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Crimson Snow

Ivan x Gilbert
von

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Der Herzog von Akiba

A/N: Geht mal wieder alles etwas schnell in dem Kapitel, aber ich wollte mich da jetzt nicht ewig aufhalten, weil wir ja langsam mal zum wichtigen Teil kommen sollten... *auf mysteriösen König zeig*

Kein Gilbert/Ivan!
 


 

Alles lag ruhig in der mondlosen Nacht und nur ein paar Gestalten huschten durch die nächtlichen Straßen.

Eine davon hatte zwei Katzenohren auf dem Kopf, eine andere trug einen seltsamen Teppich unter dem Arm und die anderen machten auch einen eher zwielichtigen Eindruck.

Ludwig biss sich fest auf die Zähne, um nicht laut aufzuseufzen. Sie waren ja so schrecklich unauffällig! Warum mussten denn auch alle mitkommen? Das hier war kein Klassenausflug, sondern ein geplanter Diebstahl und man sollte wohl kaum mit einer Meute lärmender Italiener, Spanier und anderen Typen auf Beutezug gehen.

Es wäre Ludwig wirklich am Liebsten gewesen, wenn er alleine mit Gupta und seinem Teppich hätte losziehen können. Eigentlich ging das alles auch nur ihn etwas an, schließlich war es ja sein mysteriöses Schwert, das da angeblich im Herzogspalast ruhte.

Wie dem auch sei, Feliciano hatte dann rumgejammert, dass er mitkommen wolle und dann war plötzlich auch Lovino auf der Teamliste, was Antonio natürlich dazu veranlasst hatte, ebenfalls mitzukommen und schließlich waren sie jetzt alle mit von der Partie. Genauso gut hätten sie auch mit einem Elefanten die Palastmauern einreißen können, dass wäre wohl genau so unauffällig gewesen.

Zum Glück lag die Stadt ruhig da und außer einem kleinen Lichtschein hinter dem einen oder anderen Fenster war nichts zu sehen. Naja, es war schließlich auch mitten in der Nacht.
 

Für ihre Verhältnisse relativ lautlos huschten die zehn Gestalten durch die Dunkelheit, geführt von Gupta. Der Akibaner führte sie zu einem geeigneten Ort, um in den Palast einzusteigen.

Nachdem sie den ganzen Prachtbau beinahe ganz umrundet hatten, gab Gupta ihnen mit einem Handzeichen zu verstehen, sie sollten stehen bleiben. Hinter einigen Büschen geduckt, beobachteten sie eine der Wachen, die vor der Mauer auf und ab lief. Sie trug einen schwarzen Turban, das Gesicht war mit einem ebenfalls schwarzen Schal verdeckt, nur der messerscharfe Säbel blitzte auf. Gupta deutete lautlos auf ein Fenster, das sich ungefähr 10 Meter über dem Boden befand. Dort mussten sie hinein. Er bedeutete den Freunden, sie sollten zurückgehen, auf den Platz vor dem Palast.
 

Nach wenigen Minuten, als sich alle dort versammelt hatten, begann Gupta leise zu sagen: "Das ist das beste Fenster, um unbemerkt reinzukommen. Dort landet man nämlich im Abstellraum, der von keinem mehr benutzt wird." Die anderen nickten.

"Und kommen wir da auch unbemerkt rein?" fragte Ludwig etwas skeptisch nach. Er traute dem Ganzen nicht.

"Mit Teppich dürfte das kein Problem sein. Wir müssen nur weit genug oben sein, damit die Wache uns nicht bemerkt. Neben mir haben noch drei weitere Personen auf Teppich platz. Zur Not gehen auch noch vier, was bedeutet ich muss zweimal fliegen. Das erhöht zwar das Risiko, aber es dürfte schon alles gut gehen." Er nickte allen mit ernstem Blick zu und keiner wiedersprach. Auch wenn Ludwig tausend Gründe hatte, nicht bei dieser waghalsigen Aktion mitzumachen, nannte er keinen einzigen. Es gab keinen anderen Weg in den Palast und wenn er das Schwert hatte, waren sie vielleicht ihrem Ziel wieder einen Schritt näher. Also schwieg er und beobachtete, wie Gupta aufstand und auf seinem Teppich klopfte. Er murmelte wieder ein "Aufgewacht, Teppich!" und der gammelige Fußabtreter breitete sich aus.

Wenn man ihn näher betrachtete, war der Teppich gar nicht mal so hässlich. Er war vielleicht alt und etwas verblichen, aber sah dennoch irgendwie schön aus. Der äußere Rand und die Teppichfransen waren von einem goldenen Ton, während der Rest in einem dunklen Lila war. Dann waren da noch verschiedene Muster miteingearbeitet in Rot, Gold und einem etwas helleren Lila. Trotzdem sah er aus wie ein fusseliger Staubfänger.
 

Gupta setzte sich im Schneidersitz auf den am Boden liegenden Teppich und deutete auf Ludwig, Feliciano, Sesel und Lovino. "Los steigt auf. Fangen wir mit euch an."

Die vier sahen sich etwas beklommen an und Feliciano klammerte sich ängstlich an Ludwigs Arm. Er veehte etwas herum und Ludwig beschloss, Ruhe zu bewahren, damit sich der Italiener ein Beispiel an ihm nahm. Sesel freute sich anscheinend riesig über den Teppichflug und setzte sich aufgeregt neben Gupta. Lovino hingegen knurrte, brummte und schimpfte vor sich hin und weigerte sich, Antonios Seite zu verlassen. Der Spanier lachte darüber leise und schob seinen unwilligen Freund auf den Teppich zu.

"Wir sehn' uns ja gleich wieder, Lovi~" sagte er noch, bevor er den Kleineren neben Ludwig auf den Teppich drückte.

Der ältere Krimm Bruder musterte Ludwig kritisch und warf ihm einen vernichtenden Blick zu, als er sah wie krampfhaft Felicianos sich in den Arm des Blonden krallte. Ludwig seufzte nur resigniert und ignorierte Lovinos Anfeindungen einfach.

"Bis gleich." flüsterte Gupta noch, bevor er dem Teppich zurief: "Auf, auf und davon!"
 

Erst tat sich nichts, doch mit einem Ruck schoss der Teppich in die Höhe und Gupta dirigierte ihn in Richtung Palast.

Kaum hatte der Teppich den staubigen Boden verlassen, hatten die beiden Krimm Brüder schrill aufgequietscht und Ludwig fand sich mit zwei festgekrallten Kletten wieder. Feliciano schnürte ihm fast den Arm ab und Lovino hatte es irgendwie geschafft seinen Kopf unter Ludwigs Oberhemd zu stecken. Plötzlich war da kein "Kartoffelkopf!", "Perversling!" oder "Krautkropf!" mehr zu hören. Der griesgrämige Italiener war viel zu verschreckt und Ludwig seufzte daraufhin noch einmal. Es lag wohl in der Familie, doch wenigstens hielten sie die Klappe.

Der Deutsche warf einen Blick auf Gupta und Sesel, die beide wie ein Honigkuchenpferd strahlten. Die Wahrsagerin war hin und weg und man konnte sehen, dass der Hobby-Dieb sich mehr als nur wohl fühlte. Beinahe lautlos glitten sie durch die Nacht, wobei Teppich wohl etwas unter dem ungewohnten Gewicht zu leiden hatte, es aber tapfer durchhielt. Sie steuerten direkt auf den Palast zu und von ihrer Flughöhe aus, konnte man die ganze Stadt überblicken. Natürlich war Ludwig viel zu stoisch, um sich eine Gefühlsregung entlocken zu lassen, aber innerlich war der Anblick wirklich atemberaubend. Er war noch nie geflogen, er hatte es nur einmal von einem ehemaligen Piloten gehört, wie es sich anfühlte. Der Kerl würde bestimmt vor Neid sterben, wenn er Ludwig jetzt sehen könnte.

Der Blonde riskierte einen Blick nach unten und sah dort die Wachen im fahlen Laternenlicht ihre Runden drehen. Sie waren jetzt ganz nah an ihrem Zielfenster, als eine der Wachen den Kopf hob. Der Mann rieb sich über die Augen, als könnte er nicht ganz glauben was er sah und das nutzte Gupta aus, um seinen Teppich noch einen Zahn zulegen zu lassen. Sie schossen auf das kleine Fenster zu, hatten zu viel Schwung drauf und krachten mit voller Wucht in die sogenannte Abstellkammer.

Gupta rollte sich relativ elegant ab, Lovino und Feliciano landeten weich auf Ludwig, als dieser eine kunstvolle Mischung aus Salto und Vorwärtsrolle vollführte. Sesel wurde von Gupta aufgefangen und dieser half ihr auch, ganz der Gentleman, auf.
 

"Patata stupido! Pass doch auf!" fauchte Lovino, als er sich von Ludwig erhob und dieser sich stöhnend den Kopf rieb. "Stell dich nicht so an, deinem Kartoffelkopf ist schon nichts passiert!" meckerte Lovino weiter und gab dem am Boden sitzenden Ludwig sogar noch einen Tritt.

"Fratello! Du bist gemein!" jammerte Feliciano und fing an Ludwigs Kopf zu pusten.

"Seid doch leiser..." brummte der Deutsche nur und wünschte sich jetzt etwas Eis herbei.

"Bewegt euch nicht vom Fleck, ich hole jetzt die anderen." sagte Gupta mit normal lauter Stimme, anscheinend konnte man sie hier drinnen nicht hören. Keinen Augenblick später war der Akibaner wieder verschwunden und ließ sie in der dunkeln Abstellkammer zurück. Die vier saßen reglos im Dunkeln und eine drückende Stille herrschte, sogar die Krimm Brüder gaben ausnahmsweise mal keinen Laut von sich.

"Es ist ziemlich dunkel..." murmelte Ludwig schließlich, um dem bedrückenden Schweigen zu entkommen. Warum brauchten die anderen denn jetzt auch so lange?

"Oh, das ist kein Problem. Als echte Wahrsagerin hab ich immer Kerzen dabei." meinte Sesel daraufhin leichtfertig, dann war das leise Rascheln von Stoff zu hören und ein Streichholz wurde angezündet. Einen Moment später standen sich die vier in dämmrigen Kerzenschein gegenüber.

"Was hast du denn noch alles dabei?" fragte Ludwig überrascht.

Sesel lachte ihn nur fröhlich an und klopfte auf ihre mitgebrachte braune Umhängetasche. "Nur das Nötigste, du weißt schon: Räucherstäbchen, Teeblätter, Pergament, Parfum, eine Haarbürste, Ersatzschleifen für meine Haare und Ersatzschleifen für meine Ersatzschleifen, Mandelöl-"

"Ja schon gut, ich hab es verstanden!" rief Ludwig dazwischen und sah das verrückte Mädchen kritisch an. Wie hatte sie das ganze Zeug in ihre Tasche gebracht? Bevor er sich aber weiter darüber Gedanken machen konnte, verspürte er einen Luftzug und um einiges eleganter landete der Teppich mit Gupta, Elizabeta, Roderich, Vash, Lili und Antonio neben ihnen. Teppich war sichtlich erschöpft (soweit ein Teppich das eben sein konnte), denn die fünf hatten seine Gewichtstragbarkeit ziemlich strapaziert.
 

"Looovi! Da bin ich wieder!" rief Antonio unangebracht laut und stürzte sich auf den Italiener, der überrascht zurückstolperte. Sie krachten gegen einen verdammt teuer aussehenden, vermutlich antiken, Tisch und verursachten einen Lärm, wie bei einem Bombenangriff.

Händeringend versuchte Ludwig sich zu beruhigen. War er denn nur von Idioten umgeben?!

"Auch wenn wir jetzt im Palast sind, heißt das nicht unbedingt, dass uns die säbelschwingenden Wachen nicht trotzdem aufspießen können." gab Roderich in einem spitzen Tonfall Antonio und Lovino zu verstehen.

"Idiota!" zischte Lovino und drückte den Kater von sich. Dieser ließ kurz seine getigerten Ohren hängen und verlor für einen Augenblick sein atomares Lachen. "Lo siento." murmelte er.

Lovino verzog ärgerlich den Mund, packte den Spanier dann an der Hand und knurrte: "Jetzt komm schon." Er zerrte den wieder fröhlichen Kater zum Rest der Gruppe, der sich um Sesels Kerze versammelt hatte, die die Wahrsagerin auf den Boden gestellt hatte.

"Und jetzt? Wir sehen gerade so aus, als ob wir jemanden beschwören wollen..." murmelte Vash und deutete auf den Kreis, den die zehn Freunde um die kleine Lichtquelle gebildet hatten.

"Jetzt sind wir im Palast. Ihr wollt doch dieses spezielle Schwert finden, nicht? Ich würde ja in der Schatzkammer des Herzogs anfangen, da steht allerlei Krempel rum." erwiderte Gupta und rollte seinen Teppich wieder zusammen. Ludwig fand den Vorschlag nicht schlecht und nickte zustimmend. Wie auf ein Zeichen hin stimmten die anderen auch zu, als hätten sie nur auf Ludwigs Zustimmung gewartet.

Gupta nickte und hob die Kerze vom Boden auf. In dem flackernden Licht leuchteten seine Augen und er sah mit einem Mal viel älter aus.

Der junge Akibaner stellte sich an die Spitze ihres Zuges und bedeutete allen mit dem Zeigefinger an den Lippen, dass sie leise sein sollten. Besonders Antonio, Lovino und Feliciano sah er dabei an.

Der jüngere Krimm klammerte sich wieder an Ludwig, während Lovino dasselbe bei Antonio tat. Es legte sich eine unheimliche Atmosphäre über sie. Schon fast wie von selbst fanden sich die Paare, Sesel lief fröhlich neben Gupta her, Elizabeta hakte sich bei Roderich unter und Vash hielt Lili wie immer an der Hand.

"Willst du deinen Teppich nicht mitnehmen?" fragte Ludwig verwirrt nach, als er sah wie der junge Mann diesen einfach an die Wand in der Abstellkammer lehnte.

"Nicht nötig, ich hol' ihn später ab." erwiderte dieser und öffnete die hölzerne Tür beinahe lautlos.
 

Sie fanden sich auf einem endlos großen Flur wieder, der auf der rechten Seite im Abstand von je drei Metern, Fenster eingelassen hatte. Sie hatten keine Glasscheiben und das war auch gar nicht nötig, denn selbst nachts schien es nicht astronomisch kalt zu werden, wie es sonst in Wüsten der Fall zu sein schien.

Auf den Fensterbänken standen Vasen, schmuck verzierte Kisten oder Truhen. Auf dem Boden lag ein schmaler Perserteppich mit dem üblich orientalischen Muster, der ihre Schritte dämpfte. Über jedem Fenster war ein Kerzenständer angebracht, der ihren Weg erleuchtete.

Die Freunde ließen sich von Gupta weiterführen, der nach einer Weile auf eine verschlossene Tür deutete und erklärte: "Hier ist das Harem. Die Damen befinden sich aber allesamt schon zu Bett." Dann deutete er aus dem Fenster und fuhr fort: "Wenn ihr hier raus seht, könnt ihr den Innenhof sehen. Es heißt, der Brunnen in der Mitte würde Gold zu Tage befördern, aber das ist kompletter Schwachsinn."

Wie ein Reiseführer leitete er sie durch den Palast. Roderich stutze einmal und deutete auf eine Kommode, die in einem Raum stand, den sie durchqueren mussten. "Das ist doch eine AEKI-Kommode! Ich habe sie bei Matthias auf dem Schiff gesehen." Gupta winkte daraufhin ab und meinte: "Ja, der Herzog ist verrückt nach dem Zeug. Seine Gemächer bestehen komplett aus AEKI-Möbeln, zum Beispiel hat er sein Bett nur gekauft, weil es "Tilda" heißt und das der Name von seiner 56. Frau ist."

Ludwig sah den schneidigen Kapitän vor seinem inneren Auge, wie er durch den Palast lief und dem Herzog ein Bett namens "Tilda" aufstellte oder mit seiner lauten und zuweilen aufdringlichen Art Regale aufbaute. Doch dann stutze der Blonde und sah Gupta nachdenklich an. "Sag mal, du kennst dich hier ja ziemlich gut aus, für einen Straßendieb..."

Der junge Akibaner drehte sich zu Ludwig um und das Licht flackerte wieder in seinen grünen Augen. "Ich war schon des Öfteren hier..." meinte er nur.

Himmel! Der hatte die Schatzkammer mit Sicherheit schon halb leer geplündert und der Herzog bekam von diesen nächtlichen Besuchen vermutlich gar nichts mit. Seufzend folgte Ludwig den anderen weiter, vorbei an AEKI-Regalen und anderen AEKI-Souvenirs. Matthias und seine Freund der Riese mussten bestimmt schon ein Vermögen gemacht haben!

Seltsamerweise war im ganzen Palast auch nichts zu hören und keine einzige Wache kreuzte ihren Weg. Man fühlte sich hinter den schützenden Mauern wohl recht sicher...
 

"Hier ist es." meinte Gupta nach weiteren Minuten des Schweigens. Überrascht sah Ludwig auf, sie befanden sich vor einer gigantischen Türe aus... Metall? Nein, das war...

Der Deutsche trat näher und hielt erstaunt die Luft an. Die ganze Tür war aus Gold!

Der goldene Eingang nahm eine ganze Wand ein und musste mindestens 6 Meter hoch sein. Auch die anderen sahen ehrfürchtig zu der wertvollen Tür auf, die allein schon den Wiederaufbau von Europa finanzieren könnte. Was für ein Vermögen musste sich dann erst dahinter befinden?

"Wie sollen wir da nur reinkommen?" fragte Elizabeta erstaunt. Ach ja, stimmt ja. Das hier war ja kein Gartentürchen, das man einfach so aufmachen konnte. Das war wirklich ein Problem.

"Kein Problem, ihr könnt froh sein, dass der Herzog ein Trottel ist." Fragend sahen sie Gupta an, der einfach auf das goldene Tor zuschritt und es mit Leichtigkeit aufdrückte.

Eigentlich hatte Ludwig ein lautes Scharren erwartet, wenn die Flügel der Tür über den Boden kratzen, doch sie gingen einfach auf, wie ein... Gartentürchen. Nicht mal ein Quietschen.
 

"D-Das glaub ich jetzt nicht...." sagte Vash atemlos. Ludwig konnte auch nicht glauben. Dieser Idiotenherzog ließ seine Schatzkammer unverschlossen? Nicht mal eine Kindersicherung?! Was war denn das für ein vertrauensseliger Narr?

Naja, sie sollten sich nicht beschweren, er hatte ihnen damit alles um einiges erleichtert.

Gupta verschwand schließlich in der halb geöffneten Tür zur Schatzkammer und winkte die anderen dann hinter sich her. Ludwig hatte sich jetzt eigentlich einen Raum vorgestellt, der bis zur Decke mit Goldmünzen, diamantbesetzten Kronen, juwelenschwere Ketten und Truhen, aus denen noch mehr Gold, Silber und Edelsteine quoll.

Doch als er hinter Roderich in die Schatzkammer eintrat, erwartete ihn nur schwere Finsternis. Sofort bekam er ein mulmiges Gefühl und lauschte Angestrengt auf ein verräterisches Geräusch, denn er hatte mal in einem Roman gelesen, dass bei Schätzen immer irgendwelche Fallen ausgelöst wurden. Die alten Ägypter hatten es ja schon vorgemacht und er konnte wirklich gut darauf verzichten von Speeren durchbohrt zu werden oder durch eine sich plötzlich öffnende Falltür zu stürzen, um dort von hungrigen Löwen zerfleischt zu werden.

Aber bevor sich seine Augen richtig an die Dunkelheit gewöhnen konnten, hielt Gupta die schwach flackernde Kerze irgendwo hin und keine Sekunde später, flammten plötzlich im ganzen Raum Feuer auf. Sie brannten ihn imposanten, goldenen Schlangenstatuen und ließ die Schatzkammer in einem warmen Licht erstrahlen.

Gupta kannte sich wirklich verdammt gut im Palast aus...
 

"Da wären wir also, meine Freunde." sagte der Akibaner schließlich und deutete mit einer einladenden Geste um sich.

Es waren zwar keine Berge aus Gold, die sich vor ihnen in dem wirklich großen Saal erwartete, aber der Anblick war nicht minder imponierend. Es erinnerte alles mehr an ein Museum, als an eine Schatzkammer. Dort standen Vitrinen, Regale (der Tradition wegen, wohl nicht von AEKI), Schränke, Podeste und Truhen.

Auf einem Podest mit weinrotem Samtkissen, lag eine einzelne Münze, die wohl sehr wertvoll sein musste.

Dann waren neben den goldenen Schlangenstatuen, die als Beleuchtung dienten, noch andere Skulpturen aus Stein und Marmor, besetzt mit funkelnden Edelsteinen. Anscheinend war der Herzog ein leidenschaftlicher Sammler von allem möglichen, das irgendwie wertvoll erschien.

Es hingen große Gemälde an der Wand und Ludwig erblickte eines, auf der das Gesicht einer Frau zu sehen war, die breit grinste. Ein Schild betitelte das Bild als "Lisa Mona". Was nicht alles als Kunst galt...

Ludwig blickte zu den anderen und sah zu, wie Lili, Sesel und Elizabeta sich mit leuchtenden Augen um eine Vitrine geschart hatten, in der ein einzelner Schuh zu sehen war. Ob er aus Glas oder Diamant war, das vermochte der Blonde nicht zu sagen.

Roderich beäugte einen großen Flügel genauer und strich ehrfürchtig über die Elfenbeintasten. Dass es in dieser Welt auch Musikinstrumente wie Flügel gab, überraschte den Musikliebhaber wohl doch sehr.

Vash schien in Gedanken den Wert von all diesen Gegenständen zu schätzen und sich dann auszumalen, wie er das alles zusammensparen würde. Mit seiner unzimperlichen Art, hatte Antonio das nächstbeste Silberdiadem mit Smaragden von einem Regal genommen und dem puterroten Lovino aufgesetzt. Dann hatte der Kater gelacht und etwas von "princesa" gemurmelt.

Feliciano lief aufgeregt zwischen den teuren Dingen herum und besah sich die Dinge mit großen Augen.

"Ich würde sagen, dein mysteriöses Schwert müsste irgendwo dahinten zu finden sein." sagte plötzlich Gupta neben Ludwig und deutete auf die hinterste Ecke des Raumes. "Ich erinnere mich zumindest, ein Schwert dort hinten gesehen zu haben, bei meinem letzten Besuch... Neben der silbernen Schreibfeder."

Ludwig sah den Akibaner nachdenklich an, nickte dann aber und schritt durch die Kammer. Elizabeta sah auf und bemerkte den ernsten Blick des Deutschen und bedeutete ihren beiden Freundinnen, dass sie mitkommen sollten. Wie ein zeremonieller Zug liefen die anderen hinter Ludwig her, der sich seine Aufregung nicht anmerken lassen wollte. Was erwartete ihn wohl im hintersten Eck der Kammer? Ein mächtiges Schwert, mit dem er vielleicht Ivan sogar selbst niederstrecken konnte?

Der Gedanke behagte ihm nicht ganz, dass beseitigen des grausamen Königs wollte er lieber dem anderen König überlassen. Aber wenn es nicht anders ging, so würde Ludwig auch nicht zögern, die Klinge niedersausen zu lassen, er kannte seine Pflichten. Schon allein wenn er Gilbert damit retten konnte.

Aber darüber sollte er jetzt nicht nachdenken, immerhin gab es da draußen ja noch einen "wahren König" der nur auf seinen glanzvollen Auftritt wartete.
 

Die zehn Freunde bewegten sich auf das Regal zu und Ludwig konnte schon das Silber der Schreibfeder aufblitzen sehen. Gleich würde er einen Teil seiner Bestimmung finden...!

Erwartungsvoll blieb er vor dem dunklen Ebenholzregal stehen und er sah die silberne Feder. Daneben stand zum einen eine kleine Figur aus Smaragd und auf der anderen Seite lag....
 

Ein Stock. Ein knorriger, alter, vergammelter Stock.

"Was ist das?" fragte Ludwig und besah das altersschwache Stück Holz näher.

"Das sieht aus wie Brennholz." stellte Vash nüchtern fest und stellte sich mit kritischem Blick neben Ludwig.

"Also in meinem Würfel sah das aber nicht so aus..." meinte auch Sesel und berührte den vielleicht 1,20m langen Holzstab, der eigentlich nur Platz wegnahm.

"Ist das dein ernst?" wandte sich nun Ludwig an Gupta, der sich etwas ratlos den Kopf kratze.

"Das letzte Mal war das ein Schwert..." murmelte der junge Mann und rückte sein Kopftuch zurecht.

"Vielleicht... Vielleicht musst du ja irgendwas besonderes machen?" überlegte Elizabeta laut. "Du weißt schon, es berühren und dann beginnt es episch zu leuchten und verwandelt sich in ein Schwert..."

"Der Müll sieht eher so aus, als würde er auseinanderfallen, wenn ich ihn nur berühre..." knurrte Ludwig.

"Am besten wir nehmen es einfach mal mit und sehen uns dann noch etwas um." meinte nun Roderich. Die anderen nickten zustimmend und Ludwig griff nach dem Stück Brennholz.
 

"NICHTS WERDET IHR TUN!" tönte plötzlich eine tiefe Stimme durch die Schatzkammer und ließ die Krimm Brüder zusammenfahren, während Antonio vor Schreck ein leises Fauchen ausstieß.

Erschrocken drehten sich die Freunde um und fanden sich gegenüber dem aufgebrachten Herzog und zwei seiner Wachen wieder. Er hatte einen blutroten Turban auf dem Kopf, sein Gesicht wurde von einer weißen Maske verdeckt und sein Kinn bedeckten einige Bartstoppel, die aber nicht ungepflegt wirkten, sondern ihn eher... männlicher erscheinen ließen. Er machte einen bedrohlichen Eindruck, doch sein Gesamtbild wurde durch den weißen Frotteebademantel und den roten Pantoffeln zerstört. So sah also ein aus dem Bett geworfener Herzog aus.

Leider waren die beiden schwarzgekleideten Wachen umso beängstigender und sofort hatten Vash, Ludwig, Roderich und Antonio die anderen hinter sich geschoben.

"Wer seid ihr und was macht ihr hier?" fragte der Herzog noch einmal mit drohender Stimme und die Wachen ließen ihre Säbel aufblitzen. Ludwigs Mund wurde trocken und er versuchte die richtigen Worte zu finden, als er spürte, wie er zur Seite geschoben wurde und zwischen ihm und Antonio sich Gupta durchzwängte.

"Komm mal wieder runter..." meinte der Kleinere mit einem undurchdringbaren Gesichtsausdruck und stellte sich vor den Herzog. Dieser schien kurz innezuhalten, dann klappte ihm der Kinnladen hinunter und er fragte mit fassungsloser Stimme: "Gupta?! Was soll das alles?!"

Jetzt waren auch die anderen verwirrt und jedem stand ein fettes Fragezeichen im Gesicht.

"Ihr kennt euch?" fragte Elizabeta und drängte sich nun an Roderich vorbei und baute sich vor ihnen auf.

"Natürlich. Er ist doch mein Bruder." erwiderte Gupta und tat so als wäre das selbstverständlich. Für einen kurzen Moment war es ruhig, doch dann fingen plötzlich alle gleichzeitig an zu reden. Sogar die zwei Wachen schienen sich zu unterhalten, aber eher über etwas komplett anderes, denn der eine sprach von einem Theaterstück, dass jeden Abend fortgesetzt wurde, es nannte sich "Schlechte Zeiten und noch viel schlechtere Zeiten."

Der Herzog schien auf Gupta einzureden, doch dieser ignorierte ihn beinahe vollkommen, Lovino schrie gleichzeitig Feliciano und Antonio an, während Elizabeta wilde Verschwörungstheorien aufstellte, die von Sesel tatkräftig unterstützt wurden. Es war ein heilloses Durcheinander und schon bald platzte Ludwig der Kragen und er brüllte in seiner besten Manier: "RUHE!!"

Augenblicklich wurde es ruhig und alle Blicke richteten sich auf den Blonden. Die Wachen hatten ihre Säbel mittlerweile sinken lassen und der Herzog schien auch nicht mehr von einer unmittelbaren Gefahr auszugehen, da die neun anderen Amateureinbrecher in Begleitung seines kleinen Bruders waren.

Ludwig schloss kurz die Augen, atmete tief ein und ordnete die Fakten in seinem Kopf.

"Gupta, hast du uns in eine Falle geführt, damit wir direkt in die Arme des Herzogs laufen?" fragte er schließlich bemüht ruhig.

"Wieso hätte ich das tun sollen?" stellte dieser sofort die Gegenfrage.

"Oh ich weiß nicht, vielleicht weil der Herzog ein Untergebener des Königs ist, den wir zufällig aus dem Weg räumen wollen?" mischte sich Roderich mit sarkastischer Stimme ein.

"Ihr wollt den König stürzen?" fragte der Herzog mit seiner tiefen Stimme nach und die anderen besahen Roderich mit einem bösen Blick. Hätte er doch nur seine Klappe gehalten!

"Wenn er euer Ziel ist, was macht ihr dann in meiner Schatzkammer?" fragte der Herzog weiter und man konnte den scharfen Blick aus seinen gut versteckten Augen spüren. Sie lagen verborgen hinter der weißen Maske.

"Wieso sollten wir unsere Beweggründe Euch erklären?" schoss Ludwig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie saßen ganz schön in der Klemme, aber sie durften keine Schwäche zeigen.

Im Nachhinein war es doch wohl klar gewesen, dass mit Gupta etwas nicht stimmte, wieso sollte sich ein Straßendieb so gut im Palast auskennen und den Namen von der 56. Frau kennen?
 

Plötzlich veränderte sich etwas an dem Herzog und schließlich begann er dröhnend loszulachen. Was war denn jetzt los?

"Wieso ich eure Beweggründe kennen sollte? Vielleicht weil das hier mein Reich ist und ich euch somit helfen könnte?"

Überrascht und verwirrt sahen die Freunde den Herzog an. Hatten sie das gerade richtig verstanden? Helfen? Er? Ihnen?

"W-Wieso...?" brachte Ludwig nur heraus.

"Was wieso? Wieso ich euch helfen sollte?" hakte der Herzog nach und machte einen Schritt auf Ludwig zu. Dieser nickte nur als Antwort.

"Das ist doch wohl klar! Die Feinde meines Feindes sind meine Freunde! Ihr wollt doch dieses Gör von einem König stürzen, oder? Dieses hochmütige Balg geht mir schon lange auf den Keks!" Die Stimme des Herzoges bekam etwas wütend Leidenschaftliches und er ballte seine rechte Hand zu einer Faust. Anscheinend war da jemand in seinem Stolz gekränkt worden, von diesem sogenannten "Balg."

Antonio und Elizabeta sahen sich überrascht an. "Wir dachten der Herzog von Akiba ist ein treuer Untergebener des Königs..." sagte Elizabeta schließlich und sah den Mann im Frotteebademantel fragend an. Dieser gab ein verächtliches Geräusch von sich und antwortete: "Das war vielleicht zu meines Vaters Zeiten so gewesen und als der alte Herrscher noch auf dem Thron saß, aber dieser verzogene Bastard ist eine Zumutung! Da würde ich lieber meine 23. Frau auf dem Thron sitzen sehen und die ist so dumm wie Brot!" Aufgeregt fuchtelte der Herzog herum und redete sich selbst in Rage.

Er schien aber keine sehr hohe Meinung von Frau Nummer 23 zu haben.

"Mein Herr, so beruhigt euch doch, denkt an euren Blutdruck." raunte die eine Wache ihrem Herzog zu. Dieser atmete einmal tief durch und beruhigte sich schließlich tatsächlich ein wenig.

"Tut mir leid, aber ich vergesse mich manchmal. Was ich euch eigentlich sagen wollte: Wenn ihr den König entmachten wollt, so biete ich euch gerne meine Hilfe an."
 

Für Ludwig ging das jetzt alles etwas schnell, vor wenigen Augenblicken waren sie noch Diebe, die dem Herzog von Akiba ein wertvolles Relikt stehlen wollten und plötzlich schienen sie Verbündete zu sein, weil Ivan den guten Herzog wohl etwas zusammengestaucht hatte.

"Entschuldigt, aber das kommt alles etwas plötzlich." meinte auch Elizabeta und sah den Herzog immer noch etwas skeptisch an.

"Findet ihr? Nun ja ihr habt vielleicht recht. Wie wäre es, wenn ich euch zu einem späten Abendessen oder frühen Frühstück einlade? Ihr seid nun meine Gäste und was für ein Gastgeber wäre ich, wenn ich euch in Ketten abführen lassen würde? Zudem seid ihr mit meinem kleinen Bruder hier aufgetaucht, also seid ihr nun Freunde."

Der Herzog schien sein Vertrauen aber schnell zu verschenken, ein Wunder dass er solange überlebt hatte.

"Veeeh~ Also ich habe Hunger." meldete sich schließlich Feliciano zu Wort und damit war die Sache beschlossen.
 

Wenig später saßen sie alle in einem großen Saal und unzählige Diener wuselten um sie herum.

Sie hatten um einen langen, niedrigen Tisch platz genommen und versanken fast in den weichen Kissen, die als Sitzpolster dienten. Der Raum war mit Tüchern in allen Farben verhangen, der süßliche Duft von Weihrauch und anderem Gerüchen lag in der Luft und der Tisch wurde in Windeseile mit allen möglichen Speisen, Getränken und anderem unnützen Kram gedeckt.

Der Herzog hatte sich mittlerweile umgezogen und trug nun eine weiße Hose, mit einem roten Mantel darüber, der mit goldenen Verzierungen bestückt war. So machte er schon einen viel ... mächtigeren Eindruck.

Er sah seinen Dienern eine Zeit lang zu, dann klatsche er aber zweimal in die Hände und die Diener verschwanden sofort.

Ohne das Geklapper des Geschirrs und dem herum Gerenne der Bediensteten war es plötzlich viel zu leise. Außer ihnen und dem Herzog waren noch die beiden Wachen von vorhin im Raum und hatten ihre Stellung vor der Tür bezogen.

"Nun, meine lieben Gäste, greift tüchtig zu!" lud der Herzog sie ein und nahm sich selbst einen klebrig aussehenden Würfel, der schon allein vom Ansehen her Diabetes auslöste. Mit einem genüsslichen Seufzer schob der Herzog den ganzen Würfel in den Mund und kaute darauf herum, als wäre es ein Stück Brot und keine kariesauslösende Todesfalle.

"Es geht doch nichts über diesen Honig!" rief er aus und zwinkerte Feliciano zu, der neben Ludwig saß. "Na, junges Fräulein, willst du nicht mal probieren?" Er reichte ihr - äh IHM - den Teller mit den zuckrigen Würfeln und Feliciano, der sich an der unangebrachten Anrede nicht zu stören schien, nahm davon.

Unwillkürlich packte Ludwig den Beschützerinstinkt, denn der Herzog schien ein erfolgreicher Schürzenjäger zu sein, wie man anhand seiner mindestens 56 Frauen sehen konnte und da Feliciano gerade alles andere als männlich aussah, herrschte Aufklärungsbedarf, aber wie sollte er das jetzt erklären?
 

"Darf ich fragen, wie ihr alle denn heißt und wie ihr meinen Bruder kennen gelernt habt?" fragte der Herzog weiter und schob sich noch einen Honigwürfel in den Mund. Er schien eigentlich ganz nett zu sein... Aber trotzdem! Sie konnten diesem Kerl hinter der Maske nicht trauen!

Elizabeta räusperte sich und setzte an: "Nun, sehr geehrter Herzog, ich-"

"Bitte, nennt mich doch Sadiq! Ich fühle mich immer so alt, wenn man mich mit diesem verstaubten Titel anspricht!" unterbrach der Herzog sie und lachte einmal auf.

"Du bist doch auch ein alter Knacker im Vergleich zu uns." erwiderte Gupta daraufhin und Sesel unterdrückte ein Lachen. Sie hatte anscheinend kein Problem damit, dass Gupta sie angelogen hatte und hatte sich gleich neben ihn gesetzt. Die beiden schienen sich auch sehr gut zu verstehen.

Bevor aber Sadiq etwas darauf sagen oder Elizabeta fortfahren konnte, mischte sich Ludwig ein und seine Stimme war von Misstrauen durchzogen. "Woher wissen wir, dass wir Euch trauen können? Vielleicht tut Ihr ja nur so, als würdet Ihr den König hassen und in Wirklichkeit wollt Ihr uns ihm ausliefern!"

Vash nickte bekräftigend, auch er war dem Herzog gegenüber mehr als nur misstrauisch, wogegen die anderen ihre Skepsis anscheinend abgelegt hatten. Und das nur weil er sie zum Essen eingeladen hatte. (Seine Bedenken hielten Vash übrigens nicht davon ab, ordentlich zuzuschlagen.)
 

"Er könnte als Vertrauensbeweis die Maske abnehmen." kam es sofort von Gupta. "Er zeigt sein Gesicht nie in der Öffentlichkeit, damit er ungesehen durch die Straßen wandeln kann und keine Angst vor Attentäter haben muss."

Man konnte sehen, dass Sadiq von der Idee wenig begeistert war, aber dann blickte er in die stoischen Mienen von Roderich, Vash und Ludwig (die anderen grinsten entweder dümmlich oder interessierten sich überhaupt nicht für das Geschehen, so wie Lovino) und seufzte ergeben.

"Eure Pläne sagen mir wirklich zu und ich würde gerne mehr davon erfahren, also bitteschön. Aber danach müsst ihr mir alles uneingeschränkt mitteilen, damit ich euch helfen kann, diesen," er knirschte wütend mit den Zähnen, "arroganten Bastard endlich loszuwerden!"

Ludwig dachte kurz nach und tauschte Blicke mit den anderen aus, ob sie das wirklich riskieren sollten, aber die anderen, selbst Vash und Roderich, schienen einverstanden zu sein.

"In Ordnung." sagte Ludwig dann zu Sadiq.

Dieser nickte und schien schon fast in Zeitlupe seine braungebrannte Hand zu der weißen Maske in seinem Gesicht zu führen. Es fehlte nur noch die spannungsgeladene Musik im Hintergrund und man könnte meinen, man würde einen Film sehen, der gerade einen entscheidenden Wendepunkt erlebte. Wie gebannt sahen die neun zu dem Herzog, der sich die Maske langsam aus dem Gesicht zog und schließlich neben sich auf den Tisch legte.
 

Unter der Maske kam das Unspektakulärste raus, was Ludwig sich vorstellen konnte.

Er hatte an einen entstellten oder wunderschönen Mann gedacht, sogar dass eine Frau zum Vorschein kam, aber es war nur ein normaler Kerl. Er war nicht hässlich, aber auch kein Adonis.

Seine Augen strahlten jedoch ein warmes Braun aus und ließ seine bedrohliche Aura auf ein Minimum schrumpfen. Er war vielleicht Ende zwanzig, höchstens Anfang dreißig.

"Tja, jetzt kennt ihr mich." sagte Sadiq in die Stille hinein, die sich aufgebaut hatte. "Also, jetzt seid ihr an der Reihe."

Ludwig straffte sich. Er fand die Idee mittlerweile gar nicht mehr so schlecht und was hatte Sesel noch gleich gesagt?

Mit dem Schwert wirst du mächtige Verbündete treffen.

Zwar hatte er das Schwert noch nicht, aber Sadiq schien ein mächtiger Verbündeter zu sein.

Und so rollte Ludwig wieder die ganze Geschichte von vorne auf. Er begann von Lilis Begegnung mit Francis, erzählte von dem Gedicht in dem Buch, Gilberts Verschwinden und was sie bisher erlebt hatten.

Sesel und Gupta die die komplette Ausführung der Geschichte auch noch nicht kannten, hingen wie der Herzog gebannt an Ludwigs Lippen, auch wenn diesem es etwas an Erzählerfähigkeiten mangelte. Es hatte mehr was von einer Berichtserstattung eines Soldaten. Schließlich endete er mit dem was Sesel in ihrem Würfel gesehen hatte und wie sie anschließend Gupta getroffen hatten.

"Im Nachhinein hätten wir uns natürlich eine Menge Ärger ersparen können, wenn Gupta uns einfach durch den Vordereingang reingebracht hätte." bemerkte Ludwig noch mit einem vielsagenden Blick auf den jungen Adligen. Dieser schüttelte nur den Kopf und erwiderte: "So habt ihr diese Erfahrung immerhin auch machen können."

Ärgerlich verzog Ludwig den Mund. Sie taten das alles ja nicht zum Spaß! Es hätte ihnen viel Zeit erspart und in dieser verschwendeten Zeit hatte dieser geisteskranke König sonst was mit seinem Bruder anstellen können!

"Das klingt ja alles sehr aufregend!" rief Sadiq und lehnte sich nachdenklich in seinen Kissenberg zurück. "Ich frage mich zwar, ob ich einen König haben möchte der so was hat, aber wenigstens dürfte er damit leicht zu finden sein. Was deinen Bruder angeht," er blickte zu Ludwig, "da könnte ich einiges in Erfahrung bringen, schließlich habe ich noch genug Einfluss am Hofe des Königs."

Ludwigs Miene hellte sich ein bisschen auf, ebenso die der anderen, die zumindest Gilbert kannten.

"Aber das dürfte einige Zeit dauern und ihr müsst schleunigst weiter, nicht?" Sadiq klatschte plötzlich in die Hände und erhob sich. "Dann dürfen wir keine Zeit verlieren und ich führe euch am besten jetzt zu diesem Schwert."

Eilig kämpften sich auch die anderen aus dem Kissenmeer und Sadiq führte sie zurück zur Schatzkammer.

Das Schlusslicht bildeten wieder die "Schlechte Zeiten und noch viel schlechtere Zeiten"-Wachen. Lovino warf den düsteren Zeitgenossen einige giftige Blicke zu, als er bemerkte wie sie auf den aufgeregt zuckenden Katzenschwanz seines Antonios starrten.
 

In der Schatzkammer führte sie der Herzog in eine komplett andere Richtung, als zu dem krüppeligen alten Stock.

"Ich habe erst letzte Woche umgeräumt daher ist das Schwert nicht mehr bei der silbernen Schreibfeder, sondern wurde zu der Wunderlampe gelegt. Übrigens," er drehte sich halb zu den Freunden und seinem kleinen Bruder um, "dieses sogenannte Brennholz, wie ihr es genannt habt, ist ein heiliges Familienrelikt und hat schon in vielen Schlachten gekämpft."

Betreten sahen sie sich an. Das war jetzt irgendwie peinlich. Aber wie sollte so ein steinzeitlicher Stock bitte in Schlachten kämpfen?
 

Sadiq führte sie auf ein goldenes Podest zu, auf dem etwas stand, dass wie eine kleine goldene Teekanne aussah. An dem Podest war ein Messingschild angebracht, auf dem Wunderlampe - Bitte nicht reiben! stand.

Vor einer großen Glasvitrine blieb der Herzog dann stehen und drehte sich zu den anderen um. "Hier sind wir. Tut euch keinen Zwang an, es liegt in der Vitrine."

Ludwig sah zu den anderen und Elizabeta lächelte ihn aufmunternd an. "Geh du als Erster. Es ist schließlich dein Schwert." Die anderen nickten und der Deutsche wandte sich daraufhin an Sesel: "Würdest du es mit mir ansehen?"

Die Wahrsagerin schien außer sich zu sein und strahlte ihn an. Sadiq machte ihnen Platz und die beiden traten näher an die Vitrine und sahen hinein. Zum ersten Mal, seit Ludwig in dieser Welt gelandet war, wirkte etwas, so wie es sollte.

Das Schwert sah aus wie die mittelalterlichen Ritterschwerter, nur sehr viel schöner. Es war komplett aus Silber gegossen und in dem Griff war ein großer Saphir eingelassen. Ludwig beugte sich etwas herunter, um zu lesen was in die Klinge eingraviert war. Dort stand: Der Tapfere mit dem Löwenherz

"Das ist es!" rief plötzlich Sesel neben ihm aufgeregt. "Siehst du die Gravur?"

Plötzlich drängten sich alle um die Glasvitrine und starrten das Schwert wie den heiligen Gral an.

"Holt es raus! Vielleicht passiert ja was, wenn Ludwig es in der Hand hält!" drängte Elizabeta und krallte sich vor Aufregung in Roderichs Arm, der vor Schmerz leicht sein Gesicht verzog. Woher hatte diese Frau nur ihre Stärke?

"Ich mach ja schon!" sagte Sadiq und wirkte plötzlich wie die anderen, total aufgekratzt. Er nestelte an seinem Kragen herum und holte schließlich eine Kette hervor, an der ein Schlüssel hing. Mit einem leisen Klicken öffnete er die Vitrine und alle sahen Ludwig erwartungsvoll an.

"Jaja, erwartet jetzt aber bloß kein Wunder." murmelte der Blonde und griff in die Vitrine.

Das Schwert fühlte sich nicht wie erwartet kühl an, sondern war seltsamerweise warm. Irgendwie gruselig, wie Ludwig fand, aber nichtsdestotrotz holte er es heraus und hielt es in die Höhe. Die anderen sahen es mit großen Augen an und Ludwig kam nicht umhin, sich ein kleines bisschen... cool zu fühlen.

Wäre Gilbert hier gewesen, so hätte er Ludwig sicherlich ausgelacht, ihm das Schwert entrissen und so getan, als würde er ihn niederstrecken. Aber Gilbert war nicht hier.

Etwas betrübt ließ Ludwig das Schwert wieder sinken, bis Feliciano sich an seinen Arm hing und aufgeregt zu schnattern anfing: "Luddi, Luddi! Schau mal, das Schwert kann schreiben!" Verwirrt sahen die anderen den aufgeregt Italiener an, der wild fuchtelnd auf das Schwert deutete. Und tatsächlich konnte man gerade noch sehen, wie von Geisterhand die letzten Buchstaben von Ludwigs Namen sich in der Klinge verewigten. Nun stand dort:

Ludwig ~ Der Tapfere mit dem Löwenherz
 

"Dann ist es ja wohl Eindeutig. Das ist dein Schwert." sagte Sadiq und klopfte Ludwig auf die Schulter. "Ich überlasse es dir, aber nur unter einer Bedingung."

Misstrauisch sah Ludwig zu dem Herzog, ebenso wie die anderen.

"Du darfst es mitnehmen, wenn du mir versprichst diesen "wahren König" zu finden und endlich diese Welt von diesem narzisstischen Gernegroß befreist!" Er sah Ludwig fest in die Augen und der Deutsche nickte. "Das ist unser Ziel!"

Zufrieden nickte Sadiq, bis ihm plötzlich etwas einzufallen schien.
 

"Ich glaube ich weiß, wie ihr diesen verschwundenen König finden könnt!"

Sofort waren alle Blicke auf den Herzog gerichtet. "Um Gottes Willen, wie?!" fragte Roderich ungeduldig. Warum konnten die nicht alles sofort mit der Sprache herausrücken?!

"Ihr wisst doch wie euer König aussieht, also braucht ihr nur jemanden, der so ziemlich jeden in Ninsoare Lume kennt." Der Herzog legte eine kleine Kunstpause ein, bei der er aber nur ungeduldige Blicke erntete, selbst seine Wachen schienen ungehalten. "Ihr müsst zu dem Postboten."

"Der Postbote?" fragten alle wie aus einem Mund.

"Briefe werden normalerweise ja von den Eulen überbracht, aber die großen Pakete liefert der Postbote." erklärte Sadiq. "Habt ihr denn noch nie ein Paket bestellt?"

"Dazu fehlt uns leider das nötige Kleingeld." antwortete Elizabeta. Sadiq nickte darauf wissend. Ein Packet zu bekommen, konnte verdammt teuer sein, das wusste sogar Lovino. Er verschwieg es zwar seinem kleinen Bruder, aber er bestellte sich jeden Monat eine Kiste Tomaten aus Akiba. Aber wer die lieferte war ihm eigentlich egal.

"Wo finden wir diesen Postboten?" fragte nun Vash nach.

"Ah, der wohnt auf der Insel des Riesen. Er dürfte so ziemlich jeden Menschen in Ninsoare Lume kennen, denn der "Tinos Express" ist die schnellste Möglichkeit etwas zu bekommen."

"Was?! Die Insel des Riesen? Die ist doch noch einmal zwei Seereisetage entfernt!" stöhnte Elizabeta auf. "Wie sollen wir da nur wieder hinkommen?"

Insel des Riesen? Irgendwie sagte das Ludwig etwas. Zum Glück war er immer sehr ordentlich, so glichen seine Erinnerungen und Gedanken mehr einem Aktenschrank, den man alphabetisch durchsuchen konnte. Keine Sekunde später machte es klick bei ihm.

"Natürlich, die Insel des Riesen! Dort wollte Matthias nach seinem Aufenthalt in Akiba hin! Dort lebt dieser AEKIA-Möbel-Riese!" fiel es Ludwig wieder ein.

"Ja in der Tat... Der AEKI-Riese..." Sadiqs Gesichtsausdruck bekam etwas Verträumtes.

"Wann wollte Matthias denn abfahren?" fragte Elizabeta schnell nach.

"Nicht vor morgen früh." entgegnete Ludwig. "Wie müssen ihn dann sofort aufsuchen und um Hilfe bitten."

Zustimmend murmelten die anderen und Lili freute sich insgeheim den aufgedrehten Kapitän und seinen mysteriösen Freund Noah wiederzusehen.
 

"Nun, wenn das so ist, dann dürft ihr gerne solange hier bleiben, bis ihr aufbrechen wollt, aber ich bezweifle, dass es sich jetzt noch lohnt zu schlafen." meinte Sadiq zu ihnen. Die Freunde konnten jetzt auch überhaupt nicht an Schlaf denken, viel zu aufgedreht waren sie über die vielen neuen Informationen und Ereignisse.

"Ich weiß! Ich werde euch für die restliche Nacht noch unterhalten! Was mögt ihr? Musik? Spiele? Essen?" fragte Sadiq und schien sich wie ein Kind zu freuen. In dieser Welt schienen die wichtigen Adligen gut und gerne Kindsköpfe zu sein.
 

Jetzt meldete sich Lili etwas verschüchtert zu Wort und sagte mit einem Blick zu dem Flügel in der Schatzkammer: "Ich würde gerne Roderich hören, wie er uns etwas vorspielt."

Roderich rückte seine Brille zurecht und erwiderte: "Aber Lili! Das ist doch unhöflich!"

"Nicht doch! Du spielst Klavier?" fragte Sadiq und deutete auf den schönen Flügel.

"Nun ich spiele recht passabel." meinte Roderich in gespielter Bescheidenheit.

"Das ist ja toll!" meinte der Herzog begeistert und ehe sich der Brillenträger versah, saß er vor dem Flügel und Sadiq bedeutete ihm etwas Schnelles zu spielen.

Roderich strich erst über die Elfenbeintasten, ehe er dann plötzlich loslegte und in die Tasten haute. Die Schatzkammer war erfüllt von einer schnellen Melodie und die, die Roderichs Talent noch nicht kannten waren nicht schlecht erstaunt.

Seine Finger flogen förmlich über die Tasten und Sadiq fing an mitzusummen. Das Lied gefiel ihm wirklich sehr. Elizabeta trat hinter Roderich und sah zu, wie er konzentriert spielte, es war ein angenehmer Anblick, wie die junge Frau feststellte. Sie liebte die Musik!

Antonio packte Lovino an der Hand und wirbelte den kleinen Italiener durch den Raum, während Feliciano aufgeregt an Ludwigs Arm zog und auch herumtanzen wollte.

Nachdem Roderich geendet hatte fragte Sadiq: "Wie heißt dieses Stück und von wem ist es?"

"Es ist von Mozart und nennt sich Türkischer Marsch." antwortete Roderich.

"Ich habe keine Ahnung wer oder was Mozart oder Türkisch ist, aber es klingt wirklich vortrefflich! Würdest du es noch einmal spielen?"

Roderich nickte nur und antwortete knapp: "Sicher." Und schon legte er wieder los.

Jetzt begann auch Lili ihren Bruder lachend im Kreis zu drehen. Sogar Gupta ließ sich mitreißen von Sesel und Sadiq forderte Elizabeta zu einem Tänzchen auf. Selbst die beiden Wachen tippten mit ihren Füßen im Takt und eigentlich sah das alles mehr wie ein heilloses Durcheinander aus, als tanzen, aber vielleicht war es das, was die Freunde jetzt brauchten. In den letzten Tagen waren sie einfach nur herumgeirrt, auf der Suche nach Informationen, waren dem ständigen Stress ausgesetzt gewesen, so tat es mal ganz gut, einfach nur albern zu sein.

Ab Morgen würde wieder genug auf sie zukommen, das wussten sie jetzt schon.



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