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Spherium

Kaiba/Yuugi
von

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Kapitel 8

Als Kaiba ins Koma fiel, hatte Yuugi den Brünetten regelmäßig im Krankenhaus besucht und ihm Blumen mitgebracht. Yuugi bezweifelte, dass dieser etwas davon mitbekommen hatte und er hatte Mokuba darum gebeten, seinem Bruder nichts zu sagen, aus Angst, dass Kaiba sich in seiner Ehre verletzt fühlen würde und wieder irgendeinen Unsinn machte. In dieser Zeit hatte er mehrmals mit Mokuba gesprochen und das ein oder andere über die Brüder erfahren. Die beiden Brüder waren komplett unterschiedlich.
 

Mokuba zeigte Fürsorge und großen Respekt seinem Bruder gegenüber. Er streichelte ihm behutsam über die Stirn und sprach ihm gut zu, obwohl niemand sagen konnte, ob dieser etwas von seiner Umgebung mitbekam. Sie trafen sich nur während der kurzen Besuchszeiträume und sie sprachen nicht allzu viel miteinander. Über belangloses Zeug. Schule. Spiele. Hobbys. Mokuba war sehr vorsichtig und versuchte, nicht zu viel über sich preiszugeben und Yuugi, der selbst immer befürchtete, etwas Falsches zu sagen, hielt sich auch zurück, da er befürchtete, dass er diese neugewonnene 'Freundschaft' im Keim ersticken würde, sollte er etwas Dummes sagen oder tun.
 

Monatelang ging das so. Immer wieder sahen sie sich. Sie sprachen miteinander und über die Zeit hatte sich Vertrauen zwischen den beiden aufgebaut. Als Mokuba ihn fragte, warum er Kaiba so oft besuchen kam, obwohl die Brüder versucht hatten, ihn und seine Freude in einem Spiel zu töten, gab Yuugi eine simple Antwort.
 

„Weil wir Spiele lieben. Kaiba-kun und ich. Reicht das nicht?“ Und diese Worte, so bedeutungslos und naiv sie auch klingen mochten, hatten die beiden einander näher gebracht. Doch irgendwann kam Mokuba nicht mehr. Sie verloren den Kontakt. Dass Mokuba zu diesem Zeitpunkt entführt worden war, konnte Yuugi nicht wissen. Er war so froh, dass Atem nicht nur für die Seele seines Großvaters gegen Pegasus angetreten war, sondern auch für die Seelen der beiden Brüder.
 

Seit dem Königreich der Duellanten hatte Yuugi regelmäßig Kontakt zu Mokuba. Dank Mokuba hatte Yuugi einiges über Kaiba erfahren und im Laufe der Zeit angefangen, diesen gernzuhaben und sich selbst dabei zu erwischen, diesen als seinen Freund zu bezeichnen, obwohl dieser wohl im Dreieck gesprungen wäre, hätte er dieses Wort in Verbindung mit seiner Person gehört.
 

„Kaiba-kun?“ In seiner Stimme lag Sorge. Er wollte nicht, dass Kaiba sauer auf ihn war und jetzt ärgerte er sich über das, was er gesagt hatte. Wieso musste er auch so blöd sein und sein Angebot hinterfragen? Ein Mann wie Kaiba bot einem schließlich nicht jeden Tag Kaffee an!
 

„Alles in Ordnung. Was hat Mokuba sonst noch so über mich erzählt?“ Kaiba ging vor und steuerte den Nebenraum seines Büros an. Ein großer Tisch und eine bequeme Coach, die extrem teuer aussah, fiel ihm sofort auf. Sollte er hier etwas verschütten, würde Kaiba ihm sicherlich einen Kopf kürzer machen. Das hier musste wohl sein privater Pausenraum sein. Ein riesiger Flachbildschirm verdeckte beinahe die gesamte Wand, direkt neben dem Fenster stand eine große Zimmerpflanze, in dessen Boden eine Figur gesteckt war, die Yuugi leicht schmunzeln ließ. Ein Gartenstecker vom Weißen Drachen. »Irgendwie süß, dass Kaiba in der Hinsicht so tickt... das macht ihn viel sympathischer.«
 

„Ich hoffe, du magst schwarzen Kaffee. Oder soll ich dir etwas anderes bringen lassen?“
 

„Oh! Ehm, danke. Ich trinke alles.“, brachte Yuugi heraus und hätte sich am liebsten selbst für seine Gedankenlosigkeit geohrfeigt. Erstens mochte er keine bitteren Getränke und zweitens war sein Verhalten so unprofessionell, dass er sich ernsthaft fragte, ob Kaiba diese Zusammenarbeit nicht schon bereute.
 

Als er sich auf die Coach setzte, versank er in dieser sofort. Kaiba setzte sich nur einen halben Meter neben ihn hin und griff direkt nach der Kaffeekanne – die selbstverständlich dem weißen Drachen nachempfunden und sicher ein Unikat war – und goss sich etwas von der heißen Flüssigkeit in seine Tasse. Jetzt hätte Yuugi noch Gelegenheit gehabt, dieses freundliche Angebot abzulehnen, aber er ermahnte sich selbst dazu, sich etwas seriöser zu verhalten, also ließ er zu, dass Kaiba auch ihm eingoss.
 

Die Tassen selbst waren ebenfalls Unikate. Da war sich Yuugi sicher. »Bloß nicht fallen lassen. Kaiba-kun wird dir das niemals verzeihen...« In goldener Schrift strahlte ihm das Logo der KC entgegen und am oberen Becherrand befand sich eine Musterung, die ihn an Mosaike erinnerte. Noch bevor er das wertvolle Stück in seiner Hand weiter bewundern konnte, setzte Kaiba das Gespräch fort.
 

„Stimmt etwas nicht? Mokuba muss echt ganz schön gelästert haben, dass du nichts sagst.“
 

„Nein, nein! Hat er nicht!“, verteidigte er sich.
 

»Und wie er das hat! Aber das kann ich Kaiba-kun wohl kaum unter die Nase reiben... oder doch?«
 

„Yuugi, ich weiß, dass du lügst. Mokuba erzählt viel von dir und ich gehe davon aus, dass er auch über mich redet. Du musst das nicht verheimlichen.“, kam es vom Brünetten, der sich einen Schluck von seinem Kaffee gönnte und dabei keine Miene verzog, was Yuugi ziemlich bewundernswert fand. Er tat es ihm gleich, hob seine Tasse und genehmigte sich einen Schluck. Im Gegensatz zu Kaiba konnte er dieses Getränk nicht genießen. Der bittere Geschmack trocknete seinen Mund aus und die Hitze ließ seine Zunge unangenehm kribbeln. Wie konnte Kaiba das Zeug trinken, obwohl es noch so heiß war? Und so verdammt bitter? Im direkten Vergleich zu ihm fand Yuugi, dass er selbst ziemlich kindisch war. Da hätte er lieber einen Milchshake gehabt. Schön süß und belebend.
 

Kaiba grinste nur, als Yuugi die Augen schloss und damit kämpfte, den Kaffee nicht direkt wieder auszuspucken. Es war dem König der Spiele anzusehen, dass er mit diesem exquisiten Geschmack nicht so viel anfangen konnte. Zu sehen, wie Yuugi damit kämpfte, den Kaffee herunterzuschlucken, empfand er äußerst amüsant. Allein dafür hatte sich diese Kaffeerunde gelohnt. Dass sein Gegenüber ihn belustigt angrinste, bekam Yuugi jedoch nicht mit. Viel zu sehr war er damit beschäftigt seine Haltung zu bewahren und wie ein erwachsener Mann zu handeln. Erwachsene Männer tranken gerne schwarzen Kaffee und wenn er mit Kaiba zukünftig arbeiten wollte, musste er sich daran gewöhnen.
 

„Ich will nichts verheimlichen...“, erklärte er dann und setzte die Tasse wieder ab. Der Nachgeschmack von gerösteten Arabicabohnen gefiel ihm eigentlich ganz gut. So wie er Kaiba kannte, war der Kaffee sicher irgendetwas ganz Besonderes und extrem teuer. Der würde sich doch sicherlich nicht mit dem billigen Zeug aus dem Convenience Store zufrieden geben, sondern ließ seinen Kaffee aus dem Ausland importieren. Manchmal fragte er sich wirklich, wie es sein konnte, dass jemand wie er, ein kleiner Nerd mit wenig Freunden und viel zu viel Phantasie, mit so einem reichen Mann befreundet sein konnte. Das musste wohl Schicksal sein.
 

„Du bist total verklemmt, Yuugi. Du musst lernen aus dir herauszukommen. Was machst du, wenn du deine Angestellten anleiten musst? Die werden dich doch nicht ernst nehmen, wenn du dich so zurückhaltend verhältst.“
 

„Das weiß ich, Kaiba-kun. Ich werde mein Bestes geben, damit ich dich nicht blamiere.“, rechtfertigte sich Yuugi. Als er diese Worte aussprach, konnte Kaiba deutlich in seinen Augen lesen, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte. Yuugi war schüchtern und zurückhaltend. Es war äußerst zweifelhaft, ob dieser überhaupt in einer Führungsposition richtig arbeiten konnte, weshalb Kaiba von Anfang an nicht vor hatte, ihn allein zu lassen.
 

„Es geht hier nicht um mich, sondern um dich. Du musst lernen mehr Selbstvertrauen zu zeigen, wenn du dieses Projekt wirklich beenden möchtest.“
 

Dass Yuugi das nicht einfach überwinden konnte, war ihm natürlich klar, doch diese Worte mussten gesagt werden, damit dieser endlich verstand, dass er sich ändern musste. Der naive und liebenswerte Junge musste rücksichtsloser werden und lernen, offen seine Meinung zu äußern, ohne sich bereits im Vornherein Gedanken zu machen. Andererseits waren es genau diese Eigenschaften, die ihn so besonders machten und er wusste, dass Yuugi die Bedürfnisse anderer immer vor seine eigenen stellte. Es ging nie darum, was Yuugi wollte. Hätte Yuugi den Mumm gehabt, hätte er ihm schon lange seine Duelle verwehrt und sich nicht von Kaiba dazu drängen lassen, alle paar Monate zum Duel Dom zu kommen, damit er seine Revanche bekam. Kaiba wusste, dass er niemals nein sagen würde, weshalb er diese Freundlichkeit auch schamlos ausgenutzt hatte. Als Yuugi dann anfing, seine Herausforderungen abzulehnen und ihm dreist dazu aufforderte, doch zu ihm zu kommen, hatte Kaiba gedacht, dass dieser endlich den Entschluss gefasst hatte, für seine eigenen Wünsche einzustehen.
 

„Ich schaffe das. Keine Sorge. Ich weiß, dass ich manchmal etwas zu schüchtern bin, aber wenn es um Spherium geht, würde ich es mir niemals verzeihen können, Fehler zu machen, nur weil ich mich nicht getraut habe, den Mund aufzumachen. Außerdem bist du ein gutes Vorbild.“
 

Yuugi lächelte wieder, was Kaiba irgendwie verunsicherte. Er verstand einfach nicht, wie Yuugi ihm gegenüber so freundlich bleiben konnte. Wann hatte er Yuugi zu verstehen gegeben, dass so etwas wie Freundschaft zwischen ihnen existierte? Wie kam Yuugi auf den absurden Gedanken, dass da mehr zwischen den beiden war? Lächerlich, wie er fand.
 

Freundschaft bedeutete nichts weiter, als seine Schwächen zu offenbaren und selbst angreifbar zu werden. Zumindest wollte er das immer glauben. Es war Atem, der ihm sagte, dass er allein durch die Macht der Freundschaft, kämpfen konnte und wenn er an diesen Tag zurückdachte und diesen unerschütterlichen und fest entschlossenen Gesichtsausdruck, wollte ein Teil seines Verstandes diese Worte wirklich glauben. Daran glauben, dass an dieser Freundschaftsnummer etwas dran war. Dass Bindungen zu Menschen etwas verändern konnten.
 

„Solange du den Willen hast, für dein Spiel einzustehen, werde ich auch hinter dir stehen.“
 

„Das...“, flüsterte Yuugi und senkte den Blick, legte seine Hände auf seinen Oberschenkeln ab. Kaiba konnte hinter seinen Ponyfransen erkennen, dass dieser errötete und sorgfältig über seine nächsten Worte nachdachte. Yuugi war in der Hinsicht sehr gewissenhaft und nahm Rücksicht auf seinen Gegenüber, passte sich diesem an, was Kaiba zwar als nicht schlecht abstempeln würde, aber doch etwas schwierig ansah, vor allem wenn es ums Geschäftliche ging.
 

„...bedeutet mir sehr viel. Mokuba sagt oft, dass du distanziert seist und mit niemanden freiwillig arbeiten würdest, aber ich bin froh, dass du doch ganz anders bist.“
 

Kaiba überlegte einen Moment und sah seinen zukünftigen Geschäftspartner eindringlich an.
 

„Inwiefern 'anders'?“
 

„Nach allem, was er von dir erzählte, dachte ich, dass es ganz schrecklich sein muss, mit dir in einem Raum zu sein. Aber eigentlich ist es angenehm. Ich hatte Angst, du würdest dich über mich lustig machen und mich nur herrufen, um mir zu sagen, dass wir nur Rivalen seien und niemals mehr sein wird.“
 

„Yuugi, wir sind auch jetzt keine Freunde, falls du darauf hinaus willst. Ich verstehe nicht, was diese lächerliche Freundschaftsnummer soll. Denkst du wirklich, dass wir Freunde sein können? Du solltest mich hassen. Ich habe versucht, deine Freunde zu töten und dein Großvater hatte wegen mir einen Herzinfarkt. Du weißt, dass ich schrecklich bin.“
 

Yuugi schüttelte den Kopf und hob diesen. Sie sahen sich einen Augenblick in die Augen.
 

„Ich denke nicht, dass das heute noch wichtig ist. Wichtig ist, dass du dich geändert hast. Menschen verändern sich und ich glaube daran, dass du nur Böses getan hast, weil dir selbst Schlimmes widerfahren ist.“
 

Kaiba lachte laut auf. Es passte ihm nicht, dass Yuugi Recht hatte. Dass dieser in seine Seele blickte, obgleich er versuchte, diese vor der Welt zu verbergen. Der einzige, der von dieser Seite wissen durfte, war sein Bruder und niemand anders. Auch wenn Kaiba leugnete, dass jemals mehr als die Rivalität zwischen ihnen sein würde, so musste er sich doch selbst eingestehen, dass dieses Treffen etwas war, dass er vor acht Jahren strikt abgelehnt hätte.
 

Er schätzte Yuugi. Er brauchte ihn. Seine Fähigkeiten als Duellant. Ohne ihn gab es niemanden auf der Welt, der sich mit ihm messen konnte und wenn er diese eine Herausforderung verlor, gab es nichts und niemanden mehr, das ihn inspirierte. Sie waren auf einer Wellenlänge und weil Kaiba das selbst am besten wusste, machte es ihn umso unsicherer, dass er ungewollt Yuugi so nah an sich herangelassen hatte. So nah, dass dieser ihn wirklich als Freund sehen wollte und in der Lage war, in seine Seele zu blicken.
 

„Du hast echt einen an der Waffel! Yuugi, mit deinem freundlichen Getue täuscht du mich nicht und glaub bloß nicht, dass für solche schöne Reden in der Businesswelt Platz ist. Du bist einfach zu naiv.“
 

Yuugi sagte daraufhin nichts, vermied es Kaiba anzusehen. Doch dann fasste er sich wieder. Es war klar erkennbar, dass er nicht nachgeben wollte.
 

„Kaiba-kun. Mokuba entfernt sich immer mehr von dir, weil du so denkst. Was tust du, wenn er eines Tages geht und er dich hier allein zurücklässt? Wirst du es verkraften können, dass du deinen einzigen Bruder von dir abgewiesen hast?“
 

„Yuugi, mein Privatleben geht dich nichts an. Ich sehe keinerlei Grund, dir diese Fragen zu beantworten.“
 

„Schon wieder.“, hauchte Yuugi. Kaiba verengte seine Augen zu Schlitzen. Das war eine Drohung. Diesen Blick kannte Yuugi nur zu gut. Das hielt Yuugi aber nicht davon ab, weiter zu sprechen und das zu sagen, was gesagt werden musste.
 

„Sobald jemand dir deine Fehler aufweist, wirst du sauer. Das ist deine größte Schwäche. Du bist nicht in der Lage mit deinen eigenen Gefühlen umzugehen. Du sagst mir, dass ich mich ändern muss, aber der, der sein Handeln überdenken sollte, bist du.“
 

Weder Boshaftigkeit noch Abscheu lag in seinen Worten. Die ganze Zeit hatte Kaiba gewollt, dass Yuugi seine Gedanken schonungslos aussprach und als er dies tat, erfüllte es ihn einerseits mit Freude, andererseits mit Schrecken.
 

„Ich weiß, wie schlimm es ist, wenn man Menschen verliert, die einem wichtig sind. Erst wenn sie fort sind, wird einem so richtig klar, wie sehr man sie braucht. Und diese Erkenntnis schmerzt.“
 

Kaiba musste nicht lange darüber nachdenken, wen er meinte. Atem hatte auch sein Leben beeinflusst und er war der erste Gegner, den er seiner als ebenbürtig erachtete. Yuugi war anfangs nichts weiter als ein Ersatz, um das Loch zu füllen, das Atem unwissentlich in seinem Leben hinterlassen hatte, doch nach all der Zeit, die vergangen war, war er unglaublich froh, dass er Yuugi ein Teil seiner Welt hatte werden lassen. Dass Yuugi ihm wichtig war, hatte er selbst erst nach Jahren erkannt. Nein, wie wichtig er ihm war und dass er nicht nur seine Fähigkeiten respektierte, wurde ihm bewusst, als dieser zum ersten Mal seine Einladung zum Duel Dom ablehnte. Es war das erste Mal, dass Yuugi seine Herausforderung ablehnte. Das erste mal, dass dieser ihm nicht gehorchte.
 

Kaiba war absoluten Gehorsam gewohnt. Es gab selten jemanden, der es wagte, sich gegen ihn zu stellen oder ihm ins Wort zu fallen. Und wenn doch, überwältigte er seine Gegner mit Worten. Weder Yuugi noch Mokuba ließen sich davon beeindrucken. Es war ihnen egal, dass Kaiba eine höhere Position hatte. Sein Stolz würde noch sein Untergang sein. »Denkst du wirklich, dass ich das nicht weiß?«, dachte Kaiba und nahm einen großen Schluck des bitteren Getränks, um wieder klare Gedanken fassen zu können.
 

„Ich glaube nicht, dass sich Mokuba für dich entscheiden wird. Zumindest nicht nach dem, was er mir gestern erzählt hat.“
 

Kaiba wurde hellhörig.
 

„Ha, du kennst Mokuba nicht so gut wie ich. Er liebt mich und er würde mich niemals zurücklassen.“
 

„Bist du dir da wirklich sicher?“, fragte Yuugi.
 

Die Stille zwischen ihnen war unangenehm und drückend. Kaiba war verärgert, dass aus einer unbefangenen Frage eine solche Konversation geworden war. Plötzlich ging es nicht mehr um Yuugi und sein Spiel, sondern hatte sich das Ganze in eine Lebensberatung entwickelt, die Kaiba gar nicht brauchte. Als keine klare Antwort vom Firmenchef kam, sprach Yuugi weiter.
 

„Du weißt, dass er eine Freundin hat. Sie kommt nicht aus Japan. Er scheint tatsächlich zu planen, mit ihr wegzugehen, wenn du dein Leben nicht in den Griff kriegst.“ Yuugi stoppte für einen Moment, biss sich auf die Unterlippe, ehe er erneut ansetzte.
 

„Kaiba-kun.“
 

Yuugis Worte waren warm und fürsorglich und er spürte, dass er ihm nicht schaden wollte. Dass Yuugi ihm helfen wollte, verletzte seinen Stolz. Er brauchte keine Freunde oder gar Hilfe. Vor allem nicht von Außenstehenden, die den Ernst des Lebens nicht verstanden hatten. Am liebsten hätte er ihn aus seinem Büro geworfen und ihm gesagt, dass er sich nicht einmischen sollte. Yuugi sprach seinen Namen ganz langsam aus und machte eine Pause. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen. Es fiel ihm unheimlich schwer, Kaiba so vor den Kopf zu stoßen und dabei auch noch sein Versprechen an Mokuba zu brechen. Mokuba hatte ihm extra gesagt, nichts von seinem Vorhaben an seinen Bruder weiterzuleiten, da dieser sich sonst vorbereiten konnte und sich absichtlich verstellen würde, nur um den Anschein zu erwecken, dass alles in Ordnung war.
 

Und Mokuba hasste es, wenn sein Bruder so tat, als gäbe es keine Probleme. Denn Probleme hatten sie genügend. Sowohl in der Kaiba Corporation als auch in ihrem Privatleben. Die firmeninternen Probleme behob Kaiba rasch und mit Bravur, doch den Frust und den Ärger mit seinem Bruder, staute sich so sehr an, dass ein kleines Gespräch und auch ein toller Ferrari zum achtzehnten Geburtstag nicht darüber hinwegtäuschen konnten, dass etwas nicht stimmte und die beiden Brüder kurz davor standen, auseinander zu gehen. Mokuba war nicht bereit, dies so hinzunehmen. Er wollte seinen lachenden Bruder zurück. Den Bruder, den Gozaburou ihm gestohlen hatte. Der Bruder, mit dem er über sein Leben und seine Wünsche reden konnte. Der Bruder, der ihm zuhörte, wenn er ihm von seinen Gedanken erzählte. Der Bruder, der offen war für neue Ideen und Konzepte. Der Bruder, mit dem er lachen konnte und das Leben genießen konnte.
 

Und das war es auch, was er seinem Bruder in Alcatraz gesagt hatte. Dieser Hass, den Kaiba in sich trug, hatte ihn so sehr verändert, dass Mokuba allmählich das Gefühl bekam, dass sein Bruder nicht mehr existierte. Dass dieser Mensch hinter dem Bürotisch, der fleißig seine Akten ordnete und die Firma anleitete, nicht der Mensch war, den er in seinem Leben brauchte. Dass dieser Mensch, ihn nur emotional runter zog und kein wirkliches Interesse an ihm hatte. Für Mokuba war es klar, dass er sich für seinen Bruder entscheiden würde, wenn es sein musste. Doch sein Bruder war einfach nicht in der Lage, über seine Gefühle zu reden oder diese gar zu zeigen, was ihn zunehmend belastete.
 

„Mokuba ist erwachsen und nicht mehr das folgsame Kind, das dir blindlings hinterherläuft und dabei deinen Aktenkoffer für dich schleppt. Mokuba ist dein Bruder und kein Angestellter. Vergiss das nicht.“
 

„Willst du mir allen Ernstes sagen, dass Mokuba plant, einfach abzuhauen?“
 

„Ich sollte es dir nicht sagen, aber anders hörst du ja nicht zu.“
 

Kaiba war es anzusehen, dass er unzufrieden war. Er griff erneut nach seiner Tasse und leerte diese komplett. Yuugi fragte sich, ob Kaiba noch etwas sagen würde oder ob dieser nun versuchte, das Thema zu wechseln.
 

„Danke für deinen Rat. Trotzdem geht dich mein Privatleben nichts an. Wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren und sehen, dass wir Spherium voranbringen.“
 

Kaiba blockte ab. Er ließ diese negativen Gedanken nicht zu. Wollte sie nicht wahrhaben. Also war es am einfachsten, nicht weiter auf das Thema einzugehen und keine weitere Sekunde damit zu verschwenden. Sobald Yuugi weg war, konnte er sich genügend Gedanken darüber machen, wie er sich bei Mokuba entschuldigte und ihm beweisen konnte, dass ihm etwas an diesem lag. In letzter Zeit hatten die beiden Brüder sich immer wieder gestritten. Kaiba ging davon aus, dass das an der Pubertät lag. Diese Selbstfindungsphase war sehr wichtig für junge Heranwachsende, weshalb Kaiba glaubte, es wäre das Beste, seinen Bruder einfach machen zu lassen und sich nicht weiter in sein Leben einzumischen. Jetzt fragte er sich, ob er etwas falsch gemacht hatte.
 

Vielleicht hätte er ihn fragen sollen, wie sein Tag in der Schule war. Wie seine Beziehung lief. Kaiba wusste, dass Mokuba bereits mehrere Freundinnen gehabt hatte, jedoch hatte er nie nach diesen gefragt oder sie zu Gesicht bekommen. Die meiste Zeit war er mit Arbeit beschäftigt. Oder tüftelte an einem neuen Dueldisk, um sein nächstes Duell mit Yuugi noch spannender und überwältigender zu machen. Auch hatte er mehr Zeit mit der Planung der Eröffnung des Kaibaparks verbracht, als aktiv nach den Erfolgen seines Bruders zu fragen.
 

„Kaiba-kun. Nicht ich hätte gestern mit Mokuba feiern sollen, sondern du. Dein Leben geht mich nichts an, aber Mokuba ist mein Freund und ich möchte nicht, dass er wegen dir leidet. Spherium ist mir wichtig und ich wünsche mir nichts mehr, als dass ich Spiele entwickeln kann, aber so lange ich mir nicht sicher sein kann, dass es dir und Mokuba gut geht, kann ich mich nicht konzentrieren.“
 

Kaiba schnalzte mit der Zunge und stand auf. Aufgeregt lief er hin und her, blieb dann vor dem Fenster stehen und warf einen Blick auf seine Stadt, den lebhaften Verkehr und die bunten Reklameschilder, die bis in den Himmel noch zu erkennen waren, da ihre Lichter auch tagsüber so hell leuchteten, dass Kunden sich von diesen magisch angezogen fühlten. Von seiner Firma aus konnte er alles überblicken. Den Duel Dom. Die Brücke am Hafen. Seinen Kaiba Park und auch sein Anwesen. Von hier oben war alles so winzig und bedeutungslos. Und trotzdem hatte er mehr Zeit in diese Dinge investiert, als in sein eigenes Glück.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier der erste Höhepunkt dieser Geschichte. Yuugi konfrontiert Kaiba damit, dass er Fehler macht und dass es seine eigene Schuld ist, dass Mokuba kein Interesse mehr an ihm hat. Ab hier wird es zu einigen Konflikten der Protagonisten kommen und ich hoffe sehr, dass die Leserschaft sich zu Wort meldet, wenn Gespräche oder Situationen zu sehr ins OOC rutschen oder ihr der Ansicht seid, dass ich etwas ausbessern sollte. Oder falls ich Logikfehler mache, was bei der Länge dieser Geschichte, durchaus vorkommen kann.

Ich möchte gerne bereits etwas im Vorfeld erklären: Sowohl Yuugis als auch Kaibas Flashbacks, die ab jetzt immer wieder vorkommen werden, sind nicht canon. Ich habe lediglich einzelne Aussagen der Charaktere und Bildausschnitte genommen, sie weiter interpretiert und meine eigenen Schlüsse aus diesen gezogen. Zudem gab es offene Fragen im Manga, die vom Autor selbst nicht mehr aufgegriffen wurden (auch nicht in Interviews), weshalb ich mir die Freiheit genommen habe, meine eigenen Lösungen zu finden und/oder Andeutungen weiterzuspinnen.

Auch dass Yuugi Kaiba im Koma besuchen ging, wurde im Manga angedeutet, man könnte jedoch meinen, dass es sich um eine Ausnahme handelte. Wie oft war Yuugi Kaiba besuchen? Es wird deutlich, dass er sich Sorgen um ihn gemacht hat (was Jounouchi sogar leicht wütend macht), aber es wird eben nur am Rande erwähnt, weil dies für das Voranschreiten der Geschichte keine Bedeutung hat. Die Wortwahl des japanischen Mangas lässt stark vermuten, dass Yuugi nicht nur einmal zu ihm ging, sondern regelmäßig. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, dass Yuugi sich regelmäßig um ihn kümmerte, was bei Yuugis Manga Persönlichkeit (die gravierende Unterschiede zum Anime aufweist, was an der ganzen Vorgeschichte liegt, die im Anime gar keine Erwähnung findet), Sinn macht. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Jitsch
2018-08-04T18:30:03+00:00 04.08.2018 20:30
Hätte nicht gedacht dass sie jetzt doch so ehrlich miteinander sprechen. Zumindest Yugi ist ja wirklich sehr direkt. Dass Kaiba ihn nicht sofort rausschmeißt zeigt wohl, dass er auch ein bisschen erwachsener ist als noch in der Serie. Ich finde es auch interessant wie du herausgearbeitet hast, warum Yugi und Mokuba sich ziemlich nahe stehen. Man versteht sehr gut warum er sich um beide Kaiba-Brüder sorgt.
Von:  Glamorous91
2018-02-26T19:15:35+00:00 26.02.2018 20:15
Ich finde Seto bleibt noch relativ gelassen ubd ruhig, das Yugi ihn konfrontiert. Ich würde ihn eher so einschätzen das er Yugi rausschmeißt. Wobei ich wie gesagt bis jetzt nur den Anime kenne.


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