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Realize the Real Lies

[Akame...?]
von

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Kapitel 1 – Drowning

“Drowning is death from suffocation (asphyxia) caused by a liquid entering the lungs and preventing the absorption of oxygen leading to cerebral”
 

Kame wischte sich mit dem Handrücken über dem Mund, aber der bittere Geschmack wollte nicht einfach wieder verschwinden. Erschöpft seufzte er einmal auf und lies das Wasser aus dem Wasserhahn fließen, nahm vorsichtig einen Schluck und verzog das Gesicht. Es war viel zu heiß… Ermattet stellte er es auf kälteres Wasser ein und wartete etwas. Dann spülte er seinen Mund gründlich aus. Er konnte es nicht mehr ertragen. Aber helfen lassen wollte er sich auch nicht, dazu war er viel zu stolz.
 

„Hallo Leute!“, Koki begrüßte die restlichen Mitglieder der Band so als hätten sie sich das letzte Mal vor einem Jahr gesehen wobei vielleicht gerade mal zehn Stunden seit ihrem letzten Zusammentreffen vergangen waren. Sie waren mitten in einem Musikvideodreh.

Dieser fing, jedenfalls Jins Meinung nach, immer viel zu früh an und hörte viel zu spät auf, da sollte man sich immer konzentrieren können... Trotzdem, beschweren wollte sich keiner, es machte immerhin auch Spaß diese Videos zu drehen.

Endlich erreichte Koki die versammelte Gruppe und lachte sein „eigentlich habe ich schlechte Laune weil ich im Bett bleiben wollte“-Lachen in das Nakamaru etwas verspätet einstimmte. Ueda schloss nur die Augen, diese Idioten konnte er gerade nicht ertragen, besser er tat so als wären sie gar nicht anwesend. Jin und Kame hatten heute scheinbar dieselbe Taktik angenommen. Einfach mal ignorieren. Nur der Sonnenstrahl der Band, der die Worte „Müdigkeit“ und „schlechte Laune“ anscheinend nicht kannte alberte mit den anderen beiden rum.

Jin legte seinen Kopf auf die Tischplatte. „Weiß einer von euch wann wir heute fertig werden?“ Kamenashi lachte einmal bitter auf. „Wahrscheinlich wieder viel zu spät. Wir haben gestern nicht alle Szenen gedreht die geplant waren wurde mir gerade gesagt. Nur dass sie heute fertig sein müssen. Mehr Zeit wird uns nicht gegeben.“

Maru nickte. „Ja darauf wurde ich auch schon angesprochen. Sie denken aber auch darüber nach ob sie es nicht mit irgendwelchen computeranimierten Bildern vollstopfen können. Also die Szenen die wir nicht schaffen.“ – „Weil wir leider tot umgefallen sind…“, murmelte Jin zu niemanden bestimmten erntete aber allgemeines Kopfnicken.

„Jin, Kame…“ begann Maru noch einmal. Beide blickten ihn an um zu signalisieren, dass sie ihm zuhörten. „Mir wurde außerdem gesagt, dass ihr doch bitte dran denken sollt nicht miteinander zu reden wenn die Kameras laufen…“

Jin stöhnte frustriert auf. Er wusste warum sie diese strengen Auflagen hatten und er wollte es nicht riskieren, dass sie wieder getrennt wurden wegen irgendwelcher haltloser Gerüchte… aber gleichzeitig fragte er sich wie lange sie diese Scharade noch aufrecht erhalten mussten. Wie lange war es jetzt her dass er aus Los Angeles zurückgekommen war? Zwei Jahre, drei Jahre? Wieso wurden aber jedes Mal wenn er und Kazuya sich nur anguckten die Gerüchte wieder so laut? War es zu viel verlangt, dass er etwas mehr Zeit mit seinem besten Freund verbringen konnte? Freizeit hatten sie ja so gut wie sowieso nicht…

Aus den Augenwinkeln sah er, dass Kame in etwa genau wie er reagiert hatte, das brachte ihm zum Grinsen. Sie waren sich einfach so ähnlich, selbst wenn sie es nicht beabsichtigten waren ihre Handlungen häufig identisch.

Nakamaru warf ihnen einen letzten mitleidigen Blick zu und ging dann aus dem Raum raus. Junno hatte sein Lächeln für einen Augenblick verloren, aber solche Momente dauerten bei ihm nie lange. „Wir müssen los“, meinte er schließlich nur vage in den Raum und folgte Nakamaru.

Koki und Ueda saßen noch etwas unmotiviert auf ihren Stühlen, doch der Workaholic hatte sich bereits erhoben und fing an die beiden Richtung Tür zu scheuchen. Jin würde ihnen auch so folgen, das wusste er. Und tatsächlich hörte er wie ein Stuhl zurückgeschoben wurde und leise Fußstapfen deuteten an, dass Akanishi sich hinter ihm befand.

Dann merken Koki und Ueda nur noch, dass sie von zwei Personen aus dem Raum vertrieben wurden.
 

Nach einigen Stunden voller Arbeit, Pausen, peinlichen Situationen (Ueda war sich immer noch nicht sicher wer Schuld daran war, dass bei einer Gruppenaufnahme seine Hose plötzlich auf dem Boden lag… zur Vorsicht hatte er einfach mal sowohl Koki als auch Jin eine reingehauen, obwohl beide tief und fest schworen es nicht gewesen zu sein…) und einer Menge Fehler hatte Jin beschlossen, dass es Essenszeit war. Vom Personal traute sich keiner zu widersprechen und bei der Band war eh klar dass ohne etwas im Magen keine weitere Aufnahme würde stattfinden können. Jin suchte noch nach einem Opfer, was sich mit ihm auf den Weg machen konnte um von einem Restaurant etwas abzuholen (wieso hatte eigentlich niemand daran gedacht dass sie essen mussten und es ihnen hingestellt?), als ihm auffiel, dass Kame bereits nach seiner Jacke griff und in Richtung Ausgang marschierte. Jin grinste einmal kurz und beeilte sich dem Jüngeren zu folgen.

Kurz vor seinem Wagen hatte er Kazuya eingeholt. „Wieso hast du nicht gewartet?“, fragte er etwas stichelnd. Kazuya lächelte ihm einmal kurz zu antwortete aber nicht direkt sondern schubste ihn erst Richtung Fahrertür. „Weil du ewig brauchst wenn du weißt, dass man wartet.“ – „Nicht wenn es ums Essen geht!“, protestierte der Ältere und erntete ein Lachen, was auch seine Absicht gewesen war. Das nächste was er von Kames Seite bekam freute ihn aber gar nicht, dann plötzlich verabschiedete sich seine Kappe von ihm und fand sich auf dem Kopf seines Kollegen wieder. „Hey!“ Kame grinste nur und stieg ins Auto ein. Jin beeilte sich, sich ebenfalls hinzusetzen. „Krieg ich meine Mütze wieder?“, fragte er während er das Auto startete. Viel Hoffnung machte er sich jedoch nicht und wie er erwartet hatte schüttelte Kame schlicht und ergreifend den Kopf und machte es sich im Sitz bequem. „Ich mag es nicht wenn du Hüte aufhast wenn du fährst“, murmelte er mehr zu sich selber als zu Jin, der seufzte nur und beließ es dabei, das Gespräch hatten sie schon häufiger gehabt und noch nie hatte er sich durchsetzen können. Und wenn er versuchte seine Mütze zu retten würde Kamenashi für eine Woche nicht mehr mit ihm reden, das wollte er auch vermeiden.

„Also, was willst du essen?“, fragte Jin schließlich als sein Auto sich im Verkehr einordnete. „Keine Ahnung“, meinte Kame desinteressiert und beobachtete die vorbeifahrenden Autos. „Was wollen die anderen essen?“ – „Hab nicht nachgefragt…“, gestand Jin kleinlaut und sah noch das Augenrollen Kazuyas. „Nehmen wir einfach irgendwas was in der Nähe ist“, meine Kame aber nur und fuhr fort damit aus dem Fenster zu blicken. Jin genoss diesen Moment der Stille ein wenig, bis ihm etwas einfiel. „Hey, Kame?“ – „Hm?“ Er wartete bis Kame sich zu ihm umdrehte ehe er fortfuhr. „Ich wollte wissen ob du heute bei mir pennen möchtest, dann könntest du etwas länger schlafen.“ Er war erstaunt als Kame ihm nicht sofort zustimmte. Kazuya sagte einfach… gar nichts. Jin drehte sich ein wenig zu Kame um, wollte wissen was für einen Gesichtsausdruck er gerade hatte und war überrascht als er kein Lächeln sondern einen nachdenklichen Kazuya sah. Das war das erste Mal, dass er nicht ohne nachzudenken zugesagt hatte. Schließlich schüttelte Kazuya den Kopf. „Nein Jin, das geht heute leider nicht“, flüsterte er leise und betrachtete dann seine Hände die er im Schoß zusammengefaltet hatte. Jin hätte schwören können, dass sie sich verkrampft hatten. Noch bevor er den Mund aufmachen konnte nickte Kazuya ihm zu und suggerierte ihm dass er gefälligst auf die Straße gucken sollte. Jin runzelte die Stirn. Das würde er nicht einfach so stehen lassen. Ein Seitenblick auf den Jüngeren zeigte ihm, dass dieser es auch wusste.
 

Als sie wieder zu den anderen stießen, mit dem duftenden Essen in den Tüten, wurden sie freudig empfangen, bis jeder seine eigene Portion hatte waren Kamenashi und Akanishi im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Jin bemerkte, dass die Kameraleute ihnen wieder gefährliche nahe kamen, sofort distanzierte er sich von der Gruppe, Kazuya gesellte sich beim Essen zu Koki und Maru, beim Dreh sah man das in letzter Zeit so häufig… Jin seufzte. Er wusste genau, dass sie eigentlich alle sechs zusammensitzen wollten. Wieder einmal verfluchte er die Gerüchte. Er wollte Kazuya ausquetschen, was denn los sei… warum er auf einmal nicht zu ihm kommen wollte… sie kannten sich jetzt knapp elf Jahre und noch nie hatte er eine Einladung von Jin ausgeschlagen… Das würde wohl trotzdem bis nach dem Drehende warten müssen…

Den Rest des Tages konnte Jin seine Augen nicht mehr von Kamenashi lassen… der mit einer ebensogroßen Entschlossenheit seinem Blick auswich. Gut, an sich nichts Ungewöhnliches. Es passierte schon mal dass einer der beiden schlicht und ergreifend vergaß… dass er nicht zum anderen gucken sollte. Solange dann der Angestarrte nicht reagierte gab es auch keine Standpauke von oben (mehr) aber diesmal lag der Sachverhalt etwas anders. Und Kazuya musste das spüren. Dazu kannte er Jin zu gut. Sogar die anderen merkten anscheinend, dass irgendwas anders war als sonst. In einer unbeobachteten Sekunde hatte Koki diskret nachgefragt ob etwas nicht in Ordnung sei („Hey Jin, haben du und Kame euch gestritten oder was ist los?“). Jin hatte nur ratlos mit den Schultern gezuckt. Wie sollte er so etwas auch jemanden erklären, wenn er selber nicht genau wusste was nicht stimmte? Endlich wurde ihnen gesagt, dass sie die letzten Aufnahmen machen würden, wie immer ein Solopart. Und wie immer wurden sie in der Reihenfolge des Bandnamens aufgerufen. Akanishi betrachtete mit den anderen den Jüngsten unter ihnen. Wie er sich im Takt bewegte, wie er einen dummen Fehler machte und wieder von vorne anfangen durfte (musste). Koki triezte Kame noch etwas, aber nach einem weiteren Versuch war die Aufnahme so perfekt wie eben möglich. Irgendwelchen kleineren Fehler gab es immer mal.

Jin stand auf um zum Set zu gehen. Und traute seinen Augen nicht. Kame hatte bereits das Studio verlassen.

Er hatte nicht auf ihn gewartet.
 

Kazuya rannte schnell zum Auto, er wusste, sobald Jin fertig war würde er versuchen ihn einzuholen, das durfte nicht passieren. Er konnte Jin nicht gegenübertreten. Nicht wenn er ihn fragen würde. Er bezweifelte, dass er lange lügen konnte… oder dass Jin die Lügen schluckte… Kamenashi öffnete die Tür und startete den Motor, er hatte all seine Sachen im Studio liegen lassen, aber das kümmerte ihn gerade recht wenig. Er musste weg von hier, weg von Jin.

Er wollte nicht, dass er davon wusste. Er wollte nicht dass irgendjemand davon wusste. Kame stellte fest, dass er viel zu schnell fuhr, aber das war ihm egal. Weg, weg, weg, weg. Aber es war auch klar, dass er dieser Konfrontation nicht lange würde aus dem Weg gehen können… was sollte er bloß tun? Wütend schlug er mit der Hand aufs Lenkrad. Er hätte besser aufpassen müssen. Er hätte schnell sagen müssen, dass… ja, dass was? Was wäre denn wichtig genug die Einladung des besten Freundes auszuschlagen?
 

Jin stand fassungslos vor dem leeren Parkplatz. Hier hatte Kames Auto gestanden. Er hatte nicht im Umkleideraum gewartet, er war nicht auf den Toiletten gewesen, er hatte mit keinem von den Hintergrundtänzern geredet, er hatte… er war einfach nirgends gewesen. Trotzdem hatte Jin nicht glauben können, dass Kazuya wirklich und wahrhaftig ohne auf ihn zu warten gegangen war. Jetzt machte er sich Sorgen um seinen besten Freund. Warum wollte er ihm aus dem Weg gehen? Das letzte Mal wo so etwas passiert war hatte Kazuya ihm ein Geburtstagsgeschenk in der Stadt suchen wollen… aber momentan gab es keinen Grund dafür ein Geschenk zu kaufen. Jin versuchte sich an andere Momente zu erinnern wo etwas Ähnliches vorgefallen war… aber all diesen Momentan war ein Streit vorausgegangen. Es gab einfach zurzeit nichts, was Kazuyas Verhalten erklären könnte. Frustriert drehte Jin sich um. Er hatte gesehen, dass Kame einige Sachen liegengelassen hatte. Er trat sich mental selbst in den Hintern, aber er konnte einfach nicht anders als die Klamotten zu holen. Im Umkleideraum traf er auf die anderen Mitglieder, Junno und Koki blickten ihn kurz fragend an aber Jin ignorierte sie völlig, nahm seine Mütze ab und pfefferte sie auf seinen Platz. „Jin, ist alles okay?“, fragte Nakamaru nach und Jin schenkte ihm einen vernichtenden Blick. „Weiß einer von euch wo Kame ist? Oder warum er gegangen ist?“ Die Andern blickten sich ratlos an. Schließlich wagte Ueda es etwas zu sagen. „Aber… seine Sachen liegen doch noch hier rum?“ Jin nickte nur und begann sich umzuziehen. Plötzlich lachte Koki los. Die anderen drehten sich zu ihm um. „Was ist?“, wollte Junno wissen. „Ach, ich stell mir nur gerade vor wie Kame in dem Fummel hier“, er deutete an sich herab, er trug immer noch die Anziehsachen vom Dreh, „durch die Stadt schlendert.“

Sogar Jin musste kurz grinsen als er sich das vorstellte, die anderen konnten sich vor Lachen jedoch nicht halten. Es waren wieder mal typische Johnny’s Entertainment Kostüme, sollte heißen: Glitzer, Funkel, Federn, grelle Farben. Niemand mit gesundem Menschenverstand würde sich so nach draußen wagen. Erst recht nicht wenn er versuchte (wie meist alle mehr oder weniger bekannten Personen) nicht aufzufallen. Das wiederrum brachte Jin zu der Frage warum Kazuya sich nicht mal die Zeit genommen hatte um sich umzuziehen? Egal wie er es drehte und wendete… er kam auf keine Lösung dieses Problems… Er zog sich schnell um, lieh sich von Junno eine Tüte (wer kaufte eigentlich vor einem Videodreh Computerspiele?) und legte dort Kames Sachen rein. Das war wirklich mehr als untypisch.

„Jin?“, riss ihn Koki aus seinen Gedanken. „Ja?“, er war gerade nicht in der richtigen Stimmung um herumzualbern oder große Reden zu schwingen. „Willst du Kame die Sachen heute noch bringen oder morgen geben?“ – „Wieso fragst du?“ Koki zuckte mit den Schultern. „Als letztes haben wir morgen Aufnahmen die ganz in der Nähe von Marus Haus sind, wir dachten wenn wir fertig sind gehen wir alle da hin, dann kann auch Maru gleich die Sachen mitnehmen und du musst es nicht mit dir rumschleppen.“ Jin blieb kurz stehen. Es war ein verlockendes Angebot, andererseits hatte Koki ihn da gerade auf eine Idee gebracht. Er könnte Kazuya die Sachen auch vorbeibringen. Selbst wenn der Jüngere noch nicht da war… Jin hatte mal einen Schlüssel zu seinem Apartment bekommen, damit er Blumen gießen konnte wenn Kazuya nicht da war.

„Ich denke ich bringe ihm die Sachen schon heute vorbei…“
 

Wie erwartet reagierte niemand auf sein Klopfen. Das konnte zwei Gründe haben. Entweder Kazuya war nicht da (was zwar unwahrscheinlich war, aber man durfte sich ja noch Hoffnungen machen) oder aber er ignorierte Jin geflissentlich, weil er wusste, dass Jin klopfte (diese Möglichkeit machte Jin wütend, Kame konnte sich auf was gefasst machen).

Nachdem er einige Zeit gewartet hatte holte er kurzerhand die Schlüssel zu Kames Wohnung raus und steckte sie ins Schloss. Er war schon erstaunt als er die Tür öffnete. Was ihm zuallererst auffiel, war, dass die ganze Wohnung im Dunkeln lag, die andere Sache war die Kälte. Hier war seit heute Morgen nicht mehr geheizt worden. Ein sicheres Zeichen dafür, dass Kazuya tatsächlich nicht im Haus war. Jin tastete sich zum Lichtschalter vor und sorgte für klare Verhältnisse. Und trat erst mal einen Schritt zurück. Okay, spätestens jetzt machte er sich Sorgen. Allerspätestens jetzt.

Er erinnerte sich noch lebhaft an all die Streitgespräche die er mit Kazuya wegen seines Lebensstils geführt hatte. Von wegen, dass er zu wenig verantwortungsvoll sei (Kazuyas hatte genug für sie beide wie Jin fand), dass er launig sei (ja, er musste doch einen gesunden Gegenpart zu Kame herstellen?), dass er sich zu wenig von anderen beeinflussen lies (Jin nannte das gesunden Menschenverstand, er musste doch nicht alles tun was Johnny-san ihm sagte?) und last but not least, dass er zu Unordentlich sei (Jin fand es sehr angenehm, dass Kazuya jedes Mal nach so einer Rede beschloss Jins Wohnung aufzuräumen…) deswegen war er umso erstaunter als er feststellte, dass Kazuyas Wohnung dreckiger war als seine je gewesen war (sogar nach einigen ziemlich großen Partys hatte es bei ihm noch nie so ausgesehen…). Und das hier war nur der Flur… Jin runzelte die Stirn.

Wann war er das letzte Mal bei Kame gewesen? Wann hatte er ihn zum letzten Mal eingeladen? Es… war schon etwas her. Und wenn Jin gefragt hatte ob er nicht mal zu dem Jüngeren kommen sollte hatte Kazuya letztens immer erwidert, dass er lieber zu Jin gehen wollte. Jin hatte sich nichts dabei gedacht, sie waren meistens bei ihm, das war nichts Ungewöhnliches… aber jetzt fragte er sich ob es nicht besser gewesen wäre wenn er darauf bestanden hätte mal wieder zu Kame zu gehen…

Jin kniete nieder um die Sachen, die auf dem Boden verstreut lagen näher in Augenschein zu nehmen.
 

„Du ruinierst dir die Gesundheit!“, fauchte Kame Jin an und riss ihm die Zigarette aus der Hand. „Spinnst du? Wann hast du bitteschön angefangen zu rauchen?“ Kazuya stand wie ein Rachegott persönlich vor Jin, dieser schluckte schwer. Er hatte gedacht, dass es schlimm werden würde wenn seine Eltern herausfanden, dass er rauchte… aber dass Kazuya einen größeren Aufstand veranstalten würde… damit hatte er nicht gerechnet. Trotzdem regte sich der Trotz in ihm. Wer war er denn bitteschön sich so aufzuführen?

„Ich habe eben in Amerika angefangen, hast du was dagegen!“, schrie er zurück, wohl wissend, dass damit ein großer Streit heraufbeschworen worden war. Kame trat mittlerweile auf die Zigarette und löschte sie somit. „Mal abgesehen von deiner Gesundheit, die dir scheinbar am Arsch vorbeigeht“, der Seitenhieb hatte gesessen, das musste Jin leider zugeben „was ist mit deiner Stimme? Hast du überhaupt eine Ahnung was für eine Auswirkung dieses Gift auf deine Stimme haben kann?“ Jin zuckte kurz zusammen. Nein daran hatte er nicht gedacht. „Ich dachte, das sei das was dich am meisten interessiert? Und nun wirfst du es weg nur um an so einem Glimmstängel zu ziehen?“ Kazuya war außer sich.

Jin hatte nie wieder geraucht, teils weil er die Argumente verstand, teils weil er Kazuya nie wieder so erleben wollte.
 

Und nun sah er Zigaretten auf dem Boden liegen. Geöffnete Packungen, leere, nicht leere lagen verstreut auf dem Parkett. Und einige ungeöffnete Packungen konnte Jin auch ausmachen. Ungläubig hob er ein Päckchen hoch. Marlboro… Jetzt erkannte er auch den Geruch der in der Luft lag. Rauchte Kazuya? Wenn ja seit wann? Und warum?

Jin schloss die Augen. Ließ die Packung wieder fallen und stand auf. Das andere schienen nur irgendwelche Anziehsachen zu sein, die nach dem Geruch die sie absonderten eigentlich in die Waschmaschine gehörten und nicht auf den Boden der Wohnung eines peniblen Menschen. Kurz spielte er mit dem Gedanken die Sachen aufzuheben und zum Waschkorb zu bringen… aber er wusste nicht ob das momentan die richtige Reaktion war. Er wusste gar nicht wie er sich verhalten sollte. In Ermangelung einer echten Alternative holte er sein Handy raus und wählte Kazuyas Nummer. Erst als er dessen Handy in Junnos Tasche hörte erinnerte er sich daran warum er hierhergekommen war und dass Kazuya natürlich nicht sein Handy bei sich haben konnte… es war immer entweder in der Jacken- oder Hosentasche…

Frustriert raufte Jin sich die Haare. Nun gut. Er würde hier auf Kazuya warten und in der Zwischenzeit konnte er sich genauso gut den restlichen Teil der Wohnung anschauen. Vielleicht hatte Kame ja für irgendwen die Zigaretten gekauft (für wen denn bitte?) und hatte keine Zeit gehabt den Flur aufzuräumen… war zu müde gewesen wenn er von der Arbeit heimkam… Jin hoffte inständig, dass der Rest des Hauses so aussah wie er es gewohnt war.

Jin sorgte für Licht im Wohnzimmer und war nur mäßig erstaunt darüber, dass es nicht besser aussah als im Flur. Im Gegenteil… es sah schlimmer aus. Hier lagen eindeutig mehr Sachen auf dem Boden, außerdem hatte Kame den Couchtisch umgestoßen… Jin verstand es nicht. Er blickte sich um. Wieder irgendwelche Anziehsachen… Glasscherben… in ihrer näheren Umgebung sah es aus als wäre im Boden Blut eingetrocknet… ob Kame sich an den Scherben geschnitten hatte? Jin räumte sich einen Platz auf dem Sofa frei (indem er den Berg der… des Mülls einfach auf den Boden schob) und setzte sich. Er brauchte einen Moment um sich zu sammeln. Hatte es irgendeinen Moment gegeben wo Kazuya anfing sich anders zu benehmen? Er konnte sich nicht daran erinnern… eigentlich war ihm nichts im Verhalten seines Freundes aufgefallen… was so betrachtet erbärmlich war. Denn irgendetwas Einschneidendes schien auf jeden Fall geschehen zu sein. Und er, als Kazuyas bester Freund, hätte es merken müssen. Immerhin… hatte Kazuya immer gemerkt wenn mit ihm was nicht in Ordnung war. Und es war bisher noch nie so… schlimm gewesen wie es jetzt für Kazuya zu sein schien… Aber im Moment konnte er nur warten…
 

Kazuya parkte auf einem Parkplatz unweit seiner Wohnung. Er hatte nicht darüber nachgedacht wo er hingehen sollte, aber gerade als er kurz davor war (endlich) zu Hause zu sein packte ihn die Erkenntnis, dass das wohl der Ort war an dem Jin ihn am ehesten suchen würde. Was hieß dass er entweder nicht nach Hause gehen konnte… oder Jin treffen würde.

Kame bis sich auf den Daumennagel. Jin würde auf jeden Fall in die Wohnung kommen. Ob er jetzt drin war oder nicht machte da keinen großen Unterschied. Er würde sehen wie weit es bereits gekommen war. Er würde wissen, dass… Kame schüttelte energisch den Kopf. Er schmeckte Blut und leckte seinen Daumen ab. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Jin würde sich Sorgen machen. Genau das wollte Kame doch eigentlich nicht… aber welche Sorgen würden schlimmer sein…? Hatte er irgendeine Entschuldigung für seine Wohnung, für sein Verhalten?

Und wo sollte er hingehen? Hier im Wagen bleiben? Dann würde Jin ihn früher oder später finden. Wenn er auf die Idee käme aus dem Haus zu gehen um ihn zu suchen. Er könnte weiter wegfahren… aber was sollte er dann machen? In diesen Anziehsachen konnte er nirgends hin… er würde überall auffallen. Gut es war bereits sehr spät aber… so lief man nicht rum. Egal wie heruntergekommen er im Privaten war, in der Öffentlichkeit würde man ihn so nicht zu sehen bekommen, nicht wenn er nicht gerade bei einem Konzert war, einen Auftritt hatte. Etwas was dieses Kostüm erklären konnte.

Kazuya hörte wie sich ein Wagen näherte. Es war Jins Auto. Er hatte Recht behalten. Jin war hierhergekommen. Trotz allem spürte er eine Art der Befriedigung. Er konnte immer noch Jins Handlungen voraussagen als würde er selber… nein. Das war falsch. Mittlerweile wusste er besser was Jin tun würde als dass er wusste was er selber machen würde. Er lachte kurz auf. Ob Jin das wusste? Ob es ihn interessierte (wahrscheinlich sogar sehr, aber diese Erkenntnis wollte Kazuya nicht zulassen)? Er sah wie sein Freund den Wagen verließ und zur Wohnung ging. Nachdem sich die Tür hinter ihm schloss hatte Kazuya eine Idee. Er glaubte nicht, dass Jin heute noch weit weggehen würde.

Er glaubte sicher, dass Kazuya auf dem Weg nach Hause war. Und bald kommen würde. Er würde nicht erwarten, dass Kame zu ihm gehen würde. Vielleicht würde ihm dann auch noch eine Ausrede einfallen… und er könnte seine Sachen wechseln. Es war nichts ungewöhnliches, dass sie sich untereinander Sachen liehen. Ja, das könnte gehen. Erleichtert, dass er wusste was er machen würde drehte er den Schlüssel um und drehte den Wagen.
 

Es war wahrscheinlich das erste Mal, dass es so… still in Jins Wohnung war. Kame wollte nicht den Fernseher anmachen, er wollte auch kein Licht anmachen… aber geduscht hatte er. Er hatte es auch bitter nötig gehabt. Jetzt gammelte er in Jins Sachen auf dem Wohnzimmerboden rum und kraulte einen von Jins Hunden, die ihn freudig begrüßt hatten. Kazuya hatte ihnen erst mal etwas zu essen gegeben, er wünschte er könnte einfach hier bleiben. Den ganzen Tag (Nacht) mit den Tieren rumschmusen, er hatte es vermisst, seit er Ran-chan zu seinen Eltern gegeben hatte. Er hatte… ‚keine Zeit‘ mehr für sie, aber vermissen tat er sie immer noch. Hatte er eigentlich Jin davon erzählt? Den anderen Mitgliedern? Er glaubte nicht… aber daran erinnern konnte er sich auch nicht.

Er musste morgen früh raus, wenn er rechtzeitig zum Dreh wollte aber eine gute Ausrede für sein Verhalten war ihm bisher noch nicht eingefallen. Langsam stand er auf und begab sich ins Schlafzimmer, ließ sich auf das Bett fallen. Für einen Moment hatte er ein schlechtes Gewissen. Jin würde bestimmt nicht gut schlafen können… weil er sich Sorgen machte (selbst wenn er es nie zugeben wollte, war er doch jemand der sehr fürsorglich war) und weil… naja, Kame wollte nicht so genau wissen wo Jin schlafen sollte… Das Bett… überhaupt die ganze Wohnung war für sowas nicht (mehr) richtig geeignet. Er schloss die Augen und drückte das Kissen etwas näher an sein Gesicht. Er würde nicht weinen. Er hatte die absurde Hoffnung, dass Jins Präsenz ihn schützen konnte, dass allein der Geruch von ihm ihm helfen konnte… Aber an sich wusste er, dass das nicht ging. Aber er schlief erstaunlich schnell ein… so schnell wie schon seit langem nicht mehr…
 

Jin blickte wütend Richtung Uhr (die erstaunlicherweise ging, mittlerweile hatte er feststellen können, dass nicht nur an einer Stelle Glasscherben lagen… nein, Kame hatte mehrere Möbelstücke scheinbar auseinandergenommen…). Jin kam sich immer mieser vor. Auch wenn es sonst keiner gemerkt hatte… Er hätte merken müssen, dass etwas schief lief. Er hatte (nach kurzen suchen) festgestellt, dass Ran-chan nirgends zu sehen war. Genauso wenig gab es Hundefutter mehr in Kames Küche (na gut, dort fehlte es wie immer an allem) und gerade darauf hatte Kazuya immer geachtet, dass es seinem Hund gut ging. War sie etwa gestorben? Hätte Kame ihm davon nicht erzählt? War das der Grund? Aber den Gedanken verwarf Jin schnell wieder. Kazuya hätte es ihm gesagt wenn es Ran-chan nicht gut ging. Was natürlich nicht die Frage beantwortete wo sie (und ihr Herrchen) waren.

Halb vier… wenn er rechtzeitig zum Dreh wollte… müsste er in zwei Stunden los. Jin seufzte. Er musste schlafen, aber er konnte sich nicht dazu durchdringen sich hinzulegen. Was wenn Kame doch noch nach Hause kam? Also saß er stur auf dem Sofa und wartete.
 

Als Jin die Augen wieder öffnete war es sechs Uhr. Erschrocken fuhr er auf und ließ die Tüte in der Kames Klamotten waren fallen. Sein erster Gedanke war, dass Kazuya nicht nach Hause gekommen war, sein zweiter, dass er wissen wollte wo er die Nacht verbracht hatte, sein dritter, dass er überhaupt mit ihm reden musste wenn er ihn sah und sein vierter dass er bereits seit ner halben Stunde auf dem Weg zum Studio hätte sein sollen. Fluchend stolperte er Richtung Haustür, die Tüte ließ er liegen, fiel in dem Chaos eh nicht auf. Nachdem er über irgendetwas gestolpert war und der Länge nach auf dem Boden aufschlug beschloss er, dass er hier aufräumen würde. Wenn er das nächste Mal hierherkam. Und Kazuya würde ihn nicht mehr davon abhalten können mit irgendwelchen scheinheiligen Aussagen.

Jin riss die Tür auf, knallte sie hinter sich zu (dachte daran sie wieder abzuschließen) und sprintete zu seinem Auto.

Er wusste jetzt schon, dass er Ärger kriegen würde. Er war zu spät. Und er sah nicht wirklich gepflegt aus (er sah eben so aus, wie wenn man eine Nacht sitzend auf einem Sofa verbracht hatte, nicht mehr Zeit hatte die Anziehsachen zu wechseln geschweige denn dem Bad einen Besuch abzustatten und dann auf den Weg zur Arbeit war…). Sollte heißen, dass wenn er (endlich) beim Studio angekommen war würde man ihn zuallererst stylen müssen (mehr als normalerweise), was wieder Zeit kosten würde was dann in der Standpauke nicht unerwähnt bleiben würde.

Und das wäre die Zeit gewesen in der er hätte mit Kazuya reden können (falls er da war… was war… wenn ihm etwas zugestoßen war? Wenn er beschlossen hatte nicht zum Dreh zu kommen, wenn…). Immer noch zornig parkte er seinen Wagen und rannte zum Aufenthaltsraum, wo alle auf ihn warteten, einschließlich Kazuya. Er starrte ihn an. Er konnte nicht anders. Er war also doch hier. Wo war er in der Nacht gewesen, wie kam es, dass er andere Sachen anhatte als gestern Abend? Wusste er überhaupt was Jin durchgemacht hatte? Ja. Das wusste er. Jin sah dass Kame ihm nicht in die Augen guckte, er sah das Schuldbewusstsein in seiner ganzen Mimik… Gestik. Er wusste es. Und trotzdem hatte er nicht versucht ihm die Sorgen zu nehmen sondern war einfach hier als wäre nichts geschehen? Alle anderen blickten Jin wütend an. Maru war der erste der wieder sprach „Jin, wo zur Hölle bist du gewesen? Und wie siehst du eigentlich aus?“ – „Ach sei still“, fauchte Akanishi zurück, starrte aber immer noch Kame an. Nakamaru runzelte die Stirn und ging einige Schritte auf Jin zu. Koki hatte sich auch erhoben, man sah ihm an, dass er ebenfalls wütend auf Jin war. „Ich hab verschlafen, tut mir ja auch Leid“, knurrte der Sänger und ging auf Kazuya zu. Dieser zuckte kurz zusammen, schaute endlich auf und brachte Jin vollkommen aus dem Konzept. „Wo warst du gestern Abend, ich dachte wir wollten bei dir schlafen?“ Kame klang vorwurfsvoll, verletzt. Aber Jin sah (wohl als einziger), dass Kazuya sich unwohl fühlte. Aber… diese Unverschämtheit (und das von Kazuya! Das war er gar nicht gewohnt) brachte Jin dazu stehen zu bleiben. Er wusste nicht was er darauf erwidern sollte. Aus dem Augenwinkel sah er, dass die anderen den Kopf schüttelten. Wahrscheinlich hatte Kazuya sich schon bei ihnen… ausgeheult. Schauspielern konnte er ja nur zu gut. Wie Jin mittlerweile auch am eigenen Leib erfahren hatte. Es versetzte ihm einen Stich. Er hatte gedacht, dass er Kazuya immer vertrauen konnte… dass Kazuya ihm immer vertrauen würde. Scheinbar hatte er sich getäuscht. Er hatte geglaubt, dass sie einander immer von ihren Problemen erzählen konnten, dass sie ehrlich zueinander waren. Und so wurde ihm das nun vergolten? Wütend schloss er die Hände zu Fäusten. Wenn Kamenashi meinte, dass das ausreichte um ihn zum Schweigen zu bringen hatte er sich getäuscht. Jetzt war Jin ausreichend wütend um sich nicht so viele Gedanken zu machen. Jetzt konnte er einfach sagen was ihm gerade durch den Kopf schoss.

„Wo ich war?“, schrie er los. „Ich will wissen wo du warst! Da macht man sich Sorgen, trägt einem die Sachen hinterher… und und und“ Jin war fassungslos, er wusste gar nicht wie er alles sagen sollte was ihm durch den Kopf ging. Er sah wie Kame die Stirn runzelte und aufstand um mit Jin auf einer Höhe zu sein. Junno sprang allerdings schnell zwischen die beiden. Er konnte es nie ertragen wenn sie sich in die Haare kriegten. Aber nur weil er zwischen ihnen stand hieß es noch lange nicht, dass sie sich nicht anbrüllen konnten. „Woher sollte ich wissen, dass du zu mir gehst?“, wurde Jin auch prompt von Kazuya angefahren. „Ich dachte nach dem Dreh, dass ich schon mal vorgehe, dusche, damit wir uns nicht drum kloppen müssen. Und du bist den ganzen Abend nicht gekommen!“ Die Wut und die Verwirrung in Kazuyas Stimme klangen echt. Zu häufig geschauspielert. „Du sagtest du willst nicht kommen!“, schrie Jin nun, im Gegensatz zu Kazuya war er wirklich wütend. Er wusste nicht was Kame dachte und im Moment war es ihm herzlich egal. „Du meintest du kannst nicht kommen!“, brüllte er weiter. Kame trat einen Schritt auf ihn zu. Junno versuchte panisch Kazuya wieder etwas wegzudrängen. Aber Kame schlug seine Hände weg. Jetzt kamen die anderen Mitglieder etwas näher, für den Fall der Fälle. Sollte einer von den beiden beschließen, dass Worte nicht mehr reichten. Dass sie den Streit nicht schlichten konnten war ihnen klar, deswegen warteten sie erst mal ab. Besser die zwei sprachen sich jetzt ordentlich aus, als dass sie den ganzen Tag würden nicht vernünftig arbeiten können. „Du hattest etwas anderes vor!“ Jins Stimme überschlug sich fast. Er erkannte sie selber nicht. „Ich hatte meine Meinung eben geändert! Ich muss doch sonst auch nie sagen wann ich zu dir komme; und da du gesagt hattest, dass du dich mit mir treffen willst bin ich fest davon ausgegangen, dass du noch kommen würdest!“ Kazuya klang nun nicht mehr wütend, sondern traurig. So als hätte Jin ihm etwas getan. Und nicht umgekehrt. Koki legte Kame einen Arm um die Schulter und Ueda packte Jin, zog ihn etwas weg. Erst jetzt merkte dieser, dass er eine Faust gehoben hatte. Wären die anderen nicht gewesen hätte er zugeschlagen. Andererseits… wären die anderen nicht hier… hätte Kazuya nicht so etwas behauptet. Jin blickte Kazuya stumm nach der mit Koki aus dem Raum ging. Ironischer weise wurde der Jüngere getröstet. Jin blieb mit seiner Verzweiflung alleine. Er fühlte sich verraten.
 

Zum ersten Mal seit langem fiel es ihm nicht schwer sich an die Anweisung „Halte dich von Kamenashi fern“ zu halten. Er wollte nichts sehnlicher als weg von ihm zu kommen. Zur selben Zeit wollte er aber immer noch eine Erklärung haben. Nur war der Zorn immer noch nicht verraucht. Taguchi versuchte sich mit Jin zu unterhalten, doch der blockte schnell ab. Nein, noch konnte er nicht darüber reden. Es war klar, dass die anderen, sollten sie Partei ergreifen, eher auf Kazuyas Seite stehen würden. Es machte also keinen Sinn ihnen zu erklären was ihn beschäftigte. Kame würde seine Sorgen einfach abstreiten, oder behaupten dass er log. Und wie sollte er das Gegenteil beweisen? Sie würden nur glauben, dass er versuchte sein Verhalten irgendwie zu rechtfertigen und ihn, wenn überhaupt, nur mitleidig anschauen. Manchmal hasste er sein Leben. Das war ein solcher Moment.
 

Irgendwann hatte Kazuya es endlich geschafft sich von den anderen loszureißen. Er ging zu den Toiletten und sperrte sich in einer ein, sank auf den Boden. Es tat ihm weh. Er tat ihm weh. Sollte er es ihm doch sagen? Sollte er sich entschuldigen (das sollte er eh tun)? Kame ballte seine Hand zu einer Faust und biss hinein. Erstickte den Schrei somit. Nur er konnte ihn noch hören.

Er konnte aber nicht mehr zurück. Er konnte nicht mehr mit Jin im selben Raum sein, die Schuldgefühle erdrückten ihn schlicht und ergreifend. Aber weggehen konnte er auch nicht, zu viele Leute würden ihn sehen… er hatte außerdem keinen Grund um zu gehen. Kazuya hörte wie die Tür geöffnet wurde. „Kame, bist du hier?“ Koki. Kazuya schloss müde die Augen.

„Ja, ich bin gleich so weit.“ – „Gut wir warten noch auf dich, wir machen gleich die Gruppenbilder.“ Es schien erst so als würde Koki noch bleiben wollen, noch irgendwas sagen wollen… aber letztendlich ging er doch wieder. Kame ließ seinen Kopf gegen die Tür sinken und blieb noch etwas sitzen. Dann stand er auf und ging aus der Toilette.

Den Mann in der Ecke ignorierte er.
 

Die Aufnahmen verliefen recht reibungslos. Da Kame und Akanishi vermieden miteinander zu reden und Jin eh zu schlecht gelaunt war um sich mit irgendwem zu unterhalten… gab es halt nichts was sie hätte stören können. Und da seit 3 Jahren richtige „Gruppenaufnahmen“ eh rar geworden waren gab es auch kein einziges Bild in dem Jin und Kazuya zusammen zu sehen waren. Sonst… hätte es wohl doch wieder gekracht. Und wieder gab es Einzelaufnahmen. Diesmal war Jin nicht wirklich überrascht als er sah wie Kazuya sich davonstahl. Sollte er doch. Noch einmal würde er ihm nicht hinterherrennen. Er selbst brachte seine Aufnahmen auch noch professionell zu ende. Ging zum Umkleideraum und bekam beinah einen Herzinfarkt als er die Tür gegen Kame knallte. Dieser stolperte einige Schritte zurück und hielt sich den Kopf mit schmerzverzerrtem Gesicht. Jin streckte reflexartig die Hand aus, erinnerte sich aber gerade noch rechtzeitig daran, dass sie ja Streit hatten. Sofort ließ er die Hand wieder sinken, ging wortlos an Kazuya vorbei zu seinen Sachen. Er zog sein Shirt über den Kopf konnte aber nicht anders als zu Kame zu linsen, der sich immer noch die schmerzende Stelle rieb. Er hatte wieder seine (Jins) Sachen an und sah so aus als hätte er schon längst gehen können.

Als Jin sich fertig umgezogen hatte stand Kazuya immer noch ziemlich ziellos in der Gegend rum. Ein paar Mal hatte Jin gedacht, dass der Jüngere was sagen wollte, aber bis zum Schluss war nix gekommen. Und Akanishi würde ihm dabei nicht helfen. Auch nicht indem er so lange hier warten würde, bis Kazuya die passenden Worte (oder den Mut sie zu sagen?) gefunden hatte. Er nahm sich seine Sachen und verschwand.
 

Die anderen fanden Kazuya immer noch im Umkleideraum als sie alle wiederkamen. Sie waren etwas erstaunt, sagten aber nichts weiter. Wenn es zwischen Jin und Kazuya nicht so lief wie normalerweise benahmen sich beide auf ihre ganz eigene Art und Weise gruselig.

Und beide waren zu stolz um ihre Fehler einzusehen. Normalerweise blieb es an den anderen hängen sie wieder zu versöhnen. Oder irgendetwas trat ein was beide veranlasste über ihren Schatten zu springen und den Vorfall des Streits zu vergessen. Das war dann auch immer merkwürdig, weil sie von einem Tag auf den anderen so miteinander redeten als wäre nichts geschehen. Und meist wusste niemand was dazu geführt hatte… dass sie wieder miteinander klarkamen. Jetzt hatte Kazuya also einfach beschlossen die Tür anzustarren. Alle konnten sich denken, wer zuletzt durch diese Tür gegangen war. Doch plötzlich begann Kame zu zittern und ging so weit von der Tür weg, bis er mit seinem Rücken gegen die nächste Wand stieß.

Er sank zu Boden und fing leise an zu schluchzen. Perplex drehten sich die anderen zu ihm um. Koki, der wenn Jin und Kame gerade Stress miteinander hatten, mit Kazuya am besten befreundet war ging zu dem Jüngsten und kniete sich neben ihm hin. „Hey, alles klar?“, fragte er vorsichtig nach. Kazuya antwortete ihm nicht sondern vergrub sein Gesicht in den Händen. Koki legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ist es wegen Jin?“ Die anderen starrten sich unbehaglich an. Schließlich beschlossen sie den Raum zu verlassen. Sie wussten, dass Kazuya sich später für diesen Ausbruch hassen würde. Je weniger sie davon mitbekamen desto besser für ihn.

Nachdem die Tür sich wieder geschlossen hatte blickte Koki wieder auf den Kleineren. „Kazuya?“ Er hoffte darauf irgendeine Antwort zu bekommen, aber er merkte nur dass Kame die Tränen immer weniger zurückhalten konnte. Schließlich lehnte Koki sich auch an die Wand und legte einen Arm um Kazuyas Schultern. Flüsterte ihm irgendwelche aufmunternden Worte zu, schaffte es aber für lange Zeit nicht, dass Kame sich wieder fing. Als die Tränen schließlich verebbten saßen sie noch eine Weile still nebeneinander bevor Kame aufstand und sie mit der Hand über die verweinten Augen fuhr. Fast demonstrativ vermied er es Koki anzusehen. Dieser seufzte einmal. „Wir wollen zu Yuichi gehen, magst du mitkommen?“ Kame schüttelte den Kopf. „Nein… ich… will schlafen.“ Koki hatte es geahnt. Sie alle wussten, dass Kazuya gerade dann schlafen wollte, wenn er sich nicht wohl fühlte. Also immer dann wenn er sich mit Jin stritt.
 

Hatten sie es bemerkt? Hatte Koki es bemerkt? Kames Herz schlug ihm bis zum Hals als er Richtung Parkplatz wankte, eigentlich konnte er jetzt nicht fahren… er kriegte kaum noch Luft… Er… er sank erneut Richtung Boden und erbrach sich. Fahrig stand er wieder auf. Stieg ins Auto, zog seine Beine an und legte den Kopf drauf. Es war alles so laut. Er wollte schreien. Wollte dass es aufhörte. Aber er konnte sich nur noch auf den Gedanken konzentrieren ob es ihnen aufgefallen war. Nein, nein, nein. Das durfte nicht passiert sein. Es war ihm noch nie passiert wenn er nicht zu Hause, in Sicherheit, war. Er musste hier weg… aber… müde stieg er wieder aus dem Auto raus. Er musste weg bevor die anderen sich auf den Weg nach Hause machten, aber fahren konnte er nicht. Er schluchzte wieder auf und stolperte weg. Einfach nur weg.
 

Zu Hause angekommen legte sich Jins Wut wieder. Seine Enttäuschung war immer noch da… aber ab dem Moment wo er Kame nicht mehr vor Augen hatten war ihm klar geworden, dass er aus nur sehr wenigen Gründen so handeln würde wie er es tat. Er… kannte eigentlich gar keinen, aber Kazuya musste eine Erklärung haben. Er war nicht der Typ… für solche Aktionen. Wahrscheinlich tat es ihm sogar selber Leid. Jin verfluchte sich für sein Temperament, was ihm verboten hatte zu warten bis Kazuya endlich hätte angefangen zu sprechen. Chance vertan.

Jin spielte mit dem Gedanken Kazuya anzurufen… aber da stellte sich sein Stolz zwischen ihn und dieses Vorhaben. Nein. Wenn Kame ihm etwas zu sagen hatte sollte er selber anrufen.

Nur… wenn er solange nicht mit Jin über seine Probleme hatte reden wollen… warum sollte er jetzt damit anfangen? War es nicht seine Aufgabe Kazuya aus seinem Schneckenhaus zu fischen? Ihm zu helfen? Da er es anscheinend selber nicht konnte?

Letztendlich entschloss er sich doch die Nummer zu wählen. Doch Kame ging nicht dran. Jin schmiss sein Handy gegen die Wand.
 

Kame lehnte sich an eine Wand. Er wusste nicht wo er war, er wusste nicht wo er hingegangen war. Er war einfach nur weggerannt, aber… davor konnte er nicht fliehen. Sicher, er konnte versuchen es zu verstecken, vor anderen… aber er konnte es nicht zurücklassen.

Wütend schlug er mit der Hand gegen die Wand. Es wurde immer schlimmer. Zuerst hatte er gedacht es würde verschwinden sobald… aber nein. Danach war es geblieben. Es erdrückte ihn. Aber das war das erste Mal, dass es so stark während der Aufnahmen geschehen war. Er fühlte sich so hilflos. Ausgeliefert. Er stolperte noch einige Schritte weiter und es traf ihn völlig unvorbereitet als er es sah.

Jetzt wusste er wo er war.

Jin.
 

Jin schaltete den Fernseher ein und machte sich daran irgendwelche Brote zu schmieren, die er beim Fernsehen essen konnte. Lief gerade eh nix was ihn interessierte. Als er beim geschätzten zehnten Brot war drehten seine Hunde durch. Liefen freudig im Kreis, rannten zur Tür und wieder zurück, bellten voller Glück… sie reagierten nur auf zwei Personen so. Auf ihn und auf… Kame. Langsam legte er das Brotmesser weg und machte sich auf den Weg zur Tür. Pin sprang an ihm hoch und wedelte freudig mit dem Schwanz, doch Jin schob ihn weg. Er konnte weder Kames Auto noch Kazuya ausmachen nachdem er die Tür geöffnet hatte.

Er warf Pin einen vernichtenden Blick zu. „Noch mal falle ich nicht darauf rein mein Lieber.“ Er kraulte ihn sanft hinter den Ohren, hob ihn hoch und schloss die Tür wieder. Er schlenderte zurück in die Küche, aber die drei Hunde spielten immer noch verrückt. Seufzend ignorierte er sie. Vielleicht drehten sie einfach mal durch. Außerdem konnte es gut sein, dass sie Kames Geruch noch von gestern Abend in der Nase hatten. Allein beim Gedanken daran knirschte er mit den Zähnen. Jin schob sich eines der Brote in den Mund, nahm den Teller mit den restlichen und balancierte sie zu seinem Tisch. Gelangweilt blätterte er durch das Zeitungsprogram. Es gab wirklich nichts was ihn interessierte. Dann klingelte es an der Tür. Jin hob überrascht den Kopf und starrte wieder auf seine Hunde. Hatten sie doch recht behalten? Er erhob sich und spähte erst mal durch den Spion. Tatsächlich Kazuya. Jin öffnete die Tür und wie ein Blitz schnellte Pin an ihm vorbei und hüpfte an Kazuya hoch. „Hey Pin…“, murmelte dieser (müde?) und streichelte ihm über den Kopf. Jin trat einen Schritt zur Seite, so dass Kazuya reinkommen konnte. Kame schaute kurz auf, runzelte die Stirn und blieb draußen stehen. Jin seufzte. „Na was ist, komm schon rein.“ Er deute mit einem Schwung in seine Wohnung. Und wäre beinah wütend auf Kazuya losgegangen als dieser den Kopf schüttelte. Jin wollte ihn anfahren was er denn sonst wollte als Kame an ihm vorbeiging und sich die Schuhe auszog. „Tut mir leid, ich bin etwas… erschöpft.“ Das hatte Jin auch schon bemerkt. „Ich hab grad was zu essen gemacht, willst du auch was?“ Er wartete nicht auf die Antwort sondern ging wieder zum Tisch, Kame folgte ihm langsam. Sie setzten sich und Jin wollte den Teller in die Mitte schieben als Kame seine Arme auf den Tisch legte und darauf dann seinen Kopf bettete und die Augen schloss. „Kazuya… ist alles okay?“, fragte Jin langsam nach. Er bekam keine Antwort mehr. Der Angesprochene war eingeschlafen. Jin blickte Kame kurz an. Dann ließ er seinen Teller stehen, hob Kazuya hoch und legte ihn auf das Sofa. Danach holte er eine Decke aus seinem Schlafzimmer, legte sie über Kazuya, machte den Fernseher leiser und gesellte sich wieder zu seinen Broten.
 

„Lass das Ran-chan…“, murmelte Kazuya und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht rum. Er hatte versucht ihr das Naseablecken abzugewöhnen, aber von Zeit zu Zeit weckte sie ihn noch so auf. Resigniert öffnete er die Augen und stellte fest, dass gar nicht Ran-chan ihn geweckt hatte. Natürlich nicht. Sie war ja nicht mehr bei ihm. Und er war auch nicht zu Hause… Sondern bei… „Na ausgeschlafen?“ – „Jin?“ Es war stockdunkel. Er hätte nicht gedacht dass Jin noch im Raum sein würde. Kazuya drehte sich um und sah Jin an der Wand lehnen. „Warum schläfst du noch nicht?“, fragte Kame ihn, würde Jin jetzt von ihm wissen wollen was los war? Warum er heute gelogen hatte? Jin kam langsam auf ihn zu und setzte sich zu ihm aufs Sofa. „Ich konnte nicht schlafen. Ich… habe mir zu viele Gedanken gemacht.“ Kazuya nickte. Er hatte es geahnt. „Du willst nicht reden oder?“ Diese Frage überraschte ihn aber dennoch. Kazuya zog die Decke etwas höher, mümmelte sich in ihr ein. Er schüttelte den Kopf. Sie waren allein. Er würde nicht lügen. Er konnte nicht. Jin würde es aus ihm rausbekommen, so oder so… „Ich verstehe…“, murmelte Jin und lehnte sich etwas zurück, strich Kazuya die Haare hinters Ohr. „Du solltest es aber.“ Sein Ton war fordernd. „Es geht dir nicht gut. Schon so lange nicht mehr…“

Kazuya schluckte die Tränen hinunter. Ja, er wusste es doch. Besser als jeder andere. Er hatte gedacht, dass Jin es nicht wusste. Dass er es verborgen hatte. Aber scheinbar… oder er hatte geraten… dass es schon länger abwärts mit ihm ging. Seit Amerika… Damals hatte er geglaubt, dass wenn Jin zurückkommen würde alles wieder besser werden würde. Und es war besser gegangen. Bis Johnnys Entertainment ihnen verkündet hatte, dass Jin und Kazuya sich voneinander fernhalten sollten. Dann war es wieder gekommen. Schlimmer als zuvor.

Jin betrachtete nachdenklich das, was er von Kazuyas Gesicht sehen konnte. Es schien so als würde ihn auch etwas schmerzen, als könnte er es nicht ertragen seinen besten Freund leiden zu sehen. „Jin…“, schluchzte Kazuya auf und Akanishi strich Kame beruhigend über den Rücken. Das war das zweite Mal an einem Tag das Kamenashi deswegen weinte. Das zweite Mal…

Aber diesmal… diesmal war Jin da. Er würde ihm helfen. Kazuya schluckte seinen Stolz runter. Er wusste, dass er nicht mehr so weitermachen konnte wie bisher. Sein Leben war das reinste Chaos. Er vertraute sich selber nicht. Er hatte weder die Motivation noch die Kraft etwas zu machen. Er hatte Angst. Jin war immer seine Stütze gewesen, und seitdem sie fehlte… brach bei Kazuya alles zusammen. Er hatte nur noch so tun können, als wäre er der Kazuya Kamenashi der immer gut drauf war… der verantwortungsbewusst war. Der keine Sorgen hatte. Während der Arbeitszeit war es ihm gelungen… aber… seine Wohnung war der beste Beweis dafür wie weit es schon fortgeschritten war… Es überraschte ihn etwas, dass Jin immer noch still neben ihm saß. Dass er immer noch nichts gesagt hatte. Aber anscheinend wartete er darauf, dass Kazuya von alleine die Kraft fand es ihm mitzuteilen. Über seinen Schatten zu springen.

Kame blickte auf und starrte Jin in die Augen. Jin lächelte ihm zu. „Sag es mir doch einfach Kazu, du weißt, dass ich dir helfen werde.“ – „Jin ich…“ Plötzlich ging das Licht an. Kazuya blickte verwirrt zum Lichtschalter und sah dass Jin dort stand. Sofort fuhr er herum. Dort wo er eben Akanishi gesehen hatte war… niemand.

„Mit wem redest du?“, fragte Jin verschlafen.
 

Jin sah wie Kazuya erschrocken herumfuhr. Es sah aus als wäre er bei etwas ertappt worden. Als hätte er etwas Verbotenes getan. Jin runzelte die Stirn. Wartete auf eine Antwort. Kazuya schluckte einmal. „Ich…“, er deutete vage Richtung Boden und Jin konnte den kleinen Schlawiner Pin ausmachen, der wie die Unschuld in Person neben Kame saß und fröhlich von einem zum anderen guckte. „Pin hat mich geweckt“, schloss Kazuya dann auch ermattet. Jin seufzte und scheuchte den Hund fort. Bevor er wieder in sein Schlafzimmer ging drehte er sich noch einmal zu Kazuya um, der deutlich entspannter wirkte, aber immer noch nicht so wie Jin es von ihm gewöhnt war… Morgen würde er mit ihm reden. Mitten in der Nacht würde es wohl nichts bringen. „Wann haben wir morgen nochmal Probe?“, fragte er Kazuya, den wandelnden Terminkalender schließlich. Dieser dachte kurz nach. „Ich glaube morgen ists etwas entspannter… erst gegen elf.“ Also genügend Zeit für ein langes Gespräch. Jin nickte ihm einmal zu. „Schlaf gut Kazu.“ – „Nacht.“
 

Sobald Jin die Tür geschlossen hatte ließ Kame sich wieder auf das Sofa fallen. Er musste grinsen. Nun sagten ihm schon seine eigenen Gedanken, dass er mit Jin reden sollte. Er wusste… hätte Jin ihn gerade gefragt, er hätte ihm alles gesagt. Dieser „Jin“ hatte so auf ihn gewirkt, dass er sich nicht hätte widersetzten können wenn der echte Jin ihm zum reden animiert hätte. Wie es morgen sein würde… wenn Jin ihn dann tatsächlich fragen würde… dass wusste Kame nicht. Er konnte nie sagen in was für einem Zustand er sich befinden würde… am nächsten Tag, in der nächsten Minute. Aber… seit drei Jahren hatte er es geschafft zu schweigen. Jin Sorgen zu ersparen. Er würde es auch weiter schaffen. Irgendwie…
 

Als Jin aufwachte hörte er wie Kazuya in der Küche rumhantierte. Scheinbar war er schon früher aufgewacht… Naja, kein Wunder. Er war wesentlich weniger Schlaf gewöhnt als Jin und war überhaupt ein Frühaufsteher der nicht im Bett gammeln konnte.

Jin drehte sich um und stand auf, gähnte einmal demonstrativ und tapste Richtung Klo. Auf dem Weg begrüßte er Kame, sah aber, dass dieser seinen mp3-Player im Ohr hatte. Und Kazuya stand mit dem Rücken zu ihm. Dann eben später. Er wusste nicht ob es ihn freuen oder besorgen sollte, dass Kazuya leise vor sich hin summte. War das nur geschauspielert? War er wirklich fröhlich?

Jin kratzte sich am Kopf und setzte dann seinen Weg fort. Irgendwann würde er es herausfinden. Jin machte sich etwas frisch ehe er wieder Richtung Schlafzimmer zog und neue Anziehsachen rausholte. Er suchte auch gleich für Kazuya neue Klamotten raus. Irgendetwas wo man nicht sofort sah, dass es ihm gehörte. Wie immer wenn er Kame etwas von sich gab.

Dieser lugte auch gerade durch die geöffnete Tür rein. Einen der Kopfhörer hatte er jetzt lose runter hängen, so dass er sich mit Jin unterhalten konnte. „Sag mal, hast du keine Eier?“ Jin zuckte mit den Schultern. „Wenn sie nicht im Kühlschrank sind dann eher nicht, nein.“ Kame verzog das Gesicht und ging zurück in die Küche, stellte die Teller auf den Tisch und setzte sich. Griff nach etwas dass er essen wollte und schob es sich in den Mund. Jin blieb etwas stehen. Er wusste nicht wie er anfangen sollte… wie er Kame auf dessen Probleme ansprechen sollte… Als dieser Jin neckisch ansah seufzte er aber nur und setzte sich ebenfalls an den Tisch. „Kazuya…“ – „Jin, wo ist eigentlich mein Handy?“, wurde er unterbrochen gerade dann als er es doch ansprechen wollte. Mist. Diesmal glaubte er nicht, dass Kame es mit Absicht getan hatte. Es war vielmehr so, als würde er gar nicht daran denken… an das was die letzten beiden Tage passiert war. Trotzdem konnte Jin so eine Überleitung schaffen auf das was ihn interessierte… was er wissen wollte. Musste. „Das habe ich bei dir zu Hause gelassen.“ Erst jetzt schien Kame sich zu erinnern. Er hob kurz erschrocken den Kopf und senkte ihn dann wieder. „Ziemlich unordentlich hast dus da…“, bot Jin Kame an selber darüber zu reden. Ohne irgendwelchen zwang. Nebenbei schmierte er sich ein Brot, wie am Abend zuvor. Kame spielte mit seinem Haar herum und fuhr einmal mit der Zunge über die Lippen. Jin kannte diese Bewegungen. Kazuya war nervös. Und wollte es nicht zeigen. „Ich weiß…“, meinte er schließlich und blickte Jin an. „Ich nehme nicht an, dass du mir glauben wirst wenn ich sage dass ich nicht zum Aufräumen kam?“ Jin schüttelte stumm den Kopf. „Und wo ist Ran-chan?“ Das war die einzige mögliche Erklärung die Jin zurzeit hatte. Kazuya blickte überrascht. „Hab ich dir das nicht gesagt?“, fragte er dann. Jin schüttelte nur den Kopf. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet… „Ich hätte schwören…“, begann Kame leise vor sich hinmurmelnd, stockte dann. Seine Augen weiteten sich kurz und er schüttelte den Kopf. „Vergiss es, ich habs dir nicht gesagt. Sorry, mein Fehler.“ Er lächelte einmal (gezwungen?) zu Jin rüber und holte nochmal tief Luft. „Ich habe sie zu meinen Eltern gebracht.“ Jin fiel das Besteck aus der Hand. „Wieso?“, er war geschockt. Aus mehreren Gründen. Kame zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Du hast selbst gesehen wie es bei mir grad aussieht… ich… konnte sie da nicht behalten.“ – „Wieso hast du mich nicht gefragt ob ich sie zu mir nehme?“ Weil du mir dann nicht sagen musstest warum? Weil du deinen Eltern sagen konntest, dass du einfach neben der Arbeit keine Zeit mehr hast? Kazuya blickte überall hin, nur nicht zu Jin. „Ich weiß es nicht. Ich… bin einfach nicht auf diesen Gedanken gekommen…“ Jin antwortete mit Schweigen. Aber auf diese Art und Weise schien er Kazuya nichts mehr entlocken zu können, er fing an wieder munter weiter zu essen. Jin knirschte innerlich mit den Zähnen. „Die Unordnung, Kazu?“, begann er nun etwas drängender nachzufragen. Kamenashi versteifte sich sichtlich. Er schloss die Augen. „Wir müssen los Jin.“ Kazuya stand auf und begann die Sachen in die Spüle und den Kühlschrank zu stellen, je nachdem. Jin guckte auf die Uhr. Eine glatte Lüge. Es war erst neun… Aber er hatte den Wink mit dem Zaunpfahl (oder eher den Schlag) verstanden. Er würde jetzt nicht weiter bohren.
 

Als sie zusammen bei der Probe ankamen wurden ihnen merkwürdige Blicke geschenkt. Ueda schüttelte nur resigniert den Kopf. Die beiden würde er wohl nie verstehen, und wie es aussah die anderen auch nicht. Koki rieb sich die Schläfen. „Okay Leute, ich brauche dringen ein Aspirin. Ich hatte heute Nacht geträumt, dass Kame und Akanishi sich grad nicht leiden mögen… und ich war mir sicher, dass es wirklich passiert war…“ Kame lachte kurz auf und entschuldigte sich bei Koki, wegen… „dem Vorfall“. Jin blickte von einem zum anderen aber sie straften ihn alle mit Ignoranz. „Was war denn?“, fragte er schließlich direkt nach. „Och nichts…“, murmelte Taguchi wenig überzeugend und sorgte dafür dass er sich in Sicherheit vor Jins finsterem Blick brachte. Auch alle anderen zuckten nur mit den Schultern. Jin fand das wieder mal typisch, kaum war man nicht da passierte etwas und hinterher wurde einem nicht mal mitgeteilt was man verpasst hatte. Er warf Kazuya einen Seitenblick zu, der jedoch schnell wegging. Koki legte Jin einen Arm um die Schulter. „Gibs auf Kumpel, das wird er dir sicherlich nicht erzählen.“ Mit einem kameradschaftlichen Klaps folgte Koki dem Jüngsten und zog nebenbei auch noch Junno mit sich mit. Damit war klar, dass dieser „Vorfall“ zu den Sachen gehörte die Kazuya am liebsten ausblenden würde. Oder… wenn das hier ein Film wäre, würde er diese Szenen einfach rausschneiden. Die Wahrscheinlichkeit so etwas aus Kame rauszukitzeln war wirklich… gering. Wie Jin aus Erfahrung wusste. Meistens erbarmte sich Maru seiner. Somit war auch klar, wer hier gleich von Jin belagert werden würde.

„Maru“, sagte er dann auch übertrieben fröhlich, als er sich Yuichi näherte. Dieser seufzte schicksalsergeben auf. „Ja? Was willst du?“ – „Nichts! Darf man nicht einfach mal nett mit dir-“ – „Ich hab gefragt was du willst, dich nicht dazu aufgefordert mir eine dramatische Geschichte ins Ohr zu sülzen.“ Jin schnalzte missbilligend mit der Zunge. Gut Nakamaru war es gewohnt von ihm als Informationsträger missbraucht zu werden, und okay, vielleicht hatte er in letzter Zeit wirklich fast nur nett mit ihm geredet und keine Scherze über seine Nase gemacht wenn er was wollte… Trotzdem musste man ihm das nicht so unter die… Nase reiben. „Was war gestern?“ Er merkte selber, dass er besorgt klang. Maru schaute ihn an. „Du hast dich doch mit Kame gestritten gehabt, du weißt wie ihr beiden drauf seid wenn ihr nicht miteinander redet.“ Jin nickte widerstrebend. Ja, das wusste er. „Na also.“ Und nach diesem wirklich sehr aufmunternden Gespräch durften sie jetzt die neuen Tanzschritte üben. Jin hatte ganz vergessen sie sich noch einmal anzugucken über den ganzen Trubel. Das konnte heiter werden. Nur nicht für ihn…
 

Im Endeffekt stellte sich heraus dass nicht nur er miserabel war was die Tanzschritte anging. Um ehrlich zu sein, Kazuya war um Längen schlechter. Nach zwei Stunden, in denen er es kein einziges Mal geschafft hatte mehr als acht Schritte in der richtigen Reihenfolge zu tanzen ließ sich Kazuya frustriert auf den Hosenboden plumpsen. „Okay, ich gebe auf“, verkündete er daraufhin und verschränkte die Arme. Koki fing an zu lachen und wollte Kazuya hoch ziehen. Als er ihn berührte stieß dieser jedoch einen überraschten Schrei aus und riss sich von Koki los, das alles resultierte darin, dass er mit dem Hinterkopf auf den Boden aufschlug und kurz benommen liegenblieb. „Kazuya!“, rief Jin erschrocken und rannte zu seinem Freund, der sich gerade wieder etwas aufrappelte. „Oh, Mist. Warum immer der Kopf?“, maulte Kamenashi etwas beleidigt. Jin lachte etwas unsicher auf und auch die anderen stimmten ein. Koki jedoch starrte Kazuya an. „Was war denn das gerade eben?“, wollte er wissen. „Nichts…“, murrte Kame, „ich war nur in Gedanken ganz woanders als du kamst. Hast du mir einen Schrecken eingejagt…“ Koki nickte unsicher.
 

Als Kazuya wieder zu sich nach Hause kam (er wusste gar nicht mehr wie er Jin abgewimmelt hatte… er war wirklich aufdringlich gewesen…) guckte er sich das Chaos an und versuchte sich vorzustellen wie Jin reagiert hatte als er das gesehen hatte. Wahrscheinlich war er geschockt gewesen… vielleicht auch verzweifelt? Kame wollte schon das T-Shirt was er trug auf einen der Haufen werfen als ihm wieder einfiel dass es Jin gehörte. Er stoppte mitten in der Bewegung und ließ dann das Shirt wieder sinken. Nein… das musste er Jin zurückgeben. Jetzt verfluchte er sich, dass er Jin nicht genauer gefragte hatte wo genau „Ich habs bei dir zu Hause gelassen“ war. Schweren Herzens machte er sich auf die Suche nach dem guten Stück.

„Hier“, hörte er eine Stimme. Drehte sich um. Nein. Nein. Nein. Kazuya schloss die Augen. Er wollte es nicht sehen. Er wollte diese… Menschen nicht mehr sehen. Manchmal… da fiel es ihm nicht auf… aber er war sich doch ziemlich sicher, dass jemand der mit so viel Blut befleckt war… der so eindeutig… verletzt war… dass so jemand nicht (mehr) leben konnte. Und es machte es nicht viel besser dass er diese Person kannte… Koki… „Hier ist es doch. Das was du suchst“, meinte „Koki“ fröhlich. Kazuya öffnete die Augen wieder. „Da.“ Er deute auf einen Punkt in der Nähe des Sofas. Kazuya blickte skeptisch. Woher sollte er das wissen? Er konnte doch nur genauso viel wissen… wie Kazuya wusste. Trotzdem behielt „Koki“ recht. Dort war eine Tüte die eindeutig mal Junno gehört hatte. Und in ihr waren Kames Anziehsachen die er, nachdem er sein Handy rausgesucht hatte, achtlos auf den Boden warf. Er setzte sich auf das freie Stückchen Sofa als „Koki“ sich von hinten an ihn anschlich und seinen Hände auf Kazuyas Schultern abstützte. Kame zuckte zusammen. Es… fühlte sich so echt an… nur wegen dem Blut (und der Tatsache dass Koki nicht hier sein konnte weil er ihn nicht rein gelassen hatte… und Koki keinen Schlüssel hatte…) wusste er… dass es nicht wirklich Koki war. Er erschauderte. „Koki“ lachte laut auf und war dann… verschwunden. Kame sackte zusammen. Er wollte es sich nicht eingestehen, aber… er war wohl eindeutig verrückt geworden… Seit Jin nach Los Angeles geschickt worden war hatte er immer wieder irgendwelche Leute gesehen… die einfach zu verschwinden schienen. Und dann hatte es wirklich angefangen. Mindestens einmal die Woche war jemand bei ihm gewesen. Manchmal Leute die er kannte… manchmal nicht einmal mehr das… sie hatten zu ihm geredet, ihn langsam aber sich in den Wahnsinn getrieben…

Und dann war „Jin“ gekommen. Obwohl Kazuya gewusst hatte, dass das nur seine Einbildung war, war es doch tröstlich gewesen. Er hatte „Jin“ von all seinen Problemen erzählen können. Hatte sich wieder behütet gefühlt… es gab Zeiten in denen hatte er sich nach diesen Halluzinationen gesehnt… Denn mit dem echten Jin zu reden war eine Seltenheit geworden… der Zeitunterschied… der Zeitplan von KAT-TUN. Es war einfach nicht gegangen. Und wenn er nicht seinen echten Freund haben konnte… dann wenigstens das. Aber nach einiger Zeit hatte er nicht mehr „Jin“ gesehen sondern…

andere… Menschen und einfach nur darauf gehofft, dass der echte Jin bald wieder kommen würde. Dass es endlich aufhören würde… sie schrien ihn an, beschuldigten ihn irgendetwas gemacht zu haben… Schuld zu sein an… an allem…

Und Jin war wieder gekommen. Aber es hatte nichts gebracht… Und Kazuya… traute sich nicht jemanden davon zu erzählen. Mittlerweile erkannte er es meistens nicht mehr ob das was er sah echt und real oder nur seine Fantasie war. Und mittlerweile… sah er diese Sachen immer häufiger… Er hörte ein Lachen hinter sich und kniete sich hin. Suchte blind nach irgendetwas… holte eine Zigarette aus der Schachtel, zündete sie an und zog einmal kräftig daran, musste husten.

„Och, was würde denn der Jin-chan dazu sagen wenn er das sehen könnte!“ – „Er würde sich schämen!“ – „Und deine Eltern, deine Brüder… was würden sie dazu sagen?“ Die Stimmen brachen in grölendes Lachen aus. Kazuya versuchte sie auszublenden.
 

Endlich war es so weit, sie hatten zur Abwechslung mal wieder einen Tag frei.

„Als ob du jemals aufräumen würdest“, stichelte Kazuya Jin der lachend in einer Ecke stand. „Tu ich nicht“, gab Jin sofort zu. „Genau deswegen habe ich dir ja gesagt, dass du hier wieder Ordnung reinbringen musst. Ich kenne dich so gar nicht, Kazu-chan.“ Kazu-chan. So hatte Jin ihn schon lange nicht mehr genannt, auch wenn sie ganz unter sich waren ließ er dieses Suffix meistens weg. Sie waren da raus gewachsen. Es fühlte sich trotzdem gut an, wieder mit diesem Namen gerufen zu werden. „Was ist wenn ich keine Lust dazu habe?“, fragte Kame und zog eine Augenbraue hoch. Jin wurde plötzlich ernst. „Sieh mal Kame. Ich habe keine Ahnung warum es hier so aussieht wie es aussieht, aber ich weiß, dass das so nicht geht. Wenn du so weitermachst wirst du dich noch selber an irgendetwas vergiften… keine Ahnung.“ Ein Lächeln stahl sich auf Jins Lippen, er wusste, wenn er etwas erreichen wollte, dann sollte es möglichst unbefangen rüberkommen. Kazuya war zu… ernst. In dieser Angelegenheit, wenn er merkte, dass Jin so viel Wert darauf legte konnte es gut sein, dass er viel zu stur wäre um etwas zu ändern. Manchmal verstand Jin die Gedankengänge seines Freundes nicht, aber er konnte sie doch relativ genau vorhersagen sobald er ungefähr wusste woran er war. „Außerdem hast du so gut wie gar nichts mehr zum Anziehen, ich kann dir nicht immer meine Sachen geben, irgendwann wäre es auffällig.“ Kazuya lächelte ihm zu. „Ich kann nicht Jin…“ Er klang traurig. Jin zuckte mit den Schultern. „Du wirst mich nicht los ehe es nicht etwas sauberer hier ist.“ Großzügig deutete er auf den Müllberg. „Mach schon. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“ – „So, so. Wer wollte hier stehen bleibe bis ich wieder was tue?“ Jin grinste. „Ich, aber mit schlechtem Gewissen arbeitest du schneller, also mach hinne.“

Lachend erhob sich Kazuya und hob einen Berg von Wäsche auf, brachte sie ins Badezimmer wo seine Waschmaschine stand. Langsam aber sicher beförderte er so alle getragenen Sachen weg, sortierte sie und stopfte sie danach in die Maschine. Jin stand sehr produktiv daneben und zeigte ihm wenn er etwas vergessen hatte. Kazuya war es egal, er war es von seinen Putztagen bei Jin gewohnt, dass der andere nichts tat. Und das hier war nicht einmal seine Wohnung. Warum sollte er also hier mehr tun als bei sich zu Hause?

Wobei es schon eine Überraschung gewesen war als Jin heute an der Tür geklingelt hatte. Kazuya hatte jetzt nicht mit dem Besuch gerechnet, er hatte gedacht Jin würde länger brauchen um sich einen „Schlachtplan“ auszudenken mit dem er den Grund für diese Verwahrlosung herausfinden konnte. Aber scheinbar hatte er sich momentan eher in den Kopf gesetzt die sichtbaren Folgen zu beseitigen. Jin bequemte sich erst etwas zu machen als Kazuya den Tisch wieder hinstellen wollte. Das sah dann selbst Mr. Ich-mache-nichts-dafür-sind-andere-da ein, dass Kame, dass unmöglich selber hochheben konnte. „Kazu?“ – „Hm?“ – „Wie zur Hölle hast du es geschafft den umzukippen?“, stöhnte Jin als er erneut versuchte den Tisch anzuheben. Kazuya tat sich nicht besser damit. „Weiß nicht… ich glaube ich habe dagegengetreten und dann gings…“ Jin starrte ihn erstaunt an, scheinbar wollte er etwas sagen. Einen Augenblick lang machte Kazuya sich Sorgen. Er wollte Jin nicht erzählen warum er das getan hatte. Und Jin schien diese Abneigung zu sehen. Zu Kames unendlicher Erleichterung widmete Akanishi seine Aufmerksamkeit dem nunmehr verhassten Möbelstück. „Ich hab ne Idee“, schnaufte er einige Zeit später. „Tritt mal dagegen…“ Kazuya schüttelte lachend den Kopf. „Dann eben nicht…“, murrte Jin und verdoppelte seine Anstrengungen, endlich hatten ihre Mühen Erfolg. Der Tisch stand. „Jetzt könnte ich was zu essen vertragen“, meinte Jin und grinste verschmilzt. Er ging zum Kühlschrank, doch darin befand sich so gut wie nichts… „Kazuya…“, sagte er und sein Tonfall klang missbilligend. Kame zog seinen Kopf ein. Er hatte eine Ahnung was jetzt kommen würde. „Geh einkaufen, und zwar so, dass wir beide davon satt werden.“ – „Du kommst nicht mit?“, fragte Kazuya leicht beleidigt. Für einen Augenblick hatte er vergessen, dass dies nichtmehr die Zeit war wo sie ohne jede Hemmung alles miteinander unternehmen konnten was sie wollten. Jin lächelte ihm zu. „Du weißt doch… Johnny-san will nicht, dass wir in der Öffentlichkeit gesehen werden, mal abgesehen davon solltest du das auch schnell alleine schaffen.“ Kame legte den Kopf etwas schief, sah traurig aus lächelte aber dennoch. „Ich bin gleich wieder da.“ – „Ich weiß.“
 

Als Kazuya die Wohnungstür wieder aufschloss hörte er wie Jin den Fernseher ausmachte und ihm entgegenkam. „Gib her“, sagte er und nahm Kazuya eine der Tüten ab. Dann drehte er sich um und wollte in die Küche gehen. Er stoppte als er fühlte wie Kazuya sich gegen seinen Rücken fallen ließ. „Ich habe das vermisst Jin“, murmelte er leise, so dass Jin die Worte gerade noch ausmachen konnte. Aber was sollte er machen…? Er konnte nicht einfach die Regeln ändern. So gerne er das auch wollte… Er spürte wie Kame tief Luft holte. „Dieses zusammen abhängen, sich nicht darum scheren was andere denken… Du hast dich verändert Jin, es macht dir was aus was andere denken… Du hast das Selbstvertrauen in dich verloren.“ – „Das sagt der Richtige…“, die Worte waren auch nur geflüstert, aber Kazuya hörte sie trotzdem. Eine Weile sagte er gar nichts, dann besann er sich eines Besseren. „Wir beide wissen, dass du immer derjenige warst der mich mitgezogen hat, all diese Albernheiten hätte ich nicht gemacht wenn…“ – „Ich weiß.“ Jin trat vorsichtig nach vorne, da er es so langsam tat konnte Kazuya sich darauf einstellen und sich wieder auf die eigenen Füße stellen. Der kurze melancholische Moment war damit auch verschwunden. Jin betrat die Küche und Kame folgte ihm, stellte die Einkäufe auf die (mittlerweile) saubere Fläche und fing an die Sachen in die richtigen Regale zu stellen.

Das Kochen dauerte nicht lange. Jin alberte herum wie lange nicht mehr. Er brachte Kazuya zum Lachen. Er ließ ihn seine Sorgen vergessen. Ob Jin wusste wie gut ihm das tat? Nachdem sie gegessen hatten setzten sie sich auf das Sofa, schalteten irgendeinen Mist ein und unterhielten sich über alles, die Leute die sie dort sahen, kannten, nicht kannten. Versuchten sich zusammenzureimen wie deren alltägliches Leben wohl aussah. Am Ende schlief Kazuya an Jins Schulter ein. Dieser Tag war wundervoll gewesen…
 

Jin hatte vor zwei Wochen beschlossen shoppen zu gehen. Diesen Plan hatte er jetzt aber beiseitegelegt und starrte hoch zu der Wohnung in der er Kazuya vermutete. Er fühlte sich etwas unwohl, seinen Freund so zu überraschen, aber er wusste nicht wie er sonst Kazuya dazu bringen konnte mit ihm zu reden. Alles was ihm übrig blieb war etwas Unerwartetes zu tun. Er überlegte nur noch eine Sekunde lang, danach ging er die Stufen hoch und wollte gerade anklopfen als er Kame lachen hörte.

So wie damals… Als sie noch nicht getrennt worden waren. Dieses Lachen hatte Jin seit drei langen Jahren nicht mehr gehört, so losgelöst von allen Problemen. Kazuya sagte etwas, Jin konnte die Worte nicht ausmachen, aber er konnte das Glück in der Stimme heraushören. Er war verwirrt… er hörte keine andere Person… andererseits… konnte Kazuya ja genauso gut telefonieren. Lächelnd ließ er die Hand wieder sinken. Er wollte jetzt nicht stören, nicht nachdem er Kame so glücklich gehört hatte. Mit wem auch immer er sich unterhielt, Jin wusste, dass diese Person Kazuya wichtig war. Gleichzeitig fühlte er einen Stich der Eifersucht. Wieder etwas was ihm Kame verschwiegen hatte? Einen guten Freund von dem er nichts wusste?

Nun setzte er seinen ersten Plan doch in die Tat um, ihm war nicht klar, dass es sich dabei jedoch eher um Frustshoppen handelte als um echtes Einkaufen.
 

Nakamaru beobachtete wie Jin um Kame herumschlich das nächste Mal, dass sie alle wieder gemeinsam in einem Raum saßen, ohne Kameras, ohne Leute die ihnen sagten was sie tun sollten. Nun, „herumschleichen“ war vielleicht das falsche Wort. Aber er beobachtete den Jüngeren ständig, doch jedes Mal wenn Kazuya sich zu Jin umdrehte blickte dieser in eine andere Richtung. Alle merkten, dass Jin schlechte Laune hatte. Wieder einmal. Aber niemand wusste warum. Als Koki leise bei Kame nachfragte zuckte auch der nur mit den Schultern. „Ich weiß nicht“, hatte er gesagt und besorgt die Stirn gerunzelt.

Letztens war doch noch alles in Ordnung gewesen? Als Jin ihn besucht hatte. Oder war er wütend darüber, dass Kazuya eingeschlafen war später? Denn als er wieder aufgewacht war, war er alleine gewesen. Zu dem Zeitpunkt hatte er es noch darauf zurückgeführt, dass es schon spät geworden war und Jin etwas schlafen wollte… und ihn eben nicht geweckt hatte. Aus Rücksicht. Was wenn er falsch lag? Wenn er gegangen war weil er eingeschlafen war? Weil er wütend auf ihn geworden war? Aus welchem Grund auch immer. Kame nahm sich vor Jin zu fragen ob es daran lag… Aber… er konnte auch nichts daran ändern, oder? Jeder Tag war für ihn so schwierig zu überstehen… und wenn er so entspannt war wie an dem Abend konnte er nicht anders als einfach all den Schlaf nachholen den er eigentlich brauchte aber nicht bekam, wegen der Arbeit. Wegen… den Dingen die er sah. Die ihn wachhielten. Er versuchte Jin mit Blicken zu bewegen ihm zu sagen was los war, aber der Ältere ignorierte sie völlig.

Schließlich kam irgendjemand sie holen, sie würden wieder in irgendeiner dummen Show Auftreten von der Kame sogar den Namen vergessen hatte. Er hoffte, dass er diesmal die ganzen Tanzschritte behalten hatte und vergaß so für einen Moment die Sorgen die er sich wegen Jin machte.
 

Nach Ende der Show fing Kazuya Jin in einem leeren Gang ab. „Willst du mir nicht sagen was los ist? Warum bist du so sauer?“ Jin seufzte tief. Er war kurz davor zu fragen ob er in alphabetischer oder chronologischer Reihenfolge antworten sollte, wusste aber dass das nicht der richtige Moment für solche Späßchen war. Kazuya war zu ihm gekommen um zu reden. Aber Jin wusste wirklich nicht wo er anfangen sollte. Am besten dort wo er sich noch die meisten Chancen ausrechnete eine Antwort zu bekommen. Er sah, dass Kazuya immer noch auf eine Antwort wartete.

Das, was er seit letzter Woche wissen wollte würde Kame ihm nicht sagen, dass wusste er. Mittlerweile war er sich ziemlich sicher, dass er selber herausfinden musste was nicht stimmte, dass Kazuya es ihm nicht erzählen würde, egal wie hartnäckig er nachfragte.

Also konnte er mit seinem, in Ermangelung eines besseren Wortes, „Besuch“ gestern anfangen. „Ich war gestern bei dir.“ Jin überraschte der Gesichtsausdruck Kames auf diese Worte. Er sah so aus als hätte Jin etwas total Bescheuertes gesagt. „Weiß ich doch.“ Jin zog die Augenbrauen zusammen, Kazuya hatte gemerkt, dass er dagewesen war? „Ich möchte wissen warum du so… unnahbar bist. Gestern war doch noch alles in Ordnung.“ Jin verstand nicht worüber Kazuya sprach. Alles in Ordnung? Sie hatten nicht miteinander gesprochen, woher wollte er also wissen wie es ihm gegangen war? Er wollte gerade eine Bemerkung in diese Richtung loslassen, als Kame ihn zurückhaltend am Arm berührte. Seine Augen waren auf die Stelle gerichtet wo er Jin berührte. „Ich… wollte mich bei dir bedanken für gestern. Das… hat mir geholfen.“ Jin sah ein schüchternes Lächeln auf Kames Lippen. Seine Verwirrung wuchs nur. Jetzt ließ Kazuya seine Hand sinken und schaute Jin in die Augen. Sein Gesichtsausdruck war wieder ernst. „Aber seit du gestern gegangen bist… ich dachte alles sei okay? Und heute benimmst du dich so…“ Kame gestikulierte hilflos um sein „so“ zu demonstrieren. Jin öffnete den Mund.

„Wovon sprichst du? Wir haben uns gestern doch nicht gesehen. Ich bin gegangen als ich an der Haustür war…?“

Jin glaubte nicht, dass er je vergessen konnte wie Kazuya in dem Augenblick reagierte. Er war blass geworden, seine Augen hatten sich vor Schreck geweitet und er war einige Schritte zurückgetaumelt. Bevor Jin noch irgendetwas sagen konnte drehte sich Kazuya auf der Stelle um und rannte weg.

Jin stand ratlos in dem Flur herum, er konnte sich nicht bewegen. Er konnte nur hilflos Kazuya nachgucken. Hinter sich hörte er die Stimmen seiner Bandkollegen. Total perplex drehte er sich zu ihnen um, wurde in ihrer Mitte aufgenommen. Sie merkten nicht wie verwirrt er war.
 

Kazuya schloss sich bei sich zu Hause ein. Das war das erste Mal, dass er den Schlüssel hinterher im Schloss ließ, um zu verhindern, dass Jin ihm nachkommen konnte. Er konnte es nicht fassen. Jin war nicht hier gewesen. Er… hatte es sich wieder nur eingebildet. Er lachte einmal laut auf. Versuchte sich selbst vom Weinen abzuhalten. Er hatte es nicht gemerkt, bis zum Schluss… Was Jin jetzt wohl dachte? Ob er sich zusammenreimen konnte was los war? Kazuya bezweifelte es. Wie sollte Jin auch auf diese Idee kommen?

Kame blickte sich wütend in seiner Wohnung um. War es jetzt soweit, dass er sich durch dieses Einbilden von Jin selber versuchte wieder auf den rechten Weg zu bringen? Oder drehte er jetzt völlig durch? Plötzlich hatte er Panik. Wer sagte denn, dass er gerade mit dem echten Jin gesprochen hatte? Woher sollte er wissen, wann er sich die anderen nur einbildete und wann nicht? Kazuya fing unkontrolliert an zu zittern. So einfach war das. Er konnte die Realität gar nicht mehr von seiner Fantasie unterscheiden, wenn diese nicht vollkommen absurd war… Oder etwas von außen ihm darauf stieß. Wie letztens, als er im Umkleideraum mit einem vom „Personal“ gesprochen hatte nachdem Jin gegangen war. Der sich erkundigen wollte wie die Termine nächste Woche aussahen und ob man noch etwas dazwischen quetschen konnte. Irgendein dummes Fotoshooting. Und dann war die Tür aufgegangen. Mitten durch diesen „Menschen“ hindurch. Der daraufhin verschwand.

Und Kazuya hatte es verstanden. In dem Moment. Er wusste nur noch, dass die anderen ihn auf seinen Streit mit Jin angesprochen hatten. Dass sie hoffentlich nicht gemerkt hatten, was ihn so fertig gemacht hatte.

Aber… Kazuya suchte sein Handy. Nachdem er es aus einer der Taschen gefischt hatte öffnete er das Telefonbuch und suchte nach einer bestimmten Nummer. Er musste etwas tun…
 

Nakamaru hopste unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Er schluckte seine Gedanken runter (versuchte es zumindest) und starrte auf die Tür die vor ihm stand. Er wusste wer ihn dort erwarten würde. Er wusste nur nicht… was danach passieren würde.

Er wusste nicht wie die anderen darauf reagieren würden. So etwas Ähnliches hatte es erst ein Mal gegeben… und damals waren die Reaktionen alles andere als erfreulich gewesen. Nur dass damals Kame die unangenehme Aufgabe das Übermittels übernommen hatte. Dass damals alle den Grund gekannt hatten. Und diesmal? Vielleicht wusste Akanishi ihn…

Maru holte noch einmal tief Luft und öffnete die Tür mit einem Schwung, ließ sie hinter sich zuknallen und alle drehten sich zu ihm um. Er blickte sich jedoch erst mal nur im Raum um… war jemand außer den Bandmitgliedern hier? Er war fast enttäuscht als dem nicht der Fall war. So musste er es sofort sagen. Er räusperte sich unbehaglich und die anderen blickten ihn einfach nur an. Sie merkten, dass er etwas Wichtiges sagen wollte.

„Johnny-san hat mich gerade zu sich rufen lassen“, fing er vorsichtig an. Die anderen schauten überrascht. Normalerweise war es immer Kamenashi, der zu Johnny gehen musste und alles mit ihm besprach. Außer es war etwas was die ganze Band mit ihm besprechen sollte… aber… das war ja jetzt nicht geschehen? Maru blickte die Wand an als er die nächsten Worte sprach. Sie sprudelten förmlich aus ihm heraus, als würde er sie loswerden müssen. „Kame hatte gestern Abend nach dem Dreh bei ihm angerufen. Er… er sagte, dass er nicht mehr Mitglied bei KAT-TUN sein möchte.“ Maru ballte die Hände zu Fäusten. Schloss die Augen. Hörte wie ein Stuhl umgestoßen wurde, hörte die Schritte die auf ihn zukamen, spürte die Hand die sein Shirt packte, bemerkte den Kontakt mit der Tür als er gegen sie gestoßen wurde und schließlich hörte er wie Jin ihn anbrüllte. „Was soll das heißen?“ Die Verzweiflung, der Unglaube war deutlich aus diesen Worten raus zuhören. Maru schüttelte den Kopf. Öffnete die Augen und sah wie Koki auf sie zukam. Jin etwas von Maru wegzerrte. „Hey, er kann auch nichts für die Nachricht…“, murmelte er leise. Jin blickte fassungslos vom Einen zum Anderen. „Aber… warum sollte er das tun?“ Diese Hilflosigkeit Jins machte den anderen zu schaffen. Vor allem Maru… er hatte gehofft Jin hätte eine Erklärung für Kames merkwürdiges Verhalten… aber er schien genauso vor den Kopf gestoßen zu sein wie alle anderen auch. Eigentlich… schien er noch mehr vor den Kopf gestoßen zu sein. Immerhin, wenn selbst er nicht wusste was hier gerade abging… er hätte es wissen sollen. Man sah ihm an, dass er sich gerade selber hasste. Dafür dass er nicht mehr wusste als alle anderen auch. Dass er nicht gewusst hatte, dass das kommen würde. Dass er es nicht geahnt hatte. Junno gesellte dich neben Jin, aber er wusste nicht was er sagen, was er tun sollte. Die anderen blickten stumm auf den Boden. Schließlich war Jin derjenige der die Stille brach. „Ich glaube nicht, dass wir heute noch was unternehmen werden?“ Er klang resigniert. Maru zuckte hilflos mit den Schultern, schüttelte den Kopf und nickte dann. „Ach keine Ahnung.“ Jin blickte ihn an. „Ich kann heute nichts tun…“ Nach diesen Worten ging er Richtung Tür, Maru trat ihm aus dem Weg. So kraftlos hatten die anderen Jin noch nie gesehen. Er ließ die Tür hinter sich zufallen und schlurfte Richtung Parkplatz. Er hatte nicht einmal mehr die Kraft seine Füße zu heben. Jin ließ sich auf irgendeine Bank sinken die auf dem Weg zum Parkplatz war.

Das erklärte warum Kazuya noch nicht gekommen war heute… Jin weinte. Er merkte es nicht einmal ehe der Boden zu verschwimmen begann und die Tropfen den Grund unter ihm benässten. Warum, Kazuya?
 

Kame lag in seinem Bett, hatte die Decke über den Kopf gezogen und wünschte sich weit weg. Wünschte sich die Menschen aus seinem Zimmer weg, aus seiner Wohnung. Er wünschte sie würden ihn in Ruhe lassen, aufhören ihn zu ärgern, anzuschreien. Sein einziger vernünftiger Gedanke war, dass es richtig gewesen war Johnny anzurufen. Wenn das während ihrer Treffen passiert wäre… Es war klar, dass er das nicht hätte ignorieren können. Und die anderen hätten sich zusammenreimen können was los war. Kazuya zitterte am ganzen Körper, er hörte Koki, Ueda und Junno irgendwelchen Blödsinn machen, er hörte irgendwelche Leute denen er flüchtig begegnet war… Sie fluchten, sie schrien, sie lachten, sie weinten, sie starben, sie quälten, sie… Kazuya drückte seinen Kopf in das Kissen und schrie. Versuchte die Stimmen zu übertönen. Es war kein Schrei der etwas aussagte, es war nur ein Ton… ein einziger langer Ton, so laut wie er nur konnte.

Er hörte wie sich ihm jemand näherte, selbst über all diesen Lärm, über seinen Schrei konnte er die Fußstapfen hören, merkte wie sich jemand neben ihn setzte und lachte. Kame versuchte sich daran zu erinnern, dass das alles nicht real war, dass es nicht wirklich passierte… dass er in Sicherheit war… Die Person die neben ihm saß war Junno. Er klang traurig, frustriert. „Du hättest nicht gehen sollen Kame.“ Kazuya blieb still. Würde es aufhören wenn er nicht reagierte? Er hörte die anderen Bandmitglieder Junno zustimmen, hörte wie andere ihnen widersprachen. Es war zum Verzweifeln. Schließlich kroch Kamenashi aus der Bettdecke hervor, sah den Leuten die da waren ins Gesicht, nahm den nächstbesten Gegenstand und warf ihm mit voller Kraft in irgendjemanden. „Lasst mich in Ruhe!“ Diesen Vorgang wiederholte er, aber es schien nichts zu bringen. Absolut rein gar nichts. Die meisten lachten ihn aus, nur die Band stand mitleidig um ihn rum. Waren sie wirklich hier? War er im Studio? Kame wusste es nicht mehr. Verzweifelt kämpfte er sich ins Bad, ließ aus der Dusche kaltes Wasser laufen, stellte sich mit vollen Klamotten drunter. Das Lachen hörte nicht auf… sie folgten ihm… er konnte nichts tun… Einer zerrte an seinem Shirt, wollte ihn rausziehen, es war Johnny-san. Kazuya konnte nicht mehr, all die aufgestaute Wut, all der Hass wollten raus. Mit aller Kraft schubste er seinen Chef gegen die Spiegel. Es war ihm egal wie er hierhergekommen war. Es war ihm egal was die Zeitungen sagen würden, wenn sie erfahren hatten, dass eines der Idole auf ihn eingeschlagen hatte. Kazuya schlug ihn immer weiter ins Gesicht. Gegen die Brust. Seine Hand war bereits blutig, er sah Spiegelscherben auf dem Boden aber er ignorierte sie. Johnny sank in die Knie… Kazuya trat immer weiter zu. Er war schuld daran, dass Jin hatte gehen müssen. Er war schuld daran, dass er alleine war. Er war schuld daran dass… Kame merkte wie Maru ihn von Johnny-san wegzog. „Kazuya, du bringst ihn um!“, schrie er ihn panisch an. Jin hielt Kame ebenfalls fest. Jin, Jin, Jin, Jin, Jin. Kame vergrub sein Gesicht in Jins Shirt aber es half nichts. Die Anderen gingen nicht weg. Kazuya schrie wieder frustriert auf. Jin sagte irgendetwas zu ihm aber er konnte die Worte nicht hören, er schrie und schrie und schrie.

Er riss sich von Jin los und ging ins Wohnzimmer, Jin folgte ihm, wollte ihn aufhalten, aber Kazuya konnte nicht anders, er wollte denen wehtun, die ihm wehtaten.

Ein anderer Gedanke kam ihm. Jin konnte nicht hier sein. Er konnte es nicht. Er hatte ein Treffen. Genauso wie die anderen. Sie konnten alle nicht hier sein. Kazuya drehte sich voller Hass zu ihnen um. Auch sie waren nur seine Einbildung, er schlug nach ihnen, sie wehrten sich nicht. Im Gegensatz zu den anderen wehrten sie sich nicht. Ließen ihn einfach zuschlagen. Als sie regungslos auf dem Boden lagen sank Kazuya ebenfalls nieder. Der Sturm hatte sich etwas gelegt. Er war müde, traurig, frustriert. Ihm fiel noch auf, dass Jin nicht unter denen war, die auf dem Boden lagen, dann schloss er die Augen.
 

Jin stand unschlüssig vor Kames Tür. Auf sein Klopfen hatte niemand reagiert… War Kazuya überhaupt da? Er hatte sich nicht die Mühe gemacht anzurufen. Er wusste nicht, was Kame ihm gesagt hätte und außerdem musste er ihm ins Gesicht schauen, wenn er ihm nach dem Grund fragte. Und versuchte zur Besinnung zu bringen. Kazuya konnte nicht so einfach aus der Band austreten. Nicht wenn er nicht einen guten Grund hatte… so wie er ihn damals gehabt hatte. Als all diese Gerüchte überhandnahmen. Dass sie ein Paar seien. Jin lachte wütend auf. Natürlich war nichts daran gewesen, aber für sie alle war es zu dem Zeitpunkt besser, dass er nach Amerika gegangen war. Sie alle hatten es verstanden. Er hatte dieses Opfer gebracht, damit KAT-TUN weiterbestehen konnte. Sie hatten dieses Opfer gebracht. Und nun wollte Kazuya es einfach… wegwerfen?

Nachdem der Jüngere auch auf sein Rufen nicht eingegangen war steckte Jin den Schlüssel in das Schloss, stieß auf Wiederstand. Frustriert seufzte er auf. Drückte fester und hörte wie auf der anderen Seite etwas zu Boden fiel. Als ob Kame ihn so aufhalten konnte. Jin öffnete die Tür und ließ sie langsam wieder zufallen. „Kazuya?“ Keine Antwort. Langsam ging Jin Richtung Wohnzimmer. Dort saß Kazuya auf dem Boden, hatte die Augen geschlossen und atmete schwer. Jin sah, dass seine Hände blutig waren, dass er völlig nass war. Ängstlich ging er einen Schritt zu dem Jüngeren hin. „Kazuya?“, fragte er. Diesmal lauter. Kames Kopf schellte nach oben. Er guckte Jin direkt in die Augen. Jin erschrak. Kazuyas Augen waren voller Hass, Wut und Verzweiflung. Ehe er wusste was geschah war Kazuya aufgesprungen und hatte den Raum innerhalb weniger Augenblickte durchquert. Jin wusste nicht wie ihm geschah als er plötzlich Kazuyas Faust in seinem Gesicht wiederfand.

Jin stolperte zurück, hob abwehrend die Hand aber Kazuya war schneller. Er hatte sich noch nie mit Jin geschlagen. Noch nie. Und jetzt tat er es ohne Grund. Jin versuchte Kazuya davon abzuhalten ihn zu verprügeln, aber der Jüngere hatte erstaunliche Kraftreserven. „Verschwinde von hier!“, schrie Kazuya ihn an, kratzte Jin ins Gesicht, zerrte an ihm. „Verschwinde!“ Jin hörte wie Kame erschöpft aufschluchzte. Plötzlich verließ ihn diese… Wut… Kraft und er sank vor Jin auf den Boden. Jin blieb einfach nur versteinert stehen, merkte dass Kazuya sich an sein Shirt klammerte. Er sah das Zittern des Jüngeren konnte sich aber keinen Reim auf dessen Verhalten machen… „Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr…“, murmelte der Kleine, während er immer noch zitterte. Weinte. Jin ließ sich langsam und vorsichtig ebenfalls auf die Knie fallen. Was auch immer hier gerade abging, er fühlte, dass er nichts machen sollte, was Kazuya aus der Fassung brachte. Er wagte nicht etwas zu sagen oder Kazuya anzufassen. Obwohl das immer sein erster Reflex war. Ein aufmunternder Klaps, ein idiotischer Satz hatten meistens eine erstaunliche Wirkung auf die Laune seines Freundes gehabt, meistens konnte er damit alle Probleme wegwischen. Diesmal… würde das wohl nicht helfen.

„Dich will ich nicht hierhaben“, schluchzte Kazuya auf und vergrub sein Gesicht wider seiner Worte in Jins Shirt. Jins Herz zog sich zusammen. Also hatte er doch jemanden gefunden der ihm wichtiger war… War auch das der Grund seines Austrittes?

„Ich will den echten Jin haben, nicht eine lausige Ausrede.“
 

Kazuya klammerte sich an diesen Jin. Oh, er wusste, dass es erbärmlich war. Er suchte Schutz vor seiner Fantasy bei irgendeiner Gestalt die er sich selber herbeigewünscht hatte. Die auch nicht da war… Der Jin vor ihm starrte ihn fassungslos an. Es schien so als wüsste er nicht was er darauf sagen sollte. Kazuyas Kopf schmerzte von all den anderen Dingen die um ihn herum geschahen. Er bedeckte seine Ohren, wollte es ausblenden, schloss die Augen… es ging nicht. „Haltet die Klappe! Haltet einfach eure Klappe!“, schrie er wieder. Schluchzte. Er merkte gar nicht, dass er sich selber hin und her wiegte… Die Hand auf seiner Schulter ignorierte er… „Kazuya…“ flüsterte Jin.

Kame schubste ihn weg, weg, weg von sich. Die Tränen wollten gar nicht aufhören. Er stieß einen frustrierten Schrei aus als das Lachen um ihn herum wieder lauter wurde. Plötzlich fand er sich in einer Umarmung wieder, wurde festgehalten. Er versuchte sich dagegen zu wehren, schlug nach der Person, schrie sie an, hatte Panik. Er wusste es passierte nicht in Wirklichkeit, aber für ihn war es bereits traurige Realität geworden, die Schmerzen, die Angst… wenn auch niemand sonst es wahrnahm… ihn brachte es langsam aber sicher um… auch wenn es nicht möglich sein sollte… trotzdem… Er wollte nicht sterben.

Er kratzte die Person, biss sie, aber sie ließ nicht los. Strich ihm beruhigend durch das Haar. Murmelte irgendwelche Worte, die Kazuya über den ganzen anderen Lärm nicht wahrnahm. Schließlich hatte ihn alle Kraft verlassen und er bleib einfach in dieser Umarmung. Er wagte es nicht nachzugucken wer ihn da festhielt. Er hatte Angst, dass er das nicht wollte…

Kazuya atmete schwer, beobachtete wie die Menschen an ihm vorbeigingen, ihn auslachten. Er seufzte. Er hatte nicht mal mehr genügen Energie um sie anzuschreien, wegzuschicken. Bringen tat es eh nichts… aber es war besser gewesen als sich ihnen so auszuliefern…

Er spürte wie wer auch immer, was auch immer, ihm sanft über den Rücken strich. Ihm versuchte ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln… Was natürlich lächerlich war…

Kazuya hatte sich schon seit drei Jahren nicht mehr sicher gefühlt… geschweige denn sich selber getraut…
 

Jin blickte betroffen auf den Jüngeren, der völlig schlaff in seinen Armen hing. Jin sah, dass Kazuya die Augen bewegte… und zwar so als würde er Sachen, Dinge… Menschen… beobachten die hin und her liefen. Er fragte sich ob das möglich war… Ob… Kazuya… irgendwelche Dinge sah die nicht da waren… das was er vor kurzem gesagt hatte… deutete darauf hin.

Dass Jin bei ihm gewesen sein sollte… dass er den „echten Jin“ bei sich haben wollte, dass irgendetwas ruhig sein sollte… obwohl niemand etwas sagte… tat… Jin schluckte sein Unbehagen hinunter. Er hatte versucht mit seinem Freund zu reden, aber keine Reaktion erhalten. Es war so als existierte er für Kame gar nicht… Also versuchte er ihn einfach mit dieser Umarmung zu beruhigen. Er wusste nicht wirklich ob es geklappt hatte oder ob Kazuya jeden Widerstand einfach aufgegeben hatte…

„Kazuya“, versuchte er es erneut, jetzt da der Jüngere aufgehört hatte wild um sich zu schlagen. Er sah, dass Kame die Stirn runzelte aber ihm nicht antwortete, nur die Augen schloss und still in der Position blieb in der er vorher gewesen war. Jin wusste nicht was er machen sollte. Sagen, dass er „der Echte“ war? Würden dass nicht auch die Gestalten behaupten die Kame anscheinend sah? Hörte? Fühlte? Jin fluchte etwas und spürte wie Kazuya zusammenzuckte, sich wieder von ihm wegdrückte. Sofort hörte Jin auf etwas zu sagen, aber Kame war wieder vollkommen panisch. Wehrte sich gegen die Umarmung gegen die Nähe, er fing wieder an zu schluchzen. So hilflos hatte Jin sich noch in seinem ganzen Leben nicht gefühlt. Er wusste einfach nicht wie er helfen sollte, was er sagen, tun konnte um Kazuya zu helfen… Er spürte wie ihm selber die Tränen in die Augen schossen. Und er hatte nichts bemerkt. Nichts…
 

Kame hatte gehört wie sein Name gesagt worden war, aber er wollte nicht antworten. Vielleicht würde dann der Jin-Verschnitt weggehen… Denn die Stimme hatte zu ihm gehört. Aber er wollte nicht, dass dieser Jin ihn hielt. Er wollte zum echten Jin. Zu dem, der sich damals immer so um ihn gesorgt hatte, der ihn mit irgendwelchen Kleinigkeiten aufmuntern konnte. Der mit ihm irgendwelche Albernheiten geplant hatte. Der den anderen Mitgliedern mit ihm Streiche gespielt hatte, der ihn zum Essen gebracht hatte, wenn er selber wieder total appetitlos war, der ihn aufgemuntert hatte wenn es ihm schlechtging, der von ihm aus seinen kurzen traurigen Phasen rausgezogen worden war… So viele gute Erinnerungen… aber das würden sie auch bleiben. Es gab keinen Weg mehr zurück. Die Gerüchte hatten sie ihm verbaut, die fröhliche Zukunft von der er geträumt hatte…

Eine der Gestalten hatte sich ihm genähert, es war ihm nicht aufgefallen. Jetzt ließ sie sich auf die Knie fallen. Kazuya zuckte zusammen. Jin. Aber… aber… Er wollte weg. Musste hier weg. Das hielt er nicht aus… Der Jin vor ihm lächelte ihm traurig zu. Kazuya fing wieder an zu weinen, das konnte doch alles nicht wahr sein… Der Jin hob seinen Arm, strich Kazuya einmal durchs Haar und war dann verschwunden. Was nach dem Ausschlussprinzip hieß… dass Kazuya mittlerweile schon so bescheuert, verrückt war, dass er sich zwei Jins auf einmal einbildete… oder dass er in den Armen des echten Jin lag…

„Jin?“, flüsterte er leise, blickte zum ersten Mal auf. „Jin?“ Er schluckte die Tränen runter. Er hörte wie erbärmlich sich seine Stimme anhörte. Jin weinte. Bildete sich Kazuya das nur rein? Passierte das echt? „Jin?“, fragte er noch einmal. Er musste es wissen, aber er wusste nicht wie er sich selber davon überzeugen sollte, dass das hier „sein“ Jin war. Akanishi nickte ihm zu als er merkte, dass Kazuya ihn anguckte. „Ja…“ Seien Stimme klang rau und belegt. Traurig. „Bist du es wirklich?“ Kazuya wusste, auch wenn die Antwort ja sein würde könnte er es nicht glauben… aber er wusste nicht was er sonst sagen sollte… Jin lächelte ihm zu. „Wer soll ich sonst sein?“ Kazuya stimmte in das Lächeln ein. „Weiß nicht…“, murmelte er traurig. „Du könntest gar nicht hier sein…“ Da. Er hatte es gesagt. Jins Lächeln war auf einem wie weggewischt. „Glaubst du das denn? Das ich… nicht hier bin…?“ Es klang traurig diese Frage. Kazuya dachte nach. Glaubte er es…? Er wusste es nicht. Er seufzte und lehnte sich bei Jin an. Jin selber schwieg jetzt auch. Es schien als hätte er Angst etwas zu sagen. Etwas Falsches zu sagen. „Was… ist denn nun los Kazuya?“, hörte Kame ihn letztendlich doch fragen.

Machte es jetzt noch einen Unterschied ob er es sagte oder nicht? Es war doch alles egal… Aber… er wurde etwas wütend… Hatte Jin es immer noch nicht bemerkt?

Der Ältere schien jedoch zu merken was er gerade dachte, da er schnell noch ein paar Worte raus presste. „Ich… ich habe zwar mittlerweile eine Vermutung… aber ich möchte, dass du es mir sagst Kazuya… ich möchte es mir nicht zusammenreimen müssen. Ich möchte sicher sein, dass ich es… endlich… richtig bemerkt habe…“ Kazuya hörte aus den Worten heraus, dass Jin weinte… Und er hasste sich dafür. Das war es was er vermeiden wollte war es das nicht? Dass Jin sich Sorgen machte, traurig war… Andererseits… hatte er sich die letzten Tage wohl schon Sorgen gemacht… Kazuya lächelte. Er hatte wirklich lange durchgehalten… So… lange… Auch er fing wieder an zu weinen. Er konnte Jin jetzt keine Antwort geben. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich total erleichtert. Die Gestalten um sie herum konnte er ausblenden, sie verschwanden nicht, aber er schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit mehr… er vergrub sein Gesicht in Jins Oberteil und weinte hemmungslos.
 

Jin blieb nichts anderes übrig als Kazuya festzuhalten. Es dauerte ziemlich lange bis der Jüngere sich erholt hatte von diesem Ausbruch… Als es soweit war hatte er immer noch relativ lange nichts gesagt, Jin fragte sich, ob er jemals eine Antwort erhalten würde. „Ich…“, begann Kazuya schließlich leise… „ich sehe manchmal Sachen… Menschen… die gar nicht da sind…“ Jin hatte es sich gedacht, trotzdem verletzte es ihn es jetzt bestätigt zu haben. Reflexartig verstärkte er den Griff um Kazuya. „Und jetzt gerade?“, wagte er es dann die Frage zu stellen die ihm durch den Kopf schoss.

Kazuya schien zu überlegen. Letztendlich drehte er sich in Jins Armen um, blickte sich im Zimmer um. Jins Herz zog sich bei dem Anblick schmerzhaft zusammen. Kazuya runzelte die Stirn schließlich und blickte in eine leere Ecke. Blickte sie einfach nur an, sagte nichts. Jin wusste nicht ob Kazuya dort etwas so oder einfach nur… keine Ahnung was machte. „Du bist alleine hier hergekommen oder?“, fragte Kame ihn schließlich, blickte ihm in die Augen. „Die anderen sind nicht hier?“ – „Die anderen aus der Band? Keine Ahnung wo sie sind… nein, ich bin alleine hierhergekommen…“ Kazuya nickte verstehend.

„Ja. Dann sehe ich gerade Dinge die nicht da sind.“ Jin schloss die Augen. „Die anderen aus der Band?“ – „… Ja.“ Jin war die Pause vor der Antwort aufgefallen. Es mochte sein, dass er lange gebraucht hatte um zu merken was los war, aber er kannte Kazuya. „Was noch?“ Er spürte Kazuyas Zögern. „Du musst nicht antworten wenn du nicht magst…“ Kame lehnte sich zurück, legte seinen Kopf gegen Jins Brust. Blieb still. Jin wusste auch nicht mehr was er sagen, fragen sollte… „Jin?“ – „Hm?“ – „Ich habe Johnny-san umgebracht“, meinte Kame in einem sachlichen, nüchternen Tonfall als wäre es etwas Alltägliches worüber er sprach. Jin zuckte zusammen. „Was?“, fragte er geschockt. „Aber… Maru hat doch-“ Kazuyas Lachen unterbrach ihn. „Er liegt da“, meine Kazuya und deute Richtung Badezimmer wo… niemand war. Natürlich nicht. Jin wusste nicht ob er wütend, erleichter oder besorgt sein sollte. „War das jetzt ein schlechter Scherz?“, knurrte er schließlich. Kame seufzte. „Ein wenig…“ Jin ließ Kazuya los und ging in Richtung Badezimmer. Sah den zertrümmerten Spiegel und erinnerte sich an Kames Hände. Drehte sich um und sah, dass Kazuya ihn nicht aus den Augen ließ. „Was ist mit deinen Händen?“, fragte Jin besorgt nach. Er hatte eine Ahnung aber… Er sah wie Kame verwundert auf seine Hände blickte… Hatte er bis gerade nicht einmal bemerkt, dass sie verletzt waren? Jin seufzte auf, durchquerte mit wenigen Schritten das Zimmer und half Kazuya hoch, suchte nach Verbandszeug und versorgte dann die immer noch blutenden Hände. Während dieser Prozedur hatte Jin doch noch eine Frage entwickelt, traute sich aber nicht sie zu stellen, er hatte Angst vor der Antwort.

„Lass uns zu dir gehen Jin…“, murmelte Kazuya leise. Jin blickte auf. „Ich will hier nicht bleiben… ich…“ Kazuya brach ab. Jin nickte nur verständnisvoll.
 

Bei Jin angekommen gab es zuallererst etwas zu Essen. Jin hatte das unbestimmte Gefühl, dass Kazuya es den ganzen Tag über vernachlässigt hatte, was so gesehen auch kein Wunder war. Er seufzte. Kame saß an seinem Tisch und spielte mit einem Kartenspiel rum. Lenkte sich selber etwas ab. Im Moment hätte Jin vergessen können was Kame ihm erst vor kurzem gesagt hatte… es schien alles so… normal… „Kazuya…?“ Er sah aus den Augenwinkeln dass Kame den Kopf hob. Ihn fragend ansah. „Wenn… irgendetwas ist… Dann möchte ich dass du mit mir darüber sprichst… Ich meine, wenn ich Probleme habe dann sage ich es dir auch immer“ Kazuya lachte einmal auf, Jin ignorierte es (fast) „oder du findest es sowieso heraus… Ich möchte nicht… dass“, er brach ab. Er konnte es nicht sagen. Aber er war sich sicher dass Kazuya ihn auch so verstanden hatte. Kame lachte immer noch. Jin blickte ihn wütend an. „Ich meine es ernst!“, fauchte er. Kazuya schaffte es für einen kurzen Augenblick betroffen auszusehen. Dann lachte er wieder los. „Na, so lustig war das auch wieder nicht…“, murrte Jin und schmiss die Eier ins Wasser. „Wann hast du mir je von deinen Problemen erzählt?“, fragte Kazuya dann schließlich als er sich wieder beruhigt hatte. Jin dachte angestrengt nach. Nur leider wollte ihm ums Erbrechen nicht einfallen, dass er ihn je in sowas eingeweiht hatte. Er hatte immer gewollt, dass Kazuya sich keine Sorgen… „Ist es das?“, fragte er Kame dann sofort, noch ehe er seinen Gedanken richtig zu Ende gedacht hatte. „Huh?“ – „Ich meine, wolltest du nicht dass ich mir Sorgen mache?“ Kazuya seufzte auf. „Was denn sonst?“ Mittlerweile war er dazu übergegangen Kartenhäuser zu bauen. Jin schloss die Augen. Er würde Kazuya dazu bringen müssen ihm solche Sachen zu erzählen… damit er ihm helfen konnte. Von jetzt an wenigstens. Er wagte es immer noch nicht diese Frage zu stellen. Und er würde sie wohl noch lange Zeit nicht stellen… Jin stellte einige Teller hin, dabei fiel das Kartenhaus in sich zusammen, Kazuya hob einige Karten vom Boden hoch, schien aber nicht weiter wütend zu sein. „Versprichst du mir etwas?“, fragte Jin dann später als er sich auch an den Tisch setzte, dass Essen bereits zwischen ihnen. „Das kann ich nicht“, sagte Kazuya traurig. Jin nickte. Den Rest des Abendessens schwiegen sie.

Als sie geendet hatten half Kame beim Aufräumen. „Wie haben sie reagiert?“ – „Wer hat wann wie reagiert?“ Jin war grad nicht ganz auf der Höhe der Ereignisse… Sprach Kame überhaupt mit ihm oder? Er schüttelte wütend den Kopf. Würde er das jetzt immer denken, wenn Kazuya etwas sagte was für ihn scheinbar keinen Sinn ergab? Kame verdrehte genervt die Augen. „Koki, Tatsuya, Junnosuke und Yuichi. Wie haben sie reagiert als sie erfahren haben, dass…“ Kame ließ den Satz ohne Ende. Mehr brauchte er aber auch nicht zu sagen. Natürlich hatte Jin es jetzt kapiert. Er räusperte sich unbehaglich. „Weiß ich nicht so genau…“ Kazuya warf ihm einen Seitenblick zu. „Ich war… mehr damit beschäftigt keine unbeteiligten Personen anzuschreien… was mir nicht wirklich gelungen ist. Dabei fällt mir ein, dass ich mich bei Maru entschuldigen sollte…“ – „Dann tu das.“ Jin blickte Kazuya fassungslos an. „Jetzt?“ – „Wann sonst?“

Jin tapste zur Coach und setzte sich hin, bevor er sein Handy aus der Hosentasche fischte. Er hörte wie Kame im Hintergrund rumhantierte. Er schloss die Augen, sprach sich selber Mut zu und wählte die Nummer. Er beschloss nicht zu sagen, dass Kazuya hier war… oder dass er mit ihm gesprochen hatte. Das Telefongespräch dauerte nicht lange. Maru meinte nur, dass Jin sich keine Sorgen deswegen machen musste, und dass es morgen eine Pressekonferenz geben würde bei der bekannt gegeben werden sollte, dass Kame nicht mehr Mitglied von KAT-TUN war… Bei diesen Worten drehte Jin sich zu Kame um. Er fragte sich wie Kame es geschafft hatte Johnny-san davon zu überzeugen, dass er aus der Band austreten durfte… Hatte er ihm davon erzählt? Unwahrscheinlich… Er verabschiedete sich von Maru, dieser erinnerte ihn daran, dass nach der Pressekonferenz die Arbeit wie gewohnt weitergehen würde und legte dann auch auf.

Jin legte den Kopf in den Nacken. Kame kam aus der Küche und setzte sich neben Jin, hob die Fernbedienung auf und schaltete den Fernseher ein. Jin grinste, es hatte ganz den Anschein als wollte Kame alles daransetzen, dass alles so normal wie möglich war. „Morgen muss ich arbeiten“, sagte Jin in die Stille zwischen ihm und Kame. Kazuya drehte sich zu ihm um. „Ich habe es mir schon gedacht“, meinte er dann nur. Jin runzelte die Stirn. „Ich kann ihnen sagen, dass ich krank bin…?“, bot er an aber Kazuya schüttelte den Kopf. „Kommst du denn alleine klar?“, fragte Jin nach, er setzte sich jetzt gerade hin, alle Scherzhaftigkeit war aus seiner Stimme gewichen. Kazuya lächelte ihm zu. „Habe ich bis jetzt ja auch geschafft, oder?“ Flasche Antwort, ganz falsche Antwort. Jin musterte ihn grimmig. „Nein, hast du nicht.“ Kazuyas Lächeln verschwand. Er holte tief Luft. „Es war… ist nicht immer so schlimm wie heute, Jin“, sagte er dann. „Meistens… meistens kann ich mich zusammenreisen. Heute“, er lächelte kläglich, „war einer der Tage wo es sehr schlimm war.“ Jin hielt mit Gewalt die Tränen zurück. Er wusste immer noch nicht was genau Kazuya sah, hörte, fühlte… Er wollte es wissen, wollte wissen wie er ihn davor schützen konnte, aber er ahnte, dass er darauf warten müsste bis Kazuya ihm das von sich aus sagte. Jetzt wäre der Moment gewesen wo er seine Frage hätte stellen können, aber er traute sich immer noch nicht…

„Und wie ist es wenn es nicht so schlimm ist?“ Kame schien kurz zu überlegen. „Dann weiß ich meist was echt ist und was nicht… dann kann ich das ignorieren was nicht wirklich da ist… es… ist schwer zu erklären“, schloss er etwas lahm. Jin erwartete nicht, dass Kame weiterredete, wurde jedoch eines besseren belehrt. „Manchmal stehen sie auch nur stumm in einer Ecke rum… dann ist es sehr leicht sie zu ignorieren… und eine Zeitlang habe ich sie nur dann…“ Kame verstummte und biss sich auf die Lippen. Scheinbar hatte er mehr gesagt als er wollte. Hatte indirekt zugegeben, dass dies schon etwas länger passierte. Hatte somit einen Teil von Jins Frage beantwortet die er stellen wollte, wo er aber die Antwort nicht wissen wollte. Einfach weil er sich wohl zu sehr schämen würde, wenn er es wüsste. Kazuya bemerkte sein Unbehagen und legte Jin einen Arm um die Schulter. „Mir geht es gut Jin.“ Jin guckte ihn an. Das war teilweise eine Lüge, aber teilweise entsprach es auch der Wahrheit. „Du wirst mich anrufen wenn es schlimmer wird, oder?“ Kazuya zuckte mit den Schultern. „Ich versuchs.“ Jin stand seufzend auf und ging sich bettfertig machen, er musste morgen früh raus. Als er wieder ins Wohnzimmer ging hatte Kame den Fernseher ausgemacht und hatte sich Schlafsachen aus Jins Garderobe geholt. Jin legte sich ins Bett und wartete. Das Licht war bereits aus. Nach einiger Zeit kam Kazuya ins Schlafzimmer und legte sich auf die andere Betthälfte ohne ein Wort zu sagen. Jin lag noch etwas länger wach bis er hörte wie Kazuyas Atem gleichmäßiger wurde. Er war eingeschlafen. Erst jetzt erlaubte Akanishi sich etwas Ruhe.
 

Am nächsten Morgen achtete Jin darauf keinen unnötigen Lärm zu machen um Kazuya nicht aufzuwecken. Heute… würde ein harter Tag werden. Er musste so tun, als hätte er keine Ahnung warum Kame sich aus der Band zurückgezogen hatte. Er würde niedergeschlagen tun müssen (ein Blick in den Spiegel belehrte ihn dass er diesen Punkt auch ohne Anstrengung schon beherrschte), er würde einen ganzen Tag bestehen müssen ohne zu wissen wie es Kazuya in dem Moment ging… Er würde sich zurückhalten müssen um nicht Kame anzurufen… er… er hoffte darauf, dass dieser Tag schnell vorbei sein würde… Als er zu den anderen Mitgliedern kam sah er, dass sie die Nachricht von Kazuya immer noch nicht richtig verarbeitet hatten. Und Ueda sah richtig wütend aus. Jin fragte sich was passiert war. Kaum war er zu Ueda gekommen erhielt er auch schon die frohe Botschaft. „Sie wollen, dass wir unseren Namen ändern!“, fauchte er, gestikulierte nach oben bei dem Wort „sie“ und sah überhaupt so aus als würde er am liebsten „sie“ zusammenschlagen. Jin blieb verwundert stehen. „Den Namen?“ Wer „sie“ waren dachte er sich bereits… „die von oben“. Koki schnaubte verächtlich. „KAT-TUN, sie wollen dass wir uns was neues zulegen.“ Das schockte Jin dann doch. „Nein!“, rief er aus. Die anderen nickten bekräftigend. „Das haben wir ihm auch gesagt“, schaltete sich Maru ein. „Ich meine… könnt ihr euch das vorstellen?“ Allgemeines Kopfschütteln. „Wann wird denn die endgültige Entscheidung fallen?“, fragte Jin nach. Maru grinste ihm gequält zu. „Du kennst Johnny…-san. Für ihn ist es keine Frage der Zeit mehr, oder ob wir damit einverstanden sind…“ Koki kickte ein Steinchen das auf dem Boden gelegen hatte gegen die Wand. „Nein“, sagte Jin schließlich schlicht und ergreifend. „KAT-TUN ist KAT-TUN. Ich weiß nicht was Kame gerade für ein Problem hat, aber er gehört dazu.“ Jin fühlte sich etwas schuldig bei dieser Aussage. Konnte Kazuya überhaupt irgendwann mal wieder arbeiten? Wollte er es? Zusätzlich dazu hatte er gerade zum ersten Mal gelogen… das lag ihm gar nicht.

Junno nickte. „Wir haben es schon gesagt als du… weg warst. Es waren zwar andere Umstände und wenigstens wir wussten was los ist, aber an der Tatsache, dass KAT-TUN eine Band ist, die aus sechs Mitgliedern besteht hat sich nichts geändert.“ Irgendwie war es beruhigend, dass sie diese Tatsache für sich geklärt hatten… Jin wusste, dass es so für sie alle einfacher sein würde die Pressekonferenz zu überstehen. Sie lächelten sich aufmunternd zu. „Los geht’s?“, fragte Maru und sie gingen geschlossen zu den Reportern raus um sich ihren Fragen zu stellen.
 

Kame hatte die Pressekonferenz im Fernsehen mit verfolgt. Es tat ihm leid, den anderen solchen Kummer zu bereiten aber… er war eben zu nichts mehr zu gebrauchen. Gerade jetzt fragte er sich wie genau er es so lange geschafft hatte seine Sinne soweit beieinander zu behalten, dass wirklich niemandem aufgefallen war wie es ihm ging… wirklich ging. Kame blickte zur Uhr, es würde noch lange dauern bis Jin wiederkam. Er stand unentschlossen auf. So war es aber auch schon immer gewesen… immer wenn er Zeit für sich hatte… wusste er nicht was er mit der Zeit anfangen sollte. Er entschloss sich erst mal einen Tee zu machen. Damit hätte er dann vielleicht zehn Minuten des Tages hinter sich gebracht. Es war zum verzweifeln mit ihm. Das wusste er selber.

Nach dem Tee beschlich ihn immer noch eine gewisse Unruhe… Er konnte einfach nicht still sitzen bleiben. Ohne lange über irgendwelche Konsequenzen nachzudenken verließ Kame das Haus und machte sich auf den Weg in die Stadt. Von Jin aus waren es zu Fuß vielleicht gerade mal dreißig Minuten. Die Hunde nahm er mit, er konnte schwören, dass sie schon lange keinen ausdauernden Spaziergang mehr gehabt hatten… Er bummelte lustlos durch einige von seinen und Jin Lieblingsgeschäften, hatte aber nichts gefunden was ihm irgendwie zusagte. Immer wieder zog er sich nervös die Kappe tiefer ins Gesicht und rückte die Sonnenbrille zurecht. Er wollte nicht wissen was geschehen würde, wenn ihn jemand erkannte.

Aber wie das Leben nun einmal war spürte er, als er eine belebte Gasse entlangging, eine Hand auf seiner Schulter und wurde unsanft herumgerissen. „Kame?“
 

Koki sank erschöpft auf den Boden nachdem sie endlich von den Pressefritzen freigelassen worden waren. Er fühlte sich ausgelaugt wie schon lange nicht mehr. Ein kurzer Blick auf die anderen zeigte ihm, dass es ihnen nicht viel besser ging. Sie sahen auch so aus als könnten sie sich gleich ins Bett legen und bis zum nächsten Tag durchschlafen. Müde fuhr er sich mit der Hand über die Augen, hörte wie sich jemand neben ihm zu Boden sinken ließ. Ein Seitenblick sagte ihm, dass besagter jemand Junno war. So unglücklich hatte er ihn noch nie gesehen, auch dann nicht als Jin hatte gehen müssen, auch dann nicht als sein Bein gebrochen gewesen war. Das alles waren „Abschiede“ auf Zeit gewesen. Kein „Verrat“, wie die Interviewer es so schön formuliert hatten.

Jin blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Und ihr seid euch sicher, dass wir jetzt noch arbeiten müssen?“, er klang nicht so als würde er das überstehen. Maru legte ihm aufmunternd eine Hand auf die Schulter. „Komm schon Kumpel, das schaffst du“, murmelte er ihm zu, sah aber selber auch so aus als könnte er eine Ladung Aspirin gut vertragen. „Machen wir uns nichts vor…“, fuhr Ueda ihn an. „Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich kann garantiert nichts machen. Wenn ich wüsste was los ist, wenn ich wüsste wann wieder alles normal wird, dann ja. Aber so?“ Er hob hilflos die Arme. Maru blickte ihn wütend an. Ging einige schnelle Schritte auf ihn zu. „Na los, schlag mich doch deswegen!“, fauchte Ueda ihn an. „Leute…“ Die Stimme jagte den anderen einen Schauer über den Rücken. Junno… weinte? Synchron drehten sie sich zu ihm um. „Jetzt… bitte… ich… streitet euch nicht. Wir…“ Junno brach ab. Maru schien wieder alle Kraft verlassen zu haben. „Ganz deiner Meinung“, hörte man Jins mürrische Stimme. Junno lächelte ihm dankbar zu und damit verflüchtigte sich die Spannung im Raum. Koki hatte für einen Moment befürchtet dass es das war. Dass das wirklich das Ende dieser Band war… Er hatte diese Befürchtung schon gehabt als Yuichi ihnen mitgeteilt hatte, dass Kazuya ausgestiegen war; obwohl er der Jüngste war hatte er die Band doch am meisten zusammengehalten. Hatte fast alle organisatorischen Aufgaben übernommen, war der inoffizielle Bandsprecher. Und eben die Person, die all das verkörperte war nun weg… Bevor er diesen Gedanken weiterverfolgen konnte zuckte er überrascht zusammen, sein Handy vibrierte. Hastig kramte er danach, fand es in den Tiefen seiner Hosentasche und hielt es sich ans Ohr. Überrascht runzelte er die Stirn, nickte sich dann anscheinend selber zu und blickte dann auf. „Ja, finde ich auch ungewöhnlich. Aber nein er ist hier, ja, frag ich ihn doch selber… Hmm… Doch, er hat Zeit. Nein, wirklich. Ja, bis dann.“ Die anderen hatten interessiert dem Gespräch gelauscht, nun stand Koki auf und ging zu Jin rüber. „Tomohisa, für dich.“ – „Yamapi?“, echote Jin und nahm überrascht das Handy entgegen.

Jin hörte Yamapi kurz zu, dann stand er auf und verließ den Raum.
 

„Also, was ist los?“, fragte Jin nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. „Ich will wissen warum dein verdammtes Handy aus ist! Seit gestern versuche ich dich zu erreichen, ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass es mir nicht gelungen ist?“ Die Stimme von Yamapi überschlug sich fast. Jin dachte nach, sein Handy hatte gar nicht geklingelt die letzten paar Tage… Er holte es raus. „Oh…“ – „Was, oh?“ – „Akku alle…“ Jin hörte das resignierte Seufzen Yamapis. Hätte sich der andere aber auch denken können.

„Jedenfalls… eigentlich wollte ich nur wissen wie es dir geht“, Jin öffnete automatisch den Mund um zu sagen, dass es ihm gutging, „aber das ist jetzt ja nicht so wichtig.“ Und schloss ihn empört wieder. Gut dann eben nicht. Er konnte auch schweigen. Sollte der andere… „Jin.“ Die Stimme des anderen klang drängend. „Ich habe gerade Kame getroffen.“ Jin runzelte die Stirn. „Kame?“ Kazuya war doch bei ihm zu Hause oder nicht? Was… wie… war Yamapi bei ihm gewesen? Shit, konnte schon sein. „Pi, weißt du, ich weiß ich…“ – „Jin, halt deine gottverdammte Klappe!“, fiel Yamapi ihm unsanft ins Wort. „Ich war… Nach nem Dreh hatte ich noch Zeit und wollte etwas essen. Und wen seh ich die Straße entlang schlendern? Bingo.“ Kazuya durfte sich auf ein langes und ausdauerndes Gespräch vorbereiten schwor Jin sich in dem Moment. „Also bin ich hin, weil, Gott, natürlich weiß ich von der ganzen Sache…“ Seine Stimme klang entschuldigend. Als könnte er etwas dafür, dass KAT-TUN gerade die größte Krise erlebte die sie je vor sich gehabt hatten… und als ob er was dafür könnte, dass er davon Wind bekommen hatte… „Ist ja auch egal. Jedenfalls wollte ich ihn ansprechen. Er… ich weiß nicht. Jin ich mache mir Sorgen um ihm.“ – „Was zur Hölle ist passiert Pi?“ Jin ahnte worauf das hinauslief. Ihm schoss durch den Kopf wie Kame gestern auf ihn reagiert hatte… als er in seine Wohnung gekommen war… als er gedacht hatte das Jin eigentlich beim Dreh war. Jin biss sich auf die Unterlippe. „Kame ist völlig durchgedreht… ich… ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll… Es war ein Desaster.“ Jin schluckte. „Wo ist Kazuya jetzt?“, fragte er nach. „Ich weiß es nicht… er ist abgehauen…“ Am anderen Ende der Leitung herrschte schweigen. Schließlich… „Jin?“ – „Ja?“ – „Ich denke darüber nach die Polizei anzurufen…“

Jin merkte dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte. Mist. Das konnte doch alles nicht wahr sein! „Yamapi… Ich… willst du ihn anzeigen?“, es klang kläglich. „Nein?“ Nun hörte er die Entrüstung in Yamapis Stimme. „Ich bin doch nicht im Vollsuff und total bescheuert oder?“ Jin atmete erleichtert aus. „Ja, du hast mir immer noch nicht gesagt was er machen wollte? Wovon soll ich denn ausgehen wenn du sagst dass er ausgeflippt ist und du danach sagst dass du die Polizei einschalten willst?“ Seine Erleichterung schlug in Verzweiflung und Wut über. „Er… er hat sich von mir losgerissen… und…“ Yamapis Stimme klang belegt… „Ich weiß nicht ob er realisiert hat dass ich es bin, ich weiß auch nicht wie viele Leute ihn erkannt haben“, etwas Besorgnis wurde in die Belegtheit gemischt, „jedenfalls ließ er erst mal die Hundeleinen, ach hatte ich dir gesagt, dass er mit deinen Hunden unterwegs war?“ –„Yamashita Tomohisa, meine Hunde sind mir gerade gänzlich egal, sagst du mir jetzt was mit Kazuya ist oder nicht?!“ Jin spürte wie Yamapi sich auf seine nächsten Worte vorbereitete. „Er ist auf die Straße gestolpert und wurde von einem Auto ge…rammt? Gestreift? Er lag zunächst auf dem Boden und ich bin zu ihm hingerannt, der Autofahrer übrigens auch… aber Kame hat sich hochgestemmt und ist… dann irgendwie durch die Menschenmasse entwischt…“ – „Ich werde ihn suchen.“ – „Das… Jin. Du darfst nicht…“ Jin schloss die Augen. Yamapi hatte Recht… „Such du ihn… bitte…“, flüsterte er dann. „Ich habe auch meine Arbeit Jin, ich… ich müsste schon längst dort sein…“ – „Ja, dann ist es doch wohl egal ob du noch später oder gar nicht kommst?“, schrie Jin ihn an. „Mal abgesehen davon sind Hunde doch eh im Gebäude verboten oder? Und was habt ihr noch anstehen? Einen Liedtext einüben?“ Er holte tief Luft. Versuchte sich zu sammeln. „Ich kann nicht weg weil wir noch etwas zu Kames plötzlichen Entschluss zu Gehen sagen müssen, in zigtausend Fernsehauftritten. Wenn ich jetzt fehle… du weißt was die Reaktion wäre… Dann wäre es ganz aus. Du kannst ihn suchen! Bitte, tu es für mich.“ Er wusste wie weinerlich er klang. Und er wusste, dass er Recht hatte. Und er wusste, dass Yamapi es endlich auch verstanden hatte. „Ich melde mich wenn ich ihn sehe.“ – „Danke…“
 

Kazuya stützte sich an der Wand ab. Taumelte ein paar Schritte vorwärts, ignorierte die Schmerzen im Bein, im Kopf, im Rücken, überall… ignorierte das Schreien. Sie würden ihn einholen wenn er sich nicht beeilte. Sie suchten ihn. Wer waren sie? Er wusste es nicht… aber er wusste, dass sie ihn nicht finden durften. Er schmeckte Blut in seinem Mund und stolperte weiter… Fiel hin, stand auf, kroch auf allen vieren vorwärts. Sie durften ihn nicht einholen… Er spürte Hände die ihm aufhalfen, er sah in Jins Gesicht und lächelte ihm zu. Jin zog ihn hoch und half ihm weiter, versteckte ihn, zeigte ihm den Weg… Stützte ihn.

Aber warum war er so traurig?
 

Als die anderen aus dem Raum kamen fanden sie Jin heulend am Boden wieder. Sie konnten sich keinen Reim daraus machen… „Jin…?“, versuchte Junno es einmal vorsichtig. „Was wollte Yamapi?“, fragte Koki nach, die anderen guckten Jin gespannt an. Sein Verhalten musste etwas mit dem Anruf zu tun haben, oder nicht? „Ist Tomohisa etwas zugestoßen?“, fragte Maru nach, etwas anderes fiel ihm nicht ein. Jin schüttelte energisch den Kopf. „Kazuya“, brachte er schluchzend heraus. „Kame?“, wiederholten vier verblüffte Stimmen. Sie ließen sich alle auf die Knie sinken. Warteten darauf, dass Akanishi sich genug fasste um ihnen zu sagen was los war… Immerhin… ging sie das alle etwas an. Maru hatte als erster eine Idee. „Weiß Tomohisa den Grund warum Kamenashi aus KAT-TUN austreten wollte?“ Jin schüttelte verzweifelt den Kopf, schluchzte wieder auf, umklammerte das Handy wie eine Rettungsleine. „Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!“, fauchte Koki ihn schließlich an. Und Jin erzählte von dem Unfall und Kames merkwürdigem Verhalten. Die Erklärung ließ er unerwähnt. Er brachte es nicht über sich ihnen das auch noch mitzuteilen…

Sie waren erst mal für einige Sekunden still… „Ich finde Yamapi hat Recht…“, sagte Maru schließlich leise. Jin sah ihn aus verquollenen Augen an. „Womit?“, krächzte er. „Ich weiß doch, dass…“ – „Polizei“, unterbrach Nakamaru ihn schließlich. „Wir sollten die Polizei verständigen.“ Jin öffnete den Mund, Yuichi hob einen Finger, brachte ihn zum Verstummen. „Lass mich ausreden. Erstens“, zählte er ab, „wissen wir nicht wie es Kame geht. Vergiss nicht, das Auto hat ihn gerammt. Niemand war nah genug um beurteilen zu können wie verwundet er wirklich ist. Kann sein dass in dem Moment so viel Adrenalin durch seinen Körper gepumpt wurde, durch den Schock, dass er selber seine Verletzung nicht registriert hat. Aber das wird irgendwann nachlassen. Unter Umständen wird er sich dann gar nicht mehr bewegen können. Und wer weiß wo und wann das sein wird? Zweitens“, Maru hob noch einen Finger, „je mehr Leute ihn suchen, desto wahrscheinlicher ist es dass er gefunden wird und dass er ärztliche Versorgung erfährt. Oder überhaupt ein Mal durchgeleuchtet wird. Drittens“, es klang so als käme er nun ans Ende seiner Erklärung, „wie wahrscheinlich ist es, einfach mal Kames Charakter betrachtet, dass er vorgestern bei Johnny-san anruft, um kurzzeitig zu sagen, dass er nicht mehr arbeiten kann, nicht mehr arbeiten möchte, um dann gestern schon nicht mal mehr zu erscheinen, sich nicht zu verabschieden oder ähnliches, und heute dann fröhlich durch die Stadt schlendert als ob nichts wäre, als ob es ihm total gut geht? Je eher er gefunden wird desto besser. Ich mache mir nicht nur wegen des Unfalls sorgen. Und warum sollte er vor Yamapi wegrennen sollen?“ Nach dieser ermüdenden Erklärung blickte er abwechselnd in alle Gesichter. Keine Gegenargumente. Nicht mal Jin widersprach. Maru seufzte. „Also ruf Yamapi an und sag ihm, dass er die Polizei rufen soll.“ Jin nickte und wählte auf Kokis Handy die Nummer.

„Bleibt nur die Frage“, murmelte er dabei, „was wir machen…“ Keine Antwort.
 

Kazuya lag kraftlos auf dem Boden. Er konnte beim besten Willen nicht mehr weiter. Jin saß neben ihm, sagte nichts. Hatte ihm seine Jacke übergelegt, versuchte ihn so weit wie möglich zu wärmen. Kame hatte das Gefühl dass Jin etwas sagte… er dämmerte vor sich hin… er spürte so gut wie nichts mehr. Ihm war kalt, auch Jins Jacke konnte ihn nicht warm halten. Auch Jin neben ihm nicht. Dafür hatten sie ihn gefunden. Jin versuchte sie von ihm fernzuhalten. Kazuya wollte ihm helfen, aber er konnte es nicht. Sie würden am Ende gewinnen. So wie immer. Mittlerweile wusste er es. Die Erkenntnis war einfach gekommen. Es hatte gereicht zu liegen und zu verstehen. Sie waren nicht da, Jin war nicht da. Und trotzdem… war es für ihn wichtig, dass sie nicht zu ihm kommen konnten. Dass „Jin“ sie von ihm fernhielt. Und er spürte, dass „Jin“ es auch wusste. Kazuya schloss die Augen. Er würde „Jin“ vertrauen müssen. Er selber konnte nicht mehr kämpfen…
 

Es war zum Verzweifeln. Yamapi starrte in das Gesicht des Beamten der erschienen war um den Tatort zu betrachten. Was hatte er gesagt? Bevor sie nach Kamenashi Kazuya suchen konnten mussten sie den Tatbestand aufnehmen? Yamapi ballte die Hände zu Fäusten. Er wusste, wenn Jin hier wäre hätte er ihnen Feuer unterm Hintern gemacht. Aber er selber hatte nicht diese Charakterstärke die Jin auszeichnete. Normalerweise war es ihm gleichgültig… aber jetzt wünschte er sie sich herbei… „Also um das noch einmal zu klären“, begann der Beamte mit gelangweilter Stimme, sprach mit dem Autofahrer, „sie sind hier mit ihren Auto entlanggefahren…“ Nein, dachte Yamapi giftig, er hat es hierhergeschoben, damit es so aussieht als wäre ein Unfall passiert. Ist sein Hobby. Macht er jeden Tag. Er hörte die Stimmen nur noch als Rauschen, wollte dass endlich etwas passierte. Merkte der Kerl noch was? „Warum suchen Sie immer noch nicht?“, mischte er sich dann auch mitten in die Unterhaltung ein. „Weil…“ – „Wollen Sie es verantworten wenn sie Ihrem Vorgesetzten erzählen müssen, dass einer Ihrer Zeugen leider, leider in einem schlechteren Zustand ist als er sein müsste, nur weil Sie sich geweigert haben Verstärkung zu rufen?“ Der Beamte warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Je häufiger Sie mich unterbrechen, desto länger wird das hier dauern und das wollen Sie ja anscheinend nicht, also sollten Sie jetzt still sein, bis ich mich mit Ihnen befassen kann.“ Yamapi kam für einen Moment der irrwitzige Gedanke, dass der Typ Spaß daran hatte seine Beamtenposition auszunutzen. Er war auch versucht so eine Bemerkung loszulassen, aber… dann würde er den Vorgang doch verzögern. Und er wollte nicht wissen wie Jin reagierte wenn er das erfuhr… Das Telefongespräch war doch reichlich wirr gewesen, aber na gut, nachdem ein entnervter Nakamaru das Handy Kokis an sich gerissen hatte, hatte Yamapi kapiert was sie von ihm wollten. Da er am Tatort gewesen war machte es mehr Sinn wenn er die Polizei anrief, und dementsprechend auch dort wartete. Ja, und nun wartete er darauf, dass dieser Typ sich endlich anschickte etwas zu tun…

Er drehte sich zu ihm um. „Ich muss Ihre Personalien aufnehmen.“ – „Tomohisa Yamashita, 24 Jahre alt… Sänger.“ Der Polizist warf ihm einen amüsierten Blick zu. „Wohnort?“ Yamapi seufzte und ratterte alle Angaben runter. Nach einer gefühlten Ewigkeit fragte dieser Mann ihn endlich über den Vorgang aus seiner Sicht und wollte dann, oh Wunder, wissen nach wem er suchen sollte und wie besagte Person aussah. Ein Foto würde ihm helfen. Yamapi funkelte ihn wütend an. „Haben sie Internet?“ Von der Frage überrascht nickte der Beamte mechanisch. „Dann geben sie bei Google den verdammten Namen ein und sie bekommen ich weiß nicht wie viele Bilder“, fauchte Yamapi ihn an. Der Beamte gab es über Funk durch. Und es wurde eine Suchmannschaft organisiert. Mittlerweile wurde es langsam dunkel und kühl. Yamapi hatte den Winter noch nie so gehasst wie jetzt.
 

Kazuya streckte sich nach „Jin“ aus, der regungslos neben ihm auf dem Boden lag. Langsam kroch er zu ihm hin, kuschelte sich an ihn dran, wollte doch noch so viel Geborgenheit wie möglich haben… „Es tut mir Leid“, flüsterte „Jin“. Kame schüttelte den Kopf. „Jin“ strich ihm einmal durch die Haare. „Dass ich dich nicht beschützen kann…“ Kazuya weinte, nein, er hatte doch keine Schuld. Es war seine Schuld, dass er so… abhängig davon war, dass man ein wachsames Auge auf ihn hatte, dass man ihn behütete. Wenn er anders wäre dann… er schluckte. „Mir tut es leid…“, flüsterte er. Sie kamen näher. Und „Jin“ verschwand. Kazuya hatte nur noch Luft in der Hand. Er bohrte sie in den Boden wo „Jin“ gelegen hatte, holte eine Handvoll raus. Hielt sie fest, als wäre sie ein guter Ersatz für… den Ersatz… Wie erbärmlich, schoss es ihm durch den Kopf. Er zog seine Beine näher an sich ran. Mit „Jin“ war auch dessen Jacke verschwunden. Jetzt fühlte Kazuya sich noch schutzloser als vorher… Er drückte die Erde gegen seine Brust. Weinte.

Und hörte wie sein Name gerufen wurde.

Jemand hob ihn sanft hoch. Sie fingen an zu schreien. Merkte er nicht, dass sie da waren? Merkte er nicht, dass sie ihn holen würden? Merkte er nicht, dass sie ihn auch verletzten würden? Aber er blieb bei ihm, murmelte immer wieder seinen Namen, strich ihm die Tränen weg. Er hörte eine andere Stimme. Sie klang hektisch. Sie schrien immer lauter, hatten sie Angst? Dass er ihnen entrinnen konnte? Das war doch nicht möglich… er konnte nicht mehr weg… aber… wenn sie sich davor fürchteten… er schloss die Augen als helles rotes Licht immer näher kam. Es war so laut, das Getöse um ihn herum. Er wurde leicht geschüttelt, vorsichtig, gerade genug, dass er die Augen wieder öffnete. Sie beugten sich über ihn, warteten darauf dass er einschlief… Nein… er musste wach bleiben, sie durften ihn nicht mitnehmen…

Er spürte wie mehr Hände nach ihm griffen, er wand sich etwas, wollte es nicht, dass sie ihn mitnahmen, aber sie schrien lauter… also… waren sie es nicht? Er war so verwirrt… der Himmel über ihm begann sich zu bewegen und plötzlich war er weiß, ganz weiß… Er hörte sie nicht mehr… konnte er jetzt schlafen? Er war so müde… Er schloss die Augen, als das Rütteln wiederkam konnte es ihn nicht dazu bewegen bei Bewusstsein zu bleiben. Diesen Kampf hatte er verloren. Schon vor drei Jahren.
 

„Also verstehe ich das richtig…“, murmelte Koki, „wir… gehen wieder zur Arbeit und tun nichts?“ Er klang fassungslos, als würde ihm allein diese Möglichkeit zur Weißglut bringen. „Hast du eine bessere Idee?“, wollte Ueda wissen. „Was können wir denn schon tun?“ – „Ihn suchen?“, schlug Jin hoffnungsvoll vor. Er wusste selber nicht wie sie das anstellen sollten, aber Yuichis gerade gezeigter Realismus hatte ihn gebührend beeindruckt. Vielleicht hatte er eine Idee. Dieser schüttelte den Kopf, Jins Herz zog sich zusammen, dann merkte er, dass Yuichi nachdachte. „Es muss eine Möglichkeit geben…“, flüsterte er auch in dem Moment. Legte sich die Fingerspitzen gegen die Schläfen. „Wenn wir gehen, dann alle… ansonsten…“ er gestikulierte hilflos. Dann sah er Jin streng an. „Das gilt vor allem dir, ich will keinen Alleingang von dir sehen!“ Jin nickte ergeben. In seinem Kopf herrschte Chaos, er glaubte nicht, dass es ihm möglich sein würde jetzt alleine eine Entscheidung zu treffen. „Wieso fragen wir nicht Johnny-san?“, schlug Junno schüchtern vor. „Bitten ihn darum, dass er uns den Rest des Tages freigibt? Ich meine… er ist kein Unmensch, er wird es verstehen… Vielleicht kann er auch etwas bewirken?“ Sie blickten alle Junno an. Maru, der immer noch das Handy in der Hand hielt, wählte die Nummer ihres Chefs. Eine andere Idee hatte er auch nicht… Koki kniete neben ihm nieder, drückte die Lautsprechertaste. Jins Herz schlug ihm bis zum Hals. Es musste einfach klappen. Das Klingeln war nerv tötend. Ueda hatte mittlerweile Jin eine Hand auf die Schulter gelegt, hielt ihn am Boden. Er machte zwar keine Anstalten aufzustehen… aber bei Akanishi konnte man nie wissen. Endlich wurden sie zu Johnny-san durchgestellt. Er wollte wissen was sie wollten. Alle starrten Maru an, dieser hatte sich in Kames Abwesenheit scheinbar den Titel des Vernünftigsten unter ihnen erworben. Also begann er zu erklären. Ihre Sorgen, ihren Wunsch. Ihre Bitte. Wieder wollte Jin wissen wie Kazuya es geschafft hatte Johnny-san diese „Gunst“ abzuluchsen, dass er nicht arbeiten musste. Diese Stille auf Marus Worte… Uedas Hand auf Jins Schulter verkrampfte sich.

Sie durften gehen. Sie durften ihn suchen. Und Johnny würde der Polizei Feuer unterm Hintern machen.
 

Yamapi beobachtete voller Befriedigung, wie der Polizist sich seinem Vorgesetzten rechtfertigen durfte. Scheinbar hatte er gerade den Befehl von ganz oben ignoriert (unwissentlich zwar aber…) und die Suche nach Kamenashi Kazuya verzögert. Er entschuldigte sich vielmals. Der neue Beamte drehte sich zu Yamashita um, verneigte sich kurz und erklärte, dass ein gewisser Johnny Kitagawa seine ganze Reputation in diesen Fall gelegt hatte, etwas was die Polizei nicht ignorieren konnte.

Yamapi wusste nicht wer diese Idee gehabt hatte, aber sie war Gold wert. Er selber wurde hier nichtmehr gebraucht. Er blickte auf Jins Hunde. Sie mochten Kame. Sehr sogar. Würden sie ihn finden? Auf jeden Fall würde er suchen helfen und sie dabeizuhaben konnte nicht schaden.
 

Sie hatten Zweiergruppen gebildet. Im Nachhinein würde Koki sich fragen wie es passiert war, dass er und Jin in einer Gruppe gelandet waren, die beiden die am wenigsten nachdachten. Vielleicht hatten die anderen erkannt, dass Jin eh nicht mehr gestoppt werden konnte. Und dass er, Koki, es nicht versuchen würde. Maru und Ueda waren zusammen losgezogen und Junno hatte sich Yamapi angeschlossen, den Maru angerufen hatte damit Junno wusste wo er hinmusste. Er und Jin waren zu einigen Orten gerannt die Koki nicht kannte. Er fragte sich warum Jin Kazuya hier suchte. Andererseits… er war sein bester Freund. Wenn einer ahnen konnte wohin Kamenashi verschwunden war, dann er. Plötzlich rief Jin Kazuyas Namen. Koki folgte Jin. So schnell hatte er den anderen erst einmal rennen sehen, damals war Kame von der Bühne gefallen… Koki ahnte schlimmes…
 

„Kazuya!“, rief Jin verzweifelt. Er sah ihn da liegen, so gut wie regungslos, unter irgendeinem Gebüsch, bedeckt mit Schlamm. Jin rannte ihm entgegen, ging neben ihn auf die Knie, sah das Zittern Kames, er musste frieren… Langsam hob er Kame etwas hoch, platzierte seinen Oberkörper auf seinen Beinen, hielt ihn so fest. „Kazuya“, flüstere er und strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Jin schluchzte auf. Er wusste sofort, dass Kame ihn nicht sah, ihn vielleicht nicht einmal hörte, spürte… trotzdem… Jin sah dass Kazuya weinte… stumm zwar, aber die Tränen fielen. „Kazuya“, murmelte er wieder. Koki hatte ihn eingeholt. Sobald er Kamenashi sah holte er sein Handy raus, rief nach einem Krankenwagen.

„Kazuya, hörst du mich?“, fragte Jin seinen Freund, strich ihm die Tränen aus dem Gesicht. „Siehst du mich? Weißt du das ich da bin?“ Er blendete Koki aus, er war für ihn nicht da… Kazuya… er wirkte so verletzt, so zerbrechlich… so verwirrt. Ängstlich. „Ich bin hier…“, murmelte Jin lehnte sich etwas tiefer, zog Kazuya etwas näher an sich ran, wollte ihn wärmen, wollte dass er mit ihm die Plätze tauschen konnte… „Ich lasse nicht zu dass dir etwas passiert, hörst du? Ich sorge dafür, dass es dir wieder besser gehen wird. Dass du wieder richtig lachen kannst.“

Koki war verstummt. Stand hinter ihm, sagte zunächst nichts. „Jin…“ Akanishi ignorierte ihn. Er schluchzte hemmungslos auf. „Du wirst wieder gesund Kazuya… Du wirst schon sehen ich…“ – „Jin… er… er stirbt“, sagte Koki, gerade laut genug dass Jin ihn nicht ignorieren konnte. „Sei still!“, schrie er, Kazuya schloss langsam die Augen… nein, nein, nein, das durfte nicht passieren!

„Kazuya!“

Er wagte es nicht ihn feste zu schütteln, er hatte einen Unfall gehabt… aber das leichte Rucken schien zu reichen… Kazuya öffnete die Augen wieder. „Du darfst nicht schlafen!“, schrie Jin ihm ins Gesicht. Hoffte dass Kame ihn gehört, ihn verstanden hatte. Er war zu unterkühlt… wenn nicht bald etwas passierte… dann… Jin verfluchte seine eigene Dummheit, ließ Kazuya kurz los und zog sich das Shirt über den Kopf, bereitete es über Kazuyas Oberkörper aus. Nur wenige Sekunden später lag auf Kokis Oberteil auf seinem. Kazuya reagierte nicht, hatte aber die Augen geöffnet. Jin hoffte, dass das half… das bisschen Wärme…

Koki neben ihn drehte sich zur Seite. „Na endlich“, murmelte er. Auch Jin sah die Lichter, sah wie sie sich in den Gegenständen um ihn herum wiederspiegelten. Er hörte die Sirenen. Koki trat etwas weiter weg, machte den Sanitätern den Platz frei.

Die ersten erreichten Jin und Kazuya sie hatten eine Liege dabei, sie hoben Kazuya hoch, während dieser Prozedur wehrte er sich noch etwas. Jin hatte die Hoffnung, dass das ein gutes Zeichen war. Dass Kazuya nicht verloren war. Sie brachten ihn Richtung Krankenwagen, bedeckten ihn auf dem Weg mit einer Decke. Jin rannte ihnen hinterher, auch Koki setzte sich in Bewegung, sie warteten nicht auf die Beiden. Sie waren keine Familienangehörige. Sie durften nicht mit ihm fahren. Das letzte was Jin von Kazuya sah war, wie dieser die Augen schloss.

Er schrie noch einmal seinen Namen, dann war die Tür zu und der Krankenwagen fuhr los.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Solonishi
2011-07-20T00:45:32+00:00 20.07.2011 02:45
Nach 4-stündigem Lesen (unterbrochen von MSN und RPG) bin ich jetzt endlich mit dem ersten kapitel durch x_x

Ich muss sagen, du hast es echt drauf Spannung zu schaffen! Und Neugierde! Und dass man anfängt zu rätzeln und wissen will wie es weiter geht! Genau so, wie es halt sein soll. Und dein Schreibstil is der Hammer!

Normalerweise lese ich FFs sehr selten und wenn, dann les ich definitiv nicht welche in dieser Länge!
Aber die hier hat es mir echt angetan und am liebsten würde ich die ganze Nacht durchlesen. Aber das geht leider nicht.
Ich muss mich auch zurückhalten nicht die letzten paar Sätze ds letzten Kapitels zu lesen, denn sowas mach ich bei Büchern gerne, aber diesmal will ich mir die Spannung nicht nehmen, auch wenn diese mich fast umbringt xD.

Ich denke du hast dein Ziel erreicht, dass man selbst schon darüber nachdenkt, was da jetzt Realität ist und was Kame sich nur einbildet.

Nicht nur, dass die FF sau spannend ist, nein, man kann sich auch Stellenweise so bepissen vor lachen XD
Ich sag nur "Haben sie Internet??" oder "Tritt mal gegen"! Herrlich gelacht!

Absolut favo die FF!
Werde morgen, insofern ich Zeit habe, aufjedenfall versuchen das zweite Kapitel zu lesen und dann kommt mir Sicherheit wieder ein Komi!
Von:  Ribka-is-Mori
2011-06-02T23:28:04+00:00 03.06.2011 01:28
so! nach 3 tagen!!! kein wunder bei 66 seiten!!! also echt das ist so schwer zu lesen! so n langes kapi hatte ich noch nie! aufgeteilt wärs leichter zu lesen gewesen. aber dein schreibstil gefällt mir sehr und ich freu mich auch die weiteren kapis lesen zu können^^

armer kame!! ;__; ich hoffe das wird wieder... bei der geschichte muss man echt total mitleiden!!

*auf favos schmeiß & auf zur nächsten runde* hoffentlich nicht mehr gaaanz so lang *seufz*

lg bine
Von:  BlackWolfMika
2010-12-03T23:49:41+00:00 04.12.2010 00:49
Krasse Tasse!
DIe Storey haut echt rein.
Ich kann mir den Kame wiriklich so vorsteleln wie er beschieben wurde.

Die Story hat was.
Ich werde auf jedenfall weiter lesen schon allein weil ich wissen will wie es nun um Kame steht.
^^
Von:  SKH_Ludwig_2
2010-11-29T17:40:22+00:00 29.11.2010 18:40
kaaaaaaameeeeT___________T

heul...
hoffentlich gehts gut aus...
du schreibst so toll^^

favo-liste setz<3

lg
Von:  Terzia
2010-11-29T15:57:27+00:00 29.11.2010 16:57
HA ich mach den ersten Kommentar o////o
Ahh ich liebe es D:~
Es is so toll und ich werde mir alles nochmal zu gemüte führen x//D~
Du kennst meine meinung ja *__* *umlieb*


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