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Mr. Svensson

von

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Elfter Teil

[RIGHT]Der Tag bricht an, und es entflieht die Nacht,[/RIGHT][RIGHT]Die um die Erde warf den Rabenmantel.[/RIGHT][RIGHT]Blast nun zum Rückzug, hemmt die heiße Jagd![/RIGHT][RIGHT]-     Shakespeare, König Heinrich VI.[/RIGHT]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Meine Finger gleiten zärtlich über den Buchrücken, während meine Gedanken an jenem Campingtrip hängen. Der nächste Tag begann, wie man sich sicher denken kann, alles andere als angenehm. Logan hatte sich alle Mühe gegeben, mich noch einmal so wach zu bekommen, dass er mir eine Flasche Wasser einflößen konnte. Ich habe ihn dafür gehasst, zweimal in der gleichen Nacht nach draußen zu müssen, um Wasser zu lassen. Nackt wohlgemerkt, bei Temperaturen weit unter Null. Den Weg zu den Toiletten habe ich mir natürlich erspart und stattdessen immer neben die Hütte gepinkelt, was selbstredend verboten ist, doch ich war außer Stande so weit zu laufen. Dazu der Brand, der dazu führte, dass ich noch mehr Wasser im Verlauf der Nacht in mich hinein kippte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Tatsächlich bin ich so dem schlimmsten Kater entgangen und die Tabletten aus Calvins Rucksack, die mir Logan am nächsten Morgen aufgezwungen hat, haben ihr übriges getan. Vielleicht war es auch der schweißtreibende ‚Frühsport‘, der geholfen hat. Ich hatte erst die Befürchtung gehabt, dass die letzte Nacht ein einmaliger Ausrutscher gewesen war, doch Logan und ich konnten die Finger nicht wirklich voneinander lassen. Da weder er noch ich wollten, dass Cal direkt davon erfuhr, fanden wir die erstaunlichsten Ausreden, um gemeinsam irgendwo ungestört zu sein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich schmunzele abwesend beim Gedanken an Cals Gesichtsausdruck, der mich mehr als einmal so angesehen hat, als sei ich vollkommen bescheuert. Und ich erinnere mich sehr gut an seinen kleinen aber feinen Wutausbruch, als er mich und Logan in flagranti erwischt hat.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Wieder reißt mich das Geräusch des Essenswagens aus meinen Gedanken und einigermaßen überrascht stelle ich fest, dass es draußen wirklich schon dämmert. Von Alexej ist noch immer nichts zu sehen und langsam macht sich Sorge in mir breit. Ich bekomme nur ein Tablett, was die Sorge nicht gerade mäßigt. Wenn die Wache wüsste, dass Alexej in Kürze hier auftaucht, dann hätte man mir sein Tablett auch gegeben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Allein zu essen ist seltsam, vor allem nach dem Alexej und ich vorhin so auseinander gegangen sind. ‚Bis ich mit dir fertig bin..‘ Ich schließe die Augen.[/JUSTIFY]

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[JUSTIFY]Ich bin noch nicht fertig mit dir![/JUSTIFY]

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[JUSTIFY]Vor meinem inneren Auge sehe ich Logans wütendes Gesicht vor mir. Es mag ungefähr ein Jahr her sein. Es war unser letztes Gespräch vor jenem Einsatz, aus dem Logan und Calvin nie wieder zurückgekommen sind. Oder eher: Unser letzter Streit. Es war mal wieder einer dieser Tage, an denen ich die Schnauze so gestrichen voll hatte von Logans Ausflüchten und seiner Blindheit für meine Bedürfnisse. Ich war und bin bei Gott ein geduldiger Mensch, doch Logan hat es mehr als einmal geschafft, mich hochgehen zu lassen. Damals war ich davon überzeugt: Dieses Mal ist das letzte Mal. Mir bleibt der Bissen im Hals stecken als ich daran denke, wie ich ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen habe mit den Worten ‚Aber ich bin fertig mit dir Logan!‘.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY] [/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Natürlich war ich nicht fertig mit ihm. Ich bin es noch immer nicht. Ich trinke einen Schluck und versuche, das grässliche kalte Gefühl in meiner Magengrube damit zu vertreiben, doch es klappt nicht. Stattdessen treiben meine Gedanken zu unserem letzten Abschied tags darauf. Ich war noch immer schrecklich wütend, auch darauf, die letzte Nacht ohne ihn verbracht zu haben, obwohl ich genau wusste, dass er für ziemlich lange Zeit nicht da sein würde. Dennoch schien es etwas gebracht zu haben, denn als ich in den Warteraum* kam, in dem die Einheit auf ihren Befehl zum Ausrücken wartete, ruckte sein Kopf sofort hoch und ich konnte in seinem Blick sehen, wie erleichtert er darüber war, dass ich doch noch aufgetaucht war. Cal und Alexander machten mir Platz und ließen mich damit „relativ“ mit Logan allein. Wir sprachen kein Wort mehr miteinander, weil wir beide wussten, dass jedes weitere Wort nur zu einem erneuten Streit geführt hätte, doch ich spüre heute noch Logans Hand, die meine so fest gegriffen hatte, als würde er sie nie wieder loslassen wollen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Als ein Offizier zwei Stunden später den Befehl gab, blieben uns nur wenige Minuten für eine letzte Verabschiedung. Er drückte mich an sich, so fest dass es beinahe schmerzte und küsste mich ein letztes Mal. Unsere Lippen versiegelten sich für ein letztes Versprechen, doch noch einmal über alles zu reden, wenn der Einsatz vorbei sein würde. Ich erinnere mich daran, wie Cal mich noch einmal umarmte und irgendetwas murmelte von wegen ‚Ich verstehe dich besser als du glaubst. Zu bekommen was man will ist nicht immer so leicht wie es sein sollte‘. Ich weiß bis heute nicht was er mir damit sagen wollte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Es ist so schrecklich unwirklich und hier drin habe ich jegliches Zeitgefühl verloren. Irgendetwas in mir hofft noch immer, dass ich beide Männer wieder sehe, wenn ich das Gefängnis verlasse. Weder Alexander noch ich konnten oder durften trauern. Wir waren nicht bei ihrer Beerdigung dabei, wir haben nicht Abschied nehmen können. Wer kann es uns da verdenken, dass wir noch immer nicht fassen können, was uns entrissen wurde?[/JUSTIFY][JUSTIFY]Tränen tropfen von meinem Kinn auf das Tablett. Hunger verspüre ich keinen mehr, nur Leere und einen Schmerz, den ich mit Worten nicht beschreiben kann. Mechanisch erhebe ich mich, stelle das Tablett auf die Durchreiche und stemme mich mühsam zurück in mein Bett. Das Buch wandert zurück in meine Hände und ich umfasse es beinahe krampfhaft, inhaliere tief den Geruch der Seiten und lasse mich davon wegtragen.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Während ich mein Gesicht in das Kissen presse um mein Schluchzen zu dämpfen, das meinen Körper wieder und wieder durchschüttelt, begreife ich die Tragweite von Starricks Worten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich gebe ihnen hier eine Chance, ein wenig Menschlichkeit zu zeigen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Menschlichkeit[/JUSTIFY][JUSTIFY]Diese eine Sache, die wir alle Ausklammern bei dem, was wir getan haben und noch immer tun. Calvin und Logan, die bereit waren Leben zu nehmen, wenn es ihnen im Auftrag ihres Landes befohlen wurde und Alexander und ich, die ihnen die Waffen dafür in die Hand gaben.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass Calvin und Logan noch leben würden, wenn Alexander und ich keine Waffen entwerfen und bauen würden. Es gibt schließlich genügend andere, die es tun und die für Geld nur zu gern ihre Seele verkaufen. Trotzdem ist dieses kleine Detail das Tüpfelchen auf dem i. Es war eine von „unseren“ Raketen, eine deren Antrieb Alexander und ich verbessert haben, um ihre Reichweiter und Zielgenauigkeit zu erhöhen. Es war unser Perfektionismus der dafür sorgte, dass die Waffe ihren Dienst wie vorgehen verrichtete – es war unsere Schuld.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Aber das ist der Job. Wäre ich bei der Armee geblieben, würde ich in deren Programm nichts anderes tun, als ich es jetzt bei Dick tue. Der einzige Unterschied ist, dass Dick an denjenigen verkauft, der das meiste Geld bezahlt, während das Militär für sich selbst arbeitet. Dieser Unterschied mag zwar groß erscheinen, doch letztlich spielt er nur eine untergeordnete Rolle, denn Starrick hatte Recht:[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich bin sicher, sie schaffen noch ein paar Cartwrights.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich hasse ihn für diese Worte, doch er hätte nicht besser ins Schwarze treffen können. Calvin und Logan waren nur zwei Gesichter, die ich eben kannte. Zwei, deren Schicksal mir ganz besonders nahe geht. Mit dem Vertrag den ich unterschrieben habe, habe ich aber auch gleichzeitig das Todesurteil für viele andere Männer und Frauen unterzeichnet. Ihr Tod ist für die nächsten Jahre mein Geschäft. Je effizienter, desto besser.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mir war klar, worauf ich mich einlasse, als ich zugestimmt habe, Owen diesen Vertrag aushandeln zu lassen, doch als ich diese Gewissheit jetzt in meinen Kopf lasse, wird mir schlecht. Ein Geständnis, Schuld an Rawlinsons Tod gewesen zu sein, hätte es verhindert.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Doch es hätte Calvin und mich nicht wieder lebendig gemacht. Hör auf in Selbstmitleid zu versinken Arn. Wir sind Soldaten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Logan ich kann nicht…[/JUSTIFY]

[JUSTIFY] [/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Hey, Arn. Muss ich dich wirklich daran erinnern? ‚Difficulties are just things to overcome, after all.’ Hast du denn wirklich schon genug?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Plötzlich kriege ich wieder Luft. Das klamme Gefühl um meinen Brustkorb verschwindet mit jedem weiteren tiefen Atemzug. Die Trauer ist noch da, doch Logans Worte in meinem Kopf haben etwas in mir berührt, das mir Zuversicht zurückgibt. Er hat recht: Wir sind Soldaten. Ja, mein Leben wird die nächsten fünf Jahre davon bestimmt sein, Waffen zu konstruieren, die Menschenleben kosten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich war nie Pazifist. Ich glaube zwar auch nicht daran, dass Krieg die einzige Lösung ist, aber ich bin bereit ihn zu führen, wenn es darum geht, das was mir lieb und teuer ist zu verteidigen. Calvin und Logan haben es getan und dabei ihr Leben gelassen. Wenn ich jetzt den Schwanz einziehe, fühle ich mich, als würde ich ihr Andenken verraten.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Difficulties are just things to overcome, after all.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich bin nicht allein. Ich werde meinen Weg finden. Was ich in jener Nacht auf dem Boot getan habe, würde ich wieder tun und meine Angst und Trauer ändern nichts daran.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Vor mir sehe ich Starricks tiefblaue Augen und seinen drängenden Blick.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich gebe ihnen hier eine Chance, ein wenig Menschlichkeit zu zeigen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Nein.[/JUSTIFY][JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]„Svensson!“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich fahre hoch, als mich jemand so plötzlich und harsch anfährt. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich eingeschlafen bin. Draußen ist es bereits tiefste Nacht und in der Zelle ist es dunkel bis auf das Licht, das vom Gang herein fällt. Ich höre einen dumpfen Schlag, ein unterdrücktes Keuchen, dann wüste russische Flüche.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Behände springe ich vom Bett und sehe, dass die Zellentür bereits weit offen steht. Draußen kämpfen zwei Wachmänner gegen einen tobenden Alexej, der sich gegen die beiden Männer verdächtig gut behaupten kann. Gerade hat er dem einen die Füße weggetreten und dafür gesorgt, dass der junge und etwas unerfahrene Beamte der Länge nach auf den Boden schlägt. Sein Kollege sieht sich etwas auf verlorenem Posten und hat mich wohl deswegen gerufen. Ich weiß nicht so genau was er sich davon verspricht, immerhin könnte ich jetzt auch einfach durch die Tür spazieren und ihn k.o. schlagen. Ich würde zwar nicht weit kommen, aber ich gebe zu, dass das in meiner aktuellen Stimmung sehr befriedigend wäre.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Während der eine Beamte auf dem Boden für den Moment ausgeknockt ist, hat sich der andere jetzt mit einem Schlagstock bewaffnet, als Alexej sich zu ihm umdreht. Jetzt sehe ich auch zum ersten Mal sein Gesicht und reiße erschrocken die Augen auf. Alexejs Auge färbt sich blau und ist etwas geschwollen, an seinen Lippen und seiner Nase klebt getrocknetes Blut. Das stammt definitiv nicht von dieser Auseinandersetzung. Entschieden schreite ich ein, trete aus der Zelle und ignoriere den wütenden Beamten, der mich anschreit wieder nach drinnen zu gehen. Ich stelle mich zwischen Alexej und die Wache, versuche den Russen zu beruhigen. Er kommt auf mich zu, Schultern und Arme angespannt, weil er nach wie vor versucht die Handschellen mit roher Gewalt zu sprengen. So wie die Adern an seinem Hals hervortreten, geben die Dinger entweder bald nach, oder ihn trifft mitten im Gang der Schlag.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Zunächst trifft es erstmal mich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]In gewisser Weise bin ich selbst schuld, immerhin habe ich mich zwischen den russischen Bär und seine Beute gestellt. Alexej verpasst mir eine heftige Kopfnuss, mit der ich wirklich nicht gerechnet habe. Mein Nasenbein protestiert, fühlt sich aber nicht so an, als sei es gebrochen. Trotzdem taumele ich nach hinten gegen den Beamten, der immer noch hinter mir steht. Dank ihm falle ich nicht rückwärts um, sondern schaffe es das Gleichgewicht wieder zu finden. Alexejs Wut richtet sich jetzt offenbar auch auf mich und unter anderen Umständen hätte ich versucht, dem aus dem Weg zu gehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Nicht heute. Nicht jetzt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Als der Russe erneut ansetzt mich fluchend vor sich her zu treiben, hole ich aus und verpasse ihm einen gezielten rechten Haken. Alexejs Kopf ruckt herum, seine Lippe platzt unter meinem Handrücken erneut auf. Dann trifft ihn der Schlagstock des jungen Wachmanns im Nacken und er klappt endlich wie ein Kartenhaus zusammen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mein Blick fliegt zu dem Kerl, der mir jetzt, da Alexej zwischen uns am Boden liegt, gegenüber steht. Er hat den Schlagstock erneut drohend erhoben und scheint drauf und dran, sich auf mich zu stürzen, doch ich hebe bereits abwehrend die Hände. So sehr ich mich auch prügeln will, und so reizvoll es auch sein mag, meine Nahkampffähigkeiten an den beiden bewaffneten Kerlen zu prüfen, so ungern will ich mich den Konsequenzen aussetzen. Ich will mich zu Alexej hinunter beugen, der nach wie vor bewusstlos ist, doch der Wachmann hinter mir stößt mich zur Seite. „Zurück in die Zelle Svensson. Sehen sie zu, dass das Bett frei ist.“ Perplex starre ich ihn an. „Sie können ihn doch nicht einfach wieder in die Zelle stecken, der muss zu einem Arzt!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Mein Einwand wird ignoriert, stattdessen zerren die beiden Männer Alexej unsanft nach oben, der wie ein nasser Sack zwischen ihnen hängt. Ich gehe vor und werfe ein paar Sachen achtlos von Alexejs Bett auf den Boden, so dass sie ihn darauf ablegen können.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Dann verlassen die beiden Männer die Zelle und schließen ab.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Hey!“ Ich hämmere von Innen gegen die Tür. „Und die Handfesseln?!“ Alexej trägt sie noch immer, liegt auf der Seite, die Hände hinter dem Rücken fixiert. Der Beamte zuckt nur nachlässig mit den Schultern. „Ich bin sicher, sie halten ihm gern den Schwanz zum pissen.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Schade, dass das Glas des Fensters bruchsicher ist. Trotzdem schlage ich zu, einfach aus Wut und Ohnmacht heraus. Der Wachmann springt zurück, als das Glas im Rahmen zumindest ordentlich knackt. „Wichser!“ fauche ich dagegen, kann aber nicht verhindern, dass sie einfach gehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY] [/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Auf dem Bett stöhnt Alexej, der langsam wieder zu sich kommt. Ich drehe mich um und lasse ihn vorerst einfach liegen, gehe stattdessen zu der Waschnische und greife mir zwei Handtücher, mache sie nass und komme damit zu Alexej zurück. Der ist noch nicht wieder richtig bei sich, doch so habe ich immerhin die Möglichkeit, mich um seine Wunden zu kümmern. Sein Gesicht verzerrt sich reflexartig vor Schmerz und er versucht mich wegzustoßen, was mit seinen gefesselten Händen nicht geht. „Jetzt halt verdammt noch mal still du Idiot“, knurre ich ihn ungehalten an und ernte dafür weitere russische Flüche, die ich nicht verstehe. Ist vermutlich auch besser so.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Es gelingt mir, Alexejs Gesicht von getrocknetem und frischem Blut zu reinigen und vorsichtig zu prüfen, ob etwas gebrochen ist. Bei der Nase bin ich mir nicht sicher, der Rest fühlt sich unversehrt, wenn auch geschwollen an. Ich stehe wieder auf um die Tücher auszuwaschen, dann gehe ich zum Schrank hinüber. Meine Gerichtsunterlagen sind mit einer Büroklammer zusammengesteckt, die man mir nicht abgenommen hat. Ich ziehe sie ab und biege sie auseinander, während ich zum Bett zurückgehe. Alexej knurrt als ich mich nähere. „Deinetwegen konnte ich dem Arschloch nicht die Abreibung verpassen, die er verdient hat“, beschwert er sich. Ungerührt zerre ich ihn an der Schulter herum auf den Bauch und bringe ihn damit zu einem erneuten wütenden Aufschrei, weil er jetzt sein Gesicht vor der eigenen Matratze in Sicherheit bringen muss. Um zu verhindern, dass er sich direkt auf mich stürzt, stemme ich ein Knie in seine Seite. Er stöhnt leise. „Also doch ein echter Soldat“, stellt er resignierend fest.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich habe nie etwas anderes behauptet“, gebe ich zurück und mache mich an den Handschellen zu schaffen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Im Dunkeln brauche ich etwas, um sie zu knacken, doch schließlich gibt der Mechanismus nach. Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinbekommen würde. Als sie aufspringen zischt Alexej und ich sehe die Blutergüsse an seinen Handgelenken, die von seinen Befreiungsversuchen herrühren. Er entreißt mir die zweite Hand, auch wenn die Kette noch immer daran baumelt und stößt mich mit der jetzt freien Hand vom Bett. Ich gebe ihn frei, die Büroklammer noch immer in der Hand. Einem Reflex folgend, stecke ich den Draht in den Mund, während Alexej sich mühsam aufrichtet und seine Handgelenke massiert, die Handschelle noch immer an seinem Arm baumelnd.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich bin mir nicht sicher, mit welcher Reaktion ich zu rechnen habe, beobachte ihn deswegen sehr genau. Alexej setzt sich auf den Rand des Bettes, betastet dann vorsichtig selbst sein Gesicht. Er zischt leise, doch er scheint zum gleichen Ergebnis zu kommen wie ich. Schließlich sieht er auf, verengt die Augen, während er mich mustert. „Gib mir den Draht.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Meine Zunge schiebt die Büroklammer in die Wange und ich verschränke die Arme vor der Brust.[/JUSTIFY][JUSTIFY]Behände kommt Alexej auf die Füße und steht nur einen Herzschlag später vor mir, so nah, dass sich unsere Körper berühren. Ich weiche nicht zurück, nicht nur weil ich die Wand im Rücken habe, sondern auch, weil ich keine Angst vor ihm habe. Er mag andere mit derlei Verhalten einschüchtern können – mich nicht. Das ich etwas größer bin, hilft dabei ungemein. Sein Griff um meinen Kiefer ist unangenehm fest, doch er führt zu keinem Ergebnis. Unverrichteter Dinge lässt er mich wieder los und atmet langsam ein und aus. Ich spüre, wie die Spannung etwas aus seinem Körper weicht. „Was ist passiert? Wo bist du gewesen?“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Alexej schnaubt leise und leckt sich über die aufgeplatzte Lippe. „Dein Staatsanwalt ist passiert.“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Ich starre ihn an, ungläubig und perplex. Alexej nutzt die Chance und hebt die Hand wieder, drückt seine Finger so unbarmherzig auf meinen Kiefermuskel, dass ich keine andere Chance habe als den Mund zu öffnen. Er angelt die Büroklammer aus meiner Wange und muss damit leben, dass ich ihm schmerzhaft in den Finger beiße, als er meinen Kiefer früher loslässt als er seine Hand zurückziehen kann.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY][/JUSTIFY][JUSTIFY]„Au!“ muckiert er sich leise und wedelt mit der Hand auf und ab, ehe er sich abwendet, um mehr Licht von der Zellentür zu bekommen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Was soll das heißen, mein Staatsanwalt? Starrick hat dich so zugerichtet?“ Ich löse mich von der Wand und packe die Handschelle an der Seite, an der sie bereits geöffnet ist. Alexej will den Arm zurückziehen, doch nach kurzem Gerangel gibt er nach und händigt mir den Draht wieder aus. „Nein.. nicht Starrick. Das waren meine Leute.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich muss ziemlich verwirrt aussehen, denn Alexej fühlt sich gezwungen, sich zu erklären. „Ich bin direkt nach dem Duschen abgeholt worden und in einem dieser Verhörzimmer gelandet. Ich dachte, ich bekomme Besuch von meinem Anwalt, der mir sagt, wann ich hier endlich verschwinden kann. Ich war recht überrascht, deinen blauäugigen Staatsanwalt da zu sehen. Er hat sich nicht lang mit Formalitäten aufgehalten. Wenn ich morgen gegen dich aussage, bin ich raus hier.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Handfessel löst sich und Alexej zieht die Hand zurück. Ich bin seltsam ruhig, als ich aufsehe und Alexejs Gesicht mustere. „Und, wirst du aussagen?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Alexej leckt sich erneut über die Lippe. „Das kommt darauf an.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Worauf?“[/JUSTIFY][JUSTIFY]Alexej antwortet nicht, zieht stattdessen den Overall ganz auf und hakt den Daumen in den Bund seiner Shorts. Eine eindeutige Geste. Obwohl ich beinahe damit gerechnet habe, wird mir anders. Sein Blick liegt prüfend auf mir und unwillkürlich kommen mir Owens Worte in den Sinn.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der Kerl ist nicht ohne Arn. – Ja Owen. Danke für den Hinweis.[/JUSTIFY]


Nachwort zu diesem Kapitel:
*Warteraum: ein Zimmer, in dem Soldaten vor dem Einsatz auf den Befehl zum Abrücken warten. Sie wissen dabei den genauen Zeitpunkt nicht. So will man zu schmerzliche Abschiede vermeiden. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2019-02-01T17:34:03+00:00 01.02.2019 18:34
Whoa, whoa, whoa! That escalated quickly! - aber war das wirklich Starrick? Ahh, ich habe da irgendwie meine Zweifel :D Deine Geschichte ist einfach so verflucht gut - meine Herren, ich bin echt Feuer und Flamme hier! Habe ich eigentlich schon mal erwähnt, was für einen angenehmen Schreibstil zu hast? *_* Es macht so Spaß, deine Geschichte zu lesen!
Antwort von:  Coventina
01.02.2019 18:36
Wie ich hier sitze und mich schon drauf freue, wenn das neue ENS Symbol aufploppt und ich einen neuen Kommi zu lesen habe <3 XD XD
Du versüßt mir den Tag (und das neue Kapi, das gerade in der Mache ist ;))
Antwort von: abgemeldet
01.02.2019 18:47
Naww, nichts lieber als das! :D Ich habe ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil ich dich so zuspamme, aber ich muss dir einfach immer wieder sagen, wie begeistert ich bin *_*
Antwort von:  Coventina
01.02.2019 18:52
Kommentare sind die beste Motivation zum schreiben *.*
Von:  Gmork
2018-03-22T07:56:00+00:00 22.03.2018 08:56
Ich hab hier noch nie was geschrieben, aber ich muss jetzt einfach mal loswerden, dass ich deine Geschichte unglaublich gern habe.
Logans Verlust ist gravierend und Svenssons Trauer zieht sich durch jedes Kapitel, mal unterschwellig, mal wie ein toSender Sturm. Dieses Kapitel tat richtig weh beim Lesen.
Alexej ist schwer einzuschätzen. Ich glaube er ist nicht auf Svenssons Seite.
Weiter so. Bin sehr gespannt was noch so passiert.
Antwort von:  Coventina
22.03.2018 11:03
Heya :)
Schön, dass die Geschichte dich dazu motiviert, mir einen Kommi dazulassen :D das freut mich!
Ja, Logans Verlust ist für Arn sehr schwer zu verkraften. Er hatte eben auch noch gar keine Möglichkeit außerhalb des Gefängnisses damit umzugehen, in so fern zieht sich diese Schwebephase für ihn ziemlich lange hin.
Alexej ist sehr speziell, da stimme ich zu ;)
Freue mich, dass du mitliest. Bis zum nächsten Mal :D


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