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Die Geflügelte Schlange - Erkenntnis (Ein Fragment)

* * make love, not war * * - Teil 3
von

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3. Zur Audienz

Kapitel 3 spielt am Morgen des Tages, der in DGS-Aufstieg, Kap.10 (Fürstliche Gewänder) anbricht.
 

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Sira erwachte beim ersten Tageslicht, das durch die noch geschlossenen Vorhänge auf das Kopfende ihres Bettes fiel. Heute konnte sie ihrem Vater nicht nur die Deutung ihres Traumes durch die Orempriester, sondern zugleich auch den Retter vor dem Zorn der Götter präsentieren. Auch wenn der sehr gutaussehende Oshey-Prinz am Vorabend noch die Einschränkung gemacht hatte, daß er nur dem Wahren Weg folgtend handeln würde, war sie doch sicher, daß er ihr und damit ihrem Vater helfen wollte. Zufrieden räkelte sie sich auf ihrem Bett, stellte erfreut fest, daß das heiße Bad und die Massagen am Vortag ihre Verspannungen und Schmerzen der Reise nun doch völlig gelöst hatten. Also sprang sie auf, schickte eine Dienerin, ihren Gast zum Frühstück zu bitten und erst danach sorgte sie dafür, daß sie selbst angekleidet und für die Audienz bei ihrem Vater präsentabel gemacht wurde.
 

Hermil Tashrany kam allein in den Innenhof, in dem das Frühstück serviert worden war. Seine Männer hatten sich doch so früh zur Ruhe begeben, sie konnten kaum noch schlafen. "Wo sind eure Jagdgefährten, mein Prinz?" fragte Sira also und winkte der Dienerin, dem Prinzen eine Schale des mit Jasminblüten aromatisierten Tee zu reichen.
 

Der Prinz setzte sich ihr gegenüber an den niedrigen Tisch, roch neugierig an dem ihm anscheinend ungewohnten Getränk und kostete dann vorsichtig davon, bevor er antwortete: "Werte Prinzessin, ich bitte euch, ihre frühe Abreise zu entschuldigen, aber unser Jagdausflug geht nun schon in den dritten Tag, und in den Zelten warten noch andere Aufgaben auf sie."
 

Sira nickte gnädig und verfolgte amüsiert, wie dem Prinzen der Tee anscheinend von Schluck zu Schluck mehr zusagte. "Immerhin seid ihr geblieben, Retter meines Vaters", wagte sie einen Vorstoß, als der Mann zu einem der dünnen Brotfladen griff, wie sie ihres Wissens auch in den Zelten der Stämme gegessen wurden.
 

Hermil Tashrany hielt in der Bewegung inne und schloß den gerade zum Verzehr des zusammengerollten Fladens geöffneten Mund. Dann räusperte er sich und begann verlegen: "Prinzessin, noch habe ich euren Vater nicht gerettet."
 

"Aber ihr werdet es tun, oder haben es euch die Götter im Schlaf verboten?" vergewisserte Sira sich.
 

Hermil Tashrany schüttelte hastig den Kopf. "Nein, das haben sie nicht. Tatsächlich wurde ich im Gegenteil ermutigt, das Gespräch mit eurem Vater zu suchen. Anscheinend sind die Götter mit meinen gestrigen Überlegungen zu diesem Thema einverstanden, vielleicht hoffen sie, daß ich ihm den Wahren Weg weise."
 

Wie es wohl sein mochte, von den Göttern Weisungen zu erhalten? War es eher furchterregend oder füllte es den Empfänger dieser Weisungen statt dessen mit Vertrauen in die eigene Bedeutung im Plan der Götter? "Der Bote der Götter hat also wieder zu euch gesprochen?" vergewisserte sie sich.
 

Hermil Tashrany nickte. "Ja, der Falke ist mir wieder erschienen, und er sprach wieder zu mir. Er sagte, ich solle ohne Furcht mit dem König sprechen, die Götter würden über mich wachen." Dann lächelte er. "Nicht, daß mir als euer Gast bei einem Gespräch mit eurem Vater irgend ein Leid drohen könnte."
 

Sie dachte an den Jähzorn ihres Vaters, der sich gewöhnlich insbesondere an Themen entzündete, bei denen es um die Völker der Wüste oder um einzelne Stammesangehörige, die es bis nach Hannai verschlagen hatte, ging. Und was die Oshey und ihren Wahren Weg betraf, wurde er dazu noch regelmäßig polemisch. Daß sich eine ihrer Augenbrauen skeptisch hob, konnte Sira nicht verhindern. "Ihr glaubt, mir könnte doch Gefahr drohen?" wollte der Oshey-Prinz überrascht wissen.
 

"Es wäre durchaus im Rahmen des Möglichen, daß er euch hinauswerfen läßt, mein Prinz. Aber ich werde zuerst mit ihm reden und ihm klarzumachen versuchen, wie wichtig es ist, das Gespräch mit euch zu führen und eure Ratschläge zu erwägen." Dann seufzte sie. "Ich hatte es mir irgendwie einfacher vorgestellt, die Rettung meines Vaters vor dem Zorn der Götter ins Werk zu setzen. Seine Kooperation dabei hatte ich nicht für notwendig gehalten."
 

"Meint ihr nicht, daß er klug genug ist, das Vernünftigste für sich und Hannai zu erkennen? Er regiert sein Reich doch schon seit Jahren und hat das, was er von seinem Vater erbte, vermehrt. Er muß ein verständiger Mann sein, denn Kriegsglück allein ist zu wechselhaft, um damit jede Eroberung für sich zu entscheiden." Trotz der freundlichen Worte war Hermil Tashrany anzumerken, daß es nicht vorrangig Bewunderung für den König war, die aus ihm sprach. Anscheinend hatte der Mann aus der Wüste seine eigene Meinung zu den Eroberungen des Königs von Hannai.
 

Sira lächelte freudlos. "Oh ja, mein Vater hat viele Eigenschaften, die ihn zum Herrschen befähigen. Er ist klug, skrupellos und hat ein Gespür für seinen Profit. Wenn ein Feldzug keinen sicheren Erfolg verspricht, schickt er seine Mörder in das gegnerische Lager, oder seinen Schatzmeister. Tatsächlich geschlagen hat er seine Schlachten nur selten."
 

"Dieses Verhalten ist doch in den Augen seines Gottes nicht ehrenrührig, soweit mir bekannt ist. Eure Worte klingen, als wäret ihr nicht besonders stolz auf seinen Erfolg." Nun lehnte Hermil sich neugierig über den Tisch und musterte sie prüfend. Ja, sie war weit weniger diplomatisch als er, aber wollte er nun noch Schmähungen über den König von ihr hören? Lauerte er darauf, daß sie allenfalls oberflächliche Kenntnisse der Schriften verriet? Die bernsteinfarbenen Augen, deren auffällige Farbe durch die schwarz geschminkten Lider noch strahlender wirkte, schienen in diesem Moment wie die eines Raubvogels. Sira mißhagte das Gefühl, sich plötzlich in der Position des Jagdwildes zu befinden. Mit einem Ruck richtete sie sich auf. "Prinz Tashrany, auch ich habe die Schriften studiert. Ich weiß, daß ein Kind seinem Vater gegenüber zu Treue und Folgsamkeit verpflichtet ist, doch wo der Vater den Wahren Weg verläßt, wie kann ihm das Kind, das diesen Weg als den seinen ansieht, da weiter folgen? Ich werde alles tun, damit mein Vater vor Unbilden verschont bleibt, aber seine Methoden der Herrschaft kann ich trotzdem oft nicht gutheißen. Er beruft sich auf seinen Gott aus Berresh, den sein Großvater mit hierher brachte. Doch dieser Gott verlangt nur Opfertiere von seinen Dienern, die Vermehrung der Zahl seiner Anhänger und den Kampf gegen die Dämonen. Wie man diesen Kampf ausfechtet, wie man das Herrschaftsgebiet des Gottes vergrößert, ist völlig uninteressant."
 

"Und diese fehlende Moral hat euch dazu gebracht, die Beschäftigung mit den Schriften zu suchen?" wollte Hermil mit offensichtlicher Neugierde wissen.
 

Sira schüttelte den Kopf. "Meine Mutter, die hier aus Hannai stammte, weckte in mir den Wunsch, mein Leben nach den Schriften auszurichten. Und nach ihrem Tode hat eine andere Frau meines Vaters die Aufgabe übernommen, weiter mit mir die Schriften zu diskutieren. Ich weiß, daß ich keine Oshey werden kann, denn dieses Privileg steht allein den Angehörigen der Stämme zu, aber ich kann dem Wahren Weg ebenso ernsthaft folgen, wie ihr oder ein anderer Oshey es tut."
 

Hermil schwieg eine Weile, lächelte dann sanft. "Also seid ihr so etwas wie eine Oshey-Städterin", faßte er dann zusammen.
 

Diese Wortzusammenstellung klang so seltsam und doch so passend, daß Sira schließlich nickte. "Ja, vielleicht bin ich wirklich soetwas, das erklärt, warum mein Vater gelegentlich an mir verzweifelt."
 

Hermil lachte dazu. "Schaut mich an, ich bin eine Art Städter-Oshey. Wäre mein unirdisches Erbteil nicht so deutlich, hätte nicht ein Bote der Götter zu dem Mann gesprochen, der mich zurück zu den Zelten der Tashrany brachte, wäre ich wohl in der Familie eines Letrani aufgewachsen." Dann senkte er errötend den Blick. "Und euch hätte ich allenfalls als ein Gesandter dieser Stadt kennengelernt", fügte er fast flüsternd hinzu.
 

"Aber ihr seid doch aus der Familie des Fürsten der Tashrany", vergewisserte Sira sich. Wie sonst kam er als Oshey zu dem Titel 'Prinz'?
 

Hermil Tashrany nickte. "Ja, der Fürst der Tashrany hat mich auf Weisung der Götter als Sohn angenommen, vor dem Gesetz bin ich der zweite Sohn des Fürsten. Und in meinen Adern fließt nach Aussage des Boten der Götter auch das Blut der Tashrany. Das Wort der Götter genügt den Oshey in solchen Fällen."
 

"Also haben sich schon in eurer frühesten Jugend die Götter um euch gekümmert." Sira hatte das Gefühl, einen der Heiligen, von denen die Schriften erzählten, hier an ihrem Frühstückstisch zu haben. "Erzählt mir doch bitte davon, wie ihr in die Zelte der Tashrany gelangtet", bettelte sie aufgeregt und Hermil Tashrany nickte.
 

"Einem alten Mann namens Neshrim Temhaly, der in der Wache des Oshey-Königs von Hannai gedient hatte und nach dessen Sturz in die Fremde nach Norden gezogen war, erschien vor knapp achtzehn Jahren im Traum ein weißer Falke. Dieser Falke befahl ihm, einen kleinen Jungen mit bernsteinfarbenen Augen aus dem Haus einer Hebamme in Letran abzuholen und zurück zum Stamm seiner Mutter zu bringen, zu den Tashrany. Und der Falke befahl ebenfalls, daß der Fürst der Tashrany dieses Kind als Sohn annehmen sollte." Hermil Tashrany verstummte.
 

"Und so geschah es dann, nehme ich an?" fragte Sira, etwas enttäuscht über die Kürze der Geschichte.
 

"Natürlich, so geschah es", bestätigte Hermil Tashrany. "Der alte Mann fand das Haus der Hebamme und wirklich war dort das Kind mit den bernsteinfarbenen Augen. Und er brachte es zu den Tashrany, wo der Fürst des Stammes es als Sohn annahm. Eine Waise war dieses Kind, denn die Mutter war kurz nach der Geburt verschwunden. Und die Mutter hatte ebenfalls die Zeichen der Menschen mit unirdischem Blut getragen, die bernsteinfarbenen Augen hatte sie gehabt, dazu schlohweiße Haare. Doch selbst hatte die Hebamme diese Mutter nie gesehen, nie den Namen erfahren, ein Reisender hatte das Kind im Auftrag der Mutter zu der Hebamme gebracht und der Frau auf Nachfrage nur das Äußere der Mutter beschreiben können."
 

"Also wißt ihr nichts über eure wahren Eltern?"
 

"Nur, daß meine Mutter eine Tashrany war und ich ihr das unirdische Blut verdanke."
 

Wer hatte ihr noch von diesem Mädchen erzählt? War es einer der Orempriester aus dem hiesigen Tempel gewesen? Oder hatte sie es von einer der Frauen aus dem Harem ihres Vaters gehört, als sie mit der neuen Frau ihres Vaters die Schriften diskutiert hatte? Bernsteinfarbene Augen und weiße Haare soll sie gehabt haben, und von wahrhaft unirdischer Schönheit gewesen sein. Sira erinnerte sich noch, daß sie sich damals unter den 'bernsteinfarbenen Augen' nicht so recht etwas hatte vorstellen können. Sie hatte an den milchig-hellgelben Bernstein gedacht, aus dem Perlen geschnitten wurden, die einen schönen Kontrast zur dunklen Haut bildeten und sich gefragt, warum von den strahlenden Augen der Unirdischen geschrieben wird, wenn sie eher aussehen, wie die Augen Erblindeter. Aber Hermils tatsächlich strahlenden Augen waren von einem dunklen Gelb, wie die Augen eines Falken, also war wohl mit der Bezeichnung immer schon eher der harzfarbene und klare Bernstein, in dem man gelegentlich eingeschlossene Insekten und andere kleine Tiere entdecken konnte, gemeint. Da die Zeit der großen Helden schon lange vorbei war, und es kaum Menschen gab, die die Zeichen des unidischen Blutes so deutlich trugen wie Hermil Tashrany und seine Mutter, war die Wahrscheinlichkeit recht groß, daß dieses Mädchen tatsächlich Hermil Tashranys Mutter war. "Vielleicht können wir etwas über eure Mutter herausfinden", ließ sie den jungen Mann an ihren Überlegungen teilhaben.
 

"Wie das?" fragte er mit skeptischem Blick.
 

"Ich habe nur davon gehört, aber in Hannai machte vor etwa dreißig Jahren ein Mädchen mit unirdischem Blut von sich reden, da es mit dem damaligen hannaischen Hohepriester Orems, einem der größten Schriftgelehrten der Stadt, im Alter von zehn Jahren öffentlich die Schriften diskutierte. Sie hatte wohl weißes Haar und bernsteinfarbene Augen und ihr Vater soll ein Tashrany gewesen sein. Das Mädchen könnte also durchaus als eure Mutter in Frage kommen."
 

Hermil Tashrany riß aufgeregt die Augen auf. "Ja, es könnte wirklich sein! Wißt ihr noch mehr über sie? Etwa wo genau sie wohnte und was aus ihrer Familie geworden ist?"
 

Sira schüttelte bedauernd den Kopf. "Darüber weiß ich nichts. Aber vielleicht ist dazu etwas Hilfreiches in den Aufzeichnungen des hiesigen Oremtempels vermerkt. Ich werde mich erkundigen und euch dann mitteilen, was ich erfahren konnte."
 

"Oh ja, bitte, wollt ihr das für mich tun?" Wie schnell sein Atem nun ging! Doch dann riß er sich merklich zusammen, beruhigte sich wieder, senkte den Blick auf die eigenen Hände und sagte leise: "Das ließe mich tief in eurer Schuld stehen."
 

Wie gut er seine Gefühle im Griff hatte! Er würde sich vom König nicht provozieren lassen und ihm im Gespräch sicherlich gewachsen sein. "Ihr habt gleich Gelegenheit, diese Schuld zu begleichen", erinnerte Sira ihren Gast. "Ihr wißt ja, daß noch das Gespräch mit meinem Vater bevorsteht."
 

Nun wurde sein Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske. "Natürlich, ihr habt recht." Offensichtlich war sein Interesse mit dem König zu sprechen weit geringer, als mehr über jenes Mädchen herauszufinden, das seine Mutter sein mochte.
 

"Mein Vater hat viel zu tun, er wird euch nur wenig Zeit für das Gespräch widmen können. Danach können wir alle Nachforschungen unternehmen, die ihr für sinnvoll haltet", tröstete Sira ihren Gast. "Doch nun müssen wir aufbrechen, denke ich." Und Hermil Tashrany nickte.
 

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