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Blur - Ancient Curse

[Aoi & Kai] [Ruki & Uruha] [Karyu & Zero] [MC] [Singlework]
von

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Der Dunkelwald war kein Ort, an dem Aoi sich gerne aufhielt.

Es lag nicht an den bösen Geistern oder negativen Energien, die hier zwischen den niedrig gewachsenen Bäumen und Sträuchern hingen oder dem sumpfartigen Boden unter seinen Füßen. Der Dämon konnte nicht einmal genau bestimmen, was es nun war, dass ihn hier massiv störte. Es war einfach so.

Schon als Kind – als er mit seinen Lehrern hierher gereist war – hatte er diesen Teil von Kistara abgelehnt. Er gehörte zu seinem Land, wie die Schatten einer jeden Seele und von soher akzeptierte er es als Teil eines Ganzen, aber darüber hinaus gab es keine Emotion, die er mit dieser Landschaft verband.

Wie der Name bereits vermuten ließ, gab es hier nur wenig bis gar kein Licht. Es war nicht einmal ein richtiger Wald, denn zwischen mageren Baumgruppen mit krüppligen Ästen gab es immer wieder weite Flächen, die mit schimmeligen Flechten, vertrockneten Moos oder rottendem Laub bedeckt waren. Woher all die Blätter, die in ihrer Anzahl den Bäumen weit überlegen waren, kamen, war eines der Geheimnisse, die der Ort nicht preis gab.

Eine Hand des Dämonen ballte sich immer wieder leicht, wobei seine Fingernägel sachte gegen die Innenfläche dieser schabten; es war eine unterbewusste Bewegung. Es fiel Aoi nicht einmal auf, dass er sie seit seiner Ankunft konstant praktizierte. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet, der Rücken gerade, das Kinn erhoben, derweil er wartete und beobachtete, wie sich aus der gemütlich schmatzenden Teergrube kleine Kugeln matt grünlich schimmernden Lichtes lösten.

Zero würde ihm zeigen, wohin er musste, dessen war er sich sehr sicher.

Abermals schwebte eine der Kugeln empor und Aois Blick folgte ihr.

Es war ein unförmiges Ding, wirklich.

Sie war nicht einmal ganz rund, sondern wackelte und waberte, als wüsste sie nicht, wie sie ihre Form festigen und halten sollte. Sie stieß mit kichernden Gurgeln gegen andere ihrer Art, rangelte und platzte letztendlich, wobei sie auf den umliegenden Pflanzen der Grube hellgrüne Sprenkel hinterließ, die Löcher in das dunkle Blattwerk fraßen.

Aoi konnte hören, wie sich der Sekundenzeiger der Zeit bewegte.

Tick.

Tack.

Tick.

Tack.

Er tat einen tiefen Atemzug und die Welt mit ihm – dann verharrte sie gänzlich.

Ein paar Fuß weit von ihm entfernt tat sich ein Riss auf. Ein Schleier, der manipuliert worden war.

Aois Augen verengten sich.
 

Es war ihm bewusst gewesen, dass Zero ein effektives System entwickelt hatte, sich von Ort zu Ort zu bewegen, doch das er dazu tatsächlich die Schleier selbst benutzte und dennoch den Sinnen Rukis entfloh, war alarmierend. Aoi schwor sich, das Artefakt der Zeit eigenhändig zu Staub zu zerbröseln, sobald er es erst in den Händen hielt. Er trat einen Schritt näher an den geduldig wartenden Riss, tastete ihn aus Kontrollzwang mit seiner weißen Magie ab. Er konnte nichts daran feststellen, dass sein Leben unmittelbar bedrohen würde, doch das dem so sein würde, hatte er gewusst.

Zero hätte sich all den Aufwand sicher nicht gemacht hätte, wenn ihm seine Leiche ausreichen würde. Nein, Aoi ging es um Fessel- oder Bannzauber. Nicht, dass er sich wehren würde, solange Kai auf dem Spiel stand, aber der Dämon wollte vorher wissen, ob ihm die Hände gebunden waren oder nicht. Aber auch diese Art der Suche brachte keine Ergebnisse.

Was blieb Aoi also anderes zu tun, als die letzte Distanz zu überwinden und majestätisch in den Riss zu treten; dieser schloss sich hinter ihm mit einem kleinen, zufriedenem Seufzen, so als wäre es das höchste Glück, den Herrn Kistaras umschließen und fort bringen zu können.

Es war dunkel, solange er reiste.

Nicht ungewöhnlich, auch wenn Aoi schon Lichter und Farben während eines Transports wahrgenommen hatte, zum Teil auch Stimmen und Gefühle. Auch der Ort an dem er ankam war ohne nennenswerte Lichtquellen, doch die Monde spendeten ausreichend Helligkeit und sagten den Schwarzhaarigen, dass er noch immer in Kistara war. Er tat einige Schritte, um seine Umgebung besser sondieren zu können.

Er stand auf einem Felsvorsprung, dessen helles Gestein hin und wieder funkelte, als würden Diamanten darin existieren.

Das Kristallgebirge also. Ein Ort, der Aoi überraschte, wenn er es zugab. Er hätte nicht vermutet, dass Zero sich ausgerechnet hier aufhalten würde, in Ulka und so nahe an den Elfen. Vielleicht war dies hier aber auch nur der Übergabeort; die Kristalle warfen magische Energie gerne gebündelt zurück und waren deswegen dafür bekannt, Teil verschiedener, komplexer Zauber zu sein. Ja, das machte mehr Sinn, als ein Versteck.

Die stärker schimmernde, klar verzauberte Felswand zu seiner Rechten tat sich mit knirschenden Geräusch auf, nachdem er seine Hand dagegen gelegt hatte und als er eingetreten war, schloss sie sich auf die gleiche Art und Weise. Aoi verharrte einen Moment, um über seine Schulter zu blicken, dann folgte er den in das Gestein geschlagenen Stufen.

Hier unten erhellten Wurzeln die Umgebung; es war ein schwaches, kaltes Licht aber es reichte aus, Schatten auch wirklich Schatten zuzuordnen und Bewegungen als solche zu erkennen. Und bisher war Aoi allein auf einem Weg, der ihn erst tiefer brachte und dann in ein kurvenreiches Gewirr überging, welches hart an den Nerven des Dämonen zehrte. Für solche Spielchen war er nicht gemacht.

Ein Grollen rumpelte durch seine Brust, als er die nächste Kurve nahm und dahinter nur noch mehr Gang entdeckte.

Zeros Lachen antwortete ihm, gefolgt von leisen, geisterhaften Worten.

Ihr habt es fast geschafft, mein Herr. Gebt nur nicht auf.
 

Tatsächlich endete der Gang nach einer weiteren Kurve und öffnete sich in eine größere Höhle, an deren gegenüberliegende Seite abermals Stufen in die Höhe führten. Er schritt zu ihnen, stieg sie hinauf. Sie brachten ihn nur wenige Meter, dann stand er wieder im Freien. Es war kühl hier. Gletscher zu beiden Seiten strahlten eine Kälte ab, die Aoi Gänsehaut bescherte. Seine Kiefermuskeln arbeiteten konstant, derweil er weiter lief, dem Pfad folgte, der ihm von schwebenden, magischen Kugeln aufgezeigt wurde.

Die Luft wurde dünner, Aoi konnte es mit jedem Atemzug fühlen und trotzdem marschierte er eisern weiter, obgleich er inzwischen bereits einige Stunden unterwegs war.

Über ihm begleiteten ihn die Monde, was die Wirkung auf ihn, der in ihrem Licht wandelte, verstärkte. Er konnte fühlen, wie seine Magie unruhig unter die Oberfläche schwamm, sich dort gegen die Barriere drückte, die seine mentale Kontrolle war. Seine Zeichnungen, die typisch waren, wenn er seine Mächte rief, geisterten wirr über seine blassen Arme und das was man von Schlüsselbein und Gesicht sah. Sie wollte sich lösen und frei toben. Sie war wie ein eingekerkertes Raubtier.

Und Aoi, dessen Seele in der gleichen Unruhe war, heizte seine Magie nur noch weiter an, bis sich schließlich kleine Blitzen zwischen den Fingern des Dämons bildeten. Ihr Knistern hallte an den Wänden wieder, die es auf einschüchternde Art und Weise verstärkten.

Aoi nahm es mit einen dunklen Lächeln wahr.

Gut so.

Einmal noch nahm der Weg eine Kurve, tauchte er in die Felsen ein, dann erreichte er eine Art große, runde, überdachte Plattform. Zwei Dinge registrierten Aoi augenblicklich.

Ob der tragenden Säulen am Rande gab es keine Möglichkeit zu kämpfen, ohne dabei einen Einsturz zu riskieren – weswegen der Stratege in ihm Zero zähneknirschend applaudierte – und an dem einzigen Mobiliar hier, dem Tisch, saß Kai.

Dessen Augen füllten sich mit Tränen, als sich ihre Blicke trafen, gleichzeitig wanderten die unterschiedlichsten Emotionen über das blasse Gesicht.

Es gab Liebe, es gab die Freude, ihn zu sehen, immense Erleichterung aber auch Wut und Verzweiflung, gemischt mit einem Flehen, dass derart heftig war, dass Aoi es auch ohne jegliche Worte, telepatisch oder normal, deuten konnte.

Flieh!, sagten ihm die dunklen Augen. Flieh und lass mich hier.

Niemals!, erwiderte die Seinen. Er war gekommen, seinen Gefährten mitzunehmen und zufrieden, dass dieser scheinbar unversehrt war. Er ganz sicher nicht ohne diesen gehen.

Ein weiterer, erkundender Blick zeigte Aoi, dass er weder Tsukasa noch einen der Begleiter des Fürsten sehen konnte, die der Braunhaarige mit Sicherheit bei sich gehabt hatte. Das er nicht anwesend war, bedeutete entweder, dass der Vampir tot oder aber an einen anderen Ort als diesen gefangen und somit unmöglich zu erreichen war. Aois Hand ballte sich. Er und Tsukasa mochten keine Freunde gewesen sein, doch er hatte den anderen Mann respektiert und seine Fähigkeiten geschätzt. Ein Verlust wie dieser wog schwer im Geist des Herrschers.

Doch nun gerade gab es keinen Raum für derartige Trauer.

Der Geist, Zero, stand hinter Kai, eine Hand auf dessen Schulter gelegt; wohl um diesen daran zu erinnern, keine unüberlegten Aktionen zu wagen.

„Guten Abend, mein Herr.“

Aoi knurrte nur leise, derweil ihm sein Unterbewusstsein hoffnungsvoll verschiedene Szenarien unterbreitete, auf welche Art und Weise er das Lächeln aus dem Gesicht seines Gegenüber wischen konnte. Sie klangen alle verlockend.

Ein leises Lachen flutete aus der Kehle des Langhaarigen und dessen Augen funkelten in Amüsement.

„Mir war nicht bewusst, dass Ihr verlernt habt, wie man eine Konversation führt, Aoi.“

Das Knurren wurde lauter, die kleinen Blitze zwischen den Fingern heftiger, dann:

„Ich bin hier. Lass ihn gehen.“

Zero legte den Kopf schräg und summte nachdenklich, einen Finger gegen seine Lippen gelegt, derweil er Kai umrundete und näher auf Aoi zu trat.

„Nein, ich denke nicht, dass ich das machen werde. Zumindest nicht, bevor Ihr mir gebt, was ich von Euch benötige.“

Aois Augen verengten sich einen Moment, dann machte auch er einen Schritt auf den anderen Mann zu, was die Anspannung in dem Raum nur ansteigen und Kai von seinem Sitz aufspringen ließ. Vermutlich befürchtete sein Geliebter, dass die Situation eskalierte. Doch noch würde der Herr Kistaras verhandeln.

„Komm mir entgegen und beweise, dass du ihn tatsächlich gehen lässt, dann gebe ich dir, was du verlangst.“

„Aoi...!“

Kais Ruf wurde von einer Handbewegung Zeros abrupt unterbrochen; seine Kiefer schlugen hörbar aufeinander, dann setzte sich der Braunhaarige unfreiwillig wieder hin und schien unsichtbar fest gekettet.

„Du bist nicht Teil dieses Gesprächs.“ Zeros Tonfall war nonchalant, doch seine wachsamen Augen verließen niemals Aoi, dann lächelte er diesen entwaffnend an. „So, wo waren wir stehen geblieben? Ah. Ihr möchtet einen Beweis.“

Kai, samt seinen Stuhl schoss durch den Raum, was diesen panisch keuchen und Aoi einen halben Satz nach vorne machen ließ, doch der Mensch stoppte an der gegenüberliegenden Wand, wo sich ein Eingang offenbarte.

„Er kann gehen, sobald Ihr Euren Teil der Abmachung eingehalten habt.“
 

Aoi nickte.

Die Lippen fest aufeinander gepresst, begann er kühl zu kalkulieren. Kai würde es hinaus schaffen, so nah wie dieser sich am Eingang befand und Ruki würde dessen Signatur aufspüren können, sobald er unter freien Himmel war, dafür hatten sie im Vorfeld gesorgt. Zero zu besiegen war momentan keine Option, aber vielleicht würde Aoi ihn schwächen können. Es war ziemlich sicher zu sagen, dass er das Artefakt der Zeit um den Hals trug und Aoi war fest entschlossen, ihm dieses abzunehmen.

Er musste nur nah genug an ihn heran kommen.

Zero indes schlug die Hände in freudiger Erwartung vor den Lippen zusammen.

„Ich sehe, Ihr seit kooperativer als Euer Gefährte, mein Herr. Bitte, kommt hier her.“

Zero deutete zum Tisch und Aoi folgte langsam, studierte das Geschirr und die Speisen auf diesem.

„Setzt Euch. Es wird später besser für Euch sein.“

Zero zog lächelnd einen der Stühle ein wenig zurück und glitt in den daneben Stehenden; Aoi folgte zähneknirschend, derweil er beobachtete, wie der Geist ein kleines, gläsernes Gefäß in die Hand nahm.

Der Dämon kannte es.

Es war ein Jikan, ein Objekt, mit welchen man Magie einfangen und für eine kurze Zeit speichern konnte. Je nach Art der Konzentration der Magie, die man zu transportieren suchte, musste das Jikan speziell geschliffen und verstärkt sein. Zeros Jikan war extrem präzise und stabil gearbeitet. Es gab keine Lücken, keine Risse oder Lufteinschlüsse. Es war dazu gemacht, immenses magisches Potential zu halten.

Aois Magie.

Darum war es Zero die ganze Zeit gegangen.

Nun wo es in Aois Geist 'klick' machte, ergab alles einen Sinn und der Dämon würde sich am liebsten eine Hand vor die Augen schlagen. Er – sie alle - waren dumm gewesen, es nicht zu sehen. Es war nicht die Seele, die Zero für ein Ritual brauchte. Und auch kein Körper. Es ging dem Geist allein um Kraft. Kraft, die nur wenige Wesen auf Kistara besaßen. Deswegen hatte der Geist auf die Monde gewartet. Hinas Zauber würde seiner verstärkten Magie niemals stand halten. Karyu würde befreit werden und die Welt würde in der Dunkelheit von dessen Schwingen untergehen.

Unter diesem Aspekt geriet das Erlangen des Artefakts der Zeit in Vergessenheit und ein neuer Gedanke keimte.

Aoi musste es jetzt beenden.

Es gab nur noch eine Möglichkeit, einen Pfad, den er beschreiten konnte.

Der Herr Kistaras musste sterben.

Er musste sich selbst töten und Zero die Möglichkeit versagen, seine Kraft zu bekommen. Dann gab es nur noch ein Wesen mit totaler Magie. Und dieses würde unanfechtbar sein. Kyô besaß keine Schwäche, wie Kai, der Aoi zu Fall brachte. Und Kai war wertlos für Zero, er würde sich nicht weiter mit ihm abgeben, eher im Gegenteil, er würde ihn leben lassen, damit er litt.

Sein Blick glitt zu Kai hinüber, dem stumm Tränen über die Wangen liefen. Sah er, was Aoi vorhatte? Konnte er es fühlen?

Kai.

Uruha. Ruki und Reita.

Er bereute es, sie zurück lassen zu müssen. Seine Generäle würden verstehen. Sie würden um ihn trauern, aber sie würden seine Beweggründe besser verkraften als Kai.

Sein Kai. Viel zu naiv für diese harte Welt und dennoch immerwährend darum bemüht, zu ihm aufzuholen, stärker zu werden.

Aoi – nicht der Dämon, nicht der Herr, sondern einfach Aoi, der Wesenzug, den Kai auf der Erde kennen gelernt hatte – würde ihn gerne noch ein letztes Mal in die Arme schließen.

Und wenn es nur dafür war, ihn um Verzeihung zu bitten.

Dafür, dass er ihn nun allein ließ.

Dafür, dass er ihn nicht mit der äußerlich gezeigten Intensität geliebt hatte, die Kai verdiente.

Dafür, dass Kai sich sicherlich zurück gesetzt und einsam gefühlt hatte, seitdem er in Kistara war.

So musste ein Blick genügen. Stumm, ohne den Trost spenden zu können, den der Braunhaarige verdient hatte.

Kai schluchzte unterdrückt, schüttelte immer wieder den Kopf.

Nein! Bitte, bitte nicht!

Aoi konnte es deutlich sehen, das Flehen, die aufwärts spiralende Hysterie und Verzweiflung. Zu gerne hätte er Kai noch einmal angelächelt. Seine Lippen so fest aufeinander gepresst, das feine weiße Linien um diese herum entstanden, drehte er mit atemberaubender Geschwindigkeit seine Hand, dazu bereit, sie in sein Innerstes zu stoßen und die Sache hier zum Wendepunkt zu bringen...
 

Zeros Hand schloss sich wie eine Schraubstock um sein Handgelenk.

„Ich denke, dass ist keine gute Idee, mein Herr.“, sagte er mit sanften, fast zärtlichen Tonfall, aber seine grünen Augen waren stahlhart.

Aoi kämpfte gegen den Geist, suchte sich zu entziehen, doch der schlanke Mann war überraschend stark. Aois Haut brach unter den Krallen, die dieser trug und stattdessen er Abstand zwischen sie bringen konnte, wurde er mit einer ruckartigen Bewegung des Geistes so nahe gezogen, dass sich ihr Atem mischte.

Sie sahen einander nur an; bis Aoi den Kopf mit einem schmerzhaften Fauchen in den Nacken warf. Zero hatte seine gefangene Hand um den Jikan geschlossen, hielt diese nun unerbittlich fest. Im Hintergrund konnte Aoi Kai schreien hören und als er seinen verschwommenen Blick in diese Richtung lenkte, sah er, das Kai, von seinem Fesseln befreit, vom Stuhl aufgesprungen war und auf ihn zugerannt kam.

Dummkopf!

Dies schrie Aois Seele, dies war gefangen in seiner Kehle, aber nicht ein Laut brach sich von den Lippen. Aoi war machtlos. Er konnte sich nicht regen, nicht denken, nicht fokussieren.

Ausgeliefert musste er zusehen, wie Kai an einem Schild abprallte, dass ihn einige Meter zurück schleuderte. Der Dämon verfolgte benommen, wie sich der Braunhaarige zurück auf die Beine kämpfte, wie Zero den Kopf über die Schulter drehte und etwas zu Kai sagte.

Aber die Bilder, Stimmen und Geräusche wurden immer langsamer, verloren an den Rändern an Farbe und Lautstärke. Wind entstand, zerrte an ihren Haaren, ihrer Kleidung. Stimmen begannen harsch zu wispern, laut, durcheinander, nicht zu verstehen. Zu ihrer rechten entstanden Risse in der Wand und einer der Säulen brach entzwei. Ein dunkles Rumpeln folgte und der gesamte Raum sackte ein Stück nach unten.

Die einzige Konstante in diesem Chaos war der Jikan. Aois Kopf kippte mit einem Stöhnen in den Nacken.

Die Falle hatte sich aus seinem erzwungenen Griff gelöst und schwebte nun direkt vor der Brust des Dämons, die sich unter mühsamen Atemzügen hob. Ihre facettenreich geschliffene Oberfläche glitzerte wie der edelste Diamant und mit jeder Sekunde, die sie Aois Kraft raubte, wurde das Funkeln intensiver, brillanter. Die schwarzen Runen des Dämons wanderten allesamt in Richtung Zentrum, sie wanden sich unruhig, schienen sich wehren, ohne eine Chance gegen den Zug des Jikans zu haben. Feine, goldene Fäden spannen sich in der Luft, verbanden Körper und Falle effektiver.

In Reaktion brach sich ein gepeinigtes Keuchen von den aufreißenden Lippen des Herrschers und seine Fingerspitzen zuckten seicht. Zu mehr war er nicht fähig.
 

„Aoi!“

Kais verzweifelter Schrei annektierte sein schwächer werdendes Bewusstsein. Als einzige Stimme lauter als der Chor und der kreischende Wind. Sie brachte ihm Fokus. Adrenalin kroch wie ein Feuersturm durch seinen Sehnen, als es Aoi ein Stück zurück in die Realität riss. Es gab ihn einige Sekunden, einen Gedanken zu fassen. Nicht, dass es schwer war, ihn zu finden. Wenn er sich schon nicht hatte töten können, dann musste er das Artefakt der Zeit zerstören.

Er würde Zero diesen Sieg nicht ohne Kampf überlassen.

Ein Knurren bildete sich in seinem Rachen, erst leise und kaum zu verstehen, doch dann wurde es lauter, wandelte sich in einen Schrei, der so düster und aggressiv war, dass jeder vor ihm zurück gewichen wäre. Er alarmierte auch Zero. Die Augen des Geistes verengten sich und dessen Hand hob sich schützend auf seine Brust und über das verborgene Artefakt. Aoi musste direkt darauf gestarrt haben und Zero so gezeigt haben, was sein Plan war. Es interessierte den Herrscher nicht, dass der Geist es realisierte, denn dieses Mal war Aoi der Schnellere.

Er umschloss die Kette eisern, zog harsch an ihr. Der Geist fauchte aufgebracht, packte abermals sein Handgelenk, zerstörte Haut und Muskeln mit seinen Krallen, was den Dämon unter brennenden Schmerz zischen ließ. Aber er lockerte sein Griff nicht. Zerrte weiter, bis er die Kette und den Anhänger unter der Rüstung hervor ziehen konnte.

Nun griff Zero auch mit der anderen Hand zu, doch Aoi war überlegen. Getrieben von dem einzigen Gedanken, das Artefakt zu zerstören, schüttete der Körper des Mannes unglaubliche Mengen an Hormon aus, die ihm die notwendige Kraft gaben und es ihm ermöglichten, den Kristall gegen den Jikan zu schlagen.

Beide magischen Objekte summten mit einem schrillen Ton, der die Trommelfelle Aois und Zeros zerfetzte.

Er sah, dass Zero schrie, die Züge voller Zorn – dann explodierte die Welt in Weiß. Der Dämon konnte spüren, dass er samt seinem Stuhl in die Luft gehoben und gewaltsam durch diese geschleudert wurde, bevor die Dunkelheit kam und ihm alle Reste seiner verbliebenen Sinne raubte.

Er bemerkte nicht mehr, dass er gegen die Wand schlug, oder das sich Splitter durch seinen Körper bohrten.

Aoi fühlte nicht, dass seine Knochen brachen, als er auf den Boden prallte und durch die schräge Lage der Plattform in Richtung Säulen und Abgrund rutschte.

Er konnte seinen Donner ohne Hall nicht mehr hören, der von seiner Magie ausging, bevor sie ihm entrissen wurde.

Der Herr über Kistara war zerbrochen.
 

Und am Baum der Prophezeiung glitt ein feines Klingeln durch die Luft.
 

~~~~~
 

„Eine Evakuierung?“

Ruki starrte Kyô an, als wäre dem Hoheelfen ein zweiter Kopf gewachsen. Gemeinsam mit Uruha, Reita, Kaoru und Die saßen sie im Besprechungszimmer des kleinen Rats von Schloss Draigh, einer der wenigen Räume, der relativ unversehrt geblieben waren.

Kyô summte in Bestätigung, derweil er seine Zigarette ausdrückte und sich dann in dem hohen Stuhl zurück lehnte.

„Es gab eine weitere Prophezeiung, die uns vermuten lässt, das Zeros Zorn sich zuerst nach Ulka richten wird. Kurz danach hatte Die einen Traum, der dies bestätigt hat. Deswegen ist er auch hier.“ Die Blick aller Anwesenden richteten sich auf den stillen Mann, der unter der plötzlichen Aufmerksamkeit in sich zusammen zu sinken schien. „Ich hielt es für das Klügste, Euch zeigen zu können, was er sah.“

Ruki nickte, die Arme vor der Brust verschränkt, als er an seiner Zigarette zog. Er begriff den Sinn der Worte, die Kyô gesprochen hatte. Dennoch, er verstand sie nicht. Wie sollte Zero Ulka angreifen können? Und zwar in einem Ausmaß, dass es den selbstsicheren Hoheelf zu so einer Reaktion zwang? Es war nicht möglich. Nicht einmal mit dem Artefakt der Zeit, denn sonst hätte es der Geist schon längst getan.

„Ist Karyu bei Zero?“

Uruhas sanfte Frage ließ Ruki den Blick auf diesen richten, aber dieser sah den blonden Mann an, der den Kopf schüttelte.

„Die Prophezeiung ist nicht klar genug, um es mit Sicherheit zu sagen. Und auch Die sah nichts, was darauf hinweist.“

„Aber es ist möglich?“

Kyô schwieg, die Kiefer fest aufeinander gepresst, dann:

„Ja, es ist möglich.“

Es war nicht der Herr Ulkas der gesprochen hatte, sondern seine rechte Hand, Kaoru. Der dunkelhaarige Elf faltete seine Hände akkurat auf dem Tisch vor ihm, dann fuhr er fort.

„Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass es ihm gelingt, ihn zu wecken. Vor allem nun, da Kai in seiner Gewalt ist und Aoi so leichtsinnig in seine Falle läuft.“

Ein wütendes Knurren brach sich von den Lippen des Dunkelelfen. Was glaubte dieser aufgeplusterte Scheißkerl eigentlich? Das Aoi das hier auf die leichte Schulter nahm? Das er nicht wusste, wie sehr sein Handeln und seine Entscheidungen Kistara affektieren würden? Begriff Kaoru, was es hieß zu lieben? Mit jeder Faser seines Seins mit einem anderen Wesen verbunden zu sein? Wäre es Uruha, der in Zeros Händen wäre...

Er würde alles, aber auch alles, tun um diesen zu befreien. Nichts und niemand würde ihn stoppen können und er würde auf seinem Weg einen Pfad der Zerstörung hinterlassen. Und nur weil Aoi sich für sein Herz entscheiden hatte, sprach dieser Arsch von Leichtsinnigkeit? Verdammt, ja, es war ein Risiko, aber das gab ihm kein Recht...!

„Ruki!“

Er ignorierte Uruha – wenn er ehrlich war, dann hatte er nicht einmal bemerkt, wann er sich bewegt hatte, aber zur Hölle, es tat gut diesen weißen Bastard an seinem feinen weißen Gewand in die Höhe zu reißen und direkt in sein stolzes Gesicht zu zischen.

„Das Leben eines geliebten Menschen steht auf dem Spiel! Sag mir, was würdest du machen, an Aois Stelle? Würdest du hier sitzen und Däumchen drehen, während er leidet und letztendlich abgeschlachtet wird?“

Kaorus dunkle Augen trafen die seinen kühl und mit einer Überlegenheit, die Ruki diesem am liebsten den Kiefer brechen lassen würde – doch dann folgte ein simples Wort.

Ein Wort mit dem Ruki nicht gerechnet hatte und welches ihm effektiv den Boden unter den Füßen stahl.

„Ja.“

„Was...“

Er schaffte es nicht einmal die Frage vollständig zu formulieren, starrte Kaoru nur an, welcher seine Hände griff und von seiner Robe löste. Ruki ließ es ohne Widerstand geschehen.

„Ich würde ihn sterben lassen, wenn es ein Volk rettet. Was ist das Leben von einem gegen das von Tausenden?“

„Du weißt nicht, was du da sagst.“, Rukis Stimme war nur ein Wispern, noch immer durchsetzt von Fassungslosigkeit. „Du hast noch nicht geliebt, sonst würdest du so etwas nicht sagen.“

Uruha, der sich ebenfalls erhoben hatte und Ruki nun eine Hand auf die Schulter legte, drückte diese, um seinen Geliebten zu zeigen, dass er für ihn da war. Kaoru hingegen richtete sein Gewand und schüttelte leicht den Kopf. Sein Blick traf kurz den Kyôs, dann sah er zurück zum Rothaarigen.

„Es tut nichts zur Sache, was ich getan habe oder empfinde. Es würde nichts an den Geschehnissen ändern, die Aoi mit seinem Handeln in Bewegung gesetzt hat. Karyu wird mit seiner Hilfe erwachen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, wie wir die Schäden so minimal wie möglich halten.“

So sehr Ruki es hasste, er musste zugeben, dass Kaorus Worte klug waren.

„In Ordnung.“, murmelte er für sich, dann sah er die anderen an und wiederholte die Worte lauter, fester. „In Ordnung. Sinken wir in Dies Traum, dann fällen wir eine Entscheidung.“
 

~~~~~
 

Als Ruki wieder zu sich kam, schnappte er nach Luft.

Seine Lungen und Muskeln brannten, als wäre er eine viel zu lange Zeit zu schnell gerannt. Hinzu kam dieses Gefühl von Panik, dass sich in jeder seiner Poren festsetzte und er musste sich regelrecht zwingen, nicht ständig über seine Schulter zu blicken, um nach einem Feind zu sehen, der gar nicht da war. Neben ihm hatte Uruha sich abgewandt, um sich diskret die Tränen aus den Augen zu wischen und Reitas Gesicht war ashfahl.

Dies Traum war derart intensiv und emotional gewesen, dass Ruki Schwierigkeiten hatte, diesen und die Realität zu trennen.

Es war nur eine Möglichkeit.

Er sagte es sich wie ein Mantra. Nur eine Möglichkeit. Kein Muss. Die Zukunft hatte viele Gesichter. Ja, die Hoheelfen und somit sie als Generäle und Aoi als Herrscher, vertrauten auf Träume und Prophezeiungen, da sie akkurater waren, als Runen und Kristalle, aber dennoch. Nichts stand in Stein gemeißelt. Die Zukunft wurde von dem Handeln eines jeden einzelnen beeinflusst.

Aber Ruki verstand nun, warum Kyô derart erpicht auf eine Evakuierung Ulkas war und als er sich über das Gesicht wischte und den Blick den Blonden suchte, konnte er in dessen Augen zum allerersten Mal eine verstörende Unruhe lesen. Es war nur einen Augenblick und der General hätte sich irren können, aber er wusste, dass es da gewesen war.

Es war genug, um Rukis Welt aus der Achse zu heben. Er mochte Kyô nicht, hasste ihn sogar zu gewissen Teilen. Aber er hatte ihn immer als eine Konstante in Kistara anerkannt. Als eines der ältesten und mächtigsten Wesen hatten sich alle hinter Kyô anzustellen. Und der Mann hatte nie etwas anderes als raue Stärke gezeigt. Wie eine Klippe im tosenden Ozean hatte er sich gegen alle Widrigkeiten behauptet. Ruki verweigerte, zu glauben, dass es dieses Mal anders sein würde.

„Wie weit seit ihr in eurem Plan, Ulka zu evakuieren? Was ist mit den Artefakten in den magische Gewölben? Wir sollten auch Kunde nach Java schicken, sie müssen ebenfalls vorbereitet sein.“

Kyô entzündete eine neue Zigarette, tat einen Zug von ihr, bevor er dem General antwortete.

„Sie sind bereit zu gehen, wenn wir das Signal dazu gehen. Wir haben unsere Häuser und Erinnerungen soweit es ging versiegelt. Die magischen Gewölbe sind leer. Zero wird aus ihnen keinen Nutzen ziehen können.“

Reita, welcher die Wachen an der Tür angewiesen hatte, einen Boten nach Java zu Hizumi zu schicken und Uruha, der Die ein Glas Wasser gebracht hatte, sahen bei den Worten zu Kyô, aber der Mann machte keine Anstalten sich zu erklären.

Erst als Ruki seine Brauen zusammen zog und spezifisch fragte, was der Hoheelf implizierte, sprach dieser weiter.

„Wir haben die Artefakte mittels eines alten und seltenen Rituals in die Begabtesten von uns gesenkt. Zero wird nicht an sie heran kommen, selbst wenn der Elf, der einen solchen Gegenstand trägt, sein Leben verliert.“

„Wie können sie dann zurück geholt werden?“, mischte sich Reita zum ersten Mal aktiv in das Gespräch ein, eine herausfordernde Braue in die Höhe gezogen.

„Das werde ich Euch nicht sagen.“, kam Kyôs Antwort, ruhig und in einem Tonfall der keinen Raum für Argumentationen hielt. Reita sah aus, als wolle er erst widersprechen, hielt aber nach einem warnenden Blick des Meerwesens den Mund. Mit dem Blonden aneinander zu prallen, war niemals eine kluge Idee. Trotzdem brummte Reita unzufrieden und der Langhaarige befürchtete, dass dieser doch noch eine Spitze in Richtung Hohhelfen werfen würde – aber wie sich heraus stellte, kam das Geisterwesen nicht dazu.
 

Unter einem dunklen Rumpeln, dass klang, als würde Kistara selbst einen klagenden Laut ausstoßen, begann die Erde um und unter Schloss Draigh zu beben.

Risse zogen sich über das ohnehin geschwächte Mauerwerk, Stücke brachen heraus und fielen unter höllischen Lärm zu Boden. Die wenigen, noch intakten Fenster barsten unter Erschütterungen, die stetig stärker wurden. Uruha stieß einen erschrockenen Laut aus, als sich ein Stück der Decke löste und ihn unter sich begraben hätte, wäre Reita nicht gewesen, der ihn grob zurück gerissen hätte. Kaoru hielt Die an sich, einen Arm über dessen Kopf, um ihn zu schützen, derweil Ruki fluchend auf die Beine kam und sich am zerbrochenen Tisch hielt. Kyô stand in der Mitte ihres Raumes, die Augen geschlossen, die Hände zu den Seiten ausgestreckt und in Richtung Boden gewandt – er hielt den Raum stabil, so viel war klar. Doch es strengte ihn ungewöhnlich stark an; Schweiß stand auf der zusammengezogenen Stirn, weswegen Ruki seinen schwarzen Teleportationsstab herbei rief und diesen in die Höhe riss.

Einen Atemzug später bogen sich die Wände des Raumes scheinbar nach innen, als die Wesen innerhalb des Zaubers gegriffen und fort transportiert wurden.

Keinen Moment zu früh, denn die Decke gab vollständig nach und begrub, was noch intakt gewesen war.

Sie landeten wenig graziös auf der Wiese außerhalb der Stadt – die Erde bebte noch immer, aber es ließ bereits nach.

Ruki fluchte, weil er mit dem Ellenbogen auf einen Stein schlug, Kaoru und Die fielen übereinander und sahen seltsam verdreht aus mit ihrem Gliedmaßen, die nicht am richtigen Platz zu sein schienen. Uruha und Reita kamen in seiner Nähe auf und Ruki kämpfte sich auf die Füße und stolperte zu ihnen. Sein Meerwesen schien unversehrt, weswegen der General lautlos seufzte und dem Langhaarigen eine Hand reichte, um ihm auf die Beine zu helfen, doch dieser reagierte darauf nicht.

Er starrte unsehend in die Ferne, die Augen in Furcht geweitet, die Lippen blutleer zusammen gepresst und die Hand so eng um Aois Anhänger geschlossen, dass die Knöchel weiß hervor stachen.

Ruki und auch Kyô und Reita, die hinter den beiden aufgeschlossen hatten, folgten den Blick. Und sie alle taten gleichermaßen einen Schritt zurück, als sie sahen, dass der Himmel am Horizont in schwarzen Flammen stand. Es sah aus wie Nebel, aber Ruki wusste es besser. Die Art und Form glich einem Feuer. Feuer, das nur Aoi herauf beschwören konnte. Und ebenso wie er wusste, dass es Aois Magie war, die er da sah, wusste er, dass es kein Kampf war, der sie losgelöst hatte. Sie waren nicht bewusst gesteuert worden, sondern sie hatte sich von allein vom Inneren des Dämonen gelöst.

Rukis presste die Kiefer zusammen. Das war nicht gut. Definitiv nicht gut.

Uruhas Lippen bebten leicht, als sich das Meerwesen hin und her wiegte, ein leiser Laut in dessen Kehle, dass wie ein Wimmern klang. Der Rothaarige ließ sich neben Uruha auf die Knie fallen, schob einen Arm um dessen Schultern.

„Uruha.“

Der Langhaarige tat keine Regung, die zeigte, dass er seinen Geliebten bei sich realisierte und Ruki zog die Brauen zusammen, als er bei näherem Betrachten von Uruhas Hand sah, dass diese leuchtete. Oder vielmehr der Anhänger in deren Inneren. Das hatte er noch nie gemacht, in all den Jahren nicht, die das Meerwesen die Kette nun schon trug.

„Uruha? Was ist das?“

Er schob seine Hand sanft über die seines Geliebten, arbeitete behutsam daran, die einzelnen Finger zu öffnen, damit er einen Blick auf das Schmuckstück werfen konnte. Uruha ließ es nur widerwillig zu. In der Tat ging von den großen Stein in der Mitte des Medallions – der unter normalen Umständen einen warmen, brauen Ton inne trug – ein Glühen aus, dass diesen orange-golden verfärbte. Es war nicht ganz so grell wie der Dunkelelf vermutet hätte und es pulsierte immer wieder. Ein stetiger, doch sehr langsamer Rhythmus.

»Uruha.« Er rief seinen Geliebten zärtlich auf mentaler Ebene, hoffte so, besser zu ihm durchdringen zu können und tatsächlich drehte der Langhaarige den Kopf in seine Richtung. »Uruha, sag mir, was das zu bedeuten hat?«
 

Die Lippen des schlanken Mannes öffneten sich, doch kein Laut perlte von ihnen. Uruha sah regelrecht hilflos aus, weswegen Ruki leicht die Brauen zusammen zog.

„Uruha?“

„Er kann dir deine Frage nicht beantworten.“, der Blick der beiden Generäle wanderte zu Kyô, welcher sich zu ihnen hockte. Der Tonfall des Blonden war ruhig – Ruki wagte sogar zu sagen, sanft – als die dunklen Augen die des Meerwesens hielten, „Er weiß nicht, was das ist. Zumindest nicht mit dem Kopf. Hier weiß er es sehr genau.“

Bei seinen letzten Worten legte sich Kyôs Hand auf Uruhas Herz und Ruki war alarmiert zu sehen, dass sich die Augen seines Geliebten mit Tränen füllten, als dieser nickte.

„Das was du fühlst Uruha,“, erklärte Kyô leise, „Ist Aoi. Du hast das Ritual der Genjai benutzt, oder? Du wolltest eine Möglichkeit haben, mit Aoi auch über große Strecken hinweg verbunden zu sein, um zu wissen, wann er in Gefahr ist. Du hast in den Schriften der deinen davon gelesen und es ausprobiert, ohne zu wissen, ob es überhaupt funktioniert hat. Ohne es verstanden zu haben. Habe ich nicht recht?“

Eine einsame Träne löste sich aus Uruhas Augenwinkel, rollte eine blasse Wange hinab, als dieser abermals nickte.

„Könntest du aufhören in Rätseln zu sprechen?“, knurrte Ruki ärgerlich. „Sag uns, was du weißt!“

Kyô seufzte schwer, reichte Uruha eine Hand, um diesen auf die Füße zu helfen, dann schob er das Meerwesen in Rukis Arme, der seinen Geliebten automatisch fest hielt und so fühlen konnte, dass er immer wieder von Beben erfasst wurde. Was auch immer Uruha über seine Verbindung zu Aoi spürte, es raubte ihm all seine Selbstkontrolle.

„Das Ritual der Genjai ist eine überlieferte Schrift der ersten Meerwesen, die Kistara besiedelten. Es beschreibt einen Zauber, zwei Wesen über ein Schmuckstück miteinander zu verbinden, vorausgesetzt, der Zaubernde hat intensive Gefühle für den Bezauberten. Nicht im Sinne von körperlicher Zärtlichkeit, mehr auf der emotionalem Ebene. Bindungen wurden oft von Müttern eingegangen, die ihre Kinder sicher wissen wollten, oder von Brüdern und Schwestern. Es wird daher auch das Familienritual genannt. Es zu praktizieren ist einfach. Es gibt genaue Schriften über die Symbole und Kreise. Alles, was darüber hinaus benötigt wird ist ein Gegenstand und etwas aus dem persönlichen Besitz des Bezauberten. Uruha – und viele vor ihm – nahm an, dass der Zauber in der Kette ihn alarmieren würde, wenn Aoi in Gefahr gerät. So übermitteln es einem auch die Schriften. Nicht wahr?“

Das Meerwesen nickte leicht.

„Aber es geschah nie etwas und du dachtest, das Ritual hätte versagt. Es geriet in Vergessenheit. Und genau hier liegt der Fehler in den Schriften, wurden sie nicht korrekt überliefert und korrigiert. Das Ritual warnt den Träger nicht vor jeder Gefahr, in die der Bezauberte gerät. Es aktiviert sich nur, wenn die Seele desjenigen, mit dem man verbunden ist, erlischt. Das ist sein Sinn. Es soll die Wesen zusammenführen, damit sie sich kurz vor dem Tod noch einmal sehen.“

Uruha schlug sich eine Hand vor den Mund, um das Schluchzen zu unterdrücken, dass sich lösen wollte, derweil Ruki einfach geradeaus starrte.

In der schweren Stille die sich um sie herum ausbreitete, löste sich Die zaghaft von Kaoru, um zu dem Meerwesen zu gehen, um es aus einem tiefgreifenden Mitgefühl heraus zu trösten. In den Augen des Traumtänzers standen Tränen; er konnte sich nicht ausmalen, wie sehr Uruha leiden musste. So etwas zu fühlen...

Sanft drückte er die kalten, bebenden Finger, blickte auf den Stein, der noch immer langsam pulsierte. Ein. Aus. Atemzüge, die mit jeder Sekunde schwächer wurden.

„Gibt es keine Möglichkeit ihn zu erreichen? Irgendein Weg?“

Seine Frage war leise, bar jeder Hoffnung, als er mit mitleidigen Blick von Uruha zu Kyô hinüber sah, der leicht den Kopf schüttelte.

„Selbst mit Rukis Teleportation wären wir nicht schnell genug.“

„Warum? Noch ist Aoi am Leben.“,mischte sich Reita ein, „Ruki ist mächtig genug, uns alle in ein paar Sekunden an den Ort zu bringen an dem Aoi ist. Wenn der Stein dazu da ist, Wesen zusammenführen, dann gibt er auch eine Richtung und ein Ziel an.“

Ruki nickte zustimmend, den Stab bereits in die Höhe gerissen, als er von Kyô gestoppt wurde.

„Das ist nicht das Problem.“, erwiderte dieser ruhig. „Wir haben niemanden, der Aoi heilen kann.“

„So ein Bullshit! Du kannst heilen, Kaoru kann es, sogar Uruha kann helfen! Wir sollten aufhören, hier blöd rum zu labbern und zu ihm gehen!“

Kyô presste die Lippen zusammen, doch das sah Reita nicht mehr, denn er wirbelte wieder zu Ruki herum. Sie hatten keine Zeit zu verlieren, verdammt! Doch dann sprach Kyô erneut und dessen Worte ließen Reita schockiert erstarren.

„Ich werde ihn nicht heilen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  BleedingRose
2013-10-25T11:42:03+00:00 25.10.2013 13:42
Ich hatte mich ja so gefreut gehabt, als ich deine Ens bekam.
Nur noch einen Tag warten, dachte ich und dann kann ich endlich wieder was neues Lesen.
Doch ausgerechnet dann, musste mein Internet macken machen, und mich immer wieder rausschmeißen.
Darum kommt mein Review erst jetzt, ein paar Tage später.
Mann ey, ich hatte die letzten Tage ja solch eine Hochexplosive Stimmung.
Aber genug sinnloses geplapper, hier kommt mein Review...
***

Aoi ist also endlich auf dem Weg zu Kai...
Gut so würde ich ja sagen, aber da ja bekannt ist, dass Zero, Aois Seele will,
würde ich am liebsten schreien: Weg da Aoi... geh da nicht hin.
Aber er muss ja Kai retten und Ari und Tsukasa.

Oh weh, der arme Tsukasa.
So viel Blut wie der mittlerweile wohl schon verloren haben muss...
Das kann bestimmt nicht gut für ihn sein.
Es ist schön zu lesen gewesen, dass Aoi sich auch um ihn sorgen macht.
Auch wenn er und Tsukasa nicht gerade Freunde waren.

So, weiter im Text...
Aoi ist endlich angekommen, er und Zero stehen sich endlich gegenüber.
Ich will mir gar nicht vorstellen, was gerade in den Köpfen von Aoi und Kai vor sich geht.
Klar das kai Angst um Aoi hat, denn er weiss ja, dass Zero dessen Seele will.
Einerseits wird er erleichtert sein, seinen Aoi endlich wieder zu sehen, aber andererseits...
Du bist echt nicht gerade nett zu den beiden.
Und Aoi... der sieht, dass sein Kai unverletzt ist und es ihm gut geht.
Das hat er ja eh immer nur gewollt.
Klar das er will, dass Zero ihn gehen lässt, aber so blöd ist Zero nicht.

Und da kommen wir zu Zero.
Ich habe ja schon öfter geschrieben, dass mir Zero irgendwo leid tut.
Das tut er immer noch und im Moment ist er einer meiner Lieblingscharaktere.
-> Nicht traurig sein Hizu... du bleibst meine Nummer 1 :-)
Aber natürlich nicht weil Zero so charmant und liebreizend ist, sondern weil er...
Antwort von:  BleedingRose
25.10.2013 14:03
-> Blöder Computer, macht in letzter Zeit was er will... genauso wie die Maus, geht einfach auf Senden, obwohl ich nur was markieren wollte, naja... muss ich das Review halt hier fortführen.

Also, Zero ist derzeit mein Lieblingscharakter, und zwar, weil er nicht einfach nur das Böse in Person ist, sondern es einen Grund gibt, warum er ist was er ist und warum er tut was er tut.
-> Ich hoffe du verstehst, was ich mit diesem wirren Satz sagen will ;-)

Aoi will sich selber opfern, um Zeros Plan zum scheitern zu bringen...
Ganz schlechte Idee, Aoi, ganz schlechte Idee - die gefällt mir nicht.
Ich meine, was wird denn dann aus Kai? Der braucht doch seinen Aoi, genauseo wie alle anderen. Reita, Uruha, Ruki...
Aoi ist nicht zu ersetzen, weder als Freund, noch als Herrscher und schon gar nicht durch Kyo.

Kyo hat sich schon etliche Minuspunkte bei mir eingeheimst und sein letzter Satz, hat nicht gerade dazu begesteuert, dass ich ihn irgendwie noch liebgewinnen könnte.
Natürlich weiss man noch nicht genau, warum er Aoi nicht heilen will, doch die Tatsache das er es nicht tun will, es zerbricht mir das Herz.
Und macht Kyo zum meistgehasst Chara, hier in deiner FF.
Und wenn man bedentk, dass eigentlich Zero der ?Böse? ist, soll das schon was heißen.

Uruha... Nein, was tust du nur mit Uruha?
Er tut mir ja so unendlich leid.
Was er in dem Moment fühlen muss, ich will es mir nicht mal im Traum ausmalen.
***

Mein Fazit dieses Kapitels:
Es ist der Hammer und dermaßen Emotional... ich musste am Ende echt weinen.
Du machst es unseren Jungs nicht gerade einfach, und uns Lesern auch nicht.
So fies wie du hier aufgehört hast... Willst du uns irgendwie bestrafen?
An solch einer Stelle kannst du doch nicht aufhören, dass ist Folter... jawohl.
Ich hoffe sehr, dass das nächste Kapitel bald kommt, denn ich halte es vor Spannung kaum mehr aus.
Diese FF ist mein absoluter Favorit und für diese wundervolle, spannende und sehr emotionale FF, danke ich dir jetzt schon sehr.
Mach weiter so... Ich warte auf das nächste Kapitel, egal wie lange es dauern mag.

Bis zum nächsten Mal.
LG
Von:  Vampirelady0
2013-10-24T19:26:51+00:00 24.10.2013 21:26
Du hast echt an einer total gemeinen Stelle aufgehört. Aber das weißt du ja selber. ^^
Ärgerst uns gerne, ne?
Ich könnte Zero echt den Hals umdrehen. Ich mag ihn absolut nicht.
Ansonsten kann ich mich nur Nori anschließen.
Von:  Ashanti
2013-10-22T18:54:02+00:00 22.10.2013 20:54
Oh mein Gott ich habe Herzklopfen! Ruki tut mir so Leid wegen der Sorge um Uruha und Uruha muss sich furchtbar fuehlen und oh Gott was ist jetzt mit Kyô, ich sterbe bald, was soll das heissen er wird Aoi nicht heilen?Ich muss sagen du hast mich mit deiner FF echt gekoedert :'D
Es ist wirklich fluessig zu lesen und mal was neues^ ^




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