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For the World Is Hollow and I Have Touched the Sky

von

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Dorian

Er konnte seine Füße schon lange nicht mehr spüren.

Der Gewaltmarsch schien kein Ende zu nehmen, und hin und wieder drehte sich ihm alles vor Augen und sein Blickfeld wurde schwarz, und Dorian musste für einige Sekunden innehalten, bis sich sein Kreislauf wieder beruhigt hatte. Hatte er sich anfangs noch mit dem Elf unterhalten, fehlte ihm selbst dafür bald die Energie, und verbissen konzentrierte er sich nur noch darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, um in dem kniehohen Schnee nicht zu stürzen und aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen zu können.

Solas bot ihm zwar keine Hilfe an, doch er wich auch nicht von seiner Seite, und Dorian war ihm insgeheim dankbar dafür. Er war sich nicht sicher, ob er den Marsch allein hätte bewältigen können.

Je höher sie den Pfad hinaufstiegen, desto mehr nahm das Heulen des Sturms zu, und als Dorian das nächste Mal den Kopf hob, um an die Spitze des Zuges der Flüchtenden zu blicken, konnte er kaum ein Dutzend Meter weit sehen, so dicht fiel der Schnee.

Als sie eine kleine Talsenke zwischen zwei hohen Berggipfeln erreicht hatten, in der sie vor dem Sturm geschützt waren, erklärte Cullen, der sie bis dahin mit Rodericks Hilfe angeführt hatte, dass sie an dieser Stelle ihr Nachtlager aufschlagen würden. Kaum hatte er die Worte vernommen, ließ Dorian sich erleichtert gegen einen Baumstamm sinken und schloss die Augen. Um ihn herum herrschte Geschäftigkeit, als die Soldaten begannen, die mitgebrachten Zelte aufzubauen und Lagerfeuer zu errichten, um für die hungrigen Wanderer Essen zuzubereiten.

Niemand schenkte Dorian Beachtung, der ein Stück abseits saß, den Umhang fest um die Schultern geschlungen, und obwohl er mit aller Macht dagegen ankämpfte, fielen ihm nach einer Weile vor Erschöpfung die Augen zu.

 

Als er einige Zeit später nach unruhigem Schlaf wieder erwachte, war es im Lager stiller geworden und an den Feuern saßen nur noch wenige Männer und Frauen. Dorian erhob sich schwerfällig und hinkte zum nächsten Lagerfeuer hinüber. Die junge Frau, die dort saß, schüttelte jedoch nur den Kopf, als sie ihn sah.

„Tut mir leid, Serah“, sagte sie. „Die Töpfe sind leer und es gibt leider keine Reste mehr.“

Obwohl Dorian schrecklich hungrig war, winkte er nur ab.

„Das ist in Ordnung“, erwiderte er. „Ich will mich nur für einen Moment aufwärmen.“

Und damit ließ er sich mit steifen Gliedern vor dem Feuer nieder und seufzte auf, als die Wärme der Flammen wieder Gefühl in seine tauben Füße brachte. Entgegen seiner Befürchtungen hatte er keine Erfrierungen erlitten, und nachdem er eine Weile am Feuer gesessen hatte, wurde ihm wieder warm, wenngleich seine Kleidung nach der Wanderung durch den Schneesturm noch immer feucht war.

Schließlich erhob sich Dorian wieder und betrat eines der großen Zelte, die als Schlafplatz für die Männer und Frauen der Inquisition dienten. Dutzende Menschen drängten sich bereits dort zusammen, und nur am Zeltausgang gab es noch einen freien Platz zum Schlafen. Für Dorian war es mehr als ausreichend.

Er war gerade dabei, seinen Umhang auf dem Boden auszubreiten, als ihm ein breitschultriger Mann mit finsterer Miene auf die Schulter tippte.

„Hier ist kein Platz für Euch“, sagte er.

Dorian blinzelte und sah ihn einen Moment lang verständnislos an.

„Falls Ihr befürchtet, dass ich mich im Schlaf herumrollen werde, kann ich Euch beruhigen“, entgegnete er schließlich und lächelte schwach. „Ihr werdet nicht einmal merken, dass ich hier bin, das verspreche ich Euch.“

Er drehte sich um in der Annahme, dass das Gespräch damit beendet sei, und wollte sich gerade hinlegen, als ihm der Mann erneut auf die Schulter tippte, dieses Mal grober als zuvor.

„Ich glaube, Ihr habt mich nicht recht verstanden, Serah“, sagte er finster. „Hier ist kein Platz für einen Blutmagier.“

Plötzlich verstummten sämtliche Gespräche im Zelt und alle Augen richteten sich auf Dorian.

Fantastisch, dachte er und biss die Zähne zusammen. Er hatte gehofft, Situationen wie diese vermeiden zu können, doch wie es aussah, war seine Herkunft mittlerweile in aller Munde.

Dies wäre der Zeitpunkt gewesen, seine Sachen zu nehmen und einfach zu gehen, doch so schnell gab Dorian nicht auf. Er hatte nicht Felix zurückgelassen und war all diese Meilen nach Haven geeilt, um sich beim ersten Anzeichen von Problemen vertreiben zu lassen.

Den Blick auf den anderen Mann gerichtet erwiderte er mit fester Stimme:

„Dann ist es ja gut, dass ich keiner bin.“

Und ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, setzte er sich auf sein Lager.

Der Mann starrte ihn mit zunehmendem Hass an. Dann schien er eine Entscheidung zu treffen und packte Dorian am Arm, um ihn grob auf die Beine zu ziehen.

„Ihr mögt die Heroldin mit Eurer Magie verhext haben, doch mich könnt Ihr nicht täuschen!“, grollte er. „Ich hatte jahrelang mit Abschaum wie Euch zu tun, ihr seid alle nichts als Sklavenhalter, die finstere und perverse Magie praktizieren!“

„Fasst mich nicht an!“, zischte Dorian und riss sich los. Sein Herz klopfte ihm bis zum Halse, doch ob vor Furcht oder Wut, wusste er nicht zu sagen. „Ihr wisst nichts über mich, rein gar nicht!“

„Ich weiß genug!“, rief der Mann und trat mit geballten Fäusten auf ihn zu.

Dorian warf einen hilfesuchenden Blick in die Runde, doch niemand rührte sich oder wagte gar einzugreifen.

Plötzlich spürte er einen kühlen Lufthauch am Rücken, als die Zeltplane zurückgeschlagen wurde und jemand hinter ihm eintrat.

„Was ist hier los?“

Obwohl die Stimme des Kommandanten ruhig war, war die Härte darin nicht zu überhören. Dorian schloss vor Erleichterung die Augen und dankte sämtlichen ihm bekannten Göttern, dass Cullen gerade diesen Moment gewählt hatte, um das Zelt zu betreten.

Als er ihn sah, ließ der Mann sofort die Fäuste sinken und trat einen Schritt zurück, um Haltung anzunehmen.

„Es ist alles bestens, Herr Kommandant“, erwiderte er steif. „Nur ein kleines Missverständnis.“

„Das scheint mir auch so“, erwiderte Cullen trocken und trat neben Dorian.

Er ließ den Blick durch das Zelt schweifen und über die Männer und Frauen, die beschämt die Gesichter abwandten, als sie seinen bohrenden Blick auf sich spürten.

Zu Dorians großer Erleichterung schien Cullen die Situation richtig zu interpretieren – und zu dem Entschluss zu kommen, die erschöpften Soldaten nicht weiter unter Druck zu setzen. Stattdessen wandte er sich an Dorian.

„Hier gibt es keine Schlafplätze mehr“, sagte er. „Aber vielleicht hab Ihr woanders mehr Glück.“

Und mit einer Handbewegung bedeutete er dem Magier, ihm zu folgen.

Das ließ Dorian sich nicht zweimal sagen. Hastig hob er seinen Beutel und seinen Umhang auf und trat hinter Cullen hinaus in die Kälte.

Während sie Seite an Seite das Lager durchquerten, ließen die Anspannung und das Zittern, das während der Konfrontation von Dorian Besitz ergriffen hatte, langsam wieder nach.

„Danke“, sagte er leise. „Dafür, dass Ihr sie nicht dazu gezwungen habt, mich aufzunehmen.“

„Die Nerven der Truppen sind angespannt“, entgegnete Cullen ebenso leise. „Viele der Soldaten haben beim Angriff der Magier auf Haven nicht nur ihre Heimat, sondern auch viele ihrer Kameraden verloren. Das ist der einzige Grund, weshalb ich ein solches Verhalten heute Nacht toleriere.“

Obwohl Cullens Gesicht reglos war, konnte Dorian die Wut in seinen Augen lodern sehen.

„Sollte so etwas jedoch noch einmal vorkommen, wendet Euch sofort an mich“, fuhr der Kommandant fort. „Situationen wie diese sind absolut inakzeptabel. Die Inquisition steht nicht für ein solches Verhalten.“

„Ich werde versuchen, daran zu denken“, sagte Dorian und lächelte erschöpft. „Vorausgesetzt, dass sie mich nächstes Mal nicht sofort steinigen.“

Cullen erwiderte nichts, doch Dorian entging der besorgte Ausdruck nicht, der über sein Gesicht huschte.

Zu Dorians Überraschung führte der Kommandant ihn nicht zu einem der anderen Gemeinschaftszelte, sondern etwas abseits an ein Lagerfeuer, um das in einem Halbkreis ein halbes Dutzend kleinerer Zelte errichtet war.

An dem Feuer saß ein Zwerg, der gerade dabei war, mit einem Stock in den brennenden Ästen zu stochern, als Cullen und Dorian sich näherten. Er hob den Kopf, als er ihre Schritte hörte, und seine Augen leuchteten auf.

„Cullen!“, rief er aus. „Seid Ihr etwa immer noch wach?“

Der Kommandant rieb sich müde den Nacken. „Ich werde erst dann Ruhe finden, wenn die Heroldin zu uns zurückgekehrt ist.“

Der Zwerg seufzte auf und nickte. „Ich wünsche Euch Erfolg. Cassandra und der Elf suchen schon seit Stunden nach ihr. Ohne sie–“

Er beendete seinen Satz nicht, doch das musste er auch nicht. Sie alle wussten, dass sie ohne Lavellan verloren waren.

Nach einer Weile hob der Zwerg wieder den Kopf und sein Blick fiel auf Dorian.

„Ihr seid der, der uns gewarnt hat, richtig? Dorian?“, fragte er. „Varric Tethras ist mein Name. – Verzeiht meine Neugier, doch es wird gemunkelt, dass Ihr ein Magister aus Tevinter wäret. Ist etwas dran an diesem Gerücht?“

Dorian rümpfte entrüstet die Nase, nun wieder ganz in seinem Element.

„Ich bin kein Magister, sondern ein Altus-Magier“, entgegnete er. „Auch wenn vermutlich niemand hier im Süden jemals den Unterschied begreifen wird.“

Cullen verschränkte die Arme vor der Brust.

„Altus-Magier?“, fragte er und hob eine Braue.

„Der Nachfahre einer der alteingesessenen Magier-Dynastien Tevinters“, erklärte Varric zu Dorians großer Überraschung.

„Was?“ Der Zwerg zuckte mit den Schultern, als er seinen und Cullens verwirrten Blick bemerkte. „Fenris hat damals in Kirkwall oft genug über Tevinter geflucht, dass ein paar Dinge hängengeblieben sind.“

„Fenris“, sagte Cullen und runzelte die Stirn. „Meint Ihr Hawkes Gefährten?“

„Euer Gedächtnis ist wahrhaft bemerkenswert“, meinte der Zwerg fröhlich.

An Cullens Kopfschütteln erkannte Dorian, dass der andere Varric die Stichelei nicht übel nahm. Die beiden kannten sich offenbar schon lange und hatten mittlerweile einen Grad an Vertrautheit erreicht, bei dem sogar der sonst so steife und humorlose Kommandant ein wenig auftaute. Und obwohl Dorian sie erst seit einem Tag kannte, führte er sich in ihrer Gesellschaft gleich etwas wohler.

„Varric, ich habe eine Bitte an Euch“, sprach Cullen dann.

Der Zwerg nickte. „Wie kann ich helfen?“

„Dorian hier hat Schwierigkeiten, einen Schlafplatz zu finden“, erklärte Cullen. „Ich würde mich freuen, wenn Ihr diese Nacht das Zelt mit ihm teilen könntet. Ich weiß nicht, wen ich sonst fragen soll.“

Dorian sah ihn überrascht an. Mit einem solchen Vorschlag hatte er nicht gerechnet. Ganz im Gegenteil – er hatte sich innerlich bereits darauf eingerichtet, die Nacht notfalls auch unter freiem Himmel an einem der Lagerfeuer verbringen zu müssen.

„Klar, warum nicht“, entgegnete Varric, ohne auch nur einen Augenblick lang über seine Antwort nachdenken zu müssen.

„Es sei denn, Ihr schnarcht“, fügte er an Dorian gewandt hinzu. „Wenn Ihr schnarcht, schmeiße ich Euch sofort wieder raus.“

„So laut, wie Ihr immer schnarcht, bezweifle ich, dass Ihr ihn überhaupt hören würdet“, meinte Cullen amüsiert.

Dorian wollte etwas sagen, doch die Stimme versagte ihm. Er schluckte kurz und versuchte es dann erneut.

„Ich danke Euch.“

Varric schenkte ihm ein Lächeln. „Nichts zu danken.“

„Dann wäre das also geklärt“, sagte Cullen und nickte dem Zwerg zu. „Danke, Varric.“

Er wünschte den beiden eine gute Nacht und stapfte dann durch den Schnee wieder davon.

„Steht nicht wie angewurzelt da“, meinte Varric nach einer Weile und warf Dorian, der noch immer neben dem Feuer stand, seinen Beutel und den Umhang an die Brust gepresst, einen belustigten Blick zu. „Kommt, setzt Euch doch. – Habt Ihr Hunger?“

Er hielt ihm ein Stück Brot hin. Dorian nickte dankbar und setzte sich neben Varric an das Feuer.

„Sehr“, entgegnete er.

Und während er aß und dabei Varrics farbenfrohen Erzählungen lauschte, hatte er das erste Mal seit langem das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Schneesturm
2016-11-19T08:23:32+00:00 19.11.2016 09:23
Der arme Dorian muss schon viel an Vorurteilen über sich ergehen lassen und Varric überrascht mal wieder mit seinem Wissen. Schön find ich ja, dass du Fenris erwähnst, er war in DA2, mein absoluter Liebling...gleich nach Varric natürlich. Und ich frage mich, was genau Cullen mit Hawkes Gefährten meint, schließlich wissen wir ja nun, dass sie und ...
Kommt einwenig zweideutig rüber, hmmm :D
Antwort von: Morwen
20.11.2016 20:14
Danke schön! :)
Ich mag Fenris auch sehr! Ich hatte erst überlegt, ihn irgendwie einzubauen (die Beziehungsdynamik zwischen ihm und Dorian wäre SEHR interessant geworden xD), werde mich jetzt aber vermutlich doch nur auf Erwähnungen beschränken. Vielleicht schreibe ich nach dieser FF aber mal was zu DA2. :)

Stimmt, das "Gefährte" wirkt... zweideutig, ja. xD
Wie heißen sie im Deutschen eigentlich? Mir ist leider kein besseres Wort für "Companion" eingefallen, da ich die Spiele alle durchgehend auf Englisch gespielt habe.
Und "Begleiter" fand ich irgendwie fast schon wieder zu unpersönlich... ich weiß nicht.
...
Also es war jedenfalls nicht auf die romantische Art gemeint. :D
Antwort von:  Schneesturm
21.11.2016 20:06
Fenris und Dorian...
Fenris würde ihn so sehr hassen, erst recht wenn Dorian mit seiner typischen Arroganz mit Spitzen nur so um sich wirft...aber eigentlich könnte es sich ja auch in eine ganze andere Richtung entwickeln...
...und während sie sich gegenseitig an die Gurgel sprangen, nur um dann -eng umschlungen- die Zunge in den Rachen des anderen zu rammen...oder so, du kannst das besser xD


Ich würde auf Englisch wahrscheinlich nur die Hälfte verstehen, (allerdings finde ich auf englisch manche Stimmen angenehmer):D

Antwort von: Morwen
26.11.2016 23:11
... und jetzt habe ich auch sofort schon eine Idee dafür, wie und unter welchen Umständen sie sich über den Weg laufen würden. - DANKE AUCH! >D
(Führe mich nicht in Versuchung...! ;3;)

OMG, ja, ich liebe die englischen Stimmen. Eigentlich fast alle, aber besonders die von Fenris, Fenris' Stimme ist im Original purer Porn. xD


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