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Die Nebelfrau

von

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Die Nebelfrau

Still, mein Kind.

Geb keinen Laut von dir,

denn draußen wandelt die Nebelfrau

und beklagt stumm ihr Leid.
 

Salve regina, mater misericordiae,

vita, dulcedo, et spes nostra, salve!
 

Du hörst sie leise durch die Wälder schleichen,

doch nähere dich ihr nicht.

Ihr kalter Körper sucht nach ungehorsamen Kindern.

Und wenn sie dich fängt, so verschleppt sie dich in ihren dunklen See.
 

Einst hat sie an diesem See ihr Kind verloren.

Es geschah in einer schrecklichen Nacht.

Der Mond stand bleich am Himmel

und bleich war auch der Leichnam des Kindes, welchen sie an sich presste.
 

Ad te clamamus, exsules filii Hevae,

ad te suspiramus, gementes et flentes

in hac lacrimarum valle.
 

Gehe nie zu diesem See, denn ihr Nebelgewand tanzt stets über seine Wasserhaut.

Sie selbst hat dort ihr Leben gelassen.

Man klagte sie des Mordes an ihrem Säugling an.

Sie wehrte sich nicht, als man sie im See ertränkte.
 

Still, mein Kind.

Versuche nun zu schlafen.

Die Fenster sind verschlossen, dem Nebel ist der Eintritt verwährt.

Die Nebelfrau kann dich nicht holen, drum bleibe in deinem Bett.
 

Sie hat viele Kinder zu sich geholt.

Kleine und große, immer des Nachts.

Schließe die Vorhänge, verberge dein kleines Gesicht vor ihr.

Beruhige dich, flieh ins Traumland.
 

Eia ergo, advocata nostra:

illos tuos misericordes oculos

ad nos converte,

et Jesum, benedictum fructum ventris tui

nobis post hoc exsilium ostende.
 

Mutter, ihre Hände sehe ich am Fenster.

Wie oft schon vernahm ich ihre klagende Stimme.

Sie ruft mich Mutter, ich kann nicht schlafen.

Die Nebelfrau, sie blickt ins Zimmer.
 

Siehst du ihre toten Augen?

Auch den Säugling sehe ich auf ihrem Arm.

Bleib an meinem Bette stehn und behüte mich.

Sie will mich holen!
 

Salve Maria. Salve Maria.
 

Still, mein Kind, der Morgen graut.

Die Nebelfrau weicht zurück.

Das Licht verbrennt ihren Nebelkörper.

Du bist sicher, nun steh auf, der Tag bricht an.
 

O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Thuja
2012-07-23T05:06:12+00:00 23.07.2012 07:06
Der Inhalt ist wirklich sehr schön, sehr mystisch und toll gestaltet
Wunderbar wie die Mutter mit ihrem Kind spricht, es warnt und gleichzeitig die Geschichte der Nebelfrau erzählt
Allerdings tue ich mich schwer, das als Gedicht zu sehen
Es hat kein Metrum und ich bin etwas mehr Fan von gereimten Werken.
So wirkt es wie Zeilen, die einfach durch Zeilenumbruch in Gedichtstruktur gebracht worden
Mein Fazit. Inhaltlich wirklich eine super Idee, formal nicht ganz so toll

Von:  Maliondarin
2012-06-28T07:18:26+00:00 28.06.2012 09:18
Also erstmal, ich bin ein großer Fan von Gedichten.
Leider bin ich da etwas altmodisch, glaube ich langsam.
Ich liebe es, wenn die einzelnen Zeilen einen ähnlichen Rhytmus haben!
Reimen muss es sich logischer Weise nicht, das steht jedem frei, aber das alles so ungleichmäßig ist, finde ich nicht so angenehm ^^.
Gegen Ende veränderst du deinen Stil da selber etwas, mit der Länge, die letzten 3 Strophen fand ich persönlich am besten ^^.

Die Idee mit den unübersetzten Versen finde ich wirklich gut. Das trägt noch zur Stimmung bei.

Dein Inhalt, also die Story an sich, erinnert mich ganz stark an eine Folge von Super Natural, ich habe sie geliebt, die mit der Zahnfee, wo man anfänglich auch immer nur eine Hand am Fenster sieht.
So was Ähnliches hatte ich bei dir auch in meinen Gedanken. Wundervoll gruselig und schaurig schön! Toll geschrieben, man fühlt sich wie ein kleines Kind, dass auf dem Bett sitzt, die Decke umklammert und bangt, dass diese Frau nicht herein kommt! Das mit den "Gefühlen" hast du wirklich raus, auch wie du sie lenkst und beeinflusst, beneidenswert ^^.


Liebe Schreibziehergrüße
Maliondarin
Von:  Levana
2012-05-05T11:47:34+00:00 05.05.2012 13:47

Ich finde diese Geschichte irgendwie gruselig. Vor allem wegen dem unübersetzten Gebet. Nicht zu wissen, was für verschwörerische Sätze da gesprochen werden, wirkt unheimlich! Sie hat die Kinder alle mit ihrer lateinischen Zauberformel verwandelt und mitgenommen...

LG
Levana
Von:  LlunaKudo
2012-04-03T18:25:42+00:00 03.04.2012 20:25
Der Text gefällt mir wirklich sehr gut.
Es ist so düster geschrieben und ich kann mir die Nebelfrau sehr gut vorstellen, wie sie vor dem Fenster steht. Richtig unheimlich.
Aber sie tut mir auch irgendwie Leid.


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