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Plan mit kleinem Schönheitsfehler

von

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Endlich waren Weihnachtsferien. Die letzten Klausuren waren geschrieben und diejenigen unter den Schülern, welche die Ferien bei ihren Familien verbringen würden, hatten ihre Truhen gepackt und waren mit dem Hogwartsexpress abgefahren. Hogwarts selbst, die altehrwürdige Schule für Hexerei und Zauberei, lag nunmehr verhältnismäßig still in der kalten Winterlandschaft des britischen Nordens. Hier und da sah man kleine Gruppen von Schülern, welche die Ferien in der Schule verbringen würden, sich die Freizeit an der frischen Luft vertreiben, wobei die Blicke immer wieder sehnsuchtsvoll gen Himmel wanderten, um abzuschätzen, ob ihnen wohl bald Schnee vergönnt wäre. Doch waren die Sorgen der Kinder unbegründet. Ein jahrhundertealter Zauber sorgte schließlich jedes Jahr dafür, dass es zu Weihnachten in Hogwarts schneite. Spätestens am Heilig Abend würden dicke, weiße Schneeflocken in dichtem Stöbern gen Boden segeln und dort bis ins neue Jahr liegen bleiben, ehe zur zwölften Nacht des Weihnachtsfests der Zauber erlosch.

Zu den Schülern, die dieses Weihnachten in Hogwarts verbrachten, gehörte ausnahmsweise auch die Weasley-Potter-Schar, obgleich ihre Zahl in diesem Jahr nicht mehr gar so hoch wie noch zu Spitzenzeiten war, als zeitgleich bis zu neun Kinder der Familie die Schule besucht hatten. Jetzt waren es ‚nur’ noch sechs und diese verteilten sich zudem noch auf drei verschiedene Schulhäuser, so dass es kaum aufgefallen wäre, hätten die meisten von ihnen nicht das Weasley-typische, kupferrote Haar geerbt. Doch in diesem Jahr hatten ihrer aller Eltern beschlossen, zum ersten Mal in über zwanzig Jahren mit der Tradition eines liebevoll-chaotischen Weihnachtsfests im Fuchsbau zu brechen und stattdessen den Großeltern und sich selbst eine magische Kreuzfahrt zu schenken. Nicht, dass ihnen das Fest im Fuchsbau nicht fehlen würde, aber sie waren der Ansicht gewesen, dass die Großeltern Ferien verdient hätten. Schließlich wurden Molly und Arthur Weasley nicht jünger und nach fünfzig Jahren des Weihnachtsfestorganisierens war ein solcher Urlaub längst überfällig. Da man aber auch gewusst hatte, dass die Großeltern das Geschenk nicht annehmen würden, wenn sie allein auf dem Kreuzfahrtschiff wären, fuhren alle Erwachsenen mit und das Jungvolk wurde sich selbst überlassen. Die Hälfte von ihnen wussten die Eltern sicher in Hogwarts aufgehoben und was die Jüngste der Bande, die neunjährige Roxanne, betraf, so hatte sich ihre älteste Cousine Victoire bereit erklärt, gemeinsam mit ihrem Verlobten Teddy Lupin auf sie aufzupassen. Bei dem Rest vertrauten die Eltern einfach darauf, dass sie alt genug und vernünftig genug waren, allen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, oder nur in solche Schwierigkeiten zu geraten, die sie selbst auch wieder bereinigen konnten.

Erstaunlicherweise hatte es seitens der jungen Generation herzlich wenig Protest gegen diese Weihnachtspläne gegeben. Vier der Hogwarts-Schüler hatten gar, nicht ganz zu Unrecht, angemerkt, dass es sich angesichts von im Sommer bevorstehenden UTZ- und ZAG-Prüfungen in Hogwarts eher lernen ließ als im Fuchsbau. Natürlich hätte keiner von ihnen die Bücher gegen den Festtagsschmaus getauscht, aber gleich über die gesamten Ferien die Bücher zu ignorieren war angesichts der guten Noten, die andere Familienmitglieder in diesen Prüfungen erzielt hatten, nicht wirklich eine Option. Im Fall von Lily Luna Potter sprach aber noch weit mehr als nur die Möglichkeit des Lernens für einen Aufenthalt in Hogwarts über die Feiertage. Allerdings war sie Slytherin genug, ihren Eltern gegenüber nur das Lernen zu erwähnen, denn sie war sich nicht sicher, ob diese von ihren anderen Plänen so begeistert gewesen wären, hätten sie davon gewusst. Dabei hatte sie nur das Glück anderer im Sinn. Nun ja, ein gewisser Eigennutz war schon mit im Spiel, aber ehrlich, es war ja auch nicht mehr mit anzusehen, wie ihr Bruder und sein bester Freund umeinander tanzten und keiner von beiden den Mut fand, über die Schatten der gesellschaftlichen Erwartungen zu springen und dem anderen eine Gefühle zu gestehen.

Albus Severus Potter und Scorpius Hyperion Malfoy waren seit der ersten Klasse – sehr zum Verdruss ihrer beider Väter – die besten Freunde. Aber wie sehr sich Kinder von ihren Vätern unterscheiden konnten, zeigte sich bereits darin, dass Albus Severus ein Ravenclaw und nicht ein Gryffindor war und Scorpius absolut kein Interesse an Quidditch hatte. Im Laufe der Jahre freilich hatte sich die Freundschaft gewandelt, war auf eine Weise inniger geworden, die keiner von beiden sich so recht eingestehen wollte. Zumal da ja auch noch die gesellschaftlichen Erwartungen waren, die ihre Schatten auf Scorpius als Malfoy-Erben warfen, und niemand hatte je behauptet, dass es einfach war über derartige Schatten zu springen. Für Lily Luna aber waren diese gesellschaftlichen Erwartungen nur antiquierter Humbug. Sie lebten im einundzwanzigsten Jahrhundert und selbst in der Zaubergesellschaft gab es mittlerweile so etwas wie künstliche Befruchtung und Leihmütter, wenn man denn unbedingt einen genetisch legitimen Erben brauchte. Weshalb also deswegen seine wahre Natur verleugnen und ein unglückliches Leben führen? Nein, Lily Luna war fest entschlossen diese Weihnachtsferien zu nutzen, um ihren Bruder und seinen besten Freund dazu zu bringen, endlich Farbe zu bekennen. Abgesehen davon, dass sie sich nicht ausmalen wollte, wie anstrengend die Ferien werden würden, wenn sie in dieser Sache nicht etwas unternahm, waren sie und Scorpius doch die beiden einzigen Slytherin, die dieses Weihnachten in der Schule verbrachten. Und die Art, wie Scorpius über Albus Severus sprach, aber sich nicht die Wahrheit eingestehen wollte war, nun ja, anstrengend.
 

Mit ihren Geschichtsaufzeichnungen in der Hand, machte sich Lily Luna in Richtung des siebten Stocks auf.

Seit sie vor einiger Zeit gesehen hatte, wie ein paar ungestüme Erstklässler beim Herumtollen einen der steinernen Gargoyles beschädigt hatten, das Schloss selbst aber diese steinerne Statue im Verlauf einer Viertel Stunde eigenständig repariert hatte, fragte sie sich, wie weit dieser Selbsterhaltungszauber von Hogwarts wohl ging. War es vielleicht denkbar, dass dieses magische Schloss so ziemlich alles in seiner Struktur reparierte, wenn man ihm nur genug Zeit ließ? Und war ein Vierteljahrhundert vielleicht sogar genug Zeit, um so etwas Formidables wie den sagenumwobenen Raum der Wünsche zu reparieren?

Sie alle wussten um die Rolle, welcher dieser Raum im letzten Jahr des schrecklichen Krieges gegen Voldemort gespielt hatte. Sowohl, was das Verstecken der gefährdeten Schüler, als auch das Verstecken allerlei Gegenstände, darunter auch ein gefährliches Artefakt Voldemorts, betraf. Zwar waren den meisten Schülern nur die allgemeinen Fakten bekannt, doch nach dem Vorfall mit dem Gargoyle hatte Lily Luna die Frage nach dem Raum nicht mehr losgelassen und so hatte sie sich an Professor Longbottom gewandt, um von diesem, angeblich für eine Geschichtshausarbeit, so viel wie möglich über den Raum der Wünsche zu erfahren. Aus den Erzählungen ihres Vaters wusste sie, dass Professor Neville Longbottom in jenem denkwürdigen Kriegsjahr mehr Erfahrung mit dem Raum und dessen Manipulationsmöglichkeiten gelernt hatte als jeder andere. Und wenn der Raum inzwischen wieder hergestellt war, wollte Lily Luna ihn möglichst nicht unvorbereitet betreten.

Vor dem Wandbehang mit den tanzenden Trollen blieb die Slytherin-Schülerin stehen, sah sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass auch niemand sonst sich in dem Korridor aufhielt, dann holte sie ein letztes Mal tief Luft, ehe sie vor dem Wandteppich auf und ab ging und dabei an den Raum der Wünsche dachte. Instinktiv hatte sie sogar die Augen geschlossen, doch als sie sie nach der dritten Wiederholung öffnete und auf die gegenüberliegende Wand blickte, breitete sich Enttäuschung in ihr aus: Die Wand sah so aus wie eh und je. Dann aber schlug sie sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und schalt sich eine Närrin. Natürlich war die Wand unverändert. Niemand wusste, wie der Raum der Wünsche ohne Wunsch aussah, aber man rief ja auch nicht den eigentlichen Raum, sondern den Raum, den man gerade zu sehen wünschte.

Also wiederholte sie das Ganze noch einmal, nur dass sie sich dieses Mal einen Raum wünschte, in dem Albus Severus und Scorpius einander endlich ihre Gefühle gestehen würden. Und der sie nicht eher wieder heraus ließ, als bis sie es getan hatten. Zuletzt, da sie beide Jungs und ihren Starrsinn gut genug kannte, fügte sie noch die Bedingung hinzu, dass die Hauselfen ihnen Essen und frische Kleider schicken durften. Und dass es vermutlich nicht falsch wäre, wenn der Raum eine Art Nebenraum mit einem Bad kreierte. Wer wusste schließlich schon, wie starrsinnig sich die beiden eventuell gebärden würden?

Als sie dieses Mal die Augen öffnete, hatte sich tatsächlich in der gegenüberliegenden Wand eine Tür gebildet. Vor Freude entschlüpfte Lily Luna ein kleiner Jubelschrei, doch ein weiterer hastiger Blick versicherte ihr, dass niemand diesen Ausbruch gehört hatte. Denn sie war keineswegs gewillt, die Entdeckung, dass der Raum der Wünsche wieder existierte, so schnell mit jemandem zu teilen. Außer natürlich Albus Severus und Scorpius. Jetzt musste sie die beiden nur noch hier her locken... Doch zuvor wollte Lily Luna den Raum selbst begutachten, um sicher zu gehen, dass er auch so war, wie sie ihn sich vorstellte. Weibliche Neugier eben...

Die Türklinke ließ sich jedenfalls schon mal bewegen, die Tür öffnete sich sogar, und dann betrat Lily einen der besten Räume, den sie sich je hätte ausmalen können. Er erinnerte überwiegend an eine dieser herrlichen, gemütlichen Bibliotheken alter Landsitze... mit schweren, wohlgefüllten Bücherregalen aus dunklem Holz, dazu bequeme, mit grünem Samt bezogene Sitzmöbel, ein großer Kamin und sogar die Illusion einiger hoher Fenster an einer Wand, welche den Raum mit Tageslicht versorgten. In einer Ecke stand sogar ein Weihnachtsbaum! Na, das ließ ja einiges bezüglich des Starrsinns der zukünftigen Bewohner erahnen. Mit einem Kichern erkannte Lily Luna, dass sich die beiden Sofas, welche neben Sesseln zum Sitzen und Schmökern einluden, in Betten umwandeln ließen und nachdem sie die Regale inspiziert hatte, erkannte sie rasch, dass einige Bücher nur Attrappe waren und weitere Schätze verbargen. Niemand widmete ein ganzes Bücherregal Werken mit Titeln wie ‚Die Kunst des Federkissens’ oder ‚1001 Wolldecke’. Tatsächlich war es eine geschickt verborgene Tür zu einem Wandschrank, der eben Kissen und Decken für Übernachtungsgäste enthielt. Als Lily Luna weiterwanderte fand sie noch ein Regal, dass sich Seife, Toilettenschüsseln und Badewannen widmete, und hinter dem sich, ganz wie gewünscht, ein kleines Badezimmer verbarg. Sie fand sogar einen Wandschrank, der Geschirr, Gläser und Besteck enthielt. „Wundervoll!“, rief sie. „Ich danke dir, lieber Raum!“

Zufrieden mit ihrer Inspektion, wandte sich Lily Luna der Tür wieder zu, doch als sie dieses Mal die Klinke betätigte, rührte sich die Tür keinen Millimeter. So sehr sie auch rüttelte, nichts tat sich. Auch der allgemein funktionierende Aufschließzauber ‚Alohomora’ blieb erfolglos! Lily Luna spürte, wie eine leichte Panik in ihr aufstieg. Wieso ließ der Raum sie nicht wieder gehen? Sie hatte doch nur Albus Severus und Scorpius hier einsperren wollen, nicht sich selbst...

Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen und sie sank stöhnend auf den Boden. Was war sie doch für ein Esel gewesen! Da hatte sie geglaubt, sie hätte alles richtig gemacht, hatte gar gedacht, alles über den Raum zu wissen, sich selbst für die Sorgfalt gelobt, mit der sie sogar an Essen und ein Bad gedacht hatte und darüber vollkommen übersehen, dass sie dem Raum nicht mitgeteilt hatte, dass er nur Albus Severus und Scorpius nicht mehr hinaus lassen sollte. Stattdessen hatte sie die Sache mit der verschlossenen Tür so vage formuliert, dass der Raum es offenbar so interpretierte, dass er gar niemanden mehr herauslassen sollte, bis die Bedingung für das Öffnen erfüllt war. Sie war so auf die beiden Jungs in ihren Gedanken fixiert gewesen, dass sie gar nicht daran gedacht hatte, dass auch andere Personen den Raum betreten könnten – sie eingeschlossen. Im wahrsten Sinne des Wortes...

„Ganz grandios, Lily Luna, ganz grandios! Mit etwas Glück schaffst du es mit dieser Aktion in die Geschichte Hogwarts... als der erste Mensch, der durch eigene Blödheit in Friedenszeiten im Raum der Wünsche stirbt... ich werde zwar nicht verhungern, aber garantiert wahnsinnig werden... und dann zum Geist... und garantiert kann ich selbst als Geist noch nicht mal aus diesem Raum... denn wie bitte schön sollen Scorpius und Albus Severus jetzt wissen, dass sie bitte schön sich hier einsperren lassen sollen? Ich bin so eine Idiotin!“
 

Die Glocke für das Abendessen hallte magisch durch das Schloss und rief die verbliebenen Schüler in die Große Halle. Dort waren, wie zu den Weihnachtsferien üblich, die großen Haustische durch eine gemeinsame Tafel ersetzt worden, an welcher sich Schüler wie Lehrer einfanden. Bei einer so kleinen Gruppe fiel es natürlich sofort auf, dass Lily Luna abwesend war. Allerdings fiel es allen erst jetzt auf, dass sie die Schwester, Cousine oder Hauskameradin den ganzen Nachmittag über nicht gesehen hatten.

„In der Bibliothek kann sie nicht gewesen sein“, erklärte Rose, „Denn ich war den ganzen Nachmittag dort und habe gelernt.“

„Sie war auch nicht im Slytherin-Gemeinschaftsraum“, mischte sich Scorpius ein.

„Wir haben den ganzen Nachmittag Quidditch gespielt“, erklärte Fred und wies auf seine beiden besten Freunden Lysander und Lorcan Scamander. „Da war sie auch nicht.“

„Vielleicht ist sie auch einfach nur in ihrem Schlafsaal geblieben, um dort in Ruhe zu lernen, und ist darüber eingeschlafen“, schlug Albus Severus begütigend vor. Er hielt wenig davon, die Pferde scheu zu machen, bloß, weil jemand mal zu einer Mahlzeit fehlte. „Aber wenn es euch beruhigt, kann ich nach dem Essen ja mal nachschauen.“ Er zwinkerte seinen Familienmitgliedern verschwörerisch zu. Wie es sich gehörte, hatte sein Vater seinem ältesten Sohn die legendäre Karte der Rumtreiber überlassen, als dieser in die dritte Klasse gekommen war. Und James wiederum hatte die Karte bei seinem Abschluss im Sommer an Albus Severus weitergereicht.

Der Rest des Abendessens verlief eher ruhig und normal. Dann aber löste sich die Versammlung auf und Scorpius, der am Abend noch ein wenig Zeit mit seinem besten Freund verbringen wollte, begleitete Albus Severus in den Ravenclaw-Turm. Dort hatte man sich längst an seine Anwesenheit gewöhnt, so dass ihm niemand weiter Beachtung schenkte. Allerdings hatte sich nach dem letzten Krieg gegen Voldemort die strikte Trennung der Häuser etwas mehr gelockert, als es im gesamten vergangenen Jahrhundert der Fall gewesen war. Und auch wenn die meisten Häuser die meiste Zeit untereinander verbrachten, waren Besuche in den anderen Gemeinschaftsräumen nichts Unerhörtes mehr, wenngleich vielleicht Slytherin etwas weniger offen darin war, Besucher zu empfangen. In diesem Jahr hatte Ravenclaw sogar einen ständigen Besucher über Weihnachten im Turm, denn als sich herauskristallisierte, dass lediglich Mathilda Gimlet aus Hufflepuff die Ferien in der Schule verbringen würde, hatte Lucy Weasley vorgeschlagen, dass Mathilda, die zudem ihre Freundin war, doch für die Zeit in Ravenclaw wohnen könnte, statt allein im Hufflepuffkeller zu bleiben. Da dies Professer Sprout, der inzwischen beinahe antik wirkenden Hauslehrerin, ermöglichte, Weihnachten bei ihrer Enkeltochter und den Urenkeln zu verbringen, war dieser Vorschlag angenommen worden. (Es war für viele Schüler unverständlich, weshalb Professor Sprout sich nicht längst zur Ruhe gesetzt hatte, zumal ihr Kollege Longbottom mit Ausnahme der ersten Klasse bereits den gesamten Kräuterkundeunterricht übernommen hatte, doch für Professor Sprout waren die Pflanzen in den Gewächshäusern mehr und mehr zur Familie geworden, nachdem ihre eigenen Kinder erwachsen und in die Welt hinaus gezogen waren. Und man trennte sich nicht von seiner Familie, auch dann nicht, wenn es ‚nur’ Pflanzen waren.) Ergo waren an diesem Abend auch nur Lucy und Mathilda im Gemeinschaftsraum, Lysander und Lorcan, die beiden Zwillingsbrüder und einzigen weiteren Ravenclaws, die in den Ferien hier weilten, waren mit ihrem Freund Fred Weasley nach dem Abendessen im Gryffindor-Gemeinschaftsraum verschwunden.

„Warte kurz hier“, sagte Albus Severus zu Scorpius und eilte dann die Treppe zu seinem Schlafsaal hinauf. Denn ein unausgesprochenes Gesetz besagte, dass auch wenn Besuche im Gemeinschaftsraum geduldet wurden, die Schlafsäle privat waren und das auch zu bleiben hatten. Denn bloß weil man selbst keine Probleme damit hatte, dem besten Freund sein Bett zu zeigen, hieß das nicht, dass die Mitschüler, die mit einem den Schlafsaal teilten, dies genauso sahen.

Im Schlafsaal angelangt, fischte Albus Severus die Karte aus seiner Truhe und aktivierte sie: „Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin.“

Rasch faltete und blätterte er in dem Pergament, ehe er den Kerkerbereich vor sich hatte, in dem sich die Slytherin-Räume befanden. Doch zu seiner Überraschung und nicht geringen Beunruhigung konnte er dort keinen schwarzen Punkt mit Lily Lunas Namen entdecken. Er zückte seinen Zauberstab und richtete ihn auf die Karte. „Zeige mir Lily Luna Potter“, intonierte er und wartete dann ab, dass das Geraschel des sich selbst ordnenden Pergaments aufhörte.

Es war schon erstaunlich, was die geballte Tatkraft einer ganzen Weasley-Generation für Verbesserungen an der Karte bewirkt hatte. So hatten sie es geschafft, die Karte für den Auffinde-Zauber empfänglich zu machen, ebenso wie es ihnen gelungen war, einen automatischen Aktualisierungszauber für Räume zu integrieren. Nach der Zerstörung durch Voldemort hatten sich nämlich einige bauliche Änderungen im ursprünglichen Plan Hogwarts ergeben, die sie gerne auf der Karte verzeichnet haben wollten. Zwar keine schwerwiegenden Änderungen, aber es war durchaus hilfreich auch etwa den neuen magischen Lift (eine Mischung zwischen selbsttätiger Treppe und fliegendem Teppich), der von der Eingangshalle direkt in die Krankenstation führte, eingezeichnet zu sehen.

Als die Karte zur Ruhe gekommen war, staunte Albus Severus nicht schlecht. Seine Schwester war in etwa so weit von den Slytherin-Gefilden entfernt, wie man in dieser Schule nur sein konnte. Immerhin, so stellte er erleichtert fest, war sie noch in der Schule, auch wenn er sich nicht daran erinnern konnte, je in diesem Korridor im siebten Stock eine Tür gesehen zu haben. Egal, er hatte sie gefunden, jetzt konnte er auch nachsehen gehen, was mit ihr los war, denn ehrlich gesagt, sah es Lily Luna gar nicht ähnlich eine Mahlzeit zu versäumen. Dinge wie Diät waren seiner Schwester zum Glück gänzlich fremd, aber diesbezüglich war sie mit dem Potterschen Metabolismus gesegnet, der bei einem einigermaßen aktiven Lebenswandel jedes Ansetzen von Fett unmöglich machte.

Die Karte noch aktiviert in der Hand, eilte Albus Severus wieder in den Gemeinschaftsraum und schnappte sich dort Scorpius. „Komm, ich hab sie gefunden. Sie ist im siebten Stock. Wer weiß, was sie da macht und was ihr vielleicht zugestoßen ist. Möglich, dass ich deine Hilfe brauche...“

Scorpius nickte nur und ließ sich bereitwillig mitziehen.
 

Der Korridor im siebten Stock lag – wie nicht anders erwartet – still und verlassen da. Zielstrebig führte Albus Severus sie zu der Tür, die ihm die Karte anzeigte. Gerade als er die Klinke betätigen wollte, zupfte ihn Scorpius am Ärmel seiner Robe und wies auf die gegenüberliegende Wand. Albus Severus stockte der Atem. „Ist das...?“ Er drehte sich um und sah wieder zu der Tür. „Ist es möglich...?“

„Der Raum der Wünsche“, sagte Scorpius beinahe ehrfürchtig.

Dann gab es für die beiden Jungen kein Halten mehr. Sie stürzten regelrecht zur Tür, jeder wollte der erste sein, derjenige sein, der sie öffnete. Und so fielen sie regelrecht als Menschenknäuel in den als Bibliothek hergerichteten Raum.

Lily Luna, die auf einem der Sofas saß und in einem Buch gelesen hatte, hatte bei dem ersten Anzeichen von Tumult hoffnungsvoll aufgeblickt. Doch kaum waren ihr Bruder und ihr Hauskamerad in den Raum gepurzelt, als die Tür auch schon hinter ihnen ins Schloss fiel. Lily Luna wusste nicht, ob sie nun froh oder enttäuscht sein sollte, weil es ihr nicht gelungen war, das Eintreffen der beiden zu ihrer gleichzeitigen Flucht zu nutzen. Denn sie ahnte sehr wohl, dass die beiden Jungen alles andere als begeistert wären, wenn sie erfuhren, dass sie nun hier eingesperrt waren, warum sie hier eingesperrt waren und was sie tun mussten, um hier wieder herauszukommen.

Albus Severus war der erste, der sich wieder aufrappelte. „Lily! Es geht dir gut! Merlin sei Dank!“

Lily Luna seufzte und beschloss, den unangenehmen Teil lieber gleich hinter sich zu bringen. „Sag das noch einmal, wenn du die ganze Wahrheit kennst.“

Scorpius, der sich mittlerweile ebenfalls vom Boden erhoben und den imaginären Staub aus den Kleidern geklopft hatte, sah seine Hauskameradin mit forschendem Blick an. Er kombinierte rasch ein paar der Fakten, die sich ihm darboten und bewegte sich dann so unauffällig wie möglich zur Tür. Ein sachtes Rütteln an der Klinke bestätigte die Vermutung – abgeschlossen!

Lily Lunas Blick war Scorpius gefolgt, denn sie wusste, dass dieser von Natur aus misstrauischer als ihr Bruder war. „Setz dich lieber“, rief sie ihm zu und bedeutete Albus Severus es ihm gleichzutun. „Ja, das ist der Raum der Wünsche. Ja, wir sind hier eingeschlossen. Und nein, wir werden nicht verhungern.“

„Was macht dich bezüglich des letzten Punktes so sicher?“, fragte Scorpius.

Lily Luna wies auf einen Teller, wo die Reste von einem Weintraubenast zu sehen waren. „Ich bin schon in den Genuss des Zimmerservices gekommen... Abgesehen davon... ist mir zwar beim Aktivieren des Raums ein kleiner Schönheitsfehler unterlaufen, aber immerhin die grundlegenden Dinge wie sanitäre Einrichtung und Essen habe ich bedacht.“

„Verstehe ich das richtig?“, mischte sich jetzt Albus Severus ein. „Wir sind hier aufgrund eines kleinen Schönheitsfehlers von dir eingeschlossen? Weil du den Raum gerufen hast, ohne dir Gedanken darüber zu machen, dass wir den Raum ja auch wieder verlassen wollen? Und du hast keinen Plan, wie wir hier herauskommen? Natürlich nicht, sonst hättest du ja selbst schon längst den Raum wieder verlassen.“

„Nicht ganz“, erwiderte Lily Luna und hatte den Anstand, sogar etwas rot zu werden. „Der Plan sah durchaus vor, euch beide hier einzuschließen, bis die Bedingung zum Türöffnen erfüllt ist. Der Schönheitsfehler besteht darin, dass ich nicht vorhatte, ebenfalls hier eingeschlossen zu sein.“

Für einen Moment sah es aus, als wollten die beiden Siebtklässler das Mädchen erwürgen, doch dankenswerterweise sahen beide davon ab, diesem Gedanken Taten folgen zu lassen.

Es war Scorpius, der, sich der eiskalten Malfoy-Maske bedienend, als erster wieder soweit Herr über sich selbst war, dass er Lily Luna mit weiteren Fragen traktieren konnte. „Und dürfen wir erfahren, weshalb du der Ansicht warst, dass uns hier einzusperren eine gute Idee sei? Und dürfen wir darüber hinaus auch erfahren, wie wir hier wieder heraus kommen können?“

Alle Überlebensinstinkte in Lily Luna heulten mit erschreckenden Alarmsignalen auf. Wie sollte sie, wo sie doch gerade erst einem vorzeitigen Ableben entkommen war, es überleben, den beiden zu erklären, wie sie hier wieder heraus kamen? Wieso hatte sie sich nicht beim ersten Anzeichen von Lärm im Bad versteckt? Doch für derlei Einfälle war es jetzt eh zu spät. Also beschloss sie, dass Angriff die beste Verteidigung war und sagte so leicht hin, wie es ihr unter diesen Umständen möglich war: „Eigentlich ist es ganz einfach... es war nicht mehr mit anzusehen, was für einen Eiertanz ihr beiden aufführt. Und ehe ihr im Sommer euren Abschluss macht und nicht zu Potte gekommen seid, dachte ich mir, sorge ich lieber selbst für ein Happy End. Zudem, welche Zeit wäre besser dafür geeignet als Weihnachten? Alles, was ihr tun müsst, ist einander eure Gefühle für den jeweils anderen zu gestehen und wir können allesamt gemeinsam in den metaphorischen Sonnenuntergang reiten...“

„Wie wäre es, mein liebes Schwesterherz, wenn ich dir stattdessen meine Gefühle für dich gestehen würde?“ Angesichts der finsteren Miene, die Albus Severus bei diesen Worten machte, zog Lily Luna es dann doch vor, blitzartig sich in das Badezimmer zurück zu ziehen und sich dort zu verschanzen. Denn auch wenn sie ihrem Bruder nicht wirklich zutraute, sie dafür zu töten, so gab es noch eine Vielzahl anderer unangenehmer Möglichkeiten, seinem Unmut Nachdruck zu verleihen.
 

Der nächste Morgen brach an und alle unfreiwillig Eingeschlossenen hatten die Nacht überlebt. Die Tatsache, dass Lily Luna mit Inbesitznahme des Bades auch die einzige Toilette als Druckmittel in Händen hielt, blieb von dem Slytherin-Mädchen nicht ungenutzt, und so hatten sie einen zögerlichen Frieden geschlossen. Auch wenn die Blicke, die am Morgen durch den Raum der Wünsche geworfen wurden, zeigten, dass sie sich alle lieber auf einen langen Aufenthalt einrichten sollten. Denn Scorpius und Albus Severus weigerten sich schlichtweg zuzugeben, dass zwischen ihnen mehr als Freundschaft bestehen könnte, und wie sollte man einem anderen Gefühle gestehen, die man ja gar nicht hatte? Leider aber hatten die deutlich ausgesprochenen Freundschaftsbekundungen den Raum der Wünsche nicht überzeugen können, dass damit die Kriterien zu ihrer Freilassung erfüllt seien. Lily Luna hatte sich diesbezüglich klugerweise eines jeden Kommentars enthalten und sich stattdessen einem der unzähligen Bücher in dem Raum gewidmet. Schließlich wusste man nie – sie blinzelte auf den Titel: „Magische Gobelins sticken“ – ein solches Wissen brauchte. Oder auch nicht... Aber sicherlich besser als einer der Titel über Toilettenschüsseln und Badewannen...

Gnädigerweise gewährte ihnen der Raum der Wünsche noch ein Schachspiel als Alternative zum Lesen, so dass wenigstens zwei von ihnen jeweils etwas Ablenkung von Büchern hatten. Wobei die Bücher an sich bei dieser Gruppe wohl kaum auf Widerwillen gestoßen wären, aber da es sich um ausschließlich unnütze Bücher handelte, die mancher Titelblatteintragung zufolge ausgemusterte Bibliotheksbestände waren, und kein einziges aktuelles Schulbuch darunter war, konnten sie noch nicht einmal die unfreiwillige Gefangenschaft nutzen, sich auf ihre Prüfungen vorzubereiten. Denn in den Zaubertrankprüfungen würden sie bestimmt nicht nach der Geschichte der Schrumpelfeigenmarmelade und wie man aus einer einzigen Schrumpelfeige genug Fruchtfleisch für einen Marmeladentopf gewann fragen.

Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als bestmöglich die Zeit herum zu kriegen und zu hoffen, dass kein anderer diese Falle von einem Raum betrat. Oder, dass es irgendjemandem bitte gelang, den Zauber des Raumes zu brechen und sie zu befreien. Oder – obgleich Lily Luna die einzige mit dieser konkreten Hoffnung war – ihr Bruder und dessen Freund endlich das Unvermeidliche akzeptierten und ihrerseits den Spuk beendeten. Und ehrlich, sie tat alles, was ihr nur einfiel, um den beiden die Privatsphäre zu geben, die diese für ein solches Geständnis sicherlich bräuchten... wie etwa zu erklären, das Gobelin-Buch sei viel zu spannend, um jetzt Schach zu spielen, dass die beiden doch viel lieber noch eine Partie spielen sollten, während sie selbst ihren Sessel noch ein Stück weiter in die entfernteste Ecke rückte. Oder ein endlos langes Bad nahm, bis ihre ganze Haut sich schrumpelig anfühlte...
 

Natürlich war es bereits beim Frühstück aufgefallen, dass nun nicht mehr nur Lily Luna sondern auch ihr Bruder und Scorpius fehlten. Und wie nicht anders zu erwarten war, kursierten am Frühstückstisch die wildesten Vermutungen. Zumindest unter den Schülern, denn keiner von ihnen war gewillt zu riskieren, dass die drei irgendwelchen Ärger mit den Lehrern bekamen, nur weil sie es mit ihren Mutmaßungen zu weit getrieben hatten. Dennoch stand außer Frage, dass sich die Weasleys und ihre Freunde Sorgen machten und so herrschte unter ihnen allen die unausgesprochene Vereinbarung, nach den Verschollenen zu suchen. Dabei spalteten sich zwei Lager: Die Älteren, bestehend aus Rose, Hugo und Lucy Weasley, und den Jüngeren, bestehend aus Fred Weasley und den Scamander-Zwillingen. Und es verstand sich von selbst, dass jede dieser Gruppen ihre eigene Idee über die richtige Vorgehensweise hatte.

Bei der erstgenannten Gruppe erinnerte sich Lucy, dass Albus Severus am Vorabend etwas über den siebten Stock gesagt hatte, nachdem er die Karte konsultiert hatte. Also machten sich diese drei auf den Weg, das siebte Stockwerk abzusuchen. Was sich als nicht gerade einfach erwies, war dieses Stockwerk doch nicht durchgängig, sondern über verschiedene Türme und Zugänge immer nur in Teilen zu erreichen. Schließlich aber gelangten sie in jenen Korridor, in welchem der Zugang zum Raum der Wünsche war. Und tatsächlich war da jene Tür, die noch nie zuvor zu sehen gewesen war. Doch – und in dieser Hinsicht konnten die Gefangenen beruhigt sein – nachdem der Raum der Wünsche einmal die Personen beherbergte, für die er gerufen worden war, hielt er die Tür magisch verschlossen, so dass für Rose, Hugo und Lucy kein Hereinkommen war. Dennoch waren sich alle drei sicher, dass die Vermissten sich hinter der Tür im Raum der Wünsche befanden. Denn selbstredend hatte Rose, wie am Abend zuvor Scorpius, den Wandteppich mit den Trollen erkannt. Und selbstredend kamen alle drei nicht auf die Idee, dass die beiden Potter-Geschwister und der Malfoy-Erbe vielleicht freiwillig in dem Raum waren, diesen jederzeit nach Gutdünken verlassen könnten und somit keiner Rettung ihrerseits bedurften. Denn eine solche Idee wäre langweilig gewesen und hätte die drei vermeintlichen Retter des Vergnügens beraubt, die wildesten Pläne zur Befreiung ihrer Verwandten und Klassenkameraden zu schmieden. So betrachtet war es vermutlich überaus erstaunlich, dass man sich sogar auf einen Plan einigte, wenngleich selbstredend den effektvollsten. Ob dieser auch am effektivsten wäre, blieb abzuwarten! Aber was ihre Mutter gekonnt hatte, konnte Rose Weasley allemal und so wurde der Toilettenraum der maulenden Myrte einmal mehr zum Zaubertrankbrauen missbraucht. Auch wenn Rose nicht etwas so Aufwändiges wie Vielsafttrank zu brauen gedachte – eine schlichte Explosionslösung würde in ihrem Fall genügen und war auch wesentlich schneller fertig gebraut. Bereits am frühen Nachmittag konnte der Trank dekantiert werden. Dann ging es wieder in den siebten Stock...

Tja, und von dort aus direkt in die Krankenstation... Denn der Raum der Wünsche nahm unerlaubtes Eindringen und derartige Versuche gegen seinen Willen den dergestalt Handelnden äußerst übel, ging dabei aber überaus simpel zu Werke: Er schleuderte einfach den entsprechenden Zauber, Spruch, Fluch oder – wie in diesem Fall – Trank auf die Übeltäter zurück... Nun ja, zum Glück explodierte keiner der drei Schüler, aber sie trugen doch schmerzhafte Verätzungen davon und die Krankenschwester war alles andere als begeistert davon, ihre Ferien dergestalt unterbrochen zu sehen. Sie hatte zwar nur in Hogsmeade Verwandte besucht, aber dennoch... Und so war sie nicht darüber erhaben, die drei Unglücksraben ihren Unmut spüren zu lassen.

Die andere Gruppe ging etwas umsichtiger zu Werke. Zunächst einmal beschlossen die drei Jungen, eine Runde Quidditch zu spielen, ehe das jährliche Schneetreiben dem Sport Einhalt gebieten würde. Denn überhaupt, wer sagte denn, dass die drei nicht einfach das Frühstück verschlafen hatten, weil sie am Abend zuvor zu lange eine kleine Privatparty abgehalten hatten? Also war es wohl vernünftiger, erst einmal das Mittagessen abzuwarten. Schließlich erschienen auch an den Wochenenden selbst die ausdauerndsten Langschläfer zum Mittagessen. Doch auch zur Mittagszeit blieben die Plätze von Albus Severus, Scorpius und Lily Luna leer. Da aber niemand so lange ohne Essen auskommen konnte, schlussfolgerten die drei Jungen, dass ihre Verwandten und Hauskameraden eine andere Quelle als das Essen in der Großen Halle hatten. Und in Hogwarts gab es bekanntlich nur eine wirkliche Quelle für Essen: die Küche.

Als würdiger Sohn seines Vaters kannte Fred Weasley natürlich die Lage der Küche und Lysander und Lorcan kannten sie sowieso, hatten sie doch von ihren Eltern die Faszination für alle möglichen Lebewesen geerbt – und das schloss Hauselfen mit ein. Schließlich wusste jeder (auch wenn die meisten Leute nicht zugaben, dass sie es wussten), dass man nur in Gegenwart von Hauselfen Nurmlis sehen konnte. Denn die Nurmlis halfen den Hauselfen, indem sie Staub fraßen – Nurmlis Lieblingsessen. Ihre Mutter Luna hätte gerne ein paar Nurmlis für ihr Zuhause gehabt, aber da sie gleichzeitig dagegen war, einen Hauself als Sklaven zu halten und freie Hauselfen auf dem Markt nicht zu bekommen waren, musste sie auch auf Nurmlis verzichten. Aber zurück zu den Hauselfen – diese waren bekanntlich in Hogwarts am ehesten in der Küche anzutreffen, und so hatten Lysander und Lorcan damals, in der ersten Klasse, nicht eher geruht, ehe sie nicht die Küche lokalisiert hatten...

Auf jeden Fall machten sich die drei am Nachmittag – etwa zu der gleichen Zeit, da Lucy, Rose und Hugo sich mit der Explosionslösung in Richtung Raum der Wünsche aufmachten – auf den Weg in die Küche. Direkt nach dem Essen hatten sie nicht stören wollen, wäre das doch die Zeit, wo die Elfen mit Abwasch oder dem eigenen Mittagessen beschäftigt wären. Und sie wollten schließlich nicht unhöflich erscheinen. Denn im Gegensatz zu manch anderem Mitglied der Zaubergesellschaft, betrachteten die drei die hilfreichen Elfen nicht bloß als ‚nur Hauselfen’, sondern als eigenständige Wesen, die zwar gerne bereit waren, einem zu helfen, aber die gleichzeitig auch über Mittel subtiler Rache verfügten, wenn man sie misshandelte. Wie etwa mit überreichlich Stärke behandelte Unterwäsche... Nach einer ausreichenden Wartezeit aber konnten die drei ihre Neugier nicht länger bezähmen. Rasch war die Birne gekitzelt und ein Heer hilfreicher Elfen fragte, was sie für die jungen Herren tun konnten.

„Wir wollten fragen, ob ihr wisst, wo sich Albus Severus und Lily Luna Potter sowie Scorpius Malfoy aufhalten.“

Die Elfen nickten. „Wir immer wissen, wo sich Leute innerhalb von Hogwarts aufhalten.“

Lysander rollte mit den Augen und stieß seinem Bruder, der die erste Frage gestellt hatte, den Ellbogen in die Seite. „Ganz klasse, Lorcy. Du weißt doch, dass man immer nur die Antwort auf die Frage bekommt, die man stellt. Sprich, wir wissen immer noch nicht, wo sich die drei aufhalten.“

„Ja, ja, aber du hättest es natürlich viel besser gemacht und wärst gleich mit der Tür ins Haus gefallen, Lyssie.“

„Ich heiße Lysander, nicht Lyssie, Loreley!“

„Lizzy!“

Jetzt war es an Fred Weasley mit den Augen zu rollen. Manchmal waren die Zwillinge echte Kindsköpfe und er bereute noch heute den Tag, da er die beiden Lizzy und Loreley genannt hatte. Aber was konnte er auch dafür, dass sie mit ihren engelsgleichen Unschuldsgesichtern und dem silberblonden, damals auch noch schulterlangen Haar, wie Mädchen ausgesehen hatten? Noch am gleichen Abend hatten die Zwillinge von den Hauselfen ihre Haare schneiden lassen. Natürlich nicht, um dadurch jungenhafter auszusehen, oder weil Fred sie mit Mädchennamen aufgezogen hatte. Nein, vielmehr waren sie zu der Überzeugung gekommen, dass der Ravenclaw-Turm voller Bokos war, und jeder wusste schließlich, dass Bokos nichts besseres zu tun hatten, als Nachts Haare fremder Menschen hoffnungslos zu verknoten. Da halfen dann sogar magische Haarglättungsmittel nichts mehr. Und dem hatten sie einfach vorbeugen wollen. Punkt. Heute sahen die Zwillinge also nicht mehr wie Mädchen aus, waren aber nach wie vor kindisch genug, sich mit den Mädchennamen aufzustacheln, weshalb Fred es nun seinerseits übernahm, die Elfen ein wenig zu befragen.

„Wo sind denn Albus Severus, Lily und Scorpius?“

„Sie sind im Da-und-Fort-Raum“, bekam er zur Antwort.

Es dauerte einen Moment, ehe Fred verstand, dass dies die Bezeichnung der Hauselfen für den Raum der Wünsche war. Aber er hatte noch nie gehört, dass der Raum jemanden gegen seinen Willen festhielt. Und das wurden die drei doch, oder? Elfen fragen... „Seit wann sind sie im Raum der Wünsche und sind sie freiwillig noch immer dort drin?“

„Miss Potter ist seit gestern Nachmittag in dem Raum, die beiden jungen Herren seit dem Abend. Aber wir nicht wissen, ob sie freiwillig da drin sind, wir nicht in den Raum können.“

An dieser Stelle musste sich Fred beeilen, eine Handvoll Hauselfen davon abzuhalten, sich den Kopf am nächstgelegenen harten Gegenstand einzuschlagen, denn offenbar sahen es die Hauselfen als Verfehlung an, dass sie noch nicht einmal zum Putzen in den Raum gekonnt hatten.

„Dann müssen Lily, Albus Severus und Scorpius hungern?“

Heftiges Kopfschütteln folgte. „Oh nein, Master Fred Weasley. Wir können ihnen Essen schicken, wenn sie es wünschen. Und wir das auch tun!“

Fred nickte erleichtert. Immerhin würden die drei also nicht verhungern. Aber wie sie daraus befreien? Wie zu ihnen gelangen, um ihnen zu helfen? Bei der letzten Frage kam dem Jungen eine Idee. Er war schließlich nicht umsonst der Sohn von George Weasley, dem vermutlich bedeutendsten Genie in Sachen Trick- und Scherzzauberartikeln. „Bekommt ihr eine Art Bestellung von den Eingeschlossenen, wo sie genau sagen, was sie haben möchten, oder nur so allgemeine Wünsche wie Frühstück, Mittagessen und Abendessen?“

„Und Snacks“, piepste eine junge Hauselfe.

Eine ältere Elfe nickte. „Allgemeine Wünsche, aber wir genau wissen, was die drei nicht mögen oder wogegen sie allergisch sein.“

„Aber letztlich seid ihr es, die entscheiden, was genau in den Raum der Wünsche geschickt wird?“, vergewisserte sich Fred.

Wiederum nickten die Elfen.

„Jo, LyLo, hört endlich mit dem blödsinnigen Kinderkram auf. Wir haben Wichtigeres zu tun.“

„LyLo??“, kam es synchron von den Zwillingen. Sie waren von ihrem besten Freund ja viel gewöhnt, aber wie eine Mischung aus einer Farbe und einer abgehalfterten Muggelsängerin zu klingen, war nun doch zu viel des Guten.

„Immerhin habe ich so sofort euer beider Aufmerksamkeit bekommen“, erwiderte Fred nur achselzuckend.

Die Zwillinge verdrehten die Augen, schwiegen dann aber, damit Fred ihnen von seinem Plan – denn es musste sich um einen Plan handeln, wenn er wegen etwas Wichtigerem ihre geschwisterlichen Zuneigungsbekundungen in Form von wohldosierten Kabbeleien unterbrach – erzählen konnte.

Eine viertel Stunde später lagen dank eines Tarnzauberproduktes von Weasleys Wizard Wheezes drei verlockend aussehende Äpfel – einer rot, zwei gelb – in einer speziellen Schale und warteten darauf mit einem Teller Sandwiches in den Raum der Wünsche geschickt zu werden.
 

Der Tag im Raum der Wünsche neigte sich dem Abend zu. Lily Luna hatte tatsächlich standhaft das Buch über die magischen Gobelins gelesen, doch nach dem Mittagessen hatten beide Jungs, statt weiter Schach zu spielen, sich selbst ebenfalls mit Büchern in entgegen gesetzte Ecken des Raumes zurückgezogen. Nicht, dass Lily Luna nicht verstanden hätte, dass man Schachspielen irgendwann über haben konnte, zumal es bestimmt nicht verkehrt war, mit dem Spielen aufzuhören, ehe einem das Spiel dermaßen verleidet war, dass man es die nächsten Tage garantiert nicht mehr spielen wollte – und wer wusste schon, wie lange sie wegen der beiden Sturköpfe hier bleiben mussten. Aber mussten sie gleich dermaßen auf Distanz gehen?

Langsam bekam Lily Luna Hunger und übermittelte dem Raum einen entsprechenden Wunsch. Albus Severus und Scorpius brauchte sie gar nicht erst fragen, diese beiden hatte ehe immer Hunger – oder zumindest Platz im Magen.

Gleich darauf standen Sandwiches und Obst vor ihr, doch als sie nach einem der Äpfel greifen wollte, griff sie plötzlich ins Leere. „Fred!“, rief sie überrascht.

Gleich darauf standen auch noch Lorcan und Lysander Scamander neben ihrem Cousin.

„Wie... wie habt ihr es geschafft hier herein zu kommen?“

Lily Lunas Ausruf hatte auch Scorpius und Albus Severus von ihren Büchern aufblicken lassen.

„Viel wichtiger“, mischte sich Albus Severus ein und kam somit einer möglichen Antwort der drei Jungen zuvor, „habt ihr einen Weg gefunden, wie wir hier wieder heraus kommen können?“

„Hm...“ Betreten blickten sich die Drittklässler an. Zwar hatten ihnen die Hauselfen noch verraten, dass es ihnen auch möglich war, Essensreste aus dem Raum der Wünsche wieder zu entfernen, aber in ihrem Eifer hatten die drei glatt übersehen, dass der Tarnzauberartikel leider nur frische Äpfel als Aussehen, nicht aber Apfelgrotzen zur Auswahl bot.

„Lasst mich raten“, meldete sich nun Scorpius zu Wort, „der Gryffindor hat den Plan ausgeheckt und den Ravenclaws keine Zeit gegeben, das Ganze zu überdenken.“

„Die waren zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig anzupflaumen“, murmelte Fred und Lysander und Lorcan grummelten nur unverständlich vor sich hin.

„Damit ich das also richtig verstehe“, fasste Scorpius zusammen, „hat sich soeben die Anzahl der Gefangenen im Raum der Wünsche verdoppelt, und wir werden hier bis in alle Ewigkeit festsitzen, nur weil du“, hier wandte er sich an Lily Luna, „der Ansicht bist, Albus Severus und ich hätten Gefühle füreinander, die es sich zu gestehen gilt, ungeachtet der Tatsache, dass diese Gefühle nicht existieren, weshalb du uns also, wie schon erwähnt, für alle Ewigkeit hier eingesperrt hast?“

Albus Severus’ Gedanken drehten sich zwar auch um den ewigen Aufenthalt hier, aber immerhin sich selbst gegenüber leugnete er seine Gefühle für Scorpius nicht länger. Wobei er das im Grunde nie getan hatte, er hatte sie nur aus gutem Grund nie ausgesprochen. Aber ehrlich, erwartete seine kleine Schwester allen Ernstes, dass er mit dem Publikum jetzt vor Scorpius auf die Knie sank und ihm seine Liebe gestand, nur damit sie hier wieder heraus kamen? Vorher hätte er ja vielleicht, wenn Lily Luna weiterhin zu ausgiebigen Vollbädern neigte, irgendwann die Gelegenheit ergriffen, um mit Scorpius darüber zu reden, aber jetzt, wo sie auch noch drei Frechdachse hier hatten? Zumal sie besagte Frechdachse ja wohl kaum zu einer badenden Lily Luna ins Bad sperren konnten... Abgesehen davon, dass Albus Severus bezweifelte, dass die drei sie so sang- und klanglos dort einsperren lassen würden. Sie schafften es ja nicht einmal, jetzt still zu sein. Stattdessen umringten die drei Lily Luna mit großen Augen.

„Das hast du wirklich getan?“ „Ich mein, es ist ein offenes Geheimnis, das mit den beiden...“ „Etwas drastisch, aber es könnte funktionieren“, tönte es durcheinander.

Lily Luna seufzte. „Es hätte vielleicht funktionieren können, wären es nur wir drei geblieben. Dann hätte ich mich im Bad verschanzt und irgendwann wären die beiden hoffentlich zur Vernunft gekommen. Nun aber...“

„Sorry...“, murmelten alle drei aufrichtig. „Wir hatten nur gedacht, dass ihr vielleicht Hilfe braucht.“

„Wie kommt es eigentlich, dass nur ihr drei hier aufgetaucht seid? Was ist mit Rose, Hugo und Lucy?“, fragte nun Albus, der sich nicht vorstellen konnte, dass seine anderen Cousins nicht ebenfalls versuchen würden, sie zu befreien und dabei etwas mindestens ebenso Dämliches anstellten, wie die drei Drittklässler.

„Die hatten ihre eigene Idee. Wenn ich Hugo beim Mittagessen richtig verstanden habe, war es irgendwas mit einer Explosionslösung.“

Es war Scorpius, der am schnellsten die Konsequenzen dieser Aussage durchkalkuliert hatte. „Keine schlechte Idee, aber da so eine Lösung nur ein paar Stunden braucht, um gebraut zu werden, dürfen wir wohl davon ausgehen, dass der Raum der Wünsche explosionssicher ist.“

Lily Luna seufzte. Dann wandte sie sich zu den drei Neuankömmlingen. „Sucht euch was zu lesen, aber erwartet keine aktuellen Titel.“
 

Irgendwie wunderte es niemanden so recht, dass sich am Abend, als man schlafen gehen wollte, im Schrank mit den Decken und Kissen die doppelte Anzahl selbiger befand als noch am Morgen. Blieb nur die Frage, wie man die Schlafgelegenheiten aufteilen sollte, denn die Anzahl der Sofas hatte sich nicht verändert. Die Nacht zuvor hatten sie mit Hilfe von zwei Sesseln und zwei passenden Fußhockern doch ein drittes Behelfsbett bauen können, doch das reichte nun natürlich nicht mehr. Wobei allen klar war, dass Lily Luna als einziges Mädchen zumindest wieder dieses schmale Behelfsbett bekommen sollte, schließlich konnte man kaum von ihr erwarten, mit einem der Jungs ein Bett zu teilen, das wäre irgendwie nicht richtig gewesen. Gut vielleicht wäre es noch angegangen, hätte sie sich mit Albus Severus ein Bett geteilt, aber dieser hatte gleich abgewunken. „Mit dir Wirbel-Willi mir ein Bett teilen? Vergiss es Schwesterchen, das musste ich im Fuchsbau oft genug und wenn man genau hinsieht, kann man die blauen Flecke noch heute sehen.“

Lily Luna verdrehte die Augen, sagte aber nichts weiter. Sie wusste ja selbst, dass sie sich erst mal eine Weile hin und her drehte, ehe sie endgültig ihre Schlafposition gefunden hatte. Auch wenn diese Position letztlich jede Nacht die gleiche war. Egal, das Drehen gehörte dazu.

Blieben noch fünf Jungen und zwei Schlafsofas, die durchaus zwei Schläfer beherbergen konnten, aber bei drei reichlich eng würden. „Wie wäre es dem Alter nach?“, fragte Lily Luna, nicht ohne den Hintergedanken, dass die beiden Siebtklässler dann quasi zum Kuscheln gezwungen würden, und wo man kuschelte war hoffentlich das benötigte Freilassungsgeständnis nicht mehr weit.

„Auf keinen Fall!“, widersprachen Albus Severus und Scorpius sofort. Aber das war nicht anders zu erwarten gewesen.

„Nun ja“, erwiderte Lily Luna relativ ungerührt, „wäre die einzig andere denkbare Lösung, dass Albus Severus sich mit seinem Cousin Fred das Bett teilt...“

„Und ich wie eine Ölsardine mit den Scamander-Zwillingen auf einem Sofa campiere? Vergiss es Lily!“, ereiferte sich Scorpius.

„Tja, aber wenn du dir das Bett mit Fred teiltest, würde es die Gerüchteküche weiter anheizen. Ich mein, wie du bei der Ankunft der drei feststellen durftest, sind die Gerüchte über dich und Albus bereits zum allgegenwärtigen Hogwartsfakt geworden, wenn du jetzt also den nächsten Weasley oder Potter in deinem Bett hättest... Hingegen würde keiner bei den Scamanders etwas Derartiges vermuten.“

„Aber wer sagt denn, dass Locran und Lysander im gleichen Bett schlafen müssen?“, gab Scorpius zurück und fühlte sich dem Sieg nahe.

Es war Albus Severus, der darauf antwortete. „Niemand, aber sie zu trennen würde nichts nutzen, denn früher oder später würde einer von beiden zum anderen ins Bett klettern. Selbst unser Hauslehrer hat es inzwischen aufgegeben, die beiden davon überzeugen zu wollen, jeder ins einem Bett zu schlafen und die Hauselfen empfinden es auch nicht länger als Tadel bezüglich ihrer Arbeit in Punkto Bettenmachen, wenn ein Bett unberührt bleibt.“

Dennoch bestand Scorpius darauf, sein Sofa mit nur einem Scamander-Zwilling zu teilen. Wie wenig glorreich diese Beharrlichkeit in diesem Fall war, zeigte sich dann gegen halb drei in der Früh.

Ganz wie prophezeit, hatte Lysander es nicht ohne seinen Bruder ausgehalten, und angesichts der Tatsache, dass Scorpius sich so vehement geweigert hatte, mit beiden das Sofa zu teilen, war Lysander aufgestanden, hatte Lorcan geweckt, und beide waren sie auf Albus Severus’ Sofa umgezogen. Was Scorpius nun das Sofa für sich allein bescherte und bei den nun folgenden Rangierarbeiten im Halbschlaf, wo jeder der nunmehr vier Schläfer auf dem zweiten Sofa so viel Platz für sich zu schaffen versuchte wie möglich, darin gipfelte, dass Albus Severus sich unsanft aus dem Bett gekegelt auf dem Boden wieder fand. Zu müde, um sich mit den drei jüngeren auseinander zu setzen, angelte er sich nur noch sein Kissen und seine Decke und tapste zu Scorpius’ Sofa hinüber. Dieser wurde von den ungewohnten Bewegungen erst halb und als er dann Albus Severus sah ganz wach.

„Was soll das?“, zischte er aufgebracht.

Doch Albus Severus war nicht nach Diskutieren zu mute. „Halt die Klappe und lass mich schlafen!“ Sprachs und schlief auch prompt ein.

Allerdings hatte er dabei die Rechnung ohne Scorpius gemacht. Rücksichtslos rüttelte dieser seinen besten Freund wieder wach. „Sag mal, spinnst du? Hast du schon mal an meinen Ruf gedacht? An deinen Ruf? Was werden die anderen sagen, wenn sie uns morgen früh hier zusammen finden?“

„Scorpius Hyperion Malfoy, krieg dich wieder ein!“, fauchte Albus Severus leise zurück. „Wie du vorhin selbst gehört hast, sind wir beide längst fester Bestandteil der Gerüchteküche, das Bett zu teilen, ändert daran auch nix, solange man uns nicht in flagranti bei irgendwelchen Unanständigkeiten erwischt. Und glaub mir, für so etwas bin ich im Moment viel zu müde.“ Damit drehte er sich neuerlich um, um endlich wieder weiter schlafen zu können.

Sprachlos sah Scorpius Albus Severus an. Dieser war für Unanständigkeiten zu müde? Hieß das etwa, dass Albus Severus, wäre er nicht zu müde, jetzt über ihn herfallen würde? Und wieso jagte dieser Gedanke einen aufregenden Schauer über seinen Rücken? Hieß das etwa, dass er selbst womöglich bereit war, auf die Prinzipien seiner Familie zu pfeifen und...

„Du denkst zu laut“, knurrte Albus Severus, drehte sich noch einmal zu seinem Freund um und gab diesem einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Zufrieden? Trottel!“
 

Natürlich war am nächsten Morgen das Gequietsche seitens Lily Luna alles andere als leise, als sie ihren Bruder und dessen besten Freund auf einem Sofa entdeckte. Dann eilte sie zur Tür, um endlich in die Freiheit zu stürmen. Nur um beinahe mit der Tür zu kollidieren, denn diese ließ sich nach wie vor nicht öffnen. Irritiert blickte sie wieder zu dem Sofa, wo sich Albus Severus gerade verschlafen die Augen rieb.

„Hö? Wieso geht die Tür immer noch nicht auf?“, fragte sie ihn.

„Dir auch einen guten Morgen“, erwiderte Albus Severus. „Und was die Tür betrifft, so ist sie vermutlich noch geschlossen, weil Scorpius und ich nur geschlafen haben? Meinen Umzug kannst du Lysander und Lorcan zuschreiben, aber ich hab ja gleich gesagt, dass es unsinnig ist, die beiden trennen zu wollen. Aber wer bin ich schon, außer ein Ravenclaw, der schließlich wissen muss, was im Ravenclaw-Turm so vor sich geht.“

Die Enttäuschung stand Lily Luna deutlich ins Gesicht geschrieben. Ein Anblick, bei dem in Albus Severus der eigene innere Slytherin durchbrach. Sollte er sich tatsächlich überwinden und mit Scorpius jenes klärende Gespräch führen, dass ihrer aller Freiheit bedeutete, so würde er dafür sorgen müssen, dass selbiges Gespräch erst zu einem ihm genehmen Zeitpunkt stattfand. Also erst zu einem Zeitpunkt, der einen gewissen Grad der Rache an seiner kleinen Schwester beinhaltete. Wie etwa der Nachmittag des Weihnachtstages... was übermorgen wäre... damit sie sich schön ärgerte, nicht bereits am Morgen ihre Geschenke öffnen zu können, denn er bezweifelte, dass sein Schwesterherz daran gedacht hatte, den Raum so zu manipulieren, dass auch die Weihnachtsgeschenke von den Elfen, ganz wie das Essen, in den Raum gezaubert werden konnten. Auf das Weihnachtsessen wollte er selbst aber nicht verzichten, weshalb er also spätestens zu Weihnachten das klärende Gespräch erzwingen musste. Aber vielleicht gelang es ihm ja schon in dieser Nacht mit Scorpius diesbezüglich zu reden, sofern dieser nicht wieder auf dem Bettenringelrei der letzten Nacht bestand.
 

Den Tag veranstalteten sie ein Schachturnier und am Nachmittag das heitere Ratespiel ‚Ich seh ein Buch, das du nicht siehst’, wobei sie bei letzterem versuchten, sich ständig mit den unsinnigsten Titeln zu übertrumpfen. Es war hier wenig verwunderlich, dass Lysander und Lorcan in diesem Spiel haushoch führten, hatten sie doch geradezu eine übernatürliche Begabung für das Absurde – Buchtitel mit eingeschlossen. Und obgleich es immer wieder Versuche gab, die beiden Ältesten zu Geständnissen amouröser Natur zu bewegen, oder ihnen subtil – und weniger subtil – die nötige Privatsphäre zu verschaffen, blieben derlei Versuche eben das: Versuche. Dennoch verlief der Tag in relativer Harmonie. Soweit das eben in einer solchen Situation möglich war.

Außerhalb des Raums der Wünsche waren die Geschehnisse weniger harmonisch, denn die zunehmende Anzahl abwesender Schüler konnte von der Lehrerschaft nicht länger ignoriert werden, selbst wenn die Lehrer in den Ferien meist geneigt waren, ihren Schüler mehr Freiraum zu gewähren und nicht gleich beim kleinsten Verdacht Alarm zu schlagen. Dass weiterhin drei Schüler durch unsachgemäßen Umgang mit Explosionslösung verletzt worden waren, tat sein Übriges, damit allen Schülern die volle Aufmerksamkeit des Lehrerkollegiums gewiss war. Auch wenn die im Schloss gebliebenen Lehrer es bislang noch vermieden hatten, ihre in den Ferien weilenden Kollegen wegen dieser Krise zurück zu rufen. Was den Schulleiter einschloss. Doch selbst wenn der Schulleiter die Ferien nicht bei seiner Familie verbracht hätte, hätte er ihnen in dieser Situation nicht weiterhelfen können, wie Professor Longbottom nach einer Befragung der verletzten Weasleys feststellte. Der Gryffindor-Hauslehrer kehrte mit einer bedrückten Miene vom Besuch in der Krankenstation in das Lehrerzimmer zurück, wo ihn seine Kollegen der Häuser Ravenclaw und Slytherin bereits erwarteten. „Wenn ich das Ganze richtig erfasst habe, so sind die verschwundenen Schüler im Raum der Wünsche eingesperrt. Ursprünglich waren es wohl nur die Potter-Geschwister und Mister Malfoy, doch ich habe Grund zu der Annahme, dass auch Fred Weasley und die Scamander-Zwillinge ihren Weg dort hinein gefunden haben – im Gegensatz zu den verletzten Weasleys.“

„Aber wieso schaffen es drei Kinder und drei andere nicht?“, fragte die Ravenclaw-Hauslehrerin Professor Temple.

Ihr Kollege aus Slytherin, Professor Burke, verzog nur abfällig die Mundwinkel. Selbst wenn es sich bei den fraglichen Schülern um keinen Slytherin handelte, so sah er doch das entsprechende Potenzial, wenn es ihm begegnete. Und Fred Weasley hatte definitiv das Zeug zu einem Slytherin. Wie vermutlich sein Namensgeber sowie sein Vater vor ihm, hätte die Familientradition nicht gegen Slytherin gesprochen. Diesbezüglich war es vermutlich verwunderlich, dass er überhaupt ein Mitglied dieser Familie in seinem Haus hatte, aber das tat hier nichts zur Sache. Seiner Kollegin Temple aber erklärter er nur: „Nicht immer ist der direkteste Weg auch der erfolgreichste.“

Wie nicht anders zu erwarten war, grummelte Professor Temple nun ein wenig vor sich hin, hasste sie es doch, belehrt zu werden. Wobei es hier unerheblich war, welchem Haus der Belehrende angehörte.

Burke ignorierte sie und wandte sich stattdessen an Neville Longbottom. „Wenn ich mich recht erinnere, so bist du ein Spezialist, was diesen Raum betrifft. Allerdings meine ich auch, mich daran zu erinnern, dass der Raum zerstört wurde...“

„Offenbar existiert er wieder“, entgegnete Neville achselzuckend. „Es ist Hogwarts, und dieses Gemäuer birgt mehr Geheimnisse, als wir je ergründen können. Aber wenn der Raum der Wünsche wieder so existiert, wie damals, dann können wir auch als Lehrer nicht den Zauber außer Kraft setzen, wenn durch die entsprechende Aktivierung der Raum vor weiterem Zutritt verschlossen wurde. Das könnte nicht einmal der Schulleiter, oder wir wären damals alle aufgeschmissen gewesen.“

„Und was können wir dann machen? Wir können doch schlecht die Kinder ihrem Schicksal überlassen“, fragte Professor Temple.

„Offenbar ist es möglich, den Raum zu überlisten, denn wenn ich die drei Weasleys in der Krankenstation richtig verstanden habe, sind Fred, Lysander und Lorcan erst einen Tag nach Lily Luna, Albus Severus und Scorpius in dem Raum verschwunden. Das größte Problem jedoch ist: Selbst wenn wir wüssten, wie man in den Raum eindringt, wissen wir auch, dass wir auf diesem Wege wieder hinauskommen? Denn vielleicht ist das genau der Fehler, der den Schülern unterlaufen ist. Und wir täten niemandem einen Gefallen, wenn wir ebenfalls in diese Falle tappten“, erklärte Neville.

„Also sollen wir abwarten?“, erkundigte sich die Ravenclaw-Hauslehrerin ungläubig.

Ihre Kollegen schüttelten sofort den Kopf.

„Natürlich nicht. Aber wir dürfen kein unnötiges Risiko eingehen und klar die Verantwortung gegenüber dem Rest der Schule abwägen“, gab Professor Burke zu bedenken.

„Außerdem“, beruhigte Neville Professor Temple, „haben mir die Hauselfen versichert, dass die sechs in dem Raum nicht verhungern werden, da die Elfen sie mit Essen versorgen können.“ Leider aber hatten die Elfen Neville nicht von dem Obsttarnzauberprodukt erzählt, welches die drei Drittklässler verwendet hatten, um in den Raum zu gelangen, aber das lag auch nur daran, dass Neville nicht auf die Idee gekommen war, die Elfen danach zu fragen... Andernfalls hätten die Lehrer vielleicht sogar eine Idee gehabt, wie man den Schülern in ihrer Gefangenschaft hätte helfen können. So aber blieb ihnen für den Moment nichts anderes übrig als abzuwarten, Tee zu trinken und auf eine Erleuchtung zu hoffen. Wobei an dieser Stelle zu erwähnen sei, dass die Lehrer durchaus Erleuchtungen hatten, aber keine Eulen (Professor Temples Versuch) und auch keine Geister (Professor Burkes Versuch) gelangten in den Raum (was Professor Longbottom wiederum bereits gewusst hatte, weshalb er derartiges erst gar nicht versuchte).
 

Am Abend standen die Gefangenen vor dem gleichen Dilemma wie am Abend zuvor. Trotzdem es nachts diverse betttechnische Umzüge gegeben hatte, bestand Scorpius einmal mehr darauf, mit nur einem Scamander das Bett zu teilen. Und als er selbst die Demokratie diesbezüglich nicht gelten lassen wollte, blieb den anderen fünf nur rohe Gewalt – so zu sagen. Zuerst richteten sie es so ein, dass Scorpius, wann immer er in Richtung Bad verschwinden wollte, selbiges bereits durch jemand anderen besetzt vorfand, so dass er letztlich zuletzt an die Reihe kam. Doch so sehr er sich auch beeilte, dauerte selbst der Gang zur Toilette und die Blitzwäsche länger, als die übrigen fünf brauchten, sich auf die Bettstätten zu verteilen. Entsprechend sauer stapfte Scorpius in den Raum zurück, nur um sich seine Bettdecke und das Kissen zu schnappen und es sich damit auf dem Boden bequem zu machen. Soweit war es also schon gekommen – der Malfoy-Erbe wurde gezwungen, auf dem Boden zu schlafen.

Als die anderen sich darüber lustig machen wollten, winkte Albus Severus nur ab und löschte mit einem knappen ‚Nox’ das Licht im Raum. Aus den Augen, aus dem Sinn, hoffte er und betete dafür, dass die anderen möglichst schnell einschliefen. Denn er war sich sicher, dass Scorpius, sobald alles ruhig war und alle zu schlafen schienen, sich heimlich zu ihm auf das Sofa schleichen würde. Nie im Leben würde sein bester Freund die ganze Nacht auf dem harten, kalten Boden zubringen. Selbst wenn er dafür am Morgen die Lüge in die Welt setzen müsste, Albus Severus habe ihn im Schlaf auf das Sofa entführt und dort festgebunden.

Natürlich war er gerade eingeschlafen, als Scorpius endlich beschloss, sein unbequemes Lager auf dem Boden aufzugeben. Albus Severus rieb sich verschlafen die Augen und stützte sich dann auf einen Ellenbogen auf, um zu warten, bis sein Freund sich in Sicherheit wiegte und sich bequem in die Decke eingemummelt hatte.

„Du bist so ein Holzkopf“, murmelte Albus Severus schließlich leise.

Vor Schreck saß Scorpius sofort kerzengerade auf dem Sofa, so dass Albus Severus nur leicht den Kopf schütteln konnte und dann seinen Freund wieder auf das Kissen herunter zog. „Sei vorsichtig, oder du weckst noch die anderen mit solchen Aktionen“, wies er ihn zurecht.

„Wieso schläfst du nicht?“, wollte Scorpius maulig wissen, achtete jedoch darauf, nicht zu laut zu sprechen.

„Weil du mich geweckt hast?“

„Dann schlaf weiter“, kam es mürrisch zurück.

„Oh nein, mein Lieber, wir müssen was besprechen, und das geht aktuell leider nur nachts.“

„Wenn es etwas mit deinen Taten der letzten Nacht zu tun hat, vergiss es. Und wehe du wiederholst es. Denn du weißt genau, dass das nichts bringt, schließlich sind wir nur beste Freunde. Ich mag dich, ja, aber nicht so“, erklärte Scorpius sofort.

„Ach ja?“, fragte Albus Severus und lehnte sich zu Scorpius hinüber. Die Hände auf dessen Schultern gelegt, küsste er den Slytherin. Doch nicht wie in der Nacht zuvor bloß auf die Wange, sondern richtig. Auf die Lippen. Verstärkte sacht den Druck und konnte sich schließlich innerlich ein Grinsen nicht verkneifen, als er spürte, wie Scorpius den Kuss zu erwidern begann.

Schließlich löste er sich mit einem leichten Bedauern, aber bevor sie sich weiter küssten, musste er erst noch Scorpius für seinen Plan gewinnen.

„Mach das nicht noch einmal“, wisperte Scorpius ein wenig atemlos und Albus Severus grinste breit. Wenn Scorpius so etwas sagte, andererseits aber so auf den Kuss reagierte... dann war das eindeutig eine Einladung zur Wiederholung.

„So“, sagte Albus Severus nach dem zweiten Kuss, „jetzt sag nicht, dass ich das nicht noch mal machen sollen, denn du, mein Lieber, erwiderst den Kuss mit etwas zu viel Hingabe für eine rein instinktive Reaktion. Also leugne es lieber nicht länger.“

Scorpius seufzte. „Na schön, dann gebe ich eben zu, dass ich dich...“ Hier fand Scorpius abrupt seine Worte durch einen Finger an seinem Mund unterbrochen.

„Shh“, sagte Albus Severus.

Irritiert blickte Scorpius seinen besten Freund durch die Dunkelheit an. „Was soll das? Erst drängst du mich und jetzt soll ich schweigen?“

„Fünf Buchstaben: R, A, C, H, E!“ Und Albus Severus deutete in Richtung der Sessel-Hocker-Kombination, auf der seine Schwester schlief.

Trotz der Dunkelheit erkannte Scorpius, worauf sein bester Freund hinaus wollte – denn nur, weil sie vielleicht noch darüber hinausgehende Gefühle füreinander hatten, hieß das nicht, dass sie nicht trotzdem weiterhin auch beste Freunde waren –, und ließ sich bereitwillig in dessen Plan einweihen.

„... und dann habe ich mir gedacht, wir könnten morgen die Truppe davon überzeugen, dass wir gemeinsam ein Theaterstück verfassen, dass wir dann Weihnachten hier aufführen können, da es ja schließlich so aussieht, als wären wir auch noch am Weihnachtstag hier drinnen. Natürlich werden alle vier uns den Part des Liebespaares aufdrücken wollen, wogegen wir natürlich vehement protestieren. Stattdessen werden wir darauf beharren, dass Lily Luna die Heldin spielt, du ihren Helden und ich den Bösewicht. Und dann improvisieren wir beide bei der Aufführung bei der unvermeidlichen Duellszene ein wenig, geben höchst theatralische Geständnisse von uns, die uns keiner abkaufen wird, die aber der Raum als wahr erkennen wird. Wir beenden das Theaterstück dann normal, setzen uns hin, lesen, erklären irgendwann, dass wir Durst hätten, und uns was zu Trinken holen würden. Und spazieren dann einfach aus dem Raum... Pünktlich für das große Weihnachtsfestessen.“

„Erinnere mich daran, dass ich dir einen Orden als ‚Slytherin ehrenhalber’ verleihe“, erwiderte Scorpius grinsend.

„Och, wie könnte ich auch etwas anderes sein? Mit dir an meiner Seite?“, sagte Albus Severus vieldeutig.

Dieses Mal war es Scorpius, der den Kuss initiierte.
 

„Ein Theaterstück?“, fragte Lily Luna überrascht.

Scorpius und Albus Severus nickten. „Irgendwie müssen wir die Zeit ja herum kriegen und du kannst mir nicht erzählen, dass du die Bücher hier“, Scorpius machte eine ausschweifende Geste über die aussortierten Bibliotheksbände, „wirklich fesselnd findest.“

„Abgesehen davon ist morgen Weihnachten“, führte ihr Bruder fort, „und da sollten wir schon etwas Besonderes haben, oder? Denn ich bezweifle, dass du bei deiner Bestellung an den Raum daran gedacht hast, auch zuzulassen, dass die Hauselfen unsere Weihnachtsgeschenke hier rein zaubern dürfen.“

Der betretene Blick ersparte Lily Luna die verbale Antwort und die drei jüngeren waren von jeder Idee, die Unterhaltung versprach, angetan, weshalb das Theaterstück also beschlossene Sache war.

„Und damit hier niemand auf falsche Gedanken kommt“, erklärte Scorpius sogleich, noch ehe einer der anderen irgendwelche Rollenansprüche anmelden konnte, „werden Albus Severus und ich Feinde spielen. Nix Liebesschnulze mit uns als glücklichem Paar. Wäre schließlich auch herzlich wenig überzeugend, wenn beste Freude Liebesszenen spielten.“

„Aber was ist ein Theaterstück ohne Liebespaar?“, ereiferte sich Lily Luna, die diese Möglichkeit nicht so schnell aufgeben wollte, hatte sie doch in der Tat, kaum, dass das Theaterstück beschlossen war, an die Möglichkeit gedacht. Schließlich war nicht auszuschließen, dass ein Bühnenkuss zum Katalysator für mehr wurde.

„Dann spiel du doch mit Scorpius das Liebespaar“, erwiderte Albus Severus prompt. „Denn ich kann nicht mit meiner Schwester eine Liebesszene mimen.“

„Du meinst wohl eher, dass ich so etwas nicht mit meinem Bruder spielen kann. Und mit meinem Cousin genauso wenig“, giftete Lily Luna zurück und warf Fred damit ebenfalls gleich aus dem Rennen um die Rolle des holden Liebhabers.

„Eine Dreierbeziehung auf der Bühne wäre zwar mal was anderes, aber ich glaube nicht, dass dir das vorschwebte“, ließ sich ihr Cousin dennoch mit Hinblick auf die Scamander-Zwillinge vernehmen. Und anders als beim Bettenringelrei gab es dieses Mal keine Proteste darüber, dass die Zwillinge eine Rolle wünschten, die sie gemeinsam spielen konnten.

Grinsend ging Scorpius vor Lily Luna auf die Knie. „O holde Maid des Hauses Slytherin, wie Ihr seht liegt es an uns, den noblen Eleven des Salazar Slytherin, die Ehre dieses Theaterstücks zu retten und ihm die notwendige Romantik zu verleihen. Daher bitte ich dich, du stolze Prinzessin, deinen Helden zu erhören.“ Er hielt ihr mit übertriebener Geste die Hand hin als bitte er sie um die Ehe, oder wenn nicht die Ehe, so zumindest einen Tanz oder dergleichen mehr.

Lily Luna verdrehte ein wenig die Augen, sah aber dann ein, dass ihr wohl kaum etwas anderes übrig blieb, als die Rolle der Heldin zu übernehmen.

„Gut, wir hätten also die Rolle des Helden – Scorpius –, die Rolle der Heldin – Lily –, und die Rolle des Bösewichts, der den Liebenden das Happy End vermasseln will – mich“, fasste Albus Severus grob zusammen.

„Dann wären für euch die Rollen von Guter Fee und der Drache übrig“, überlegte Scorpius laut und wandte sich an die drei Drittklässler.

„Guter Fee?“, empörte sich Fred.

„Drache? Wie langweilig“, kommentierten Lorcan und Lysander.

„Und außerdem so gar nicht weihnachtlich“, gaben alle drei zu Protokoll.

„Sie haben Recht, die Jungfrau dem Drachen opfern zu wollen, ist echt ein alter Hut“, mischte sich nun auch Lily Luna ein. „Außerdem bräuchten wir dann keinen Held, denn ihr glaubt ja wohl mal nicht, dass ich mich kampflos einem Drachen ergebe. Eine Potter würde nicht auf den Ritter warten, sondern den Drachen selbst erlegen.“

„Also gut, und was habt ihr für Ideen, wie man das Stück sonst gestalten könnte?“, wollten die beiden Siebtklässler wissen. „Und bedenkt, da Albus Severus und ich Feinde sind, brauchen wir irgendwas, wo es auch ein Duell zwischen uns geben kann.“

„Als ob euch zwei irgendjemand eine ernsthafte Feindschaft abnimmt“, grummelte Lily Luna.

„Egal, aber ein Theaterstück ohne Duell macht doch auch keinen Sinn“, erklärte Albus Severus und alle Jungs stimmten ihm zu. So schön Kitsch und Happy End auch sein mochten, Action durfte dabei nicht zu kurz kommen. Und da der Drache ja schon gestrichen war...

„Wir sind Weihnachtskniesel“, erklärten Lysander und Lorcan da wie aus einem Munde und mit einer Selbstverständlichkeit, als wäre damit das Festtagsmonster schlechthin geschaffen.

„Weihnachtskniesel?“, fragte Scorpius auch prompt skeptisch. „Flauschige, feline Fellviecher mit tannengrünem Schwanz und einer rot-weiß-geringelten Schleife um den Hals?“

„Hast du etwa schon mal welche gesehen?“, fragten die Zwillinge mit großen Augen, hatte Scorpius doch exakt das Aussehen von Weihnachtsknieseln getroffen.

Dieser verdrehte die Augen. „Natürlich nicht. Schließlich gibt es keine Weihnachtskniesel. Nur normale Kniesel. Aber ein paar weihnachtsverrückte Erstklässlerinnen haben einen der Schlosskniesel in grüne Farbe getaucht und ihm eine Schleife um den Hals gebunden, um ihn in einen Weihnachtskniesel zu verwandeln... Der Kniesel war natürlich alles andere als begeistert und die Schleife hat keine zehn Minuten überlebt.“

„Och, wie schade. Aber ehrlich, wir brauchen für unser Stück Weihnachtskniesel, die sind zu Weihnachten viel gefährlicher als Drachen“, erklärte Lorcan.

„Zumindest, wenn sie ausbleiben und nicht singen“, stimmte Lysander zu.

„Und deshalb sind wir Weihnachtskniesel in dem Stück“, schloss Lorcan bestimmt.

Die anderen sahen einander nur ein wenig resigniert an.

„Und was genau ist an diesen Weihnachtsknieseln dran, dass ihr glaubt, dass sie sich so dermaßen für unser Stück eignen?“, wollte Albus Severus schließlich wissen.

„Kniesel können nicht singen“, fing Lysander an.

„Und Weihnachtskniesel erst recht nicht“, fügte sein Bruder hinzu.

„Weshalb also ihr Gesang so grausam klingt, dass sie damit Spergis für ein ganzes Jahr vertreiben können“, erklärte Lysander.

„Spergis“, wiederholte Scorpius und fragte sich, ob die Idee mit dem Theaterstück wirklich so gut gewesen war.

„Spergis sind kleine Schimmelzwerge, die überwiegend im Herbst in ein Haus einziehen, sich im Winter richtig einnisten und im Frühjahr regelrecht aufblühen“, belehrten ihn die Zwillinge, mit einem Blick, der deutlich sagte, was sie von dem Nichtwissen des Siebtklässlers hielten. Und so etwas wollte im nächsten Sommer seinen Schulabschluss machen...

„Wenn aber Weihnachtskniesel kommen und singen, dann werden alle Spergis taub und taube Spergis können den Lockruf des Frühlings nicht hören. Und ohne den Lockruf des Frühlings zu hören, blühen Spergis nicht auf und Spergis, die nicht aufblühen, vermehren sich auch nicht.“

„Weshalb also der Besuch von Weihnachtsknieseln für die Gesundheit des Hauses von allergrößter Wichtigkeit ist“, schloss Lorcan die kurze Einführung in das Wesen der Spergis.

„Also... brauche ich als Bösewicht Lily Luna, um die Weihnachtskniesel anzulocken, damit diese Singen, da sonst mein Haus so von Spergis heimgesucht wird, dass es im nächsten Jahr zusammenbricht?“, versuchte Albus Severus aus den Fakten einen theaterstückrelevanten Zusammenhang herzustellen. „Erzählt mir jetzt aber nicht, dass Weihnachtskniesel wie gemeingefährliche Drachen Jungfrauen fressen.“

„Aber nein!“, widersprachen die Zwillinge sogleich. „Weihnachtskniesel mögen nur heiße Schokolade. Aber im Stück wäre es halt so, dass du keine heiße Schokolade zubereiten könntest und dafür Lily Luna bräuchtest. Und deswegen auch nie zulassen würdest, dass sie Scorpius heiratet, weil Scorpius natürlich ganz woanders wohnt.“

„Klar“, stimmte Scorpius zu. „Wenn wir schon ein Weihnachtsstück aufführen, dann sind wir bitte schön Könige oder so... Du, Albus Severus, könntest König von Großmursien sein und ich bin der Kronprinz von Galmandria. Und ist ja klar, dass deine Schwester dann in Galmandria lebt und du somit in Großmursien keine Köchin mehr für heiße Schokolade hättest, denn das ist ein geheimes Familienrezept, das nur in der königlichen Familie von Mutter zu Tochter und Schwiegertochter weitergegeben wird. Aber da deine Mutter gestorben ist, bevor du verheiratet warst – bist ja schließlich immer noch unverheiratet, ist Lily Luna die einzige, die das Rezept kennt.“

„Klingt logisch“, stimmten die anderen zu, auch wenn durchaus der ein oder andere dachte, dass sie hier so ziemlich den größten Unsinn zusammen dichteten, den man sich vorstellen konnte.

„Und wir hätten ein grandioses Duell, als ich mit Lily Luna aus deinem Schloss fliehen will, du uns aber auf der Zugbrücke abfängst.“

„Ach ja?“, mischte sich Lily Luna ein. „Und du glaubst allen Ernstes, dass ich nur dastehe und zuschaue?“

„Aber nein“, beschwichtigte sie Scorpius gleich. „Während ich armseliger Held es gerade mal mit deinem Bruder aufnehme, hältst du die gesamte Schlosswache im Schach.“

„Und wer soll die spielen?“, fragte Lily Luna etwas skeptisch, obwohl ihr diese Kampfaufteilung durchaus zusagte.

„Also ich ganz gewiss nicht“, rief Fred, der als einziger noch keine Rolle in diesem Stück für sich gefunden hatte. „Außerdem wäre es doch lächerlich, wenn die gesamte Schlosswache von nur einer Person gespielt würde.“

„Wie wäre es, wenn ich eine Geisterwache hätte?“, ließ sich Albus Severus vernehmen. „Das würde deinen Kampf ungleich erschweren“, sagte er zu seiner Schwester. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nun mal kein Aschenputtel war, das zu Hause saß und darauf wartete, von einer guten Fee gerettet zu werden. Lieber nahm sie die Dinge selbst in die Hand.

„Das klingt durchführbar“, lautete auch entsprechend das Urteil zu diesem Vorschlag.

Blieb immer noch die Frage nach einer Rolle für Fred.

Wer schlussendlich auf die Idee kam, dass er ein Weihnachtsbowtruckle sein könnte, der im Weihnachtsbaum lebt, und dass, wer ihn zu Gesicht bekam, sich in sein Gegenüber verliebte und er somit Zündfunke der Romanze zwischen Lily Luna und Scorpius wäre, ließ sich später nicht mehr feststellen. Aber Fred gefiel die Rolle, denn in einem Weihnachtsbaum zu wohnen fand er einfach nur cool. Und solange keiner auf die Idee kam, ihm eine Prinzessinnenrolle anzudrehen, bei der er dann die Zukünftige von Albus Severus spielen musste, war ihm fast alles egal. Außerdem durfte er als Weihnachtsbowtruckle auch noch den Part als Erzähler übernehmen, so dass auch er hinreichend Auftritte und Text hatte und alle waren zufrieden.

Den genauen Text auszuarbeiten dauerte den Rest des Tages, und es versteht sich von selbst, dass Scorpius am Abend wie auch schon die Abende zuvor auf dem Bettenringelrei bestand und ihn die anderen vermeintlich austricksten. Schließlich wussten ja nur Albus Severus und Scorpius selbst, dass dieser auf diesem lächerlichen Bettdeckenmummenschanz bestand, um die Form zu wahren.
 

Der nächste Tag brach mit all den prophezeiten Dingen an: Leckerem Weihnachtsfrühstück, aber fehlenden Geschenken. Doch in Hinblick auf das bevorstehende Theaterstück war die Stimmung sogar einigermaßen entspannt und vorfreudig. Eine Vorfreude, die noch wuchs, als sie begannen, gemeinsam die Möbel für den ersten Akt umzustellen, damit rund um den Weihnachtsbaum ein Möbelwald entstand.
 

1. Akt:

Erzähler Fred: Wir sehen einen Wald an der Grenze zwischen Großmursien und Galmandria. Es treten auf der König von Großmursien und seine Schwester, die Prinzessin von Großmursien, welche einen Weihnachtsbaum suchen.

Albus Severus: O holde Schwester, wieder einmal neigt sich das Jahr dem Ende zu, es wird Zeit das Weihnachtsfest zu begehen.

Lily Luna: Mein verehrter Bruder, wie gut Ihr euch doch darauf versteht, den Kalender zu lesen.

Albus Severus: So lasst uns denn den Weihnachtsbaum aussuchen, ehe ich dich in der Schlossküche einsperre und nicht eher wieder herauslasse, bis du nicht fünf der größten Kessel mit heißer Schokolade für die Weihnachtskniesel gefüllt hast.

Lily Luna: Ach, ich arme Jungfer zart, wie grausam mein Los, wie hart. Meine Hände werden vom vielen Kochlöffelschwingen ganz zerschunden sein und wie soll mich da noch je ein Prinz als Gemahlin erwählen. So werde ich wohl in einem sechsten Kessel einen Liebestrank brauen müssen... (leise) Doch dafür braucht es noch ein paar andere Zutaten. Diese werde ich jetzt sammeln, denn die Gelegenheit ist günstig.

Erzähler Fred: Von der anderen Seite der Bühne betritt der Prinz von Galmandria das Geschehen. Auch er sucht in diesem Grenzwald nach einem passenden Weihnachtsbaum.

Scorpius: Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum... Hey, der Baum wäre doch nicht schlecht.

Erzähler Fred: Der Prinz hebt die Axt (dargestellt von einem Buch mit dem passenden Titel ‚Magischer Schliff für Magische Äxte’) und beginnt den Baum zu fällen. Doch in diesem Baum lebt ein Weihnachtsbowtruckle.

Fred: Hacke, hacke Nikoläuschen, wer sägt an meinem Weihnachtsbaumhäuschen?

Scorpius: Ich säge nicht, ich hacke.

Fred: Kein Sinn für Poesie, diese Jugend von heute. Dennoch ist es unhöflich, den Baum eines anderen fällen zu wollen.

Scorpius: (sich umsehend) Oh, ein Weihnachtsbowtruckle! Wie schade nur, dass mir in diesem Wald noch nie ein gar lieblich Mädchen begegnet ist, in das ich mich bei deinem Anblick hätte verlieben können. (Er macht eine Verbeugung und zieht sich rückwärtsgehend zurück, um prompt mit der Prinzessin von Großmursien zusammenzustoßen.) O holde Maid, mein Leben lang sucht ich schon nach Euch. O schönster Liebreiz, o Holde mein!

Lily Luna: Mein Prinz, o du mein Geliebter! Endlich! Und meine Hände sind auch noch ansehnlich. Oh ich Glückliche. Nun bedarf ich des Liebestrankes nicht mehr.

Erzähler Fred: Der König von Großmursien entdeckt die beiden Liebenden.

Albus Severus: Hinfort du Tunichtgut. Nie ward mein Herz der Liebe gegenüber härter gesonnen als bei diesem Anblick. Nie werd ich meine Schwester einem andern anvertrauen, nie sie aus meinem Reich entlassen. Schon gar nicht in die Hände eines aus Galmandria!

Erzähler Fred: Der König zieht die Schwester mit sich fort, um sie gleich in der Küche einzusperren. Der Prinz von Galmandria geht in die entgegen gesetzte Richtung ab.
 

Erneutes Möbelrücken, mussten die selben Stücke, die eben noch Bäume gemimt hatten, nun doch zu einer Schlossküche werden.
 

2. Akt

Erzähler Fred: Wir sehen nun die Schlossküche, in der die Prinzessin heiße Schokolade zubereitet.

Lily Luna: Lirum larum Löffelstiel, ne Prise Zimt, doch nicht zu viel. Ach ich arme Jungfer zart, was ist mein Los doch gar so hart. So sitz ich hier und bereite wie jedes Jahr gar köstliche heiße Schokolade zu, damit die Weihnachtskniesel für uns singen, und das obwohl ihr Gesang gar garstig klingt.

Erzähler Fred: In der Ecke der Küche haben es sich zwei überaus große Vertreter dieser Spezies gemütlich gemacht.

Lysander & Lorcan: Growr, lecker, schmecker, Schokolade. Walle, walle, manche Strecke, alte Qualle.

Lily Luna: Wen nennt ihr eine alte Qualle? Passt auf, dass ich euch nicht Quallensud in die Schokolade mische.

Lysander & Lorcan: Dann singen wir eben nicht und das ganze Schloss verschimmelt! Und fällt zusammen! Und dann hat die alte Qualle keine Küche mehr.

Erzähler Fred: Der König von Großmursien betritt die Küche, um den Fortschritt zu begutachten.

Albus Severus: Bringt meine Schwester nicht auf dumme Gedanken. Ich weiß doch, dass ihr jedes Jahr bei den Weihnachtsknieseln eine Lotterie veranstaltet, bei der es darum geht, die glücklichen Kniesel zu bestimmen, welche in den Genuss der Schokolade von Großmursien kommen dürfen. Doch sollt ihr wissen, dass meine liebreizende Schwester heute im Wald beinahe Hochverrat begangen hätte, wollte sie sich doch heimlich mit dem Prinzen von Galmandria davonschleichen. Und wäre ich nicht zur Stelle gewesen, um Schlimmeres zu verhindern, so gäbe es keine Schokolade für euch.

Lysander & Lorcan: Oh weiser König, oh erhabener Gebieter, so danken wir Euch für Eure Fürsorge.

Erzähler Fred: Derweil sieht sich die Prinzessin nach einer Fluchmöglichkeit aus der Küche um, doch ihr Bruder ist zu genau in seinen teuflischen Plänen und hat die Tür von seiner Gespensterwache verstellen lassen.

Lily Luna: Ach ich arme Jungfer zart.

Erzähler Fred: Endlich ist der König mit seiner Inspektion am Ende und verlässt die Küche wieder.

(König geht ab)

Lily Luna: Lirum Larum Löffelstiel, ne Prise Zimt, doch nicht zu viel.

Erzähler Fred: Während die Prinzessin dabei ist, sich wieder einmal die Hände zu ruinieren, ertönt von einem der winzig kleinen Fenster, Fenster, die so klein sind, dass nicht einmal Mäuse hindurchgepasst hätten, eine Stimme. Es ist der Prinz von Galmandria.

Scorpius: Pst, holde Prinzessin, ich bin gekommen, Euch zu befreien. Lasst uns gemeinsam fliehen.

Lily Luna: Befreien? Ihr? Mich? Wer sagt, dass ich mich nicht selbst befreien kann? Ich will Euch wissen lassen, dass meine Animagusgestalt ein Regenwurm ist und einen solchen halten selbst derlei kleine Fenster nicht auf.

Scorpius: Um so besser, o Holde mein, so lass uns sogleich fliehen. Doch schnell, ich höre schon Eures Bruders gespenstische Wachen herannahen.

Erzähler Fred: So schlüpft die Prinzessin durch das Fenster und begibt sich auf die Flucht.
 

Und ein letztes Mal wurden Möbel gerückt. Das Finale war nahe.
 

3. Akt:

Erzähler Fred: Wir sehen die Zugbrücke des Schlosses (dargestellt durch die beiden aneinander gereihten Bettsofas), über welche die beiden Liebenden soeben in die Freiheit fliehen wollen. Doch sie haben nicht mit den verräterischen Weihnachtsknieseln gerechnet.

Lysander & Lorcan: Haltet sie auf, haltet die Schokoladendiebe auf! Ohne Schokolade singen wir nicht!

Erzähler Fred: Dergestalt herbeigelockt, ist die Zugbrücke bald von Gespensterwachen und dem König höchstselbst bevölkert und ein erbitterter Kampf entbrennt.

Albus Severus: Nimm das, du Schurke!

Scorpius: Ich, ein Schurke? So fass er sich an die eigne Nase, ehe er andere so nennt. Denn niemals ward ein größerer Schurke als der, wer seine Schwester einsperrte.

Albus Severus: Ihr seid ja bloß von Neid erfüllt, weil Ihr keine Schwester habt, über die Ihr so verfügen könnt.

Scorpius: Doch bald hab ich ein liebreizendes Weib, welches ich mein Eigen nennen könnte.

Lily Luna: Die Prinzessin von Großmursien ist Niemandes Eigentum.

Erzähler Fred: In einer unerwarteten Wendung der Ereignisse, hat die Prinzessin ihren Bruder und den Geliebten von der Zugbrücke in den Burggraben geworfen.

Albus Severus: Oh, ein Weihnachtsbowtruckle.

Erzähler Fred: Was, wie? Nein, ich bin Erzähler.

Scorpius: Ein Weihnachtsbowtruckle. Oh, oh, wie wird mir nur? So warm ums Herz.

Albus Severus: Mein Bauch, es ist als flögen tausend Schmetterling der Liebe in mir.

Scorpius: Oh du mein Augenstern. Dein honigsüßes Lächeln verzaubert selbst den stärksten Feind. Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich!

Albus Severus: Mein Herz, meine Seele, nie hab ich größeres Glück gekannt als in deinen Armen, oh du Liebe meines Lebens.

Erzähler Fred: Ähm, Leute, das steht so aber nicht im Text. Scorpius, du musst doch Albus Severus erstechen!

Scorpius: Doch lieber noch hätte ich’s, säh ich den Dolch hier mit deinem Blut getränkt! Und das des Bowtruckles noch dazu, uns so eine gemeine Falle zu stellen!

Albus Severus: Getroffen sinke ich hernieder... leb wohl, du schnöde Welt, nimm Abschied nun. (stirbt)

Scorpius: Oh Liebste mein, lass uns in mein Reich fliehen. Nun, da dein Bruder nicht länger ist, wird niemand uns sich mehr in den Weg stellen!

Erzähler Fred: Und sie reiten beide glücklich mit den Weihnachtsknieseln in den Sonnenuntergang. Denn den Knieseln ist es egal, in welchem Land sie ihre heiße Schokolade bekommen. Ende!
 

Obwohl kein Publikum zugegen war, das ihnen hätte Beifall spenden können, verbeugten sich die Schauspieler artig. Dann ließen sie sich erschöpft auf die Sessel und Sofas fallen. Theater spielen war schließlich anstrengend.

„Schade, dass es nur ein Theaterstück war“, sagte Fred. „Denn andernfalls wären wir jetzt frei.“ Und er blickte zu Albus Severus und Scorpius hinüber.

Lily Luna schüttelte den Kopf. „Zu theatralisch. Ergo nicht echt, weshalb der Raum sehr wohl weiß, dass es nur gespielt war und wir deswegen immer noch hier gefangen sind.“

„Ob wir wenigstens Truthahn nachher zum Essen kriegen?“, fragte Lysander hoffnungsvoll, der Weihnachten ohne Geschenke blöd fand, aber Weihnachten ohne Truthahn als Katastrophe empfinden würde.

„Bestimmt“, beruhigte Lily Luna ihn. „Truthahn ist schließlich Essen und bislang haben wir alles Essen bekommen, das wir wollten.“

Mit dieser Umschiffung der Truthahnkrisenklippe widmeten sich die Gefangenen des Raums der Wünsche wieder ihren alltäglichen Beschäftigungen: Lesen und Schachspielen.

Schließlich stand Albus Severus auf. „Ich hätte Lust auf heiße Schokolade. Soll ich jemandem was mitbringen?“ Und er gab sich den Anschein, als ginge er zu dem Wandschrank, der Geschirr und Besteck enthielt.

Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, wollten die anderen auch etwas. Schließlich ging es um heiße Schokolade. Und außerdem hatten sie gerade ein Theaterstück über heiße Schokolade aufgeführt, weshalb Albus Severus’ Frage im Grunde überflüssig gewesen war.

„Warte, ich helfe dir“, sagte Scorpius und stand gleichfalls auf.

Lily Luna verdrehte die Augen. Und da sollten die beiden noch mal behaupten, nur beste Freunde zu sein. Dann wandte sie sich wieder ihrem Buch zu.

Doch als das erwartete Klappern von Henkeltassen und Teelöffeln ausblieb, blickte sie doch auf und sah sich nach ihrem Bruder um. Nur um sprachlos ins Leere zu blicken. Ihr Bruder und Scorpius waren verschwunden. Und da das Badezimmer an der gegenüberliegenden Wand war, konnten sie auch dort nicht sein, denn dazu hätten sie den ganzen Raum durchqueren müssen und das wäre ihr doch aufgefallen. „Wo sind sie hin?“, fragte Lily Luna und brachte so die drei anderen Jungen dazu, sich ebenfalls suchend im Raum umzublicken.

„Draußen“, sagte Lysander und wies auf die leicht offen stehende Tür des Raums der Wünsche.

„Draußen?“ Fassungslos sahen sich die anderen an.

„Draußen!“ Und mit einem Freudenschrei folgten die drei Jungs den Siebtklässlern. Lily Luna aber räumte noch mit einem Lächeln ihr Buch weg und begab sich dann selbstzufrieden in den Slytherin-Kerker, um endlich ihre Weihnachtsgeschenke auszupacken. Denn auch wenn ihr Plan vielleicht einen kleinen Schönheitsfehler gehabt hatte, so hatte er am Ende doch funktioniert.
 

Schöne Weihnachten!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  shikakid
2015-09-23T19:51:52+00:00 23.09.2015 21:51
beste ff (nun bis jetzt ; ) ) die ich je über diese generation gelesen habe. ich musste so oft lachen, dass meine mitbewohner sich gefragt haben ob noch andere sachen im spiel sind..wie auch immer, die charaktere sind genial..und die ganze situation...na ja ich kann nicht besonders gut konstruktive kritik äußern..also hoffe ich, dass es reicht,wenn ich schreibe...nun was ich schon am anfang geschrieben habe
Von:  INCREDIBLE
2013-04-14T10:42:30+00:00 14.04.2013 12:42
Hey,

Ich fand die Geschichte sehr schön und die Idee genial :)
Lily's Charakter ist echt klasse :DD
Das Theaterstück war echt lustig, am meisten die Szene vom Scorpius und Albus ;D

LG Incredible


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