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Von der Kunst, richtig zu sein

von

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Kapitel 59

    "Wir kommen runter!" Die fröhliche Stimme des kleinen Mädchens, war durch die Sprechanlage nur leicht verzerrt. Kurz darauf ging die Tür bereits auf und Hana sprang förmlich auf sie zu, eindeutig glücklich, ihren Lieblingsonkel endlich wieder zu sehen.

    Shinji strich ihr kurz zur Begrüßung über den Kopf, wandte sich dann aber an Lily: "Sorry für die Verspätung. Ich hab verpennt." Das war gelogen, aber traf auf 99 Prozent aller seiner Verspätungen zu und er wollte nicht, dass sie dachte, dass es mit Nate Probleme gab. Schließlich war dieses Treffen dafür da, dass sich die beiden wieder näher kamen, da konnte Lily nicht noch mehr Ärger gebrauchen.

    Er sah kurz wieder nach unten, als eine kleine Hand seine nahm. Hana hatte auch Nates Hand ergriffen, was ein Bild ergab, das seinen Magen sich kurz schmerzhaft zusammen ziehen ließ. Aber er wollte Hana nicht in seine Probleme mit hinein ziehen, deshalb nahm er sich zusammen, und ignorierte das einfach. Als auch Nate ihr grüßend durch die Haare strich, lachte sie vergnügt auf und zog sie beide schon einmal Richtung Auto. Lily hatte nur kurz schief zur Begrüßung gelächelt. Das war ja schon ein prima Anfang.

    "Ihr beide sitzt hinten bei mir!", konstatierte sie sofort, doch Nate lehnte sich sacht lächelnd zu ihr herunter: "Lass mich vorne neben deiner Mama sitzen, damit ich sie ein bisschen ärgern kann."

    Das klang so sehr nach Nate, dass die Kleine das schluckte, wenn auch nicht ganz ohne Protest. Dafür nahm sie jetzt beide Hände von Shinji und zog ihn zu den Rücksitzen, als hätte sie angst, dass auch er sich nach vorne setzen würde.

    

    Die Stimmung vorne im Auto war angespannt, während Hana Shinji auf der Rückbank begeistert davon erzählte, was sie gemalt hatte, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten.

    "Ich bin echt hungrig", hörte er Nate sagen. Shinji war froh, dass der das Gespräch begann. So verkrampft, wie Lily das Lenkrad festhielt, würde die keinen Ton raus bringen. "Gehst du oft in diese Pizzeria?"

    "Ich koche lieber selbst, als auswärts essen zu gehen. Man weiß nie, was in fremdem Essen so drin ist."

    Sie stockte kurz und sprach dann etwas schneller weiter: "Aber manchmal ist das schon in Ordnung. Es gehört ja auch sehr stark zu unserer Kultur und auch wenn ich sehr darauf achte, was Hana und ich essen, will ich ihr solche Erfahrungen auch nicht vorenthalten. Es kommt eben immer darauf an, das Maß zu halten und mit der Pizzeria habe ich ganz gute Erfahrungen gemacht. Also ja… ich bin da öfter mal."

    Nate schwieg dazu, was dazu führte, dass Lily nervös das Lenkrad förmlich knetete. Die Arme. Offensichtlich wollte sie das richtig machen, wusste aber nicht wie. Und Nate konnte mit der Situation auch nicht viel anfangen. Aber Shinji konnte da auch nicht helfen, zumal er sich wirklich konzentrieren musste, Hana weiter nebenbei zuzuhören.

    "Bist wohl ne Gesundheitsfanatikerin, was?", fragte Nate dann schließlich, sein Unterton klang leicht neckend.

    Lily lachte gequält: "Ja… kann man so sagen. Es sind einfach so viele Giftstoffe in Essen heutzutage."

    "Lily", sprach Nate ruhig, aber ermahnend. Er wandte sich ihr zu. "Du kannst dich ruhig locker machen. Das soll kein Verhör sein. Wenn es irgendetwas gibt, das du mir sagen möchtest, dann sag es mir. Nur bitte hör auf damit, in meiner Gegenwart so vorsichtig zu sein. Das ist echt anstrengend."

    Es war wieder eine Weile still, während die Fahrerin immer kleiner zu werden schien: "Ich weiß. Und glaub mir, das ist nicht nur für dich anstrengend…"

    Aber wenigstens redeten die beiden miteinander. Noch nicht so, wie sie sollten, aber immerhin. Das war schon ein großer Fortschritt.

    "Wie läuft es mit dir und Shinji? Hast du dich wieder etwas eingewöhnen können?"

    "Ja, überraschenderweise schneller als gedacht. Er hat ein Händchen dafür, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu sagen. Und er kann unglaublich hartnäckig sein."

    Die Worte und der sanfte Tonfall ließen Shinji ganz warm werden. Er hätte ihm widersprochen, wenn es nicht das Gespräch unterbrochen hätte. So viel hatte er nicht gemacht. Das war hauptsächlich die Chemie gewesen, die zwischen ihnen beiden einfach stimmte. Der Rest war wahrscheinlich mehr Glück, als wirklich Können.

    "Aber durch ihn fühle ich mich wieder annähernd normal."

    "Das freut mich zu hören. Es wäre traurig gewesen, wenn ihr euch verloren hättet. Sowohl für Shinji als auch für dich. Bevor du ihn wieder getroffen hast, hattest du nur One Night Stands und bist nie wirklich zur Ruhe gekommen."

    Darüber hatten sie noch gar nicht geredet. Mussten sie darüber reden? Nate hatte nicht so gewirkt, als würde ihm irgendetwas fehlen, aber das war etwas, was er im Auge behalten sollte. Nur für den Fall, auch wenn er nicht daran glaubte, dass es ein Problem werden könnte.

    "Wie geht es dir denn?", fragte Lily weiter. "Ab Montag hat Shinji keinen Urlaub mehr. Wenn du Beschäftigung brauchst, hätte ich die ein oder andere Aufgabe für dich. Normalerweise bist du immer sehr unruhig, wenn du nicht drüben bist."

    Das klang doch gut. Das lief besser als erwartet. Lily schien sich endlich etwas zu entspannen.

    "Momentan habe ich Shinji 24 Stunden lang um mich herum. Ich denke, es geht mir gut."

    Er konnte nicht anders, als darüber zu lächeln. Er war froh zu hören, dass seine Anwesenheit zu Nates Wohlbefinden beitrug. Gerade nach heute, war er glücklich das zu hören.

    "Aber was hättest du für Aufgaben?"

    Lily warf Nate einen kurzen Blick zu und zuckte dann die Schultern. Shinji konnte den Anflug eines Lächelns erkennen. "Ich bin alleinerziehende Mutter, ich kann immer Hilfe gebrauchen. Ich bräuchte zum Beispiel ab und an jemanden, der auf Hana aufpasst und du hast das letzte Mal, als du weg bist, nicht alle Arbeiten in der Wohnung geschafft. Ich denke ich würde dich sicherlich noch die ein oder andere Woche beschäftigt bekommen."

    "Du kannst dich gerne melden, wenn du was brauchst."

    Sie warf Nate noch einmal einen Blick zu, nachdem sie eingeparkt hatte: "Oder vielleicht kann ich dir helfen, einen Job zu finden? Was… normaleres?" In ihrer Stimme lag mehr Hoffnung, als sie wahrscheinlich beabsichtigt hatte und auch Shinji hielt etwas den Atem an. Wirklich darüber gesprochen hatten sie noch nicht.

    "Einen normalen Job? Ich weiß nicht einmal, ob ich für irgendeinen anderen Job qualifiziert wäre. Im Moment bin ich es nicht einmal für meinen."

    Die wegwerfende Handbewegung die folgte, war wohl das eindeutige Zeichen, dass Nate sich im Moment noch nicht darum kümmern wollte - oder konnte. Schließlich hatte er Recht. Gerade war er wahrscheinlich für nichts qualifiziert, für das man auch nur einen Schulabschluss brauchte. Oder einen Führerschein. Und sein Bein schränkte ihn in seinen Bewegungen ein. Shinji seufzte innerlich, als das einzige, was ihm für Nate einfiel, ein leichter Bürojob oder Kassierer einfiel. Und bei beidem würde sein Partner wahnsinnig werden.

    Aber das war im Moment wirklich nicht wichtig. Viel wichtiger war, dass Lily endlich begonnen hatte, mit Nate zu reden und nicht vorsichtig um jedes eventuell gefährliche Thema herum schlich. Das war ein großer Fortschritt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Onlyknow3
2020-12-19T13:52:14+00:00 19.12.2020 14:52
Auch ein Schritt der zur weiteren Entspannung von Nate führt, so das er sich ganz auf was anderes Konzentrieren kann als auf sein verlorenes Gedächtnis. Das macht es diesem leichter sich zu erholen, und wieder freude am Alltag zu finden wenn auch noch eingeschränkt in Körperlichen Dingen wie dem weiten gehen.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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