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Blur - Ancient Curse

[Aoi & Kai] [Ruki & Uruha] [Karyu & Zero] [MC] [Singlework]
von

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Ruki erwachte mit einem Ruck.

Was verflucht noch mal war passiert?

Seine Gedanken wirbelten munter umher, jagten sich mit Erinnerungen, ohne wirklich Sinn zu ergeben. Er richtete sich auf und schwang seine Beine über das Bett, stöhnte leise, als er dem hämmernden Schmerz hinter seinen Schläfen gewahr wurde. Erst umsehen, dann nachdenken, entschied er, als er mit dem Handballen gegen seine Schläfe presste. Der Raum, in dem sich der Dunkelelf befand, schien direkt in den Fels eines Berges hinein geschlagen worden zu sein. Nischen, auf denen brennende Kerzen standen, waren grob herausgearbeitet und auch der Rest war recht spartanisch eingerichtet. Es gab ein simples, überraschend gemütliches Bett mit dunklen Fellen und fein gewebten Leinen, der natürlich eingefärbt worden war. Am Fuß desselben stand eine Truhe. Sein Teleportatiosstab ruhte dagegen und brachte Ruki auf den Gedanken, an sich hinab zu blicken.

Man hatte ihn umgezogen. Er war barfüßig und trug schlichte Hosen sowie ein einfaches Hemd. Beides trug eine grobe Stickerei am Saum, deren Symbole er aus Java kannte. Zu seiner Rechten gab es einen kleinen Tisch. Darauf stand, neben einer Karaffe und einem Becher, eine Schüssel mit Wasser, in der ein Lappen schwamm. Als er hinein fasste, stellte er fest, dass es warm war.

Wieviel Zeit war vergangen?

Er war im Heiligtum der Fenir, dessen war er sich ziemlich sicher, denn sonst lebten die Vogelfreien in großen Zelten. Nun musste er nur noch herausfinden, was passiert war, nachdem sie hier angekommen waren.

Ruki ließ seine Augen zufallen und erlaubte den wilden Erinnerungen über ihn herzufallen. Nach einigen Sekunden absoluter Verwirrung, begannen sie sich zu sortieren und erlaubten dem Dunkelelf das Geschehen zu rekonstruieren. Sie waren direkt am Fuße eines Berges angekommen. Und man hatte sie erwartet. Hizumi musste seiner Frau telepathisch mitgeteilt haben, dass sie kommen würden. Ruki erinnerte sich vage, von ihrem Antlitz beeindruckt gewesen zu sein. Es war lange her, dass er einen Nachtelfen gesehen hatte. Dieses Volk war antisozialer als die Hohelfen – was einiges sagte. Sie war groß und überragte sogar Uruha, ihre Augen waren wachsam und intelligent. Sie hatte sie nacheinander gemustert und dann war ihr Blick an dem Unscheinbarsten von ihnen allen hängen geblieben.

Sie hatte dem Traumtänzer ein sanftes Lächeln geschenkt und die Hand in dessen Richtung erhoben.

'Lass sie schlafen, Die. Sie alle brauchen die Ruhe.'

Ihre Stimme war mit einem merkwürdigen Hall behaftet gewesen; wie als würde er sie mit den Ohren und mit dem Geist hören können. Sie war warm gewesen und machtvoll. Sie hatte Ruki einen Sinn von Frieden gebracht und verbunden mit dem behutsamen Zauber des Traumtänzers gab es nichts, dass er entgegen zu setzen gekonnt, oder gewollt hätte. Ruki hatte Uruha näher an sich gebracht, als ihm die Knie versagt hatten und er hatte geschlafen, noch bevor sein Haupt in die Hände anderer, wartender Fenir gesunken war.

Nun war der anfängliche Kopfschmerz verschwunden und er fühlte sich erholt, gerade so, als hätte er Stunden im eigenen Bett geruht und Ruki nahm an, dass Die der Grund dafür war. Er würde dem Traumtänzer danken müssen.

Aber zuerst musste er Uruha finden, dann Aoi und den Rest.

Entschlossen erhob er sich und trat zur „Tür“ seines Raumes; eigentlich war es ein schweres Tuch, auf welchen die Sonne, ihre Monde und Sterne aufgestickt worden waren.

Ruki schob es beiseite – und erstarrte.

Vor ihm lag eine breite Treppe, die sich in beide Richtungen durch das Gestein schlängelte und in ihrer Art an eine Wendeltreppe erinnerte, obgleich dies hier gewiss kein Turm war. Aber es war nicht ihre schiere Größe, die ihm den Atem stahl.

Es war das Wasser, welches weich und lautlos über die sorgsam geschlagenen Stufen floss. Hunderte von Kerzen erleuchteten den Weg, Blumen und Ranken zierten die Wände. Es war solch ein Kontrast zu dem simplen Raum, welcher hinter ihm lag. Blütenblätter glitten mit dem Wasser und streiften seine Zehen, als er einen Schritt nach draußen tat. Von hier konnte er noch mehr Details erkennen – die Wände waren bemalt, sie erzählten Legenden von Kistara. Es gab Gemälde von einzelnen Völkern, aber auch zusammenhängende Bilder. Es war eine Chronik ihres Landes. Rukis Finger legten sich behutsam gegen die sorgsam geführten Striche.

Er hatte nicht gewusst, was die Fenir hier geschaffen hatten und das obgleich er schon lange an der Seite Aois war und gedacht hatte, Kistara zu kennen.

War es ihrem Herrn bewusst gewesen?

War er schon einmal hier gewesen? War diese Stufen entlang gewandelt? Vielleicht mit Hizumi an seiner Seite?
 

„Es lässt einem fühlen, als wäre man in einer anderen Welt gelandet, nicht wahr?“

Die Stimme überraschte Ruki.

Er wirbelte herum und blickte geradewegs in die brauen Tiefen eines Vampirs.

„Tsukasa. Was tust du hier?“

„Eine lange Geschichte. Komm. Ich erzähle sie dir, derweil ich dich zu Uruha bringe.“

Er fasste Ruki behutsam am Unterarm und der Dunkelelf registrierte, dass dieser die gleiche Kleidung wie er selbst trug.

„Nachdem Zero Gebik angriff“, begann Tsukasa, als sie die Treppen hinab liefen, „brachte ich Kai ins Labyrinth. Wir hatten vor, zum Tempel der Hohen zu reisen. Ein Ort, an dem ich Kai sicher glaubte, aber Zero fing uns ab. Ich habe keine Vorstellung, davon, wie er das gemacht haben kann; die Tunnel reichen so weit und sind verzweigt. Wir hätten überall hingehen können. Es kam zu einem Kampf in dem ich bitter unterlag. Mir war bewusst, dass ich ihn nicht hätte schlagen können, dennoch glaubte ich, machtvoll genug zu sein, um Kai und Ari die nötige Zeit zu einer Flucht zu verschaffen. Es misslang.“

Tsukasa stoppte einen Moment und presste die Kiefer aufeinander. Eine so vernichtende Niederlage kratzte mit Sicherheit am Stolz des Vampirs. Ruki konnte es gut nachvollziehen.

„Ich erwachte erst wieder in meinem Gefängnis. Von Kai und Ari fehlte jede Spur. Zero war effektiv in dem, was er mit mir tat. Er fesselte mich und sorgte dafür, dass ich langsam ausblutete. Ich weiß nicht viel von dem, was danach alles geschehen ist. Ich erinnere mich vage, Zero gesehen zu haben. Er nahm Kai mit, aber er tat ihm nicht weh. Dann war da Lärm. Orientierungslosigkeit. Blut. Und schließlich Hizumi. Man sagte mir, dass mich Hizumi fand und dass mein Leben zu diesem Zeitpunkt nahezu verwirkt gewesen war.Du wirst ihn oder Kai fragen müssen, wenn du noch weitere Details erfahren willst.“

Ruki nickte, stoppte als auch der Vampir anhielt und wusste, dass sie an ihrem Ziel angekommen waren. Er legte dem Vampir eine Hand auf die Schulter, drückte diese leicht.

„Ich danke dir.“

„Wofür? Ich habe versagt.“

„Du hast Kai am Leben erhalten. Das war es, was du Reita geschworen hast. Er war sicher bei dir.“

„Nicht sicher genug.“

Ruki nickte auf Tsukasas bittere Worte.

„Das ist wahr. Dennoch hast du deine Aufgabe gemeistert. Nimm deine Niederlage um zu erstarken und nach vorn zu sehen. Du wirst dich an Zero rächen können.“

Tsukasa hob den Kopf ein wenig höher und nickte. Er verabschiedete sich nicht einmal, als er sich herum drehte und ging; Ruki verfolgte es einen Moment, dann hob er den Stoff beiseite, der ihn in Uruhas Raum brachte.
 

Sein Meerwesen schlief noch, doch als Ruki näher trat, erkannte er erste Anzeichen des Erwachens. Er setzte sich zu ihm und umschloss behutsam die schmalen Finger mit den seinen. Auch Uruha war umgezogen worden, außerdem hatte man sein Haar gekämmt und in einem geflochtenen Zopf zurückgenommen. Das würde seinem Gefährten aufstoßen, aber Ruki nahm an, dass es in ihrer derzeitigen Lage wohl kaum von Bedeutung war. Es gab ganz anderes, auf das sie sich konzentrieren mussten. Man hatte Uruha die Kette abgenommen und derweil der Dunkelelf darauf wartete, dass Uruha vollständig zu Bewusstsein erlangte, legte sich sein Blick darauf. Der Stein hatte aufgehört zu leuchten.

Es sah wieder wie ein ganz normales Schmuckstück aus.

„...Ruki?“

Uruha blinzelte zu ihm hinauf und er schenkte diesem ein sanftes Lächeln, verhinderte mit einer Hand, dass er sich aufsetzte.

„Bleib noch etwas liegen. Es ist besser.“

Zu seiner Erleichterung fügte sich sein Meerwesen augenblicklich. Ruki hätte nicht gewusst, was er getan hätte, wäre dieser noch immer von dem Zauber des Ritus belegt.

Er öffnete seine Lippen, wollte erfragen, wie sich der Langhaarige fühlte, doch dieser kam ihm zuvor.

„Was ist passiert?“ Uruhas schöne Stirn legte sich in Falten. „Wo sind wir hier?“

„An was kannst du dich erinnern?“

Die Gegenfrage ließ Uruha verharren; die Brauen zogen sich noch weiter zusammen, dieses Mal in Konzentration.

„Ich erinnere mich, dass Kyō sagte, er wolle nicht helfen. Ich kann mich an dich und deine Wut erinnern... danach wird es verschwommen. Mehr Empfindungen, als tatsächliche Erinnerungen.“

„Was für Empfindungen?“

Nun ließ Ruki zu, dass Uruha sich erhob. Er öffnete seine Arme für ihn und der Langhaarige sank in diese, suchte nach Halt.

„Angst. Verzweiflung. Dann Wärme, ein Ruf“, Uruha verstummte, vielleicht weil er zu greifen suchte, was genau er gefühlt hatte, dann, plötzlich hob sich dessen Kopf und die Finger krallten sich in Rukis Arme, „ Aoi. Oh, bei den Göttern, Aoi...“

Der Dunkelelf tat einen beruhigenden Laut, strich sanft über den Kopf und die Wange Uruhas.

„Es ist alles gut. Beruhige dich. Du hast es geschafft. Du hast ihn erreicht. Er ist bei uns.“

Tränen schwammen in Uruhas Augen; sie ließen auch Rukis brennen. Es war so viel, dass durch ihn tobte, seinen Geist und sein Herz überforderte. Da war das Glück, diese ach so süße Empfindung, dass sein geliebtes Meerwesen wieder bei ihm war. So sanft, so bezaubernd, wie er es kannte. Dann war da Stolz. Stolz, dass Uruha geschafft hatte, was er in seiner Wut nicht gekonnt hatte. Er hatte Aoi gerettet. Wie auch immer genau das passiert war. Hätte Uruha nicht getan, was er getan hatte, Ruki war sich sicher, sie wären zu spät gewesen. Er war erleichtert und voller Hoffnung, dass Aoi sich erholte. Zero rückte einen süßen Moment lang in den Hintergrund, als sich der Dunkelelf ganz auf seinen Gefährten und seine Familie konzentrierte. Er beugte sich vor und hauchte einen zärtlichen Kuss auf Uruhas Lippen.

„Du hast es geschafft“, wiederholte er. Uruha sah ihn an, nickte schließlich.

„Wo sind wir hier?“

„Im Heiligtum der Fenir. Kyō war der Ansicht, dass man Aoi hier am besten helfen kann. Sein Körper wurde durch den Ritus der Genjai, seine Verbindung zu dir am Leben erhalten, doch seine Seele driftet bereits. Hizumis Frau holt sie für uns zurück. Er wird schneller wieder da sein, als du es dir vorstellen kannst.“ Sein Finger strich sanft über Uruhas Wange, lächelte. „Ich bin so stolz auf dich.“

Sein Meerwesen lehnte sich vertrauensvoll in die Berührung.

„Ich weiß nicht einmal genau, was passiert ist“, murmelte es, „Wie kannst du dann sagen, dass du stolz auf mich bist?“

„Weil es ein Fakt ist. Ich weiß nicht genau, was das Ritual mit dir gemacht hat. Du warst... verändert. Aber genau diese Veränderung hat dir geholfen, zu tun, was nötig war. Du hast dort einen kühlen Kopf bewahrt, wo ich nur noch Wut verspürte. Du hast uns geführt und zu ihm gebracht. Ohne dich, ohne deinen Zauber, wären wir zu spät gewesen.“

Uruha nickte sacht, akzeptierte seine Worte, doch sie beide wussten, dass sie Antworten brauchten. Sie mussten wissen, was genau mit Uruha geschehen war. Aber es war ein Rätsel für einen späteren Augenblick.

„Bringst du mich zu Aoi?“

Ruki umschloss Uruhas Finger und drückte sie zärtlich.

„Ich bin nicht sicher wo genau er ist, aber wir werden ihn finden.“

Der Langhaarige nickte, erhob sich dann, sah sich um, Ruki an und an sich herab.

„Wo sind unsere Sachen?“

„Sie wurden in den Truhen vor den Betten verstaut. Hier.“ Ruki nahm die Kette und reichte sie Uruha.“Das hast du doch gesucht?“

Ein Summen antwortete ihm, als Uruha das Schmuckstück über seinen Kopf streifte; Ruki half, den Zopf hervor zu ziehen. Er presste einen sanften Kuss auf die Schläfe, bevor er abermals ihre Finger verflocht und Uruha aus dem Raum führte.
 

Das Wasser streifte ihre Füße und er konnte den sachten Laut hören, den der Braunhaarige in der Kehle tat. Er musste es vermissen, sich in dem kühlen Nass zu bewegen, darin zu schwimmen. Es schien bereits ewig her, seitdem er es das letzte Mal getan hatte.

Sie waren einen Moment unentschlossen, wohin sie gehen sollten. Hinauf? Hinab? Ruki entschied, unten zu suchen. Er vermutete das Heiligste dieses Ortes im Inneren des Berges; dort wo es am besten geschützt war. Ab und an begegneten ihnen Fenir in langen, grauen Roben; sie alle waren Stimmen; die Priester im Heiligtum.

Abermals wurde Ruki bewusst, wie unabhängig sie waren, die Vogelfreien. Er hatte es immer akzeptiert, dennoch fühlte sich Ruki, als würde er zu wenig wissen und auch Uruha machte nicht den Eindruck, dass er exakt nachvollziehen konnte, was man hier tat.

Lediglich Kyō schien mehr zu wissen. Bastard. Ruki hasste den Fakt, dass der Hoheelf immer mit einer Antwort aufwarten konnte. Es ließ ihn sich dumm fühlen. Und das war ein beschissenes Gefühl.

„Lass das“, kommentierte Uruha leise und Ruki sah diesen an, eine Braue in die Höhe geschoben.

„Ich tue nichts.“

„Oh doch.“ Sein Meerwesen blieb stehen und hob eine Hand, damit er einen Finger zwischen seine Brauen legen konnte. „Du hast kleine Falten. Die bekommst du nur, wenn du zu viel nachdenkst und unzufrieden bist. Und liege ich falsch, wenn ich behaupte, es hat mit Kyō zu tun?“

Ruki lächelte ertappt.

„Woher weißt du das?“

„Es ist nicht schwer zu erraten“, Uruha zuckte mit den Schultern. „Er wollte, dass wir hier her kommen. Keiner kennt die Fenir richtig. Er offenbar schon und du hasst es, nicht das zu wissen, was er weiß.“

„Ich möchte wissen, wie dieser Bastard das immer macht“, brummte Ruki. „Es ist, als würde er den ganzen lieben langen Tag Bücher und Schriften lesen. Hat er nicht Ulka zu regieren?“

„Nenn ihn nicht so“, schalt der Langhaarige sanft, „ Und bedenke, dass er älter ist als du und anderen Pflichten nachkommen muss. Er hat den Luxus, viele seiner Tage nach seinem Sinn zu gestalten.“

Ruki schnaubte leise. Also doch den ganzen Tag Bücher und Schriften. Kyō hatte seine wahre Berufung verfehlt. Er hätte Quacksalber werden sollen. Sie kamen am Fuße der Treppe an und bogen um eine Ecke, um in einen weiteren Gang zu gelangen. Stimmen drifteten von einem Raum zu ihrer Linken und Ruki rollte mit den Augen.

Es war ja so klar gewesen, dass sie den verdammten Hoheelfen über den Weg laufen mussten.
 

„Setz dich.“

Kaoru klang außergewöhnlich sanft und war das Sorge in seiner Stimme? Ruki zog eine Braue in die Höhe und warf einen Blick zu Uruha, bevor er näher zum Raum trat. Das schwere Tuch davor war nur teilweise geschlossen und erlaubte dem Rothaarigen, Kyō und Kaoru zu sehen, die sich in einer ungewöhnlichen Pose befanden.

Der Blonde saß auf dem Bett, den Kopf in den Nacken gelegt. Er trug seine Roben noch – immer hatte er eine Extrawurst, dieser Bastard! – doch er hatte den oberen Teil von den Schultern gestreift, so dass sie nun, vom Gürtel gehalten, um seine Taille lagen. Darunter trug er ein hautenges, beiges Oberteil ohne Ärmel. Gegen die hellen Farben seiner Kleidung stachen die dunklen Striche seiner tätowierten, vor der Brust verschränkten Arme umso stärker ab. Ruki konnte sich nicht erinnern, jemals Hoheelfen mit derart vielen Zeichnungen gesehen zu haben.

Aber – wie beeindruckend sie auch sein mochten – die Tattoos waren nicht das, was Rukis Augenmerk fing. Es war das Blut, das aus Kyōs Nase tropfte und über sein Kinn gelaufen sein musste, denn es gab Flecken auf dem Gewand. Kaoru stand zwischen den Beinen des Blonden, die Stirn in besorgte Falten geworfen, als er den Kopf des Kleineren behutsam nach vorne führte, wobei er den Lappen aus der Schüssel gegen die Nase presste.

Allein der Fakt, dass Kyō sich so widerstandslos fügte, machte Ruki sprachlos. Und um ein Haar wäre er genau damit heraus geplatzt, doch wie praktisch immer rettete ihn Uruha und sein Gefühl für Takt.

Das Meerwesen hatte sich geräuspert und damit gezeigt, dass die beiden Hoheelfen nicht mehr unter sich waren. Man konnte sehen, dass Kyōs Schultern an Spannung gewannen, aber das taten auch Kaorus Finger im Nacken des kleinen Mannes und so blieb dessen Kopf unten.

Kaoru hingegen sah die beiden Zuschauer über seine Schulter hinweg an. Die Lippen waren zu einem angestrengten Lächeln erhoben und es war recht offensichtlich, dass der Hoheelf lieber mit seinem Herrn allein wäre. Aber Kaoru war genauso taktvoll wie Uruha und so blieb die Situation genau so, wie sie war.

„General. Es ist schön, zu sehen, dass Ihr wieder bei uns seit.“

Das Meerwesen senkte dankend den Kopf, tat dann einen Schritt näher.

„Benötigt Ihr unsere Hilfe?“

„Nein, dennoch danke der Nachfrage.“

Die Antwort war schnell gewesen und sie war das, womit die beiden Generäle gerechnet hatten. Und wo jeder andere am scharfen Tonfall erkannt hätte, dass das Gespräch nun vorüber war, hakte Uruha sacht nach.

„Er blutet, Kaoru.“

„Er ist nicht verwundet, wenn Ihr das impliziert, General.“

»Er ist anwesend«, mischte sich Kyō gereizt in das Gespräch ein. »Und er hätte gerne etwas Freiraum.«

Eine derart pampige Aussage von den Lippen des Hoheelfen war ungewöhnlich, weswegen Uruha die Brauen zusammen zog.

„Das du blutest, hat das etwas mit dem Ritual zu tun, dass ich gewirkt habe, um Aoi zu finden?“

»Nein.«

„Was ist es dann?“, fragte Uruha erneut und Ruki war überrascht, dass sein Meerwesen so verbissen war – wo war das Taktgefühl hin, dass er eben noch so gelobt hatte?

„Ihr solltet es ihnen sagen.“

Kaorus Vorschlag war behutsam und ließ Kyō mit den Zähnen knirschen. Ruki war sich ziemlich sicher, dass sie aus dem Mann nichts heraus bekommen würden und er hatte Recht. Kyō schwieg eisern, sodass Kaoru leise seufzte, bevor er sie ansah und leicht den Kopf schüttelte.

„Ich bitte Euch, nun zu gehen.“

Sie fügten sich; senkten die Köpfe und zogen sich zurück. Und derweil Uruha an seiner Seite einfach nur verwirrt aussah, triumphierte die kleine Stimme in Ruki, die Kyō den Mittelfinger entgegen streckte.

'Gotcha, du Arschloch!'

Ruki hatte die Zeichen richtig gedeutet. Etwas stimmte mit Kyō nicht. Nun galt es nur noch heraus zu finden, was es war.
 

~~~~~
 

Seit Ari erwacht war, saß er auf dem Bett, die Knie angezogen und starrte an die Decke.

In einem zweiten Bett lag Kai. Er schlief und Ari hielt es für das Beste. Dennoch konnte er sich nicht helfen, bei jeder vermuteten Regung zu diesem zu blicken.

Er war heiser gewesen, als sie am Heiligtum angekommen waren; jetzt fühlte er sich erholt und er hoffte inständig, dass es Kai ebenso gehen würde.

Ari versuchte seine Gedanken so eng beisammen wie möglich zu halten; er befürchtete, sich sonst an die Hysterie zu verlieren und das würde Kai nicht helfen. Sein Freund brauchte eine Schulter, einen Fels, etwas das ihn konstant hielt und ihm erklären konnte, was passiert war. Der ihn – wenn die Zeit gekommen war – zu Aoi brachte.

Der Blonde grub eine Hand in sein Haar, starrte zu dem Liegenden.

Er wusste immer noch nicht, was er ihm sagen sollte.

Er konnte doch unmöglich mit der vollen Wahrheit aufwarten und Kai in aller Grausamkeit erzählen, was sich abgespielt hatte.

Verdammt, er selbst war sich ja nicht einmal sicher, ob es so gewesen war.

Aber Hizumi war bei ihm gewesen und ihre Erinnerungen deckten sich.

Der Fenir hatte ihm die Schulter gedrückt und ihm gesagt, dass er für einen Menschen gar nicht mal so übel war. Er war stark, dass waren die genauen Worte gewesen, sonst hätte er nicht überlebt.

Ari schnaubte.

Er fühlte sich nicht stark. Er fühlte sich wie ein totaler Versager.

Und dabei war er sich so sicher gewesen, in seinem Handeln, in seinen Worten, nachdem Hizumi ihn aus diesem elenden Kasten herausgeholt hatte. Kulareth hatte sich Tsukasa wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter geworfen, nachdem dieser etwas Blut von ihm genommen hatte. Ein Stück waren sie gemeinsam gegangen, dann hatte der Blutdämon eine Spalte gesehen, die ihn und Tsukasa relativ bequem nach draußen bringen konnte.

Er und Hizumi waren weiter gegangen; sie hatten einen Weg gefunden. Denselben Weg, den Zero und Kai auch gegangen sein musste.
 

Der Fenir konnte eine Fäulnis riechen, wie sie nur von Todesmagie stammte und die die feinen Haare auf Aris Armen aufstellte. Die Präsenz von etwas Bösem, von Zero, war hier so stark, dass dem Blonden flau im Magen war. Sie erwarteten hinter jeder Biegung auf den Geist zu treffen.

Der Donner ohne Hall war unvermittelt, ebenso wie das Erdbeben, das den Berg erfasste. Hizumi fluchte heiser und packte seinen Arm mit knochenbrechender Kraft. Ari war ziemlich sicher, dass er einen heftigen Bluterguss zurück behalten würde und dennoch tat er keinen Laut, der über ein gepresstes Zischen hinausging. Mit einer kraftvollen Bewegung brachte der Fürst sie beide gegen die Wand, ihre einzige Deckung, bevor Licht den Gang erhellte, so grell, dass es Ari noch hinter seinen zusammen gepressten und mit dem Arm geschützten Lidern schmerzte. Die Luft wurde dünner; so als wären sie mit einem Mal im Himmel, etwas das Ari durchaus gewöhnt war, aber mit diesem plötzlichen Auftreten ließ es ihn erstickt keuchen und selbst Hizumi hatte Schwierigkeiten, Luft zu holen. Das Licht war noch nicht ganz versiegt, da rasten die magischen Flammen den Gang hinab. Hizumi sah sie als Erster, Ari war noch immer geblendet und nahm lediglich eine verschwommene Suppe aus Farben wahr.

Ihm war schwindlig und er stolperte mehr hinter Hizumi her, denn dass er diesem folgte, als dieser harsch an seinem Arm zog und sie zurück drängte. Einige Schritte entfernt lag eine Nische, in die er Ari und sich nun zwängte; der Fenir passte nicht ganz hinein, ein Teil es Rückens blieb unbedeckt. Hizumi offenbarte seine Schwingen unter einem peitschenden Knall, legte sie einem Schild gleich vor ihr Versteck. Sie waren in vollkommene Finsternis gehüllt, was das Kreischen des Feuers nur umso schlimmer machte. Ari vermochte verbrannte Haut und angesengte Federn zu riechen und ihm war danach, den Arm des Vogelfreien zu packen, um ihnen beiden einen Sinn von Nähe zu geben.

Doch Ari unterließ es, obgleich Hizumi in unterdrücktem Schmerz grunzte.

Draußen war es still geworden, dennoch wartete Hizumi noch einige Zeit, bevor er seine Position aufgab und sich vor der Nische aufrichtete. Der Blonde folgte und strich sich das Haar aus der Stirn, musterte Hizumi, ohne ersichtlich schwerwiegende Verletzungen zu finden.
 

Sie blieben einen Moment stehen, um nachzusehen, ob der Weg noch vorhanden war. Staub lag in der Luft, so dicht, dass es schwer war, mehrere Meter weit zu sehen. Ari strich mit den Fingerspitzen über die verbrannten Wände; die darauf zurück gebliebene Asche war silbrig, glänzte.

„Hier lang.“

Ein paar Brocken, waren in den Weg gefallen, herab gebrochen von den nicht stabilen Teilen des Tunnels, aber es war ihnen möglich, sich daran vorbei zu drängen. Kurz darauf wurde der Weg steiler und am Ende erreichten sie etwas, dass vielleicht einmal ein Plateau gewesen sein mochte.

Große Felsen waren hier hinab gestürzt, die Wände voller Risse, unzählige kleine und einige so breit, dass sie Ari nicht mit einer Hand bedecken konnte. Er sah nach oben; musterte die Decke. Es war unmöglich zu sagen, wann sie einstürzte.

Hizumi war weiter in den Raum hinein gewandert.

„Ari.“

Der Blonde sah in Richtung des Fenirs; dieser hockte am Boden, vor einem schwarzen Fleck. Als Ari näher kam, erkannte er, dass sich die Oberfläche bewegte. Wie Öl rollte sie behäbig von Seite zu Seite, ganz so, als wären sie auf einem Boot. Er berührte sie sachte mit einem Schuh, was sie mit einem satten Schmatzen quittierte.

„Die Flammen haben hier ihren Ursprung.“

„Wo ist ihr Träger? Wo ist Aoi?“

Ari befürchtete, mit der Stiefelspitze genau in ihm zu stehen. Hizumi sah sich kritisch um, wies dann in eine Richtung, die in das Freie führte. Dazwischen ragten Reste, von etwas, dass einmal Säulen gewesen sein mochten, gebrochen in die Höhe.

„Ich schätze dort drüben. Die Druckwelle hat sich von hier in alle Richtungen ausgebreitet und das ist der einzige Ort, wo sie einen Körper hätte hin schleudern können. Wenn es woanders wäre, hätten wir bereits Blut und Knochen gefunden.“

Der Blonde presste die Lippen zusammen. Kai war möglicherweise hier gewesen. Er hätte ohne Schutz keine Chance gehabt.

Der Fürst erhob sich und Ari folgte. Schon in der Nähe der Schlucht waren Wind und Kälte kaum auszuhalten; Aris Finger und Zehen waren taub, doch er biss die Zähne zusammen. Er war es, der einen schmalen Pfad fand, den man hinab steigen konnte, worauf Hizumi anerkennend nickte.

Hinter ihnen rumpelte es. Sie fuhren beide mit dem gleichen Gedanken herum; die instabile Decke hielt dem Druck nicht mehr stand.

Umso überraschter waren sie, Zero gegenüber zu stehen. Der Geist war mit Dreck und Blut besudelt, sein linker Arm hing nutzlos an seiner Seite, ein Auge war stark zugeschwollen. Und er war zornig. Ohne einen Herzschlag zu zögern, hob er die rechte Hand, um welche Zwei Ketten geschlungen waren, an denen ein seltsam geformtes Objekt hing. Keiner der beiden Männer erkannte es; wohl aber die schwarzen Flammen, die daraus schlugen und direkt auf sie zurasten. Hizumi zerrte Ari grob zu sich, und brachte seine Schwingen zum Schutz um sie, doch die Magie traf sie nicht. Stattdessen krachte sie einige Meter vor ihnen in die Decke und brach einen Felsen aus dieser, der ihren Rückweg effektiv abschnitt.

Hizumi bezweifelte, dass es das war, was Zero im Sinn gehabt hatte, aber es beendete eine Konfrontation, bevor sie beginnen konnte und gab dem Geist die Möglichkeit zur Flucht.

Der Fürst fluchte. Das wäre die Gelegenheit gewesen!

Er trat gegen den Brocken, starrte ihn einen Moment an, als würde allein sein Blick genügen, ihn zu schmelzen und erst Aris Stimme holte ihn zurück. Der Mann war blass, wirkte aber alles in allem recht gefasst, abermals dem Geist begegnet zu sein. Trotzdem waren die Brauen des Grünäugigen zusammen gezogen, was auch Hizumi die Stirn runzeln ließ.

„Was ist?“

„Er war verletzt.“

„Ja und?“

Hizumi ging davon aus, dass Ari wohl kaum Mitleid empfand, also musste es etwas anders sein, dass ihn irritierte.

„Als ich ihm das letzte Mal begegnet bin, konnten Tsukasa und ich ihn nicht verletzten. Unsere Waffen haben ihn durchschnitten, als wäre er Luft.“

„Was hat sich verändert?“

Ari hob die Schultern.

„Tsukasa sagte, dass Zero nur seine Form halten und in Bewegung bleiben kann, weil er von der Symbiose mit Karyu und dem Artefakt der Zeit zehrt.“

Hizumi brummte nachdenklich.

„Vielleicht hat es etwas mit Aoi zu tun. Wenn sie gekämpft haben und Zero dessen Magie absorbiert hat, könnte ihn das verwundbar machen. So etwas Mächtiges ist nicht leicht zu zähmen und hat mit Sicherheit einen Tribut gefordert.“

Ari nickte und machte sich daran, den Pfad hinab zu steigen. Es war schwer und er konnte kaum sehen, aber sie mussten Aoi finden und einen anderen Weg gab es nicht. Hizumi folgte ihm, nachdem er magische Lichter erschaffen hatte; ohne Zweifel für Ari, der dankend nickte.

Der Pfad führte nicht tief hinab und er endete auf einem Felsvorsprung, der vielleicht einige Meter maß.

Dort, nahe am Rand saß der Geliebte Aois und hielt den Herrscher Kistaras in den Armen.
 

„Kai“, wispere Ari gebrochen. Tränen brannten ob des Anblicks in seinen Augen und nach einem Moment stürzte er an die Seite seines Freundes, streckte die Hände nach ihm aus. Er hatte ihn noch nicht ganz berührt, da öffnete der Mensch den Mund und schrie.

Ari musste seine Ohren bedecken, bis es vorbei war.

Hizumi ließ sich auf der anderen Seite der beiden Gesuchten nieder; sein Augenmerk lag auf dem Dämon, doch er konnte unmöglich sagen, ob dieser überhaupt noch atmete.

Sein Gesicht und Teile seines Leibes lagen gegen Kais Körper verborgen. Das was man an Haut und Fleisch sehen konnte, war aufgerissen, zerschrammt und verletzt. Fetzen von Kleidung hingen um die Wundränder, Blut war auf den Boden gelaufen und hatte den Untergrund dunkel gefärbt. Hizumi presste die Lippen zusammen, ignorierte den weiteren Schrei von Kais Lippen und griff nach Aois Handgelenk.

Es war warm und dort wo die Finger des Fürsten auflagen, glomm die Haut in einen warmen, bronzenen Ton. Hizumi fühlte sich augenblicklich beruhigt; wie ein Kind, dass von seiner Mutter im Arm gehalten wurde.

Das Ritual der Genjai.

Uruha.

Der General hielt den Herrscher am Leben. Hizumi erlaubte sich ein leises Seufzen der Erleichterung. Wenn das Ritual aktiv war, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis die Generäle hier sein würden. Hoffentlich hatten sie Hoheelfen dabei. Aoi würde sie bitter benötigen.

Und als ob sein bloßer Gedanke die fraglichen Personen beschworen hatte, kam der Mund Kistaras den gleichen Pfad hinab, den auch sie genommen hatten. Der Langhaarige war verändert. Es fiel Hizumi sofort auf, doch er kommentierte es nicht. Er wollte Uruha nicht von seinem Ziel ablenken. Dem Meerwesen folgten die anderen Generäle und – zu Hizumis Erleichterung – Kaoru und Kyō.

Aois Leben war so gut wie gerettet.

Umso irritierter war er, als die Gruppe einfach stehen blieb und nur Uruha näher kam und bei ihnen in die Knie sank. Ari erging es genauso, der Fürst sah es an dessen Blick.

Was, zur Hölle,...?

Uruha sprach. Ruhig, bestimmend, in einem Tonfall und einer Stimme, die nicht ganz der Mund des Herrschers waren. Es erinnerte eher an Aoi? Der Fenir runzelte die Stirn. Was es auch war, Kaoru folgte dem Wort ohne Gegenwehr. Kai hingegen weigerte sich und Hizumi könnte schwören, das er Zorn in den dunklen Tiefen des Meerwesens aufflammen sah. Einen Moment später fand sich Kai hysterisch in seinen Armen wieder und Ari rutschte hektisch zu ihnen beiden, versuchte Kai durch Wort und Berührung zu beruhigen. Es gelang nur minimal, aber immerhin konnten Uruha und Kaoru nun mit der Heilung beginnen.
 

Danach waren sie hier her gekommen. Ins Heiligtum der Fenir. Was Ari in die jetzige Situation brachte.

Der Blonde seufzte schwer und fuhr sich abermals durch das Haar. Es war inzwischen vollkommen wirr, doch er konnte damit nicht aufhören. Er fluchte leise und erhob sich mit einem Ruck vom Bett, ging dazu über, durch den Raum zu laufen. Hin und her. In regelmäßigen Abständen blieb er stehen, sah auf Kai hinab, fasste dessen Finger, drückte sie behutsam.

Nichts, der Mensch erwachte nicht.

Und auch wenn Ari dessen Schlaf für sinnvoll hielt, er begann sich zu Sorgen. Es waren nun schon Stunden und Priester, die nach ihnen sahen, hatten dem Grünäugigen bestätigt, dass der Rest der Gruppe unversehrt und bei Bewusstsein war. Kai brauchte Flüssigkeit und Nahrung und er musste seine Glieder bewegen. Zwar hatte Kaoru Wunden und erfrorene Stellen an Fingern, Zehen und Beinen geheilt, aber Kai würde fühlen, dass da etwas gewesen war.

Gerade entschied er, dass er gehen würde, um jemanden zu holen, da traf er genau im Eingang auf Die. Sie wären um ein Haar zusammengeprallt, weswegen Ari automatisch die Arme hob, um den zurück strauchelnden Traumtänzer zu stabilisieren.

„Die.“

Sie kannten sich nicht, aber Ari wusste, wer der andere Mann war und was er für Gaben hatte. Ihm antwortete ein unsicheres Lächeln.

„Ari“, grüßte der Rothaarige langsam, sah ihn dabei prüfend an, wohl um an seiner Reaktion zu sehen, ob er seinen Namen richtig aussprach. Ari nickte leicht und das Lächeln weitete sich ein wenig.

„Du siehst erholt aus.“

„Ich nehme an, das habe ich dir zu verdanken.“

Die nickte leicht.

„Hohepristerin Maikira sagte, dass es wichtig war, euch allen Ruhe zu schenken. Jeder von euch ist auf seine eigene Art traumatisiert und mein Zauber gab euch die Chance einige Stunden tief und ohne Träume zu schlafen.“

„Ist das der Grund, weswegen Kai noch schläft?“

Der Rothaarige summte, trat an das Bett des Ruhenden und ließ sich behutsam auf der Kante nieder. Er griff sorgsam nach den Fingern, strich leicht darüber, wie als wollte er sie wärmen.

„Kais Geist und Seele sind zerbrechlicher, als die euren. Er ist ein Mensch...“

„Das bin auch“, unterbrach Ari sanft, die Brauen leicht zusammengezogen und Die nickte abermals, sah zu ihm auf.

„Das ist wahr. Aber du wurdest hier geboren, in Kistara. Du bist mit der Welt, ihrer Magie und ihren Schrecken vertraut. Kai nicht. Außerdem ist das nicht der einzige Grund.“

Ari schloss die Augen. Die sprach es nicht aus, aber der Blonde wusste dennoch, worauf dieser hinaus wollte. Kai war bei Zero und Aoi gewesen, als es zum Kampf gekommen war. Er hatte es mit ansehen müssen. Wie Aoi unterlag, wie ihm seine Magie entrissen wurde.

Kai war der Geliebte Aois.

Und auch wenn Menschen nicht wie die Dämonen oder Elfen lieben konnten, so gab es doch Bände und Emotionen, die es unmöglich machten, sich so etwas nur vorzustellen.

Kai hatte es gesehen. Und er hatte Aoi gefunden, hinterher.

Ari würgte trocken.

Dennoch, sein Freund musste erwachen.

„Kannst du ihn aufwecken?“

„Aus diesem Grund bin ich hier. Er muss erst verstehen, bevor er Aoi sehen kann.“

„Aoi? Hast du ihn gesehen? Mit ihm gesprochen?“

Die keimende Hoffnung in Aris Brust wurde von dem Kopfschütteln jäh nieder getreten.

„Nein. Niemand außer der Hohepristerin ist bei ihm. Es ist keinem anderen Wesen gestattet. Nicht einmal der Hand, was diese sehr erzürnt hat.“

„Aber sie kann ihm helfen?“

„Das hoffen wir alle inständig.“

Der Grünäugige presste die Lippen zu einem dünnen Strich, derweil sich Die wieder Kai zuwandte. Der Rothaarige strich sanft über die Stirn, ließ seine Finger, dann dort liegen.

„Wach auf, Kai.“
 

Die Lider des Braunhaarigen flatterten leicht und Aris Herz machte einen aufgeregten Satz. Er kniete sich zu Kai, damit dieser bekannte Gesichter wahr nahm, lächelte, als sich die Augen auf seine Gestalt legten.

„Du bist hier.“

Es war ein Flüstern und Ari nickte, griff nach der Hand des Liegenden, drückte sie.

„Es tut mir leid, dass ich nicht schneller war.“

Kai schüttelte leicht den Kopf, dann versuchte er sich zu erheben – beide Männer griffen behutsam ein, führten Kai, bis er aufrecht saß. Ein leises Stöhnen perlte von dessen Lippen, als er die Finger gegen seine Schläfe presste.

„Die Schmerzen werden gleich aufhören“, tröstete Die leise und Kai nickte, sah sich dann um.

„Wo sind wir hier?“

„Im Heiligtum der Fenir.“ Ari setzte sich zu Kai auf das Bett, musterte ihn. „Du hast lange geruht.“

Kai nickte leicht, blinzelte. Alles in allem wirkte er sehr gefasst. Ari und Die sahen sich besorgt an. Möglicherweise verdrängte Kai das gesamte Geschehen. Es wurde ihnen einen Moment später bitter bestätigt.

„Wo ist Aoi?“

Der Blonde drückte die Hand fester, zwang Kai so, ihm in die Augen zu sehen.

„Kannst du dich nicht mehr erinnern?“

„Erinnern?“, Kai zögerte. „An was?“

„Es gab einen Kampf. Einen furchtbaren Kampf“, sagte Die langsam, „Du wurdest verletzt. Aoi wurde verletzt.“

Kai lachte leise, unsicher, strich sich durch das Haar.

„Was soll das? Wenn ihr mir Angst machen wollt, dann ist das nicht witzig. Was soll das heißen, Aoi und ich wurden verletzt? Ich war doch in Gebik...“

Die Worte verloren sich abrupt. Ari zischte leise, als Kai seine Hand packte, sie quetschte. Er wurde schneeweiß, die Augen und Lippen öffneten sich in nacktem, blankem Entsetzen. Er konnte es sehen. Seine Atmung beschleunigte sich, fing sich. Ari führte Kai so, dass dieser mit beiden Füßen auf den Boden saß, teilte die Beine, damit er sich dazwischen knien konnte. Er packte Kai im Nacken und drückte ihn gegen seine Brust, sodass dieser seinen Herzschlag hören konnte.

„Schließe die Augen“ befahl er. „Atme mit mir. Ein. Aus.“

Er holte betont Luft, hielt Kais Kopf gegen seinen Oberkörper gepresst.

„Atme. Atme. So. So ist es gut.“

Nach und nach übernahm Kai Aris Rhythmus. Die Hysterie schwand. Dafür hoben sich Hände des Braunhaarigen und klammerten sich an seinen Freund. Ari ließ ihn. Er war der Anker. Der Fels. Er sagte es sich immer wieder. Kai begann zu schluchzen. Es war durchsetzt von einem Klagen, das Ari nie zuvor bei einem Wesen gehört hatte. Sein Bauch krampfte schmerzhaft. Seine Augen brannten. Er kniff sie zusammen, konzentrierte sich auf seine Atmung. Keine Tränen. Er musste stark bleiben. Kai brauchte ihn. Über Dies Gesicht liefen Tränen des Mitgefühls; er strich Kai sanft über den Arm und Ari ließ den Traumtänzer für sie beide weinen. Es brauchte, bis sich Kai beruhigt hatte, bis er ruhig und still gegen Ari gelehnt lag.

„Ist er am Leben?“

Die Frage war tonlos. Kai starrte an die Wand, als er sie stellte. Sein Freund löste sich behutsam und Kai vermisste augenblicklich die Wärme des anderen Körpers. Finger legten sich sanft unter sein Kinn, drehten es und zwangen ihn, in Aris Augen zu sehen. Sie waren so sicher, so standfest. Sie erinnerten ihn an Aoi und er konnte einen fragilen Halt an ihnen finden.

„Ja, er lebt“, beantwortete Ari seine Frage. „Aber es wird brauchen, bis er wieder bei dir sein kann.“

Kai nickte. Tat tiefe Atemzüge, um ruhig zu bleiben. Es war ein enger Pfad, in seinem Kopf, auf dem er sich bewegte und er befürchtete, jeden Moment davon abzurutschen; hinein in den Horror seiner Erinnerungen, die wie wütende Schlangen an den Rändern seines Bewusstseins zischten.

Er wollte sie nicht sehen.

Seinen Aoi.

Zero.

Er wollte sie nicht hören.

Die Worte die gefallen waren. Aois Zorn. Zeros Überheblichkeit.

Er wollte es nicht fühlen.

Die Angst. Den Schmerz, als er gegen die Barriere geprallt war. Es hatte ihn wie einen Blitzschlag durchdrungen. Er war von ihr immer weiter zurück gedrängt worden, als der Jikan Aois Magie gestohlen hatte, bis er am Ende an die Wand gepresst kaum noch hatte Luft holen können.

Sein Schrei.

Er hatte Aoi erreicht, aber danach war es nur noch schlimmer geworden. Licht hatte ihn geblendet, gefolgt von Hitze, Flammen, Rauch. Der Schild war gebrochen und Steine waren auf ihn herab geregnet. Ein Stück hatte seinen Oberschenkel durchbohrt und im seinem gesamten Körper war Schmerz explodiert. Er hatte das Bewusstsein verloren. Und als er wieder aufgewacht war, war es still gewesen.

„Kai?“

Ari rief ihn sanft und der Braunhaarige nickte, um zu zeigen, dass er noch bei ihnen war. Die Bilder des Plateaus wichen Aris grünen Augen. Halt. Er hatte an ihnen Halt.

„Wie...“, er hustete und Die reichte ihm ein Glas Wasser, „Wie hast du mich gefunden?“

Der Blonde half seinem Freund zu stehen. Kai musste sich bewegen und dieser folgte, ohne das Tun bewusst zu realisieren.

„Hizumi befreite mich und Tsukasa. Er und ich sind dem Weg gefolgt, den du mit Zero gegangen bist; so haben wir dich und Aoi gefunden.“

Kai nickte, runzelte dann leicht die Stirn. Er ächzte, als er einen Schritt nach dem anderen tat. Gott, warum war er so steif?

„Was ist mit Tsukasa?“ Er machte eine kurze Pause. „Den Anderen? Uruha, Ruki?“

„Es geht ihm gut. Es geht ihnen allen gut.“

Kai nickte, lächelte dann unglücklich. Allen, bis auf Aoi. Ari schenkte ihm einen mitfühlenden Blick, drückte seine Schulter.

„Auch er wird sich erholen. Er lässt dich nicht allein.“

Ja, dass wusste der Braunhaarige. Aber dieses Wissen machte es nicht leichter. Das Biest Namens Schuld kam angesprungen und biss ihm mit freudigen Knurren fest in den Unterleib. Ari sah es an seinem Blick, aber er bot keine Worte des Trosts, wofür Kai dankbar war. Es würde doch eh nicht besser werden.

„Könnt ihr mich zu ihnen bringen?“

Ari nickte, aber es war Die der sprach.

„Natürlich. Kommt.“

Der Traumtänzer trat an den Eingang und hob das Tuch. Kai hielt sich noch einen Moment an Ari, bevor er sich löste und nach draußen trat. Er keuchte überrascht, blieb stehen und auch Aris Atem fing sich voll Bewunderung. Es war schlicht wunderschön.

Gerade wollte sie sich in Bewegung setzen, da zog der Hauch des Eises über die Treppe; ein Wind, so kalt, dass er in den Lungen eines jeden Wesens schmerzte, den es berührte. Kai packte den Stoff von Aris Oberteil. Er hatte Angst. Eine Angst, die nichts mit der zu tun hatte, die er empfunden hatte, als er Zero begegnet war oder als er hatte Aoi fallen sehen. Das hier war tiefer. Furchtbarer.

„Ari?“, wisperte er, doch er erhielt keine Antwort.

Sein Atem kondensierte in der Luft, Reif legte sich über die Blüten und Ranken. Das Wasser gefror teilweise auf den Stufen, bildete bizarre Gebilde.

„Ari? Die? Was passiert hier?“

Seine Stimme hob sich mit den letzten Worten – dann erlosch alles Licht und ließ sie in völliger Finsternis zurück. Und in dieser Dunkelheit sprach Die. Ernst, wie der Schlag einer Totenglocke.

„Karyu ist erwacht.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  BleedingRose
2014-05-21T12:14:25+00:00 21.05.2014 14:14
Hey!!
Als erstes ein riesengroßes SORRY, weil ich mich jetzt erst melde. Es hat diesmal echt lange gedauert, aber dafür ist meine Krise auch ausgestanden :-)
***

Wow, also das Hizumis Frau so groß ist das sie sogar Uruha überragt, damit habe ich echt nicht gerechnet. Muss ja echt ein super süßes Bild abgeben, wenn Hizu und Sie nebeneinander stehen. Hoffentlich hat Hizu damit nicht so viele Probleme wie ein Freund von mir. Der sieht neben seiner Freundin nämlich auch wie ein zu kurz geratener Zwerg aus.

Gott bin ich erleichtert, dass es Tsukasa gut geht und er die Strapazen gut überstanden hat. Ich habe mir nämlich echt sorgen um ihn gemacht.
TsuTsu soll sich nur nicht zu dolle Vorwürfe machen. Er hat sein bestes getan, um Kai und Ari zu helfen. Auch wenn ich gut nachvollziehen kann, dass eine solche Niederschlag ein derber Schlag ist. Aber man darf auch nicht vergessen dass Zero nicht irgendwer ist und wie Ruki schon sagte… Er hat Reita versprochen Kai am Leben zu halten und das hat er getan.

Mensch. Ruki scheint ja diesmal richtig in Hochform zu sein. Erst hat er für Tsukasa die richtigen Worte gefunden und jetzt bei Uruha. Wobei es bei Uruha ja zu erwarten war, schließlich gehören die beiden zusammen. Und sie sind so süß zusammen.

Uruha soll Rukis Worten einfach mal Glauben schenken. Immerhin ist es auch sein Verdienst mit, dass Aoi wieder genesen wird (hoffentlich).

Und da ist er wieder, der Ruki wie ich ihn kenne. Wenn es um Kyo geht, scheint er ja echt schnell in die Luft zu gehen. Unserem kleinen Giftgnom scheint es ja überhaupt nicht zu passen, dass Kyo mehr weiss als er selber. Wieder einmal. Ob die beiden jemals zueinander finden?
Wenn Ruki so weiter macht, wird er sich irgendwann noch grün und blau ärgern.

Hm, ich bin derselben Ansicht wie Ruki, mit Kyo scheint wirklich irgendwas nicht zu stimmen, nur was? Er kommt mir irgendwie immer so… arschig vor und als wenn er andere von oben herab betrachtet. So als wenn er der Meinung wäre, dass er alles weiss und die anderen keine Ahnung haben. Irgendwie stört mich das ganz gewaltig, weil ich solche Menschen absolut nicht ab kann, die denken, dass sie besser sind als andere. Aber auf der anderen Seite, macht das Kyo auch so interessant. Gerade weil man bei ihm absolut nicht weiss, was er vor hat und vor allem was er so denkt. Ich hoffe er bleibt auch weiterhin so geheimnisvoll, auch wenn er ab und zu mal etwas netter sein könnte :-) [Schon alleine um Rukis Nerven wegen.]

Ich kann nur immer und immer wieder betonen, dass ich Ari mag. Er, Kai und Hizumi sind meine absoluten Lieblinge in deiner FF. Ari hat irgendwie was Sanftes an sich, dass man ihn am liebsten immer um sich haben möchte. Und dann ist er auch noch so ein guter Freund. So jemanden wie Ari, gibt es in unserer Welt ja leider kaum noch.

Dieses Kapitel scheint das Kapitel der Selbstvorwürfe zu sein. Erst Tsukasa, dann Uruha und jetzt auch noch Ari. Dabei haben alle drei ihr bestes getan und dass ist die Hauptsache.
Und der arme Aoi. Scheint ja wirklich nicht gut um ihn gestanden zu haben, aber zum Glück konnte ihm geholfen werden. Da fällt mir echt ein Stein vom Herzen.

Der letzte Satz aber, gefällt mir ja mal überhaupt nicht. Karyu ist jetzt also erwacht? Na das kann doch nichts Gutes heißen. Ich bin schon sehr gespannt, was nun alles noch passieren wird und wie und wann Zero noch einmal in Erscheinung tritt. Und auch auf Karyus ersten richtigen Auftritt freue ich mich schon.
***

Dieses Kapitel war mal wieder der Hammer, aber das brauche ich dir bestimmt kein weiteres mal zu sagen, oder? Ich bin ja eh nichts anderes von dir gewohnt.
Mensch, da kann man ja richtig neidisch werden. Ich finde es echt bemerkenswert, wie du es immer und immer wieder, Kapitel über Kapitel fertig bringst, dass ich das Gefühl habe mitten drin zu sein. Deine Beschreibungen von der Umgebung und alles drum und dran sind einfach der Wahnsinn. Es macht jedes Mal aufs neue Spaß, deine Werke zu lesen.

Als letztes für heute kann ich dann nur noch sagen: Bis hoffentlich bald. Ich kann es vor Spannung kaum mehr aushalten und freue mich schon jetzt, auf das nächste Kapitel.
LG


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