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Nightmare

Manchmal ist das Leben selbst der schlimmste Albtraum
von

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Albtraum

Er wusste, dass er sich in der seltsamen Phase zwischen Schlaf und Wachsein befand, die man oft kurz vorm tatsächlichen Aufwachen durchlief. Er wusste, dass er auf einer sehr warmen, weichen Matratze lag und es gerade sehr bequem hatte.

Und damit hörte es dann auch auf.

Er wusste nicht, wo er war oder was geschehen war. Seine Erinnerung brach an einem Punkt einfach ab. Er wusste noch, dass sie gekämpft hatten und er sah noch deutlich das Grinsen seines Gegenübers vor sich, doch danach war einfach… nichts mehr. Hatte ihn eine Waffe getroffen? War er ohnmächtig geworden?

Das musste es wohl sein, eine andere Erklärung fiel ihm nicht ein, aber warum nur brach es einfach so ab? Sollte er nicht normalerweise Schmerzen haben? Sollte er sich nicht an einen Schlag auf den Kopf oder was auch immer erinnern können?

Und mit einem Ruck kam, was er vergessen zu haben glaubte zurück und Naruto wurde schlagartig wach. Ohne einen zweiten Gedanken zuckten seine Hände zu seinem Gesicht, doch da war… nichts. Der stechende Schmerz, den er plötzlich zu fühlen glaubte, war schlichtweg nicht da und als seine Hand sacht über die Haut fuhr, konnte er nichts finden, das nicht so war, wie es sein sollte.

Keine Brand- oder Schnittwunden, kein Schorf oder halb verheilte Narben. Die Haut war nicht einmal empfindlicher als sonst. Instinktiv hob er die Lider um mit reiner, schwarzer Dunkelheit begrüßt zu werden.

Seine erste Reaktion war verständlicherweise Panik, doch Naruto wachte nicht zum ersten Mal in Dunkelheit auf und nach ein oder zwei Minuten hatte er sich wieder beruhigt. Er war im Krankenhaus, da war er sich ziemlich sicher, die Kleidung, die er gerade überdeutlich an Armen und Brust spürte war unverkennbar. Um ihn herum war es still, er hörte weder Schritte auf dem Gang noch das sonst so typische Piepen eines Herzmonitors. Einzig leichte Atemzüge irgendwo rechts von ihm. Ein Schlafender.

Mit anderen Worten, es war vermutlich einfach Nacht. Er atmete ein paar Mal tief durch, dann hob er die linke Hand und fuhr langsam durch die Luft, darauf bedacht nichts umzuschmeißen und keinen Knopf zu drücken, denn er vermutete links neben sich eines dieser Maschinengebilde, deren vollständigen Sinn er nie verstanden hatte. Fast direkt fand er, was er suchte und seine Finger folgten der Konstruktion hinauf zu der kleinen Lampe, die wie erwartet über seinem Bett hing.

Es war fast schon erschreckend, wie schnell er den Schalter fand – er war eindeutig schon zu oft in diesem Krankenhaus gewesen. Ein wenig erleichtert drückte Naruto dennoch drauf. Er wurde allerdings enttäuscht, entweder Lampe oder Schalter waren offenbar defekt, denn absolut nichts passierte.

Wieder schlich sich ein mehr als ungutes Gefühl in seine Magengegend, doch er unterdrückte es. Kein Grund gleich auszuflippen, er musste ruhig bleiben, er war kein kleiner Junge mehr und er hatte keine Angst vor der Dunkelheit, verdammt noch mal!

Ein Rascheln und die schneller werdenden Atemzüge ließen seinen Kopf herumzucken. Wer auch immer noch hier im Zimmer lag, schien ebenfalls aufzuwachen. Neugierig geworden lauschte er und ließ die Hand wieder sinken – die daraufhin genau auf den Tisch mit den Gerätschaften neben ihm fiel.

„Argh!“, zischte Naruto sauer und starrte in die Dunkelheit, in der er das blöde Mistding vermutete.

„Dobe?“, fragte eine nur zu bekannte Stimme verwundert und überraschend nah bei ihm. Scheinbar war das zweite Bett doch dichter an seinem, als er bisher gedacht hatte.

„Teme?“, antwortete er fast automatisch, auch wenn es eigentlich keine wirkliche Frage war, „Was machst du denn hier?“

Wenn Sasuke auch hier war, hieß das, er war verletzt – und das war deutlich besorgniserregender als seine eigene Anwesenheit, denn er wusste bereits, dass er selbst keine Wunden spürte, also vermutlich alles, was da eventuell gewesen sein mochte, längst verheilt war.

„Liegen.“, kam fast automatisch die trockene Antwort. Und dann, etwas leiser hinterher: „Warum ist es hier so dunkel?“

Naruto zuckte sinnloserweise die Schultern. „Keine Ahnung, die Lampe funktioniert nicht, wahrscheinlich ist es einfach Nacht.“

„Hn.“, war die aussagekräftige Antwort, doch Naruto meinte fast ihn erleichtert ausatmen zu hören. Verständlicherweise. Wenn man alleine in Dunkelheit aufwachte, nahm man automatisch erstmal das schlimmste an, aber da sie beide offensichtlich nichts sahen, war es doch deutlich wahrscheinlicher geworden, dass es einfach nur eine verdammt dunkle Nacht war.

Zumindest genau bis zu dem Moment, in dem sie leise Schritte auf dem Flur hörten und kurz darauf die Tür geöffnet wurde. Was dann folgte war ein erschrockenes Quietschen, das beide zusammenzucken ließ. Und doch, die Stimme kam Naruto trotz der unüblichen Höhe sehr bekannt vor.

„Sakura-chan?“, fragte er unsicher und runzelte die Stirn. Die Antwort war ein erschrockenes Luft einziehen, dann schnelle - sehr schnelle - Schritte und ein Schluchzen und im nächsten Moment spürte Naruto, wie sich Arme um seinen Hals schlossen und sich jemand gegen ihn warf. Reflexartig fing er Sakura auf, als sie mehr auf ihn fiel als ihn umarmte und mit einem Mal tönten ihre Schluchzer in seinen Ohren, er spürte Tränen an seinem Hals und fühlte, wie ihr Körper immer wieder vom Weinkrampf geschüttelt wurde.

„Sa… Sakura..-chan?“, fragte er unsicher und dieses Mal war es weit mehr als eine ungute Ahnung, als er blinzelnd versuchte sie anzusehen. Ihre Schritte waren zu sicher gewesen, da war kein Zögern, keine Vorsicht. Sie hatte ganz genau gewusst, wohin sie lief… und dass sie wach waren. Mit einem Mal spürte Naruto einen dicken Kloß im Hals.
 

Etwa drei Stunden später und es war wirklich Nacht – auch wenn sich nichts verändert hatte. Sakuras gequälte Schluchzer hallten noch immer in Narutos Ohren, er spürte noch immer ihre Tränen auf seinem Gesicht und fühlte die blauen Flecken, die ihre Finger auf seinen Schultern hinterlassen hatten, als sie versucht hatte sich unter Kontrolle zu bringen.

Er hatte nichts tun können, um sie zu beruhigen, egal, was er auch versucht hatte, sie hatte immer wieder angefangen drauflos zu stammeln, wie leid es ihr tat und was für eine schlechte Freundin und Ärztin sie wäre. Einmal hatte sie ihn sogar angeschrieen, warum er verdammt noch mal nicht geschockt war und versuchte sie zu beruhigen, wo es doch eigentlich andersherum hätte sein sollen…

Irgendwann war Tsunade gekommen und hatte Sakura mit sanfter Gewalt aus dem Zimmer gezerrt und in mühsam gefassten Ton wiederholt, was ihre Schülerin stammelnd hervorgebracht hatte: Es gab keine Hoffnung. Keiner wusste genau, wie es passiert war, aber offenbar spielten Chakra gesteuerte Bakterien eine Rolle, die gezielt die Netzhäute attackierten. Solange sie nichts weiter über sie herausfinden konnten, konnten sie absolut nichts tun und selbst mit entsprechenden Kenntnissen war es fast ausgeschlossen. Es war wohl endgültig…

„Teme?“, fragte Naruto leise in die Stille ihres Raumes hinein, der in dem Augenblick wohl tatsächlich dunkel war. Sasuke hatte kein Wort mehr gesprochen, seitdem Tsunade da gewesen war und vor seinem geistigen Auge sah Naruto, wie er mit verbissenem Gesichtsausdruck vor sich hin schmollte und ins Leere starrte. „Was machen wir denn jetzt?“

Wieder Schweigen, nichts als Schweigen, es war zum verrückt werden. Doch dann, als Naruto schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechnete, kam auf einmal eine sehr bitter klingende, leise Reaktion: „Sterben.“

„Was?!“, sofort zuckte Naruto schlagartig zu seiner Stimme herum und richtete sich auf, „Sag mal, spinnst du?!“

Sasuke stieß ein kaltes, trockenes Lachen aus. „Sei mal realistisch, was bleibt uns denn so noch? Was können wir denn noch tun?“ Er fauchte fast, doch der herbe Ton prallte an Naruto zum Glück ziemlich ab, er war selbst noch zu betäubt von dem Schock. „Wir sind keine Ninja mehr, du Volltrottel, und werden nie wieder welche sein. Dumm nur, dass das leider unser Lebensinhalt war.“, knurrte er wütend und Naruto hörte, wie er sich wegdrehte und die Decke vermutlich hochzog.

Naruto seufzte leise und drehte sich ebenfalls weg. Doch an Schlaf war nicht zu denken, denn ganz falsch waren Sasukes Worte nicht… und eine einzelne Träne rann stumm aus seinem linken Auge und fiel ungehört und ungesehen ins Kissen hinein.
 

Der nächste Tag brachte ihre Entlassung – man konnte ihnen medizinisch nicht mehr helfen, es gab keinen Grund sie dazubehalten – und die unangenehme Erfahrung für beide sich wieder in die Öffentlichkeit zu begeben. Während Naruto an Sakuras Arm hing und immer noch daran scheiterte ihr mehr als Entschuldigungen zu entlocken, lief Sasuke stumm und mit zu Boden gerichteten Blick nebenher und tat sein möglichstes Kakashis Hand auf seiner Schulter, die ihn steuerte nicht zu misstrauen. Keine wirklich leichte Aufgabe, wenn man, wie er, gewohnt war, niemandem so ganz zu vertrauen. Und irgendwie ließ ihn das Gefühl nicht los, dass sein Lehrer nicht unbedingt der beste Führer war… wahrscheinlich las er wieder in seinem Buch.

Sasukes Hände ballten sich immer wieder zu Fäusten. Wie er das hasste. Er konnte und wollte nicht davon abhängig sein, sich von jemandem durch die Gegend führen zu lassen. Aber er wusste selbst, dass er keine wirkliche Wahl hatte – oder jemals wieder haben würde, egal, wie oft Naruto ihm erzählen wollte, weiterzumachen und nicht aufzugeben.

Stumm hatte er zugestimmt, als Tsunade vorgeschlagen hatte, dass Naruto zu ihm ins Haus einzog, damit es für sie beide leichter werden sollte. Oder vielleicht eher damit man weniger Babysitter auf einmal brauchte? Sasuke knurrte leise vor sich hin und merkte kaum, wie sie anhielten, damit Sakura Naruto half seine Sachen zusammen zu packen, ehe sie zu Sasukes Haus weiter liefen.

Für ihn war es nur eine kurze Wartezeit, er nahm kaum wahr, dass sie tatsächlich über eine halbe Stunde vor Narutos Wohnungstür standen und warteten. Er merkte nicht wirklich, dass Kakashi mit ihm sprach oder dass Sakura fast verzweifelte, als Naruto trotz allem darauf bestand (und daran scheiterte) es zumindest erst selbst zu versuchen.

Er merkte nur, als die Hand auf seiner Schulter ihn wieder sacht nach vorne drückte und setzte sich automatisch mit in Bewegung.

Erst, als Kakashis Hand plötzlich verschwand, schreckte Sasuke aus seinen düsteren Gedanken auf und musste ein instinktives Zusammenzucken unterdrücken. Er hatte keine Ahnung, wo er war. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht darauf zu achten, wohin sie liefen oder auch nur versucht sich auf irgendwelche Anhaltspunkte zu konzentrieren, die er vielleicht noch haben mochte.

Und jetzt war passiert, womit er eigentlich hätte rechnen müssen: Kakashi war weg und er allein. Sasuke biss sich auf die Lippe. Shit.

Was sollte er jetzt tun? Sein Gehör sagte ihm rein gar nichts und er hatte nicht vor sich wie ein Idiot mit ausgestreckten Händen vorwärts zu tasten, bis er auf irgendetwas stieß und…

Er zuckte erschrocken zurück, als in dem Moment etwas ihn an der Brust berührte, das sich verdammt nach einer Hand anfühlte.

„Teme?“, fragte kurz darauf eine ihm nur zu gut bekannte, nervige Stimme. Sasuke setzte dazu an ihn als Antwort einfach anzufunkeln, bis ihm einfiel, dass es vollkommen sinnlos war. Er selbst konnte einfach nicht treffen und selbst wenn er es durch Zufall hingekriegt hätte, im Augenblick waren Blicke an Naruto vollkommen verschwendet.

Also rang er sich mit einiger Mühe doch dazu durch zu sprechen: „Was?“

Ein kleines Stimmchen in ihm sagte, dass er erleichtert war, weil er nun doch wusste, dass er nicht allein war. Leider war da ein deutlich lauteres Stimmchen, dass ihm sagte, dass der Idiot ihm kein bisschen würde helfen können.

„Wo schlafe ich?“

Naruto klang seltsam normal, vielleicht einen Tick zu gut gelaunt, um es wirklich ernst zu meinen, aber andernfalls hätte Sasuke gesagt, dass alles vollkommen normal wäre, wenn er es nicht besser gewusst hätte – und das tat er spätestens seitdem Naruto gestern Abend versucht hatte sich zu ihm auf die Bettkaste zu setzen und dabei vermutlich gegen so ziemlich jeden einzelnen Gegenstand im gesamten Raum gerannt war. Sasuke wusste schon, warum er sich nicht vom Fleck bewegt hatte…

Sasuke schnaubte. „Gästezimmer.“ Unter normalen Umständen hätte er eine Bewegung in Richtung Treppe gemacht oder, an einem guten Tag, vielleicht sogar den Weg gezeigt, doch so blieb er stehen und rührte sich nicht. Immerhin konnte er jetzt vermuten, dass er irgendwo in seinem Haus stand. Wo war eigentlich Kakashi hin? Oder Sakura? Es klang nicht, als ob sie noch in der Nähe wäre, aber keiner von ihnen wäre dumm genug, Naruto und ihn jetzt alleine zu lassen… oder?
 

Was Sasuke nicht wusste, war, dass sie tatsächlich genau das getan hatten, nachdem er nicht ansprechbar gewesen war und Naruto es schließlich irgendwie geschafft hatte, sie zu überzeugen, ihn einen Moment mit „dem Bastard“ allein zu lassen. Was Naruto wiederum nicht wusste, war, dass Sakura und Kakashi keineswegs fort waren, sondern draußen vor dem Haus auf einem Baum saßen und durch die Fenster aufmerksam beobachteten, was drinnen vor sich ging, bereit jederzeit einzugreifen, wenn es notwendig sein sollte.
 

„Und wo ist das?“, fragte Naruto und Sasuke meinte in seiner Stimme zu hören, wie er die Augen verdrehte.

„Oben.“, war seine kurze Antwort, „Zweite Tür links.“

„Teme.“, erklärte Naruto daraufhin und wieder landete eine Hand auf Sasukes Brust und er konnte ein leichtes Zucken nicht verhindern, „Ich war vielleicht dreimal in deinem Haus und kein einziges Mal im Obergeschoss, wie bitte soll ich das finden?“

Sasuke war sich nicht sicher, ob sein Tonfall nun ernst, spaßig oder trocken sein sollte, entschied sich aber für ein Schulterzucken, von dem er nicht einmal sicher wusste, ob Naruto es überhaupt wirklich wahrnehmen konnte.

„Lass dir von Sakura den Weg zeigen.“ Sie wird sich freuen, sich hier umsehen zu dürfen, fügte er in Gedanken hinzu. Dafür erntete er aber nur ein Schnauben von Naruto.

„Sie ist gegangen. Genauso, wie Kakashi-sensei. Wir beide sind allein.“, fügte er betont hinzu, „Also hör auf da in der Gegend rumzustehen und zeig mir den Weg.“ Die Hand wanderte seine Brust entlang zu seiner Seite und dann seinem Arm und von dort hinauf zu seiner Schulter, wo sie blieb und ihn kurz leicht drückte.

„Hn.“

„Jetzt mach schon, du kennst dich hier doch aus und ich hab keine Ahnung, wo es lang geht, also hör auf so ein Bastard zu sein und geh endlich los.“
 

Eine halbe Stunde Diskussionen, Schnauben und mehr oder weniger sachte Stöße später versuchte es Sasuke dann wenigstens mal. Nachdem ihm Naruto verraten hatte, dass sie in der Eingangshalle standen, war es eigentlich kein schwerer Weg – nach rechts bis zur Wand, dann die Treppe hoch und wieder an der Wand entlang bis zu zweiten Tür, sollte eigentlich machbar sein.

Doch Sasuke musste schnell feststellen, dass es nicht ganz so leicht war, wie er es sich vorgestellt hatte. Vom Prinzip her war es nicht dramatisch, wären da nicht alle möglichen Ziergegenstände an den Wänden gewesen, denen er quasi nie Beachtung schenkte und die ihn jetzt jedes Mal irritierten, wenn seine Hand sie streifte. Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass Narutos Hand noch immer auf seiner Schulter lag und er sich ehrlich fragte, wie der andere nur so dumm sein konnte sich hier auf seine Führung zu verlassen. Unnötig zu sagen, dass sie sehr langsam waren und sehr lange für diesen Weg brauchten, den Sasuke sonst ohne nachzudenken in wenigen Sekunden genommen hätte…
 

Sie blieben nicht lange allein, denn das Einräumen schien Sakura ihnen nicht zuzutrauen, ebenso wenig wie das Zubereiten des Abendessens. Die darauf folgende Nacht, sowie der Morgen waren unruhig für beide, weil sie nicht wirklich schlafen konnten und Naruto deutliche Probleme hatte sich auch nur halbwegs alleine durch Sasukes Haus zu bewegen. Am zweiten Mittag kam Kakashi vorbei und drückte beiden lange, weiße Stöcke in die Hand, um kurz darauf ein „Training“ zu beginnen, das sie sehr unterschiedlich aufnahmen. Sasuke wollte sich weigern, er würde sich nicht in der Öffentlichkeit dazu herablassen mit einem so deutlichen Zeichen von Schwäche herumzulaufen. Doch Kakashi zwang ihn dazu es zumindest auf seinem eigenen Grundstück auszuprobieren.

Naruto hingegen schien es viel besser aufzunehmen und fast schon als Herausforderung zu sehen. Selbst Sasuke bekam mit, wie oft er trotzdem gegen Sachen lief oder über etwas stolperte, aber Naruto störte sich irgendwie nie daran, bis Sasuke sich fragte, wie dumm der Idiot eigentlich sein konnte, um sich das nicht mehr zu Herzen zu nehmen…

Natürlich konnten Sakura und Kakashi nicht ewig bei ihnen bleiben und bald stellte sich eine gewisse Routine ein, in der sich ihre ehemaligen Klassenkameraden abwechselten ein paar Stunden zu ihnen zu kommen.

Sasuke hasste es.

Naruto hingegen hatte seinen Spaß. Die meisten würde er sogleich in ein Gespräch verwickeln oder sie überreden mit ihm zu üben. Was oder wofür wusste Sasuke nicht. Was brachte es dem Trottel, wenn er nach Tage langer Übung laufen konnte ohne in jeden Baum zu knallen, wenn sein Desorientierungssinn stark genug ausgeprägt war, um dafür zu sorgen, dass er niemals alleine durch Konoha würde gehen können?

Sasuke selbst versuchte es gar nicht erst, er konnte sich in seinem Haus inzwischen wieder relativ frei bewegen, während Naruto noch ab und an gegen Möbel stieß. Das reichte ihm. Mehr war eh nicht mehr drin…

Er saß fast nur noch auf der Couch und lauschte der Welt um sich herum oder grübelte. Er bekam nicht mit, wenn Naruto mit Hinata Kuchen backte, versuchte mit Kiba und Akamaru fangen zu spielen oder Shino allein nach Gehör durch den Garten zu folgen.

Er hasste es noch mehr, wenn Ino kam und versuchte auf ihn einzureden und er genoss es, wenn Shikamaru kam, sich stumm neben ihn setzte und stumm auch dort sitzen blieb – zumindest, bis Naruto wieder irgendetwas anstellte.
 

So vergingen zwei Monate nach immer demselben Schema. Nach den ersten drei Wochen kamen ihre Babysitter, wie Sasuke sie immer noch nannte, aber immer seltener vorbei, bis schließlich nur noch einmal pro Tag jemand zum Essen kochen oder bringen vorbeikam – abgesehen von gelegentlichen Besuchen, die aber fast nur Naruto galten und natürlich Kakashi, der sie immer weiter zum unterschiedlichsten Training zwang.

Er versuchte gelassen und ruhig zu wirken, doch zumindest Naruto hörte in seinem Unterton, was er eigentlich zu verbergen versuchte: Den Schmerz und die Trauer, die er empfand, wenn er auf seine beiden Schüler sah. Und auch wenn er ihnen trotz allem keine Ruhe ließ, war es klar, dass sie ihm aus tiefstem Herzen leid taten.

Nicht zuletzt, dass er sie weiter selbst unterrichtete, verriet ihnen aber auch, dass er sich durchaus Gedanken machte und selbst versuchte mit der Situation umzugehen. Der Erfolg war gemischt, da Sasuke sich nach wie vor ziemlich gegen alles sperrte und auch Naruto sich keineswegs so leicht tat, wie er glauben machen wollte.

Dennoch, er lernte, wenn auch langsam und inzwischen schaffte er es fast einfache Texte wieder alleine zu lesen und stieß immer seltener gegen Möbel oder Türen. Auch seine Bewegungen wurden zielsicherer und, wie Sakura eines Tages flüsternd anmerkte, er begann wieder zu lächeln.

Richtig zu lächeln, nicht das breite, falsche Grinsen, das er aufsetzte, wenn er sie aufheitern wollte.

Sasukes Fortschritte waren deutlich weniger ausgeprägt. Er hatte von Anfang an mir alltäglichen Dingen weniger Probleme gehabt, machte sich aber auch kaum die Mühe weiter daran zu arbeiten und gab sich mit extrem langsamen Bewegungen scheinbar zufrieden. Niemals sah man ihn nach etwas tasten, lieber verzichtete er darauf oder lief unendlich langsam. Lesen war ihm zu umständlich, aber er entwickelte ein leichtes Interesse in Hörbücher, was Sakura extrem freute – zumindest, bis sie herausfand, was für triste und depressive Geschichten er sich anhörte.
 

„Teme, hast du meine kurze Hose gesehen?“, hallte ein Ruf vom Obergeschoss zu Sasuke hinab, der gerade in der Küche am Tisch saß und den letzten Bissen Frühstück hinunterschluckte. Er konnte nicht verhindern, dass er noch immer leicht zusammen zuckte. Klar wusste er, wie Naruto das meinte, doch irgendwie konnte er einfach nicht nachvollziehen, wie der andere so frei mit derartigen Wörtern um sich schmeißen konnte.

„Die hat Sakura in die Wäsche geschmissen.“, antwortete er mit einiger Verzögerung und in normaler Zimmerlautstärke, wohl wissend, dass Naruto das wohl nur grade so noch verstehen können würde.

„Oh!“, war die Antwort, dann hörte er eine Schranktür zuschlagen und Augenblicke später Schritte, die die Treppe hinunter kamen. Gerade, als sie unten angekommen sein dürften, klingelte es und Naruto zögerte keinen Moment, ehe er die Tür öffnete und „Ja, bitte?“, fragte. Sasuke hätte am liebsten den Kopf auf den Tisch geknallt. Öffne doch nicht einfach die Tür, wenn du nicht weißt, wer da ist, Trottel.

Doch es waren tatsächlich nur Sakura und Kakashi, die sie zu ihrem Arzttermin bei Tsunade abholen wollten. Murrend stand Sasuke auf und kam wortlos in den Flur, wo er aber erstmal nur stehen blieb, da er nicht genau wusste, wer wo stand. Es fiel ihm noch relativ schwer festzustellen, wo jemand war, wenn mehr als eine Person vor ihm stand.

„Wollen wir los?“, fragte dann Kakashi und ein einstimmiges Ja von Sakura und Naruto ließ ihn (oder jemand anderen?) die Tür öffnen und Sasuke hörte, wie sie alle losliefen, also stieß auch er sich von der Wand ab und wollte sich in Bewegung setzen, doch eine Stimme hielt ihn zurück. „Willst du deinen Stock nicht mitnehmen?“, fragte Kakashi neben ihm ruhig, woraufhin Sasuke sich verkrampfte.

Er hasste das Ding nach wie vor und hatte es noch kein einziges Mal außerhalb seines Gartens benutzt. Kakashi würde doch nicht ernsthaft erwarten, dass er damit jetzt alleine durch das morgendliche Treiben Konohas lief, oder?

Doch genau das tat er offenbar und Sasuke stand zwischen der Wahl seine Augen nicht kontrollieren zu lassen und damit eventuell eine Heilung zu verhindern oder das verdammte Ding zu benutzen. Er entschied sich für letzteres, aber sein Gesicht verzerrte sich sauer und er merkte schnell selbst, wie unsicher er wirklich war.

Was hatte er auch anderes erwartet? Was hatte Kakashi anderes erwartet? Ein Stock konnte ihm niemals die Augen ersetzen und nicht nur, dass er immer wieder zur Seite zu schweifen schien und gegen Kakashi (und andere Leute) stieß, nein, er stolperte auch das eine oder andere Mal.

Auf schätzungsweise halbem Weg erbarmte sich Kakashi dann schließlich und half ihm. Sasuke wusste nicht, ob er wirklich dankbar dafür sein sollte, vor allem, als er sich konzentrierte und das regelmäßige Klacken und die gleichmäßigen Schritte rechts vor ihm hörte, die ihm sagten, dass Naruto es offenbar inzwischen tatsächlich fertig brachte, Sakura ohne weitere Hilfe zu folgen… Sasuke biss sich wütend auf die Unterlippe.
 

Der Rest des Tages verlief gelinde gesagt, deprimierend. Tsunade konnte ihnen nur sagen, dass sie nichts tun konnte. Die Bakterien waren inzwischen untersucht und als vollkommen normal eingestuft worden, offenbar hatte sie tatsächlich jemand anderes irgendwie gesteuert. Die Untersuchung ihrer Augen wiederum brachte auch keine wirklich neue Erkenntnis. Es gab keine Narben, keine Wunden, nichts, nur ihre Netzhaut war schlichtweg nicht mehr da, als hätte sie nie existiert.

Und selbst Tsunades wiederholte Versuche sie zu heilen schlugen fehl. Entsprechend ernüchtert verließ Team Sieben am späten Nachmittag das Krankenhaus wieder und entsprechend stumm machten sie sich auf den Heimweg.
 

Sakura und Kakashi waren nach dem Abendessen schnell wieder gegangen und heute schien auch Naruto nicht sonderlich böse deswegen. Er hatte sich wortlos neben Sasuke auf die Couch fallen lassen und seitdem geschwiegen.

Er hatte nicht wirklich etwas anderes erwartet. Hätte es neue Erkenntnisse, welcher Art auch immer gegeben oder hätte man es einfach so heilen können, hätte Sakura das schon längst erzählt oder versucht…

Trotzdem war es irgendwie niederschmetternd zu hören, dass man einfach gar nichts mehr machen konnte.

„Was willst du?“, fragte Sasuke nach einer halben Ewigkeit. Es klang unendlich bitter und Naruto überlegte kurz, ob er darauf antworten sollte, entschied sich aber doch dagegen.

„Wieso sollte ich etwas wollen?“, fragte Naruto verdutzt zurück. Er hatte auf keinen Fall damit gerechnet, dass der andere auch nur freiwillig den Mund aufmachen würde.

„Hn.“, schnaubte Sasuke jetzt trocken, „Du willst was, sonst wärst du nicht gekommen, also spuck es aus und lass mich dann in Ruhe.“

Naruto runzelte die Stirn, verkniff sich aber auch jetzt einen Kommentar und zuckte sinnloserweise mit den Schultern. „Willst du jetzt so weitermachen?“, fragte er dann in die aufkommende Stille hinein.

„Was?“, zischte Sasuke und klang mehr als nur angesäuert, wovon sich Naruto aber noch nie hatte einschüchtern lassen und auch jetzt nicht daran dachte.

„Willst du so weitermachen?“, wiederholte er ruhig und mit Nachdruck, „Willst du den Rest deines Lebens hier sitzen und alles um dich herum einfach geschehen lassen?“

Sasuke knurrte wütend, holte ohne nachzudenken aus und scheuerte Naruto eine. Der hatte es zwar geahnt, aber keine Chance gehabt schnell genug zu reagieren, war dementsprechend nicht ausgewichen und hatte in Sekunden einen roten Abdruck auf der Wange.

Die darauf folgende Stille war fast noch unheimlicher. Sasuke war entsetzt über sich selbst, normalerweise hätte er nicht so schnell zugeschlagen und noch entsetzter war er über die Tatsache, dass er auch noch getroffen hatte. Bis ihm klar wurde, dass Naruto den Schlag natürlich nicht hatte kommen sehen und… verdammt, er hatte nicht vergessen, dass sie in der gleichen Lage waren, aber… in dem Moment hatte er einfach nicht nachgedacht. Außerdem, sollte doch gerade Naruto es jetzt verstehen!

„Wie kannst du das so einfach hinnehmen?“, fauchte er schließlich und sprach einfach aus, was er dachte, „Wie kannst du so tun, als würde alles eines Tages wieder in Ordnung kommen und als wäre es nichts Schlimmes?! Verdammt noch mal, du Vollidiot, es wird so bleiben!!“

Naruto schwieg erstmal, ehe er ungesehen traurig schmunzelte und unendlich leise seufzte. „Ich nehme es nicht einfach hin, Sasuke…“

Und mit einem Mal war sein Tonfall anders. Und Sasuke stockte. Da stimmte etwas ganz und gar nicht, Narutos Tonfall passte nicht zu seiner Stimme, passte nicht zu ihm. Er war zu ruhig, zu traurig und viel, viel zu ernst. Das war nicht Naruto, konnte nicht Naruto sein, doch ehe Sasuke noch etwas sagen oder tun konnte, sprach er bereits weiter: „Ich nehme es ganz und gar nicht einfach hin. Ganz ehrlich, als ich verstanden habe, was los ist, war mein erster Gedanke auch ‚Es ist vorbei.’“

Wieder ein leises Seufzen, dann, kaum noch hörbar: „Ich hab es nur nicht ausgesprochen, weil Sakura-chan dabei war und ich gemerkt habe, wie mitgenommen sie war. Ich wollte sie nie so sehen… oder hören, spüren, was auch immer. Und dann hast du vom Sterben geredet und… das hat mich sehr nachdenklich gemacht…“

Sasuke schnaubte nur, doch entgegen dem, was er zeigte, hörte er tatsächlich zu und lauschte insbesondere auf das, was Naruto nicht aussprach und nur durch seinen Tonfall verriet. Sein Schweigen wurde offenbar nicht als Widerspruch gedeutet, denn Naruto fuhr ebenso leise wie bisher fort: „Ich hab die erste Nacht fast nur wachgelegen und ich bin zum Ergebnis gekommen, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt, damit umzugehen.“ Er machte eine kurze Kunstpause, aber nicht lange genug, als dass er wirklich eine Reaktion erwartet hätte. „Die eine ist die, die du gewählt hast. Niemanden mehr ranlassen und einfach aufgeben in der Hoffnung, dass es ein bisschen leichter wird, wenn niemand da ist. Die zweite wäre es einzusehen, zu akzeptieren, drüber hinwegzukommen und versuchen das Beste draus zu machen, weil man es eh nicht ändern kann.“

„Hn.“, war die ganze Antwort, aber Naruto war nicht dumm, er wusste nur zu gut, was Sasuke damit sagen wollte.

„Ich weiß, wie schwer das ist. Was meinst du, wie oft ich es dir gleich tun wollte und mich einfach nur hinsetzten und niemanden mehr an mich ranlassen wollte? Wie oft ich alles verflucht habe und mich gefragt habe, ob ich nicht schon genug in meinem Leben leiden musste, womit ich das verdient habe? Jedes Mal, jedes einzelne Mal, wenn ich irgendwo dagegen gerannt bin, wollte ich am liebsten schreien…“

Fast meinte er zu spüren, wie Sasuke verwundert aufblickte, ehe er sich selbst fing und seiner Stimme nach wieder zu Boden starrte. „Warum…?“

„Warum ich es nicht getan habe? Weil ich wusste, dass es vorbei ist, wenn ich mich einmal, nur ein einziges Mal gehen lasse… ich kenne mich und ich kenne meine Grenzen. Ich war echt kurz davor, sehr oft, aber ich wusste, dass ich nur einen Versuch hatte…“ Damit stand er nun doch auf und ließ Sasuke allein zurück, als er, diesmal ohne irgendwo anzustoßen, nach oben vermutlich ins Gästezimmer lief.
 

Etwa zwei Stunden später stand Sasuke vor der Tür zu eben diesem Raum und fragte sich selbst, was er eigentlich tat, als er dagegen klopfte.

Keine Antwort kam von innen, aber er hörte Schritte und Augenblicke später wurde die Tür geöffnet. Er brauchte nicht zu sehen, um zu wissen, dass Naruto direkt vor ihm stand und ihn reichlich verwundert ansah.

Nein, die Augen reichlich verwundert in seine Richtung gedreht hatte… wenn überhaupt.

„Was ist?“, unterbrach Narutos Stimme das Schweigen, nachdem sie sich fast vier Minuten nur stumm gegenüber gestanden hatten. Sasuke suchte noch nach Worten, um es zu formulieren, als auf einmal Narutos Hand gegen seine Brust stieß. Er konnte sich gerade noch beherrschen nicht zurück zu zucken. Wie er es hasste, wenn er Berührungen nicht kommen sehen konnte!

Doch er zwang sich selbst dann noch zur Ruhe, als die Hand seinen Oberkörper und Hals hinauf zu seinem Gesicht wanderte und sacht über die Mundwinkel und die Stirn fuhr. Fast glaubte er nun das Stirnrunzeln in der Stimme zu hören, dass Naruto vermutlich gerade trug. „Keine Zornfalten? Du willst mir nicht noch mal eine reinhauen, oder?“

Sasuke biss sich auf die Lippe und atmete tief durch, um sicher zu gehen, dass er nicht gleich wieder losschnauzte. „Verlockende Vorstellung…“, grummelte er trotz allem und ehe er etwas anderes sagen konnte, war Narutos Hand auch schon zu seinem Handgelenk heruntergewandert und zog ihn in den Raum hinein, Sasuke stolperte verdutzt hinterher, bis er mit dem Fuß gegen etwas stieß und nach vorne kippte. Erschrocken wollte er sich abfangen, landete aber weich auf dem Bett mitten im Zimmer und ehe er sich versah waren da zwei Hände, die seine Handgelenke auf der Matratze festnagelten.

„Versuch es.“, war alles, was Naruto dazu einfiel. Sasukes Augenbrauen wanderten ärgerlich ein Stück hinunter. Eigentlich sollte selbst dem Volltrottel klar sein, dass sie so kaum ernsthaft würden raufen können, doch auch als er widerwillig gegen die Hände drückte, ließ sein Gegenüber nicht etwa los, sondern packte ihn im Gegenteil noch ein Stück fester, bis es Sasuke zu bunt wurde, er die Beine anzog und mit Schwung gegen Narutos Brust stieß sodass dieser eine halbe Rolle über ihn machte und hinter ihm auf dem Bett landete.

Sasuke stockte. Die Bewegung war reiner Reflex gewesen, er hatte nicht darüber nachgedacht – und war entsprechend überrascht, dass es ernsthaft funktioniert hatte.

„Aua.“, grummelte Naruto hinter ihm, aber es klang keineswegs vorwurfsvoll, sondern fast schon freudig und bevor Sasuke dazu kam ihn zu fragen, ob er doch gegen die Wand geflogen war, spürte er Hände auf seinen Schultern, die ihn erneut aufs Bett pressten und offenbar da halten wollten.
 

Sie hatten keine Chance festzustellen, wie lange sie tatsächlich mehr oder weniger schweigend gerauft hatten, aber am Ende lagen sie beide grinsend nebeneinander auf der Matratze und atmeten ein wenig schneller als normal.

„Wie…?“, brachte Sasuke irgendwann stockend hervor, woraufhin Naruto neben ihm nur lachte.

„Wir sind Ninja, Blödmann, glaubst du wir verlernen sofort wieder alles?“

Sasuke zog es vor darauf nicht zu antworten, er war noch zu überrascht über das, was gerade passiert war. Es war seltsam gewesen, aber eigentlich war es nicht wirklich schwerer als sonst gewesen mit Naruto zu rangeln. Es hatte ihm ein seltsames Gefühl von Normalität gegeben, von dem er nicht dachte, dass er es jemals wieder fühlen würde.

Jetzt, wo es vorbei war, verstand er selbst nicht, wie genau er das gerade überhaupt gemacht hatte, aber vielleicht hatte der Idiot tatsächlich recht… und es hatte ihm zu seinem eigenen Missfallen sogar fast Spaß gemacht. Die Bewegung, die er so vermisst hatte, das Kämpfen, einfach… das Normale.

„Sasuke? Du kommst morgen mit auf’s Fest.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, fast schon ein Befehl. Was Sasuke aber die Stirn runzeln ließ, war weniger diese Tatsache, als viel mehr, dass er erst einmal überlegen musste, was für ein Fest Naruto meinte. Als es ihm klar wurde, setzte er sich ruckartig auf. „Vergiss es!“
 

Wie üblich kümmerte sich Naruto kein bisschen um seine Meinung und schleifte ihn nach einigem Hin und Her und zwei weiteren Rangeleien doch mit auf das Fest, das gleichzeitig seinen Geburtstag markierte. Sasuke verkrampfte sich quasi in dem Augenblick, als sie das Haus verließen, vor dem Sakura auf sie wartete.

Als hätten sie und Naruto sich abgesprochen – was gar nicht mal so unwahrscheinlich war – tippte Sakura Sasuke wortlos an und legte seine Hand an ihren Unterarm, ehe sie ihn vorwärts führte. Naruto lief alleine nebenher, eine Tatsache, die Sasuke immer noch nicht so ganz verdaut hatte.

„Ich versteh immer noch nicht, was du da willst.“, zischte er, als die Musik und die Stimmen des Festes immer näher kamen, „Wir können da doch…“

Doch Naruto unterbrach ihn: „Spaß haben! Ich will aufs Riesenrad und ich will Zuckerwatte! Und Liebesäpfel! Und…“

Naruto fuhr einfach fort, selbst als sie ins laute Treiben der Menge eintauchten und Sakura ihm nun doch eine Hand auf die Schulter legen musste, um zu verhindern, dass er gegen jeden zweiten Stand knallte oder jemandem seinen Stock gegen die Beine schlug. Sie war auch die einzige, die merkte, wie Sasuke sich noch weiter verkrampfte, doch trotz allem lächelte sie. Nicht nur, dass sie ihren lauten, unruhigen, nie still zu bekommenden Teamkollegen offenbar wieder hatte, nein, er hatte es auch noch irgendwie fertig gebracht Sasuke aus seinem Schneckenhaus zu zerren. Ganz offensichtlich widerwillig und unwohl, aber irgendwie hatte er es geschafft und das war zumindest mal ein kleiner Fortschritt.

Er schaffte es sogar irgendwie Sasuke trotz allem Widerwillen mit in die Kapsel des sich langsam bewegenden Riesenrands zu kriegen… wo letzterer sich vor sich hin schmollend setzte und schwieg, bis sie fast ganz oben waren.

„Was sollen wir hier?“, murmelte er irgendwann mürrisch, „Es ist nicht so, dass wir irgendwas davon…“

Doch Naruto beachtete ihn nicht und bat stattdessen Sakura ihm den Ausblick zu beschreiben und als sie das mit einem warmen Lächeln in der Stimme tat, verstummte auch Sasuke und hörte ihr zu, während seine Gedanken ganz von alleine ein Bild zu ihren Worten malten, ob er das nun wollte oder nicht.
 

Als sie sich auf den Heimweg machten, blieb Naruto plötzlich stehen und verabschiedete sich zu Sasukes Entsetzen von Sakura, die ihren Arm daraufhin sinken ließ, um ihm anzudeuten, dass er sich nun von ihr trennen sollte. Er folgte der Aufforderung zwar, kam sich aber gleich wieder ein wenig verlorener vor, als er scheinbar alleine im Nirgendwo stand.

Dieser Hirni wollte doch nicht…?

Doch, wollte er. Und da Sasuke nicht sehen konnte, wie Naruto Sakura zuzwinkerte, ahnte er auch nicht, dass sie keineswegs so weit weg war, wie sie behauptete.

„Was soll das werden, Dobe?“, zischte er scharf und leise, „Keiner von uns ist in der Lage allein nach Hau…“

„So ein Quatsch.“, unterbrach ihn Naruto – wiedermal, „Wir sind hier aufgewachsen, da werden wir es doch wohl schaffen alleine einer geraden Straße zu folgen.“

Sasuke lief schon bei dem Gedanken ein leichter Schauder über den Rücken, doch Narutos Hand fand mal wieder ihren Weg zu seiner Schulter (wie machte er das?!) und wanderte zu seinem Handgelenk, um ihn vorwärts zu ziehen. Sasuke hatte kaum Zeit seinen eigenen Stock vor sich zu bringen, um ihm zu folgen.

„Weißt du überhaupt, wo wir sind?“, fragte Sasuke argwöhnisch und es kam deutlich gehetzter und nervöser raus, als er das wollte.

„So in etwa.“

„Was?!“

Das konnte doch nicht sein ernst sein, sie liefen hier alleine durch die Gegend und alles, was er wusste, war „so in etwa“, wo sie waren??

„Sei doch nicht so geschockt, es ist doch nur eine gerade Straße.“

„Wir können beide nichts sehen, wenn es dir nicht aufgefallen sein sollte!“

„Es ist trotzdem nur eine gerade Straße.“

„Der wir nicht folgen können.“

„Natürlich können wir das.“

„Du spinnst.“

„Nein, du bist ein Feigling.“

„…!“
 

Das wollte Sasuke natürlich nicht auf sich sitzen lassen und tatsächlich schafften sie es zusammen (und mit gerademal einem leichten, ungeplanten Seitwärtsschwenk, den sie aber zum Glück gerade noch rechtzeitig bemerkten) zurück.

Drinnen fielen beide quasi ins Bett, während Sakura noch einen Moment vor der Tür stand und lächelte. Halb war sie noch immer unendlich betrübt und konnte kaum mit ansehen, wie ihre beiden engsten Freunde derart leiden mussten, halb war sie aber auch einfach nur glücklich, dass die beiden offenbar lernten damit umzugehen. Etwas, woran sie sich immer noch ziemlich die Zähne ausbiss. Das sollten die beiden natürlich möglichst nicht merken, es war so schon schwer genug, ohne, dass sie auch noch ihre Sorgen kannten. Und nach einem letzten Blick auf das Haus, machte auch sie sich auf den Heimweg.
 

Keiner konnte hinterher sagen, was genau es in dieser Nacht eigentlich gewesen war, aber eins stand fest: Sie hatte Folgen gehabt.

Angefangen mit dem nächsten Morgen lief das Training gänzlich anders ab, als zuvor, denn Sasuke und Naruto hatten mit einem Mal wieder gemerkt, dass sie eigentlich Rivalen waren. Es war zwar fast schon albern ihnen zuzusehen, aber auch ungemein erheiternd, da sie nun nicht länger um Stärke kämpfen, sondern wer es zuerst schaffte irgendetwas fertig zu bringen. Naruto hatte Sasuke einige Wochen voraus, was die meisten Bewegungen anging, aber Sasuke hatte dafür ein deutlich ausgeprägteres Talent für Theoretisches.

Das führte unter anderem dazu, dass er schneller mit der noch immer ungewohnten Schrift klarkam und auch eher die Orientierung behielt, wenn sie nun doch mal nach draußen gingen. Beim Kochen oder vorwärts kommen hingegen behielt nach wie vor Naruto die Nase vorn, was zu sehr seltsamen Teamarbeiten führte, insbesondere, wenn sie mit Sakura durchs Dorf liefen, um sich die Wege wieder einzuprägen.

Als der Winter begann und der erste Schnee fiel – sehr spät in diesem Jahr – waren sie bereits wieder so weit, dass man ihnen alleine zutraute sich ums Essen zu kümmern. Zwar war meistens Sakura und Kakashi noch dabei, aber kochen taten die beiden alleine. Einzig das Einkaufen war ein Problem, für das sie alleine einfach keine Lösung fanden, aber auch das würde sich wohl noch zeigen.

Zu Weihnachten luden sie alle Freunde zu sich ein, die ihnen so oft geholfen hatten und auch wenn Sasuke ihn für verrückt erklärte, bestand Naruto darauf, dass sie den Baum im Esszimmer selbst schmückten. Natürlich ahnte er nicht, dass Sakura vorgesorgt hatte und ihm nur goldene Kugeln und goldenes Lametta gab, damit der Baum eben nicht kunterbunt aussah.

Neujahr feierten sie mit ihrem Team zusammen in der vergleichsweisen Stille des Hauses ein wenig außerhalb, weil Sasuke und Naruto schnell feststellen mussten, dass die Feuerwerkskörper ihnen in den Ohren weh taten, aber das war in Ordnung, denn während Sakura Naruto das Feuerwerk beschrieb, entspannte sich Sasuke beim Duft von Kerzen und übrig gebliebenen Weihnachtsgebäck und den Geräuschen des Neujahrsfests, sowie mit einer warmen Tasse alkoholfreien Glühtraubensafts neben seinem Lehrer auf der Couch und fragte sich nicht zum ersten Mal, was sie von nun an eigentlich tun sollten.
 

Mit dem Frühling kam eine neue Überraschung, denn als Kakashi merkte, dass seine beiden Schüler langsam wieder sie selbst wurden, ließ er sie eines morgens bewusst zusammen wieder durch ihre Kata gehen.

Das verwunderte beide reichlich, doch auf die Frage, wieso, schwieg Kakashi nur geheimnisvoll. In Wahrheit wusste er es selbst nicht, aber es tat beiden sichtlich gut und das war das einzige was im Augenblick zählte. Richtiges Kämpfen war nicht drin – er wusste nicht, ob es das jemals wieder sein würde – aber es war ein Anfang…
 

Kurz nach Ostern schließlich kam irgendwann wiedermal ein Tag, an dem Sakura und Kakashi auf Mission waren und Naruto und Sasuke allein Zuhause blieben. Das war schon lange kein Problem mehr und so waren sie wirklich allein - ohne „Babysitter“.

Naruto saß gerade auf dem Steg draußen am See und ließ die nackten Füße ins noch kühle Nass baumeln, während Sasuke vor ihm vorsichtig ein wenig hin und her lief. Auf dem Wasser war einfach die Chance zu stolpern quasi null, aber er konnte seinen Taststock nicht benutzen, daher musste er aufpassen, wohin genau er lief – und da kam ihm Narutos Geplantsche als Anhaltspunkt ganz recht, deswegen sagte er nichts dagegen.

Über ihnen spürten sie die mittägliche Sonne im Zenit, die für die Jahreszeit schon erstaunlich viel Kraft hatte.

„Meinst du, wir werden auch irgendwann mal wieder auf eine Mission gehen?“, fragte Naruto plötzlich zusammenhangslos, während er mit einer Mini-Chakrakugel in seiner Hand spielte, sie immer wieder aufbaute und verschwinden ließ – er musste nicht sparen, er benutzte quasi nie Chakra.

„Hn.“, schnaubte Sasuke wieder nur und im nächsten Moment bereute Naruto schon allein die Frage, denn der Tonfall seines Kumpels wurde sogleich wieder bitter: „Klar, wir können zwar nicht kämpfen und sind in unbekannten Gebieten quasi nutzlos, aber jeder braucht solche Ninja.“

Naruto grummelte eine Antwort vor sich hin und spritzte etwas stärker mit dem Wasser an seinen Füßen in der Hoffnung Sasuke zu treffen. Als Antwort folgte aber nur ein lautes Platschen und im nächsten Moment war er selbst es, der vollkommen durchnässt war. Prustend spuckte er das Wasser wieder aus und hustete: „Wie hast du das jetzt gemacht?!“

Es war zwar nicht unmöglich, aber auch alles andere als leicht eine exakte Position übers Gehör allein zu bestimmen und dann auch noch die Entfernung abzuschätzen, um so gezielt zu treffen, wie sie schon beim einfachen Ball spielen festgestellt hatten.

„Schon dumm, wenn du so offen mit deinem Chakra rumspielst…“, kam die lässige Antwort. Einen Moment lang schwiegen beide, dann, wie auf ein geheimes Kommando hin, murmelten sie im Chor: „Das ist es!“

Drei Tage später allerdings gaben sie beide entnervt wieder auf. Sie waren nicht wirklich gut im Chakra spüren und selbst wenn es funktioniert hätte, mehr als Menschen hätten sie damit wohl auch nicht wahrnehmen können.
 

Es dauerte noch mal einige Wochen, bis sie durch Zufall auf eine andere Idee kamen. Oder besser durch einen Unfall.

Es war eine ähnliche Situation, wie zuvor. Kakashi hatte sich bei der letzten Mission leicht verletzt und war zur Beobachtung im Krankenhaus, Sakura auch, allerdings im Dienst, nicht als Patientin und sie wieder allein im Haus.

Naruto saß gerade im Wohnzimmer auf dem einzelnen Sessel und experimentierte mit seinem Rasengan herum. Er konnte es zwar nach wie vor erschaffen und sogar ein wenig besser als vorher, aber er brauchte immer noch beide Hände dafür und laut Kakashi war es mehr ei- als kugelförmig geworden. Um dem vorzubeugen spielte Naruto gerade mit dünnen Chakraflächen auf seinen Händen herum, die er erfolglos versuchte beim Entstehen um die Kugel herumzuziehen.

Sasuke hingegen hatte sich gerade in der Küche einen Tee gemacht und kam zurück. „Hey, Dobe, du solltest auch ab und an mal einen Tee trinken, der könnte sogar gesund sei… ah!“ Er hatte – genau wie Naruto heute schon sechsmal – in dem Moment vergessen, dass sich eine der teuren Bodendielen heute Morgen verabschiedet hatte und reichlich schräg abstand. Leider war es Sonntag und alleine konnten sie nichts machen ohne, dass es sehr besch…eiden ausgesehen hätte.

Da er selbst schon mehrmals hingeknallt war, ahnte Naruto, was los war – und dass Sasuke gerade genau auf ihn zuflog und ihm gleich den heißen Tee überschütten würde und streckte instinktiv die Hände vor, um sich abzufangen.

Und dann geschah etwas Seltsames. Irgendwie löste sich seine Chakraschicht und flog von ihm weg. Er dachte, sie verpuffte, doch Sekundenbruchteile später war sie plötzlich wieder da und er wusste irgendwie, wohin er greifen musste, um Sasuke abzufangen.

Der war nicht weniger verdutzt angesichts der ungewohnt zielsicheren Bewegung.

„Wie hast du das gemacht?“

„Ich weiß es nicht…?“
 

Sie erzählten keinem davon, weil sie niemandem – insbesondere sich selbst nicht – vage Hoffnung machen wollten, die sich am Ende ohnehin nicht erfüllen würde, doch sie wussten beide, dass es mehr als Zufall gewesen war und nach mehreren Wochen des Versuchens und Probierens hatten sie schließlich eine grobe Ahnung, was passiert war – und ebenso einen groben Plan.

Allerdings stellte sich schnell heraus, dass es einen riesigen Haken hatte, denn es kostete verdammt viel Energie.

Das Prinzip war leicht, wie eine Art Chakra-Echolot schickte man über die Hand eine dünne Schicht fort, formte sie aber so, dass sie zurückkam, wenn sie auf etwas traf und mit viel Übung konnte Naruto dadurch immerhin erkennen, wenn etwas in seinem Weg war, auch wenn er nicht sagen konnte, was es war.

Er schaffte es allerdings nicht das einmal abgegebene Chakra wieder aufzunehmen und das ließ den Verbrauch drastisch werden.

Sasuke schaffte es gar nicht. Er konnte zwar die Schichten auch erzeugen, aber sie wurden nie stabil genug, um zu ihm zurück zu kehren. Dafür entdeckte er aber nach einiger Zeit etwas anderes, das ihm vielleicht helfen konnte. Während er nämlich eine solche Chakra-Schicht auf der Hand trug, konnte er Wärmeunterschiede vor sich deutlicher spüren und dadurch etwa sagen, in welcher Richtung Naruto von ihm aus stand.

Es war nicht viel, aber es war etwas, womit sie zumindest versuchen konnten, weiterzukommen. Auch wenn es unendlich langsam und frustrierend war. Immerhin lernten sie es zusammen und sie lernten es im Wettstreit, wer schneller irgendetwas wahrnehmen konnte und das wirkte bei den beiden immer wahre Wunder.
 

Es dauerte noch ein knappes halbes Jahr, ehe sie soweit waren, dass sie mit ihrer Entdeckung tatsächlich etwas anfangen konnten. Zuerst hatten sie daran gearbeitet den Chakraverbrauch zu minimieren, dann versucht die Fläche auszudehnen.

Inzwischen war Naruto so weit, dass er statt Schichten einzelne Punkte wie Strahlen von sich schickte und wieder auffing und das meiste auch wieder aufnehmen konnte. Sein Bild war nach wie vor sehr vage, aber bei Versuchen reichte es, damit er ohne seinen Stock Gegenständen ausweichen und sie sogar in aller Regel fangen oder abwehren konnte, solange sie groß genug waren.

Sasukes Technik lief in eine andere Richtung. Da sein „Spüren“ offenbar mit dem Tastsinn verbunden war, hatte er daran gearbeitet, eine hauchdünne, aber konstant vorhandene Schicht Chakra über seine Haut zu ziehen, die ihn gleichzeitig mehrere Wärmequellen oder eben das Fehlen von Wärme wahrnehmen ließ. Wie in Narutos Fall konnte auch er dadurch nur sehr grob etwas „erkennen“, aber es reichte ebenfalls, um halbwegs vorwärts zu kommen.

Einmal wagten sie sogar ein wenig zaghaft einen kleinen Probekampf und waren hinterher zwar beide vollkommen ausgelaugt und platt, aber mehr als zufrieden mit sich selbst, denn sie hatten zum ersten Mal seit über einem Jahr wieder richtig gekämpft und nicht nur einen leichten Schlagabtausch mit abgesprochenen Bewegungen versucht.
 

Erst an diesem Punkt entschieden sie sich jemand anderem davon zu erzählen. Genau genommen luden sie Kakashi und Sakura auf ein Picknick am Waldrand ein. Die beiden sagten wenig überraschend zu und holten sie am nächsten Samstagmittag von Zuhause ab.

Naruto konnte sich die skeptischen Gesichter gut vorstellen, als sie ohne ihre Stöcke zu nehmen das Haus verließen und hinter sich abschlossen.

Er meinte außerdem ein leises Seufzen zu hören, weil es für ihre Teammitglieder so aussehen müsste, als ob sie ein ordentliches Stück zurückgefallen wären und sich wieder führen lassen wollten, doch tatsächlich winkten sie den beiden nur kurz zu und liefen mit jeweils einem großen Picknickkorb in der Hand voraus.

Die ungläubigen Blicke in ihrem Rücken waren so intensiv, dass sie sie im Rücken nur zu deutlich spüren konnten und sich ein sehr zufriedenes Grinsen verkneifen mussten.
 

Ein weiteres Jahr verging bis sie wieder als Team Kakashi auf Mission gehen konnten. Inzwischen hatten beide ihre neuen Sichtweisen auf die Welt soweit es irgendwie ging perfektioniert. Wenn man sie direkt danach fragte, würden sie von Echolot und Thermografie sprechen und, wenn man weiter nachfragte, erklären, dass es sich grob um ein Schall- und ein Wärmebild handelte.

Es war nie komplett scharf geworden, wie es ihre Augen einmal gewesen waren, aber es reichte immerhin aus, um schon wieder einiges an Mimik zu verstehen, Gestik oder Gegenstände, die größer als eine Faust waren, waren überhaupt kein Problem, bei kleineren Dingen kam es stark drauf an, wie und wo sie sich befanden und was es war. Sasuke konnte Sakura eine Murmel problemlos aus der Hand nehmen, woran Naruto scheiterte. Dafür konnte Naruto einen Papierzettel von einer Wasseroberfläche fischen, was für Sasuke reines Raten war.

Trotzdem konnten sie immer wieder sehr zufrieden feststellen, dass, wer es nicht ohnehin schon wusste, niemand auf die Idee kam, dass mit ihren Augen etwas nicht in Ordnung sein könnte. Sakura hatte ihnen schon ganz am Anfang erzählt, dass sie noch vollkommen normal aussahen, einzig die Pupillen reagierten nicht mehr auf Licht und wurden weder größer noch kleiner, aber darauf achtete kaum jemand und Dank ihrer Techniken konnten beide Menschen nicht nur ansehen, sondern wieder einen Pseudo-Blickkontakt aufbauen, der fast jeden täuschte.

Einen großen Nachteil hatte das ganze aber nach wie vor und ab und zu kam es vor, dass dieser sich bemerkbar machte. So etwa im dritten Jahr nach dem Unfall, wieder an Narutos Geburtstag, als Team Kakashi gerade in Ruhe an einem bekannten Ramenstand saß und es sich schmecken ließ.

„Naruto!“

„Mmh?“, aus Gewohnheit drehte der Angesprochene den Kopf in die Richtung, doch in dem Treiben war es unmöglich für ihn zu sagen, wer ihn gerufen hatte. Erst, als eine Gestalt ihm zuwinkte und auf ihn zu kam, konnte er sich genauer auf sie konzentrieren, doch es war schwer viel zu sagen. Er ging von einem Jungen mit kurzen Wuschelhaaren und einer Art Latzhose aus, der ein Stück kleiner war, als er, aber weder das, noch die Stimme sagten ihm wirklich etwas.

„Guck doch nicht so, erkennst du mich denn nicht?“

Doch Naruto blieb eine Antwort erspart, da in diesem Moment eine zweite Gestalt neben den Jungen trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Er hat dich ewig nicht gesehen, Inari, du bist erwachsener geworden.“ Und, mit einem Lächeln, das selbst Naruto wahrnahm, fügte er hinzu: „Du auch, Naruto.“

Dessen Miene hellte sich schlagartig auf, als er einfach aufsprang und beide in den Arm nahm. „Tazuna, Inari, tut mir leid, dass ich euch nicht gleich erkannt habe… Wow, bist du groß geworden, Inari, hast du einen Wachstumsschub gehabt?“

Der lachte nun auch wieder und nickte wild, ehe er in seine Tasche griff, etwas hervorholte und Naruto hinhielt. Der griff zögernd danach und konnte ein leicht trauriges Seufzen nicht verkneifen, als er die Struktur des dünnen Papiers spürte. Ein Foto. Inari hatte ihm ein Foto gegeben…

Egal, was sie auch versucht hatten, weder Sasuke noch er hatten irgendeine Möglichkeit gefunden Licht und damit Farben wieder wahrzunehmen. Solange es ihm niemand sagte, hatte er keine Chance zu wissen, was auf diesem Foto abgebildet war.

„Was ist? Du siehst es dir ja nicht mal an?“

Naruto verzog leicht gequält das Gesicht und räusperte sich einmal vernehmlich, während seine Teammitglieder ein wenig betreten zu Boden sahen. „Ja, weißt du, Inari, die Sache ist die, ich… ich kann nicht…“
 

Inari wollte es ihm nicht glauben, genauso wenig wie Tazuna. Seine Reaktionen, seine Bewegungen, selbst seine Blicke waren sicher und ohne zögern, aber das Bild bewies, dass die Technik keinesfalls die Augen wirklich ersetzte.

Erst, als Sakura sich zu ihm rüberbeugte und ihm leise ins Ohr flüsterte, dass das Foto die fertige Brücke mit einem Schild, auf dem ihr Name stand, zeigte, breitete sich wieder ein Lächeln auf Narutos Zügen aus und die triste Stimmung verschwand.

Sie wussten, um ihre Grenzen und es gab Dinge, die sie noch immer nicht „normal“ machen konnten. Bilder, Fotos und Bücher lesen gehörte dazu, ebenso, wie Fernsehen oder durch ein Fenster nach draußen gucken. Aber das machte nichts, denn bei fast allem anderen konnten sie so ziemlich jeden Glauben machen, sie könnten tatsächlich sehen.

Auch Missionen hatten sie immer noch Taststöcke dabei, aber zusammengeklappt und tief im Rucksack versteckt. Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme. Im Ernstfall war es nie passiert, aber beim Training war es ein paar Mal vorgekommen, dass sie einfach überhaupt keine Energie mehr hatten und egal, wie wenig es kostete, ganz ohne Chakra ging es einfach nicht.

Das wussten sie und trainierten auch immer wieder ohne ihre Techniken.

In ihrem eigenen Haus (denn Naruto war irgendwie bisher nicht wieder ausgezogen) benutzen sie sie fast nie, wenn nicht gerade Besuch da war. Sie brauchten es einfach nicht und sahen es auch als Übung, um nichts wieder zu verlernen.

Manchmal würde Sakura sie besuchen und sich wundern, denn an den Wänden hingen nach wie vor Bilder und Fotos – allerdings andere als zuvor. Bilder von ihrem Team, von Feiern und von Freunden. Bilder, die zu neu waren, als das die beiden sie jemals hätten sehen können, aber wenn sie leise nachfragte, würde Naruto ihr mit einem Schulter zucken erklären, dass sie ja trotz allem wussten, was darauf abgebildet war und dass andere sie ja trotzdem sehen konnten.
 

Zwei Tage nach Sakuras zwanzigstem Geburtstag schließlich wurde ihr Sensei „erlöst“. An diesem Tag nämlich wurden die drei zu einem eigenen, offiziellen Team, das ohne Lehrmeister auskam.

Die Leitung übernahm Sakura – aus dem einfachen Grund, dass der Teamleiter im Normalfall die Berichte unterschreiben musste und auch wenn Naruto und Sasuke das durchaus noch tun konnten, brauchten sie immer jemanden, der ihnen sagte, wo genau und was sie da eigentlich unterschreiben sollten und das war für eine der geplanten Sondereinheiten einfach nicht wirklich akzeptabel.

Die beiden Jungs nahmen das erstaunlich gelassen auf. Vielleicht, weil sie wussten, dass Sakura keineswegs soviel Befehlsgewalt über sie hatte, wie sie eigentlich haben sollte.

Die brauchte sie auch gar nicht.

Die drei benötigten quasi keine Absprache mehr, egal, wie schwer ihre Mission auch wurde – und auch wenn Naruto und Sasuke leichte Nachteile durch die fehlende Lichtwahrnehmung hatten, so waren sie doch umso nützlicher, wenn es an Orte ging, an denen es nur wenig oder gar kein Licht gab.

Sakura vertraute in solchen Momenten ihrer Führung und fühlte sich seltsam, wenn sie daran dachte, dass es eigentlich anders herum sein sollte. Gerade, wenn sie sich durch die Dunkelheit leiten ließ, wurde ihr wieder bewusst, was die beiden eigentlich tatsächlich erreicht hatten. Denn trotz aller Versuche hatte es bisher niemand geschafft die Techniken nachzuahmen. Weder sie noch Kakashi noch Tsunade konnten auch nur ansatzweise verstehen, wie sie das überhaupt machten.

Leider war es aber auch eine dieser Situationen, in denen dann doch unvermeidlich etwas schief ging.
 

Sie waren auf dem Rückweg einer Spionagemission und rannten durch einen uralten, mutmaßlich unbekannten Fluchttunnel, Sakura lief zwischen ihnen, da hier unten erhöhte Gaskonzentrationen das benutzen von Fackeln unmöglich machten und ihre Taschenlampe vor einigen Minuten den Dienst versagt hatte.

An sich war das kein Problem – bis sie feststellen mussten, dass der Gang offenbar doch nicht ganz so unbekannt war, wie er sein sollte. Perfekt einstudiert schob Sasuke Sakura an eine der Höhlenwände, während Naruto Doppelgänger auf die Angreifer losließ, die allem Anschein nach irgendeine Art Brille vor den Augen trugen.

Nachtsichtgeräte.

Damit verhinderten sie Lichtschein, der Sakura gewarnt hätte und das Ergebnis war wirklich schockierend. Sie waren nicht übermäßig stark, aber es waren verdammt viele und sie hatten ebenso wenig Schwierigkeiten mit der Dunkelheit, wie Naruto und Sasuke sie hatten. Damit waren sie im Nachteil, denn hier unten war es zu eng um beliebig viele Doppelgänger zu erschaffen und gleichzeitig wollten sie auf gar keinen Fall zulassen, dass die Angreifer an Sakura herankamen, die schnell verstand und sich in dem Augenblick furchtbar verwundbar und nutzlos fühlte.

Sie schlugen sich gut und es sah beinahe aus, als würde Team Sakura die Mission trotz allem noch erfolgreich beenden können – genau bis zu dem Augenblick, als Sakura aufschrie.

Vollkommen synchron wandten Sasuke und Naruto die Köpfe zu ihr um – eine unnötige aber angewöhnte Geste, um andere zu täuschen. Viel wichtiger für sie war ihre Konzentration, die nun ganz allein ihrer Teamkollegin galt.

Die presste gerade die Hände gegen ihr Gesicht und atmete stoßhaft. Offenbar war doch jemand zur ihr hindurch gekommen. Wütend schlugen die beiden Jungen die letzten Gegner nieder und waren in Windeseile bei ihr.

Sakura schluchzte schmerzerfüllt und es dauerte einen Moment, bis sie sie dazu bewegen konnten ihre Hände herunterzunehmen. Was dann folgte ließ sie beide erschrocken zusammenzucken.

Sasuke sah warme, dünne Spuren ihre Wangen herunter rennen, Naruto sah seltsame, zähflüssige Streifen und auch wenn beide die Farbe nicht sehen konnten, so wussten sie doch nur zu genau, was das bedeutete. Und sie schrieen gequält auf und…
 

… fuhren mit einem Ruck schweißgebadet und schwer atmend aus ihren Schlafsäcken hoch. Narutos Augen trafen Sasukes und für einen Blick glaubten beide in den Seelenspiegeln ihres Gegenübers den gleichen Schreck, die gleiche Sorge zu sehen, wie sie selbst spürten.

Dann allerdings verging der Augenblick und der stumme Kontakt brach ab.

„Albtraum?“, fragte Naruto leicht gequält und Sasuke nickte widerwillig.

Naruto verzog das Gesicht und strich sich einmal durch die Haare, die ihm am Kopf klebten. „Mann ey, es hat sich so… echt angefühlt… ich hab geträumt, wir wären beide, naja, äh…“

„…erblindet?“, vollendete Sasuke nach einer unangenehmen Pause, woraufhin ihn Naruto mit großen Augen eine ganze Weile anstarrte und dann langsam nickte.

„Woher weißt du…?“

„Hn.“ Sasuke zuckte nur die Schultern und biss sich auf die Lippen. Es war einfach unmöglich, dass sie dasselbe geträumt hatten. Dummer Zufall eines ähnlichen Traums…

Naruto runzelte verwundert die Stirn und flüsterte dann fast schon verschwörerisch: „Und, hast du auch… ist Sakura-chan bei dir auch…?“

Sasuke nickte nur noch kürzer und stand ruckartig auf, um das Zelt, das sie sich während der Mission teilten zu verlassen.

Naruto zögerte kurz, dann eilte er hinterher. „Hey, warte doch mal, Bastard, was…?“

Von beiden ungesehen blieb eine Gestalt im Zelt zurück, ein kleiner Dämon aus längst vergessener Zeit, der schadenfroh kichernd zwischen ihren Schlafsäcken saß und ihnen hinterher lachte.

Ein Nachtmahr.

Einer der schwächsten Vertreter der Dämonen und doch keinesfalls zu unterschätzen, denn er hat Macht über Träume. Und im Traum kann man genauso leiden. Auch wenn man sich niemals wirklich verletzt, der menschliche Verstand kann nicht zwischen Traum und Realität unterscheiden, für ihn ist beides gleich real. Und so sind es auch die Schmerzen, das Leid und die Wut, die ein Albtraum mit sich bringt.
 

****************************
 

Kurzes Nachwort:
 

Eigentlich sollte diese Fanfic aus kurzen Abschnitten bestehen, die, wie es in Träumen manchmal vorkommt, einzelne Momentaufnahmen zeigen und somit schon auf einen Albtraum hindeuten. Das ist mir nicht ganz so gut gelungen, wie ich es wollte, da ich nur sehr ungern so kurz und vergleichsweise ungenau Dinge beschreibe.

Die Idee selbst ist wohl deutlich überzogen und unwahrscheinlich, aber abends kommt man halt manchmal auf so was und meint, es aufschreiben zu müssen. Ich weiß, dass es Fanfics gibt, in denen einer der beiden sein Augenlicht verliert – ich selbst habe allerdings noch keine gefunden, in der es beiden auf einmal passiert und dachte, es wäre wenigstens mal was anderes.

Wirklich ernst nehmen sollte man den One Shot wohl eher nicht, es war mehr ein Gedanken- und Schreibexperiment. Bei Interesse eventuell mal mehr, aber vorerst bleibt es so als Versuch stehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Wisteria
2015-01-21T16:12:30+00:00 21.01.2015 17:12
Klasse Story, toll geschrieben, Gedanken und Gefühle kamen gut rüber!
Ist echt lang geworden. :) Die Charaktere sind gut getroffen, hab gar nicht mehr daran gedacht, dass es am Ende ein Albtraum sein könnte.
LG
Von:  BlueJey
2010-10-18T18:12:01+00:00 18.10.2010 20:12
Mein Gott, ich kann garnicht sagen, wie mich das Ende aufatmen hat lassen... .___.'' Das wäre böse gewesen. Also, wirklich böse. Nicht, dass ein blinder Sasuke bzw. Naruto NICHT böse gewesen wären, aber irgendwie kann ich mir bei Sakura schlechter vorstellen, dass sie damit unzugehen lernt...

Zum Rest der FF: awww. Am Besten waren wirklich die Gespräche zwischen Sasuke und Naruto... Die waren... schön, irgendwie. Und der erste Mock-Fight auf dem Bett hat mir angeblich ein 'völlig verliebtes Grinsen' entlockt (O-ton meine Mutter... Oo). Ich kann's mir aber vorstellen. xD

Ich hatte mal eine ähnliche Idee, die ich allerdings nie umgesetzt habe. Wobei ich Sasuke die Sache mit dem Chakra sehr viel einfacher gemacht und Naruto ganz verschont habe... ;D

Alles in allem fand ich die Storie wieder mal total schön. Du triffst einfach die Charaktere so gut - dass Sasuke sich weigert, damit umzugehen zu lernen, bis Naruto ihn in die richtige Richtung stubst, irgendwie sogar die Sache, dass beide unterschiedliche Arten des 'Sehens' erlernen... Vermeintliche Kleinigkeiten wie das. ^^

Me likes very much. =D
Blue


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