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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

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Cullen

Stille hatte sich über das Lager gesenkt.

Nachdem Solas ihnen versichert hatte, dass es vor allem Erschöpfung gewesen war, die Lavellan hatte zusammenbrechen lassen, und sie die junge Frau in das Zelt der Heiler getragen hatten, hatte sich die Menge wieder aufgelöst, und nach und nach waren die Männer und Frauen in ihre Zelte zurückgekehrt.

Auch Cullen hätte schon längst im Bett sein können, doch seine innere Anspannung ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Es war ein langer und ereignisreicher Tag gewesen, und er würde nicht abschalten können, bis er nicht wenigstens damit angefangen hatte, einige der Geschehnisse der letzten Stunden zu verarbeiten – allen voran der Verlust von Haven und seine Begegnung mit Dorian.

Ohne eine feste Heimat war die Inquisition dem Untergang geweiht. Selbst unter der Voraussetzung, dass sie Glück im Unglück hatten und Corypheus ihre Spur nicht durch das Gebirge verfolgt hatte: wohin sollten sie sich wenden? Nach Ferelden, in dem der anhaltende Krieg zwischen Templern und Magiern heftiger tobte, als in jeder anderen Nation von Thedas? Oder nach Westen, nach Orlais, das durch den Bürgerkrieg zwischen den Anhängern der Kaiserin und denen ihres Cousins Gaspard gespalten war?

Ohne Haven gab es keine neutrale Mitte mehr, und sie konnten nur hoffen, dass die Regierung des jeweiligen Landes ihre Anwesenheit tolerierte. Die Vernunft sagte Cullen, dass es vermutlich das Beste sein würde, sich nach Ferelden zu wenden. Dort würden sie zwar auf mehr Widerstand von Seiten der Bevölkerung und des Adels stoßen, doch Cullen hatte die Hoffnung, dass König Alistair, der sich damals auf seinen Reisen mit der Heldin von Ferelden in einer ähnlich misslichen Lage befunden hatte, Verständnis für ihre Not zeigte und ihnen Unterstützung gewähren würde. Den Rest würden Josephines politische Verbindungen erledigen, die sie gnadenlos zum Wohle der Inquisition nutzen würde.

Es war mit Sicherheit kein perfekter Plan, aber es war zumindest ein Plan, und sobald Cassandra und die anderen Berater wieder wach waren, würde Cullen ihnen seinen Vorschlag unterbreiten.

Während er so seinen Gedanken nachhing, ertappte er sich dabei, wie er bei seinem Rundgang durch das Lager bereits zum vierten Mal in Folge einen Abstecher zu Varrics Zelt machen wollte. Nicht, dass er keinen Grund dafür gehabt hätte – sein eigenes Zelt stand schließlich direkt daneben – doch er wusste nicht, ob sich Varric und Dorian bereits zur Ruhe gelegt hatten, und er wollte nicht riskieren, dass Dorian Verdacht schöpfte. Weshalb ihn der Gedanke beunruhigte, konnte er allerdings nicht sagen.

Cullen wusste nicht, was er von seinem Seelenpartner erwartet hatte, aber jemand wie Dorian war es mit Sicherheit nicht gewesen. Der andere Mann mochte ein Vint und ein Magier sein, doch er wurde bislang keinem der Vorurteile gerecht, die man jemandem wie ihm gegenüber gehegt hätte. In der Zeit, seitdem er ihn kennengelernt hatte, hatte Cullen den Eindruck bekommen, dass er zwar arrogant war, aber selbstlos; kritisch, aber kompromissbereit; spöttisch, aber ohne die Fähigkeit verloren zu haben, auch über sich selbst lachen zu können.

Und in den wenigen Momenten, in denen er Dorian beim Angriff auf Haven hatte kämpfen sehen, war er atemberaubend gewesen – ein Magier, der seine nicht unbeträchtlichen Fähigkeiten absolut unter Kontrolle hatte und sie mit ruhiger Sicherheit anwandte.

Sein Anblick hatte etwas in Cullen zum Klingen gebracht, von dem er nicht gewusst hatte, dass es existierte. Es hatte das völlige Ausbleiben einer Reaktion von Dorians Seite aus fast erträglich gemacht.

Aber nur fast.

Sich dem anderen in Haven mit seinem vollen Namen vorzustellen, hatte Cullen enorme Selbstüberwindung gekostet. Damit, dass Dorian nicht einmal mit der Wimper zucken würde, als er ihn hörte, hatte er nicht gerechnet. Cullen erinnerte sich an seine Unterhaltungen mit Ellana zurück und wurde das Gefühl nicht los, ein bizarres Déjà-vu zu erleben. Dorian erkannte ihn schlichtweg nicht und schien keine Ahnung zu haben, wer er war. Und dieser Umstand war kaum auszuhalten, denn seitdem Cullen Dorians Schulter berührt hatte, hatte sich das Band verfestigt, und der Drang, bei seinem Seelenpartner zu sein und ihn zu beschützen, war von Stunde zu Stunde immer stärker geworden.

Es war der Grund gewesen, weshalb Cullen ihm in das Gemeinschaftszelt gefolgt war: er hatte spüren können, dass Dorian sich dort unwohl und bedrängt gefühlt hatte. Danach war sein erster Instinkt gewesen, dem anderen einen Platz in seinem eigenen Zelt anzubieten, doch das stand außer Frage. Nicht nur wegen der Alpträume, die ihn jede Nacht plagten, sondern auch, weil Cullen sich selbst kaum traute – nicht in seinem momentanen Zustand – und er Angst hatte, Dorian auf eine Weise zu nahe zu treten, die dem anderen unangenehm war. Ihn stattdessen zu Varric zu bringen und ihn bei dem Zwerg zu lassen, war die naheliegendste Lösung gewesen, doch sie hatte ihm viel Kraft abverlangt, da alles in ihm danach geschrien hatte, bei Dorian zu bleiben.

Bei Andraste, macht das etwa JEDER von uns durch?, fragte er sich mit zusammengebissenen Zähnen, während er seinen Rundgang beendete. Wie sind wir in der Lage, irgendetwas zu schaffen, wenn wir ständig diese Dinge fühlen...?

Dass Dorian nicht das gleiche für ihn empfand, erschien Cullen dabei als der Gipfel der Ironie, und er hoffte, dass die starke Verbindung zu dem anderen mit der Zeit wieder etwas nachlassen würde. Er wusste nicht, wie er sonst seine Arbeit erledigen sollte, wenn seine Gedanken ständig um Dorians Wohlbefinden kreisten.

Cullen blieb stehen und rieb für einen Moment seufzend seine Schläfen. Die Kopfschmerzen waren stärker geworden, wie sie es zu dieser Stunde immer taten, doch noch war das dumpfe Pochen hinter seiner Stirn auf einem erträglichen Level.

Er ließ seinen Blick über das Lager schweifen. Bis auf mehrere bewaffnete Patrouillen war niemand mehr auf den Beinen. Er könnte einen erneuten Rundgang beginnen, aber wo lag der Sinn darin? Seine Leute wussten auch so, dass sie ihn beim ersten Anzeichen von Gefahr unverzüglich zu informieren hatten.

Bis zum Sonnenaufgang waren es noch mehrere Stunden hin. Zeit genug für Cullen, sich wenigstens für eine Weile zur Ruhe zu legen. Cassandra hatte ihn oft genug ermahnt, dass er sich mehr um sich selbst kümmern musste, wozu auch gehörte, wenigstens einmal am Tag für ein paar Stunden zu schlafen. Sein Blick wanderte zu dem Halbkreis von Zelten hinüber, die am Rande des Lagers errichtet worden waren. Es wäre so einfach, seiner Müdigkeit und dem Band nachzugeben, und sich dorthin zu begeben...

Während er noch mit sich selbst haderte, schien sich auf einmal etwas in seiner Wahrnehmung von Dorian zu verschieben. Cullen wusste nicht, was es war, doch von einem Moment auf den anderen hatte sich etwas geändert, und es betraf seinen Seelenpartner.

Eine tiefe Unruhe erfasste ihn und ohne länger zu zögern machte sich Cullen auf den Weg zu seinem Zelt.

Seine Schritte verlangsamten sich erst, als er das Lagerfeuer davor erreicht hatte, an dem er Varric vorfand, während von dem Magier jegliche Spur fehlte.

Cullen hob demonstrativ eine Augenbraue, und Varric schien seinen Blick richtig zu deuten. Er machte eine Kopfbewegung zu seinem Zelt hinüber, aus dem leises Schnarchen zu hören war.

„Dorian schläft“, sagte er und bedeutete Cullen mit einer Geste, sich zu ihm zu setzen, eine Einladung, die der andere dankbar annahm. „Er war vor Erschöpfung schon halb im Delirium; es erstaunt mich, dass er überhaupt so lange durchgehalten hat.“

Cullen hoffte, dass man ihm seine Erleichterung nicht zu sehr ansah, als er sich neben Varric setzte.

Dorian war eingeschlafen. Das hatte sich geändert.

Kein Grund zur Sorge.

„Mir scheint, Ihr könntet ebenfalls etwas Ruhe gebrauchen“, fuhr Varric nach einer Weile fort, als er Cullens blasses Gesicht sah. „Geht nur. Sollte Corypheus angreifen, seid Ihr der erste, der es erfährt, das verspreche ich.“

Cullen lächelte schwach.

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich schlafen kann“, erwiderte er. „Nicht in der derzeitigen Lage, in der wir uns befinden.“

Der andere gab ein Brummen von sich.

„Kein Grund, nicht wenigstens für ein paar Stunden die Augen zu schließen“, sagte er. „Morgen früh könnt Ihr Euch immer noch den Kopf darüber zerbrechen, wie es mit uns weitergehen soll.“

„Das kann ich ebenso an Euch zurückgeben“, entgegnete Cullen leise. „Geht schlafen, Varric. Es liegt nicht in Eurer Verantwortung, Nachtwache zu halten und Euch um unsere Zukunft zu sorgen.“

Varric stieß ein freudloses Lachen aus. „Erzählt das Cassandra. Sie schien sehr überzeugt davon zu sein, dass sich alles ändern würde, wenn ich ihr Hawke liefere.“

„Sie sah keinen anderen Ausweg.“ Cullen starrte in die Flammen des Lagerfeuers. „Menschen tun die seltsamsten Dinge, wenn sie nicht mehr weiterwissen.“

„Wohl wahr“, murmelte der Zwerg, und dann schwiegen sie wieder für eine Weile.

Schließlich erhob Cullen erneut die Stimme.

„Darf ich Euch eine persönliche Frage stellen?“ Er sah Varric dabei nicht an, doch er konnte aus den Augenwinkeln sehen, wie der andere mit den Schultern zuckte.

„Sicher.“

Cullen legte sich seine Worte sorgfältig zurecht, bevor er sie aussprach.

„Das Band zu Eurem Seelenpartner... erinnert Ihr Euch noch daran, wie es sich am Anfang angefühlt hat?“

Er merkte, wie Varric ihn anstarrte, doch er hielt den Blick beharrlich auf die Glut des Feuers gerichtet, während er auf eine Antwort wartete.

Der andere schien schließlich zu spüren, dass Cullen die Frage ernst meinte, und nachdem er eine Weile darüber nachgedacht hatte, begann er zu sprechen.

„Als ich meiner Partnerin zum ersten Mal begegnete, war ich wie im Rausch“, erzählte er. „Mein ganzes Denken wurde von ihr beherrscht und ich hatte häufig Schwierigkeiten, mich auf die einfachsten alltäglichen Aufgaben zu konzentrieren. Ich war wie besessen davon, ihr nahe zu sein.“ Er lachte leise. „Hätte ich nicht gewusst, dass sie ebenso empfand, wäre ich mir wie ein Narr vorgekommen. Es war eine seltsame, verwirrende Zeit für uns beide.“

Er schüttelte den Kopf.

Cullen schwieg, während er über diese Worte nachdachte. Varrics Beschreibung dieses rauschähnlichen Zustandes deckte sich mit dem, was er selbst für Dorian empfand.

„Wie lange hielt dieses Gefühl an?“, fragte er leise.

„Warum das plötzliche Interesse?“, erwiderte der Zwerg jedoch nur verwundert.

Cullen wandte ihm das Gesicht zu, und es musste etwas in seinem Blick gewesen sein, das Varric scharf die Luft einziehen ließ.

Jetzt?“, stieß er schließlich hervor. „Von allen Momenten, in denen dies hätte passieren können, findet Ihr ausgerechnet jetzt–?“

Varric“, unterbrach Cullen ihn und sein Tonfall ließ den anderen augenblicklich wieder verstummen. „Bitte beantwortet einfach nur die Frage.“

Der Zwerg seufzte.

„Die ständige Sorge um sie hielt noch für eine Weile an“, sagte er, „doch das Schlimmste war nach zwei Wochen wieder vorbei, wenn ich mich recht entsinne.“

„Zwei Wochen“, wiederholte Cullen mit hohler Stimme. Zwei Wochen, in denen weiter dieser Sturm von Gefühlen in ihm toben würde, den er mit aller Macht ignorieren musste, damit er sich auf das Überleben der Inquisition und die damit zusammenhängenden Aufgaben konzentrieren konnte, die vor ihm lagen.

Er hatte keine Ahnung, wie um alles in der Welt er das anstellen sollte. Der Lyriumentzug war schon kaum zu ertragen, und nun auch noch das... Vielleicht war nun der Moment gekommen, in dem er Cassandra auf Knien anflehen sollte, einen Ersatz für ihn zu finden.

„Es ist schneller vorbei, wenn Ihr die Zeit mit Eurem Partner verbringt“, sagte Varric leise. „Ihr wisst schon – geteiltes Leid ist halbes Leid...“

„Das ist leider keine Option“, erwiderte Cullen und senkte den Blick.

Der Zwerg runzelte die Stirn. „Sicher kann selbst der Kommandant der Inquisition in Begleitung seiner Partnerin gesehen werden...“

„Ihr versteht nicht“, erwiderte Cullen schärfer, als beabsichtigt. „Es ist nicht so, dass ich nicht will! Es ist nur im Moment schlichtweg nicht möglich. –Die Situation ist... kompliziert.“

Varric hob abwehrend die Hände.

„Ich glaube Euch“, sagte er beruhigend. „Es war nicht meine Absicht, Euch zu erzürnen.“

Cullen rieb sich erschöpft das Gesicht.

„Verzeiht meine Worte“, entgegnete er. „Dieser Zustand... er ist nur schwer zu ertragen.“

„Ich weiß“, sagte Varric mitfühlend. „Ich erinnere mich.“

Für eine Weile sprach keiner von ihnen ein Wort, und nur das leise Knacken und Knistern des Feuers durchbrach hin und wieder die Stille.

Schließlich erhob sich Cullen schwerfällig und klopfte den Schnee von seiner Kleidung.

„Danke, dass Ihr meine Fragen beantwortet habt“, sagte er leise und nickte dem Zwerg zu. „Ihr habt mir sehr geholfen, Varric.“

„Es war nichts“, entgegnete der andere nur, doch er erwiderte das Nicken.

Cullen wollte sich gerade abwenden, um sich zu seinem Zelt zu begeben, doch etwas ließ ihn zögern.

„Die Dinge, über die wir gesprochen haben...“, begann er.

„... gehen niemanden außer Euch und mich etwas an“, sagte Varric und schenkte ihm ein Lächeln. „Sorgt Euch nicht, Cullen. Ich kann sehr verschwiegen sein, wenn ich will.“

„Danke“, wiederholte Cullen, und er meinte es auch so. Dann wandte er sich endgültig ab und zog sich in sein Zelt zurück.

Das Gespräch mit Varric hatte zwar nichts an seinem Problem geändert, doch er fühlte sich etwas besser, nun, nachdem er mit jemandem darüber gesprochen hatte.

Und vielleicht war es das Wissen, dass Dorian nur wenige Meter entfernt sicher in Varrics Zelt lag und schlief, das ihn nach und nach zur Ruhe kommen und schließlich in den Schlaf sinken ließ.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schneesturm
2016-11-19T18:07:04+00:00 19.11.2016 19:07
Ich habe ja die starke Vermutung, das Varric von Anfang an geschnallt hat, um wen es sich bei Cullens Seelenpartner handelt, er ist nur schlau genug, um einen auf Ahnungslos zu machen. xD
Aber ich denke sein Geheimnis ist bei ihm sicher, aber vielleicht verwendet er unter geänderten Namen die Story für sein nächstes Buch xD
Knallhart in der Himmelsfeste oder so xD
Antwort von: Morwen
20.11.2016 20:29
Das würde mich nicht wundern!
Und selbst, wenn er es noch nicht weiß - er ist ein guter Beobachter. Und so unsubtil, wie die zwei sind, wird er es sicher bald merken. :D

Knallhart in der Himmelsfeste oder so xD
Oh mein Gott, ja. xDD
Und Dorian wird Cullen dann genüsslich daraus vorlesen, der wiederum vor Scham am liebsten im Boden versinken möchte. Cassandra amüsiert sich derweil im Stillen, denn sie versteht die Anspielungen ebenfalls, aber sie ist zu rücksichtsvoll, um es Cullen ebenfalls unter die Nase zu reiben.
... ich kann es mir bildlich vorstellen. xD

Danke schön! :D
(Und danke für die Bilder. xD)


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