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Zwei Wochen am Telefon

Zorro x Sanji
von

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Der Anfang vom Ende

Für Bubi und Pauli, für Lieschen und Pascha - in tiefster Liebe
 

Freitag, 1o. Dezember

„Du hast was?! Namilein, das kann nicht dein Ernst sein!“ Weinerlich, weil es ihm unmöglich war, seiner Freundin böse zu sein, jammerte Sanji ins Telefon.

„Entschuldige, Sanji, aber ich wusste einfach nicht, wohin mit ihm. Das Wasser hat die ganze erste Etage überflutet. Bis die Wohnungen wieder bewohnbar sind, dauert das noch eine Weile, besonders bei diesem nasskalten Wetter“, rechtfertigte Nami sich am anderen Ende der Leitung.
 

„Aber…“ Der Blonde rang mit den Händen. Er verstand ja das Problem, aber warum musste man ihn deshalb bestrafen?! „Kannst du sie nicht in einem Hotel oder einer Pension unterbringen, solange bis der Rohrbruch behoben und die Wohnungen wieder trocken sind?“

Er hörte, wie Nami tief Luft holte, und wusste im selben Moment, dass er das Falsche gesagt hatte.

„Hast du eine Ahnung, wie teuer das wird?!“, wetterte die junge Frau da auch schon los und Sanji zog unwillkürlich den Kopf ein, „Allein der Schadensersatz und die Reparatur werden mich ein Vermögen kosten!! Und von der Versicherung bekomme ich auch kein Geld, weil es angeblich mein Fehler war, dass die Rohre nicht ordentlich gewartet wurden – kann ich es denn riechen, dass die alten Dinger angefangen haben zu rosten!? Jedenfalls kann ich es mir nicht leisten, die Mieter in irgendwelchen Hotels unterzubringen!“
 

„Aber…“, versuchte Sanji es erneut, „du kannst sie doch auch nicht einfach zu deinen Freunden abschieben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich niemand der Beteiligten darüber beschwert…“

„Im Moment bist du der Einzige“, winkte seine Freundin gnadenlos ab. „Ace fühlt sich bei Vivi und Robin in der WG bestens aufgehoben und die beiden haben nichts dagegen. (Sanji knirschte mit den Zähnen, er wollte nur zu gern mit ihm tauschen!) Sein Bruder Ruffy lebt bei mir wie die Made im Speck. Er frisst mir die Haare vom Kopf, aber zum einen ist er was das Essen angeht nicht sonderlich wählerisch und zum anderen ist das so immer noch billiger als ihn in einem überteuerten Hotel unterzubringen.“ Sanji konnte nur den Kopf schütteln und ungläubig sein Handy anstarren. „Und Lysop hat viel zu viel Angst vor mir, als dass er sich über seinen neuen Mitbewohner Franky aufregen würde.“ Nami schnaufte selbstzufrieden. „Damit bleibst nur noch du übrig. Also hab dich nicht so, wir müssen schließlich alle in den sauren Apfel beißen.“
 

„Aber…“ Neuer Versuch, neues Glück. Oder so ähnlich. „Ich bin die nächsten zwei Wochen überhaupt nicht Zuhause! Hast du vergessen, dass ich gestern nach Osaka zur Meisterschaft aufgebrochen bin? Ich bin erst am 23. wieder da! Du kannst doch unmöglich von mir verlangen, dass ich solange einen Wildfremden, den ich nur vom Hörensagen kenne, allein in meiner Wohnung wohnen lasse!“

„Pfft!“ Sanji konnte sich Namis abwiegelnde Handbewegung zu diesem Laut gerade bildlich vorstellen. „Laut Ace und Ruffy ist er ein „echt netter Kerl“ und ein „voll cooler Nachbar“. Außerdem kann er sich gleich um Sander kümmern, ich habe eh keine Zeit, jeden Tag nach ihm zu sehen. Damit lösen wir gleich zwei Probleme auf einmal.“
 

Na prima! Sanji wollte gerade erwidern, dass ihn das nicht wirklich überzeugte, als die Orangehaarige zum finalen Schlag ausholte und mit samtweicher, ungewohnt weinerlicher Stimme sagte: „Komm schon, Sanji, ich dachte, wir wären Freunde…! Und in der Not helfen Freunde doch einander…oder? Habe ich dich jemals im Stich gelassen…?“

… Sanji hätte am liebsten seinen Kopf gegen die Tischkante geschlagen. Das waren aber auch echt miese Tricks! Natürlich waren sie Freunde, er liebte Nami wie eine kleine Schwester. Und natürlich konnte er ihr selten etwas abschlagen. Schon gar nicht, wenn sie die Freunde-Karte ausspielte. Aktiviere Fallenkarte! Pokeball flieg! Oder so.
 

Und so gab sich der gelernte Koch geschlagen. „Also gut, meinetwegen.“ Resignierend fuhr er sich durch die blonden Zotteln, während am anderen Ende der Leitung ein Jubelschrei erklang. „Aber wenn er irgendetwas kaputt macht, klaut oder Sander auch nur ein Haar krümmt, dann…!!“

„Schon klar!“, unterbrach Nami ihn – glücklicherweise, denn er hätte ihr eh nicht drohen können – und hatte es plötzlich eilig, das Gespräch zu beenden. Vermutlich damit er es sich nicht noch anders überlegen konnte. „Ich gebe dir mein Wort, dass nichts passiert, während du weg bist! Danke Sanji, du hast was gut bei mir. Also bis später und viel Glück! Klick

„... NAMI-SCHAAAATZ, Ich liiieebe diich, für dich tu ich doch alles!! …Oh schon aufgelegt. Schade...“

Schade, dass sie die 1001. Liebeserklärung nicht mehr gehört hatte…
 

~TBC~

Von A wie Annährung bis Z wie Zankapfel

Samstag, 11. Dezember

„Du schon wieder.“ Lorenor Zorro, derzeit wohnhaft in Tokyo, genauer gesagt in meiner Wohnung, klang nicht besonders begeistert, als er ans Telefon ging. (An mein Telefon…) Nicht dass es mich jucken würde… Da musste er durch!

„Du mich auch“, gab ich dementsprechend unbeeindruckt zurück und machte es mir auf dem breiten Hotelbett gemütlich.

Es war nicht das erste Mal, dass wir das Vergnügen miteinander hatten. Bereits gestern nach der ersten Showaufzeichnung hatte ich Zuhause angerufen, weil ich es vor lauter Unruhe nicht mehr ausgehalten hatte.
 

Zu Recht, denn mein neuer Untermieter war das genaue Gegenteil von mir: Rechthaberisch, arrogant, selbstverliebt, störrisch und der totale Macho. Mehr als einmal waren wir während unseres gestrigen Telefonates aneinander geraten. Obwohl wir uns gar nicht kannten, flogen mächtig die Fetzen – und das immerhin anderthalb Stunden lang.

Ein guter Grund, ihn auch heute wieder anzurufen, denn unter dem Deckmantel der Besorgnis versteckte sich zudem die Tatsache, dass es irgendwann auf eine verkorkste Art und Weise begonnen hatte, Spaß zu machen. Ich war es nicht gewohnt, dass mir jemand gnadenlos Paroli bot. Und irgendwie… beeindruckte mich das.
 

„Müsstest du nicht gerade für diesen Wettbewerb kochen oder so? Ein paar Töpfe umrühren? Gemüse klein schnippeln? Die Jurorin anbaggern? Du bist doch gerade im Fernsehen.“ Er klang gelangweilt, dennoch ließen mich die Worte aufhorchen. Er schaute sich die Meisterschaft an? Interessant.

„Das ist eine Aufzeichnung, du Honk. Der Vorentscheid war gestern. Und übrigens ist das nicht einfach nur ein Wettbewerb, sondern die nationale Kochmeisterschaft.“

„Hmpf… Angeber!“
 

„…Soll ich dir verraten, wie es ausgeht?“ Ich feixte und schaltete den Lautsprecher ein, damit ich mir das Handy nicht die ganze Zeit ans Ohr halten musste.

„…Da du noch nicht auf dem Weg hierher bist, gehe ich stark davon aus, dass du weitergekommen bist.“ Er wollte wohl unbeeindruckt wirken, trotzdem konnte er das Widerstreben in seiner Stimme nicht ganz verstecken.

„Wer sagt dir, dass ich nicht schon vor der Tür stehe?“

„… … … Mach dich nicht lächerlich, Gemüseschäler!“

„Bist du gucken gegangen?“

„Unsinn!“ Ich konnte mir gut vorstellen, dass er gerade peinlich berührt errötete. Mit Sicherheit hatte ich ihn durchschaut. Amüsiert drehte ich mein Handy zwischen den Fingern, als mir eine Idee kam.
 

„Sag mal…“

„Hn?“ Verstimmt brummte er in den Hörer, ich musste grinsen.

„Wo du mich gerade so schön im Fernsehen bewundern kannst…“

„So spannend ist das nun auch wieder nicht.“

„…Genieß es, solange du noch kannst, Idiot!“

„Komm auf den Punkt, Kochlöffel!“

Ich räusperte mich. Wir schweiften schon wieder ab.

„Jedenfalls finde ich es nur fair, wenn du mir beschreibst, wie du aussiehst.“

„…Gibt es für sowas nicht Telefonhotlines?“

„Sehr witzig! Du sollst dich nur beschreiben, nicht mich anmachen.“ Ich versuchte mir vorzustellen, wie Zorro mir mit seiner tiefen Stimme hotlinemäßig ins Ohr säuselte, und scheiterte kläglich. Gruselige Vorstellung.
 

„Das ist dein Ernst…?!“ Seine Stimme klang zweifelnd und irgendwie hoffend, als würde ich ihn nur auf den Arm nehmen wollen. Pah, weit gefehlt! Obwohl…

„Na aber hallo! Ich will mir wenigstens ein Bild von dir machen können, wenn du schon in meiner Wohnung hausen musst.“

„Ich hab mir das hier auch nicht ausgesucht, weißt du?!“ Entrüstet schnappte Zorro nach Luft, ich zuckte jedoch nur mit den Schultern.

„Na und?“ Wir alle mussten so unsere Opfer bringen.

Er tat mir den Gefallen mit so viel Widerwillen, dass ich mir vor Schadenfreude ein Lachen kaum verkneifen konnte:

„Ein Meter achtzig groß, muskulös, gut aussehend, grüne Augen, drei Ohrringe und grüne Haare.“ Beinahe trotzig weigerte er sich, mir noch weitere Informationen zukommen zu lassen. Ich lachte in mich hinein, tippte auf mein Handy und betrachtete sein Foto, das Nami mir geschickt hatte. Nun, gelogen hatte er schon einmal nicht. Glück für ihn.
 

„Du schimmelst an allen Ecken und Enden, was?“, zog ich ihn auf und vergrößerte das Bild, um mir sein Gesicht genauer angucken zu können.

„Das Einzige, was hier schimmelt, sind deine lahmen Witze, Goldlöckchen. Übrigens steht dir diese Kochmütze überhaupt nicht.“

„Mir steht alles, du ahnungsloser Hinterwäldler!“

„Natürlich… und wovon träumst du nachts?“

„Womit wir wieder beim Thema Hotline wären, Marimo…“

So ging das weiter und weiter und weiter…

Doch das war erst der Anfang. Dabei ahnten wir beide nicht, dass sich dieses und ähnliches Geschehen von nun an jeden Abend zutragen würde…
 

~~~
 

Sonntag 12. Dezember

„Dein Katzenvieh hat ein Rad ab!“, eröffnete ich dem Koch fauchend, nachdem er endlich an sein Handy gegangen war.

„Dir auch einen guten Abend“, gab er zuckersüß zurück und ergänzte trocken: „Was, hat er deinen Mooskopf für Katzengras gehalten und daran rumgekaut?“

„Sehr witzig!“ Grollend tigerte ich im Wohnzimmer auf und ab und warf der geschlossenen Schlafzimmertür in regelmäßigen Abständen böse Blicke zu, als könnte ich dem sandfarbenen Krallenmonster mit seinen klaren, grünen Augen, das ich erfolgreich ausgesperrt hatte, so das samtweiche Fell über die Ohren ziehen. „Ich komme nichts Böses ahnend nach Hause und werde prompt von deinem Miniaturtiger angefallen!! Der hat sich an mein Bein gekrallt, als wär ich sein bescheuerter Kratzbaum! Nur mit Müh und Not konnte ich ihn abschütteln!!“ Empört schnaufte ich ins Telefon.
 

„Das hat bestimmt total bekloppt ausgesehen, wie du auf einem Bein durch die Wohnung gehopst bist“, tippte Sanji, unüberhörbar grinsend.

„Bin ich gar nicht!!“ War der Typ noch zu fassen?! Blöde Suppenkelle!

Was hatte ich denn für eine Wahl habt!?

„Hilf mir lieber, anstatt stupide Kommentare in die Welt hinauszuposaunen! Was muss ich tun, um die Kratzbürste ruhig zu stellen? Ich habe keine Lust, heute auf der Couch zu schlafen.“

Sanji schwieg einen Moment, ehe er mit einer unterschwelligen Drohung in der Stimme erwiderte: „Ich hoffe wirklich für dich, dass du meinen Kater nicht ins Schlafzimmer gesperrt hast…!“

„…Wechsel nicht das Thema!“

„Na schön…“ Nur sehr widerwillig schien sich der Blonde meinem Problem zuzuwenden. Recht herzlichen Dank auch, zu gütig… Hmpf! „Eigentlich ist er selten schlecht drauf. Also entweder kann er dich nicht leiden, was ich nur zu gut verstehen könnte…“ Haha. „Oder er hat Hunger. Hast du ihn heute Morgen nicht gefüttert?“

„Gefüttert…?“, wiederholte ich langsam. Oh sch………
 

„Marimo?!“ Er klang beunruhigt und ich konnte es ihm nicht einmal verübeln. Den Kater zu füttern, daran hatte ich noch gar nicht gedacht... Ich klappte den Mund auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen, auf der Suche nach einer effektiven Rechtfertigung.

„Marimo!“ Oha, er wurde ungeduldig, während ich eisern schwieg.

Mühsam beherrscht betonte der Koch jedes folgende Wort: „Sag.mir.bitte.nicht.dass.Sander.seit.drei.Tagen.nichts.zu.Fressen.bekommen.hat…!“

„Öh…“ Ein viel versprechender Anfang! Nur Mut, Zorro, du schaffst das! „Na ja… ich dachte, er… fängt… sich… selbst… was…?“ Das konnte man doch gelten lassen. Oder nicht? Immerhin schlich das Vieh seit drei Tagen um mich herum wie auf der Pirsch nach dem sprichwörtlichen heißen Brei!
 

Der brodelnden Stille am anderen Ende der Leitung nach zu urteilen, hieß das wohl eher „oder nicht“. Doch es war nur die Ruhe vor dem Sturm, denn schon holte die blonde Furie tief Luft und ließ eine Schimpftirade vom Stapel, die stolze drei Minuten andauerte. Respekt! Der hatte ein anständiges Lungenvolumen. Und ein Organ, meine Fresse! Ich musste den Hörer weit von mir weg halten, um nicht taub zu werden. Es drängte sich mir die Vermutung auf, dass er durchs Telefon und mir an die Gurgel gesprungen wäre, wäre das physikalisch möglich gewesen.

Als er dann endlich nach Luft schnappte, nutzte ich die Gelegenheit und knurrte zerknirscht ins Telefon: „Ist ja gut, tut mir Leid…! Sag mir einfach, wo das Zeug steht und ich gebe ihm gleich was.“
 

Sanji atmete hörbar ein und aus und schickte mich mit dezenten Beleidigungen in die Küche zum Kühlschrank. „Siehst du die Schälchen in den untersten beiden Fächern? Das ist Sanders Futter. Für jeden Tag eine Portion, von der er morgens die erste Hälfte und abends die zweite bekommt. …Ach und wo wir schon dabei sind: Die Katzentoilette muss auch regelmäßig sauber gemacht werden!“ Ich reagierte nicht auf seine Stichelei. Wie vom Donner gerührt stand ich vor dem offenen Kühlschrank und starrte auf die mit Klarsichtfolie abgedeckten Porzellanschälchen.

„Hey du grünpelziger Hornochse, bist du noch dran?“

„Was ist denn los?!“

„Haallooo, Marimo…!“ Jetzt fing der schon an, zu nörgeln. Wäre ich nicht paralysiert gewesen, hätte ich darüber geschmunzelt, dass er es anscheinend nicht ertragen konnte, von mir ignoriert zu werden.

„Das… ist das Katzenfutter?“

„Ja, wieso?!“

„…Hast du das selbst gekocht?“

„Ich wiederhole: Ja, wieso?!“

„Ach, nur so.“, erwiderte ich tonlos und nahm ein Schälchen aus dem Kühlschrank, um anschließend den Katzennapf zu befüllen.

„Hallo?! Wo ist das Problem?“ Wenn der glaubte, dass ich ihm das auf seine sommersprossige Nase binden würde, hatte er sich aber gehörig geschnitten. Niemals und dreimal im Leben nicht würde ich das!

Musste ich auch gar nicht.

Er kam selbst drauf.

„Warte… dachtest du etwa…?! Hast du davon gegessen?!“

Mitten ins Schwarze. Treffer versenkt.

„…“

„…Ich dachte, das wäre Geschnetzeltes oder so. Und Nami meinte, du hättest vorgekocht, für die, die hier nach dem Rechten schauen würden.“

„Hab ich auch. Das ist im Gefrierschrank.“

„Ach so.“

„…“ Aus dem Hörer ertönte ein gepresster Laut. Ich stützte mich missmutig auf die Arbeitsplatte und zählte in Gedanken runter.

3

2

1

„GNAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAHAAAAHAHAHAA!!!“

Na super.
 

Sanji war so nett und demonstrierte mir sehr herzhaft, dass seine Lungen noch viel mehr Ausdauer besaßen. Es dauerte geschlagene zwanzig Minuten bis sein haltloses Gelächter endlich verebbte.

„So lustig war das nun auch nicht“, brummte ich angefressen. Inzwischen hatte ich den Napf auf den Boden gestellt und die Schlafzimmertür wieder geöffnet. Dabei hätte ich noch nicht einmal in Deckung gehen brauchen, denn das Katzentier flitzte ohne mich eines Blickes zu würdigen an mir vorbei in die Küche, wo es sich genüsslich über sein – wie ich leider bestätigen konnte – leckeres Fressen hermachte.
 

„Doch“, gluckste Sanji und schniefte. Anscheinend musste er schon heulen vor Lachen. „Ich hätte nur zu gern eben dein Gesicht gesehen!“

„Pah.“

„…Ihihihihi…“

„Hast du es denn bald?!“ Am liebsten hätte ich ihn jetzt höchst persönlich durchs Telefon gezerrt. Oder mit meiner Faust liebevoll den Fernseher zertrümmert, der mir stolz die neusten Bilder von Sanjis Meisterschaft präsentierte, kaum dass ich ihn angeschaltet hatte. Oh diese ekelhaft selbstbewusst grinsende Visage!!

„KichichichihohohahahahaHAHAHAHA!“

„HÖR ENDLICH AUF ZU LACHEN!“ Den TV-Sanji mit finsteren Blicken durchbohrend ließ ich mich auf seine Couch fallen und beäugte Sander skeptisch, der sich – mit einem Mal sehr zutraulich – an meine Beine schmiegte.

Na das konnte ja noch heiter werden.
 

~TBC~

Von Desserts und Nadelbäumen

Dienstag, 14. Dezember

Schläfrig zappte ich mich durchs Fernsehprogramm. Die heutige Qualifikationsrunde war anstrengend gewesen.

Nichtsdestotrotz hatte ich natürlich auch heute Zorro am Telefon. Ganz automatisch horchte ich auf das vertraute Schnurren, das aus dem Lautsprecher erklang. Es erstaunte mich schon, dass Sander dem grünpelzigen Idioten inzwischen so sehr vertraute, dass er auf dessen Bauch schlief – denn das tat er wohl gerade, wie mir der Marimo ein wenig überfordert mitgeteilt hatte. Meine Vermutung, dass dieser verwöhnte Kater ihn derweilen mochte, weil er ihm nun nicht länger das Futter wegaß, hatte Zorro im Übrigen mit ein paar wüsten Beleidigungen und Verwünschungen quittiert.

Als ob er mich damit verschrecken konnte… Allerdings wurmt es mich schon, dass ich Zorros Katzenfutterodyssee nicht live und in Farbe hatte miterleben können. Dabei brachte mich selbst heute noch allein die Vorstellung von seinem entgleisten Gesicht zum Schmunzeln.

Es reizte mich, dieses Ereignis erneut herauszufordern, auch wenn ich es wieder nicht sehen konnte…
 

Meine eigene Klingel ließ mich plötzlich aufhorchen – anscheinend hatte Zorro ebenfalls den Lautsprecher meines schnurlosen Telefons angeschaltet – und beinahe wäre ich aus Gewohnheit aufgestanden, um die Tür zu öffnen.

„Wer ist das denn jetzt?!“, kam es träge von Zorro. Dann war ein leises Rascheln zu hören.

„Woher soll ich das wissen, bin ich Hellseher?“, gab ich zurück und hielt mein Handy näher an mein Ohr, um besser verstehen zu können.

„Nein, aber extrem nervtötend. …Ja?“

Ich verzichtete ausnahmsweise auf eine Erwiderung, da er bereits an der Tür war, und lauschte.

„Lorenor Zorro?“

„…Der bin ich, wieso?“

„Wunderbar, ich habe hier eine Eilzustellung für Sie. Wenn Sie bitte hier unterschreiben würden?“

„Ich… was?!... Na wenn Sie meinen…“

Ich verdrehte die Augen, allerdings konnte ich ihm seine Verwunderung nicht verübeln, und lachte mir leise ins Fäustchen.

„Danke. Viel Spaß damit und einen schönen Abend noch!“

„Ja ja, tschüss.“ Die Tür fiel hörbar ins Schloss und den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen, packte der Marimo das Päckchen bereits aus, während er ins Wohnzimmer zurückkehrte.

„Wer zum Geier schickt mir etwas an deine Adresse, Kochlöffel?“, erkundigte er sich skeptisch.

„Vielleicht schickt dir der Weihnachtsmann schon mal im Vorfeld eine Rute“, erwiderte ich über das Papierrascheln hinweg.

„Witzig, du wahnwitziges Waffeleisen, wirklich witzig!“ Fand ich auch.

„Was zum…?“ Gespannt horchte ich auf sein plötzliches Schweigen und warf einen Blick auf den Fernseher. Wenn er die heutigen Aufnahmen der Meisterschaft eingeschaltet hatte, musste ihm eigentlich bald ein Licht aufgehen.
 

„Koch…?“

„Ja?“

„Was soll das?“

„Was soll was?“

„Frag nicht so blöd! Hast du nichts Besseres zu tun, als deine heute preisgekrönten Desserts per Eilkurier an mich zu schicken?“

Ich zuckte mit den Schultern, was er ja nicht sehen konnte, und antwortete schnippisch: „Die sind vorhin übrig geblieben und allein hätte ich die eh nicht geschafft. Ich weiß, Perlen vor die Säue, aber ich will einfach nicht riskieren, dass du dich wieder an Sanders Futter vergreifst.“ Mein Kater mauzte ins Telefon, als er seinen Namen hörte, was mich zum Lachen brachte, während Zorro ein genervtes Stöhnen von sich gab.

„Du bist doof“, entschied er mit vollem Mund und ich schmunzelte.

„Schmeckt’s?“

„…Man kann’s essen…“

„Hey! Diese Desserts haben mich heute an die Spitze der Punktetabelle befördert! Ein bisschen mehr Respekt bitte!“

„Bevor ich dir Respekt zolle, friert die Hölle zu, Goldlöckchen.“

„Du…!“ Ich holte schon tief Luft, um ihm Konter zu geben, als er mich ganz unhöflich unterbrach.

„Halt einfach die Klappe, Koch, und lass mich essen!“

Ich pustete die Luft unverrichteter Dinge wieder aus und kuschelte mich mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen in mein Kissen.

Was war ich doch für ein raffiniertes Kerlchen…
 

~~~
 

Freitag, 17.Dezember

„Und?“, ungeduldig schallte Sanjis nörgelnde Stimme aus meinem Handy, „Wie sieht’s aus?“

„Grün. Und nadelig.“, gab ich trocken zurück und erntete ein Schnauben. Na was denn?! Die Frage war doch wirklich unpassend.

„Ein bisschen genauer bitte, Marimo! Du bist auch grün und pieksig, aber dich würde ich nicht mit meinen teuren Christbaumkugeln behängen wollen.“

„Bin ich ein Baum oder was?!“ Das war ja wohl die Höhe!

„Na ja…“ Das unterdrückte Lachen war kaum zu überhören. „Zumindest hast du einen Holzkopf mit einer grünen Spitze…“ Was musste ich auch fragen…
 

„Kommen wir wieder zurück zum eigentlichen Thema!“, knurrte ich verärgert und kämpfte mich durch ein Dutzend Nordmann-Tannen. Dieser Kerl war doch unfassbar! Da verlangte der doch tatsächlich von mir, dass ich ihm einen Weihnachtsbaum kaufen ging. Mit ihm live am Telefon, damit ich auch ja nicht den falschen Baum holte… Baum war Baum oder nicht!?

„Dann beschreib doch mal, wie sehen die Bäume denn so aus?“

„Koch, du machst mich wahnsinnig! Das sind grüne Nadelbäume! Grün. Mit Nadeln dran! Was willst du von mir?!“ Ich blieb stehen und gestikulierte wild. Was sollte man da bitte groß beschreiben?! Es war ja nicht so, dass die Dinger bunte Pudelmützen trugen. „Ich nehme einfach irgendeinen! Den hier“, entschied ich und wollte gerade einen der mir am nächsten stehenden Nadeldinger am Schlafittchen packen.
 

„Nein! Es muss der richtige sein! Stell dich nicht so an, Nadelbirne! Es kommt zum Beispiel auf die Größe an.“ Hahaha. „Wie groß ist er denn?“

„Im Vergleich zu mir oder im Vergleich zu dir?“, erkundigte ich mich unschuldig und grinste. Ich konnte förmlich sehen, wie er sich mit einem genervten Laut die Haare raufte. Aber dennoch gab er nicht auf und versuchte es erneut. Zähe Socke!

„Wie ist er denn gebaut?“

Das war jetzt nicht sein Ernst!

„Also… er hat einen Stamm, Zweige, Nadeln…“

„MARIMO!“ Ich konnte mich nicht länger zurückhalten und lachte auf, während er mit den Zähnen knirschte. „Ich meinte, wie die Zweige verteilt sind. Ist er unten eher breit und wird nach oben immer spitzer oder ist er unten eher dünn und wird dann in der Mitte breiter?“ Der konnte Fragen stellen! Kritisch betrachtete ich das Nadelteil.

„Hm… ich würde sagen, ersteres.“

„Okay… Und wie sieht die Spitze aus?

„…“

„Ja, spitz, ich weiß, sag’s nicht!“ Na also. Er lernte dazu. Wer blöde Fragen stellte, musste mit noch blöderen Antworten rechnen.
 

Zu meinem Leidwesen hielt ihn das jedoch nicht davon ab, damit fortzufahren, denn so ging das tatsächlich noch eine ganze halbe Stunde weiter. Als ich dann endlich zum Ausgang gehen konnte, wo unser – der perfekte – Weihnachtsbaum gerade in ein Netz geschnürt wurde, waren wir beide gereizt und mit den Nerven am Ende. Der Verkäufer, der mich einige Zeit lang beobachtet hatte, grinste belustigt, als er das Geld entgegennahm, und sagte: „Keine Sorge, der Baum wird Ihrer Frau ganz sicher gefallen.“ Ich starrte ihn an, Sanji war verstummt. Dann brach der Koch in so haltloses Gelächter aus, das man ihn selbst ohne Lautsprechereinstellung noch gut hören konnte, und ich feixte, während ich dem rotwangigen, halb erfrorenen Weihnachtsbaumfuzzi, der mich nun fragend ansah, am liebsten eine reingehauen hätte.
 

~TBC~

Von nah und fern

Sonntag, 19. Dezember

„Weißt du, Marimo…“, begann ich am Abend des vierten Advents, „Ich finde ja, du könntest die Wohnung schon mal weihnachtlich schmücken.“

„Und ich finde“, gab Zorro in demselben gelassenen Tonfall zurück, „dass du nicht mehr alle Kochlöffel im Besteckkasten hast.“

„Doch ernsthaft!“ Ich ließ mich ausnahmsweise nicht beirren, wenn auch nur, um ihn zu ärgern. „Der Baum muss geschmückt, der Schwibbogen aufgestellt und die restliche Weihnachtsdeko verteilt werden.“

„Ernsthaft, Koch, du hast sie nicht mehr alle. Ich werde mich jetzt nicht hierhin stellen und deine Wohnung schmücken.“

„Warum denn nicht?“

„Reicht es nicht, dass ich dir den blöden Baum gekauft und aufgestellt habe?“

„Nein?“
 

Er stöhnte genervt und frustriert. „Dann komm her und mach es selbst!“

„Du bist lustig. Morgen ist das Halbfinale, da werde ich wohl kaum jetzt nach Hause fahren!“

„Dann hast du wohl Pech gehabt.“ Wie fies!

„Komm schon, Spinatschädel, wenigstens den Baum und den Schwibbogen!“, versuchte ich ihn runter zu handeln. Mit Absicht hatte ich zuvor um mehr gebeten, als ich eigentlich wollte. Im Übrigen konnte ich den Schwibbogen am 24. Dezember auch noch selbst aufstellen…

„Vergiss es!“
 

„Ach, du bist doof!“ Schmollend verschränkte ich die Arme vor der Brust und strafte ihn, in dem ich vor mich hin nörgelte – und zwar gerade so laut, dass er es hören musste.

Einige Zeit lang ignorierte er mich – und ich dachte mir: „Jetzt erst recht!“ und meckerte weiter – als mich das leise Geräusch inne halten ließ, das man hören konnte, wenn etwas Zartes, Gläsernes zerbrach.
 

„Marimo?“ Ich horchte lauernd, als es am anderen Ende plötzlich sehr still wurde.

„…Was?“, kam es ertappt zurück und irgendetwas sagte mir, dass er gerade dabei war, den Baum zu schmücken und dabei eine meiner teuren – wirklich teuren – Christbaumkugeln fallen gelassen hatte. Ich wägte meine Antwortmöglichkeiten sorgfältig ab und entschied, ihn für die zerbrochene Kugel erst nach den Weihnachtsfeiertagen zu bestrafen. Schließlich wollte ich ja, dass er den Baum zu Ende schmückte…

„Ach nichts“, erwiderte ich deshalb unschuldig. „Ich dachte nur, ich hätte was gehört.“

„Tze, jetzt hast du schon Halluzinationen.“ Zorro klang so erleichtert, dass ich mir auf die Faust biss, um nicht laut loszulachen.
 

„Das wird’s sein.“ So ganz konnte ich den Spott in meiner Stimme nicht verbergen, doch er reagierte nicht darauf. Stattdessen war in der folgenden halben Stunde immer wieder bemüht leises Papierrascheln und Glöckchenklingen zu hören. Anscheinend gab sich da jemand richtig Mühe, stellte ich belustigt fest.

Aber wehe ihm, wenn er noch mehr kaputt machte! Dann würde ich ihn höchst persönlich zur Weihnachtsgans verarbeiten! Und anschließend tranchieren! Jawohl!
 

~~~
 

Mittwoch, 22. Dezember

„Marimo, ich bin‘s.“ Meine Augenbrauen wanderten fragend nach oben, während ich sicherheitshalber noch mal das Display des Telefons prüfte. Tatsächlich. Sanjis Handynummer.

„Koch?“

„Hm?“

„Korrigiere mich, falls ich falsch liege-“

„Da bin ich ja morgen noch nicht fertig.“ Ich ignorierte seine Spitze und fuhr unbeirrt fort.

„Läuft nicht gerade das Finale deiner Meisterschaft im Fernsehen?“

„Korrekt.“

„Und ist das nicht eine Live-Übertragung?“

„Auch das ist richtig.“

„Und… müsstest du nicht – nur mal theoretisch – gerade so etwas tun wie – lass mich überlegen – kochen?!“

„Du bist ja heute ein ganz besonders gewieftes Kerlchen!“
 

Ich massierte mir die Schläfen und schaute auf den Fernseher, wo jedoch immer noch Werbung lief.

„Schön. Jetzt, wo wir das geklärt haben, hätte ich da mal eine Frage.“

„Nur raus damit!“ Für meinen Geschmack klang er ein bisschen zu amüsiert.

„Wo du doch eigentlich gerade – wie war das? – kochen müsstest…“

„Ja?“

„Wie kommt es, dass wir gerade miteinander telefonieren?“

„Aha!“ Er lachte gekünstelt und machte eine dramatische Pause. „Witzige Geschichte!“

„Tatsächlich?“, hakte ich höflich interessiert nach und spielte das Spielchen einfach mal mit.

„Jaah, weißt du, es ist gerade Pause und…“
 

In dem Moment schaltete der Sender wieder ins Studio zurück, wo eine adrett gekleidete Moderatorin gerade backstage den Teilnehmern der Meisterschaft, die eh schon mit den Nerven am Ende waren, ganz liebreizend auf den Zeiger ging.

Die Kamera schwenkte zur Seite und ich sah ihn sofort. Er hatte dem Geschehen um sich herum den Rücken zugekehrt und trippelte unruhig hin und her, während er sich sein Mobiltelefon ans Ohr hielt.

„Ach daher weht der Wind.“, bemerkte ich belustigt und sah, wie er aufhorchend den Kopf hob. Dass die spindeldürre Mikrofonschubse gerade im Vordergrund eine von Sanjis Konkurrentinnen interviewte, interessierte mich im Moment einen feuchten Kehricht.
 

„Du bist nervös.“ Überzeugt stellte ich ihn vor vollendete Tatsachen und musste grinsen. Dieser Idiot hatte jede einzelne Runde mit Bravour und selbstüberschätzender Gelassenheit hinter sich gebracht und bekam jetzt weiche Knie?

„Unsinn!“, knurrte er ertappt in den Hörer. „Warum sollte ich?! Ich habe schon so gut wie gewonnen…“ Und warum klang er dann mit einem Mal so unsicher…? Ich schmunzelte in mich hinein und lehnte mich entspannt zurück, während ich seinem Kater auf meinem Schoß abwesend durchs Fell kraulte.

„Du erwartest jetzt aber nicht von mir, dass ich dir so etwas sage wie „Nur Mut, du schaffst das schon!“ Oder?“

„Mit Sicherheit nicht, du eingebildete Moosbirne!“ Ich konnte gerade noch sehen, wie er sich aufgebracht echauffierte, bevor die Kamera wieder woandershin schwenkte.

„Hm…“ Ich schwieg einen Augenblick und horchte auf sein hektisches Atmen, dann ergriff ich wieder das Wort.

„Kochlöffel?“

„Was?!“, fauchte er ungehalten zurück.

„Du schaffst das schon.“ Dann legte ich auf.
 

Mit einem mehr als selbstgefälligen Grinsen platzierte ich das schnurlose Telefon auf dem Wohnzimmertisch, als diese unfähige TV-Dame meine Aufmerksamkeit erregte, weil sie mitten in ihrem Satz plötzlich irritiert inne hielt. Sanft, aber bestimmt wurde sie beiseite gedrängt und ein mir inzwischen sehr bekannter Blondschopf schob sich ins Bild.

„Worauf du dich verlassen kannst!“, verkündete er der ganzen Nation und streckte der Kamera die Zunge raus. Anschließend machte er auf dem Absatz kehrt, marschierte von dannen und ließ die Nation inklusive Moderatorin und Kameramann perplex zurück.

Schallend lachte ich auf und schreckte dabei Sander hoch, der mich vorwurfsvoll anschaute.

„Sorry“, feixte ich und streichelte ihn beruhigend. Er schnurrte augenblicklich und schaute zum Fernseher. Als ein Bild von Sanji eingeblendet wurde, mauzte er fragend.

„Keine Sorge.“ Ich kraulte ihn hinter den Ohren. „Dein Herrchen ist morgen wieder da. Und er bringt einen goldenen Pokal mit, den du nach Lust und Laune zerkratzen kannst.“
 

~~~
 

Donnerstag, 23. Dezember

„Solltest du nicht längst hier sein, oh du großartiger Champion?“ Na das war ja wieder einmal eine freundliche Begrüßung.

„Wieso, vermisst du mich schon?“, gab ich frustriert zurück. Zorro schnaubte, schien aber zu merken, dass ich nicht zu Sticheleien aufgelegt war.

„Was ist los mit dir, Koch? Hat’s dir die Suppenkelle verbogen?“

„Ich komme erst morgen Abend…“, platzte ich heraus, ohne darauf einzugehen.

Er schwieg verblüfft. „…Warum?“

„Die Gleise sind zugeschneit und weil für heute Abend Schneestürme vorausgesagt wurden, werden keine Züge mehr rausgeschickt. Der nächste fährt voraussichtlich erst morgen Nachmittag.“

„Oh.“

„Ja „oh“.“
 

Verstimmt zog ich mir die Decke hoch bis zum Kinn und zappte mich lustlos durch die Fernsehkanäle. Heute Vormittag während der Pressekonferenz und den Interviews war ich noch guter Dinge gewesen, doch meine gute Laune war dahin, als wir erfuhren, dass wir gar nicht erst zum Bahnhof aufbrechen brauchten.

Zorro hatte Recht, ich hätte längst zuhause sein können. Blöde Bahn!

„Morgen Abend also…“, wiederholte er langsam und ich gab einen zustimmenden Laut von mir.

„Aha…“ Sonderlich begeistert klang er nicht – und irgendwie fühlte ich mich dadurch ein bisschen besser. Komisch… ich stellte fest, dass ich diesen arroganten Spinner inzwischen doch ganz gut leiden konnte. Obwohl wir uns noch nie gegenüber gestanden hatten.
 

Die Minuten verstrichen und wurden bald zu Stunden. Manch einer hätte uns vielleicht einen Vogel gezeigt, weil wir ewig einfach nur dalagen, mit eingeschalteten Telefonlautsprechern, er auf meiner Couch Zuhause, während mein Kater faul auf seinem Bauch döste, und ich in einem Hotelbett, ein paar hundert Kilometer entfernt. Wir redeten nicht viel, wechselten nur hin und wieder ein paar zusammenhangslose Worte.

Aber das war okay. Es war die Gesellschaft, nach der mir gerade war. Natürlich wäre ich lieber bereits daheim gewesen, aber unter diesen Umständen war das alles, was ich brauchte. Und woher auch immer ich das wusste, ich war mir sicher, dass Zorro diese entspannte, ruhige Atmosphäre auch als angenehm empfand.
 

„Oi… Marimo…“, brummend unterbrach ich irgendwann das Schweigen. Der Angesprochene gab einen fragenden Laut von sich und wechselte just in dem Moment zum selben Fernsehsender, bei dem auch ich hängen geblieben war.

Ich überlegte, ob ich die Frage, die mir auf der Zunge lag, wirklich stellen wollte, und entschied mich dann dafür.

„Bist du eigentlich einsam?“ Sie klang komisch in meinen Ohren und es war seltsam gewesen, sie auszusprechen. Aber es interessierte mich, aus welchem Grund auch immer.

„Hmm.“ Zorros Antwort war ein unbestimmtes Brummen, ehe er einige Zeit lang schwieg. Ich ließ ihn und richtete meine Aufmerksamkeit solange auf das TV-Programm.
 

„Im Moment…“, erwiderte er schließlich langsam. „Eigentlich nicht.“

Ohne mein Zutun schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, bevor ich leise lachte. „Sander kann ziemlich aufdringlich sein, was?“ Es ertönte ein Mauzen und Zorros Lachen.

„Schon, ja“, bestätigte er amüsiert. „Aber das ist es nicht allein…“

Der Rest des Satzes schwebte ungesagt im Raum, doch ich verstand ihn trotzdem. Hin und wieder war jeder einsam. Sogar ein Kerl wie Zorro. Sogar jemand wie ich. Solange, bis man feststellte, dass irgendwo jemand wartete. Sei es nun auf jemand anderes oder darauf, nach Hause zu kommen.

„Aber ein trotteliger Idiot bist du trotzdem, Blondie.“

„Sagt der mit der verschimmelten Birne!“

Und damit war die Beleidigungsquote für diesen Tag auch erledigt…
 

~TBC~

Von Unfällen und Überfällen

Freitag, 24.Dezember

„…Was ist denn mit dir passiert?!“ Verblüfft hielt Sanji in seiner Bewegung inne und vergaß dabei für einen Moment, dass er bepackt wie der Nikolaus in seinem doch sehr zugigen Hausflur stand und nach zwei langen Wochen der Abwesenheit eigentlich nur noch seine gemütlich kuschelige Wohnung betreten und endlich wieder zuhause sein wollte. Er wollte seinen Lieblingskater ordentlich durch knuddeln und ihn streicheln, bis er vor lauter Schnurren in sich zusammenplumpste. Dann wollte er sich in die Küche stellen, ein einfaches, aber leckeres Weihnachtsgericht kochen, sich schlussendlich gemütlich auf seine Couch kuscheln und vielleicht ein wenig fernsehen. Und ganz nebenbei wollte er seinen hauseigenen Schmarotzer, der nach dem einen Mal Klingeln eben nur erstaunliche zweieinhalb Sekunden gebraucht hatte, um die Tür zu öffnen, gepflegt und in Ruhe unter die Lupe nehmen. Zwei Wochen am Telefon waren ja schön und gut. Doch so persönlich von Mann zu Mann, war doch was ganz anderes. Endlich streiten von Angesicht zu Angesicht. Das versprach so viel mehr Spaß und ruinierte Nerven.
 

Soviel zu seinem Plan. Den hatte er für einen Moment jedoch tatsächlich vergessen, bei dem Anblick, den Zorro ihm bot. Der Grünhaarige stand ihm schweigend gegenüber, und machte dabei einen mehr als schuldbewussten und zerknirschten Eindruck. Sein Gesicht zierten mehrere frische, leuchtend rote und vor allem lange Kratzer und soweit Sanji das im Halbdunkeln beurteilen konnte, sahen die kräftigen Hände nicht viel besser aus.

Die geschwungenen Augenbrauchen des Meisterkoches wanderten nach oben. Diese Kratzer hatte er definitiv noch nicht lange, sie wären ihm aufgefallen, sooft, wie er Zorros Bild betrachtet hatte. …Aber das tat hier im Augenblick nun wirklich nichts zur Sache!
 

„Hast du eine Orgie gefeiert?“, stichelte er und trat endlich ein.

„Sehr witzig!“, knurrte Zorro, der sich diesen Augenblick, wenn überhaupt, ganz anders vorgestellt hatte – aber er war ja selbst schuld an der Misere. Er schloss die Tür hinter Sanji und nahm ihm ganz beiläufig das Gepäck ab. Na, ob da jemand ein schlechtes Gewissen hatte?

Mit noch immer hochgezogenen Augenbrauen streifte sich der Blonde Jacke und Schuhe ab und trat nun ziemlich skeptisch in sein Wohnzimmer. Auf den ersten Blick schien alles in Ordnung zu sein. Kein Chaos, keine Brandspuren und keine Überflutung. Man sah, dass hier jemand wohnte, doch ansonsten war alles gewohnt ordentlich und aufgeräumt. Außerdem hatte Sanji tatsächlich richtig vermutet: Der Baum war geschmückt, wenn auch nicht übermäßig, und sogar der Schwibbogen leuchtete bereits.
 

Doch etwas ganz Entscheidendes fehlte: Sein Kater, der ihn in heller Wiedersehensfreude überschwänglich bestürmte. Sanji musste nicht lange suchen. Sander lag auf einem der dicken Couchkissen und hob just in dem Moment seinen Kopf. Er mauzte hell und rappelte sich mit steifen Gliedern schwerfällig hoch. Also als überschwänglich konnte man das wirklich nicht bezeichnen.

„Hey…“ Besorgt sank der Koch vor der Couch auf die Knie und streichelte sein lang vermisstes Samtpfötchen, das sich sogleich vertrauensvoll an ihn schmiegte. „Alles okay, mein Süßer, hm?“ Er setzte sich neben das Kissen auf die Polster und kraulte ausgiebig durch das sandfarbene Fell, welches augenblicklich wohlig zu beben begann.
 

„Was ist passiert?“ Fragend richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen unfreiwilligen Mitbewohner, der wie bestellt und nicht abgeholt, noch mit Rucksack und Reisetasche in den Händen, in der Mitte des Zimmers stand und keinerlei Anstalten machte, irgendetwas zu tun. Zorro, der eigentlich eine vorwurfsvollere Tonlage erwartet hatte, presste die Lippen aufeinander und knetete unruhig die Taschengriffen zwischen seinen Fingern. War er vorher Sanjis Blicken ausgewichen, so schaute er nun in die tiefen blauen Augen, die ihn ruhig und abwartend ansahen. Merkwürdig…
 

„Wir hatten heute Vormittag einen klei-… einen Unfall.“, gestand er also brummend und als von seinem Gegenüber nichts kam, fuhr er zerknirscht fort: „Normalerweise habe ich die Schlafzimmertür immer offen gelassen, damit er rein und raus kann, aber heute Nacht muss sie zugefallen sein. Als ich sie dann geöffnet habe, habe ich ihn übersehen. Ich bin über ihn gestolpert und habe das Gleichgewicht verloren. Und… bin auf ihn gefallen.“ Unwillkürlich zog der Grünhaarige den Kopf ein, doch von Sanji kam immer noch keine Reaktion. Nun wirklich beunruhigt – er erinnerte sich noch sehr gut an die Schimpftirade, die er sich hatte anhören dürfen, nachdem er das Füttern vergessen hatte – verzichtete er darauf, die Schmerzlaute des Katers zu beschreiben. Man konnte es sich ja denken.
 

„Er war danach ziemlich benommen, also habe ich ihn zum Tierarzt gebracht. Allerdings… unter heftigem Protest.“

„Ach ja, er hasst Tierärzte.“

„Was du nicht sagst… Das habe ich dann auch gemerkt.“

„Hast du ihn nicht in seiner Transportbox getragen?“

„In seiner… nein, habe ich nicht.“ Na toll, der hatte eine Transportbox?! … Zorro presste die Kiefer aufeinander, reagierte jedoch sofort, als Sanji ihm deutete, weiter zu reden.

„Die haben ihn dann jedenfalls gründlich durchgecheckt, aber nichts gefunden. Der Arzt meinte, dass er mit ein bisschen Ruhe spätestens morgen wieder auf den Beinen ist.“

„Aha… und?“

„Nichts „und“. Wir sind wieder nach Hause gefahren und seitdem hat er geschlafen.“

„Und du bist unruhig durch die Gegend getigert.“ Auf diese Feststellung hin errötete der Marimo ertappt und stellte mit einem Schnauben endlich die Taschen ab, um dem Ausbruch des Koches gewappnet zu sein.
 

Doch noch immer blieb dieser aus. Stattdessen schaute Sanji nachdenklich auf das helle Knäul, das inzwischen auf seinem Schoß schnurrte.

„Herkommen, Marimo.“

Aha! Erhobenen Hauptes – tze, er hatte doch keine Angst vor dem Schnitzelklopfer – aber doch irgendwie kleiner als sonst, marschierte er zur Couch, um der Aufforderung Folge zu leisten, und setzte sich – mit Sicherheitsabstand – neben seinen Gastgeber. „Und jetzt?“, brummig verschränkte er die Arme vor der Brust.

„Jetzt werde ich uns etwas zum Abendessen kochen und dann machen wir uns einen gemütlichen Heiligabend.“ Wie jetzt?! Verblüfft und einigermaßen verwirrt beobachtete Zorro Sanji dabei, wie er ihm den schnurrenden Sander vorsichtig auf den Schoß legte und sich erhob, um nach einem kurzen, erfrischenden Abstecher ins Bad in die Küche zu gehen und sich dort ans Werk zu machen.
 

Zorro sah von Sander zu seinem umher wuselnden Herrchen und wieder zurück. Na das sollte einer verstehen, er tat es jedenfalls nicht. Bekam er keine strafende Abreibung? Oder folgte die erst später, wenn er nicht mehr damit rechnete? Wie hinterhältig, ihn schmoren zu lassen. Und er konnte sich mit dem kleinen Sägewerk auf seinen Beinen noch nicht einmal wehren…
 

Und Sanji ließ ihn schmoren. Wie einen saftigen Braten mit Sauerkraut.

Während des Kochens und während des Essens. Während des Abwaschens und während des Ausräumens seines Gepäckes. Während er die Waschmaschine belud und während er seinen Anzug gegen bequeme Hausklamotten tauschte. Während all der Zeit machte der Koch ihm nicht einen Vorwurf, sondern unterhielt sich mit ihm, wie auch schon während ihrer vielen Telefonate: Mit Witz und Sticheleien, mit Ernsthaftigkeiten und Erzählungen. Und dabei fiel von beiden, ohne dass sie es bewusst merkten, die wenn auch nur unterbewusst gedachte Befürchtung ab, ihren Gesprächen könnte all das fehlen, wenn sie einander persönlich gegenüberstünden.
 

Auch wenn Zorro dem Frieden noch nicht ganz traute, begann er sich zu entspannen. Irgendwie war das… überraschend einfach. Alles war wie in den letzten zwei Wochen. Diese Gewohnheit, die sich eingeschlichen hatte, übertrug sich ganz einfach auf das reelle Leben, obwohl sie einander vorher nie begegnet waren. Es war seltsam vertraut…
 

Als Sanji schließlich am späten Abend mit all seinem Tun fertig war, trat er wieder ins Wohnzimmer, das nur vom Schwibbogen und ein paar Kerzen erhellt wurde.

Zorro hatte sich auf der Couch ausgestreckt, während Sander neben seinem Kopf wieder auf dem dicken Kissen schlief. Dieses Bild wirkte so gemütlich und weihnachtlich, dass der Koch beschloss, sich dazu zu gesellen. Viel Platz war auf der Couch zwar nicht mehr, aber Sanji war da ja zum Glück ganz unproblematisch.
 

„Mal mal Platz.“, wurde der Marimo nett gebeten, und dieser stemmte sich tatsächlich etwas dösig und ohne Protest hoch, sodass Sanji sich neben Sander setzen und seine Beine auf dem Couchtisch hochlegen konnte.

Ohne darüber nachzudenken, weil sein Hirn bereits schlief, ließ sich Zorro wieder zurücksinken. Erst als sein Kopf auf Sanjis Oberschenkeln ruhte, wurde es ihm bewusst. Typischer Fall von Ups…? Aber peinlich berührt aufzuschrecken kam nicht in Frage, also… harrte er der Dinge, die womöglich gleich kommen würden, und blieb liegen. Doch wieder wartete er umsonst, denn nachdem der Blonde den grünen Schopf einen Moment erstaunt betrachtet hatte, angelte er nur nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein, um irgendeinen Weihnachtsfilm laufen zu lassen.

Den sollte mal einer verstehen. Echt jetzt…
 

Aber Zorro wäre nicht Zorro, würde er sich auf ewig nervös machen lassen. Nach einer Weile trauten Schweigens, entschied er sich dazu, doch mal nachzuhaken.

„Hey Koch?“

„Hm?“ Sanji war zu träge, um den Blick vom Fernseher abzuwenden, deutete Zorro aber, trotzdem fortzufahren.

„Wie kommt es… dass du nicht sauer bist?“

„Wer sagt, dass ich es nicht bin?“, kam sogleich die Gegenfrage, doch das belustigte Grinsen zeigte, dass er den Grünhaarigen nur aufziehen wollte.

„Ernsthaft, Koch!“, ungeduldig bewegte sich der grüne Schopf.

„Schon gut, schon gut.“ Sanji lachte leise, ehe er ernst wurde. „Hättest du Sander mit Absicht verletzt, hätte ich dich eigenhändig umgebracht, das kannst du mir glauben. Aber ich weiß, dass du nichts dafür konntest.“

„Woher?“
 

Nun richtete der Blonde seinen Blick doch auf Zorro und schaute ihm in die grünen Augen. „Ich weiß es einfach“, entgegnete er leise. Sein Blick wurde schweigend erwidert, bis der Meisterkoch schmunzelnd ergänzte: „Außerdem habe ich dich getestet. Hättest du Sander im Laufe der zwei Wochen schlecht behandelt, wäre er vorhin wohl kaum einfach liegen geblieben, als ich ihn dir in den Schoß gelegt habe.“

Zorros Brauen wanderten nach oben. „Ach? So viel zum Thema „Vertrauen“!“ Schmollend drehte er den Kopf Richtung Fernseher. Jetzt, wo er wusste, dass Sanji ihm nicht böse war, hatte er wieder Oberwasser.

„Ja ja.“ Der Koch grinste und klopfte mit der Handfläche leicht auf den grünen Hinterkopf. War doch alles in Ordnung.
 

Und wo seine Hand schon mal da war, fand sie ihren Weg ganz allein in die kurzen Zotteln. Vielleicht lag es daran, dass er mit der anderen gerade Sander kraulte…? Jedenfalls wurde Zorro mal eben dieselbe Behandlung zuteil – und er schien nicht einmal etwas dagegen zu haben.
 

Ein paar Stunden später hatte sich dieses Bild kaum verändert. Um Mitternacht hatte sich der Fernseher durch einen Timer von allein ausgestellt und die Kerzen waren erloschen. Im matten Schein des Schwibbogens waren die beiden jungen Männer vor einiger Zeit friedlich beieinander eingedöst. Sanjis Hand ruhte auf Zorros Brust, während dieser seinen Kopf gegen den Bauch des Koches drückte.

Doch der Frieden währte nicht mehr lang, denn Sanjis Handy vibrierte und weckte sie schließlich.

„Hm“, nuschelte Zorro verschlafen und streckte sich nach dem Telefon, das auf dem Wohnzimmertisch lag. „Dein Handy!“, erklärte er überflüssigerweise, bekam aber nur ein dösiges „Wer will was?“ zur Antwort. Also warf er einen Blick auf das viel zu hell leuchtende Display und gab Auskunft, dass der Kalender an Namis Weihnachtsfeier am ersten Weihnachtsfeiertag erinnerte.

„Ach so. Kannst du löschen“, entschied Sanji, ohne auch nur die Augen geöffnet zu haben und Zorro tat wie ihm geheißen, indem er die Meldung schloss. Was er dann sah, riss ihn dann aber doch aus seinem Dämmerzustand.
 

„Das ist ja interessant…“, stellte er amüsiert fest.

„Was denn?“

„Du hattest also ein Foto von mir…“

Mit einem Mal hellwach riss Sanji die Augen auf und errötete ertappt. Mist, verdammter! Er hatte vollkommen vergessen, dass er Zorros Foto als Hintergrundbild verwendet hatte.

„Das…“ Er konnte überlegen und überlegen, so viel er wollte, ihm fiel einfach keine passende Ausrede ein. Und so blieb es bei einem schnippischen „Na und?“

„Das heißt, diese ganze Beschreib-dich-mal-Nummer war nur, um…“

„Um dich zu ärgern, genau.“

„Tze… du bist unglaublich.

„Oh danke.“

„Kochlöffel… das war kein Kompliment.“

„Na und?“
 

Sie sahen sich an und mussten gleichzeitig grinsen.

„Weißt du, Marimo, was das Beste an dieser Geschichte ist?“

„Was denn?“, entspannt schauten die grünen Augen zu ihm auf und mit einem Mal konnte Sanji nicht anders. Er hob seine Hand und strich mit den Fingerspitzen langsam die markanten Gesichtszüge nach. Zorro blinzelte, hielt ansonsten aber still. Erst als der Blondschopf vorsichtig über die langen Kratzer streichelte, verzog er das Gesicht. Dabei rutschten die Fingerspitzen auf seine Lippen und verweilten dort für ein paar Wimpernschläge, bevor Sanji seine Hand wieder sinken ließ, als wäre nichts geschehen.
 

„Das Beste ist,“, fuhr er leise fort und beugte sich ein wenig hinab, sodass seine Haare über Zorros Wange kitzelten, „dass, wenn man sich nur übers Telefon kennen lernt, so einige Dinge auf der Strecke bleiben.“

„Und das ist gut?“, gab Zorro ebenso leise zurück und schmunzelte.

„Ja… denn wir haben alle Zeit der Welt, all das in Ruhe nachzuholen.“

Zorros Grinsen wurde breiter, während sich seine Finger in Sanjis Nacken stahlen. „Und woran hast du da – nur so als Beispiel – gedacht?“

„Hm… Wie wär‘s hiermit?“ Und weil er fand, dass sie in den letzten zwei Wochen genug geredet hatten, überwand er den verbliebenen Abstand zwischen ihren Lippen und schmiegte seine sanft an Zorros. Der Grünhaarige brummte zufrieden und drückte sich ein Stückchen hoch, um die irgendwie (Gott weiß, warum) längst überfällige Geste zu erwidern. Anfangs war ihr Kuss noch zurückhaltend, tastend, abwartend, doch schon bald wurde er tiefer und verlangend. Sie wurden neugierig und erfinderisch, doch vor allem verspürten sie eine Leidenschaft, vielleicht weil es Weihnachten war, die sie so süchtig machte, dass sie nicht mehr aufhören konnten.
 

Vielleicht war es aber auch das, was die ganze Zeit gefehlt hatte. Nein, sogar mit Sicherheit war es das. Sicher, sie hatten Bilder und Aufnahmen gehabt, hatten jeden Tag telefoniert, gelacht und gestritten. Sie hatten das Wesen, den Charakter des anderen kennen gelernt. Und doch war es jetzt anders. Besser. Sie konnten einander direkt in die Augen schauen, sich durchschauen, sich berühren. Ein ganz neues Vertrauen aufbauen. Und sie konnten sich fetzen, bis kein Stein mehr auf dem anderen lag… Denn dass selbst ein anfangs harmloser Kuss zu einem kleinen Kampf ausartete, war wohl doch vorhersehbar gewesen.
 

~
 

Es war hell. Viel zu hell. Zorro blinzelte schläfrig und vergrub sein Gesicht im Kissen. Schon besser. Aber seit wann waren seine Haare so lang, dass sie ihm ins Gesicht fielen? Er drehte den Kopf ein Stück und öffnete verwundert ein Auge. Okay, und seit wann waren seine Haare blond? Es dauerte einen Moment, bis in sein noch schlafendes Gehirn vorgedrungen war, dass die kitzelnden blonden Fransen doch nicht zu ihm gehörten. Er gähnte lautlos und zog den Kopf dann wieder ein wenig zurück, um sich etwas wacher ein Bild von der momentanen Situation machen zu können.
 

Er lag unbekleidet zusammen mit Sanji in dessen Bett, eingekuschelt in die dicke Decke. Es musste Samstagvormittag sein, der erste Weihnachtsfeiertag. Durch das angeklappte Fenster drangen zur Abwechslung mal helle Sonnenstrahlen, jedoch angenehmerweise kein Kindergeschrei oder sonstiger Lärm. Der Koch neben ihm schlief noch tief und fest. Seine Gesichtszüge waren entspannt und friedlich und überhaupt war er gerade hübsch anzusehen. Aber psst…!

Zorros Arm lag – ziemlich besitzergreifend, wie er fand – um Sanjis Hüfte, doch er dachte weder im Traum noch im Wachzustand daran, ihn da wegzubewegen. Der blonde Wirbelwind würde schon nichts dagegen haben, immerhin war ihm der Körperkontakt in der letzten Nacht auch mehr als recht gewesen.
 

Ein selbstzufriedenes Grinsen legte sich auf die Lippen des Grünhaarigen. Dieser Heiligabend hatte noch eine interessante Wendung genommen. Nachdem irgendetwas in ihnen den sprichwörtlichen Schalter umgelegt hatte, waren sie übereinander hergefallen. Dabei war es längst nicht beim Küssen geblieben. Zorro erinnerte sich noch sehr gut daran, wie er den schlanken Körper des Koches mit seinen Händen und mit seinen Lippen erkundet hatte – erst an störenden Klamotten vorbei, dann ganz ohne Hindernisse. Und wie Sanjis geschickte Finger über seine eigene Haut geglitten waren, als hätten sie nie etwas anderes getan…
 

Sie hatten sich gegenseitig angestachelt und herausgefordert und dieses Spielchen ausgiebig genossen. Tatsächlich war auch das nicht alles gewesen. Zorro musste gestehen, dass er zwar schlussendlich den aktiven Part übernommen, im Endeffekt jedoch Sanji die Zügel in der Hand gehabt hatte. Nicht dass ihn das, so im Nachhinein betrachtet, in irgendeiner Weise stören würde…
 

„Hör auf, so befriedigt in der Gegend herum zu grinsen“, nuschelte der Blondschopf in Zorros Halsbeuge und schmiegte sich etwas näher an den warmen Körper neben ihm.

„Woher willst du wissen, dass ich grinse, du hast die Augen noch gar nicht aufgemacht“, stellte Zorro belustigt fest.

„Ganz einfach, weil ich dich kenne, Marimo.“

„Nach nur einer Nacht?“, schnurrte der Grünhaarige anzüglich und seine Hand wanderte verlockend unschuldig den nackten Rücken seines Bettnachbarn hinauf.

„Nach zwei Wochen und einer Nacht“, verbesserte der Koch und biss verspielt in die mit dunklen Malen übersäte Haut vor seiner Nase.

„Na wenn du meinst…“

„Meine ich. Und jetzt halt deine Klappe, ich will die Zeit, bis wir aufstehen müssen, sinnvoll nutzen.“

„Hm… sag bloß, dir fallen noch mehr Dinge ein, die noch nachzuholen sind?“

Der blonde Schopf regte sich und Sanji hob den Kopf, um Zorro mit diabolisch glänzenden Augen anzusehen. „Glaub mir, da, wo das von heute Nacht herkam, gibt es noch mehr.“

„Erstaunlich, was sich hier für Abgründe auftun... Das könnte interessant werden.“

„Worauf du dich verlassen kannst…“ Tja, wenn man erst einmal auf den Geschmack gekommen war, eine flüchtige Bekanntschaft zu vertiefen…
 

~TBC~

Ein neuer Anfang

Samstag, 25. Dezember

Zufrieden beobachtete Nami das illustre Treiben in ihrem Wohnzimmer. Es schien ihr, als hätte sich ihre Clique um ein paar neue feste Mitglieder vergrößert. Zu ihrer alljährlichen kleinen Weihnachtsrunde am 25. Dezember waren nicht nur ihre Freunde sondern auch die dazugehörenden umquartierten Mieter erschienen. Und wie es aussah, verstanden die sich alle ganz prima miteinander, nebeneinander, untereinander, übereinander und überhaupt! Eine Entwicklung, mit der sie wirklich zufrieden war. So würde sich wenigstens niemand mehr beschweren. Und sie musste sich keine Gedanken mehr darüber machen, dass einer ihrer Mieter ausziehen könnte; jetzt wo sie alle Freunde waren… Denn wie schwer wäre es, potentielle neue Mieter zu überzeugen, eine Wohnung zu beziehen, die erst vor kurzem aufgrund rostiger Rohre trocken gelegt werden musste?! Sie sah die vielen Berrys schon davon schwimmen! Ein schauriger Gedanke!

Aber es war ja alles in Ordnung! Alles Friede, Freude, Pfannekuchen.
 

„Übrigens Nami, fürchte ich, dass du dir einen neuen Mieter suchen musst.“

„Wie bitte?!“ Mit großen Augen sah sie zu Sanji, der sich zu ihr gesellt hatte. Da gingen sie hin, die Berrynoten!

Ihr bester Freund grinste entschuldigend, obwohl er nicht den Eindruck machte, als würde es ihm leid tun.

„Was soll das heißen? Die Wohnungen werden bald wieder trocken sein.“ Hoffentlich war das nur ein schlechter Scherz.

„Das mag ja sein… Aber ich fürchte, mir würde etwas fehlen, wenn der Marimo wieder ausziehen würde.“ Er schmunzelte in sich hinein.

„Ist das dein Ernst?!“, schnaufte die Rothaarige in einem Anfall plötzlicher Schnappatmung. „Macht ihr jetzt eine WG auf oder was?“
 

Sanji zuckte mit den Schultern und wandte sicherheitshalber den Blick ab. Doch zu spät. Nami hatte den ersten Schock überwunden und das Leuchten in den blauen Augen gerade noch gesehen. „Sag mal, läuft da was zwischen euch?“ Nun unverkennbar neugierig mit einer Spur Besorgnis drehte sie sein Gesicht wieder zu sich. „Ihr kennt euch doch erst seit einem Tag.“

Mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen schüttelte der Blonde den Kopf und korrigierte sie: „Wir kennen uns seit zwei Wochen. Und es fühlt sich an wie eine Ewigkeit.“

Nami hob ihre sorgfältig gezupfte Augenbraue. „Okay… und du meinst, das geht gut mit euch zwei Streithähnen?“
 

Wieder zog er die Schulter hoch. „Wer weiß. Aber ich würde es bereuen, es nicht zu probieren. Außerdem wäre mir ohne ihn wohl ziemlich langweilig.“ Sanji lachte leise. „Und Sander würde es mir übel nehmen, wenn ihm plötzlich zwei bestimmte Hände zum Kraulen fehlen würden… Wie es aussieht, haben wir uns beide an ihn gewöhnt. Da ist Telefonieren auf die Dauer keine Option.“

Nami schüttelte belustigt den Kopf. „Na solange ihr drei klar kommt… aber dass du mir meinen Mieter abgeschwatzt hast, nehme ich dir trotzdem übel!“ Sie knuffte ihn freundschaftlich in die Seite und nach einem vertraulichen Zwinkern setzte sie sich wieder zu den anderen.
 

Grinsend sah Sanji ihr nach und sprach, ohne sich umzudrehen: „Hast du irgendwas dagegen einzuwenden, Graskopf?“ Zorro, der seit einiger Zeit mit verschränkten Armen hinter ihm am Türrahmen lehnte, lachte amüsiert.

„Ich habe die Wahl zwischen einer Wohnung, die wegen des Wassers neu renoviert und eingerichtet werden muss und in der niemand auf mich wartet, und einer, in der ich Gesellschaft und die Gerichte eines nationalen Meisterkoches vor der Nase habe. Beantworte dir die Frage selbst, Kochlöffelchen.“

„War ja klar, dass du nur auf mein Essen scharf bist.“ Sanji spürte den muskulösen Körper hinter sich und lehnte sich an ihn. Warmer Atem kitzelte an seinem Hals, als der Grünhaarige leise antwortete: „Glaub mir, Koch, nicht nur darauf…!“

Zufrieden schloss Sanji die Augen. Ja, doch, damit konnte er leben.
 

„Frohe Weihnachten, Marimo.“

„Hn…“ Dass der Angesprochene gerade anderweitig (mit der empfindlichen Haut seines Nackens) beschäftigt war und deshalb nichts erwidern konnte, verzieh er ihm mal ganz großzügig. Es war ja schließlich Weihnachten.
 

Was zwei Wochen am Telefon so alles bewirken konnten…
 

~Owari~
 

So, das war‘s. Und ich bin am Ende. =__= Die ganze vergangene Woche war ich mit Speedwriting beschäftigt, um die Geschichte rechtzeitig fertig zu kriegen. *aufm Zahnfleisch kriech* Aber es hat Spaß gemacht! *Plätzchen knurbs*
 

An der Stelle lieben Dank an Indie fürs Betalesen! =)
 

Tja,… zur Story an sich sei noch gesagt: Vielleicht hätte ich vor zu viel Zucker warnen sollen =.= *Zuckersternchen verteil* Aber ich dachte mir, was brauch ich Drama in einer Weihnachtsgeschichte, wenn das echte Leben dramatisch genug ist?! So. :p
 

Fragt mich nicht, wieso dieser verdammte Kater Sander heißt… Mein Unterbewusstsein hat mir einen Streich gespielt, denn ursprünglich sollte er Pascha heißen, weil Sanji ihn gern von vorne bis hinten verwöhnt. Doch immer wenn ich mir Gedanken über die Story gemacht habe, habe ich ihm automatisch den Namen Sander gegeben, obwohl ich damit überhaupt nichts und niemanden verbinde… Strange… Das menschliche Gehirn kann schon sehr eigenartig sein.
 

Aber wie dem auch sei, *Sander anherz*
 

ich hoffe, euch hat diese kleine Weihnachtsgeschichte gefallen, und würde mich sehr freuen, eure Meinungen zu lesen. =)
 

Vielen Dank übrigens für die Kommis, die ich bereits erhalten habe! *__* Ihr seid super! Und danke für die Favos! :3 *Plätzchenteller hinstell*
 

Macht's gut und habt noch frohe Weihnachten
 

Eure Franzi *___*
 

~Schneeblume~



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Kommentare zu dieser Fanfic (53)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Maren-san
2018-11-07T02:34:27+00:00 07.11.2018 03:34
Einer der besten ZoSan FF's die ich je gelesen habe... klasse ,,, ich habe geheult vor lachen :D
Antwort von:  Schneeblume
07.11.2018 20:39
Vielen Dank :3
Von:  Maren-san
2018-11-07T01:55:37+00:00 07.11.2018 02:55
ich liege vor lachen gleich auf den boden hahahahahaha :'D
Von:  LittleMarimo
2015-01-19T16:06:18+00:00 19.01.2015 17:06
Eine wirklich wirklich süße story :3

Von:  KC8
2014-04-10T10:28:10+00:00 10.04.2014 12:28
Wirklich eine sehr süße Story.
Hat Spaß gemacht sie zu lesen ^^
Weiter so!
Kc8
Von:  Caefire
2013-04-29T15:11:05+00:00 29.04.2013 17:11
„Witzig, du wahnwitziges Waffeleisen, wirklich witzig!“

Und hier, liebe Leserinnen und Leser darf ich ihnen präsentieren *trommelwirbel*: Die fünfache Alliteration! Donnerwetter. ^^

Nein im Ernst, diese FF hat es mir wirklich angetan. Vor allem am Anfang, wenn Zorro Sander das Futter wegisst, habe ich jedes Mal Lachtränen in den Augen.
Es ist eine der Geschichten ,die ich nicht bloß einmal, sondern alle paar Wochen wieder lese. Und das will schon was heißen. :D
Von:  Maffin
2013-04-04T08:45:00+00:00 04.04.2013 10:45
awww... <3 ich hab die ff vor ewigen zeiten mal gelesen (da war ich noch nicht hier ^^°) und freu mich sie jetzt wiedergefunden zu haben! Es ist einfach SO geil!! Ich hab mir teilweise so einen abgelacht! Und sehr schöner schreibstil, ehrlich! Love it <3
Von:  ZoSan
2013-03-29T02:55:21+00:00 29.03.2013 03:55
ich muss dir sagen, das ist meine absolute Lieblings-FF!!! ♥___♥
Von:  verex3
2011-08-16T18:41:55+00:00 16.08.2011 20:41
seeeehr geil :D
x3
Von:  verex3
2011-08-16T18:01:17+00:00 16.08.2011 20:01
Das gespräch von Nami und kochlöffel ist lustig xD
seeeehr seeehr geile Story *___*
x3
Von:  verex3
2011-08-15T21:51:54+00:00 15.08.2011 23:51
*________________*
echt wie ich liiiiiiiebeeeee die Story <3
so zuckersüß und doch wiederrum lustig und zickig xD
x3


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