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Das Mädchen, dass die Zeit verhauen konnte

von

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Prolog

„Schau mal da“ Anne deutete mit ausgestrecktem Finger auf einen alten, vertrockneten Brunnen. „Man sagt, dass da was drin ist. Monster oder sowas. Die ziehen dich in eine andere Welt.“ Sie versuchte, es besonders spannend klingen zu lassen. Meine „Freundin“ hatte mich mit in den Urlaub genommen, obwohl ich eigentlich ganz andere Ideen für meine Sommerferien hatte. Sie war auch eher so etwas wie mein Haustier – einmal angefüttert wird man das dumme Ding nicht mehr los. Sie war nur leider zu doof um zu merken wie niedrig ich ihren IQ schätzte. Unseren Reiseführer hatte sie schon längst verloren. Nun wollte sie sich wohl selbst neue „Sehenswürdigkeiten“ ausdenken um nicht allzu hilflos umherzuirren. Wahrscheinlich dachte Anne, ich würde ihrer Behauptung, dass sie einen Plan im Kopf hat, noch immer Glauben schenken. In Wahrheit verkniff ich mir böse Kommentare schon seit sie den Tokio Tower mit dem Eifelturm verwechselt hatte. Ungeachtet meines genervten Blickes fuchtelte Anne weiter mit dem Zeigefinger in Richtung Brunnen.
 

Ich seufzte sehr laut und ging auf den Brunnen zu. Es war ein altes, miefiges Ding. Ich setzte mich auf den Rand, weil mir meine Füße vom ewigen Laufen weh taten. Sofort veränderte sich Annes Gesichtsausdruck von einem hohlen Grinsen zu einer panischen Miene, die an das Gemälde „Der Schrei“ erinnerte. „Du kannst dich da doch nicht einfach hinsetzen! Was ist wenn du hineinfällst?!“ Ich warf einen abschätzenden Blick in das dunkle Innere des Brunnens. Man konnte den Boden von hier oben gut sehen. Der Brunnen war nicht sonderlich tief und ein eventueller Sturz würde keine Folgen haben. Erneut seufzte ich. „Wenn ich reinfalle, komm ich wieder raus. Der Brunnen ist nicht tief. Ich werde kein Aua-Aua bekommen“ erklärte ich meiner Begleitung ganz langsam. Ich hatte es mir angewöhnt, mit ihr so zu sprechen, als wäre sie ein kleines Kind. Ich wollte sie ja nicht überfordern. „Aber wenn dich etwas hineinzieht…?“ Anne sah aus als würde sie gleich weinen. Offenbar glaubte sie wirklich an die Nummer mit den Monstern. Ihr Blick wanderte zwischen mir und dem Ausgang hin und her, als ob sie mir damit sagen wollte, dass wir wieder gehen sollten.
 

Ich lehnte mich weit zurück, so dass mein Oberkörper ein ganzes Stück über den Brunnen ragte. Demonstrativ wedelte ich mit den Armen und grinste triumphierend. Hier war niemand, der mich in den Brunnen ziehen könnte. „ Siehst du, hier ist gar nichts.“

Plötzlich schoss ein Lichtstrahl hinter mir hervor und ich wurde wider Erwarten in den Brunnen gezogen, während Anne panisch quiekte. Hätte ich doch nur meine Klappe gehalten.

Ich fiel unsanft auf den Grund des Brunnens und das Leuchten verschwand. Ich atmete tief durch und beschloss, in Zukunft die Finger von zwielichtigen Energydrinks zu lassen. Nochmal brauchte ich nicht solche komischen Halluzinationen.

Ich schaute nach oben und war überrascht. Stand dieser olle Brunnen nicht gerade eben noch in einem Gebäude? Wieso konnte ich denn nun den Himmel sehen? Das Ganze war sehr merkwürdig. Natürlich war die kleine Hütte alt gewesen, aber so schnell stürzt selbst die nicht ein. Ich schüttelte den Kopf und machte mich daran, aus dem Brunnen zu klettern. Ich war nie sonderlich sportlich gewesen und die Wände des Brunnens waren blöderweise sehr rutschig. „Anne! Sieh zu dass du mich hier rauskriegst!“ brüllte ich nach oben, davon ausgehend dass sie da oben auf mich wartete. Es kam keine Reaktion. Fluchend trat ich gegen die Wand des Brunnens. Das bereute ich einen Moment später, denn ich hatte so viel Schwung genommen das mir jetzt das ganze Bein wehtat.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit und zahlreichen gescheiterten Versuchen erreichte ich schließlich wieder die Oberfläche. Alles sah auf einmal ganz anders aus. Gerade eben war ich noch in der Metropole Tokio bei einem alten Schrein. Nun stand ich hier auf einer Wiese, welche von Bäumen umgeben war. Die bekannten Geräusche von Fahrzeugen und Passanten war einer Stille gewichen, die nur gelegentlich von Vogelgezwitscher unterbrochen wurde. Ich schaute mich suchend um, nach einem Orientierungspunkt, nach irgendetwas, dass ich kannte Bedauerlicherweise konnte ich nichts entdecken, was mir Hinweise einen Rückweg geben konnte. Ich drehte mich wieder zu dem Brunnen um. „Sch*ßteil“ nuschelte ich. Natürlich machte es wenig Sinn, Gegenstände zu beleidigen, aber irgendetwas musste ich die Schuld für meine Lage geben. Ich setzte mich zurück auf den Rand des Brunnens und starrte in die Tiefe. Das ist der Weg, auf dem ich hierhergekommen bin. Aber komme ich so auch wieder zurück? Eigentlich wäre es einen Versuch wert. Doch gerade eben hatte ich solche Mühe gehabt, aus dem Ding herauszukommen…

Eine andere Möglichkeit blieb mir wohl nicht. Ich kniff die Augen zusammen und ließ mich in den Brunnen fallen. Mit einem lauten Knall und ohne das komische Licht-Zeugs kam ich unsanft auf dem Grund an. Ich öffnete die Augen und prüfte den Ausblick über mir. Ein paar Vögel flogen scheinheilig über den strahlend blauen Himmel. Es war offensichtlich, dass ich nicht zurück gekommen bin. Ich und hüpfte noch ein paar Mal auf dem Lehmboden auf und ab, um zu sehen ob er vielleicht doch noch nachgibt. Es war zwecklos. Ich seufzte und machte mich erneut daran, irgendwie nach oben zu kommen.
 

Oben angekommen ließ ich mich ins Gras fallen. Es muss doch einen Weg geben, wie ich wieder in die Zivilisation finde. Ein Gedankenblitz schoss mir durch den Kopf. Ich kramte eilig in meiner Handtasche. Mit purem Optimismus sah ich das Smartphone an, welches ich nun in den Händen hielt. Wie oft hatte ich schon behauptet, nicht ohne es auszukommen - nun würde es mir mehr helfen als jemals sonst. Ich entriegelte die Tastensperre und rief den Routenplaner auf. Es kann doch nicht schwer sein, die Route vom jetzigen Standort zum Hotel zu ermitteln…Das Gerät brauchte eine Weile ehe sich der Bildschirm vollständig aufgebaut hatte. Hoffentlich ist es bei den unsanften Landungen vorhin nicht kaputt gegangen! „Verbindung zum Internet konnte nicht hergestellt werden“ Oh wie ich diesen Spruch hasse! Ich richtete mich auf und lief auf der Lichtung umher, denn ich hoffte irgendwo Empfang zu bekommen. Es war aussichtslos.

Mit einem genervten Grummeln stopfte ich das nutzlose Gerät wieder in die Tasche zurück und warf diese auf den Boden. Ich ließ mich selbst neben der Tasche fallen und überlegte, was nun zu tun wäre.
 

Ich war so in Gedanken verloren, dass ich kaum merkte wie jemand die Lichtung betrat. Erschrocken schaute ich auf. Da war so ein weißhaariger Typ, der einen interessanten Anblick bot. Er trug altmodisch wirkende Kleidung. Es war wohl so eine Art Kimono, weiß mit roten Blumen drauf. Darüber trug er eine Rüstung. Über der Schulter hatte er irgendetwas Flauschiges, schwer definierbar. Als ich meinen Blick auf sein Gesicht gleiten ließ, um die Striche und den Mond darauf anzustarren, fühlte er sich wohl beobachtet. Er schaute nun zu mir herab und wirkte dabei sehr irritiert. ER läuft in so einem Outfit rum und schaut als wäre ICH diejenige die nicht ins Bild passt?! Typisch Cosplayer!
 

Ohne eine Miene zu verziehen wandte er seinen Blick wieder von mir ab und ging weiter. Kurz darauf war er auch schon auf der anderen Seite der Lichtung im Wald verschwunden. Einen Moment lang hielt ich inne. Wenn er nicht so angepisst geschaut hätte, hätte ich ihn ja nach dem Weg fragen können. So verkniff ich es mir lieber. Woher kam dieser Typ und wo wollte er hin? Ist hier in der Nähe vielleicht eine Convention? Wenn er wegen einem Fotoshooting hier wäre, würde doch irgendjemand mit einer Kamera hinterherlaufen. Man wurde einfach nicht schlau aus dem Anblick der sich mir gerade geboten hat.
 

Aus derselben Richtung, aus der eben dieser komische Typ gekommen war, kam ein kleines Mädchen angerannt. Ob die wohl zu dem schlechtgelaunten Kerl gehört? Sie trug einen einfachen Kimono und wirkte um einiges normaler als der Unbekannte von gerade eben.

„Hey warte mal!“ rief ich der Kleinen zu. Sie blieb sofort stehen und drehte sich zu mir rum. Ich stand lächelnd auf und ging zu ihr. Das Mädchen blieb stehen und schaute mich verdutzt mit ihren großen Kulleraugen an.
 

„Weißt du wie ich nach Tokio komme? Dieser Brunnen da drüben hat mich hierhergebracht, aber der Rückweg scheint ein anderer zu sein.“ Die Kleine schaute mich etwas ratlos an. Das muss ja echt komisch klingen, dass ich durch dieses miefige Mistding an einen fremden Ort gefallen bin. Genauso gut hätte ich auch fragen können, wie ich zu sprechenden Broten und Äpfeln komme um einen guten Eindruck bei Frau Holle zu machen. Das Mädchen überlegte kurz und lächelte mich freundlich an.

„Du bist bestimmt eine Freundin von Kagome, oder? Sie reist auch manchmal durch den Brunnen. Sie ist gerade in dem Dorf da drüben“ erzählte sie mir und deutete in die Richtung aus der sie gekommen war. Dort gab es also ein Dorf… Ich hatte keine Ahnung, wer diese Kagome ist, aber wenn sie durch den Brunnen kommt weiß sie sicherlich auch wie ich nach Hause komme. Ich bedankte mich vielmals bei dem kleinen Mädchen. Wir verabschiedeten uns voneinander und sie rannte wieder dem komischen Typen von vorhin hinterher. Ich schnappte mir meine Tasche und machte mich auf den Weg zu dem Dorf, in dem sich meine Retterin aufhalten soll.


Nachwort zu diesem Kapitel:
traurig aber wahr: Anne entstand nach realem Vorbild! :O Komplett anzeigen

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