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Wenn die Chemie stimmt

von

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Montag, 20. Mai

 

An Leo – danke mir doch einfach. Ich habe dich oft im Blick, du musst mich nur bemerken. Dein Helfer

 

Leonora fühlte sich beim Lesen dieser Nachricht wie vor den Kopf gestoßen. Was soll das bedeuten? Dass wir uns kennen? Oder dass er mich heimlich beobachtet? Sie ließ die Zeitung sinken.

„Und? Gibt es eine Antwort von deinem Helden?“, wollte Irina wissen.

„Ja…“

„Aber?“

„Lies selbst“, sie reichte ihrer Freundin die Zeitung und deutete auf die Anzeige.

„Hmm. Das ist eine merkwürdige Aussage. Soll das heißen, dass wir ihn kennen?“

„Klingt irgendwie danach. Aber woher nur? Wer soll es sein?“, Leonora konnte sich niemanden vorstellen aus ihrem Bekanntenkreis.

„Na, Mädels“, begrüßte Max die beiden.

„Hallo Max.“

„Was ist los bei euch? Jeden zweiten Montag reißt ihr euch quasi um die caz. Was gibt es da Spannendes?“, fragte er und versuchte einen Blick darauf zu werfen.

„Du könntest auch Detektiv werden, oder?“, fragte Irina.

„War mein Plan B“, feixte Max. „Also, was ist los?“

„Ich habe letzten Monat eine Suchanzeige nach meinem Helfer gestartet, nach der Person, die mir auf der FSR-Party geholfen hat“, gab Leonora zu. „Und er hat mir geantwortet. Das ist seine zweite Antwort.“ Sie hielt ihm die Zeitung hin und Max las die Anzeige.

„Wir überlegen nun, ob wir denjenigen kennen“, meinte Irina.

„Naja, es war eine Party des FSR Chemie. Vermutlich können wir es dahingehend einschränken“, überlegte Max.

„Meinst du?“

„Warum nicht? Natürlich sind auch Studenten anderer Fächer dabei, aber die Anzahl ist im Vergleich zu den Chemikern gering.“

„Die Chemiker!“, Irina schlug sich die Hand vor die Stirn. „Warum sind da nicht gleich darauf gekommen.“

„Du denkst, es könnte Elias oder Daniel oder Felix gewesen sein, der mir geholfen hat?“, fragte Leonora.

„Klar. Vorstellbar ist alles. Wir haben sie schließlich direkt nach der Party kennengelernt.“

„Aber wenn sie bei der Party waren, könnte es auch sein, dass sie diejenigen mit dem Rohypnol waren“, warf Max ein, woraufhin Leonora und Irina ihn bestürzt ansahen. „Was? Möglich ist es doch.“

„Nein, das glaube ich nicht. Die Drei sind super lieb. So etwas traue ich ihnen auf gar keinen Fall zu“, verteidigte Leonora das Kleeblatt sofort.

„Ich meine ja nur, dass man es im Hinterkopf behalten sollte.“

„Lass uns sie doch einfach fragen, ob sie bei der Party waren“, sagte Irina. „Wir sehen sie doch nachher.“

 

***

 

„Hallihallo!“

„Hallo Leo, hallo Irina“, begrüßte Elias die beiden, Felix und Daniel nickten ihnen zu, sie aßen bereits.

„Entschuldigt, dass wir zu spät sind. Professor Langbein hatte am Ende der Vorlesung noch ein Experiment, das etwas länger gedauert hat als beabsichtigt“, erklärte Irina ihr verspätetes Erscheinen.

„Aber es war gut, dass es am Ende stattfand, er hat den gesamten Hörsaal in eine violette Wolke getaucht“, ergänzte Leonora.

„Oh, wie schön. Die Sublimation von Iod“, Felix‘ Augen strahlten.

„Gibts eigentlich a Chemisches, was diich net fraat?“ Daniel sah seinen Freund kopfschüttelnd an. Dieser nahm eine Denkerpose ein und tat nachdenklich.

„Wenig würde ich sagen.“

„Vorrücktr Bursch.“

„Apropos verrückt und chemisch. Hat jemand Lust, heute Abend zum Science Slam im Hörsaalzentrum mitzukommen?“, brachte Felix das Thema auf den Wettbewerb der Kurzvorträge über aktuelle Forschungsthemen.

„Wann geht das los?“

„20.30 Uhr, also müsste man vermutlich zwanzig Uhr dort sein, um einen Platz zu bekommen“, antwortete Felix.

„Ich kann heute Abend nicht“, meinte Elias und Irina schloss sich dem an. Daniel und Leonora sagten jedoch zu.

„Dann treffen wir uns um kurz vor acht am Haupteingang?“

„Geht klar.“

Die Gruppe kam von einem Thema zum nächsten, weshalb Irina und Leonora völlig vergaßen, zu fragen, ob das Kleeblatt auf der FSR-Party war.

 

***

 

„So, Entropie. Entropie. Ich möchte gern die nächsten zehn Minuten nutzen, Ihnen allen eine Größe etwas näher zu bringen, die für die einen völlig unbekannt ist und für die anderen ist das allenfalls ein abstraktes Konzept, was allerdings keinen Bezug zu Ihrer Lebenswirklichkeit hat. Und deshalb fange ich auch mit etwas an, das Sie alle kennen – was ist das?“, fragte Martin Buchholz ins Plenum und rief ein Bild eines Kraftwerk-Kühlturms in seiner Präsentation auf. „Okay, ist einfach, kam ja im Titel vor – Kühltürme. Die spannendere Frage ist aber – wofür braucht man denn Kühltürme?“

Er wiederholte die Frage und gab sie ins Publikum. „Zum Kühlen!“, rief jemand.

„Kühlen. Kühlen, das ist natürlich ein erstklassiger Vorschlag. Der ist ungefähr in einer Liga mit Das hat was mit Abwärme zu tun oder wenn kleine Kinder dabei sind Da werden Wolken gemacht.“

Das Publikum tobte vor Lachen und Martin Buchholz unterbrach seinen Vortrag kurz. Der Dozent der TU Braunschweig beendete seinen Beitrag nach den vorgesehenen zehn Minuten und gewann den Wettbewerb am Ende des Abends durch den überwältigenden Applaus des Publikums.

 

„Ich bringe dich noch nach Hause“, sagte Felix zu Leonora, als sie sich von Daniel verabschiedeten.

„Ach, es ist doch nur die Straße runter.“

„Ich weiß. Trotzdem möchte ich dich gern begleiten“, meinte er und um ihrem nächsten Argument zuvorzukommen: „Zurück nehme ich dann die 3.“

„Okay.“

Sie setzten sich in Bewegung und unterhielten sich über die verschiedenen Teilnehmer des Slams, ihre Forschungsthemen und die Vortragsweise.

„Martin Buchholz war wirklich genial. Den kennen Sie sicher - das ist ein Maß für Unordnung.“ Leonora grinste.

„Ich habe ihn schon einmal gesehen, da hat er über Energie gesprochen. Wie verschwendet man etwas, dass nicht verbraucht werden kann? Das war auch wirklich gut.“

„Aber die anderen Slammer waren auch gut. Danke, dass du gefragt hast, ob ich mitkomme.“

„Kein Ding.“

Als sie in die Fritz-Löffler-Straße einbogen, fragte Felix jedoch etwas ganz Anderes: „Warum hast du eigentlich neulich gesagt, dass du keine tolle Chemielehrerin werden würdest?“

Leonora sah ihn überrascht an. Ich hatte doch nur einmal kurz davon gesprochen. Er hat es trotzdem mitbekommen.

„Naja, ich glaube einfach nicht daran. Englisch werde ich hinbekommen, damit habe ich keine Probleme. Das kann ich auch richtig gut, denke ich zumindest. Aber Chemie war eigentlich eine Notlösung.“ Leonora seufzte. „Die Klausuren im ersten Semester habe ich gerade so bestanden. Und du merkst ja selbst, dass ich im Labor irgendwie keinen Plan habe. Ich glaube einfach, dass ich das Studium nicht schaffe.“

„So darfst du nicht rangehen. Wenn du vorab schon sagst, dass du etwas nicht kannst, dann wirst du es auch nicht schaffen!“ Seine Hände packten sie an den Oberarmen und Leonora sah zu ihm auf. Tränen schimmerten in ihren Augen, was Felix im Herzen wehtat. „Wieviel brauchst du von dem bisher an der Uni Gelernten später für den Unterricht?“

„Nicht so viel“, ihre Antwort war ein unsicheres Flüstern.

„Genau. Ziemlich wenig. Und genau das ist der Punkt! Das Studium ist dazu da, dir mehr über die Chemie beizubringen und dir das wissenschaftliche Arbeiten zu zeigen. Es ist egal, ob du das Laborpraktikum mit einer Drei abschließt oder die Klausur zu den Nebengruppenelementen gerade so bestehst. Es hat nichts damit zu tun, ob du eine gute Lehrerin sein wirst!“

„Aber wenn ich das Studium nicht schaffe, dann kann ich auch nicht unterrichten“, erwiderte Leonora.

„Leo, was habe ich dir eben gesagt? Du musst positiv ran gehen! Du wirst das Studium schaffen. Es gibt Bücher, es gibt Lerngruppen, es gibt Irina und es gibt mich. Ich werde dich immer unterstützen, wenn du das möchtest, denn ich möchte, dass du eine fantastische Lehrerin wirst.“

Leonoras Lippen begannen zu zittern und eine Träne rollte ihre Wange herunter. Felix ließ ihre Oberarme los und umarmte sie. Mit einem kräftigen Griff hielt er sie fest, drückte ihren Körper bestimmt und doch sanft an seinen. Ihr Kopf lehnte an seiner Schulter, die Tränen liefen nun ohne Unterlass. Etwas zaghaft schlang Leonora ihre Arme um Felix, spürte seine Körperwärme und ließ sich von ihm trösten.

„Danke“, sagte sie nur mit ihrer tränenverschwommenen Stimme und spürte, wie seine Hand über ihren Kopf streichelte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  CaveJohnson
2021-08-26T16:12:35+00:00 26.08.2021 18:12
Ein kurzes Kapitel, deshalb wäre es wohl angemessen, meinen Kommentar auch etwas kürzer zu halten.

Erst mal muss ich sagen, dass die Anzeige irgendwie beunruhigend klingt. Weniger wie von einem Retter sondern mehr wie von einem Stalker. Ein flüchtiger Blick ins nächste Kapitel hat mir gezeigt, dass Leonora das auch so sieht.
Wie gesagt, ich finde es etwas merkwürdig, dass die dort wochenlang in der Art über diese Zeitung interagieren. Das muss doch auch andere Leute verwundern/abstoßen.
Gibt doch bestimmt einen Weg, das ein Stück weniger… befremdlich zu formulieren.
Vor allem, weil es nicht mal so klingt, als hätte der Retter persönlichen Kontakt zu ihr, sondern als wäre er einfach eine Person, die sie ganze Zeit aus der Ferne beobachtet. Wie soll sie ihn da bemerken?

Wie kommt es eigentlich, dass Max das jetzt erst mitbekommt, würden enge Freunde nicht schon früher davon hören?
Mich hat eh schon gewundert, dass das Kleeblatt zum Beispiel bisher überhaupt nicht mit dem Thema konfrontiert wurde. Man würde denken, dass Leonora das zumindest Felix erzählt. Das wäre vielleicht auch interessant gewesen, wenn das Thema bei den beiden schon mal zur Sprache gekommen wäre.


„Aber wenn sie bei der Party waren, könnte es auch sein, dass sie diejenigen mit dem Rohypnol waren“, warf Max ein, woraufhin Leonora und Irina ihn bestürzt ansahen. „Was? Möglich ist es doch.“

Es ist vermutlich einfach nur stellvertretend für K.-o.-Tropfen im Allgemeinen gedacht, aber wäre es nicht interessant, wenn es als Hinweis gedacht wäre, dass Max mehr weiß. Ganz im Sinne des alten „I Never Said It Was Poison“-Trope. Rohypnol ist ja nur ein Mittel von vielen. Man stelle sich nur vor, Max wäre der Schurke.

Am Ende des dritten Kapitels gab es ja auch diese Szene:

„‚Wer waren denn die Typen, mit denen ihr in der Mensa saßt? Ich habe mir heute Mittag nur schnell ein Brötchen geholt und euch gesehen.‘
Jörg und Irina saßen in dem Hörsaal, in dem die Vorlesung zur Mediävistik, einem Teilgebiet der Sprach- und Literaturwissenschaften, das sich mit Sprache und Literatur des Mittelalters beschäftigte, in wenigen Minuten beginnen sollte.
‚Das sind die Chemiker oder von Leo und mir auch insgeheim das Kleeblatt genannt. Wir haben sie zufällig kennengelernt und es hat sich ergeben, dass wir uns nun jede Woche sehen. Wir verstehen uns echt gut‘, antwortete Irina.
‚Warum Kleeblatt?‘
‚Weil sie immer zu dritt anzutreffen sind‘, Irina lachte. ‚Max und du, ihr würdet sie sicher auch gut finden. Sie sind ganz groß im Sprüche klopfen.‘
‚Wenn du meinst.‘
‚Klar. Vielleicht kommt ihr mal zu einem Mittagessen dazu. Das wird sicher lustig.‘“

Dann könnte man es so interpretieren, dass Max Felix wiedererkennt, und deshalb auch so passiv auf das Angebot reagiert, mit ihnen zusammen zu essen.

Felix hat Max zwar bereits beim Pizzaabend auf den Bildern gesehen, aber da könnte man dann ja auch bisschen was einbauen.
Ich weiß, ich weiß, ich spinne ein wenig rum, Leonora und Max kennen sich scheinbar schon recht lange, und Max war ja auch mit auf der Tanzfläche, aber theoretisch könnte man damit was machen.^^

Das Gespräch zwischen Felix und Leonora am Ende gefällt mir auch sehr gut, weil es ja durchaus realistische Bedenken sind, die Leonora hat.
Vielleicht wäre ein bisschen mehr Einblick ganz gut, um vertrauter mit Leonoras Situation sein zu können, und um ihre Bedenken besser nachvollziehen zu können.

Na gut, das ist jetzt doch noch etwas länger geworden, weil ich noch ein wenig vor mich hin fabuliert habe. Aber wenn meine Fantasie angeregt wird, ist das doch auch gar nicht so schlecht. ;)

Ich freue mich aufs nächste Kapitel. :)

Viele Grüße

CJ
Antwort von:  Atina
27.08.2021 08:31
Ein kurzes Kapitel, also ein kurzer Kommentar? Ist wohl schief gegangen. ^^

Also, ja, der letzte Spruch in der Zeitung ist etwas krass. Mir ist aber einfach keine andere Formulierung eingefallen. Felix will halt auch, dass das Schreiben ein Ende hat und will einen Hinweis geben, aber das ist etwas schief gelaufen. Hast du eine Idee?

Wenn du dich so über die caz aufregst - wie wäre es denn, wenn man mehrere Texte schreibt, die eben auch Fremde annonciert haben, die aber darauf aufbauen, dass sie von "Dein Helfer" wären. Sowas wie "An Leo - du willst mir danken? Triff mich am Freitag um 20 Uhr am xxx. Dann kannst du mir zeigen, wie dankbar du bist. Dein Helfer" oder so in der Art. Dass Leo am Ende gar nicht weiß, was wirklich vom Helfer ist.

Max und Jörg wurden im ersten Semester in den Vorlesungen kennengelernt, sooo lange kennen sie sich also noch gar nicht. An sich finde ich deine Überlegungen spannend, weil das nochmal eine komplett neue Richtung bekommen würde. Aber andererseits denke ich mir, dass das ja dann nicht auf einer Party sein müsste, sondern Max immer die Möglichkeit hätte, Leo "zu bekommen".
Das mit der caz ist irgendwie mehr so ein Ding zwischen Leo und Irina, wovon die Männer gar nichts wirklich wissen.
Und ja, ich habe Rohypnol nur als Synonym verwendet, weil ich nicht ständig das Kürzel nehmen wollte. Auch, wenn es nur eines der möglichen Mittel ist.

Und dass das Kleeblatt nichts vom Helfer weiß, liegt doch auf der Hand. Ja, sie lernen sich im Laufe der Wochen besser kennen, aber du erzählst doch keinem freiwillig, dass du K.-o.-Tropfen bekommen hast und fast vergewaltigt worden wärst.


Was genau meinst du am Ende mit "vielleicht wäre ein bisschen mehr Einblick ganz gut"?

Danke für deine Anmerkungen! :)
Antwort von:  CaveJohnson
28.08.2021 17:06
Mh, vielleicht irgendwas wie ,,Wir sehen uns so oft, da hast du doch bestimmt mal die Gelegenheit dich zu bedanken.“

Wer sagt denn, dass ich mich aufrege?^^
Aber, das klingt tatsächlich auch nach einer interessanten Idee, da kann ich mir spannende Szenarien vorstellen. Das hätte noch mal eine düsterere Facette.

Ja, in dieser Konstellation jetzt käme es vielleicht etwas aus dem Nichts. Wollte nur sagen, dass man damit was machen könnte.
Und man könnte ja trotzdem irgendwie reinbringen, dass die zumindest davon lesen.

Nun, Felix könnte sie ja trotzdem mal darauf ansprechen, dass es so wirkt, als bedrückte sie etwas.
Oder man bringt Fiona da irgendwie mit rein.

Naja, Einblicke in ihre Probleme mit dem Studium. Ich meine, ja, sie brauchten einige Male Hilfe, aber sich gegenseitig zu helfen, ist ja im Studium nichts Ungewöhnliches.
Antwort von:  Atina
29.08.2021 17:28
Ja, das klingt auf jeden Fall weniger stalkermäßig. ^^

"dass die zumindest davon lesen." Du meinst, dass das Kleeblatt in der caz die Anzeigen liest und darüber spricht?
Antwort von:  CaveJohnson
30.08.2021 14:27
Ja genau, das würde noch eine andere Perspektive hineinbringen, finde ich.


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