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Symbole der Pflicht

Folgen: 58 und 59 (Ein übersinnlicher Gegner I+II)
 

„Verdammt!“ Mariks Faust traf eine Wand, und der Schmerz, der seinen Arm hinaufzog, beruhigt ihn ein wenig. „Dieser verfluchte Idiot!“ Wie war Gara nur darauf gekommen, ausgerechnet den Pharao anzugreifen? Jeder einzelne seiner Raritätenjäger wusste, wie der Plan aussah. Sie alle waren auf der Suche nach der fehlenden Götterkarte, und hatten Yugi solange in Ruhe zu lassen, bis er etwas anderes befahl. Dieses unüberlegte Handeln hatte ihn das Überraschungsmoment gekostet, vor allem aber einen guten Mann, der ihm jahrelang beiseite gestanden hatte. Hätte Marik aber Gnade walten lassen, und Gara das Leben geschenkt, wären vielleicht andere auf die Idee gekommen, es ihm gleich zu tun.

„Marik-sama?“

Ohne, dass er es bemerkt hatte, war Rishid eingetreten; der Einzige, bei dem diese unerwünschte Vordringen ungestraft bleiben würde. „Du weißt, dass ich beschäftigt bin“, drohte Marik. Er trat aus den Schatten näher an die Tür heran, durch die Licht hineinfiel. Normalerweise hielt er diesen Ort dunkel. So war es leichter, sich zu konzentrieren.

„Verzeiht. Es geht um die Vorbereitungen, die Pandora zu treffen hatte. Es gab einige Schwierigkeiten.“ Rishid hielt den Blick respektvoll gesenkt.

Marik rieb sich die Schläfen. Ja, Schwierigkeiten, was sonst? Es gab immer nur Schwierigkeiten. „Natürlich gibt es die! Gerade eben hat Gara aus heiterem Himmel den Pharao angegriffen. Jetzt wird es umso schwerer werden, ihn überhaupt in die Arena zu locken.“ Er ballte die Hände zu Fäusten. Sein Kopf schmerzte unerträglich, als brenne in seinem Schädel eine verzehrende Flamme. „Ich habe ihn getötet.“

Rishid hob den Kopf, und seine Augen bohrten sich in Mariks. Normalerweise hätte der ihm so ein Verhalten nicht durchgehen lassen können. Aber seine Kopfschmerzen linderten sich auf der Stelle, und er vergaß beinahe augenblicklich, dass er ihn hätte bestrafen müssen. „Ich musste es tun“, fügte Marik hinzu, war sich aber plötzlich nicht mehr so sicher. Warum hatte er das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen? In dem Moment war es ihm richtig erschienen, schon, um die Raritätenjäger funktionsfähig zu halten. Er drehte sich um und ließ sich auf seinem Thron sinken. Dafür, dass er sich einen Platz darauf bitter hatte erkämpfen müssen, war er verflucht unbequem. „Also, wie sehen die Schwierigkeiten aus?“

Rishid sah ihn einen Augenblick an, und sagte dann ruhig: „Pandora weigert sich, den Ersatzschlüssel anzunehmen, mit dem er sich im Fall einer Niederlage befreien kann. Und er besteht darauf, dass Catherine während des Duells anwesend ist.“

„Kommt nicht in Frage“, sagte Marik ohne zu zögern. Er wollte nicht noch einen seiner Männer verlieren, schon gar nicht wegen Pandoras falschen Stolzes. Jetzt schien es ihm mehr und mehr wie ein Fehler, dass er Gara getötet hatte. „Er wird den Schlüssel auf jedem Fall nehmen. Und das Mädchen bleibt in dem Hotel, in dem wir sie untergebracht haben. Was denkt dieser Narr? Das sie sich freut, ihn wiederzusehen, nachdem sie zugesehen hat wie der Pharao in zwei Hälften zersägt wurde?“ Er winkte ab. „Gebt ihm das Gefühl, sie sei dort. Er wird es später verstehen.“ Marik schüttelte grimmig den Kopf, und tastete dann mit seinem Geist nach den Menschen, die im Augenblick seiner Kontrolle unterstanden. Viele von ihnen waren uninteressant, da sie sich hier im Gebäude aufhielten. Einige waren aber auch schon in Domino angekommen, und forderten die ersten Teilnehmer zu Duellen heraus. Er beobachtete Lumis und Umbra, die zwei Duellanten im Doppelduell in die Zange nahmen, das rege Treiben um die Pantomime, in der ansonsten beruhigende, geistige Stille herrschte, und hielt inne, als er vor seinen Augen ein hübsches Mädchen sah. Es sah nicht so aus, als wenn Matsuna, durch dessen Augen er gerade sah, sie zu einem Duell herausfordern wollte. 'Was tust du da?', fragte Marik streng.

M-Marik-sama., hallte Matsunas Stimme durch seinen Kopf. Ich habe nur kurz...

Noch bevor der Gedanke zu Ende gedacht war, kam schon ein anderer von einem weiteren Raritätenjäger bei ihm an. Marik-sama, es gibt Probleme in der IT-Abteilung.

Marik schüttelte irritiert den Kopf. Er hasste es, wenn das geschah. Er wies Matsuna zurecht, der sich hastig von dem Mädchen abwandte, dass vor ihm stand, und wandte sich dann an Rishid. „Probleme in der IT-Abteilung. Bereite alles zur Abreise vor, ich werde mich darum kümmern.“ Dann ging er an ihm vorbei, straffte die Schultern und verließ den Ort, den die Raritätenjäger scherzhaft seinen Thronsaal nannten.

Hinter der Tür sah es ganz anders aus. Hier gab es keine altehrwürdigen Säulen oder dergleichen, im Gegenteil. Die provisorisch eingerichtete Zentrale wurde vom fahlen Licht von Neonröhren erleuchtet. Etwa ein Dutzend Rariätenjäger saßen ihren Rechnern; die meisten davon waren damit beschäftigt, die gefälschten Karten zu den höchstmöglichen Preisen auf Auktionen naiven Sammlern unterzujubeln, andere hatten sich in die Rechner der Kaiba Corp gehakt, und verfolgten die Duelle, in der Hoffnung, dass der aktuelle Besitzer von Obelisk sich bald offenbarte.

Als er den Raum betrat, erhoben sie sich und neigten respektvoll den Kopf. Marik schluckte, blieb aber auf der kleinen Empore stehen, um sich an sie zu wenden. „Entgegen meiner Anweisungen hat sich, wie einige von euch schon wissen dürften, Gara gegen den Pharao gewandt. Der Plan steht schon lange fest. Ihr alle kennt ihn. Sollte noch einer von euch so eigenmächtig handeln, erwartet ihn das gleiche Schicksal, wie Gara.“

Die Raritätenjäger waren unheimlich still. Nur das Summen der Rechner erfüllte den Raum.

„Ich habe ihn getötet“, sagte Marik mit fester Stimme.

Niemand hatte Einwände. Keiner widersprach.

„An die Arbeit.“

Sie setzten sich wieder, und niemand wagte es, mit seinem Nebenmann zu flüstern und damit seine Entscheidung in Frage zu stellen. Sie alle verdankten ihm das Leben, auf die ein oder andere Art und Weise. Wahrscheinlich glaubten sie sogar, dass er das Recht hatte, darüber zu bestimmen. Und hatte sie damit nicht sogar recht?

Marik ging hinüber in einen kleineren Nebenraum, der direkt neben den Schlafräumen lag. Auch hier herrschte geschäftiges Treiben am PC. Es war nicht notwendig, dass er seine Worte von eben wiederholte. Der Milleniumsstab ermöglichte es ihm, dass solche Dingen von allen Raritätenjägern gehört wurden, wenn er es wollte.

Eine junge, übergewichtige Frau erhob sich, eilte auf ihn zu, verbeugte sich dann und sah ihn ängstlich an. „Marik-sama. Die Karten der neuesten Auflage sind mit einem neuen Sicherheitssystem ausgestattet worden. Unsere alten Chips sind nicht mehr mit den DuelDiscs kompatibel. Das heißt, dass keine Hologramme erstellt werden und das Duell abgebrochen wird, wenn wir versuchen, eine Fälschung zu benutzen.“, noch immer war der russischer Akzent deutlich zu hören. Er bestand darauf, dass sie alle sich, solange sie in Japan waren, auch auf Japanisch austauschten. Aber das war nicht die leichteste aller Sprechen, und viele hatten noch immer Probleme damit.

Seit Industrial Illusions mit der Kaiba Corp zusammenarbeitete, hatte sich die Arbeit der Raritätenjäger massiv verändert. Was früher einfache Spielkarten gewesen waren, waren heute kleine High-Tech-Produkte, was es unendlich viel schwerer machte, sie zu kopieren. Andererseits waren viele seiner Konkurrenten vom Markt verschwunden, weil sie die Umstellung verpasst hatten. „Wie lange wird es dauern, bis wir die Sicherung umgangen haben?“, fragte Marik. Das sie es schaffen würden, daran bestand kein Zweifel. Marina, die Leiterin seiner IT-Abteilung, war ein Genie. Aber letztendlich würde es Zeit und Geld kosten, und gerade jetzt war nicht der günstigste Augenblick, sich damit auseinandersetzen zu müssen.

„Die Produktion wird für mindestens zehn Tage ausfallen“, sagte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen.

Marik konnte sehen, dass sie die Luft anhielt, unsicher, ob sie eine Strafe erwarten würde. „Versuch, das so schnell es geht in den Griff zu bekommen.“

Wieder verbeugte sie sich, und die Erleichterung war ihr deutlich anzumerken. „Danke, Marik-sama!“

Eine leise schnatternde Menge trat aus den Schlafräumen; Schichtwechsel. Auch sie verstummten und verbeugten sich, aber Marik schenkte dem nur noch wenig Beachtung. Es gab zu viel zu tun um sich um all diese Floskeln und Rituale zu kümmern.

Marik-sama!, schallte eine Stimme durch seinen Kopf.Konnte man nicht mal eine einzige Sekunde seine Ruhe haben? Ein kleiner Junge behauptet, er sei der Verantwortliche für die Einhaltung der Turnierregeln. Er macht Probleme, weil wir nicht in den Duelldatenbanken stehen. Wie soll ich handeln?

'Ein kleiner Junge? Und deswegen belästigst du mich? Lass dir etwas einfallen, verdammt noch mal!'

Irgendjemand musste geschlampt haben, denn eigentlich sollten alle Raritätenjäger, die am Battle-City-Turnier teilnahmen auch in die Datenbanken eingeschleust werden. Das musste dringend nachgeholt werden.

Aus einer anderen Richtung schallte schon wieder sein Name durch seinen Kopf, und Marik sah durch die Augen eines seiner Untergebenen, wie Handschellen um seine Handgelenke einrasteten. Ein Einbruch, der offensichtlich schiefgegangen war. Um das wieder geradezubiegen würde eine Menge Schmiergeld nötig sein. Schon wieder etwas auf der Liste von unerledigten Dingen.

Die Gedanken, Gefühle und Fragen von hunderten Menschen schienen gleichzeitig durch seinen Kopf zu rasen. Wieder begann sein Kopf zu schmerzen, und er musste dem Drang widerstehen, sich an der Wand abzustützen. Er durfte vor den Raritätenjägern keine Schwäche zeigen; sie brauchten einen Anführer, der stark war.

Wie ferngesteuert ging er zurück in seinen Thronsaal und ließ die Tür hinter sich zufallen. Dunkelheit und Stille, zumindest von Außen. Marik nahm den Milleniumsstab unter seinem Umhang hervor, und ließ ihn auf den Boden fallen, als würde das die ungezählten Stimmen in seinem Kopf zum Verstummen bringen. Dann endlich konnte er sich auf den Boden setzen und versuchen, Ordnung in das Chaos zu bringen.

Seine Gedanken, seine eigenen, die von keinem anderen kamen als ihm selbst, schweiften zu Gara zurück. Er erinnerte sich daran, in welchem Zustand er gewesen war, als er Mitglied der Raritätenjäger geworden war. Ein Obdachloser, alkoholkrank, hoffnungslos. Die anderen hatten ihm diese Hoffnung zurückgegeben; eine Familie. Und nun hatte er ihn getötet.

Eine zweite Erinnerung schob sich vor diese erste, die so viel weiter entfernt war und verschwommen wie hinter dichtem Nebel.

Er musste in kleiner Junge gewesen sein, damals. Sein Vater stand mit Peitsche in der Hand über Rishid. Dessen Schreie und das Blut auf seinem Rücken waren das, was Marik noch am stärksten in Erinnerung war. Marik wusste nicht mehr genau, was Rishid getan hatte. Aber er war sicher, dass er die Familie in Gefahr gebracht hatte.

Damals hatte er seinen Vater für das gehasst, was er Rishid angetan hatte. Immerhin standen sie sich damals so nah wie Brüder, auch wenn er sich heute solche Sentimentalitäten nicht mehr erlauben konnte. Wenn er aber jetzt darüber nachdachte, verstand er, dass sein Vater es hatte tun müssen. Und irgendwie war nur er selbst zu genau dem geworden, was er als Kind verabscheut hatte. Jetzt, wo die Last der Verantwortung auf seinen Schultern lag, musste er diese unbequemen Entscheidungen treffen.

Mehr und mehr Stimmen jagten durch seinen Kopf, auf der Suche nach Antworten, Hilfe, Lösungen, die auch er nicht hatte. Wieder quälten ihn die Kopfschmerzen, wie so häufig in letzter Zeit. Wenn er Pharao sein würde, würde all das nicht weniger werden; im Gegenteil. Aus dem Gewirr in seinem Kopf schälte sich ein einzelnes Geräusch; nicht lauter als die anderen aber so viel präsenter und angsteinflößender als all die anderen.

Ein leises Lachen aus den Schatten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Glennstar
2014-03-09T11:05:45+00:00 09.03.2014 12:05
Wow, die Raritätenjäger scheinen ja ein gut organisiertes Unternehmen zu sein.
In der Serie wirkt es ja so'n bisschen wie eine nur durch den Milleniumsstab funktionierende Sekte, aber so gefällt mir das viel besser!
Als Marik in die IT-Abteilung gerufen wurde, musste ich kurz lachen, damit hatte ich nicht gerechnet. Man verbindet ihn irgendwie nicht mit Technik, aber es macht schon Sinn, so viel dass er sich auch darum kümmern muss (er ist echt ein Mädchen für alles). Du hast das echt gut durchdacht :)
Die ganzen Stimmen in seinem Kopf. Da würde ich auch irgendwann Kopfschmerzen kriegen.
Das ist ja schlimmer als mit den Handies...die kann man wenigstens abstellen (auch wenn die Leute sich dann beschweren, warum man nicht geantwortet hat).
Ich freu mich schon auf das nächste Kapitel. Das Ende ist richtig gut gewählt, man will jetzt wissen was mit dem Lachen ist - auch wenn ich schon ahnen kann, was passiert.


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