kurzer Seitenblick irritierte ihn etwas. Sie hatte enttäuscht ausgesehen. Oder bildete er sich das nur ein?

"Es... Es geht um den Angriff auf die KONAR-Fregatte, die TAUMARA. Warum ich daran teilgenommen habe und so."

"Du bist eine der anerkannten KI-Expertinnen an Bord", erwiderte Michi leise. Kurz spielte ein Schmunzeln über seine Züge. "Und du hast gute Chancen Vorsitzende der Schülervertretung zu werden. Meine Stimme hast du jedenfalls."

"Danke, aber es gibt einen Grund dafür, dass ich mich so gut mit meiner KI-Energie auskenne. Micchan, eigentlich bin ich über vierhundert Jahre alt..."

Michi spürte ein Déja-vu wie einen schweren Hammer auf seine Sinne aufschlagen und sein Leben in Schwingung zu versetzen. So hatte er sich bereits einmal gefühlt, als sein Vater ihm aus heiterem Himmel etwas Ähnliches erzählt hatte. Er tat Akaris Worte nicht ab, so merkwürdig und unlogisch sie auch klangen. Er spürte, dass sie wahr waren.

"Sprich weiter", forderte er sie auf.

Akari nickte und begann zuerst stockend, dann mit immer flüssigerer Stimme zu berichten.
 

Abwehrend hob Michi nach zehn Minuten eine Hand. "Auszeit, Auszeit. Darf ich das mal zusammenfassen? Du warst die letzten vierhundert Jahre ein Oni, weil du vergiftet wurdest und dir ein Massenmord angehängt wurde. Danach haben dich die Verwandten der Toten verflucht, du bist als Oni wiedergeboren worden und hast schauerliches Gericht unter ihnen gehalten, bis dein Vater eingriff und dich die nächsten vierhundert Jahre in einen Schrein verbannte, aus dem Akiras Ungeschicklichkeit dich befreite."

"Ja, aber er hat nicht nur meine Existenz befreit. Er hat auch meine Seele befreit. Als er mich in seine Dienste nahm, da war dies wie eine neue Wiedergeburt. Ein neues Erleben. Eine andere Zeit, und eine neue Chance. Akira hat mich von dem düsteren Teil meiner Seele gerettet und mir einen Platz am Licht zurückgegeben."

Michi erschauerte kurz. Was er hier über Akira und seine Familie erfuhr waren Dinge, die er eigentlich nicht wissen wollte. Sie machten den ehemaligen Executive Commander der UEMF zu menschlich, zu sympathisch. Unwillkürlich griff Michi zu dem Messer, welches er in seiner Jacke versteckt hatte. Seine Rechte umschloss den Griff, er zog daraus Sicherheit.

"Aber du bist nicht einfach ein Oni geblieben. Ich meine, du bist ein Slayer geworden. Ein Magischer Youma Slayer. Und als dieser bist du mit zum Mars gereist."

Eifrig nickte Akari.

Michis Gedanken jagten sich. Bisher hatte er immer Akira für den Tod seines Vaters verantwortlich gemacht, sich auf ihn konzentriert. Obwohl er wusste, dass es die Slayer gewesen waren, die seinen Vater ausgerechnet auf dessen Spezialgebiet, der KI-Nutzung vernichtet hatten.

Aber wenn Akarin eine von ihnen war, dann wohin mit seinem Hass?

"Akarin, warum erzählst du mir das alles?"

Sie ergriff vorsichtig seine Hände, drückte sie sanft. "Ich erzähle es dir, weil ich keine Geheimnisse vor dir haben will. Ich bin über vierhundert Jahre alt, aber die meiste Zeit davon habe ich geschlafen. Und jetzt, hier auf der AURORA habe ich endlich die Chance, in ein reales Leben zurück zu finden. Und wenn ich mit dir zusammen bin, Micchan, dann... Dann fühle ich mich auch als wäre ich wirklich sechzehn. Dann wird dies hier wirklich mein Leben.

Ich mag dich, Micchan, ich mag dich sehr. Aber bevor ich dich frage, ob du mich auch magst, musst du wissen, wer ich bin."

Zögernd nickte Michi, obwohl er ahnte, dass ihm ihre nächsten Worte nicht gefallen würden.
 

Akari begann weiter zu erzählen. Vom Mars-Feldzug, von der Schlacht vor Martian City. Vom Angriff des Magiers auf sie und die Slayer und wie sie am Rand der Vernichtung standen. Entsetzt starrte Michi sie an. Sie hatte gesagt, was er nicht hatte hören wollen.

"Um Akira zu retten, um meine Freunde zu retten, habe ich meine Existenz als Dämon aufgegeben", hauchte sie in Erinnerung dieses Moments, an die tiefe Angst in ihr, auf ewig in der Finsternis zu treiben und dem Hochgefühl, die wirklich wichtigen Menschen in ihrem Leben retten zu wollen.

"Es hat ausgereicht. Mit einem letzten Angriff haben wir den Magier vernichtet. Wir haben Tora getötet und sein Depot an KI-Energie geöffnet. Von dort kehrte die Energie zu den Opfern seiner Raubzüge zurück. Es war ein sehr schöner Anblick.

Ich dürfte seit diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr existieren. Aber Dai-Kuzo-sama hat mir erlaubt, wiedergeboren zu werden, als Mensch, weil ich selbstlos meine Existenz opfern wollte. Und ich bin dankbar dafür."

Akari sah zu Boden, ihre Schultern bebten. "Wofür ich aber nicht dankbar bin, das ist diese Erkenntnis, den Magier betreffend. Denn es war der Mann, der mich vergiftet hat, der dafür gesorgt hat, dass ich ein Oni wurde." Sie barg ihr Gesicht in den Händen und schluchzte laut. "Ich weiß nicht, was ich darüber denken soll. Ich hatte solche Angst und ich habe nie wirklich verstanden, warum er es getan hat. Was habe ich Tora je getan?"
 

Michis Linke wollte vorzucken, sie an ihrer Schulter berühren, sie trösten. Aber die Rechte umschloss den Griff des Messers. Da saß sie neben ihm, die Frau, die seinen Vater getötet hatte. Sie saß neben ihm, innerlich zerrissen, und flehte nach seinem Verständnis, seinem Schutz und seiner Liebe.

Michi ließ die Linke sinken, als ihn erneut dieses Déja-vu überfiel. Als sein Vater, der wortkarge Mann, vor ihn trat und ihm erzählt hatte, weit über vierhundert Jahre alt zu sein.

Sie hatte ihn getötet, zusammen mit den anderen Slayern, aber Vater hatte sie überhaupt erst erschaffen!

Mühsam löste er die verkrampfte Rechte von dem Griff des Messers. Dann erhob er sich ernst. Er versuchte so gefestigt wie möglich auszusehen, doch innerlich war er aufgewühlt, verwirrt und verängstigt wie nie zuvor in seinem Leben. Da saß sie neben ihm, sie, die Mörderin seines Vaters. Aber auch seine beste Freundin, und wenn er ehrlich war sollte sie auch einmal die Freundin werden.

Er fühlte wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Warum hatte es nicht Akira sein können? Es wäre so leicht gewesen, einfach weiterhin Akira zu hassen und zu trainieren, vielleicht zu sterben, aber die Gewissheit zu haben, die Rache nicht vergessen zu haben, dafür etwas - eigentlich alles - zu tun.

Doch dann hatte sie alles erzählt, ihm ihr Innerstes gezeigt, sich verletzlich gemacht.
 

Wieder versuchte er, ihre Schulter zu berühren. Nein, sie hoch zu ziehen, sie zu umarmen und nie wieder los zu lassen. In wütender Agonie öffnete er den Mund zu einem lautlosen Schrei, der sich nur darin äußerte, dass seine Haare übergangslos von seiner KI-Energie in Flammen zu stehen schienen.

Als sich diese abgrundtiefe Verzweiflung etwas beruhigt hatte, wandte er sich ein wenig ab, damit sie seine Tränen nicht sah.

"Akarin... Wir... Es wäre besser, wenn... Wenn wir uns eine Weile nicht sehen."

Er hatte befürchtet, sie entsetzt aufkeuchen zu hören. Ihre Arme um seinen Leib zu spüren, sie flehen zu hören, dass er das nicht ernst meinen dürfte.

Stattdessen sagte sie ernst, gefasst: "Ja, Micchan."

Michi konnte ein Beben seiner Schultern nicht unterdrücken. "Es...Es ist nicht, weil du zur UEMF gehörst oder weil du mal ein Dämon warst, Akarin. Ich... Ich muß nur über etwas nachdenken und... Ich weiß nicht, wann ich mich wieder bei dir melden kann."

Um sie wieder sehen zu können musste er einen Teil seiner Seele aufgeben. Und obwohl er dafür bereit war wusste er doch, dass er zuvor gründlich, sehr gründlich darüber nachdenken musste. Was war sein Leben noch wert, was war er noch wert, wenn er seinen Hass aufgab? Wog ihre Liebe das auf? Wog seine Liebe das auf?

Langsam ging er davon, ohne sich umzudrehen. Jeder einzelne Schritt brachte ihn fort von ihr, ließ ein Stück von seinem Herzen krümeln, ließ ihn mit dem Wunsch kämpfen, umzudrehen und sie um Verzeihung zu bitten.

Hinter ihm begann Akari leise zu weinen und er hasste sich dafür, dass er sie so zurück ließ. Aber er konnte nicht anders. Es ging nicht anders. Akari, pochte es in seinem Kopf. Akari.

"Ich hasse dich, Akira", hauchte er leise. "Ich hasse dich. Warum hast du mir das nicht gesagt? Warum musste ich es so erfahren? Was hast du nur gegen mich?"
 

5.

"Gentlemen", sagte Sakura Ino laut und deutlich vor den versammelten Offizieren und Kapitänen der Flotte. "Wir konnten nun genügend Daten aus der TAUMARA retten, um Ihnen dies hier zu präsentieren."

Sie nickte ihrem Bruder zu, der den Holoprojektor aktivierte.

Ein leises Raunen ging durch den Raum, als ein Sternenhimmel erschien.

Neben den verschieden großen Lichtpunkten gingen immer wieder kleine Datenfenster auf, in denen Planeten gezeigt oder Text präsentiert wurde.

Das Raunen wurde lauter, als einige die Texte zu entziffern begannen.

"Das ist in Anelph geschrieben", wandte Kommodore Genda ein.

"Das ist nicht ganz richtig, Tetsu", erwiderte Sakura. "Es ist Nag-Alev. Eine künstliche Schrift, die im Imperium der Naguad als Amtssprache gilt. Sie besteht aus dreiundzwanzig Konsonanten und neun Vokalen. Der gesamte Sternenkatalog ist darin verfasst."

"Und was bezwecken wir damit?", warf Kapitän Garcia ein.

Ich räusperte mich lautstark und hatte übergangslos die Aufmerksamkeit. "Wir werden ab sofort ausschließlich die Karten der TAUMARA verwenden. Alle anderen Karten, die Erde und ihre Position betreffend, werden gelöscht. Lediglich eine einzige Kopie wird in der AURORA aufbewahrt und von dort kopiert und wieder auf die anderen Schiffe und Dienststellen der Operation TROJA verteilt, sobald wir in das Alpha Centauri-System zurückgekehrt sind."

Nun erwuchs ein lautes Stimmengewirr.
 

"HERRSCHAFTEN!" Admiral Richards´ Stimme klang schneidend scharf auf. "Lassen Sie den Division Commander bitte ausreden."

Ich nickte dankbar. "Wir verwenden die Naguad-Karten aus einem wichtigen Grund: Die Erde ist auf ihnen nicht verzeichnet und Alpha Centauri gilt ebenfalls als unerforschtes System."

"Verstehe. Falls die Mission scheitert oder ein oder mehrere Schiffe in die Hände der Naguad fallen, kann unser Kartenmaterial nicht die Position der Erde verraten", schloss Kei Takahara messerscharf.

Ich nickte dazu nur.

"Gut. Wann kriegen wir die Übersetzungen?", hakte er nach.

Erstaunt wechselte ich einen Blick mit Sakura und Mako. "Wir... Wir gingen eigentlich davon aus, dass jetzt alle angestrengt Nag-Alev lernen würden."

"Wozu? Durch unsere Sprache geben wir den Naguad sicher keinen Hinweis auf die Erde, oder? Und außerdem ist mir eine gute Übersetzung lieber als die Möglichkeit, dass sich unsere Offiziere und Mannschaften mit der neuen Sprache schwer tun und Fehler machen.

Außerdem können wir nicht die ganze AURORA auf Nag-Alev umstellen, oder?"

Ich grinste schief. "Da ist was dran. Dennoch sollten die Führungsoffiziere, die hier anwesend sind, sowohl das Nag-Alev lernen als auch im Anelph-Idiom geschult werden."

"Das steht auf einem anderen Blatt", erwiderte Kei. Er grinste schief zurück. Und ich konnte seine Gedanken lesen. Er schien mir regelrecht rüber zu rufen: Du hast Ban Shee als Lehrerin erlebt. Und das willst du jetzt anderen antun?

Ich räusperte mich verlegen. Mein Anelph war noch immer rudimentär, aber immerhin vorhanden.
 

"Wir springen wie erwartet in zehn Tagen weiter", schloss Sakura die Sitzung. "Bis dahin sind alle terranischen Karten gelöscht und gegen diese ausgetauscht. Unser Ziel heißt Borame, ein Sonnensystem mit gelber Normsonne, sieben Planeten. Unbewohnt. Das bringt uns weitere drei Lichtjahre an unser Ziel heran."

Ich nickte dazu schwer. Und fragte mich verzweifelt, wie viele Fehler wie den mit den Karten wir noch aufdecken würden...
 

Epilog:

Ich befand mich in dem Tank. Genauer gesagt jenem Biotank, in dem beinahe mein Gehirn geschmort worden wäre. Fassungslos betrachtete ich meine Hände, spürte die Anschlüsse an mir lasten. Dann sah ich durch das Glas hinaus, erkannte einen weißhaarigen Mann mit dunkler Haut, der mich mit stechend blauen Augen ansah.

"Interessant", hauchte er. "Dies ist also deine größte Angst."

Das konnte nicht real sein. Das durfte nicht real sein! Hatte ich die letzten Jahre nur geträumt und war ich immer noch in diesem Biocomputer der Kronosier vernetzt?

Nein. Das war nicht wahr. Aber dann war dies ein Albtraum?

"Wie ist dein Name?", fragte die Gestalt. "Warum leuchtest du nur so hell?"

Ich erwiderte nichts, schlug von innen gegen den Tank. Verdammt, das Material fühlte sich so echt an! Aber es konnte nicht real sein. Das wäre Wahnsinn gewesen, purer Wahnsinn! Ich legte beide Hände vor mein Gesicht und... Spürte eine Brille.

Meine Sonnenbrille, die ich in der AURORA meistens trug, um meine Mitmenschen nicht mit meinem weißen Auge zu schockieren.

Ich riss sie mir vom Kopf, zerdrückte sie fast in meinen Händen, nur um etwas Reales zu spüren.

Der Unbekannte wich einen Schritt vor mir zurück. "Dieses Auge... Was ist das für ein Auge? Was... ist... das... für... ein... Auge...?"

Langsam, unendlich langsam schien er sich von mir zu entfernen, wurde kleiner, immer kleiner, bis er verschwunden war.
 

Übergangslos verschwand der Tank und ich fuhr in meinem Bett hoch. Ich atmete schwer.

Was war das nur für ein fürchterlicher Traum gewesen? Ich griff mir an die Stirn. Dann bemerkte ich etwas Klebriges, dass sie hinab lief. Ich aktivierte das Licht in meinem Zimmer und sah die tiefen Schnitte in meinen Händen. Auf der Bettdecke lagen immer noch die Überreste meiner Sonnenbrille und von meiner Stirn tropfte Blut aus den Wunden am linken Handballen.

Dann erst sah ich hoch, auf, und erkannte die feine Aura, die mich umgab. Eine Aura mit beträchtlicher Macht. "Was...?", fragte ich leise.

"Du leuchtest zu hell, Akira-chan", hauchte eine Stimme neben meinem Bett, erschöpft, aber zufrieden.

Ich sah zur Seite und erkannte Yellow Slayer. In der Hand hielt sie einen Stab, der von einem breiten Juwel gekrönt wurde. Aus ihm stammte das Leuchten, das nun allmählich erlosch wie das Pulsieren des Juwels. "Irgendetwas, irgendjemand hat dich gesehen, Akira-chan", hauchte Yellow, sichtlich erschöpft. "Du hast ihn vertrieben, aber es war schwer, deine Spuren zu verwischen. Du solltest wirklich versuchen, deine KI-Aura besser zu kontrollieren, Akira-chan."

"Wer?", fragte ich erschüttert, bekam aber keine Antwort. Die erschöpfte Slayer-Kriegerin verschwand von dort, wo sie war im Nichts.

"Kein Kuss heute?", fragte ich in einem Anflug von Sarkasmus.

Übergangslos spürte ich weiche Lippen auf den meinen. "Danke, das du mich daran erinnert hast, Akira-chan", sagte Yellow mit amüsierter Stimme, bevor sie erneut verschwand.

"Wenigstens eine Konstante zur Zeit", brummte ich nicht weniger amüsiert und versuchte wieder einzuschlafen. Wenigstens etwas Schlaf finden...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-02-27T08:08:37+00:00 27.02.2007 09:08
Hammergeilo. Wie immer. Echt supi. Weiterlesen werd ich wohl erst heut Nachmittag, wenn nichts dazuwischen kommt.
Von:  Subtra
2005-07-15T20:19:44+00:00 15.07.2005 22:19
War sehr gut auch wenn ich schwören konnte dass gleiche schonmal gelesen zu haben. Hast du dieses kapi verbessert oder was?


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