Zum Inhalt der Seite

For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So... endlich gibt es ein paar lang erwartete Offenbarungen, sowie neue Rätsel und eine Riesenportion Fluff. ;) Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Cullen

Sie erreichten die Himmelsfeste zwei Tage später.

Dorian war den Großteil der Strecke über still und in sich gekehrt gewesen, und hatte nur gesprochen, wenn Cullen ihn etwas gefragt hatte. Nach dem, was in Redcliffe vorgefallen war, konnte der andere es ihm allerdings nicht verdenken.

Sie sattelten die Pferde ab und übergaben sie in Dennetts Obhut, bevor sich ihre Wege trennten und sie sich zu ihren jeweiligen Quartieren begaben, um sich nach der langen Reise auszuruhen.

Cullen spielte für einen Augenblick mit dem Gedanken, Dorian Gesellschaft zu leisten, doch er spürte, dass der andere Mann allein sein wollte – wenigstens für eine Weile – und so nickte er ihm nur zu, bevor er sich auf den Weg zu seinem Turm machte.

Auf seinem Schreibtisch hatten sich während seiner Abwesenheit Berge von Briefen angehäuft, was Cullen wenig überraschte. Er teilte seinen Sekretären mit, dass er sich für ein paar Stunden ausruhen würde, und danach unverzüglich damit beginnen würde, den Stapel abzuarbeiten. Die jungen Leute, denen die Erschöpfung deutlich anzusehen war, nickten dankbar, als Cullen sie wenig später entließ, damit sie sich für den Rest des Tages erholen konnte.

Nachdem er seine Rüstung abgelegt hatte und die Leiter zu seinem Zimmer hinaufgeklettert war, ließ Cullen sich schwerfällig auf seinem Bett nieder. Obwohl ihn die Erschöpfung fast übermannte, kamen seine Gedanken doch nicht zur Ruhe, und so saß er schweigend auf der Bettkante und starrte ins Nichts.

Dorian hatte keinen Seelennamen.

Was er auch tat, seine Gedanken kehrten immer wieder zu dieser Tatsache zurück.

Sein Seelenpartner trug keinen Seelennamen. Darum hatte Dorian ihn also nicht erkannt, als Cullen ihm damals seinen Namen genannt hatte. Er hatte schlichtweg noch nie von ihm gehört.

Cullen kannte nur einen einzigen Fall, in dem ein Mensch ohne Seelenname geboren worden war, und dieser Fall war in vielerlei Hinsicht eine besondere Ausnahme gewesen. Es war schier unmöglich, dass Dorian ein ähnliches Schicksal erwarten würde... oder doch? War es eine einzigartige Laune der Natur, dass er keinen Namen hatte, oder steckte womöglich mehr dahinter...?

Seufzend ließ sich Cullen schließlich rückwärts auf die Matratze sinken. Ein leichter, aber hartnäckiger Schmerz pochte in seinen Schläfen und machte es immer schwerer, einen klaren Gedanken zu fassen. Unbeholfen streifte er seine Stiefel ab, bevor er unter seine Decke kroch, und wenig später fiel er in einen tiefen und traumlosen Schlaf.

 

Als Cullen die Augen wieder öffnete, hatte bereits die Abenddämmerung eingesetzt.

Müde schlug er die Decke zurück; trotz des Schlafs fühlte er sich nur wenig besser, als wenige Stunden zuvor. Doch er konnte seine Pflichten nicht länger aufschieben, und so wusch er sich kurz mit dem lauwarmen Wasser, das einer der Bediensteten in einer Schale für ihn bereitgestellt hatte, bevor er ein frisches Hemd überstreifte und die Leiter hinunterkletterte, um sich an die Arbeit zu machen.

Zu seiner Überraschung öffnete sich wenig später die Tür und seine Sekretäre traten schweigend ein, um ihn zu unterstützen. Sie wirkten deutlich ausgeruhter, als zuvor, und Cullen entnahm ihren entschlossenen Mienen, dass es keinen Zweck haben würde, sie wieder wegzuschicken. Gerührt von ihrer Loyalität bedeutete er ihnen, sich zu ihm an den Schreibtisch zu setzen. Die junge Frau und ihr Kollege nickten, dann nahmen sie neben ihm Platz und begannen ihre Arbeit.

Es war tiefste Nacht, als Cullen schließlich den letzten Brief zur Seite legte – die Bitte eines orlaisianischen Adligen um militärische Unterstützung beim Kampf gegen einen Oger, der seine Ländereien verwüstet hatte. Josephine würde über die Höhe der Summe erfreut sein, die der verzweifelte Mann der Inquisition im Gegenzug für ihre Hilfe bot. Es war teuer, eine Armee zu unterhalten, und sie konnten das Geld gut gebrauchen.

Cullen bedankte sich bei seinen Mitarbeitern für ihre Hilfe und wartete einen Moment, bis sie sich zurückgezogen hatten. Dann löschte er sämtliche Kerzen in seinem Arbeitszimmer und trat auf den unbeleuchteten Wehrgang hinaus.

Der Seelenname hatte ihm in den letzten Stunden keine Ruhe gelassen, und durch das Band konnte er spüren, dass Dorian ebenso rastlos war, wie er. Zügigen Schrittes durchquerte er die nächtliche Festung, bis er schließlich an der Tür von Dorians Zimmer stand.

„Herein“, hörte er die leise Stimme des anderen Mannes, bevor er auch nur die Hand heben konnte, um anzuklopfen. Dorian hatte ihn erwartet.

Er legte die Finger auf die Klinke und atmete tief durch, dann trat er ein.

„Ich wusste, dass Ihr kommen würdet“, sagte Dorian mit schwachem Lächeln. Er stand am Fenster, die Arme in defensiver Haltung vor der Brust verschränkt. „Ich meine, wie könntet Ihr nicht, nach dem, was Ihr gehört habt...“

Cullen ließ es sich nicht anmerken, aber die formelle Anrede traf ihn mehr, als er erwartet hätte. Er dachte, sie wären endlich über diesen Punkt hinausgekommen.

„Dorian...“, entgegnete er leise und zögerte für einen Augenblick. Doch dann traf er eine Entscheidung, und entschlossen trat er auf den anderen Mann zu und zog ihn in seine Arme. Dorian war für einen Moment vor Überraschung wie erstarrt, doch dann seufzte er und ließ sich gegen Cullen sinken.

„Du hast Recht“, fuhr Cullen leise fort. „Wie könnte ich dich im Stich lassen nach dem, was ich erfahren habe...?“

„Cullen“, murmelte Dorian an seiner Schulter. „Ich dachte, du würdest kommen, um mir zu sagen, dass diese Sache zwischen uns keine Zukunft hat...“

„Oh, Dorian.“ Cullen wandte das Gesicht und küsste den anderen auf die Schläfe. „Wie könnte ich dir das antun? Du bist mein Freund.“

Dass das die falschen Worte waren, spürte Cullen einen Moment später, als Dorian versuchte, sich wieder zurückzuziehen.

„Nein, warte“, sprach er schnell. „Bitte lass mich erklären!“

Dorian gab keine Antwort, doch er versuchte auch nicht länger, Abstand zu gewinnen.

Gut.

„Was auch immer passieren wird, und wie weit und wie lange auch immer wir gemeinsam diesen Weg gehen wollen“, fuhr Cullen fort, „du bist in erster Linie mein Freund, Dorian. Ich genieße die Unterhaltungen mit dir, und die Zeit, die wir zusammen verbringen. Dein Wohlergehen liegt mir ebenso am Herzen, wie deine Sorgen und Ängste. Doch das bedeutet nicht...“

Er löste sich vorsichtig von Dorian und sah in die sturmgrauen Augen, die seinen Blick aufmerksam und voller Hoffnung erwiderten.

„... das bedeutet nicht, dass ich über reine Freundschaft hinaus nichts für dich empfinde“, sagte Cullen leise. „Denn ich empfinde mehr für dich, als ich mit Worten auszudrücken vermag.“

Dorians Augen weiteten sich leicht.

Er öffnete mehrmals den Mund, als wollte er etwas sagen, doch er brachte keinen Ton heraus.

Cullen nahm mit einem kleinen Lächeln sein Gesicht in die Hände und presste einen sanften Kuss auf seine Lippen. Dann ließ er wieder von ihm ab und setzte sich auf das Bett, wobei er Dorian mit einer Geste aufforderte, ihm Gesellschaft zu leisten.

Der andere blinzelte wie benommen, bevor er schließlich der Einladung folgte und sich zu ihm setzte.

Für eine Weile sprach keiner von ihnen ein Wort, dann streckte Cullen vorsichtig die Hand aus und legte sie auf Dorians Unterarm.

„Darf ich...?“, fragte er leise.

Dorian zögerte kurz, dann hielt er ihm sein Handgelenk hin.

Vorsichtig öffnete Cullen die goldenen Schnallen des Lederbandes und entblößte Stück für Stück die Haut darunter.

Sie war ein wenig blasser, als der Rest von Dorians sonnengebräuntem Körper, und ohne Makel.

Cullen fuhr mit dem Daumen über die glatte Haut, und er hörte Dorian bei der sanften Berührung leise den Atem einziehen.

„Unglaublich“, murmelte Cullen.

Dorian lachte auf.

„Ich glaube nicht, dass ich dieses Wort schon mal im Zusammenhang mit dem Fehlen meines Seelennamens gehört habe“, sagte er.

Cullen sah ihn fragend an. „Wieso nicht?“

Dorian senkte den Blick.

„Die frühesten Bemerkungen, an die ich mich noch erinnern kann, lauten ‚fehlerhaft‘, ‚unvollkommen‘ und ‚verflucht‘“, entgegnete er. „Es wird dich vermutlich nicht verwundern zu hören, dass mein Vater mir in den ersten Jahren meines Lebens kaum Beachtung geschenkt hat und nur das Wort an mich gerichtet hat, wenn es absolut unvermeidbar war. Ansonsten war ich für ihn ebenso unsichtbar, wie die Sklaven in unserem Haus.“

Obwohl Cullen darüber tatsächlich nicht sehr überrascht war, spürte er doch für einen Augenblick, wie die Wut in ihm hochkochte, und er musste sich zwingen, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen.

„Es wurde besser, als ich begann, ein Talent für Magie zu zeigen“, fuhr Dorian fort. „Von da an betrachtete er meinen ‚Makel‘ als Omen und war davon überzeugt, dass ich dazu bestimmt war, der nächste Archon zu werden.“

Er schüttelte den Kopf. „Als wäre es ihm jemals um etwas anderes gegangen, als sein Ansehen und das unserer Familie zu stärken.“

„Und die Linie aufrechtzuerhalten“, vermutete Cullen.

„Ja.“ In Dorians Stimme schwang Bitterkeit mit. „Sein Wunsch, dass ich einen Erben in die Welt setzte, wurde irgendwann zur Besessenheit. Doch je mehr er mich drängte, desto mehr distanzierte ich mich von ihm. Ich begann zu trinken und das Erbe meiner Familie zu verprassen. Ich erinnere mich daran, wie ich eine Zeit lang von einem Hurenhaus zum nächsten zog und jeden Mann mit in mein Bett nahm, der mich haben wollte.“

Cullens Fingernägel bohrten sich bei diesen Worten schmerzhaft in das weiche Fleisch seines Handtellers, und er musste sich zwingen, seine Finger wieder zu entspannen.

„Mein Vater betrachtete mein Verhalten als Ausdruck meines Ungehorsams. Er dachte, ich würde bevorzugt Männer wählen, um meine Verachtung für die Frau zu zeigen, die er für mich auserkoren hatte. Er begriff nicht, dass ich Männer wählte, weil ich mit Frauen im Bett nichts anzufangen wusste. Bis zum Ende war er davon überzeugt, dass ich es nur deshalb tat, um keinen Erben zu zeugen... das hat unser Treffen in Redcliffe nur zu deutlich bewiesen.“

„Er betrachtete deine Bevorzugung für Männer als Akt der Rebellion“, sagte Cullen leise, „und nicht als Präferenz. Darum versuchte er auch nicht, dich zu verändern, sondern dich durch einen Seelennamen an deine Pflichten zu erinnern.“

„Ja.“

Dorian schwieg für einen Moment.

Cullen griff zaghaft nach seiner Hand und drückte sie, um ihn spüren zu lassen, dass er für ihn da war. Der andere drehte ihm das Gesicht zu und schenkte ihm ein schwaches, aber dankbares Lächeln.

Schließlich fuhr Dorian fort:

„Ich weiß nicht, ob ich es als Verlust oder als Segen betrachten soll, dass mein Vater mich nie wirklich gekannt hat... Der Schaden, der entstanden wäre, wenn er versucht hätte, meine Präferenzen zu ändern, wäre womöglich noch größer gewesen, als der, den er letztendlich angerichtet hat... Was auch immer er damals mit mir getan hat.“

Er legte seine Hand auf die Stelle, auf der unter seiner Weste die Narbe pulsierte, ohne Cullens Hand dabei loszulassen. Der andere Mann spürte die Wärme seiner Haut durch den Stoff hindurch und plötzlich wünschte er sich, sie ohne diese letzte Barriere zwischen ihnen berühren zu können.

Doch dies war nicht der richtige Moment dafür, und aus diesem Grund war er auch nicht hergekommen.

Er war gekommen, um Dorian Beistand zu leisten.

„Was er auch getan hat“, sagte Cullen ruhig, „es war niederträchtig und unmenschlich.“

Er sah Dorian an. „Doch trotz allem war er Familie, und ich verstehe, dass es schwer gewesen sein muss, sich von ihm loszusagen...“

„Ich bin froh, dass ich es getan habe“, entgegnete Dorian und ein harter Ausdruck lag auf seinem Gesicht. „Die Idylle jener frühen Jahre ist schon lange vorbei, und eine Heimat werde ich auch woanders finden.“

Er erwiderte Cullens Blick und seine Miene wurde weicher.

„Habe ich vielleicht sogar schon gefunden...“

Cullen spürte ein warmes Flattern in seiner Brust, doch er rührte sich nicht, sondern wartete, bis Dorian seine Zurückhaltung überwand und sich vorbeugte, um ihn zu küssen.

Und während der andere die Augen schloss und die Finger in seinen blonden Locken vergrub, wusste Cullen auf einmal mit absoluter Sicherheit, dass er alles dafür tun würde, um den Rest seines Lebens mit diesem Mann zu verbringen.

 

Sie unterhielten sich noch für eine Weile und erzählten einander von den Dingen, die sie in ihrer Kindheit erlebt hatten, und den Menschen, die ihr Leben geprägt hatten. Doch schließlich tönte das erste Gezwitscher der Vögel vom Garten zu ihnen hinauf und Cullen wusste, dass es Zeit war, zu seinem Turm zurückzukehren.

Er dankte Dorian für seine Offenheit und Geduld und stand auf. Doch bevor er sich zum Gehen wandte, ergriff er noch einmal sanft das Handgelenk des anderen und presste einen Kuss auf die blasse Haut.

Ein seltsamer Ausdruck trat bei dieser Geste in Dorians Augen, und Cullen ging, bevor einer von ihnen etwas tun konnte, wofür sie beide in diesem Moment eindeutig zu müde waren.

Doch Cullen wusste nun, was er wollte.

Und er spürte, dass die Zeit des Wartens bald vorbei war.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück