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»Steig auf!«

[ Otayuri ]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey ihr lieben! Herzlich willkommen zum neuen Kapitel!
Mal wieder vielen Dank für eure Kommentare! ♥ Das motiviert mich total.
Gerade jetzt könnte ich tatsählich viel Motivation gebrauchen. Irgendwann kommt es wohl in jeder Story, das Kapitel, das einem nicht so recht gelingen will. Ich musste hier ne Menge knabbern und hab mich ziemlich und unnötig damit unter Druck gesetzt. Ich bin enttäuscht, dass es wieder ein ruhiges Kapitel geworden ist und befürchte dann, dass auch die Leser enttäuscht sein werden. Wahrscheinlich mache ich mir zu viele Gedanken. Gott sei Dank konnte m0nstellar mich wieder ein wenig aufmuntern. Danke dafür ♥
Auch wenn ich selber nicht zu 100% zufrieden mit diesem Kapitel bin, hoffe ich doch trotzdem, dass es euch wieder gefällt.

Bis bald,
Anni Komplett anzeigen

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Teil sechs: »Melodie«

Wäre jeder seiner bisherigen Geburtstage so wie der heutige abgelaufen, dann hätte Yuri ernsthaft Gefallen an ihnen gefunden. Die meisten jedoch hatte er mit schlechter Laune verbringen müssen. Nicht, weil er seinen Geburtstag nicht mochte, im Gegenteil, er freute sich eigentlich darauf – wenn da nicht immer zwei Probleme auftauchten.

Problem eins: Aufmerksamkeit. Yuri bekam davon eh schon weit mehr, als ihm lieb war. Auf dem Podest konnte er mit so viel Interesse der anderen wesentlich besser umgehen, als in seinem Privatleben. Lieber feierte er still für sich selbst. Er wollte keinen Kuchen. Er wollte keine Geschenke und erst recht – so weit kam es noch! – keine Überraschungspartys. Ein kurzer Händedruck oder ein Klopfen auf die Schulter, mehr brauchte es doch nicht. Doch der Wirbel, entfacht von den Anderen, half seiner Verlegenheit regelmäßig beim Gedeihen. Er freute sich darüber, aber er war ein Legastheniker der Zwischenmenschlichkeit, der seine Unsicherheit nur mit lauten Worten überspielen konnte.

Problem zwei: Heuchlerei, die mit Problem Nummer eins Hand in Hand arbeitete. Kaum schlug es null Uhr zum ersten März, kamen die unterschiedlichsten Leute aus ihren Löchern gekrochen, von denen er sonst das ganze Jahr über keinen Mucks hörte. Schnulztriaden und leere Versprechungen über ein erhofftes baldiges Wiedersehen brachten ihn regelmäßig zum Würgen. Warum ließen sie es nicht einfach? Über dieses Geschenk würde er sich tatsächlich freuen. Er brauchte diese Leute nicht und konnte auf ihre Pseudofreundlichkeit verzichten. Dass allerdings nicht alle diese Scheinheiligkeit nur vorspielten, war ihm bewusst. Da gab es allen voran seinen Großvater, dann Yakov und Lilia, Victor und das Katsudon. Und … Otabek.

Sein Daumen strich über den glänzenden Aufkleber und vernichtete die letzte Luftblase darunter. Der Tiger prangte auf der Rückseite des Helmes. Zufrieden betrachtete er sein Werk und versuchte dabei nicht allzu glückselig dreinzuschauen. Dann hob er den Kopf und sah Otabek ins Gesicht.

»Danke.« Ja, er wurde rot dabei. Ja, er war verlegen. Ja, Otabek hätte ihm nichts schenken müssen … und trotzdem fühlte er sich längst nicht so unwohl, wie er vermutet hatte. Niemandem vorher war das bisher gelungen.

Otabek erwiderte nichts, nickte nur, als sei das Selbstverständlich. Aber dem war nicht so. Nichts von alledem war selbstverständlich. Offenbar hatte er nicht den blassen Schimmer, dass er Yuri, seit sie sich kannten, regelmäßig aus dem Konzept brachte und Yuri würde alles dafür tun, dass er es auch nie herausfand.

»Soll ich dich ins Hotel fahren?«

Yuris Blick schnellte nach oben. Jetzt erst fiel ihm auf, dass weder er noch Otabek seine Jacke oder Schuhe ausgezogen hatten. Sie standen im Flur, wie auf Abruf. Wollte er ins Hotel? Nein. Nein, wollte er nicht. Etwas überrumpelt und vorschnell schüttelte er den Kopf.

»Also … außer ich geh dir auf den Sack, oder so.« Peinlich berührt kratzte er sich an der Nasenspitze.

Otabeks Augenbraue zuckte. Yuri hatte das Gefühl, diese Situation schon einmal durchlebt zu haben. Gespannt sah er ihm in die Augen, doch der erwartete Satz blieb aus. Allerdings glaube er zu bemerken, wie Otabek sich auf die Zunge biss. Es mochte unausgesprochen zwischen ihnen hängen, aber sie beide wussten in dem Moment, was Otabek durch den Kopf ging. Er wandte seine dunklen Augen von ihm ab und begann sich wortlos erst die Jacke, dann die Schuhe abzustreifen.

Yuri tat es ihm gleich. Gerade als er etwas sagen wollte, durchbrach Otabeks Smartphone klingelnd die Stille. Yuri beobachtete, wie er es aus der Tasche holte, den Namen las und die Stirn krauszog, bevor er sich kurz angebunden meldete. »Was gibt’s?«

 Was am anderen Ende der Leitung gesprochen wurde, konnte er nicht hören, wohl aber begriff er Otabeks Reaktion darauf. Er schien nicht gerade erfreut zu sein. »Ich habe letzte Woche ausdrücklich gesagt, dass es diese Woche nicht geht. Also nein ... Ja, genau das soll das heißen. Ich habe keine Zeit.« Resigniert beendete er das Gespräch nach einer weiteren halben Minute, der Blick noch immer nicht geglättet.

»Alles gut?«

»Ja.«

Das klang nach allem, aber nicht nach gut. Entnervung tropfte ihm aus jeder Pore. Yuri folgte ihm ins Wohnzimmer. »Wer war denn dran?« Eigentlich wollte er nicht so neugierig sein, hoffte doch aber, Otabek ein wenig besänftigen zu können.

»Der, der meine Auftritte organisiert.«

Yuris Gesichtsausdruck schleuderte mit Fragezeichen um sich und verführte Otabek dazu seine Augen zu schließen. Seine Finger wanderten zur seiner Nasenwurzel, vollführten kreisende, massierende Bewegungen. »In den Clubs.«

»Achsooo! Dein Manager!« Otabek verzog über dieses Wort das Gesicht. Yuri ignorierte es, als langsam durchsickerte, was dieser Anruf zu bedeuten hatte. »Hättest du heut arbeiten müssen?« Der Gedanke mit Otabek einen Club unsicher zu machen sorgte bei ihm für Aufregung.

»Ja, aber ich habe abgesagt. Müssen sie durch, ich stehe nicht zur Verfügung.« Otabek ließ sich auf die Couch fallen.

Die Euphorie verpuffte. Wäre aber auch zu schön gewesen. »Warum?«

Sein Blick traf beinahe vorwurfsvoll auf Yuri. »Dann hätte ich dich ins Hotel fahren müssen.«

»Hä, wieso? Ich wäre doch mitgekommen!«

»Nein, wärst du nicht. Der Club ist ab achtzehn.«

Verdattert starrte er ihn an, reckte dann gespielt bedrohlich seine Faust. Noch verstand er nicht, worauf Otabek hinauswollte. »Na und? Ich bin krass trinkfest, Alter! Ich sauf ‘se alle untern Tisch!«

»Das ist schön. Aber du bist minderjährig.«

»Häh?«

Otabeks Mine verriet, dass seine Geduld der Erschöpfung bedrohlich nahekam. »Minderjährig. Du.«

Er hörte es leise in seinem Kopf klingeln. Daher wehte also der Wind. Fassungslos verschränkte er die Arme. »Dein Ernst? Du nimmst mich nicht mit, weil ich zu jung für sowas bin?« Hitze stieg ihm ins Gesicht. Noch nie musste er ein solches Gespräch führen. Und das ausgerechnet an seinem Geburtstag, welch Ironie. Er wusste nicht, ob er lieber vor Scham im Erdboden versinken oder vor Wut explodieren sollte. Aber dass er hier an dieser Stelle verlieren würde, war ihm klar.

»Diese Clubs sind nicht umsonst ab achtzehn. Lass es gut sein, es ist jetzt eh zu spät.«

Yuri brauchte einen Moment um sich zu sammeln. Er wollte ja nicht wütend sein und überhaupt hatte er nicht mal ansatzweise das Recht dazu. Ob Otabek arbeiten ging oder nicht, war nur seine Entscheidung. Seine ganz allein. Es stand Yuri nicht zu ihm Vorschriften zu machen. Außerdem trieb er die Stimmung gerade gehörig in den Abgrund. Ein zischendes Ausatmen, dann setzte er sich mit hängendem Kopf neben ihn.

»… Sorry.«

Seine große, warme Hand legte sich auf seine Schulter. Eine durch und durch freundschaftliche Geste, die sofort sämtlichen Ärger aus Yuri heraussaugte. »Nächstes Jahr.«

Yuri warf ihm ein unsicheres Grinsen zu. »Da bin ich aber immer noch nicht volljährig.«

Otabek lächelte schief zurück. »Ich weiß. Ich kneif ein Auge zu.«

»Du hast wirklich ‘ne komische Moral!« Yuri gab sich alle Mühe seinen Blick einzufangen und ein kindlicher Stolz ergriff ihn, als er es schaffte. »Versprich es mir!« Er streckte seine Hand nach ihm aus und ließ ihn nicht entkommen.

Zwar zögerte Otabek erst, ergriff sie dann doch und schlug mit ihm ein. »Versprochen.«

»Aus dieser Nummer kommst du nicht mehr raus!«

Otabeks Blick wurde erstaunlich herausfordernd. »Ich schätze, damit komme ich klar.« Da war so ein freches Zucken in seinen Augen. Yuri hielt dem nicht länger stand und erhob sich ruckartig.

»So. Da du mir jetzt den Abend in einem Club versaut hast, musst du es wieder gut machen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er zielstrebig auf die gewaltige Plattensammlung zu.

»Und wie?« Otabeks Schulter berührte seine. Wann war er aufgestanden und zu ihm gekommen? War der Typ ein Ninja? Yuri zuckte zusammen, rückte aber nicht von ihm ab. Er roch nach Leder und Frischluft.

»Zeig mir dein Lieblingsalbum!« Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, froh darüber, dass Otabeks Blick sich an das Regal heftete.

»Hm.« Ein tiefes, nachdenkliches Brummen stieg aus seiner Kehle. Konzentriert hob er eine Hand zum Kinn, fuhr mit dem Daumen über seine Unterlippe. Yuri folgte der Bewegung mit seinen Augen. Von links nach rechts, von rechts nach links. Es war hypnotisierend.

»Die hier ist gut.« Otabek streckte eine Hand aus und zog eine Platte mit einem schlichten Cover hervor. Nur ein einzelnes Wort zierte die ansonsten komplett schwarze Hülle. NOX. Nacht. Yuris Finger strichen über das seidige Papier. »Und was machen die so?«

»Wirst du sehen.« Otabek wandte sich ab und ging zur Anlage, zog nebenbei überraschend vorsichtig die Platte aus der Hülle und legte sie auf. Dunkle Riffs einer Gitarre füllten den Raum und schlichen sich augenblicklich in Yuris Venen. Er schloss die Augen, ließ es auf sich wirken. Nach der permanent aufgezwungenen klassischen Musik von Lilia war diese Abwechslung durchaus willkommen. Es gefiel ihm auf Anhieb. Während das Intro einspielte, betrat Otabek die Küche und kam mit zwei Flaschen zurück. Überrascht nahm Yuri das Bier entgegen.

»Ich bin minderjährig, schon vergessen?«  Ein freches Grinsen überzog sein Gesicht. Er setzte die Flasche an und nahm einen tiefen Zug.

»Heute Nacht weiß ich von nichts.«

Yuri verschluckte sich und überspielte es mit einem Lachen. Sein Blick glitt durch den Raum, überallhin, nur nicht zu ihm. »Die Musik ist echt gut.« Seine Füße wippten im Takt. Er wollte tanzen. Kein Ballett, keine Pirouetten. Er wollte sich berauschen, wie in einem Club. Leider würde das allein in diesem Wohnzimmer ziemlich albern aussehen, also unterdrückte er dieses Bedürfnis. Hier in dieser Wohnung zu sein war immer noch zufriedenstellender, als allein im Hotel zu hocken, während Otabek seinen Geburtstag ohne ihn hinter dem Mischpult, umringt von Neonlichtern feierte.

»Was willst du heut noch machen?« Otabek saß inzwischen auf der Couch, einen Arm auf der Lehne ausgestreckt und wirkte sichtlich entspannt. Von der Müdigkeit nach dem Essen war nicht viel übriggeblieben.

»Was für eine Frage!« Yuri ließ sich neben ihn ins Polster fallen. »Wir zocken natürlich! Ich fordere bittere Revanche!« Und dieses Mal sollte er sie auch bekommen. Es folge ein Feuerwerk aus Bomben, Schildkrötenpanzern und Bananenschalen, begleitet von stimmungsvoller Musik aus dem Plattenregal. Völlig vertieft zog die Zeit an ihnen vorbei. Das Wohnzimmer glich, ähnlich wie am Vorabend, einem Schlachtfeld aus Chipstüten und leeren Flaschen. Otabeks Frisur war durcheinander und unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab. Yuri unterdrückte nur mit Mühe ein Gähnen.

»Otabek?«

Der jedoch lehnte schon halb versunken in der Couch, der Controller hing unmotiviert zwischen seinen Fingern. Für ein weiteres Match fehlte ihm offensichtlich die Kraft. »Mhm.« Eher ein Brummen, als eine richtige Reaktion, aber er hörte zu. Auch Yuri fühlte sich ermattet, doch da war ein anderes Gefühl, das die Müdigkeit niederrang.  »Äh … ohne Scheiß, so stell ich mir Geburtstage vor. Also … Danke.«

Verlegen strich er sich eine lose Strähne hinters Ohr.

»War mir eine Ehre.« Otabek sprach so leise, dass Yuri sich nach vorn beugen musste, um ihn zu verstehen.

»… Du bist müde.« Verkehrte Welt. Er folgte seinen Bewegungen. Otabek rieb sich die geröteten Augen, gähnte dann ausgiebig mit beiden Händen vor dem Gesicht.

»Ja.«

»Ich auch. Pennen, oder was?«

»Mhm.« Er machte keine Anstalten sich aufzurichten.  Vielleicht war es eine Kurzschlussreaktion, als Yuri ihm die Decke überwarf, bevor er nach der Fernbedienung griff und sämtliche Geräte damit abschaltete. Ein Hoch auf moderne Technik.

»Was soll das werden?« Otabek murmelte in den weichen Stoff hinein, behielt seine Augen geschlossen. Die Erschöpfung rang den Versuch, sich zu wehren, erbittert nieder.

»Die Couch ist groß genug für uns beide und ich glaube du stehst heute nicht mehr auf. Hast du noch ‘ne zweite Decke?«

Brummend nickte er. »Im Schlafzimmer, unterstes Fach im Kleiderschrank.«

Gut, das sollte zu schaffen sein. »Darf ich mir die holen?«

»Mhm.« Es sollte das letzte sein, was Otabek in dieser Nacht sagte. Leise stand Yuri auf, sammelte in höflicher Manier die leeren Chipstüten ein, entsorgte sie und ging dann durch den Flur in Richtung Schlafzimmer. Vor der Tür blieb er stehen, die Hand schwebend über der Klinke. Er fühlte sich, als würde er verbotenes Terrain betreten, als er sie herunterdrückte. Laternenlicht warf schwachen Schein auf den simpel eingerichteten Raum. Ein Bett mit Nachttisch daneben, ein Kleiderschrank. Mehr nicht. Otabeks Geruch schlug ihm entgegen, viel intensiver, als jemals wahrgenommen. Bewusst durch den Mund atmend zog er im Dunkeln die Schranktür auf und suchte im unteren Fach nach einer weiteren Decke. Er erwischte sie und verließ beinahe fluchtartig das Zimmer.

Im Wohnzimmer löschte er das Licht, tastete sich blind in der Dunkelheit voran. Seine Finger streiften die Lehne der Couch, fuhren nach unten und berührten Otabeks Arm. Er zuckte zurück, verharrte. Es kam keine Reaktion. Erleichtert ließ er sich nieder, versuchte kein Geräusch mehr zu machen. Endlich lag er unter Decke, bewusst den größtmöglichen Abstand zwischen ihnen lassend.

»Gute Nacht.«

Nur ein Flüstern. Otabek antwortete nicht, nur sein regelmäßiger Atem erfüllte den Raum. Yuri schloss die Augen und ließ sich davon in den Schlaf wiegen.

 

Am nächsten Morgen schlug er müde die Augen auf. Anscheinend hatte er sich keinen Millimeter bewegt. Die Beine angezogen, beide Arme vor der Brust verschränkt. Sein Rücken schmerzte und es war ihm egal. Otabek zog seinen Blick an. Er lag auf dem Bauch, einen Arm unter dem Kopf begraben. Offenbar war es ihm unter der Decke zu warm geworden, denn er hatte sie bis zur Hüfte weggestrampelt. Das nach oben gerutschte Shirt enthüllte ein winziges Bisschen nackte Haut. Sein Gesicht war nur zur Hälfte zu sehen. Seine Lider zuckten, er schien zu träumen. Yuri philosophierte, wovon wohl, während sein Blick sich an den dunklen Wimpernkränzen festsaugte. Er rührte sich nicht, blinzelte nicht einmal, während er ihn beobachtete. Diese entspannte Miene stand ihm um Welten besser, als seine übliche angestrengte Ausdruckslosigkeit. Er sah friedlich aus. Yuris Finger kribbelten.

Zeit verging, ohne dass er sagen konnte, wie viel und schließlich begann Otabek sich zu regen. Er drehte sich auf den Rücken, den Arm jetzt über die Augen gelegt, um der Helligkeit den Kampf anzusagen. Ob er wach war? Yuri machte keine Anstalten es heraus zu finden. Erst, als Otabek sich ihm zuwandte, stellte er sich schlafend. Nur spürend, dass er sich neben ihm aufrichtete, blieb er liegen und wartete. Sein Atem ging auf Sparflamme, in der Hoffnung nicht gekünstelt zu wirken. Ein leises, beinahe wütendes Knurren durchschnitt die Stille zwischen ihnen, gefolgt von einem Fluchen. Die Couch bebte, als er ruckartig aufstand. Yuri musste sich zusammenreißen, um nicht seine Augen zu öffnen und ihn zu beobachten. Er spürte ein angenehmes Gewicht auf seinen Schultern. Otabek hatte ihm seine Decke übergeworfen und der Geruch, vor dem er gestern aus dem Schlafzimmer geflüchtet war, ließ Yuri zitternd einatmen.

Bevor er sich die Frage nach dem „Warum“ stellen konnte, beantwortete Otabek sie bereits. Er stand am Balkon, unweit der Couch und zog beide Türen breit auf. Selbst unter zwei Decken spürte Yuri den harschen Luftzug, der sofort das komplette Wohnzimmer in Beschlag nahm. Draußen herrschten Minusgrade. Otabek mochte, genau wie Yuri selber, an eisige Temperaturen gewohnt sein, aber diese Aktion war schlichtweg verrückt. Lautlos setzte Yuri sich auf und beobachtete ihn. Sein Blick fuhr über die breiten Schultern und die akribisch geschnittene Frisur. Otabek massierte sich den Nacken. Yuri hörte sein lautes Ein- und Ausatmen, erkannte Gänsehaut auf seinen Armen und spürte abermals das Kribbeln seiner eigenen Finger. Er krallte sich fester in die Decke und durchbrach die Stille.

»Du hast ‘nen Kater!« Der Triumph in seiner Stimme wirkte seltsam unpassend. Otabek wandte sich ihm zu. Er sah müde aus und irgendwie abwesend, aber er lächelte.

»Ja. Das auch.«

»Hm. Was denn noch?«  Er stand auf, trat neben ihn ans Fenster.

Otabek schloss die Balkontüren mit etwas zu viel Nachdruck. Yuri sah ihn überrascht an. Es schien, als würde er seinem Blick ausweichen. »… Hunger.«

Ein heiseres Raunen, das Nervosität in seiner Brust beschwor. Yuris Nackenhaare kämpften um Stehplätze. Otabek räusperte sich, wandte sich ab. »Ich geh mich fertig machen. Wird nicht lange dauern.« Im Vorbeigehen streiften sich ihre Blicke. Seine Augen blitzten gefährlich.

Er sah ihm nach, rieb sich über die klammen Arme. Erneut durchdrang ihn die Ahnung, etwas verpasst zu haben. Etwas Wichtiges. Er wusste nicht, was und kam sich schrecklich hilflos vor. Hatte er ihn verärgert?  Um irgendetwas zu tun, schaffte er Ordnung im Wohnzimmer. In der Küche setzte er Kaffee auf, stellte eine Tasse bereit. Seine Füße trugen ihn in den Flur zu seinem Rucksack. Er konnte das Rauschen der Dusche hören, zog hastig neue Anziehsachen hervor und wechselte im Wohnzimmer rekordverdächtig schnell sein Outfit.

Wieder im Flur schlüpfte er in seine Schuhe, als die Tür aufging. Otabek hatte sich umgezogen, das Handtuch noch um seinen Schultern. Wortlos musterte er ihn. Yuri stand komplett angezogen und aufbruchbereit im Flur – er wusste, wie das aussehen musste. Bevor Otabek es falsch verstehen konnte, ergriff er das Wort. »Oh gut, du bist endlich mal fertig! Sonst hätte ich wahrscheinlich irgendwelche fremden Leute anlabern müssen, wo der nächste Supermarkt ist!« Allein bei dem Gedanken schüttelte es ihn. Aber immerhin feierte sein altbekannter Ton Comeback, was nicht nur Yuri beruhigte. Der Schreck wich aus Otabeks Gesicht, allerdings blieb die tiefe Furche zwischen seinen Augenbrauen.

»Du willst einkaufen gehen?«

»Was denn sonst? Du hast gesagt du hast Hunger. Du bist gruselig, wenn du Hunger hast.« Seine Finger vollführten eine kreisende Bewegung um Otabeks Gesicht. »Dein Blick vorhin … als würdest du mich töten wollen. Also, wo muss ich lang, damit ich am Leben bleiben darf?«

Otabek betrachtete ihn mit einer Mischung aus Überrumpelung und Fassungslosigkeit. »Warte kurz, dann komm ich mit.«

»Haha, never!« Unwirsch schob er Otabek ins Wohnzimmer. Der schien zu resignieren, denn Yuri spürte keine Gegenwehr. »Ich schaff das schon alleine! Guck mal, dein bester Freund hat Kaffee für dich gekocht.«

Forsch platzierte er ihn auf einen der Stühle, schenkte ihm sogar ein. Endlich, nachdem er einen Schluck genommen hatte, rückte Otabek mit der Sprache raus. »Wenn du zur Tür rausgehst, nach rechts und dann immer gerade aus. Der Supermarkt ist auf der gleichen Straßenseite.«

»Geht doch, man! Gib mir zwanzig Minuten.«

Schon war er in den Flur geeilt und hatte die Tür hinter sich ins Schloss fallen lassen. Um sich vor der klirrenden Kälte zu schützen, verkroch er sich tief in seiner Jacke und zog den Schal fester um seinen Hals. Im Gehen zog er sein Smartphone hervor. Mehrere Nachrichten von Yakov. Wo er gestern noch Rücksicht auf ihn genommen hatte, schien er nun deutlich angepisst zu sein. Yuri antwortete ihm kurz und knapp, beantwortete den restlichen Schwall an Mitteilungen der Anderen ebenso und sah dann auf die Uhr. Bereits vierzehn Uhr durch. Ärger und Schwermut prasselten auf ihn nieder. Sie hatten tatsächlich über die Hälfte vom Tag verpennt.

Aufmerksam blickte er wieder nach vorn und schon nach wenigen Minuten kam der Supermarkt in Sicht. Froh, der Kälte entkommen zu sein, rieb er sich die Hände, bevor er nach einem Korb griff. Er rauschte durch die Abteilungen und ließ sich keine Minute zu lang Zeit. Es war ihr letzter gemeinsamer Tag. Morgen würden all die anderen Bratzen in Almaty eintrudeln. Wahrscheinlich würde er heute nicht einmal mehr bei Otabek übernachten können. So wie er Yakov und Lilia kannte, durfte er den kompletten nächsten Tag auf dem Eis verbringen, um seine Kür zu perfektionieren. Zum ersten Mal spürte er Lustlosigkeit vor einem Wettkampf.

Übellaunig pfefferte er eine Zutat nach der anderen in den Korb. Kartoffeln, Eier, Mehl, Milch, Hefe. Er ging davon aus, dass Salz und Zucker einen festen Platz in Otabeks Haushalt hatten. Unterwegs griff er noch nach frischen Champignons und einem Strauß Petersilie. Fleisch durfte auch nicht fehlen. Otabek würde Augen machen!

Fußtippelnd stand er an der Kasse und verfluchte jede langsame Bewegung, jedes akribische Abzählen von Kleingeld, jedes Wühlen nach Coupons. Ging das nicht schneller?

Endlich war er dran, bezahlte Bar und pfiff auf Wechselgeld und Kassenbon. Außer Atem klingelte er Sturm. Otabek ging nicht ran, sondern drückte einfach den Summer nach oben. Keuchend erklomm er die letzte Stufe, stützte sich mit beiden Händen auf den Knien ab. Die volle Einkaufstüte rutschte zu Boden.

»Bist du auf dem Weg hierher sämtliche deiner Küren gelaufen?«

»Schnauze!« Das Gesicht knallrot, aber siegessicher richtete er sich auf. »Ich koche jetzt für dich! Keine Widerrede!« Nicht mal die Tüten ließ er sich abnehmen. In der Küche angelangt packte er euphorisch alles aus und ignorierte Otabek, der mit verschränkten Armen hinter ihm stand. »So jetzt brauch ich nur noch Messer, Brett …« Seine Hände öffneten Schränke und Schubladen auf der Suche nach den benötigten Sachen, wurden allerdings nicht fündig. Nicht, dass Yuri sich davon abschrecken ließ ... »Gut, dann eben erstmal ‘ne Schüssel! Eine, äh …. Hmpf.« Peinlich berührt drehte er sich um. »Otabek, hast du überhaupt Zeug zum Kochen da?«

Die Antwort war ein brummiges Lachen, tief aus seinem Inneren. Er kam auf Yuri zu und lehnte sich an ihm vorbei, öffnete mit einer Hand den Hängeschrank, den Yuri zuvor schon inspiziert hatte. Da er nicht viel größer als Yuri war, musste er die Schüssel auf Zehenspitzen hervorangeln. Dabei kesselte er ihn unbewusst so ein, dass Yuri sich nicht bewegen konnte.

Endlich bekam er die Schüssel zu fassen und ließ Yuri wieder Luft zum Atmen. Schnell wandte er sich zur Spüle und wusch sich pflichtbewusst die Hände. Das kalte Wasser tat gut und lenkte ihn ab. Otabek holte in der Zwischenzeit alles andere hervor, was Yuri aufgezählt hatte.

»Kann ich dir irgendwie helfen?«

»Ja.« Ruppig trocknete er sich seine Hände, warf ihm ein Grinsen zu. »Leg die Platte nochmal auf. Die erste von gestern. Die find ich echt gut. Besonders diesen einen Song.« Ihm fiel der Name nicht mehr ein, wie peinlich.

Wortlos folgte Otabek seiner Bitte. Die Musik erfüllte die Wohnung. Augenblicklich schrumpfte seine Anspannung ein wenig, als er den Teig vorbereitete. Milch anwärmen, Hefe hineinbröseln, Zucker dazu. Rühren, rühren, rühren. Mehl, Eier und Salz in die Schüssel, Milch und Öl dazu. Erst rühren, dann kneten.

»Das sieht geübt aus.«

Yuri wandte sich um, als er den Teigt abgedeckt hatte. »Lilia hat‘s mir beigebracht, aber das Rezept ist von meinem Opa.«

»Ah.« Etwas unschlüssig stand Otabek neben ihm und sah zu. »Brauchst du wirklich keine Hilfe?«

»Wenn‘s dich glücklich macht, kannst du das Gemüse und das Fleisch schneiden.«

Otabek folgte akribisch genau seinen Anweisungen. Ansonsten redeten sie nicht, nur die Musik sprach zu ihnen. Yuri gestand sich ein, dass Otabek ihn mit dieser LP auf den Geschmack gebracht hatte. Wenn er zuhause war, musste er unbedingt die Lieder herunterladen. Geschickt ließen sie die Zutaten im Teig verschwinden, der daraufhin seinen Weg in den Backofen antrat.

»Halbe Stunde noch, dann können wir essen.«

»Mhm.«

Die letzten Klänge des Albums verstummten. Schweigend schafften sie Ordnung in der Küche. Keiner der beiden sprach es aus und dennoch dachten sie dasselbe: Die Uhr tickte. Der Rest der verbliebenen Zeit schrumpfte spürbar zusammen. Vor drei Tagen hatte Yuri noch gedacht, dass ihnen unendlich viel davon zur Verfügung stünde und letztendlich war alles wie ein Wimpernschlag verflogen. Zeit war relativ, ja, und ein Arschloch. Mal wieder. Es kam ihm unfair vor.

»Wollen wir nach dem Essen nochmal raus?«

Es klang wie ein Abschluss. Das letzte Unternehmen, bevor die Pflicht rief, die ihn erst nach Almaty gebracht hatte. »… wohin denn?«

»Vielleicht nochmal zum See.«

Verstehend nickte er. Dort wo es begonnen hatte, sollte es wohl auch enden. »Wir können das Essen auch einpacken und mitnehmen.«

»Guter Plan.« Otabek kramte bereits nach Tupperdosen, um die Mahlzeit zu verstauen. Als er seinen Blick spürte, warf er ihm ein aufmunterndes Lächeln zu. »Du solltest deine Sachen packen.«

»Ja …«

Als Yuri ins Wohnzimmer zurückkehrte, hing bereits ein sämiger Geruch in der Luft. Er schnupperte neugierig und glaubte, dass sein erster Kochversuch ohne Lilia geglückt war. Er fand Otabek auf dem Balkon. Seine schwarzen Haare tanzten im Wind. Zögerlich folgte er ihm nach draußen.

»Hey.«

»Hey.« Er tat es Otabek gleich und stützte die Unterarme auf der Brüstung ab. Sein Balkon bot eine fantastische Aussicht und erinnerte ihn an das Podium, auf dem sie in Barcelona gestanden hatten. Sonnenlicht reflektierte sich an den Fensterscheiben der vielen Häuser. Aus weiter Ferne trug der Wind Vogelgesang und Geigenmusik an ihre Ohren.

»Ist echt schön bei dir.«

»Freut mich.«

Es kostete ihn Überwindung, doch Yuri stellte die Frage trotzdem: »Darf ich irgendwann nochmal herkommen?« Verlegen bemühte er sich irgendwo anders hinzusehen. Schon wieder verhielt er sich wie im Kindergarten, jedoch brannte die Unsicherheit in ihm. Otabek war ihm wichtig. Diese Freundschaft war ihm wichtig. Wie konnte er sich sicher sein, wenn er nicht fragte? Er versuchte es zu überspielen, indem er möglichst beiläufig auf sein Smartphone schielte. 

»Das weißt du doch.« Beinahe liebevoll strich Otabeks Stimme über sein Ohr. Yuri lächelte.

»Ich glaub das Essen ist fertig ...«

Keine Zehn Minuten später schwangen sie sich aufs Motorrad. Yuris Rucksack wog schwer auf seinen Schultern. Etwas wehmütig schenkte er Otabeks Heim einen letzten Blick, bevor dieser die Maschine startete und sie aus der Stadt trug.

 

Der See empfing sie mit Stille. Einzig die Grashalme wogten im Wind und verursachten ein leises Rascheln. Yuri nahm den Helm ab und betrachtete den Aufkleber, bevor er die Nase nach oben streckte und die frische Luft einsog. An diese Ruhe konnte er sich gewöhnen. Eine nette Abwechslung zu seiner Heimatstadt. Sankt Petersburg war wunderschön, aber niemals müde. Er nahm sich vor, Otabek irgendwann zu sich einzuladen und ihm die Stadt zu zeigen.

Sie liefen los. Immer wieder überraschte es Yuri, wie angenehm es war mit jemandem zu schweigen. Dass man nicht immer sinnlosen Blödsinn plappern musste, um die peinliche Stille zu überbrücken. Ein warmes Gefühl, dass ihn vor der Kälte schützte.  Irgendwann lichtete sich die Wiese und machte Platz für Sand. Sie hatten freie Sicht auf den klaren Himmel und das Wasser. Der Himmel war ein Feuerball und würde bald erlöschen. Otabek faltete die Decke auf, die er unter dem Arm getragen hatte. Sie setzten sich und genossen den Ausblick.

Yuris Finger machten sich am Deckel der Tupperdose zu schaffen und scheiterten. Fluchend zerrte er daran, bis Otabek ihm half und so sein Elend beendete. Warmer Duft schlug ihnen entgegen.

»Das hätte ich auch allein hinbekommen!«

»Vorher wärst du wahrscheinlich verhungert.« Ein Schmunzeln, bevor er in die Dose griff und sich eine Piroschki angelte, Yuris wütenden Protest ignorierend. »Die sehen wirklich gut aus. Wie komm ich zu der Ehre?«

Auch Yuri bediente sich, biss ab und schloss zufrieden mit seiner Kreation die Augen. »Das … ich wollte mich bedanken. Dafür, dass ich herkommen durfte, für meinen Geburtstag und … alles einfach.«

»Verstehe.« Otabek biss ab, kaute einen Moment und fixierte Yuri dann, den Daumen in die Luft gereckt.

Freude schlug einen Haken durch seinen Körper. Nach dem Essen ließ er sich auf den Rücken fallen und zögerlich tat Otabek es ihm ein paar Sekunden später gleich. Mit verschränkten Armen sahen sie in den Himmel. Ihre Beine berührten sich. Mit der Sättigung hielt auch Zufriedenheit Einzug in seinen Körper. Bittersüß und warm.

»Mir ist gerade was eingefallen.«

Neugierig drehte Yuri seinen Kopf zu ihm. »Und was?«

»Ich hab dir den ganzen letzten Abend meine Musik gezeigt, aber nie gefragt, was du so magst.«

»Äh … Ja, stimmt.« Seine Hand glitt in seine Jackentasche und holte sein Smartphone hervor. Zögerlich löste er die umgewickelten Kopfhörer und hielt ihm eines der Enden hin. Otabek nahm es ihm ab und schob es sich ins Ohr. Unschlüssig scrollte er durch seine Playlist, tippte dann wahllos irgendeinen Song an. Otabek seine Musik anzuvertrauen hatte etwas Intimes, aber er fühlte sich nicht unwohl damit. Er hatte die Augen geschlossen und ließ es auf sich wirken. Yuri warf ihm ab und zu verstohlene Blicke zu, doch sein Ausdruck blieb entspannt. Vielleicht gefiel es ihm. Vielleicht kannte er den ein oder anderen Titel auch. Ihr Geschmack schien sehr konform zu gehen. Die Musik spülte sanft durch sein Inneres, wie ein fließender Kreislauf. Er wandte sich wieder dem Himmel zu und begann die ersten aufglimmenden Sterne zu zählen.

 

»… Yuri.« Eine Hand an seiner Schulter. Kälte in seinen Gliedern. Dunkelheit um sie. War er eingeschlafen? Wenn ja, wie lang? Wann war der Mond aufgegangen? Etwas konfus richtete er sich auf, spürte ein Brennen im ganzen Körper. Als er forschend auf sein Smartphone sehen wollte, blieb der Bildschirm schwarz. Mit tauben Finger rieb er sich die Augen.

»Fuck, ist das kalt. Wie lang sind wir schon hier?«

Otabek packte ihre Sachen zusammen. »Schwer zu sagen. Vielleicht zwei Stunden. Definitiv aber zu lang.«

»… tut mir leid.«

»Schon gut. Ich bin selbst eingeschlafen.«

Yuri stand auf und schlag zitternd die Arme um seinen Körper. Der kalte Fahrtwind würde jetzt lustig werden. Bevor er in Flüchen darüber ausbrach, spürte er Otabeks schwere Lederjacke auf den Schultern. Protest sammelte sich auf seiner Zunge und wurde durch Otabeks Blick im Keim erstickt. Der hatte derweil schon die Decke zusammengefaltet und zurück in den Rucksack gestopft.

»Komm.«

Ohne weitere Diskussionen fuhren sie los. Yuri konnte den Frust nicht unterdrücken, ausgelöst durch dieses abrupte Ende, aber zu ändern war es jetzt nicht mehr. Und auch ihre vorerst letzte Fahrt verging trotz beißender Kälte viel zu schnell. Das Hotel empfing sie mit einladender Helligkeit. Über sich selbst wütend sprang er vom Motorrad. Auch Otabek stieg ab.

»Du solltest schnell rein, bevor du dich wirklich noch erkältest.«

Yuri schälte sich bereits aus der Jacke und reichte sie ihm zurück. »Danke.«

»Nicht dafür. Geh jetzt.« Etwas blitzte in seinen Augen auf. Es könnte Sorge sein.

»Guck nicht so, mir geht’s gut! Ich komme aus fucking Russland, glaubst du da macht mir die Kälte was? Und ich bereue nichts!« Das klang vielleicht ein wenig zu inbrünstig, aber er meinte es vollkommen ernst. Otabeks schiefes Lächeln ließ sein Gesicht in Flammen aufgehen. Es kümmerte ihn nicht. »Wir sehen uns morgen … oder?« Er zog sich den Helm vom Kopf und reichte ihn Otabek zurück.

Ein knappes Nicken. »Beim Training auf dem Eis. Sei fit. Und nimm dein Geschenk ruhig mit.«

Erst jetzt bemerkte er, dass er den Helm noch immer in der Hand hielt. Otabek hatte ihn nicht angenommen. Es dauerte einen Moment, bis es Klick machte. Wie konnte er das vergessen? Der gehörte ja jetzt ihm! »Du auch.« Kurz rang er mit sich, doch dann überwand er die letzte Distanz zwischen ihnen und schlang die Arme um ihn. »Danke nochmal.«

Otabek drückte ihn ebenfalls mit einem Arm an sich, ließ aber schnell wieder los. »Gute Nacht.«

»Nacht.« Der Gedanke jetzt im Hotelzimmer zu schlafen fühlte sich falsch an. Trotzdem wandte er sich ab und ging schweren Herzens auf den Eingang zu.

»Yuri.«

Verwundert drehte er sich um. Unter dem Dröhnen des bereits gestarteten Motorrads konnte er Otabeks Stimme nur mit größter Konzentration verstehen. »Du hast echt gute Musik auf deinem Smartphone.« Mit diesen Worten reckte er seinen Daumen nach oben, kickte dann den Motor durch und brauste davon, in die rabenschwarze Nacht. Yuri sah ihm nach, während er den Helm umklammerte, die Augen riesengroß und das Herz ein verwirrtes Stolpern in Brust.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nächstes Kapitel am 29.05 :)) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  m0nstellar
2018-06-07T17:28:09+00:00 07.06.2018 19:28
Boom, Baby!
Let's comment your absolutely lovely fanfiction! ♥
*Brille aufsetzt*

aber er war ein Legastheniker der Zwischenmenschlichkeit
Welch treffende Formulierung, echt mal! Sehr geil! :O ♥

Wann war er aufgestanden und zu ihm gekommen? War der Typ ein Ninja?
Ahaha, geiler Spruch ey. :D Muss ich mir für meinen Freund aufheben, wenn er wieder in der Wohnung rumschleicht ;D

Seine Lider zuckten, er schien zu träumen. Yuri philosophierte, wovon wohl, während sein Blick sich an den dunklen Wimpernkränzen festsaugte.
Hach, Junge. Mir würde sooo viel einfallen, und nicht nur mir allein. ;D

»Du hast ‘nen Kater!« Der Triumph in seiner Stimme wirkte seltsam unpassend. Otabek wandte sich ihm zu. Er sah müde aus und irgendwie abwesend, aber er lächelte.
»Ja. Das auch.«
»Hm. Was denn noch?« Er stand auf, trat neben ihn ans Fenster.
Otabek schloss die Balkontüren mit etwas zu viel Nachdruck. Yuri sah ihn überrascht an. Es schien, als würde er seinem Blick ausweichen. »… Hunger.«

Hrrrr ~ ♥ ... ich wusste es! ]:D

Erneut durchdrang ihn die Ahnung, etwas verpasst zu haben. Etwas Wichtiges.
Ja man, du situativer Kevin! Das hast du in der Tat, ey! xD

Er konnte das Rauschen der Dusche hören, zog hastig neue Anziehsachen hervor und wechselte im Wohnzimmer rekordverdächtig schnell sein Outfit.
Was gäbe ich jetzt dafür einmal in die Dusche glubschen zu können ... Nur um zu gucken, ob er wirklich das macht, was ich denke, das er es tut ;D

Zum ersten Mal spürte er Lustlosigkeit vor einem Wettkampf.
Aww ... Schweres Herzchen in der Brust, hm? Er kann ja echt richtig süß sein, ne? ♥

»Bist du auf dem Weg hierher sämtliche deiner Küren gelaufen?«
»Schnauze!«

Hach ja, da isse wieder. die Schimpfwortfee. :D

In der Küche angelangt packte er euphorisch alles aus und ignorierte Otabek, der mit verschränkten Armen hinter ihm stand. »So jetzt brauch ich nur noch Messer, Brett …« Seine Hände öffneten Schränke und Schubladen auf der Suche nach den benötigten Sachen, wurden allerdings nicht fündig. Nicht, dass Yuri sich davon abschrecken ließ ... »Gut, dann eben erstmal ‘ne Schüssel! Eine, äh …. Hmpf.« Peinlich berührt drehte er sich um. »Otabek, hast du überhaupt Zeug zum Kochen da?«
Es ist einfach so zuckersüß. xDDD

Die letzten Klänge des Albums verstummten. Schweigend schafften sie Ordnung in der Küche. Keiner der beiden sprach es aus und dennoch dachten sie dasselbe: Die Uhr tickte. Der Rest der verbliebenen Zeit schrumpfte spürbar zusammen. Vor drei Tagen hatte Yuri noch gedacht, dass ihnen unendlich viel davon zur Verfügung stünde und letztendlich war alles wie ein Wimpernschlag verflogen. Zeit war relativ, ja, und ein Arschloch. Mal wieder. Es kam ihm unfair vor.
Immer, wenn ich den Absatz lese, krieg ich Regen in den Augen. Q~Q

Beinahe liebevoll strich Otabeks Stimme über sein Ohr.
♥ Ohne Worte. ♥

»Guck nicht so, mir geht’s gut! Ich komme aus fucking Russland, glaubst du da macht mir die Kälte was? Und ich bereue nichts!«
Yurochka, der unbesiegbare Russe! ;D

Der Gedanke jetzt im Hotelzimmer zu schlafen fühlte sich falsch an. Trotzdem wandte er sich ab und ging schweren Herzens auf den Eingang zu.
Q~Q Moi, er tut mir so leid ... ich will ihn knuddeln ... :(

Yuri sah ihm nach, während er den Helm umklammerte, die Augen riesengroß und das Herz ein verwirrtes Stolpern in Brust.
TT~TT Ach der arme Kerl. :( :( :(

Fazit:

Was für ein vielschichtes Kapitel. Sehr schön. So viele Emotionen ... und ein wirklich wunderschönes Ende. ♥ Ich will Yuri knuddeln. Er tut mir irgendwie leid. ... :(
Aber es ist trotzdem erstaunlich, wie schön du die Spannung aufrecht hältst. Ein richtiger Genuss beim Lesen, ehrlich. :)
Zweifel nicht immer wieder an deinen Fähigkeiten. Vertrau auf dein Talent. Das hast du. :) ♥

Heute ohne Assi-Vermerk. Ich will die Stimmung nicht kaputt machen.

Deine Tanschn u3u ~ ♥
Von:  Seredhiel
2018-05-28T10:00:23+00:00 28.05.2018 12:00
Hey Gmork,
mach dir nicht so viele Gedanken ;) dein Kapitel ist einfach klasse.
Echt süß und einfach zum dahinschmelzen.

Ich finde es toll wie die beiden mit einander umgehen ^^ besonders diese unausgesprochenen Dinge zwischen ihnen ^^
Es knistert so leicht *zufrieden seufzt*

Echt toll gemacht, freu mich auf das nächste Kapitel

*Eisbecher dalass*

Lieber Gruß Seredhiel

P.S. Zweifel gehören zum schreiben dazu, doch niemals sich von ihnen beeinflussen lassen, da das Ergebnis verdammt gut ist ^-^
Antwort von:  Gmork
28.05.2018 19:22
Huhu Sere ♥ Freut mich sehr von dir zu hören. :)
Vielen Dank für die Motivation :D Schön, wenn dir das Kapitel wieder gefallen hat!
Ich freu mich, dass das Knistern gut rüberkommt :D Ich wollts nicht zu offensichtlich, aber auch nicht zu unterschwellig halten... ist ein schmaler Grad und sehr schwierig iwie :O
Bis hoffentlich bald
Anni
PS: DANKE für den Eisbecher.. bei dem Wetter brauch ich den *Mapf*
Antwort von:  Seredhiel
28.05.2018 19:29
hehe joah das Knistern gut hinzubekommen ist schwer XD
aber hast es echt gut hinbekommen ^^ bin echt gespannt wann da endlich bei beiden der Groschen fällt *-*
Von: abgemeldet
2018-05-22T21:03:22+00:00 22.05.2018 23:03
Nackenhaare, die um einen Stehplatz kämpfen 🤣 das ist mit Abstand einer der süßesten Vergleiche, die ich je gelesen habe! :D absolut großartig, den merke ich mir~
Und um deine Sorge, das Kapitel könne zu ruhig sein, zu beruhigen: das macht überhaupt nichts. Im Gegenteil, ich finde es sogar sehr schön, dass du das Ganze gekonnt in die Länge ziehst - bei so manch anderem wären die Beiden schon dreimal zusammen im Bett gelandet. Du legst sehr viel schönes Gefühl in die gesamte Story, und das liest sich hervorragend!
Also, auch dieses Mal wieder sehr gelungen (:
Antwort von:  Gmork
23.05.2018 20:37
Huhu Claire ♥ Sry für die späte Antwort.
Vielen Dank für dein Kommentar ♥ Freut mich, dass dir das Kapitel (und der Vergleich! :D) gefallen hat.
Haha, du hast Recht. Ich hab mir mal ein paar andere FFs von den beiden durchgelesen und da ging die Handlung, was ihre Beziehung und das Sexuelle angeht, echt immer rasant voran. Ist per se nix schlechtes, Fanservice muss ja auch geboten werden xD
Aber ich bin froh, dass mein Weg auch kein schlechter ist. Ich bau solche Geschichten sehr gern etwas langsamer auf.
Vielen Dank fürs Aufuntern. ♥
Bis hoffentlich bald,
Anni
Von:  Ookami-no-Tenshi
2018-05-22T18:06:16+00:00 22.05.2018 20:06
Ich weiß nicht, was süßer ist, deine Sorge, oder das Kapitel selbst.
Wirklich, jeder Autor hat solche Phasen, das kennen wir alle und trotzdem wird niemand aufhören deine Geschichte wegen solch einer Kleinigkeit zu lesen. ;)
Hab ein bisschen mehr Selbstvertrauen, du schreibst wirklich toll! Ansonsten wären wir nicht hier. :D
Auch wenn es nur ein ruhigeres Kapitel ist, es ist immer wieder schön etwas von dir zu lesen, also mach dir nicht zu viele Gedanken darüber ^-^
Mir zum Beispiel hat das neue Kapi sehr gut gefallen und ich freue mich schon aufs Nächste!

Lg. Ookami-chan
Antwort von:  Gmork
22.05.2018 22:04
Hallo Ookami-Chan ♥
Vielen Dank mal wieder für dein Kommi! Freue mich immer sehr von dir zu hören. :)
Danke für deine Worte, die haben mich nochmal aufgemuntert. Klar, solche Phasen hat jeder Mal, aber ich bin doch überrascht, wie sehr ich mich davon runterziehen lasse. Aber ich werde mich zusammenreißen! *aus dem Supf kriech*
Freut mich, dass dir das Kapitel gefallen hat ♥
Bis hoffentlich bald!
Anni


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