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Blüten des Feuers

von

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Initiation (Arbeitstitel)

Sie standen vor einem großen Gebäude, dessen Außenwände karger Stein waren, der sich grob von den übrigen hübschen Häuschen, die sich in den Gassen um das Gemäuer herum schlängelten, abhob. Zudem überragte das kalte Bauwerk die flachen Wohngebäude um einiges und ließen es wie einen rauen Herrscher erscheinen. Hohe Türmchen und spitze Erker vertieften den Eindruck einer Festung, deren eiserne Torflügel die Außenwelt gänzlich ausschließen konnten. Nur schmale Fenster durchbrachen den harten Fels, sie reichten jedoch nicht für einen Blick ins Innere aus. Über dem Tor hing ein Banner, das auf blauem Grund eine in gelb stilisierte Dornenranke mit einer unscheinbaren Blüte zeigte. Es waren die einzigen Farben außer dem grau der Mauern, die sich hier erkennen ließen.

Die beiden Frauen hatten den Kopf zu den eisernen Wetterhähnen empor gehoben, während ihnen die Sonne in die Gesichter schien. Doch nun wandten sie sich dieses Anblicks ab und zu dem großen Eingang zu, der an diesem Tag nicht verschlossen war. Ce'Nedra war ein wenig mulmig zumute, auch wenn es nicht das erste Mal war, dass sie dieses heilige Haus betrat. Dennoch sollte dieser Tag etwas Besonderes mit sich bringen und darum empfand sie leichte Nervosität. Ko'Descherre hingegen wirkte vergnügt wie eh und je und durch nichts zu beunruhigen.

So traten sie durch die gewaltige Pforte hinein in die kühle Finsternis. Unter ihren Füßen fühle Ce'Nedra die Kraft des heiligen Bodens aufsteigen, und diesmal versuchte sie nicht, sie zurück zu halten, sondern umarmte sie in ihrem Geiste. Das Kribbeln krabbelte ihre Beine hoch, bis es sich in ihrem Brustkorb nieder ließ und sie mit jedem Schritt daran erinnerte, wo sie sich befand. Sie empfand es als leicht unangenehm, hoffte jedoch, es nach diesem Tag als angenehmer zu betrachten und ging deshalb wortlos weiter.

Ko'Descherre führte sie vor den Altar, hinter dem eine alte Frau stand, die gerade die Kerzen auswechselte, die auf dem steinernen Tisch standen und völlig heruntergebrannt waren. Große Wachstropfsteine hatten sich den Weg die Kante hinunter auf den Boden gebahnt, sie gaben dem Opfertisch einen erschreckenden Anblick. Die Alte ließ sich in ihrer Tätigkeit nicht drängen und machte auch keine Anstalten, sie zwischendurch zu beachten, sodass die beiden Frauen warten mussten, bis sie entschied, fertig zu sein.

So blieb Zeit für Ce'Nedra, die Frau genauer in Augenschein zu nehmen. Ihre rotbraunen Haare waren schon kaum mehr mit Farbe gesegnet, sondern trugen einen Grauton, der zusammen mit der runzligen Haut auf ein hohes Alter schließen ließ. Das Gewand, das ursprünglich weiß gewesen sein mochte, wieß hier und da braune Stellen getrockneten Blutes und starrte ansonsten von grauem Staub und Schmutz, den sich niemand die Mühe gemacht hatte, abzuwaschen. Wenn ein solches Gewand ihre Zukunft sein sollte, würde sie es sich noch einmal überlegen, ob sie wirklich den Wunsch verspürte, wieder einem Gott zu dienen, dachte Ce'Nedra.

Endlich hatte die Alte die letzte Kerze an ihren Platz gestellt und sah zufrieden mit dem Ergebnis aus, sie hatte auch lange genug daran gewerkelt, sie exakt an die Stelle der alten Kerze zu verfrachten. Nun erst blickte sie auf und bemerkte scheinbar verblüfft die beiden Frauen auf der anderen Seite des flachen Tisches. Mit einem Blick auf Ce'Nedra zog sie eine Augenbraue hoch und wandte sich an Ko'Descherre:

„Euch sehe ich selten an diesem geweihten Ort. Ihr solltet häufiger herkommen, immerhin garantieren wir Euren Einsatz magischer Fähigkeiten, das solltet Ihr nicht vergessen, meine Liebe.“

Ko'Descherre wandte ihr hübsches Gesicht kurz Ce'Nedra zu, um verstohlen die Augen zu verdrehen, doch ließ sich in ihrem respektvollen Tonfall nicht weiter eine Ungeduld erkennen.

„Das werde ich nie vergessen. Vielleicht habe ich bald ja eine Priesterin, die mich dazu bringen kann, Euren Gottesdiensten wieder beizuwohnen, Kardore“, erwiderte sie kühl und mit einem Seitenlick auf ihre Begleiterin. Nun erst ruhte der Blick der Kirchenvorsteherin länger auf Ce'Nedra. Abwägig abschätzend wanderte er über ihre Statur und was sie sah, schien der alten Frau nicht sonderlich zu gefallen, denn sie verzog das Gesicht.

„Ihr denkt wirklich, wir nehmen solch junges Blut in unseren erlesenen Reihen auf?“, richtete sie ihre Worte wieder an Ko'Descherre, die Anwesenheit Ce'Nedras nicht mehr beachtend, als die eines Möbelstücks, „Sie riecht ja förmlich noch nach Außenwelt, kann sie überhaupt ihre magische Kraft kontrollieren? Ich will kein Desaster riskieren, nur um Euch einen Gefallen zu tun, denkt nicht, dass Eure Anwesenheit hier so sehr vermisst wird, dass sie das rechtfertigt.“

„Ce'Nedra kann ihre Kraft sehr gut dosieren und gezielt ausrichten, Kardore“, versicherte Ko'Descherre mit einem unhörbaren Seufzer der Verachtung über diese Missachtung in der Stimme, „Sie wird weder ein Desaster anrichten noch Euch zur Last fallen, sondern Euch vielmehr eine unumgängliche Hilfe sein. In der anderen Welt ist sie auch schon Geistliche gewesen und kennt sich daher mit vielen Bräuchen bereits aus.“

„Pah!“, fluchte die Alte, „Das sind die schlimmsten! Sie denken, sie wüssten alles und alles besser, dabei haben sie keine Ahnung und widersetzen sich den Bräuchen und heiligen Vorschriften unseres Ordens. Nimm sie wieder dahin mit, wo du sie hergeholt hast, das wird das Beste für alle sein!“

„Ich bin mir sehr wohl dessen bewusst, dass dies hier eine andere Religion und Brauchgemeinde ist als die, aus der ich komme“, fuhr Ce'Nedra eiskalt dazwischen, „deshalb beurteilt mich nicht danach, wie sich andere verhalten haben!“

„Hab ich dich dazu aufgefordert, zu sprechen?“, herrschte die alte Frau sie an. Ko'Descherre versuchte, Ce'Nedra daran zu hindern, zu antworten, doch dieser reichte es nun. Sie war wütend.

„Nein, brauche ich eine Aufforderung?“, schnaubte sie, „Beurteilt ihr hier Leute danach, was andere über sie sagen? Darf man sich hier nicht mal selbst verteidigen oder vorstellen? Und wie soll jemand eure Bräuche lernen, wenn ihr ihm nichteinmal eine Chance dazu lasst?“

„Das reicht!“, kreischte die Vorsteherin, „Wir sind hier kein Wohltätigkeitsverein, der jeden einlädt, der kommen will! Wenn du hier herein willst, musst du erst beweisen, dass du eine gute Dämonin bist! Und dein Rang reicht nicht allein!“

„Na schön“, fauchte Ce'Nedra, „dann beweise ich eben, dass ich eine gute Dämonin bin! Aber zuvor suche ich mir einen anderen Orden, der nicht so mit Vorurteilen behaftet ist. Und glaubt nicht, dass ich dann wieder zu euch komme, egal, wie sehr du es dir dann auch wünschen magst!“

„Wie kannst du es wagen?“, schrie die Alte fassungslos, „Du hast mich mit Respekt zu behandeln! Mit einer solchen Anrede lasse ich dich nicht durchkommen! Verneig dich vor mir und entschuldige dein Verhalten!“

Doch Ce'Nedra war egal, was die Frau von ihr dachte, sie drehte sich auf dem Absatz um und verließ gemessenen Schrittes die Kirche. Ko'Descherre sah ihr mit zusammengepressten Zähnen hinterher, sank dann vor der Frau auf ein Knie, bat sie um Verzeihung ob dieses jugendlichen Eifers und darum, die Kapelle wieder verlassen zu dürfen. Da die Alte nicht darauf einging, sondern der wütenden Ce'Nedra hinterher starrte, nahm Ko'Descherre dies als Erlaubnis hin und eilte ihr hinterher.

Außerhalb der kalten Mauern erwischte die Wärme sie unerwartet und ließ sie ersteinmal gegen den Sonnenschein blinzeln. Erst dann bemerkte sie die ungestüme Ce'Nedra, die unter einem Baum auf dem Platz gegenüber des heiligen Gebäudes mit wütendem Blick auf sie wartete. Sie war enttäuscht worden, hatte sie sich doch sicher ähnlichen Hoffnungen hingegeben wie viele Dämoninnen, die in der anderen Welt Nonnen oder sogar Priesterinnen gewesen waren und nun hofften, auch hier wieder als solche aufgenommen zu werden. Dennoch, ihr Verhalten war alles andere als gerechtfertigt gewesen und konnte Konsequenzen nach sich ziehen, die Ko'Descherre sich nicht ausmalen wollte.

Allerdings, was machte das Leben schon prickelnder als eine spannende Auseinandersetzung, der ein schöner Streit voranging? Zumal sie schon immer der Meinung gewesen war, dass die Kardore endlich mal in ihre Schranken gewiesen werden sollte.

Ce'Nedra wartete mit brodelnden Gefühlen auf Ko'Descherre, auch wenn sie am liebsten gleich nocheinmal hineingestürmt wäre und sich der Auseinandersetzung mit der Kapellenvorsteherin gestellt hätte. Doch sie war erfahren genug im Kampfgeschehen, um zu wissen, dass sie diese nicht ohne ausreichende Vorbereitung und auf ihrem eigenen Grund und Boden besiegen konnte. So musste sie ihr Temperament zügeln und sich noch ein wenig gedulden, vielleicht wusste Ko'Descherre ja einen geeigneten Angriffspunkt.

Als diese in das Licht trat und ihre Hand schützend gegen die Helligkeit hob, stieß Ce'Nedra sich von dem Stamm des Baumes ab und trat zu Ko'Descherre. Deren Grinsen war nicht ganz so unbefangen wie sonst, sie machte sich augenscheinlich irgendwodrüber Sorgen, aber das verflog schnell wieder. Und da sie es Ce'Nedra gegenüber auch nicht ansprach, kümmerte sie sich nich weiter darum. Da sie gelernt hatte, ihre Gefühle zu zügeln, bereuhte sie es schon bald wieder, so an die Priesterin geraten zu sein und überlegte sich ernsthaft, ob sie zurück gehen sollte und sich entschuldigen. Sie wusste nicht, wie weit die Religion hier Einfluss haben konnte und ob es gefährlich war, die alte Frau so verärgert zurück zu lassen. Doch bevor sie sich um Ko'Descherres Meinung dazu bemühen konnte, lenkte diese selber die Gedanken von diesem Thema ab und auf ein anderes Problem zu, das sie nun zu bewältigen hatten.

„Tja, sieht so aus, als müssten wir dir eine andere Gemeinde suchen“, konstatierte Ko'Descherre seufzend, doch verschmitzt zugleich, „am besten auch keine, die unter der Fuchtel dieser alten Schachtel steht, denn sie wird sicher nicht zulassen, dass du unter die Fittiche einer ihrer Jüngerinnen genommen wirst.“

Überrascht sah Ce'Nedra ihre Begleiterin an, die sich schon in Marsch gesetzt hatte, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als zu folgen. Nicht, dass es ihr etwas ausmachen würde, nicht in der größten Kapelle der Stadt aufgenommen zu werden, das war ohnehin Ko'Descherres Vorschlag gewesen, aber dass sie gleich in gar keiner der Gemeinden dieser Religion aufgenommen werden sollte, erschien ihr doch ein bisschen überreagiert. Andererseits hatte sie die alte Frau ja selber gesehen und gehört. Sie war ganz offensichtlich nicht von Ce'Nedra angetan und reagierte nicht in den normalen Maßstäben einer gesunden Person. Außerdem war es gar nicht so unwahrscheinlich, dass Ko'Descherre es so geplant hatte, denn augenscheinlich hatte sie sich auch vorher schon nicht gut mit dieser Frau verstanden und wollte Ce'Nedra vielleicht in einer ganz anderen Gruppe einschleusen, nur um die Alte zu ärgern. Prüfend sah sie das Subjekt ihrer Vermutung an, doch gab dieses nicht einen ihrer Gedanken preis, sondern lief zielstrebig durch die Gassen und Straßen dieser großen Stadt.
 

Als sie sich schon einige Kilometer von dem kleinen Platz vor dem großen kalten Gebäude entfernt hatten, veränderten sich langsam die gebäude um sie herum. Sie bekamen ein weiteres Stockwerk, sodass sie nun mit Erdgeschoss insgesamt drei besaßen und die Farben wurden nicht mehr so einheitlich, sondern jede Hausgemeinschaft schien sich für eine eigene entschieden zu haben. Allerdings sah das nicht schlecht aus, da es sich hauptsächlich um Pastellfarben an den Wänden handelte und die Bewohner sich anscheinend abgesprochen hatten, da vom einen Haus zum anderen kein krasser farblicher Gegensatz zu sehen war, sondern ein schöner Übergang. Es erschien ein bisschen wie eine Regenbogengasse, der sich auch Seitenstraßen angeschlossen hatten. Am Ende dieser Straße stand ein Haus in einem kräftigen Weinrot, das kaum größer als die anderen, aber mit mehr Fenstern bestückt und mit geschwungeneren Dachkanten ausgestattet war. Um den Eingang rankten sich gemeißelte Blumenreben, die sich zu einer schlichten Krone direkt über der einladenden Tür verschränkten. Symmetrisch angelegte Beete mit jeweils einem gerade gewachsenen Bämchen säumten die Mauern neben der Eingangstür. Etwas an diesem Ort strahlte etwas ähnlich Heiliges wie der Boden in der großen Festung aus.

Nicht so sehr zu Ce'Nedras Überraschung hielten sie auf dieses Gebäude zu. Man merkte Ko'Descherres Schritt an, dass sie sich hier freier bewegte als vor dem anderen heiligen Ort, den sie verlassen hatten. Auf den Gehwegen hier befanden sich weniger Frauen als in der restlichen Stadt, was wohl daran lag, dass hier weniger Geschäfte und Ämter gebaut standen als andernorts. Auch die Häuser ließen größere Abstände zwischen sich, in denen sich adrette Gärten tummelten.

Als Ko'Descherre Ce'Nedra die Tür aufgehalten und sie so hereingebeten hatte, empfing sie ein hoher Raum, der von Sonnenstrahlen, die durch die Fenster hereinkrochen, geteilt wurde. Hier im Innern hingen an den Wänden Wandteppische, die verschiedene gerade gewachsene Pflanzen zeigten, umringt von feurigen Kränzen, die sich jeweils oben zu einer kleinen Krone vereinigten.

Interessiert betrachtete Ce'Nedra ihre Umgebung, sodass sie kaum bemerkte, dass sich ihnen eine kleine, gebeugte Frau näherte, die mit einer Gießkanne die umstehenden Töpfe bewässert hatte. Erst, als Ko'Descherre ihr einen Ellenbogen in die Rippen stieß und sie somit auf ihr unhöfliches Verhalten hinwies, gestand auch sie dieser Frau die gebührende Aufmerksamkeit zu.

„Lange nicht mehr gesehen, Eiphromylop. Was treibt Euch hier her?“, erkundigte sich die Frau, die ihre Neugier nicht ganz unterdrücken konnte und auch Ce'Nedra immer wieder Blicke zuwarf.

„Darf ich unserem Gott nicht auch mal wieder meine Aufwartung machen?“, erkundigte sich die Gefragte verschmitzt, „aber das ist natürlich nicht der einzige Grund, weshalb ich mich hierher bemühte. Seht Ihr die Dämonin an meiner Seite? Ihr Name ist Ce'Nedra Esophromatem und sie ist auf der Suche nach einer Adeptenstelle in einer Kapelle.“

Nun ruhten die Augen der Frau unverwandt auf Ce'Nedra, was diese für ein besseres Zeichen hielt als die strickte Missachtung der anderen Priesterin. Sie erwiderte den Blick fest und ließ sich nicht dadurch beirren, dass ihr Gegenüber auch den Blickkontakt hielt.\newline

„Und warum kommt Ihr mit diesem Anliegen zu mir?“, fragte sie schließlich Ko'Descherre, „Für Zuteilungen in Kapellen ist die Vorsteherin in der großen auf dem Marktplatz zuständig, wie Ihr sehr wohl wisst.“

„Naja“, begann Ko'Descherre und schenkte Ce'Nedra kurz eine belustigte Miene, „es gab da einige Unstimmigkeiten. Als wir vorsprechen wollten, wurde uns nur wenig Gehör geschenkt, eins führte zum anderen und so stehen wir schließlich hier, ohne Empfehlung oder Zuweisung.“\newline

„Und Ihr meint, dass ich mich einfach so der Vorsteherin widersetzen werde und Ce'Nedra aufnehme?“, lachte die Frau trocken. Ko'Descherre wedelte mit der Hand, als seien die Sorgen unwichtig und nicht beachtenswert.

„Einfach so sicher nicht.“, antwortete sie, „aber ist das nicht eine Chance, der alten Ziege mal eins auszuwischen und ihr etwas voraus zu haben? Ihr seid nicht einmal in derselben Glaubensrichtung wie sie, geschweige denn derselben Gemeinde. Da könnt Ihr es Euch doch sicher erlauben, ihren Wünschen mal nicht ganz so genau zu entsprechen.“

„Eher nein“, überlegte die Frau, wieder Ce'Nedra musternd, „aber ich kann ja mal darüber nachdenken. Sie scheint gut hierher zu passen. Versprechen kann ich allerdings noch nichts. Geht nun bitte.“

Bevor Ce'Nedra etwas erwidern oder sich wieder aufregte konnte, stimmte Ko'Descherre dieser Anweisung zu und schob die junge Dämonin ohne Federlesens aus der Kapelle. Diese war allerdings diesmal eher darüber erbost, dass man ihr so wenig Selbsbeherrschung zugestand. Auch wenn sie zugeben musste, dass es sie wiedereinmal reizte, wie man sie behandelt hatte. Doch trottete sie den Weg schweigend neben ihrem Senior her, zurück in den Stadtkern.
 

An diesem Tage fand eine Art Feiertag statt, weshalb Ko'Descherre auch nicht in ihr Büro musste und Ce'Nedra nicht in ihren Unterricht. Nur die notwendigsten Berufe, darunter der der Klerikerinnen, wurden aufgeführt. Die übrigen Dämoninnen strieften durch die Straßen oder in den Parks umher. Als Ce'Nedra das erste Mal diese Stadt betreten hatte, war ihr alles wunderbar vorgekommen, keine Armen, keine Bettler oder Kranke. Mittlerweile hatte sich ihr Bild von dieser Idylle etwas aus dem Verwundernden ins Normale und beinahe Alltägliche enthoben. Die Gesellschaftliche Ordnung hier garantierte jedem wenigstens die Grundernährung und ein Dach über dem Kopf. Wenn man sich ein wenig ansrengte und manche allgemeinnützige Taten beging, oder sich mit den richtigen Leuten anfreundete, konnte man darüber hinaus noch andere Luxusgüter erwerben. Sicher gab es auch Geld, mit dem man sich diese kaufen konnte, doch ohne die richtigen Kontakte waren die Waren teuer und kaum einer hätte sie sich leisten können.\newline

Das System baute auf dem Ethos auf, dass jemand nach seinen Taten bewertet werden konnte und nach der Einschätzung hochrangiger Leute. Diese entschieden und verliehen auf magische Weise Titel, die den Stand einer jeden Dämonin in der Ordnung anzeigte und ihnen gewisse Rechte einräumte oder verwehrte. Mithilfe eines bestimmten Zaubers konnte man die Titel vor den Dämonen schweben sehen und wusste so, wo man sich einzustufen hatte. Doch da dieser Zauber aufwändig war und regelmäßig erneuert werden musste, nutzten ihn die wenigsten und vertrauten eher auf ihr Gefühl und ihr Wissen darüber, wer mit wem in Kontakt stand.

Aufgrund ihrer Taten in der Menschenwelt hatte Ce'Nedra einen höheren Titel verliehen bekommen als normalerweise einer jungen Dämonin verliehen wurde. Ihre Stellung in der anderen Welt hatte es ihr ermöglicht, einen ganzen Volksstamm der Menschen aus den Klauen der Dämonen der Eiswelt Esgemensor zu befreien. Dabei hatte sie einen ersten Geschmack auf die Dämonenmagie aus Symbios bekommen, die sie ohne es zu ahnen bereits sehr gut beherrscht und gut eingesetzt hatte. Solange sie noch nichts davon gewusst hatte, dass sie eine Dämonin war, waren ihr die Menschen auch gefolgt und hingen an ihren Lippen. Als es dann allerdings schien, dass sie von Ko'Descherre gkidnapt worden war, distanzierte sich auch das Volk von ihr und nur wenige Freunde waren ihr treu geblieben.

Diese Tatsachen sollten ihr hier in Symbios allerdings weder nutzen noch schaden, denn sie war dabei, sich ein völlig neues Leben aufzubauen. Und dazu gehörte es eben auch, neu in der Gesellschaft anzufangen, wieder eine Adeptenausbildung zu beginnen. Schwer daran war nur, das alte Selbstbild abzulegen, nicht mehr auf den Respekt zählen zu können, den sie sich bereits erworben und an den sie sich gewöhnt hatte. Jedoch bedeutete es auch, sich wieder der Herausforderung zu stellen, in der noch unerkundeten Umgebung Fuß zu fassen. Dies schätzte Ce'Nedra an ihrer Situation.

Sie hatten den Stadtkern erreicht, standen nun in einer der breiten Alleen zwischen den Parks, die sich hier mit den Wohnhäusern um den Platz balgten. Ko'Descherre hatte schon bald eine Gruppe anderer Dämoninnen ausfindig gemacht, auf die sie zielstrebig hinschritt und sich in ihr Gespräch einklinkte. Zunächst beobachtete Ce'Nedra nur, zwar in der Gruppe stehend, doch als Außenseiter betrachtet. Die Worte tanzten um die Arbeiten der einzelnen Teilnehmerinnen, um die Probleme, die sie mit denen hatten, doch auch um den Spaß, den sie darin hatten. Langsam wob sich eine Kuppel des Miteingeschlossenseins um Ce'Nedra, sie begann, manche Zusammenhänge zu verstehen, die Verknüpfungen der einzelnen Dämoninnen und ihres Lebens darstellten. Dies machte es ihr möglich, sich selbst auch an einigen Stellen ins Gespräch zu mischen, wenn auch nur mit kleineren Einwürfen, Bemerkungen oder Scherzen. Bei ihren Worten lies sie unbewusst Informationen über sich selber aus, vermied es, allzu viel preis zu geben. Die Gesprächsrunde verstreute sich nach einiger Zeit wieder und die Dämoninnen beschlossen, sich mal wieder irgendwo zu treffen, ohne sich festzulegen, wann und wo das geschehen sollte.

Den Rest des Tages verbrachten Ko'Descherre und Ce'Nedra damit, durch die Gegend zu streunen und sich zu unterhalten. Wie Ce'Nedra bereits festgestellt hatte, hatte ihr Senior eine gut ausgebaute Meinung zum Thema Politik und Herrschaftsaufteilung, was sie auch gekonnt zu verteidigen wusste, sollte es angegriffen werden. Da sie selber an dieser Thematik auch nicht uninteressiert war, konnte sich schnell eine heftige Debatte darüber entfachen, die allerdings meist recht einseitig war, da beide ungefähr dieselbe Richtung vertraten. Dennoch versuchten sie, die Argumente der Gegenseite auf Herz und Nieren zu prüfen.

Als sie am Abend immer noch in der Stadt unterwegs waren, begann Ko'Descherre über Hunger zu lamentieren. Zunächst achtete Ce'Nedra nicht darauf, doch als es immer dunkler wurde und Ko'Descherre mit verschmitztem Gesicht in jedem zweiten Satz ihren Magen und etwas zu Essen erwähnte, gab sie sich geschlagen und schlug vor, nach Hause zu gehen, damit sie sich etwas zu Essen kochen könnten. Allerdings stellte sich heraus, dass die zierliche Dämonin auch damit nicht einverstanden war.

"Ich arbeite doch nicht an einem Feiertag!", beschwerte sich Ko'Descherre amüsiert und warf ihrer Begleiterin keck einen Blick zu. Dann sprang sie in den Weg, den diese bei gerader Linie gegangen wäre und hinderte sie somit daran, weiter zu gehen. Forsch legte Ko'Descherre den Kopf schief und glitzerte ihre Begleiterin mit unergründlichen Augen an. Gerade, als Ce'Nedra fragen wollte, wie sie denn stattdessen gedachten, sich Verpflegung zukommen zu lassen, wirbelte Ko'Descherre um ihre eigene Achse und bedeutete ihrer Kameradin, ihr zu folgen.

Ce'Nedra verdrehte ihre Augen, folgte dann aber der bereits weit davongehuschten Dämonin, der sie sich verbunden fühlte. Sie hatte keine Ahnung, wohin diese neue Idee sie nun führen sollte, aber weniger noch wusste sie, was sie alleine in dieser großen Stadt tun sollte, in der sie doch nur ihre Kameradin kannte, die sie bereits so sehr an sich gebunden hatte. Also eilte sie ihrer Freundin nach, um sie nicht zu verlieren. Ce'Nedra merkte, dass sie sich eigentlich nicht so sehr beeilen brauchte, da Ko'Descherre immer, wenn sie um eine Ecke gebogen war, verstohlen auf sie wartete, nur um dann so zu tun, als würde sie auch gerade erst um diese herumgelaufen sein. Dennoch hatte sie den Eindruck, sie nicht aus den Augen verlieren zu dürfen, da sie nun in eine Gegend kamen, deren Gassen und Straßen verwinkelt und verzweigt waren, sodass sie sich nicht hätte zurecht finden können, ohne eine kundige Anführerin.

Die Farben der Häuser wirkten alle verwaschen braun, teilweise waren sie auch matschgrün, sodass die Gegend insgesamt wie eine aus dem Schlamm erhobene Siedlung erschien. Auch die Gärten trotzten dem allgemeinen Glauben, dass Pflanzen grün seien, indem sie hauptsächlich unscheinbare, kleine Gewächse einer trüben Färbung beinhalteten. Unbewusst wurde Ce'Nedra langsamer, um dieses Phänomen genauer zu betrachten, blieb schließlich bei einem netten Vorgärtchen stehen, um die darin wachsende lilienartige rotorangene Pflanze zu betrachten, die ihr mehr als fremdartig erschien. Dieses Gewächs wickelte seine Blätter so eng um den Stil, dass es aussah, als bestehe es nur aus diesem. Nur die Blattspitzen lugten aus dem restlichen allgemeinen Kuddelmuddel. Da es langsam dämmerte, falteten sich die Blätter vorsichtig auf, schienen sich der Dunkelheit entgegen zu strecken, so als bräuchten sie statt Licht den Schatten der Nacht. Ce'Nedra war normalerweise keine Freundin der Flora, doch dieses Gestrüpp hatte etwas an sich, das sie verharren ließ.

Bis Ko'Descherre direkt vor ihrem Gesicht auftauchte und neugierig näher kam.

"Was gibt's denn hier?", erkundigte sie sich neugierig, wie um Ce'Nedra davon abzulenken, dass sie immer noch näher kam. Doch sollte dies der dahintersteckende Plan gewesen sein, schlug er kläglich fehl, denn Ce'Nedra schreckte sofort zurück und antwortete erst aus sicherer Entfernung.

"Seltsame Blumen, aber das sollte dir auch bereits aufgefallen sein", erwiderte sie so und deutete auf diejenige, die sie aufgehalten hatte. Ko'Descherre musterte sie kurz, runzelte dann die Stirn und sah zu ihrer Freundin hinüber.

"Eine Furoris Anareko, nichts sonderlich Besonderes,...", begann Ko'Descherre, erinnerte sich dann daran, dass Ce'Nedra erst seit wenigen Monaten in Symbios verweilte und fügte etwas träge hinzu: "zumindest, wenn man sich hier schon einmal in der Wildnis genauer umgesehen hat. Vielleicht sollten wir am nächsten Feiertag mal einen Ausflug unternehmen?"

Ce'Nedra wollte bereits zustimmen, als sie bemerkte, dass ihr Gegenüber den Vorschlag so gesagt hatte, als würde sie sie auf ein Date einladen, das sie in heimliche Gründe führte, die sie gemeinsam und heimlich erkunden würden und in denen sie unsittlichen Gelüsten folgen könnten. So warf sie Ko'Descherre nur einen schrägen Blick zu, der ihr genau sagte, was sie von diesem unterschwelligen Angebot hielt. Mit einem breiten Grinsen tat die Gestrafte, als würde sie resigniert seufzen, um einlenkend ihre Stimmlage zu korrigieren.

"Na gut, dann wird eben nichts aus der trauten Zweisamkeit, aber wir könnten dir dennoch die Umgebung zeigen.", lenkte sie ein, sah dann den skeptischen Blick, der sich nur ein wenig geändert hatte und musste ein Lachen unterdrücken, als sie hinzufügte: "Du kannst auch eine Anstandsdame mitnehmen, wenn es dir damit wohler ist." Nicht, dass es mir viel leichter fiele, über dich herzufallen, während du schläfst, dachte sie insgeheim, immerhin wohnen wir in demselben Haus, das zufälligerweise mir gehört. Doch diesen Gedanken behielt sie lieber für sich, um nicht zu riskieren, dass die hübsche Dämonin sich eine andere Bleibe suchte.

"Na, gehen wir weiter?", fragte sie stattdessen und hielt sich diesmal an Ce'Nedras Seite, damit sie nicht wieder an irgendeiner Stelle unbemerkt stehen blieb. Sie führte ihre Kameradin die Gassen entlang, die diese scheinbar zu verwirren schienen. An markanten Abbiegungen verlor sie ein Wort, um Ce'Nedra zu erklären, woran man sich hier zurecht finden konnte. Erstaunt bemerkte sie, dass es dieser schwer fiel, die Merkmale zu behalten, an denen sie sich orientieren konnte. Achselzuckend geleitete sie sie somit weiter durch die Gegend, ohne sie mit allzu vielen Informationen zuzustopfen.

Schließlich gelangten sie an ein Haus, das sich von den anderen nur wenig unterschied. Seine Farbe war ebenfalls schlammbraun, wenn auch das gesamte Gebäude etwas schwerfälliger wirkte als die anderen zierlichen Häuschen. Seine Erscheinung glich eher einem großen Ei denn einer Herberge für denkende Wesen. Der Vorgarten war nicht auffällig für diese Gegend, auch wenn Ce'Nedra die Gewächse nicht bekannt waren. Ko'Descherre stieg zwei Stufen zu einer dunkelbraunen Eingangstür hoch, um neben dieser an einer Kordel zu ziehen, die im Innern eine helltönende Glocke erklingen ließ. Verständnislos schaute Ce'Nedra nach einer Antwort suchend Ko'Descherre an. Diese blieb ihr eine Antwort schuldig, doch ließ sie es sich nicht nehmen, ein verschmitztes Lächeln über Ce'Nedras Unwissen aufblitzen zu lassen.

Nach wenigen Augenblicken wurde die Tür geöffnet und im Eingang stand eine unscheinbare Dämonin, die noch eine Schürze um hatte, welche darauf hindeutete, dass sie gerade in der Küche gestanden und irgend etwas zubereitet hatte. Erneut warf Ce'Nedra ihrer Kumpanin einen skeptischen Blick zu. Dieser wurde jedoch ignoriert, was auch gar nicht anders möglich gewesen wäre, denn die Dämonin begann sobald, überrascht Ko'Descherre anzusprechen.

"Eiphromylop! Was verschafft mir die Ehre, Euch heute vor meiner Haustür anzutreffen?", erkundigte sich die Dämonin, deren Blick neugierig auch zu Ce'Nedra huschte. Ko'Descherre grinste breit auf diese Worte und legte dann ihren besten Unschuldsblick auf.

"Wir sind gerade vorbei gekommen und dachten uns, schauen wir doch mal rein. Es gibt sicher interessante Neuigkeiten bei euch", heuchelte sie. Die Dämonin schien das allerdings nicht zu bemerken, sondern besonders erfreut darüber zu sein, dass jemand ihre Neuigkeiten für interessant hielt. Sie trat aus dem Eingang und lud sie freudig mit den folgenden Worten ein, ins Haus zu kommen:

"Natürlich gibt es die. Aber steht doch nicht im Kalten da. Kommt herein und wärmt Euch auf, gleich ist auch das Abendessen fertig, wenn Ihr möchtet, könnt Ihr gerne bleiben und mit uns speisen. Dabei können wir dann über alles reden, was in letzter Zeit so vorgefallen ist."

Ko'Descherre folgte dieser Einladung ohne Skrupel, doch Ce'Nedra brauchte erst einen weiteren bestätigenden Blick der Dämonin, um ihrer Mentorin zu folgen. Sie würde Ko'Descherre später noch vorhalten, was sie davon hielt, bei anderen Leuten Essen zu schmarotzen. Für den Moment jedoch verhielt sie sich noch ruhig, um ihre unfreiwillige Gastgeberin nicht aus dem Konzept zu bringen. Die Neugier wich nicht aus dem Blick dieser, doch hielt sie sich aus irgendeinem Grund zurück, nach Ce'Nedras Namen oder Verbindung zu Ko'Descherre zu fragen. Letztere streifte bereits ihre Schuhe von den Füßen und hängte den grünen Umhang an einen extra dafür vorgesehenen Haken. Die Anzahl dieser Haken ließ Ce'Nedra darauf schließen, dass entweder sehr viele Leute in diesem Haus wohnten, oder häufig Besuch vorbei kam, sodass sie sich ein bisschen besser fühlte. Nach Drängen der beiden anderen Frauen überließ auch sie ihren dunkelgrünen Umhang dem Halter und entließ ihre Füße aus den Schuhen, was ein angenehmes Gefühl darstellte, nachdem sie den ganzen Tag darin gelaufen waren.



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