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Freezing black soul - still survive

von

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To get kidnapped

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

The Unkown

Chap 2
 

The Unknown
 

„Ach du scheiße. Wer hatt’n da versucht, Silent den Schädel einzuschlagen?“

Tom stand mit Tsu und Oberkommissar Latour vor Georgs Krankenbett und staunte nicht schlecht. In den drei Jahren die er mir Silent zusammen arbeitete hatte er ihn noch nie so verletzt und schlichtweg ausgeknockt gesehen.
 

Gustav hatte Georg von dem alten Fabrikgelände weggeschleift, in ein Taxi gesetzt und dem Fahrer gesagt, er soll ihn ins Krankenhaus bringen.

Und gegen ein nicht gerade kleines „Trinkgeld“ war der Fahrer sogar bereit der Polizei und auch sämtlichen anderen Menschen Berlins gegenüber Stillschweigen zu bewahren. Er solle im Krankenhaus sagen dass er Georg schwerverletzt irgendwo aufgelesen habe.

Durch den ‚Zwischenfall‘ aufgrund Fjodorows Widerstand, der dummerweise mit dem Tod des Russen endete, hatte Gustav keine Chance seinen Wagen zu entsorgen.

Wenn er Glück hatte, dann würde der Pannendienst seinen Wagen vielleicht noch rechtzeitig abgeschleppt haben, bevor die Helferlein Fjodorows aufgewacht waren und bemerkten, dass ihr Chef, blöderweise praktisch in ihrem Beisein, erschossen wurde.

Wenn nicht, dann hatten Marc und er ein verdammt großes Problem.

Gustav selbst würde das nicht sonderlich stören. Denn was würde es schon ausmachen, wenn sie ihn in der Spree versenken würden?

Für Marc jedoch wollte er dieses Schicksal nicht. Er wollte, dass Marc sich von ihm trennt und mit einem anderen Mann richtig glücklich wurde.

Nur Marc hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht den Mann, den er von ganzem Herzen liebte, wieder ins reale Leben zurück zu holen.
 


 

„Es hat ihn wirklich böse erwischt. Ich dachte er wollte nach dem Training direkt nach Hause? Weiß man denn schon irgendwas Genaues?“

Fragend schaute Tsu seinen direkten Vorgesetzten an.

Latour aber schüttelte nur den Kopf und ließ sich seufzend auf einen Stuhl, der neben dem Krankenbett stand, nieder.

„Die Ärzte und auch der Pförtner konnten uns nur mitteilen, dass ein Taxifahrer ihn hierher brachte.

Da Silent so schwer verletzt ist, haben sie sich erst um ihn gekümmert. Und als der Pförtner sich dann wieder dem Fahrer zuwenden wollte, war dieser schon weg.

Wir haben zwar eine Personenbeschreibung, ich befürchte aber, dass diese nicht ausreicht um ihn ausfindig zu machen.

Uns bleibt also nur zu hoffen, dass Silent sich schnell wieder erholt und vor allem dass er noch weiß, was passiert ist.“

Dog drehte dich um und ging zur Zimmertür, öffnete diese, wand sich dan aber noch einmal kurz seinem Vater zu.

„Er erholt sich schnell Sam. Wart's nur ab. Dann treten wir den Wichsern in die Eier. Und wenn ich ganz Berlin nach diesem fucking Bastard von Taxifahrer absuchen muss, damit wir mehr rausbekommen.“

Mit diesen Worten und einem entschlossenen Blick, den seine Kollegen von Tom nur zu gut kannten, verließ er das Zimmer und machte sich auf den Weg.

„Mensch Alter. Jetzt lass dich hier nicht so hängen. Werd' endlich wach. Ansonsten findet Dog die Arschlöcher noch vor dir und lässt dir nichts mehr von ihnen übrig, Silent.“

Bill hockte sich vor Georgs Bett und blickte in sein Gesicht.

Kurz verharrte Tsu in seiner Position, erhob sich aber dann und wollte Tom folgen, da er es nicht ertrug, so tatenlos herumzusitzen, während da draußen Männer frei herumliefen die einen Polizisten, nein die seinen Kollegen und besten Freund, so zugerichtet hatten.

Doch er hatte nicht damit gerechnet, dass Georg das Bewusstsein so schnell wiedererlangte.

„Wenn du kleiner Pisser Tom nun wie 'ne läufige Hündin hinterher rennst, dann aber bitte nur um ihm zu sagen, er soll auf mich warten!“

Schwerfällig versuchte er sich aufzurichten, gab dies aber schnell auf. Silent bat Sam, ihm das Glas Wasser zu reichen. Er trank einen kleinen Schluck, bevor er weiter mit Tsu sprach.

„Eh ich werde echt sickig, wenn ihr mir von Fjodorow nichts mehr übrig lasst!“
 

Bill drehte sich ruckartig zu Silent um und hätte ihn, vor Freude darüber dass er wieder bei Bewusstsein war, beinahe angesprungen, wenn Latour nicht geistesgegenwärtig reagiert und ihn im Sprung noch abgefangen hätte.

„Man Tsu! Jetzt mach mal halblang! Sonst liegt Georg nachher noch im Koma!“

Latour drückte den zeternden Bill auf den Stuhl, auf dem er selbst zuvor gesessen hatte, und befahl ihm, dass er dort sitzen bleiben sollte.

Schon fast bockig wie ein Kleinkind verschränkte Tsu die Arme vor der Brust und schob seine Unterlippe hervor.

Latour setzte sich zu Silent ans Bett.

„Fjodorow? Was hast du mit ihm denn noch zu tun? Hat er dich so zugerichtet? Ich meine, das würde dem Dezernat nun auch erklären, warum Fjodorow heute früh mit einer Kugel zwischen den Augen am Spreeufer gefunden wurde.“

Georgs Augen weiteten sich. Er richtete sich, so gut es ihm möglich war, auf, stützte sich auf seine Ellbogen ab.

Er konnte erst gar nicht glauben, was seine Ohren da vernommen hatten.

Er versuchte gekünstelt aufzulachen, was ihm aber aufgrund der geprellten Rippe und der Gehirnerschütterung nicht wirklich gut bekam.

„Fjodorow hat 'ne Kugel zwischen die Augen bekommen? Wow. Nicht, dass ich ihm nun hinterher traure aber das überrascht mich nun doch ein wenig.

Und ich schwör's dir, dass das nicht mein Werk ist. Auch wenn es mich nun gerade ärgert, dass mir da jemand zuvor gekommen ist.“

Der Oberkommissar sah Georg an, dass sein Hirn auf Hochtouren lief und er versuchte, den gestrigen Abend und dessen Geschehnisse wieder auf die Reihe zu bekommen.

Er berichtete Latour vom vergangenen Abend. Dass Fjodorow und seine Schergen ihn auf dem Heimweg abgefangen hatten, ihn in die alte, verlassene Elektrokeramik-Fabrik verschleppten und ihn dort foltern wollten, was ihnen aber nur zum Teil gelang. Und er sprach auch von einem Mann der ihm geholfen hatte.

„Ich kann mir nur vorstellen, dass er Fjodorow den Gnadenschuss gesetzt hat. Aber so wie er agierte… Sam? Hol‘ den Doc und sag, er soll die Entlassungspapiere fertig machen. Wir müssen aufs Revier und die Beamtenlisten durchgehen. Der Typ war einer von uns, da bin ich mir sicher.“
 


 


 

„Jetzt frag nicht Marc, mach einfach einmal das, was ich dir sage. Vertrau mir, bitte.“

Sichtlich entnervt, jedoch immer noch um Ruhe und Freundlichkeit bemüht versuchte Gustav seinen Freund dazu zu bewegen, Berlin auf unbestimmte Zeit den Rücken zu kehren.

Doch Marc wäre nicht Marc, wenn er nicht wüsste, dass etwas im Argen lag.

„Ich werde nirgendwo hingehen bevor du mir nicht endlich gesagt hast, was hier los ist! Wieso sollte ich zu meiner Tante aufs Land ziehen? Willst du mich etwa loswerden? Das ist es, oder Gustav?“

Zum gefühlten tausendsten Male versuchte der Angesprochene Marc zu überzeugen. Doch Gustav wusste, dass das schier ein unmögliches Unterfangen war, wenn sein Freund nicht wusste, um was es genau ging.

Er ging einen Schritt auf seinen Geliebten zu, legte seine Hände auf dessen Hüfte und zog ihn dicht zu sich, gab ihm einen Kuss auf die Lippen.

„Hör zu Schatz. Du musst für 'ne Weile hier verschwinden weil… Baby, ich bin da an einer Sache dran und… mein Vorgesetzter meinte eben, dass es besser wäre, wenn ich verdeckt ermittle. Und ich kenn‘ dich inzwischen gut genug um zu wissen, dass du trotzdem nachts bei mir auflaufen wirst. Und das würde die Ermittlung gefährden.“

Der junge Polizist hätte sich zu gern innerlich geohrfeigt für diese schlechte Lüge. Doch er betete inständig, dass Marc diese miese Unwahrheit so hinnahm und nicht weiter hinterfragte.

Eine Zeit lang beäugte Marc Gustav kritisch.

Dann sah Gustav etwas in seinen Augen, was ihm das Blut in den Adern gefrieren lies: pure Enttäuschung.

Marc löste sich aus der Umarmung, kehrte seinem Freund den Rücken zu und fing an seinen Koffer zu packen.
 

„Ich hab echt 'ne Menge mit dir durchgemacht, Gustav. Wirklich. Wo ist der junge, liebevolle, blonde Kerl hin in den ich mich vor über acht Jahren Hals über Kopf verliebt habe? Wo ist der Kerl hin, der unsere Beziehung über alles andere gestellt hatte? Gustav, ich war nie eins damit, dass du zur Polizeischule gegangen bist, aber ich habe nichts gesagt, weil das dein Traum war. Ich habe auch nichts gesagt, als deine Eltern starben und du dich voll und ganz um Bastian gekümmert hast und unsere Beziehung außen vor stand. Es war richtig so, denn er war dein kleiner Bruder.

Und wenn wir dann mal Zeit für uns gehabt hätten, warst du bis spät in die Nacht mit deiner Arbeit beschäftigt.

Ich habe nächtelang wachgelegen aus Angst, dass du von irgendwelchen ‚Sondereinsätzen‘ nicht zurückkommst.

Wenn du dann mal zeitig zu Hause warst, gab es kein anderes Thema mehr außer Berlins Unterwelt, das Präsidium und die Schulnoten von Bastian. Aber ich habe nichts gesagt, weil ich wusste dass dir all das unwahrscheinlich wichtig und somit auch dein Lebensinhalt war.

Ich habe dich versucht aufzufangen, als Bastian vor zwei Jahren erschossen wurde. Ich habe mir alle Mühe der Welt gegeben. Habe viel zurück gesteckt und nie Ansprüche gestellt oder irgendetwas dafür erwartet, eben weil ich dich liebe.

Aber dass du mir jetzt so dreist ins Gesicht lügst, nur damit ich so weit wie möglich von dir weg bin… das habe ich wirklich nicht verdient, Gustav Jegorow. Alles, nur das nicht.“

Es war als würde sich in Gustavs Kopf ein Schalter umlegen. Nicht dass er nicht wusste, dass Marc mit all dem was er ihm an den Kopf geworfen hatte, Recht hatte, aber die bloße Erwähnung von Bastian trieb Gustav zur Weißglut. Er packte Marc grob bei den Schultern, drehte ihn herum, schmiss ihn unsanft auf die Couch, beugte sich über ihn und erhob die rechts Hand. Mit wutverzerrtem Blick fixierte er seinen verängstigen Freund, der ihn so noch nie gesehen hatte.

„Du wirst nie, ich wiederhole, NIEMALS mehr Bastians Namen aussprechen, du wirst noch nicht mal mehr an seinen Namen denken. Du wirst NIE wieder kritisieren, dass mein Bruder alles für mich war! Hast du mich verstanden?“

Marc zitterte am ganzen Leib, versuchte aber die Ruhe zu bewahren und machte sich und seiner jahrelang unterdrückten Wut weiter Luft.

„Ja genau. Leb‘ in deiner eigenen Welt, in der Vergangenheit.

Du drohst mir? Na los, schlag doch zu! Nicht mal dafür hast du die Eier in der Hose!

Schau dir doch mal an, wo wir nach acht Jahren Beziehung stehen!

Eine Beziehung besteht aus Geben und Nehmen. Doch du hast immer nur genommen.

Weißt du Gustav? Ich hab endlich erkannt dass es nichts bringt, dir helfen zu wollen.

Du hast es geschafft, ich werde gehen. Nur glaub ja nicht, dass ich noch einmal zu dir zurück komme. Und jetzt mach, dass du aus meiner Wohnung verschwindest. Du hast die Schlüssel ja noch, also hol‘ deinen Kram bis zum Wochenende hier heraus und lass den Schlüssel einfach auf dem Küchentisch liegen. Ich will hier am Montag nichts mehr finden, was mich an dich erinnert.“

Immer noch zitternd, aber dafür mit entschlossenem Blick drückte er Gustav von sich weg, stand wieder auf, packte seine Tasche fertig, zog sich Schuhe und Jacke an, nahm den Schlüssel seines Audi TT’s und verließ, ohne Gustav noch einmal eines Blickes zu würdigen, seine vier Wände.

Vom dem Wust an Gefühlen von Wut, Traurigkeit und auch ein klein wenig Erleichterung dass Marc nun aus der Schusslinie war, verwirrt nahm er seine Jacke und ging.

Er wollte nur noch eines: Das Chaos der Gefühle mir Alkohol bis zur Besinnungslosigkeit ertränken.

Sein Weg führte ihn direkt in eine alt eingesessene Stammkneipe seines verstorbenen Vaters.

Dort angekommen setzte er sich direkt an den Tresen, ignorierte die alten Freunde und deren Fragen gekonnt und bestellte direkt eine ganze Flasche Wodka.

„Junge, was’n los mir dia?“

Mit besorgter Miene stellte die alte Wirtin und gute Seele von Berlin-Mitte Namens Anna ihm die Flasche vor die Nase.

„Haste Stress mit deinem Macker jehabt?“

Doch Gustav wollte nicht reden, sondern wollte sich nur die Kante geben und von der wahren Welt nichts mehr mitbekommen.

„Lass gut sein, Anna. Mir ist nun nicht nach Quatschen.“

Die Wirtin verstand, blickte ihn aber dennoch besorgt an, als er die Flasche ansetzte und mit einem Zug halb entleerte.
 


 

„Du hättest im Krankenhaus bleiben sollen, Silent. Das weißt du genau. Du kannst dich ja kaum auf den Beinen halten.“

Tom schüttelte mit dem Kopf. Zwar wusste er, dass Georg hart im Nehmen war und der Schlag auf den Kopf und die daher resultierende Platzwunde ihn normalerweise nicht aus der Bahn warfen jedoch war er nach der Tortur sichtlich verändert. Er wirkte angeschlagen und schwächelte.

Immer wieder wurde ihm schwindelig und er musste sich übergeben.

„Wird schon. Der Penner hat halt volle Wucht zugeschlagen. Ich möchte dich mal erleben, wenn dir einer ein paar Stunden zuvor 'nen Metallrohr über die Birne schmettert. Jetzt mach hier mal nicht einen auf Superdad und ruf die nächste Liste auf! Reicht ja schon dass dein Dad mir hier ständig in den Ohren liegt.“

Entnervt und auch entkräftet durch die immer wiederkehrende Übelkeit ließ Silent sich in den Bürostuhl sinken, stützte seinen Kopf auf der Tischplatte ab, während er auf den Monitor schielte, auf dem Dog die Daten der Beamten Berlins abrief.

„Silent, das wird so nichts. Von unserer Einheit war es keiner und auch aus den umliegenden Präsidien haben wir nun alle durch. Es war keiner von uns.“

Resignierend seufzte Dog nach einer weiteren halben Stunde und schmiss enttäuscht die Maus des PCs beiseite.

„Er muss 'nen Bulle gewesen sein, Dog. Vielleicht war er auch 'nen Bodyguard, irgendwie so etwas. Aber er muss auf jeden Fall 'ne Spezialausbildung genossen haben.“

Georg ließ seinen, inzwischen grausam schmerzenden, Kopf auf die Tischplatte sinken.

Er fühlte sich, als wenn sein Kopf jeden Moment zu platzen drohte.

„Und er hat dir nichts erzählt? Keinen Namen, kein gar nichts?“

Tsu stieß zu ihnen und warf Silent eine Packung Kopfschmerztabletten vor die Nase und stellte eine Flasche Wasser hinzu.

Georg bedankte sich, warf Tsu jedoch unmittelbar danach einen eiskalten Blick zu und zog eine Augenbraue in die Höhe.

„Tsu, stimmt. Er hat sich direkt mit Steckbrief bei mir vorgestellt. Mit Sicherheit tat er das. Ich hab's durch den ganzen Stress nur leider vergessen. Kann ja schon mal vorkommen, wenn man fast umgebracht wird!“

Gefrustet ob der scheinbar aussichtslosen Suche griff Silent nach den Tabletten, nahm sich vier Stück heraus, schmiss sie in den Mund und spülte diese mit einem großen Schluck Wasser hinunter.

Mit großen Augen starrten Tsu und Dog ihn an.

„Du weißt schon, dass du von denen eigentlich maximal eine pro Dosis nehmen sollst, oder?“

Gekünstelt lachte Georg, stand auf, lief im Büro umher und grübelte.

„Der Kerl war blond, nicht gerade groß, ‘nen Stück kleiner als ich.

Stämmig gebaut und sein Handeln überlegt und unglaublich schnell.

Ich weiß, keine brauchbare Personenbeschreibung. Das ist echt wie das Suchen einer Nadel im Heuhaufen, echt.“

Er lehnte sich an die Wand, schloss kurzzeitig die Augen weil ihn wieder ein Schwindelanfall überkam.

In diesem Moment betrat Latour das Büro und ging auf ihn zu.

„Silent, es reicht für heute. Du solltest dich ausruhen, wenn du schon nicht im Krankenhaus bleiben wolltest. Tom wird dich nach Hause bringen und wird bei dir bleiben.

Und bevor du jetzt meckerst: ich weiß dass du keinen Babysitter brauchst. Aber du weißt genauso gut wie ich, dass es besser ist, wenn du eben nicht allein bist.“

Georg wollte gerade widersprechen, als sein Chef ihm das Wort abschnitt.

„Georg Engels, das ist kein gut gemeinter Rat, das ist ein Befehl. Ende der Fahnenstange!“
 


 

„Halt' an!“

Abrupt bremste Tom ab und schaute skeptisch zu Silent.

„Eh Engels! Wehe du kotzt mir in den Benz. Ich lieb dich Alter, aber da hört die Freundschaft dann auf!“

Schnell beugte er sich über Silent um die Beifahrertür von innen zu öffnen.

Verdutzt blickte Georg ihn an.

„Mach' mal halblang, okay? Ich muss nicht kotzen, ich will mir Kippen holen. Gib' mal deine Kontokarte und fünf Euro. Meine Geldbörse liegt auf'm Präsidium im Spind.“

Entnervt rollte Tom mit den Augen, stieg dann aber aus dem Wagen um in die Kneipe, vor der sie gehalten hatten, zu gehen und Zigaretten zu holen.

„Du bleibst brav sitzen, ich hol' sie dir.“

Bevor Silent noch irgendetwas entgegnen konnte, war Tom auch schon aus dem Wagen gestiegen und in die Kneipe gegangen.

Höflich frug er die Wirtin, ob sie ihm Geld für den Zigarettenautomaten wechseln konnte, jedoch wurden sie unterbrochen.

Ein ziemlich streitsüchtiger Kerl direkt neben Tom pöbelte einen anderen Gast an.

„Dass dein Vater damals beim Unfall kaputt geblieben ist, war ganz gut so! Auch dass sie deinen Bruder abgeknallt haben! Du bist auch bald dran! Dreckiges Ausländerpack! Kommt hierher und führt euch auf als wenn Deutschland euch gehört! Das einzige was ihr Pasalacken könnt ist schmarotzen und uns Deutschen die Arbeit wegnehmen!

Vergasen sollte man euch! Alle!“

Ehe Tom wusste was genau passiert war, stand der Beschimpfte auf , packte die vor ihm stehende Wodkaflasche, schlug diese entzwei, packte den Faschisten und wollte diesem die abgebrochene Seite der Flasche ins Gesicht rammen. Tom konnte ihn so gerade noch davon abhalten.

Allerdings hatte der Polizist nicht mit so viel Widerstand gerechnet.

Es hab ein kleines Handgemenge und ehe Dog sich versah, wurde er gekonnt zu Fall gebracht und sein Gegner hatte sich auf ihn gesetzt.

„Misch.dich.nie.wieder.in.die.Angelegenheiten.anderer.ein. Hast du mich verstanden? Jetzt geh und spiel' mit Sido in seinem Block verstecken, du Looser.“

Doch ehe noch ein weiteres Wort gefallen war, hatte sich das Blatt gewendet, Dog sich befreit und den Störenfried mit gekonnten Griffen auf den Boden gedreht und dessen rechten Arm auf den Rücken gedrückt.

„Pass auf, du kleiner Wichser! Ich hatte 'nen scheiß Tag heute und wollte einem Kumpel der heute fast umgebracht wurde, nur ein paar Kippen holen. Ich komme hier nichtsahnend rein, will dir noch helfen und bekomme dafür noch von dir eins auf's Maul? Du kannst echt froh sein dass ich Feierabend hab und eigentlich nur nach Hause will. Also zahl deine Zeche hier, pack deine sieben Sachen und mach dass du Land gewinnst. Sonst buchte ich dich ein, das versprech ich dir!“

In diesem Moment betrat Silent die Wirtschaft weil es, seiner Meinung nach, viel zu lange dauerte.

Er sah Tom, wie er auf dem Rücken eines Gastes hockte und wütend auf diesen einschrie.

„Mensch Dog eh. Man kann dich noch nicht mal Kippen holen lassen, ohne dass du dich kloppst. Nun lass den Penner los und komm. Ich hab keinen Bock mehr, echt jetzt!“

Sichtlich genervt und angepisst ging er auf Tom zu und wollte ihn gerade unsanft hochreißen, als er sah, wen Tom auf dem Boden festgenagelt hatte.

„So schnell sieht man sich wieder, Bambi.“

Insomnia

Chap 3
 

Insomnia
 

So schnell die Schlägerei in der Kneipe begonnen hatte, so schnell war sie auch wieder vorbei.

Gustav hatte seinen Deckel bezahlt, sich ein Taxi gerufen und wollte so schnell wie möglich nur noch nach Hause.

Vor allem hatte er keine Lust sich mit Georg zu unterhalten.

Er hatte ihn aus der Scheiße gezogen und wollte es dabei belassen.

Punkt. Schluss, Aus und Ende.

Und auch Georg merkte schnell, dass er ihm seinen Namen nicht verraten würde. Und schon gar nicht wo er diese Fähigkeit zu kämpfen her hatte.

Das lag sicherlich auch an dem nicht gerade niedrigen Alkoholpegel Gustavs.
 

Als er fort war, wandte Georg sich der Wirtin zu, die vollkommen fertig wegen der Prügelei war und am ganzen Leib zitterte.

Zwar war ihr das durchaus nicht fremd, aber sie kannte Gustav schon zu lange, als das sie das kalt gelassen hätte und genau diesen Umstand Silent.

Tom brauchte sowieso noch ein wenig Zeit um sich zu akklimatisieren.

Das war einfach zu viel für einen Tag. Sein Limit war erreicht.

„Sie sollten die letzte Runde einläuten, den Laden dicht machen und sich ausruhen.“

Anna, die Wirtin, nickte nur und kurz darauf war die Kneipe, bis auf Tom und Georg, wie leergefegt.

Seufzend ließ sie sich auf einen Hocker neben Georg nieder und zündete sich, immer noch mit zittrigen Händen, eine Zigarette an.

„Ick weiß, ick hätt' die Bullen rufn müssen. Aber ick kenn den Jung schon so lange, da war der noch ganz kleen. War mit seinem Vadder schon mal des Öfteren nachm Spiel von Hertha hier her in meene Pinte. Den kann ick doch nich anne Polente verpfeifen nur weil er anjeschikkert un bisschen inne Bredullje hockt, wa? Der Juschtl war immer nen juter Junge. Ick wusste vorhin aber schon als er rinkam, det dette richtich Ärjer jibt.

Die Karnalje von Schulz war ja schon den janzen Abend uff Stress aus. Aber solange der nix macht, kann icke den ja ooch nich rausschmeißen, verstehste Jung? So, un auf den Schock trinken wa nu eenen.“(*1)

Resignierend seufzte die rüstige Dame, griff über die Theke hinweg nach einer Falsche Korn und drei Pinnchen,(*2) füllte diese und reichte zwei davon Tom und Georg.

„Danke. Aber sie brauchten die Kollegen ja Gott sei Dank nicht rufen, wir waren ja da.“

Georg nahm die zwei kleinen Gläser entgegen, reichte eines davon an Tom weiter, wartete anstandsgemäß bis die Dame ihnen zuprostete bevor er sein Glas mit einem Zug leerte.

Dog konnte nur den Kopf schütteln, was Silent als Aufforderung sah sein Glas auch noch zu entleeren.

„Auf einem Bein kann ich nicht stehen, Dog. Oder siehst du das anders? So und nun zu der Geschichte von eben. Wie hieß der junge Mann noch einmal?“

Misstrauisch blickte Anna zwischen den beiden Polizisten hin und her. Zwar war sie dankbar dafür dass Tom schlimmeres verhindert hatte, aber dass Georg sie nun nach Gustavs vollständigem Namen fragte, machte sie stutzig.

„Versteht mia nich falsch Jungs, aber ick hau den nich inne Pfanne bei euch. Außerdem wollt ihr…“

Sie stockte, füllte die drei Gläser erneut und schwieg.

„Wir wollen ihm nichts. Ganz bestimmt nicht. Es ist nur so, dass ich persönlich gern gewusst hätte, wer er denn ist. Wie er heißt. Er hat mir heute… sagen wir mal… aus der Scheiße geholfen und ich wollte mich dafür nur bei ihm bedanken, nichts weiter.“

Doch Anna war immer noch vorsichtig. Sie hatte ihr ganzes Leben in Pankow verbracht, hatte mitbekommen, wie ihr geliebtes Berlin sich verändert hatte. Und das nicht nur zum Positiven hin.

Sie wusste genau dass man niemandem zu viel anvertrauen durfte.

„Ick weiß ja nich ob ihr richttje Bullen seid. Ick meen… det war schnieke von dem da det er Schlimmeres verhindert hat aber…“

Bevor sich Anna weitere Gedanken machen konnte, kramte Tom seinen Dienstausweis aus seinem Portemonnaie und reichte diesen ihr.

„Und der nette Herr rechts von Ihnen ist mein Kollege Georg Engels.“

Kritisch begutachtete sie Dogs Ausweis. Nicht, dass sie einen gefälschten von einem echten hätte unterscheiden können, aber es beruhigte sie irgendwie, diese kleine Karte in Ruhe ansehen zu dürfen.

Dann seufzte sie noch einmal, setzte das Pinnchen an und leerte es in einem Zug. Georg tat es ihr erneut gleich. Doch bevor er das Glas von Tom wieder leeren konnte, hatte dieser es ihm abgenommen und es selbst ausgetrunken.

Mit bösem Blick funkelte Silent ihn an. Doch Tom schaute demonstrativ triumphierend grinsend zurück.

„Der Junge heißt Gustav Jegorow. Wohnt direkt hier umme Ecke. Is eijentlich wirklich 'nen lieber Junge. Issn Kollege von euch. Also ob det nu direkter Kollege is, dat weeß ick nich. Zuletzt war er bei der Kripo in Mitte. Allerdings ham se ihn im Moment auf Eis jelegt. Sein Boss meinte wohl, det er erstma mit dem Tod seines kleenen Bruders und dem der Eltern klar kommen soll. Erst dann kann er wohl wieder mallochen. Is wirklich ne janz arme Sau, der Kleene.“

Interessiert hörte Georg der rüstigen Frau zu, nickte aus Höflichkeit hier und dort ihren Aufführungen zu.

Gegen ein Uhr nachts hatten sie die Wirtin dann noch heim gefahren. Zwar hatte sie zunächst erst dankend abgelehnt, aber in Anbetracht der Tatsache dass auch sie wohl nicht mehr ganz nüchtern war, sich dann doch chauffieren lassen.
 


 


 

„Siehste Dog, ich hatte Recht. Der ist einer von uns.“

Müde ließ Georg sich auf die Couch in seinem Wohnzimmer fallen.

Tom stand wie bestellt und nicht abgeholt inmitten des riesigen Raumes.

Silents Wohnung war zwar groß, aber nur mit dem Nötigsten ausgestattet.

Nach dem Tod seiner Freundin und seines Sohnes hatte er fast fluchtartig das gerade gekaufte Einfamilienhaus verlassen und sich eine schicke, 100qm Atelierwohnung in Treptow gemietet.

„Jetzt steh da halt nicht so rum wie Falschgeld. Fühl‘ dich wie zu Hause. Bier ist im Kühlschrank, Handtücher zum Duschen im Bad. Schlafen kannst du gern oben. Ich penn eh auf der Couch.“

Irritiert blickte Tom erst nach oben, dann in Georgs Gesicht.

„Du solltest aber schon im Bett schlafen, Silent. Falls du es vergessen hast: Du bist entführt worden, man hat dich gequält und du hast einen richtig bösen Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Ich denke dass du in deinem Bett schlafen und dich etwas erholen sollst. Sam hat gesagt ich soll auf dich achten und du sollst nicht immer so tun, als wenn dich nichts und niemand aus den Socken hauen könnte. Verdammt noch mal, du bist auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut und nicht aus Stahl. Also fang endlich mal damit an, auf dich und deine Gesundheit zu achten.“

Mit einem gekünstelten Lachen und einem Kopfschütteln griff Silent nach der Fernbedienung und schaltete den Flimmerkasten ein.

„Bettbezug müsste im Schrank liegen. Das Daunenbett und auch das Kopfkissen liegen auf dem Bett.“

Sichtlich wütend ob des ignoranten Kommentars von Georg stapfte Tom die Treppen zur Schlafecke der Wohnung hinauf.

Auch dort war die Einrichtung eher spärlich. Zwar stand das Notwendigste an seinem Platz, jedoch gab es keinerlei liebevolle Dekoration, Bilder oder ähnliches. Seit dem schmerzlichen Verlust seiner kleinen Familie beschränkte Silent sich nur noch auf das Nötigste, verbrachte eh nur knappe 6 Stunden daheim zum Schlafen und duschen, bevor er dann den ganzen Tag über auf dem Präsidium, bei Einsätzen oder im Trainingsraum verbrachte.

In der hintersten Ecke des Raumes standen noch Kartons vom Umzug gestapelt.

Tom selbst hatte sie dort hingestellt weil Georg sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte, diese auszuräumen.
 

„Da ist nichts Wichtiges drin, Dog. Nur Erinnerungen die mich weich werden lassen. Da kann ich dankend drauf verzichten. Sie sind tot und kommen beide nie wieder zurück. Also bleiben die Kisten zu und kommen, so wie sie sind, in den Kellerraum sobald dieser vom Vormieter ausgeräumt wurde. Ende.“
 

‚Mhm. Und weil es schmerzliche Erinnerungen sind stehen sie auch noch hier oben. ‘

Seufzend schüttelte Tom den Kopf und machte sich daran, das Bett zu beziehen. Allerdings nicht für sich, sondern für Silent.

Denn Tom konnte mindestens genauso stur sein wie sein Kollege.

Er nahm die Aufgabe, die sein Vater ihm übertragen hatte, sehr ernst.

Allein schon weil er genau wusste, dass Georgs Verletzung, auch wenn sie rein äußerlich nicht so wild aussehen mochte, alles andere als auf die leichte Schulter zu nehmen war.
 


 


 


 

Mitten in der Nacht schreckte Gustav schweißgebadet hoch.

Immer wieder holte ihn die Vergangenheit in Form von Albträumen ein.

Immer wieder träumte er von Bastian und von dem Schuss, davon wie er seinen kleinen Bruder blutüberströmt auf dem Boden liegend fand.
 

Er stand auf, ging in die Küche und nahm sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, setzte diese an und trank sie in einem Zug halbleer. Mit immer noch zittrigen Fingern öffnete er das Küchenfenster, setzte sich auf das Fensterbrett und zündete sich eine Zigarette an.

Er lehnte sich ein Stückchen zurück an die Wand, beobachtete das nächtliche Treiben und hing seinen Gedanken nach.

Kurze Zeit später beschloss er, weil er ja doch nicht schlafen konnte, noch einen Spaziergang durch die Nacht zu machen.
 

Dass er eine lebende Zielscheibe für Fjodorows Anhänger darstellte, kam ihm nicht in den Sinn.
 

Nach einem kurzen Fußmarsch bog er in den Bürgerpark von Pankow ein, ging ein paar Meter und kramte seine Zigaretten hervor um sich eine neue anzuzünden.

Es ging alles ganz schnell. Er hörte einen Schuss und verspürte darauf einen brennenden Schmerz an seiner rechten Körperhälfte.

Mit Mühe und Not schleppte er sich zur nächsten Hecke um sich dort zu verstecken.

Hatte er vorher doch keinerlei Angst vor dem Tod oder gar davor getötet zu werden, so hatte Gustav doch seine Meinung schlagartig geändert.

„Hast du ihn erwischt, Alexej?“

Gustav versuchte sich auf seinen Angreifer und deren Kumpanen zu konzentrieren und seinen Schmerz zu ignorieren, was ihm allerdings nur schwer gelang.

„Keine Ahnung. Ich denke schon, so wie er gestöhnt hat. Aber ich sehe ihn nicht. Scheiße. Nicht richtig getroffen. Fuck! Wir müssen ihn erledigen, sonst macht Pavel uns kalt. Er will den Mörder seines Sohnes tot sehen!“

Gustav verhielt sich ganz ruhig und hoffte inständig, nicht entdeckt zu werden.

Scheinbar hatte sein Schutzengel doch noch einmal Mitleid mit ihm gehabt, denn die Russen wurden von der nächtlichen Patrouille der Parkwächter gestört und suchten das Weite um selbst nicht entdeckt zu werden.
 

Als sich die Lage dann entspannt hatte, kroch Gustav aus seinem Versteck hervor und schleppte sich wieder in seine Wohnung zurück. Ins Krankenhaus selbst wollte er nicht, da man dort aller Wahrscheinlichkeit nach seine Kollegen informiert hätte. Und das hätte ihm mehr als nur lästige Fragen eingehandelt. Er wollte direkt von daheim aus einen befreundeten Arzt der Familie anrufen und sich von diesem helfen lassen.

Denn, so wie er selbst schon bemerkt hatte, handelte es sich allem Anschein nach nur um einen Streifschuss, also steckte keine Kugel in ihm und es bestand keinerlei Lebensgefahr.

Bis auf die Tatsache, dass er blutete wie ein Schwein.
 


 


 

Tom hatte es nicht geschafft Georg dazu zu bringen, im eigenen Bett zu schlafen.

Innerlich wusste der junge Polizist auch, wieso das so war.

Seit Lilly’s und Jonas' Tod hatte Georg nie wieder im Bett geschlafen. Er ertrug es schlichtweg einfach nicht, allein in dem Bett zu liegen, das seine Freundin ausgesucht hatte, in dem er mit ihr gelegen hatte, in dem er sie geliebt hatte.
 

Ein markerschütternder Schrei von Georg ließ Tom aus dem Schlaf hochschrecken.

Er rannte, noch halb benommen vom Schlaf, die Stufen runter, schaltete das Licht an und kniete sich vor das Sofa auf dem sein Kollege lag, schrie und wild um sich schlug.

Er hatte wirklich alle Mühe um Silent zu wecken.

„Silent? Hey! Nun wach schon endlich auf! Alles ist gut, Mann! Es war nur ein Traum, weiter nichts. Hörst du? Alles ist okay. Ich bin hier. Alles ist gut!“

Silent brauchte eine Weile um sich zu fangen. Mit zitternden Knien stand er auf, ging an Dog vorbei und direkt zum Balkonfenster und riss es auf, atmete tief die kühle Nachtluft ein.

Kurz beobachtete Tom ihn, ging dann auf ihn zu, stellte sich direkt daneben, zündete eine Zigarette an und reichte sie seinem Kollegen.

„Willste mir nicht sagen, was du geträumt hast?“

Fragend blickte Tom ihn von der Seite an, während er aus der Schachtel eine weitere Zigarette für sich heraus kramte.

Doch von Georg kam keinerlei Antwort, sondern nur ein kaum merkliches Kopfschütteln.

Tom seufzte nur. Insgeheim konnte er sich denken, was Georg bis in den Schlaf verfolgte

„Du weißt genau, Silent, dass du dir endlich Hilfe holen musst. Das hältst auch du nicht auf die Dauer durch. Verdammt du hast nicht deinen Hund, sondern deine Freundin und deinen Sohn verloren. Lass dir endlich helfen sonst beißt du als nächster ins Gras.“

Scheinbar unwissend schaute Georg Dog in die Augen.

„Sag mal, was soll’n das Dog? Von was sprichst du da? Freundin und Kind verloren…“

Kopfschüttelnd schnippte er die Kippe vom Balkon hinunter, ging wieder hinein und schloss das Balkonfenster.

„Silent willst du mich jetzt verarschen, oder was ist los? Ich mein okay, dass du versuchst 'n gefühlskalter Eisklotz zu werden, kann ich ein Stück weit nachvollziehen. Aber die Nummer mit der Verdrängung von Lilly und Jonas geht ein Stückchen zu weit, findest du nicht?

Sie war seit knappen 10 Jahren deine Freundin. Sie hat im Juli vor zwei Jahren euren gemeinsamen Sohn zur Welt gebracht. Ihr wolltet im nächsten Sommer heiraten. Silent, so was kann man nicht verdrängen! Verdammt noch mal lass dir endlich helfen! Diese Albträume hast du doch auch nicht das erste Mal, oder?“

„Herrgott Tom! Ich weiß doch selbst noch nicht mal was ich da genau geträumt habe!

Es war mit einem Mal hell und vor allem heiß. Ein Feuerball, ein schreiendes Kind und eine schreiende Frau. Ich hab echt keine Ahnung was das zu bedeuten hat! Ich und 'ne Freundin. Du hast 'se wohl nicht mehr alle! Sieht das hier so aus, als hätte ich je 'ne Frau an meiner Seite gehabt? Und Kinder – Dog ich bitte dich! Was will man in unserem Job mit 'ner Familie? Das ist glatter Selbstmord.“

Tom staunte nicht schlecht als Georg, vollkommen davon überzeugt niemals eine Freundin und ein Kind gehabt zu haben, diese Worte aussprach.

Das war selbst für einen gestandenen Kerl wie ihn zu viel.

„Du… du meinst das gerade ernst, oder Silent? Das was du da gerade gesagt hast… Alter, der Schlag, den du auf den Kopf bekommen hast, der war doch heftiger als wir dachten, oder?“

Kopfschüttelnd und immer noch schockiert griff er nach seinem Handy, um den Oberkommissar anzurufen.

Silent hingegen legte sich wieder auf die Couch schaltete den Fernseher ein und zappte durch die Programme.

„Ich und Familie. Du hast den Knall doch nicht gehört.“
 


 


 

Schwer atmend und fast besinnungslos vor Schmerzen kam Gustav in seiner Wohnung an.

Sofort zog er sich die Jacke und das Shirt aus und ging ins Badezimmer um seine Wunde genauer zu inspizieren.

Auf dem Weg dorthin hatte er sich das Telefon geschnappt und einen alten Freund seines Vaters, einen Unfallchirurgen, aus dem Bett geklingelt.

"Ich hab keine Ahnung wie tief genau die Wunde ist, Andrej aber es blutet wie Sau, schmerzt ohne Ende und mir ist mehr als nur schwindelig durch den Blutverlust. Ja es sitzt genau zwischen Hüftknochen und dem Anfang vom Rippenbogen.Nein, ich werde nicht in ein Krankenhaus gehen. Das erklär ich dir, wenn du hier bist, okay? Ja, ja ist gut. Dank dir.“

Achtlos warf er das Telefon auf den Stapel frischer Handtücher und begutachtete seine Wunde noch ein weiteres Mal eingehend.

„Na ganz toll. Der Tag war so schon beschissen genug. Gott muss echt was gegen mich haben, dass er mich so abstraft!“

Er nahm ein Handtuch und presste es fest auf seine rechte Körperhälfte.

Etwas wackelig ging er in die Küche, nahm eine Flasche Wodka aus dem Kühlschrank, trank einen kräftigen Schluck daraus und setzte sich damit an den Küchentisch und wartete auf den Arzt.

Wenigstens den Schmerz wollte er etwas betäuben. Und womit sollte das besser funktionieren, als mit einem russischen Nationalgetränk?
 


 

„Nein Papa, es ist so wie ich dir es gesagt hab. Der ist wirklich davon überzeugt, dass er nie eine Familie gehabt hat. Du solltest den Arzt noch einmal anrufen und ihm das sagen. So kann das auf jeden Fall nicht laufen! Entweder hat Silent nun wirklich einen Dachschaden oder er verdrängt es nur weil er keinen Bock auf Trauerbewältigung hat und meint, dass er damit besser durchs Leben kommt.“

Sam Latour staunte nicht schlecht als Tom ihm erzählte, wie Georgs Reaktion gewesen war.

Er teilte seinem Sohn mit, dass er sofort am nächsten Morgen die behandelnden Ärzte anrufen würde um Näheres in Erfahrung zu bringen.

„Tu' mir nur einen Gefallen, Tom. Pass auf dass er nichts Blödes anstellt und vor allem: Sorg dafür dass er liegen bleibt und dass du ihn morgen direkt zeitig ins Krankenhaus bringst.

Damit ist nicht zu spaßen. Ich befürchte fast, dass das eine Art Amnesie ist.

Allerdings ist es nicht normal, dass er vergangene Dinge vergisst.

Aber ich bin kein Arzt. Tom, dass du mir ja gut auf Silent aufpasst. Er hat außer uns niemanden mehr.“
 


 

Wie versprochen brachte Tom Georg, natürlich nicht ohne Protest desselben, ins Krankenhaus. Dort warteten bereits der Oberkommissar und der behandelnde Arzt auf die Beiden.

Er untersuchte Georg noch einmal eingehend und schickte ihn erneut zur Computertomographie.

„Ich frag' mich echt, Sam, was der ganze Scheiß soll. Das haben die bereits gestern doch schon alles untersucht. Langsam fangt ihr echt an, mich zu nerven, wisst ihr das?“

Entnervt folgte er der Schwester die ihn zu den Untersuchungsräumen brachte.

Währenddessen sprachen Tom und Sam mit dem Doktor.

„Sie wissen schon, dass ich ihnen normaler Weise keinerlei Auskunft über Herrn Engels Gesundheitszustand geben dürfte, oder? Allerdings hat er uns gestern, ihnen und ihren Kollegen Latour und Di Lauro gegenüber der Schweigepflicht entbunden, so dass ich ihnen somit den Gesundheitszustand ihres Kollegen näher bringen darf.

Es sieht alles danach aus, als leide Herr Engels unter einer Art posttraumatischer Belastungsstörung.(*3) Diese kann oder wird meist durch einen Schock oder durch immerwährenden Stress hervorgerufen.

Daher leidet er unter einer Teilamnesie. Zwar ist es nicht üblich, dass dadurch Dinge aus der Vergangenheit komplett gelöscht werden, was zum Beispiel nahestehende Personen betrifft, jedoch ist dies nicht unmöglich.

Auch können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, wie lange diese Teilamnesie anhalten wird.

Und sie sagen, er kann sich nicht mehr daran erinnern, dass er eine Freundin und einen kleinen Sohn hatte?“

Tom schüttelte nur den Kopf.

„Nein. Er hat mich für bescheuert erklärt, wie ich auf die Idee gekommen wäre, dass jemand von uns je eine Familie gründen würde. Er sagte, dass sei glatter Selbstmord.“

Der Arzt nickte wissend.

„Wenn Herr Engels allein lebt, dann sollten sie sich um ihn kümmern. Wenn er zu lange allein ist, dann drohen zu der Amnesie auch noch Depressionen hinzu zu kommen. Und er sollte, solang die Amnesie andauert, in den Innendienst versetzt werden.

In diesem Zustand wäre es unverantwortlich, wenn er an Einsätzen jeglicher Art fernab vom Schreibtisch teilnehmen würde.“

Latour und sein Sohn schauten erst abwechselnd sich, dann den Arzt an.

„Das wird lustig.“

„Nein, Vater. Das wird anstrengend. Schon mal versucht 'nen Löwen von der Wildnis aus direkt in einen Käfig zu sperren? Der bringt uns um, wenn wir ihm sagen dass er besser die Akten sortieren soll.“

Seufzend stand der Oberkommissar auf, bedankte sich beim Arzt für dessen Offenheit und verabschiedete sich von ihm.

„Ich werd's ihm sagen. Tom? Ruf‘ Tsu an und sag ihm, dass er nach Feierabend zu Silent fahren soll, damit er nicht allein ist.

Wir zwei müssen nachher noch etwas besprechen. Mir ist da etwas zu Ohren gekommen, was mir so gar nicht passt.“

Mit einem vielsagenden Blick, der allerdings nichts Gutes verhieß so wie Tom es am Gesichtsausdruck seines Vaters ausmachte, verließ Herr Latour das Büro des Arztes.

„Ärger?“

Tom nickte.

„Ja und ich ahne schon was. Ich frag mich nur gerade, wie er nun schon wieder davon Wind bekommen hat.“

Der Doc schmunzelte nur, widmete sich wieder seinen Unterlagen.

„Herr Latour. Ihr Vater war 15 Jahre lang Oberkommissar beim Drogendezernat. Jetzt ist er Leiter ihrer Sondereinheit. Fragen sie sich wirklich, wie er von - was auch immer – Wind bekommen hat?“
 


 

*1: Ich bin zwar mit Berliner Dialekt aufgewachsen, aber ich denke diese Seite hilft euch da weiter, wenn ihr manche Titulierungen/Worte nicht versteht ;-) http://berlin-and-more.de/Berlinerisch-Deutsch/Worterbuch-Berlinerisch-Deutsch/B.html
 

*2: kleine, 2 cl Gläser
 

* 3: http://www.ame-pleurant.ch/index.php?option=com_content&view=article&id=7&Itemid=8

Categorical Rejection

Chap 4
 

Categorical Rejection
 

„ Ty s uma, Gustav. Vy? Kakoe vam delo takzhe o voprosah, kotorye kasajutsja vas? Vy prosto rady, chto vash angel-hranitel' sdelal bol'shuju rabotu. V protivnom sluchae jeto bylo by ne tol'ko poverhnostnye rany! (*1)[Du bist wahnsinnig, Gustav. Weißt du? Was kümmerst du dich auch um Angelegenheiten, die dich nichts angehen? Du kannst einfach nur froh sein, dass dein Schutzengel ganze Arbeit geleistet hat. Ansonsten wär es nicht nur bei einer oberflächlichen Wunde geblieben!]“
 


 


 

Kopfschüttelnd und voller Unverständnis für Gustavs leichtsinnige Aktion versorgte Doktor Andrej Koslow, ein alter Freund von Gustavs Vater, dessen Streifschuss.

„Andrej, bitte. Ich weiß selbst dass es Wahnsinn war und eigentlich… Mann ich weiß auch nicht was mit mir los war, okay? Klarer Fall von Hirndünnschiss oder von mir aus auch einfach nur nicht nachgedacht – such' dir was aus.

Flick' mich zusammen, so dass ich, falls nötig, aus Deutschland verschwinden kann.“

Gustav ignorierte es, das Andrej mit ihm russisch sprach. Er antwortete ihm auf Deutsch. Er sprach seit dem Tod seiner Eltern gar nicht mehr in seiner Muttersprache. Er war in Deutschland aufgewachsen, hatte eine deutsche Schule besucht und deutsche Freunde gehabt.

Selbst in seiner Jugend hatte er es vermieden, Russisch zu sprechen. Sehr zum Leidwesen seiner Eltern die, trotz totaler Integration, immer darauf bedacht gewesen waren, dass ihre Kinder ihre Muttersprache nie verlernten.
 

Mit schmerzverzogenem Gesicht lag der junge Mann auf der Couch und verfluchte sich, wieder einmal, selbst.

Nicht, dass er nicht gekonnt alles in den Sand gesetzt hat, was ihm lieb und teuer war, nein.

Er war ein gescheiterter, verlassener und deprimierter Polizist auf der Flucht vor seinen eigenen Landsleuten weil er es gewagt hatte, einem von ihnen eine Kugel in den Kopf zu jagen.

„Junge, du solltest wirklich wissen, dass dir das auch nichts bringt. Sie werden dich finden. Egal wo du dich versteckst.

So. Das dürfte nun nicht mehr bluten. Allerdings solltest du dich wirklich schonen, das heißt: Du solltest dich nicht sinnlos besaufen, nichts heben, liegen bleiben und nicht allein sein. Wo ist Marc?“

Ach ja, da war ja noch etwas, was er ihm verschwiegen hatte.

„Es gibt kein ‚wir‘ mehr. Marc und ich haben uns getrennt. Ich komm' schon allein klar.

Also, gib mir ein paar von deinen Hammer Schmerzmitteln und du wirst sehen, morgen bin ich wieder fit.“

Gustav wollte gerade aufstehen aber der stechende Schmerz zwang ihn dazu, sich ganz schnell wieder hinzulegen.

Leise keuchte er auf.

„Das ist schade, dass er gegangen ist. Und ich habe dir eben schon gesagt, dass du dich schonen sollst. Vielleicht solltest du deine Cousine anrufen, damit sie sich um dich kümmert, solang du verletzt bist.“

Doch davon wollte Gustav nichts hören.

Er brauchte niemanden. Er wollte auch niemanden um sich haben. Und schon recht niemanden aus seiner Familie, der ihm eh wieder nur Vorwürfe macht, weil er sich angeblich nicht genug um Bastian gekümmert hat oder weil er eben schwul ist.

Allein die Hälfte seiner Familie hatte sich von ihm abgewandt, als Gustav sich geoutet hatte.

Selbst sein Vater hatte es nie wirklich akzeptieren können. Gustav konnte sich anstrengen wie er wollte, er konnte es seinem Vater nie recht machen und nach seinem Outing war endgültig der Ofen aus.

Nur seine Mutter und sein Bruder haben immer zu ihm gehalten. Seine Mutter hatte ihm immer den Rücken gestärkt und ihn immer wieder aufgebaut, wenn er wieder einmal wegen seiner sexuellen Orientierung angeeckt hatte, wenn er wieder einmal verprügelt wurde und mit einem blauen Auge nach Hause kam.

Und genau diese Gedanken stimmten ihn wieder mehr als traurig, und das merkte Andrej sofort.

„Pass auf, Junge. Du gibst mir deinen Wohnungsschlüssel und ich komme heute Nachmittag noch einmal vorbei um dir etwas zu essen zu bringen.

Aber du musst mir versprechen, keine Dummheiten anzustellen. Hast du gehört?“

Gustav nickte kaum merklich, zog die Decke über sich und schloss die Augen.

„Der Schlüssel liegt in der Schale auf der Kommode.

Dasswindan’ja, Andrej.“
 


 


 

„Silent ich bitte dich. Jetzt sei doch vernünftig! Du hast doch gehört, was der Doc über deinen Gesundheitszustand gesagt hat! Du kannst vorerst keinerlei Einsätze leiten, geschweige denn bei ihnen mitwirken. Zumindest solang du unter dieser Amnesie leidest funktioniert das nicht.“

Mit Engelszungen versuchten sie Georg davon zu überzeugen dass es so das Beste für ihn war. Aber er wollte davon natürlich nichts hören.

„Wollt ihr mich alle für bekloppt erklären, oder wie? Ich leide nicht unter einer Amnesie. Ich frag mich echt wie ihr auf so eine gequirlte Scheiße kommt! Erst labert Dog mich voll von wegen Freundin und Rotzblag und dann springst du auch noch auf den Zug. Mensch Sam! Meinste nicht dass ich es wüsste, wenn ich 'ne Perle und 'n Kind hätte? So daneben kann selbst ich nicht sein! Mensch Tsu, jetzt sag doch auch mal was!“

Wütend tigerte Silent durch das Büro seines Vorgesetzten und sah hilfesuchend zu seinem Kollegen.

Doch Tsu warf ihm nur einen besorgten Blick entgegen und schüttelte mit dem Kopf.

Das war das erste Mal dass Georg seinen Kollegen Bill so ruhig und vor allem so sprachlos sah.

Enttäuscht ließ er sich auf einen Stuhl nieder.

„Tsu das ist jetzt nicht wahr, oder? Du nicht auch noch.

Ich habe nie eine Freundin und einen Sohn gehabt. Und ich werde mit Sicherheit nicht hier im Büro versauern und von Weitem zusehen, wie ihr die Drecksäcke da draußen allein fertig macht! Dafür hab ich den Job hier nicht angenommen, Sam. Ich bin hierhergekommen, weil es mir beim Bund zu langweilig wurde. Verstehst du? Und auf den Irak hatte ich keinen Bock, weil wir hier in Deutschland selbst in der Scheiße versinken. Ich bin zum SEK gekommen weil's meine Bestimmung ist. Ende der Diskussion!“
 

Der junge Polizist stand auf, wollte das Büro verlassen und seiner Wut im Trainingsraum Luft machen, als Latour's Worte ihn kurzzeitig in seiner Bewegung verharren ließen.

„Du lässt mir wirklich keine andere Wahl, Silent.

Kommissar Georg Engels? Bitte geben sie mir ihren Dienstausweis sowie ihre Dienstwaffe und die Codierungskarte für das Polizeigebäude. Ich suspendiere sie hiermit, bis zu ihrer vollständigen Genesung, welche durch einem Facharzt der Neurologie attestiert werden muss, vom Dienst.“

Tom schlug sich die Hand vor den Kopf und Bill wand sich mit erschrockenem Gesichtsausdruck ihrem Vorgesetzten zu.

Georg hingegen drehte sich zu Sam Latour, trat dicht an dessen Schreibtisch vor und musterte ihn mit eiskaltem Blick.

„Du suspendierst mich, ja?“

Von Latour kam nur ein Kopfnicken.

„Okay…“

Silent verließ das Büro um seine Waffe zu holen. Er brauchte nicht lange bis er wiederkam und in dieser kurzen Zeit herrschte eisiges Schweigen im Büro des Oberkommissars.

Er knallte Sam seine Waffe, seinen Dienstausweis und seine Codierungskarte auf den Tisch.

„Weißt du was, Sam? Fick dich ins Knie. Du spielst dich hier auf wie ein Gott. Wenn die hier aus der obersten Etage auch nur ansatzweise wüssten was ich über dich und deine Familie weiß…“

Georg wurde von Tom in seiner wutentbrannten Rede unterbrochen.

„Mach'nen Punkt Silent und geh' nach Hause!“

Noch bevor das ‚Gespräch‘ zu eskalieren drohte, zerrte Tsu Georg am Arm aus dem Präsidium heraus, direkt in zu seinem Mercedes CLK (*2).

Er öffnete die Beifahrertür und drückte Silent unsanft auf den Beifahrersitz.

„Sitzenbleiben! Anschnallen! Schnauze halten und zuhören!“

Tsu war sich durchaus bewusst, dass er mit dem Feuer spielte wenn er Georg gegenüber, vor allem wenn dieser schon fast außer sich vor Wut war, so einen Ton anschlug.

Nur juckte ihn das herzlich wenig.

Er bezeichnete Georg nicht nur als Kollegen, sondern als Freund und er sah es als Pflicht an, seinem Kumpel den Kopf zu waschen. Auch wenn er damit Gefahr lief, sich eine einzufangen.

„Du hast Todessehnsucht Tsu, kann das sein? Ich glaub ich spinne! Was nimmst du dir eigentlich raus und zerrst mich da weg? Ich war noch lang nicht fertig mit dem Arschloch da!“

Doch ganz entgegengesetzt seiner Natur blieb Bill ruhig, setzte sich auf den Fahrersitz, startete den Wagen und fuhr in Richtung Königsheide.

„Vergiss es! Fahr nach Pankow. Ich hab da noch jemanden, mit dem ich mich gern wegen Fjodorow unterhalten möchte und…“

„Georg, lass es gut sein. Du bist vorläufig raus. Okay?“

Mit einem „Pft“drehte Georg das Radio des Mercedes' auf. Als wenn es ihn wirklich interessiert hätte, dass sein Vorgesetzter ihn suspendiert hatte.

„Sam weiß genau, dass er ohne mich nicht weiterkommt. Spätestens übermorgen holt er mich zurück ins Boot. Vergiss nicht, dass Schneider raus ist und er niemanden außer mir hat, der euch leiten kann.“

Georg war ziemlich selbstsicher, was seinen Job und seinen Stellenwert im SEK anging.

Und das zu Recht.

Tom war eindeutig noch nicht so weit um eine Truppe und demzufolge einen Einsatz allein leiten zu können und Tsu war noch nicht lang genug dabei.

Der Rest der Kollegen war entweder zu jung oder sie wollten die Verantwortung für einen ganzen Zug nicht übernehmen.

„Du bist 'n verdammter Großkotz Silent, weißt du das? Du meinst auch, dass du unersetzbar bist. Aber ich sag dir jetzt mal was: Wenn du nicht kannst, dann stehen andere schon Schlange. Er wird eher Tom die Leitung übertragen, als dass er dir in deinem Zustand eine Einsatzleitung anvertrauen würde. Man, jetzt komm mal endlich klar in deiner Welt!

Geh' und lass dir von 'nem Psychologen helfen! Und vor allem…“

„Da vorne links. Ich sagte doch, wir müssen nach Pankow. Also Tsu, mach endlich mal das, was ich dir sage, okay? Danke.“

Und mit diesem Satz war für Silent das Thema Psychologe und Suspendierung erledigt.

Er wusste dass er unersetzbar war und damit Recht behalten würde.
 


 

„Gustav, schläfst du?“

Andrej kam, wie versprochen, noch einmal bei Gustav vorbei um nach dem Rechten zu sehen und um ihm etwas zu essen vorbeizubringen.

Seine Frau hatte Pelmeni gemacht, ein russisches Nationalgericht, und den Patienten ihres Mannes eine nicht gerade kleine Menge eingepackt.
 

Andrej bekam keine Antwort. Er stellte das Essen in der Küche ab und schlich auf leisen Sohlen ins Schlafzimmer um zu schauen ob auch alles in Ordnung war.

Er fand einen schlafenden, und vor allem schweißgebadeten Gustav im Bett vor, der sich vor Schmerzen zu krümmen schien.

Der Arzt seufzte schwer und ging auf den jungen Mann zu, setzte sich zu ihm ans Bett und rüttelte sachte an ihm um ihn zu wecken.

„Gustav? Ich bin es. Andrej. Werd' wach, Kurzer. Mir wäre es lieber, wenn ich dich ins Krankenhaus bringen könnte. Ich kann die Verantwortung so nicht mehr tragen.“

Er zog die Decke weg, um die Wunde noch einmal genauer zu untersuchen, doch was er sah begeisterte ihn nicht wirklich. Sie war erneut aufgerissen und blutete stark.

„Flick' mich einfach wieder zusammen, okay?“

Gustav wollte gerade aufstehen als der Arzt ihn vorsichtig aber dennoch bestimmend wieder zurück ins Bett drückte.

„Leg' dich auf den Rücken. Ich muss das Wundpflaster abziehen, damit ich sehen kann, was genau da los ist. So einfach wie du dir das vorstellst ist es nicht, Gustav. Ich bin Arzt, kein Wunderheiler. Ich habe nur meinen Notfallkoffer mit dem Nötigsten dabei um einen Menschen überbrückend, bis er ins Krankenhaus kommt, am Leben zu erhalten.

Nicht um dich komplett wieder fit zu bekommen.

Herrgott ich hab ja noch nicht mal ein Ultraschallgerät um zu schauen, ob du wirklich keinerlei inneren Verletzungen hast und…“

Weiter kam er nicht, denn ein Schellen an der Haustür unterbrach ihn.

Fragend schaute er Gustav an, wollte gerade aufstehen und die Haustüre öffnen, als Georg und Bill auch schon inmitten des Wohnungsflures standen und ins Schlafzimmer schauten.

„Du und dein Lover… ihr solltet die Wohnungstüre schließen, wenn ihr vorhabt wild rumzuvögeln.“

Sichtlich verwundert und auch ein bisschen verärgert über den unerwünschten Besuch der so kackdreist in seine Wohnung gekommen war, richtete sich Gustav erneut auf und stand, wenn auch umständlich auf.

So langsam fing Georg an, ihm auf die Nerven zu gehen.

Dass er auch nicht akzeptieren konnte, dass Gustav einfach nur seine Ruhe haben wollte.

Entnervt und vom Schmerz immer noch gezeichnet drängte er sich an Georg und Bill vorbei, die beide sichtlich amüsiert im Türrahmen standen, und steuerte die Küche an.

„Hast du keine Freundin der du auf die Nerven gehen kannst? Oder noch besser: Such dir 'nen Psychologen. Dem kannste dann deine Leidensgeschichte erzählen oder ihn stalken.

Also bitte, nimm deinen – was ist das überhaupt für 'ne Spezies? - mit und verschwinde. Du hast allein rein gefunden, also findest du auch allein raus.

Danke.“

Doch anstatt die Wohnung zu verlassen, folgte Georg ihm. Als wenn er sich so einfach abspeisen lassen würde.

Er wollte Gustav ganz und gar nicht stalken, im Gegenteil. Er wollte ihn für seine Truppe gewinnen.

Die Art wie er sich bei der Rettungsaktion ‚präsentierte‘ hatte Silent mehr als nur begeistert. Genau solche Männer brauchte das SEK seiner Meinung nach.

Bill hingegen war leicht pissed. Er war keine sonderbare Spezies sondern einfach nur ein herrlich durchgeknallter Polizeibeamter, der einen Scheiß auf Kleiderordnung oder Stilrichtungen gab und sein eigenes Ding machte.
 

Bill schminkte sich, zwar dezent aber immerhin, die Augen schwarz. Seine Haare waren ebenfalls meist schwarz, mit blonden Dreads durchzogen und im Dienst zurückgebunden. Ab und an kam es vor, dass er sie komplett blondierte, was bei Silent aber regelmäßig zu Brechreizen führte.

„Tsu, mach das wieder richtig! Du siehst aus wie 'ne billige Hure!“

Allerdings juckte Tsu dies herzlich wenig. Genauso wie Silents Meinung zu seinem restlichen Aussehen. Seine Jeans waren eng, genauso wie seine ausgefallenen Shirts und die abgeliebte Jeansjacke, was aber sehr gut zu seiner schlanken, großen Figur von knappen 1,95m passte. Meist trug er dazu seine heißgeliebten Rangers die, ebenso wie seine Jacke, die besten Zeiten schon hinter sich hatten.

„Tsu. Du verdienst mehr als 2500 Euro im Monat. Kauf' dir mal 'nen paar gescheite Klamotten! Das Elend kann man ja nicht mehr mit ansehen!“

Immer wieder konnte er sich das Genörgel seines Teamleiters, den er auch im privaten Leben als Freund sehr schätzte, anhören. Doch das einzige, was er Georg immer wieder als Antwort gab, war:

„Fick dich Engels. Ich meckere auch nicht über deine Klamotten oder darüber, dass du dir deine Mähne nicht abschneiden lässt.“
 

„Warum alle nur immer meinen, dass ich nen Psychologen brauche, ist mir echt unbegreiflich. Ich stalke dir auch nicht hinterher oder sonst etwas. Ich will einfach nur wissen, woher du das alles kannst und vor allem: Warum hat man dich suspendiert, Kommissar Jegorow?“

Silent hatte sich, dreist wie er nun einmal war, einen Stuhl zurückgezogen und sich gesetzt und schaute Gustav fragend an.

Dass dieser gerade nicht wirklich in der Verfassung war, ein nettes Kaffeekränzchen mit Silent über sich und sein Leben zu führen, interessierte den Truppenführer recht wenig.

Auch dass Andrej immer zeternd hinter Gustav stand, dass er sich doch bitte wieder hinlegen solle, damit die Wunde neu versorgt wurde, ließ Georg kalt.

Gustav hingegen aber war mehr als nur gereizt und ließ alle Anwesenden das auch spüren.

„Boah! Habt ihr alle zusammen gelitten, oder was ist los? Ich glaub' es hackt! Andrej, jetzt hör auf zu meckern. Da kannst du dich gleich auch noch drum kümmern und was dich angeht, Mr. Unbekannt: Man hat mich suspendiert, weil ich den Sohn vom Chef gefickt hab. Reicht dir das als Antwort?“

Mit schmerzverzerrtem Gesicht ließ auch er sich auf einen Stuhl nieder, angelte sich eine Zigarette aus der Schachtel die auf dem Küchentisch lag und zündete diese an.

„Gustav… klär hier was auch immer du zu klären hast, und das bitte schnell. Und sie beide…“

Andrej deutete auf Georg und Bill,

„Sie beide machen ihrem Kollegen hier bitte klar, dass er in ein Krankenhaus gehört, okay? Fein. Ich bin dann mal eben bei meiner Tochter, in RUHE einen Kaffee trinken.“

Mit diesen Worten und einem darauffolgenden lauten Knall der Haustüre hatte Andrej die Wohnung verlassen.

Gustav verdrehte die Augen, Bill zeigte der verschlossenen Wohnungstüre nur den Vogel und Georg lachte nur gekünstelt auf und schüttelte mit dem Kopf.

Ist dein Lover immer so aggro? Es tut mir ja leid, dass wir euch gestört haben. Nein. Nein eigentlich tut es mir nicht leid. Ficken lassen kannst du dich immer noch. Obwohl ich nicht nachvollziehen kann, dass du dir von so 'nem alten Sack einen verdrücken lässt. Warum ich hier bin: Du hast so einiges auf dem Kasten, das hast du eindrucksvoll bewiesen, als du Fjodorow fertig gemacht hast. Und genau solche Leute brauchen wir in unserer Einheit. Allerdings muss ich genau wissen, warum sie dich suspendiert haben.“

Gustav glaubte sich verhört zu haben. Er war ganz unten und das letzte was er brauchte war ein neuer Job. Er kam ja mit sich selbst und mit seiner Umwelt nicht klar, und dann sollte er so mir nichts dir nichts irgendwo mitmischen und den Helden spielen?

„Ich weiß nicht, ob du das nicht mitbekommen hast aber, das in der Halle, das war kein Bewerbungsgespräch, Schätzchen, das war einfach nur dein Glück, dass mir die Karre verreckt ist und ich so dermaßen ein schlechtes Gewissen wegen… was auch immer habe und dir deswegen den Arsch rettete. Warum kannst du die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen und dein Leben wie bisher weiterleben und mich endlich in Ruhe lassen?“

Georg und Bill wurden aufmerksam. Ein schlechtes Gewissen also.

Und mit einem Mal war es Silent, dem es ganz anders wurde. Nichts mehr war von seiner Kaltschnäuzigkeit übrig. Er wusste nicht genau was es war, aber irgendetwas bereitete ihm furchtbare Kopfschmerzen und ein mächtiger Schwindelanfall holte ihn ein.

Tsu hingegen ahnte schon, was mit Georg los war.

Er versuchte Silent davon zu überzeugen, diese Unterhaltung ein anderes Mal fortzuführen und sich stattdessen auszuruhen. Doch Silent war anderer Meinung. Er stand auf, wollte das Fenster öffnen um frische Luft in den, seiner Argumentation nach, stickigen Raum zu lassen. Doch weit kam er nicht, denn sein Kreislauf machte nun endgültig schlapp. Tsu sprang auf und konnte ihn so gerade noch auffangen, damit er nicht mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug.

„Oh man Silent. Ich hab's dir doch gesagt hey.“

Gustav hingegen verdrehte nur die Augen, inhalierte den letzten Zug seiner Zigarette tief und drückte die Kippe im Aschenbecher aus.

„Erst große Fresse haben und einen auf Superheld machen, dann aber in meiner Küche zusammenklappen. Einen wahren Helden hast du da als Kollegen.“

Tsu hätte ihm gern etwas an den Kopf geworfen, aber er appellierte innerlich an sich selbst und an den Rest Anstand den seine Mutter 24 Jahre lang versucht hat in ihn hinein zu prügeln und schüttelte stattdessen nur den Kopf.

Stattdessen bat Bill ihn, sichtlich um Freundlichkeit bemüht, den Arzt zu rufen, was dieser dann auch, natürlich nicht ohne einen bissigen Kommentar abzulassen, tat.

„Da fällt mir echt nur noch eins zu ein: Armes Deutschland.“
 


 


 

1*Für alle die des Kyrillischen bzw. Russischem mächtig sind: ich hab’s mit 'nem Translator gemacht, also habt bitte ein wenig Nachsicht mit mir. Sollte sich unter euch jemand befinden, der des Russischem mächtig ist und mir helfen will; mein Postfach steht euch offen. Bitte meldet euch =)

Danke :-*
 

Ты с ума, Густав. Вы? Какое вам дело также о вопросах, которые касаются вас? Вы просто рады, что ваш ангел-хранитель сделал большую работу. В противном случае это было бы не только поверхностные раны!
 

*2: http://www1.die-testfahrer.de/wp-content/uploads/2010/06/mercedes-clk-63-amg.jpg

Congency

Chap 5
 

Congency
 


 

Andrej kam nach Gustavs Anruf sofort zu ihm zurück. Dass Gustav ziemlich angepisst klang, ignorierte der Arzt, wenn es ihm auch schwer fiel, gekonnt.

Er kannte Gustav schon lange und wusste wie es ihm ging und dass die zwei Polizisten genau das letzte sind, was er in seiner Situation gebrauchen konnte.
 

Georg hatte das Bewusstsein wieder erlangt und Bill konnte ihn davon überzeugen, sich auf die Couch zu legen was er, wenn auch recht widerwillig, tat.

Er sollte seine Gehirnerschütterung durch die Schläge auf den Kopf nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Allerdings war es nicht nur das, was Tsu Kopfschmerzen bereitete.

Er machte sich ernsthafte Sorgen um seinen Kollegen, denn Georg war inzwischen schweißgebadet und zitterte wie Espenlaub.

Selbst konnte er sich das natürlich nicht erklären und versuchte all das herunterzuspielen.

„Tsu, mein Kreislauf hat doch nur schwach gemacht. Jetzt mach hier keinen Aufstand, okay? Gib' mir einfach zehn Minuten und 'n Kaffee und dann wird das schon wieder.“

Doch Andrej war da ganz anderer Meinung.

Er kontrollierte Georgs Puls und maß den Blutdruck. Doch er war alles andere als begeistert.

„Ihre Werte sind besorgniserregend, Herr…“

„Engels. Georg Engels ist sein Name.“

Warf Bill ein der neben dem Sofa, auf dem Georg lag, auf dem Boden hockte, und erntete dafür einen Schlag auf den Oberarm von Silent.

„Ich hab zwar wat uff'n Kopp bekommen, Tsu. Aber mein Sprachzentrum funktioniert noch Bestens. Danke.“

Andrej atmete einmal tief durch, ließ sich nicht beirren und sprach weiter.

„Herr Engels. Ihr diastolischer Wert ist zu niedrig, er liegt bei 60. Leiden sie des Öfteren unter Schwindelanfällen oder Ohnmachtsanfällen?“

Georg verneinte Andrejs Frage.

Im Grunde war er kerngesund. Wenn man von den Schlägen auf seinem Kopf und der Teilamnesie, an der er immer noch nicht glaubte, absah.

„Ich hab vor kurzem nur eine unschöne Auseinandersetzung mit einem Verdächtigen gehabt, der es äußerst witzig fand mir mit 'nem Rohr auf den Hinterkopf zu schlagen. Vielleicht liegt es daran. Obwohl ich so etwas normalerweise wegstecke.“

Gustavs Hals schwoll immer mehr an. Er hatte ja schon mitbekommen, dass Silent ein gottverdammtes Arschloch war, aber dass er auch noch so von sich selbst überzeugt war, setzte dem ganzen die Krone auf.

Er musste stark an sich halten, biss sich auf die Zunge, ging ins Bad damit er sich das Geschwafel nicht weiter anhören musste. Wahrscheinlich würde er dann komplett ausrasten.

„Bastard, elender. Ich kotz gleich wenn die nicht bald die Kurve kratzen!“

Er setzte sich auf den Wannenrand und keuchte vor Schmerz auf, als er versuchte, sich aufrecht hinzusetzen.

Intuitiv presste er seine linke Hand auf die Wunde, nahm sie aber sofort wieder weg, weil der Schmerz dadurch nur noch größer wurde.

Er wollte gerade nach Andrej rufen, als Silent das Bad betrat.

Natürlich kackdreist und selbstverständlich ohne anzuklopfen.

Ziemlich verdattert blickte Gustav zu ihm hoch.

„Eh hast du eigentlich schon mal was von Privatsphäre gehört? Weisste, es reicht schon, dass ihr mir hier ungefragt auf'm Sack geht, dass du mal eben so hier umkippst aber dass du nun hier in mein Bad schneist ohne wenigstens vorher anzuklopfen das ist echt…“

Silent grinste nur frech, zog sich dann das Shirt über den Kopf, kickte zeitgleich seine Docs in die Ecke und fing an, seine Jeans zu öffnen.

„Reg dich ab Bambi, okay? Der Doc meinte, dass 'ne kalte Dusche meinem Kreislauf verdammt gut tun würde. Und da ich heute noch was vorhabe und den Rest des Tages somit leider nicht auf deiner Couch verbringen kann, werde ich das auch jetzt machen. Ist das Handtuch frisch?“

Gustav traute seinen Ohren nicht. Mit offenem Mund starrte er Silent an, nickte nur und verließ dann schon fast fluchtartig das Badezimmer.

Dabei rannte er fast Tsu über den Haufen, was ihn aber nicht sonderlich zu interessieren schien.

Tsu hingegen aber konnte sich ein dümmliches Kichern nicht verkneifen.

„Sag' mir jetzt nicht, dass Silent nun wirklich in deinem Bad ist, um kalt zu duschen.“

Böse funkelte Gustav ihn an, drehte sich dann aber Andrej zu.

„Du hast diesem penetranten Arsch jetzt nicht gesagt, dass er hier duschen gehen soll, oder?“

Der Arzt versuchte Gustav zu beruhigen und ihm klar zu machen, dass er Georg lediglich ein paar Tipps gegeben habe. Dass er das direkt in die Tat umsetzen würde, damit hatte auch er nicht gerechnet.

Tsu hingegen hatte es sich nun auf der Couch gemütlich gemacht und die Füße auf den Tisch gelegt.

„Silent, also Georg, fackelt nie lange herum. Im Job nicht, und privat auch nicht. Das was er braucht, nimmt er sich.“

Gustav war dem Kollaps nahe, als er sah dass Bill die Füße auf seinem geheiligtem, und vor allem teuren Wohnzimmertisch(*1), den er zusammen mit Marc ausgesucht hatte, gelegt hatte.

„Nimm sofort deine Füße von meinem Tisch, ist das klar? Dich hat man daheim doch mit dem Klammerbeutel gepudert, kann das sein?“

Doch bevor er noch weiter ausholen konnte, zwang Andrej ihn dazu, sich hinzusetzen. Besorgt warf er einen erneuten Blick auf das inzwischen blutdurchtränkte Pflaster. Das Blut lief schon an Gustav herunter.

„Hör zu Gustav. Ich mach dir jetzt das Pflaster ab, schau was ich noch tun kann. Wenn aber nichts mehr geht, dann bringe ich dich ins Krankenhaus, hast du verstanden?“

Er wollte gerade ansetzen um die Wunde freizulegen, als Gustav furchtbar aufschrie und Andrejs Hand wegschlug.

„Bist du irre? Das tut verdammt weh hey! Schmerzt wie 'n abgerissener Schwanz! Arschloch!“
 

Georg war gerade dabei sich abzutrocknen, als er Gustavs Gebrülle vernahm.

„Was für ein Mädchen.“

Als er fertig mit allem war verließ er das Badezimmer, natürlich ganz in Silent -Manier nur mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet, ging an der Küche vorbei, griff sich aus dem Kühlschrank eine Flasche Wasser und machte sich ins Wohnzimmer.

„Du killst mal eben so einen Landsmann eiskalt, brüllst dann aber rum wenn der Onkel Doktor dir 'n Pflästerchen abziehen will? Du enttäuschst mich, Bambi. Wirklich. Das sieht echt böse aus. Du solltest ihn 'nen Blick drauf werfen lassen. Ganz ehrlich.“

Georg lehnte sich ans Sideboard, zwinkerte Gustav frech zu, drehte die Flasche auf und nahm einen Schluck daraus.

Gustav hingegen nuschelte irgendwelche Drohgebärden gen Silent und Andrej vor sich hin und Tsu konnte sein dreckiges Grinsen, aufgrund Georgs Auftreten und Gustavs Fluchen, nicht mehr unterdrücken.

„Bambi, jetzt halt's Maul und lass dir endlich helfen. Ach ich hab im Übrigen eben nach Deo gesucht. Du hast echt interessante Sachen in den Tiefen deiner Schränke. Du bist schwul, richtig? Ich meine welcher Kerl hat denn sonst 'n Analplug und 'n Gummiprügel im Bad? Du wohnst hier allein, da brauchste dein Spielzeug nicht in der hintersten Ecke verstecken. Wobei ich mich frage, warum du das im Bad lagerst. Im Schlafzimmer kann man da viel besser mit ‚arbeiten‘, findest du nicht?“

Das war der Punkt, an dem Gustav die Beherrschung vollends verlor.

Erst kamen Georg und Bill einfach so in seine Wohnung und nervten ihn, dann kippte Silent einfach mal so nebenher aus den Latschen, belegte erst seine Couch und ging dann einfach so, total selbstverständlich duschen und dann durchwühlte er ungeniert die Schränke.

Was zu viel war, war eindeutig zu viel.

Gustav sprang auf, ignorierte den stechenden Schmerz und wollte gerade auf Silent los gehen, als dieser nur seine rechte Augenbraue lupfte, das Handtuch von den Hüften rutschen ließ und ihm somit seinen Schwanz präsentierte, dem das kalte Wasser so ganz und gar nichts ausgemacht hatte.

In diesem Moment war Gustav wieder perplex und abgelenkt, so dass Andrej ohne weiteren Widerstand von ihm aus das Pflaster abzog.
 


 


 

„Ich krieg' hier gleich 'n Kollaps, echt! Wie konntest du nur?“

Fassungslos sah Tom seinen Vater an der an seinem Schreibtisch saß und versuchte, sich irgendwie abzulenken. Dog konnte nicht glauben dass dieser Silent gerade suspendiert hatte. Zwar wusste er, dass es eigentlich keine andere Möglichkeit gegeben hatte, aber dass Sam das eiskalt durchgezogen hatte, schockierte den jungen Polizisten richtig.

Silent hatte immer Narrenfreiheit bei Sam gehabt und auch seine, teilweise doch recht zweifelhaften Methoden Einsätze zu leiten oder Verdächtige zu verhören, hatte Sam immer unterstützt oder zumindest geduldet.

Latour ist es sichtlich schwer gefallen, aber er hatte nun mal keine andere Möglichkeit gehabt.

„Herrgott, Tom! Du weißt genauso gut wie ich, dass ich keine andere Möglichkeit hatte! In seinem Zustand ist er eine Gefahr für sich und für euch. Stell dir vor er verliert das Bewusstsein oder kann aufgrund der schweren Kopfverletzung nicht schnell genug reagieren?“

Tom jedoch winkte nur ab. All das wusste er, sicher. Aber er wusste auch, dass es niemanden gab, der sie sonst leiten konnte. Sein Vater wäre theoretisch noch dazu in der Lage, doch rein praktisch war er zu alt.

Schneider hatte das Handtuch geworfen und er selbst war noch nicht so weit. Über Tsu's Fähigkeiten wollte er erst gar nicht nachdenken.

„Und was machst du, wenn es ernst wird? Wer übernimmt dann die Verantwortung?“

Latour schwieg für einen kurzen Moment und überlegte. Er wusste, dass sein Sohn Recht hatte aber genauso gut wusste er auch, dass er so schnell wie möglich eine Lösung finden musste.

„Wir gehen dann nach Plan vor. Wenn der Truppenführer ausfällt, ist der nächste Ranghöchste an der Reihe. Demzufolge wärst dann du es.“

Und genau das hatte Tom sich gedacht.

Vehement schüttelte er den Kopf und nahm eine abwehrende Haltung ein.

„Vergiss es. Erstens kann ich das nicht, zweitens will ich das auch noch gar nicht und drittens kann ich Silent dann nie wieder unter die Augen treten, ohne dass er versucht mir den Arsch aufzureißen, und das weißt du genau!“

Doch Sam winkte nur ab.

Innerlich wusste er genau, dass Silent es sich unter Garantie nicht bieten lassen würde komplett ersetzt zu werden. Aber auch der Oberkommissar hatte seine Vorschriften, die er nicht nach eigenem Ermessen umgehen konnte.

Und Georg war nun einmal krank und zudem noch suspendiert.

„Tom, wir haben keine andere Möglichkeit. Du weißt wie der Hase läuft. Und wenn ein neuer Auftrag rein kommt, dann wirst du die Sache leiten. Ende der Fahnenstange.“

Und weil Tom genau wusste, dass sein Vater an dem Punkt angelangt war wo er keinerlei Widerrede duldete und ihr auch erst gar keine Beachtung schenkte, verließ er wutentbrannt das Büro. Natürlich nicht ohne die Tür laut zuzuknallen.

Tom wollte ganz und gar nicht irgendwelche Einsätze und schon gar nicht die Verantwortung für einen ganzen Zug übernehmen.

Er musste es irgendwie schaffen, Silent zur Vernunft und somit wieder in den Job bringen.

Auf dem Weg zum Parkplatz, auf dem er seinen Audi A 8(*2) geparkt hatte, versuchte er Silent auf dessen Handy zu erreichen, jedoch vergeblich.

Wahrscheinlich hatte er es immer noch in seinem Spind liegen, wie es allzu oft der Fall war.
 

Silent hielt nie viel von Mobiltelefonen. Sie waren ihm nur lästig und er hasste es regelrecht, dass alles und jeder erreichbar sein musste. Er konnte ganz gut ohne diese Dinger leben. Die Sache hatte nur einen Haken: Sein Umfeld konnte es eben nicht. Und deswegen wurde er auch zu so einem Teil genötigt.
 

Resignierend seufzte Dog, öffnete seinen Wagen und stieg hinein. Er wählte Bills Nummer und war erstaunt, wie schnell dieser am Handy gewesen war.

Doch bevor er auch nur in irgendwie ansatzweise etwas sagen konnte, wurde er von Tsu auch direkt schon regelrecht überfallen.

„Alter! Ich bin hier im Irrencamp! Ohne Mist! Erst kutschier' ich Silent hier hin, dann erwischen wir diesen Helden mit 'nem alten Sack beim Ficken, dann kippt Silent aus den Latschen, geht duschen und zieht danach blank!“

Tom hatte alle Mühe auch nur ansatzweise zu begreifen, was Bill ihm mitteilen wollte. Aber er wurde absolut nicht schlau aus seinem Kollegen.

Er hielt in der Bewegung inne den Wagen starten zu wollen, zog eine Augenbraue in die Höhe und schüttelte ungläubig den Kopf.

„Ficken? Silent kippt aus den Latschen? Zieht blank? Tsu STOP! Eins nach'm anderen, okay? Zu allererst verrätst du mir, wo ihr seid. Denn ich werde Georg persönlich den Arsch für sein Verhalten aufreißen! Du wolltest ihn nach Hause bringen, Tsu. Was war so schwer daran? Wo solltest du ihn den hin kutschieren? Wo zum Teufel noch mal steckt ihr?“

Doch anstatt auf Toms Frage zu antworten, plapperte Tsu munter weiter.

„Das Bambi hier ist echt kurz vor'm ausrasten. Das dauert nicht mehr lange.

Eben hat er noch gejammert wie 'nen Baby als der Arzt im das Pflästerchen abzog und jetzt flucht er wie 'nen russischer Seemann und Silent lacht ihn nur aus. Dog, wenn du hier wärst, du würdest laufen gehen, ganz ehrlich.“

Tom war kurz vor dem Verzweifeln.

Nicht, dass ihm die Sache nicht so schon genug zusetzte, nein. Jetzt hatte Tsu sich von Silent auch noch einlullen lassen und sich zu diesem ominösen Retter fahren lassen, wo er nun allem Anschein nach die Puppen, in welcher Form auch immer, tanzen ließ.

Er brauchte weitere zehn Minuten um aus Bill heraus zu bekommen wo sie nun genau waren.

Und Tom war sich der Tatsache durchaus bewusst, dass er mindestens, wenn er dort ankam, noch eine Stunde brauchen würde um Silent und Tsu davon zu überzeugen, endlich die Sache, wenn auch nur vorerst, auf sich beruhen zu lassen.
 


 


 


 

1* http://www.lachair.de/de/USM-Haller/Paul-Schaerer-Fritz-Haller/Tische/Haller-Quadrat-Couchtisch-Glas-lackiert-USM-Rubinrot.html
 

2* http://www.audi.de/de/brand/de/neuwagen/a8/a8/360-grad-ansicht.html



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Belldandy01
2011-01-07T12:28:02+00:00 07.01.2011 13:28
Hey, da is' ja endlich was von online. ^.^
Ist ja schon wieder eine ganze Weile her, seit unserer lustigen Namenssuche XD.

Bis jetzt gefällt mir die Story wirklich gut.
Und über 'Robin Hood' und 'Bambi' hab ich herrlich gelacht.



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