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Tier

Die Ohnmacht unserer Gesellschaft
von

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Hilf...

Steril.

Verschluckend...

...grün gefliest.
 

„Hilf mir… Bitte… Rette mich! Hilf mir! Rette mich vor ihm!“, verzweifelt gruben dürre Finger sich in den blauweiß gestreiften Stoff meines Pullovers.

Ich war entsetzt.

Angeekelt und berührt zugleich, als ich in das Gesicht dieser bemitleidenswerten Kreatur blickte.

Seine Augen waren offenbar so gut wie blind, von zähem Schleim überzogenen.

Cremefarbenen Pupillen zitterten, fixierten mich jedoch fest.

Vielleicht…sah er doch?

Eine klaffende Wunde zog sich über das Nasenbein, welches noch viele weitere Einstiche vorzuweisen hatte. Die Lippen waren aufgerissen, die untere in der Mitte gespalten, blutete – trotz der bereits gebildeten Kruste darauf – beständig.

Zudem zitterte sie, als er die Worte wiederholte, sie mir nur noch entgegen hauchte.

Es schien, als verliere er langsam die Hoffnung.

Das lange, fettige Haar hing strähnig hinab. Eine halbe Seite war unachtsam abrasiert und gab einen Blick auf seinen kahlen, zerstochenen Schädel frei.

An seinem gesamten Körper waren tiefe Wunden und Einstiche, sowie eine Vielzahl von Kabeln zu erkennen.

Wo sie zusammen liefen, vermochte ich nicht zu sagen.

Drei Finger fehlten ihm ganz.

Ich sah es, da seine geschundene, adrige Hand sich noch immer haltsuchend fest krallte.

„Bitte… hilf mir doch…“, wisperte er mir wieder leise entgegen.

Mein Blick hing fest auf seinem zermatterten Körper, ich war unfähig etwas zu tun.

Blut sickerte durch den wenigen Stoff der zerrissenen Zwangsjacke.
 

Hier und dort schaute ein Kabel hervor.
 

Er sprach so schnell, dass in der Tat erst wenige Sekunden vergangen waren.

Und langsam näherten sich Schritte…

Schritt. Um. Schritt. Um. Schritt...

Verzweifelt schluchzend sackte er etwas zusammen, presste seine Spinnenfinger nur noch tiefer in den Stoff meines Oberteils und drückte sein Gesicht zitternd an meine Brust.

Er weinte...so ehrlich, so ergreifend real.

Als flöge seine Seele mit jedem Schluchzen aus dem Körper.

Aber keiner schien ihn zu hören.

Gerade wollte ich antworten, hob die Hand…unschlüssig, ob ich sie ihm auf den Rücken legen sollte - oder nicht - als auch schon ER näher kam.

Mit einer freudig ausladenden Bewegung, belobigte er mich, dass ich den „Ausreißer“ gefangen hatte.

Und sogleich griff er brutal nach ihm, zog ihn zu sich.

Dieser junge, widerliche und beklemmende Mann wurde von mir gezogen und noch immer rann kein Wort über meine Lippen.

„NEIN!“, wollte ich schreien.
 

Doch ich tat es nicht.
 

“Nein! Lassen sie ihn in Ruhe! Lassen sie ihn los!“

...wollte ich rufen.
 

Und tat nichts.
 

Eigentlich wollte ich ihn fassen, zurückziehen, ihn fest halten, doch bewegte mein Körper sich nicht.

Nun doch.

Ich nickte nur.

ER sagte, ich würde für die Ergreifung eine Belohnung erhalten und mich wohl noch gut in diesem Gewerbe machen.
 

Ich sagte nichts.
 

Alles was ich tat war, den beiden nach zu sehen.

Ein letztes Mal wand der Junge sich zu mir um, ich konnte in seinem schmerzverzerrten Gesicht deutliche Hilflosigkeit erkennen.
 

Nie werde ich den vorwurfsvollen, enttäuschten Blick in seinen toten, tränennassen Augen vergessen.

Dann wurde er weggeführt...und ich...

Ich sah ihn nie mehr wieder.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lydra
2012-01-27T16:30:40+00:00 27.01.2012 17:30
Hallooooo :)
Also, deine Story hat bei meinem Wettbewerb den geteilten 3. Platz gemacht und das zu recht:
- Du übst eine Kritik aus, die zwar ziemlich hart ist, aber wahr.
- Du schreibst das in einem klasse stil *________*
- du hast die Hoffnungslosigkeit des Jungens perfekt beschieben!
- einfach klasse Ende, traurig, aber klasse :)

Lydra :) - aso, Favo bekommste natürlich auch :)


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