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Fremde Welten (#1)

Das Reich der Schatten ist gar nicht so gruselig.
von

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So wird man ein Effektmonster – nicht zur Nachahmung empfohlen.

Welt des Blauen Lichts: Dienstag
 

Fremde Welten 54: So wird man ein Effektmonster – nicht zur Nachahmung empfohlen.
 

Crimson hatte ein paar kleinere Schwierigkeiten mit seinem geliehenen Vogel, denn dieser bemerkte seine Nervosität. Es war gut, dass er die Farbe Eria gegeben hatte. Auch Shiro reiste mit ihm, und im Nachhinein fand er das doch nicht schlecht. Dass sein Vater bei dem Ritual nicht dabei sein sollte, stand aber noch immer fest. Jedoch hatte Crimson so seine Vermutungen, dass der alte Zausel sich anderweitig durchsetzen würde. Einerseits hoffte er das, andererseits wollte er es nicht – er war unsicher und ließ es einfach auf sich zukommen.

Es war schon gegen Abend, als sie die Feenburg erreichten, aber dafür, dass sie gestern erst zum Kristallschloss geflogen waren, hatten sie alles schnell geschafft. Die Nachricht seiner Rückkehr verbreitete sich offenbar schnell, denn kaum dass er den Vogel einer Amazone übergeben hatte, kam Dark aus dem Gebäude, gekleidet in eine eher untypische schwarze Robe. Crimson ging dem anderen Magier entgegen. Dieser schien darauf zu warten, dass er zuerst das Wort ergriff

„Ich habe die Farbe hergestellt,“ teilte er ihm sachlich mit, wobei Eria neben ihn trat und die Flasche präsentierte, als hätten sie das eingeübt.

Dark nickte. „Wir können beginnen, wenn du soweit bist, Crimson.“

„So schnell?“ entfuhr es dem Weißhaarigen, und er befürchtete, dass er wohl etwas erschrocken klang. „Nun... dann verlieren wir besser keine Zeit.“

„Das ist mir recht, ich muss nur kurz vorher was mit dir besprechen.“ Dark setzte sich in Bewegng, und während er zu dem Raum im Keller voran ging, gesellten sich Amazia, Burstinatrix und Haryelle zu ihnen, während Shiro und Paladia und natürlich Eria nicht von seiner Seite wichen.

Wollten die etwa alle mitkommen? Crimson nahm an, dass sie ihm noch viel Glück wünschen wollten, und fand es lieb von ihnen.

„Ich bin verschiedene Möglichkeiten durchgegangen,“ begann Dark. „Ich kann das Siegel einfach nur unschädlich machen, aber auch erweitern, so dass es statt deine Kräfte zu sperren einen Effekt bewirkt. Letzteres wäre aber wesentlich umständlicher und würde dir mehr abverlangen.“

Dark sprach irgendwie feierlich, fiel Crimson auf, oder jedenfalls anders als sonst, wie vor kurzem, als er das Siegel begutachtet hatte. Auch war seine Art zu gehen leicht verschieden von seinem sonstigen Schritt. Bedächtiger vielleicht. Wie einer, der weiß, dass ihm sein Schicksal ohnehin begegnet, auch wenn er sich nicht beeilt. Der Unterschied war nicht klar greifbar.

„Du kannst damit einen Effekt bewirken?“ hakte Crimson nach und fühlte Interesse in sich auflodern. Das wäre doch was, wenn er Malice noch eins auswischen konnte, indem er das Siegel zu seinem Vorteil nutzte! Diese Aussicht drängte sogar seine Angst vor den Schmerzen in den Hintergrund, so sehr hasste er den Kerl. „Was wäre das für ein Effekt? Kann ich zwischen mehreren Möglichkeiten wählen?“

„Ich müsste es mir noch einmal genau ansehen, aber ich glaube, ich kann lediglich einen Effekt bewirken... und welcher es dann sein wird, hängt von dir ab. Es käme was anderes dabei raus, wenn ich zum Beispiel deinem Vater dasselbe auf den Rücken tätowieren würde. Ich sag's dir gleich: Du könntest eine böse Überraschung erleben und einen unerwünschten oder schwachen Effekt bekommen.“

Crimson nickte. „Gut... sag mir, wieviel mehr du dafür tun müsstest, und danach treffe ich die Entscheidung.“ Es war also ein Glücksspiel mit hohem Einsatz. Er entspannte seine Hände, weil er feststellte, dass er sie nervös zu Fäusten geballt hatte. Sie waren schweißnass. Dass Dark ihn in den Keller führte, wo die Wände wie in einem Kerker aussahen, trug nicht zu seiner Entspannung bei. Aber dafür war man da wohl ungestört.

Schließlich öffnete Dark eine Tür und ließ ihn zuerst hinein gehen. Feuerschalen sorgten für ausreichend Licht. Crimson trat in einen umdekorierten Arbeitsraum mit kleinen, verglasten Fenstern. Erstaunlich, Dark hatte daraus eine Art Ritualzimmer gemacht, mit zwei aneinander geschobenen Tischen in der Mitte, auf denen eine weiche Decke und ein Kissen lagen. Es roch nach Kräutern, ähnlich wie bei Sorc und Malice, nur der unterschwellige Blutgeruch fehlte. Auf dem Beistelltisch daneben lag aber keine Skizze, Dark hatte sein Muster auch so im Kopf. Es gab allerdings eine Wasserschüssel, eine Kerze, Salbe und… ein Messer. Es war ein besonders schönes, ein Athame, fiel ihm auf. Er musste sich beherrschen, um es nicht in die Hand zu nehmen und zu bewundern. Man erkannte schon beim bloßen Hinsehen, dass es sehr scharf war.

[Ich kann das nicht!] Er blickte auf den zur Pritsche umfunktionierten Tisch. Darauf sollte er sich freiwillig legen? Niemals! Er wusste, dass er musste, aber er konnte es nicht über sich bringen. Es war eine Art der Abneigung, von der er wusste, dass sie falsch war, aber er konnte es nicht ändern. Ein einziges schmerzhaftes Erlebnis hatte ihn traumatisiert. Wie jämmerlich. Warum hatte er solche Angst? Weil er schon wusste, wie es sich anfühlte?

Doch Dark sah ihn nur an und erkannte die Situation, als hätte er damit gerechnet. Er nickte seinen Begleiterinnen zu, und mit sanfter Gewalt packten sie Crimson, der sich nun widerstandslos das Oberteil seiner Amazonenkleidung abnehmen und sich auf den Tisch bugsieren ließ. Er brauchte den Zwang… aber er wusste nicht, warum. Einen Moment lang versuchte er einfach nur, sich zu beruhigen und sicher zu stellen, dass seine Stimme sich normal anhörte, wenn er sprach.

„Sag mal... wolltest du nicht einige Krieger besorgen...?“ erkundigte er sich zweifelnd.

„Reichen wir etwa nicht?“ entgegnete Burstinatrix und strich ihm sachte über die Wange.

Crimson schaute in die Runde, so gut er es vermochte. Eria, Haryelle, Burstinatrix, Paladia... und seine beiden Eltern. Er war unentschlossen, ob er das peinlich finden oder gutheißen sollte. Wenn man bedachte, dass er Shiro eigentlich gar nicht hatte hierhin mitnehmen wollen... Doch letztendlich verzichtete er auf einen Protest, denn alle sahen sehr entschlossen aus – viel entschlossener, als er sich fühlte, während er versuchte, seiner behelfsmäßigen Pritsche etwas Bequemes abzugewinnen. Noch wurde er nicht festgehalten, aber die sechs Personen nahmen schon einmal ihre Plätze ein. Eria stellte die Flasche mit der Tattoofarbe auf den Tisch.

Dark kam hinzu und betrachtete das Siegel noch einmal genau. Er strich nachdenklich und leise murmelnd über die vorhandenen Symbole. Crimson zuckte diesmal zum Glück nicht vor der Hand zurück, denn er hatte die Bewegung gesehen. Davon abgesehen gab es nichts, wohin er zurückzucken konnte.

„Wenn ich es nur unwirksam mache, muss ich ein paar Stellen verändern... fünf oder sechs. Und hier ein paar neue Zeichen hinzufügen.“ Er tippte angedeutet auf die entsprechenden Stellen rund um den Kreis und entlang der Wirbelsäule. „Aber wenn ich einen Effekt bewirken soll, wird es mehr.“ Er beschrieb wieder mit seinen Fingern die Stellen am vorhandenen Kreis, doch statt ein paar weiteren Punkten musste er zu diesem Zweck wohl regelrecht das Bild ergänzen.

Crimson konnte anhand der Berührungen nicht genau erkennen, wie es hinterher aussehen würde, doch ihm wurde schlecht bei dem Gedanken. „Mach den Effekt,“ beschloss er dennoch und verbot sich, noch mehr zu sagen, damit er seine Meinung nicht noch änderte. Seine Stimme klang irgendwie rau.

„Es tut mir Leid, aber ich kann dich nicht betäuben oder so,“ murmelte Dark, wobei er eine Salbe auf seinem Rücken verteilte, die sich so kalt anfühlte wie die bei Malice und auch so roch. „Es ist auch ein psychologischer Aspekt dabei… Wenn du Schmerzen hast, wissen dein Körper, dein Geist und deine Magie, dass dir etwas widerfahren ist, deshalb musst du es auch diesmal spüren.“

Er hatte nach wie vor den anderen Tonfall, stellte Crimson fest. Vielleicht konnte er sich damit trösten, dass nicht wirklich Dark, sondern dieser andere Aspekt von ihm seine Schwäche sehen würde.

Er wurde jetzt festgehalten, sonst hätte er vielleicht einen Rückzieher gemacht. Paladia und Burstinatrix standen an seinen Schultern, während er an seinen Beinen auf Kniehöhe die schwieligen Hände seiner Mutter und an den Knöcheln die Krallen und Federn von Haryelle spüren konnte. Sein Vater stützte sich auf seinen Hintern und hielt so die Hüften unten. Eria assistierte Dark, aber wie genau, war für ihn nicht zu sehen.

Der Magier legte ihm auch noch ein Magie hemmendes Halseisen an. „Damit du die Damen und Shiro dann nicht wegpustest…“ Crimson fing wieder an, schneller zu atmen. [Götter! Lasst mich das durchstehen, ohne mich lächerlich zu machen…!]

„Ruhig… versuch, dich zu entspannen,“ drang Darks Stimme an sein Ohr.

Sicher versuchte er das, aber es ging nicht! „Bring es verdammt noch mal hinter uns, ehe ich so tief sinke, dass ich um Erbarmen bettle!“ schrie Crimson ihn an. Etwas in ihm verband diese Situation mit dem Ausgeliefertsein an einen Feind, einen Kerker und ein weiteres grausames Ritual. Und er fühlte sich wieder genauso hilflos wie während seiner Zeit in Gefangenschaft. „Bring es zu Ende, auch wenn ich anfange, was anderes zu sagen,“ ergänzte er etwas leiser. [Oder wenn ich meine Meinung bezüglich des Effekts ändere.]

Darks Nicken war eher zu erahnen. Burstinatrix bot ihm ein Stück Holz zum darauf Beißen an, was er bereitwillig annahm. Er biss sich regelrecht daran fest und klammerte sich mit den Händen an die Tischbeine. Indessen begann Dark, die Messerklinge in die Kerzenflamme zu halten, und er stimmte dabei einen seltsamen Singsang an. Die Sprache erinnerte ihn sehr an Malice, aber es war auch anders… vermutlich ein anderer Text, da es diesmal um etwas anderes ging. Obwohl Magier manchmal sangen, um ihre Formeln besser zu artikulieren, hatte Crimson Dark noch nie singen gehört. Das Geräusch war irgendwie beruhigend, seine Stimme sanft im Gegensatz zu der tiefen, bedrohlichen Tonlage von Malice. Er schloss die Augen und konzentrierte sich darauf.

Der Gesang hörte nicht auf, gerade so, als wäre Dark sich seiner Wirkung bewusst. Der Weißhaarige spürte eine leichte Hand auf seinem Rücken und konnte nicht verhindern, dass er seinen Körper anspannte. Die Hand streichelte beruhigend über seine rechte Schulter, dort hielt sie inne, so dass Crimson kurz Zeit hatte, sich seelisch vorzubereiten. Dann kam das Messer zum Einsatz. Beim Einstich zuckte Crimson stöhnend zusammen, biss auf sein Holz und stemmte sich gegen die haltenden Hände, als es zu schneiden begann. Aber es war kurz darauf schon wieder vorbei. Dafür spürte er die Hand weiter unten über seinen Rippen, und es fiel ihm wieder ein, dass Dark zunächst nur ein paar Stellen ändern musste.

Der Gesang hielt immer noch an. Das Messer wurde sicher und präzise ein weiteres Mal geführt, was dem „Opfer“ einen weinerlichen Laut entlockte, doch er ließ das Holz nicht los. Es folgte eine Stelle auf Hüfthöhe, hier mit ein paar Schnitten quer zu seiner Wirbelsäule. Darauf kamen zwei weitere, parallel zu den ersten beiden. Als das überstanden war, legte sich die freie Hand mitten auf seinen Rücken. Es gab eine kurze Pause, in der das Messer in der Flamme desinfiziert und rituell gereinigt wurde. Bisher war es ja einigermaßen erträglich gewesen, aber…

Crimson kniff die Augen fest zu, um ja niemanden ansehen zu müssen. Zusätzlich vergrub er sein Gesicht in dem Kissen, wobei er gerade noch atmen konnte. Dark fuhr mit einem Finger Linien innerhalb des Kreises nach und schien kurz auf eine Reaktion zu warten, während er immer noch sang. Anscheinend war jetzt der letzte Moment, sich für die harmlosere Variante zu entscheiden. Crimson nickte angedeutet, blieb bei seinem Wunsch. Er stellte sich Dinge vor, die ihm ein Effekt einbringen konnte, und Sorcs dummes Gesicht, wenn er es merkte...

Dann jedoch wurde all sein Denken ausgeschaltet und es gab nur noch den Schmerz der Klinge, die sich in einem für ihn nicht erkennbaren Muster einen Weg über seinen Rücken schnitt. Die Hände packten fester zu; er bäumte sich vergeblich auf und schrie, konnte sich nicht länger beherrschen. Was hatte ihn nur geritten, dieser Tortur zuzustimmen? Konnte er denn nicht ohnmächtig werden?!

Das geschah jetzt leider ebenso wenig wie beim letzten Mal. Folglich musste er einfach warten, bis es aufhörte, was eine Ewigkeit zu dauern schien. Doch schließlich war Dark mit dem Messer fertig. Er legte es beiseite und griff nach der Tattoofarbe. Sie brannte in den offenen Wunden, doch das Gefühl verebbte bald wieder, zusammen mit dem Gesang. Crimson bemerkte, dass er vor Anstrengung keuchte und in Schweiß gebadet war, und natürlich fühlte sich sein Hals ganz kratzig an. Er wurde losgelassen; die Frauen und sein Vater entfernten sich mit ein paar anerkennenden oder ermutigenden Worten, blieben jedoch in der Nähe.

Dark wusch seine Hände und das Messer in der Wasserschüssel. „Das sollte den Zweck erfüllt haben. Bleib liegen, bis es dir besser geht.“

Das brauchte er ihm nicht zweimal zu sagen, Crimson wusste noch vom letzten Mal, wie sich so etwas auf den Kreislauf auswirkte. Er drehte den Kopf seinem Rivalen zu. „Bist du sicher, dass es funktioniert hat? Warum machst du das Banneisen nicht ab?“

„Lass die Magie des Siegels erst einmal kurz einsinken,“ bat ihn der andere. „Ganz sicher sein können wir noch nicht, aber ich bin ziemlich zuversichtlich.“

Dark wirkte auch müde. Im Gegensatz zu Malice war er eben nicht schadenfroh über seine Tat. Außerdem war es vermutlich leichter, einen neuen Bann zu erschaffen, als einen vorhandenen präzise zu brechen. Ob es anstrengte, diese andere Persönlichkeit heraus zu lassen?

Als Crimson sich dazu in der Lage fühlte, setzte er sich vorsichtig auf. Die Schmerzen waren erträglich, aber er traute seinen Beinen noch nicht. Eria reichte ihm einen Becher mit Wasser, den er gierig leerte, auch wenn er ihn kaum ruhig halten konnte. Er ließ ihn zweimal von ihr nachfüllen.

„Ich hab was für dich organisiert!“ verkündete sie dann stolz und hielt eine Frucht hoch, die er wiedererkannte. Er musste lächeln und ließ zu, dass sie den Saft der Frucht auf seiner frischen Wunde verteilte, wo sich sogleich eine kühlende und schmerzlindernde Wirkung einstellte.

Dark räumte indessen ein bisschen auf, behielt sich jedoch die Möglichkeit, noch fortzufahren, falls er nachbessern musste. Nach einer gewissen Wartezeit trat er auf Crimson zu und stand dann dicht vor ihm. „So... jetzt wird es sich erweisen.“

Der Weißhaarige blickte zweifelnd auf die Hände, die sich zu seinem Hals begaben. Dark zögerte nicht weiter, sondern nahm das Eisen ab. Es gab einen Moment der Besorgnis, der Ungewissheit… aber dann spürte er, wie seine Magie wieder in ihm hoch loderte… es war ein berauschendes Gefühl. Crimson seufzte wohlig und fühlte eine Last von seinen Schultern weichen.

„Ich nehme das als Zeichen, dass alles in Ordnung ist,“ stellte Dark lächelnd fest.

Der andere Magier nickte. „Ja… ich fühle mich wie neu geboren. Was ist mit dem Effekt, wie werde ich wissen, was er bewirkt?“

„Ich bin nicht sicher… aber schätzungsweise wird er sich offenbaren, wenn es soweit ist. Ich habe das Siegel so geändert, dass man es nie wieder für einen weiteren magischen Zweck benutzen kann, es ist abgesehen von seiner gewollten Wirkung nur noch Zierde. Und so schlecht sieht es gar nicht aus. Ich hatte zuerst überlegt, ob man es später entfernen könnte, aber das wäre wirklich zu schmerzhaft und gesundheitsgefährdend, denn es ist ziemlich tief eingeritzt. Und die Option scheidet nun ja eh aus.“

„Damit kann ich gut leben. Auf das Gesicht von Malice bin ich gespannt!“ Der Weißhaarige wandte sich Dark zu und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es brauchte einige Anläufe, um das einfache Wort hervor zu bringen. „Danke.“

Dark sah ihn an, als käme das vollkommen unerwartet für ihn, und der Anblick entschädigte Crimson für seine Mühen. Zugleich verspürte er das Bedürfnis, laut zu lachen vor Erleichterung, doch es schien, als wäre das Ritual noch nicht offiziell vorbei.

Er behielt Recht: Dark griff nach dem Messer, das er benutzt hatte, und reichte es ihm feierlich mit dem Griff voran. „Das ist für dich, geweiht mit deinem Blut, um dir fortan zu dienen.“

Crimson nahm es überrascht an sich, aber auch erfreut, denn er hatte das Athame von Anfang an bewundert, trotz des Zwecks, für den es bereit gelegen hatte. Die Symbole auf der Klinge hatten sich mit seinem Blut dunkelrot verfärbt, die feine Rille jedoch nicht. Sie war ganz verschwunden, als hätte sie nur dazu gedient, das erste Blut zu trinken, mit dem sie in Berührung kam. Wenn er das Metall ins Licht hielt, glänzte es rötlich. Er bewunderte die Waffe eine Weile und steckte sie dann provisorisch in seinen Gürtel.

In diesem Moment löschte Dark seine Kerze. Damit erlosch auch die ernste Stimmung.

„Kannst du aufstehen?“ erkundigte er sich und hielt dem Kollegen eine Hand hin.

Crimson nahm die Hilfe ausnahmsweise an und ließ sich vom Tisch gleiten. Er schwankte kurz und musste sich vorübergehend mit beiden Händen an Dark festhalten, erholte sich jedoch rasch. Sogleich wurde es laut im Raum: Die Frauen und Shiro scharten sich um ihn, beglückwünschten ihn und tätschelten seine Schultern. Er ließ es sich eine Weile gefallen, wandte sich dann aber Eria zu. Das Stimmengewirr verstummte.

Crimson suchte Augenkontakt zu dem Mädchen, legte eine Hand auf ihre Schulter und sprach: „Vor diesen Zeugen nehme ich dich, Eria, als meine Schülerin an. Wer jetzt nicht protestiert, möge sich hinterher nicht beschweren.“

Amazia schien sich einmischen zu wollen, doch Paladia hielt sie zurück. Natürlich war Eria immer noch eine Amazonentochter. Doch Crimson wusste selbst, was das bedeutete.

Eria war weit davon entfernt zu protestieren, statt dessen strahlte sie ihn an und ging sogar so weit, ihm um den Hals zu fallen.

„Jetzt aber raus hier,“ bestimmte Crimson schließlich. „Ich kann die erste Unterrichtsstunde kaum erwarten...“
 

Dark blieb zurück, während der Pulk um Crimson herum mit dem Weißhaarigen nach draußen strömte. Er nahm es ihnen nicht übel, denn er war auch froh, kurz verschnaufen zu können. Im Nachhinein fingen seine Hände ein wenig an zu zittern. Im Zustand magischer Konzentration hatte er die Tatsache, dass er wirklich große Schmerzen verursacht hatte, und die Anspannung, unbedingt perfekt arbeiten zu müssen, einigermaßen verdrängen können. Jetzt holten ihn die Nachwirkungen ein und er musste sich setzen. Er trank den Rest Wasser aus der Karaffe. Doch er fühlte sich auch stolz auf seine Leistung und beschloss, seinen Schüler ebenfalls aufzusuchen. Er hatte Appi ziemlich vernachlässigt. Nun waren Crimson und er erneut Konkurrenten, jeder hatte einen Schüler.

Dark räumte seine Sachen zusammen, brachte alles dorthin, wo er es sich entliehen hatte und ging dann als erstes in die Schmiede, wo er Appi vermutete, und er behielt Recht. Wieder einmal war sein Schüler damit beschäftigt, an seiner neuen Waffe zu arbeiten – Zauberstab konnte man das nicht nennen. Ein älterer Schmied war anwesend und arbeitete an einem eigenen Projekt, hatte aber wohl auch ein Auge auf den Gast.

Obwohl der Blonde auf seine Arbeit konzentriert schien, sah er auf und nickte in Darks Richtung. Er war also dennoch wachsam, das gefiel Dark natürlich. Appi war gerade dabei, eine Zierkugel in eine bedrohlich aussehende Sense einzuarbeiten. Er beendete seine Tätigkeit, da er sie nicht einfach unterbrechen konnte, und kam dann zu ihm.

„Meister? Ich hoffe, du hast nicht zu lange nach mir gesucht.“

Dark schüttelte den Kopf. „Schon gut. Hast du noch zu tun? Sonst lass uns nach Yugi und Blacky schauen und ein paar Übungen machen.“

„Gerne. Wie geht es Crimson?“ Appi überprüfte die Temperatur seines Werkes und wickelte das altbekannte Zeitungspapier darum, welches wieder mit demselben Band festgezurrt wurde. Er legte die Schmiedeschürze ab und folgte dem älteren Magier nach draußen, selbstverständlich nicht ohne seine Sense.

„Crimson geht es fantastisch, würde ich sagen,“ antwortete Dark mit ein klein bisschen Selbstzufriedenheit in der Stimme. „Sein schmerzender Rücken wird bald vergessen sein, wenn er erstmal wieder was magisch in die Luft gesprengt hat...“

„Aaaach, nichts, was du nicht auch könntest, da bin ich sicher. Du bist nur... vorsichtiger,“ meinte Appi stolz, wobei er seinen Lehrer geradezu anhimmelte.

„Inzwischen glaube ich daran, dass du der Apokalyptische Magier werden kannst,“ lobte Dark ihn und wuschelte ihm durchs verstrubbelte Haar. „Deine momentane Zielstrebigkeit ist wirklich mal was ganz Neues.“

Appi lachte ausgelassen, wo er früher vielleicht eher beleidigt gewesen wäre. „Ich will unserem Gegner so richtig eine reinwürgen!“ Er machte mit der freien Hand Boxbewegungen.

Dark fand den Jungen mittlerweile ganz erfrischend, während er früher einfach nur anstrengend gewesen war. Er hoffte nur, dass das zumindest zum Teil auch an seinen Lehren lag... obwohl er natürlich ziemlich oft als Lehrer ausgefallen war. Auf jeden Fall aber hatte Appi der Biss des Vampirs gut getan... jedenfalls sah es im Moment so aus.

Auf dem Weg nach draußen bat Appi darum, das Ende des Duells zwischen Black Luster und Black Chaos zu erfahren, was Dark ihm natürlich gerne schilderte. Dafür plauderte der Blonde ein bisschen aus dem Nähkästchen. Dark erfuhr mehr über Appis Nacht bei Genesis als irgendjemand sonst. Manche Dinge verschwieg man schmunzelnd vor seinen Brüdern und verschonte erst recht seine Eltern damit. Doch anscheinend hatte Appi das Bedürfnis gehabt, es irgendjemandem zu erzählen. Er sah danach fast erleichtert aus, er musste darauf gebrannt haben.

„Findest du das... merkwürdig?“ fragte der Junge zweifelnd.

„Kein Bisschen,“ winkte Dark ab. „Viele haben das gleiche getan. Mach dir keine Sorgen. Soll ich dir was verraten?“ Sie waren inzwischen in den Wohntrakt gelangt und näherten sich dem Zimmer, das sie bewohnten. Dark beugte sich verschwörerisch zu Appi hinüber und flüsterte ihm etwas zu.

Appi bekam ganz große Augen. „Was, er? Im Ernst?“

Dark zuckte mit den Schultern. „Er sagt, er hätte keinen Unterschied im Wald bemerkt...“

„Das will ich wirklich von ihm selbst hören...“ Appi war als Erster an der Tür und stieß sie auf, die Sense vorsichtig an der Seite haltend.

„Dark! Da bist du ja endlich!“ Yugi sprang vom Bett auf. „Ich glaube, es gibt ein Problem...“

Auf dem Bett lag Blacky, als hätte er im Schlaf einen Alptraum. Sofort war Dark an seiner Seite, kurz darauf auch Appi, der erst noch seine Waffe an die Wand lehnte. „Blacky, was ist los, hast du Schmerzen?“

Der Chaosmagier schüttelte den Kopf. „Nichts dergleichen! Aber sie... haben mich ertappt... Malice wurde misstrauisch durch Sorcs ständig wechselnde Meinung, da hat er ihn überprüft... ist in seinen Geist eingedrungen und hat mich fast geschnappt... jetzt verfolgen sie mich beide...“

„Heißt das, es geht wieder von vorne los und sie versuchen, dich zu kontrollieren, Blacky?“ rief Appi erschrocken.

„Das hab ich auch schon befürchtet!“ antwortete Yugi ihm. „Womöglich endet Blacky wie Kuro... in Sicherheitsverwahrung unten in den Kerkern!“

„Aber das geht nicht, wie brauchen ihn im Kampf!“ wandte Appi ein. Und natürlich wussten sie alle, dass er Recht hatte.

„Das wird er nicht.“ Dark nahm Blackys Hand und sah ihn ernst an. „Wir sind stärker, Kayos, auch wenn sie zu zweit sind. Wir müssen diese Verbindung zwischen dir und deinem Vater endgültig trennen! Auch wenn wir dann keinen Vorteil mehr daraus ziehen können...“

„Erinnere mich nicht daran, dass ich mit dem Kerl verwandt bin!“

„Konzentrier dich! Du hast es schon einmal geschafft!“

Appi knabberte nervös an seinen Fingernägeln. Yugi hatte die Hände zu Fäusten geballt und drückte die Daumen.

Blacky hatte die Augen geschlossen und konzentrierte sich. Durch Darks Anwesenheit war er viel ruhiger geworden. Auch Dark schloss die Augen. „Wir haben es schon einmal geschafft... wir schaffen es wieder.“
 

***

Fortsetzung folgt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  jyorie
2013-06-15T17:55:41+00:00 15.06.2013 19:55
Hallo ^_^

Man kann es Chrimson gut nachempfinden, das er mehr angst vor dem Ritual hat als vorher – eben weil er genau weiß, was er da zu erwarten hat. Aber er hat es doch gut hinbekommen, ich fand es schön, das Blacky es trotz, das er seinem Rivalen weh tun kann, es nicht als angenehm empfindet .. sondern es ihm im grunde zu wieder ist.

Die übernahme des Mädchens als Schülerin von Crimson war ja fast wie eine Hochzeit, aber ich glaube auch das die Kleine mehr für ihn empfindet :D

Schade, das Kayos jetzt ertappt wurde, aber es war ja auch schon ganzschön heftig, was Blacky versucht hat – Ich hoffe das Dark recht hat und sie ihn gemeinsam beschützen können :D

CuCu Jyorie

Antwort von:  Purple_Moon
21.07.2013 16:22
Ich bin so eine Sadistin, argh!^^
Eria liebt Crimson gewiss, aber eher so wie einen großen Bruder. Hm ich hoffe, die Hochzeitsähnlichkeit war nicht zuuuu groß.
Von:  SoraNoRyu
2010-12-27T13:36:49+00:00 27.12.2010 14:36
Das Kapitel kam ja nun wirklich überraschend schnell ^^

Und endlich ist Crimson von seinem Siegel befreit, auch wenn die Prozedur keine angenehme gewesen ist.
Dass er nun endlich auch seine Schülerin offiziell annehmen kann, macht sicher auch (fast) alle beteiligten glücklich. Und Erias Mutter wird auch darüber hinwegkommen, dass sich ihre Tochter nunmal für diesen Weg entschieden hat.

Ich bin ziemlich gespannt, was für einen Effect Crimson damit bekommen wird... leider bin ich schon so raus aus Yugioh, dass ich auch keine Vermutungen in der Hinsicht anstellen kann ^^"


Und nun hat Sorc Balcky doch noch erwischt. Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Verbndung noch rechtzeitig trennen lässt, damit Blacky den Kampf nicht auch von der dunklen Zelle aus beobachten darf...
Ganz zu schwegen von all den Infos, die Sorc ohnehin schon von ihm bekommen könnte; Blacky war ja bis jetzt in alles eingeweiht, was in der Burg passiert ist. Dass Crimson wieder zaubern kann zum Beispiel, oder die Unterstützung von Genesis' Truppen...

Schlimm genug, dass Sorc jetzt wahrscheinlich weiß, dass die Gegenpartei Zeit gewinnen wollte - er muss nicht auch noch erfahren, wofür.


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