Stundenlang hatten das Festnetztelefon und die Handys der fünf Bandmitglieder beinahe pausenlos geklingelt. Verwandte, Freunde und Reporter wollten wissen, wie es wirklich um den Bandleader stand. Anfangs hatten die beiden ältesten Jungen versucht, einige der Anrufe anzunehmen und die Fragen zu beantworten, doch nach einiger Zeit hatten sie resigniert den Stecker aus dem Telefonanschluss entfernt und die Mobiltelefone ausgeschalten.
Es hatte keinen Sinn. Die gerissenen Pressemitarbeiter drehten ihnen die Worte im Mund um und das verzweifelte Schluchzen ihres Bandleaders, das gedämpft aus dem Wohnzimmer drang, trug nicht gerade dazu bei, dass ihre Beteuerungen, dass es G-D gut ging, glaubhaft wirkten. Also hatten sie es aufgegeben und waren stattdessen dazu übergegangen, die beiden Jüngeren dabei zu unterstützen, sich um den Anführer zu kümmern, der sich noch immer schluchzend an den Jüngsten klammerte. Weder beruhigende Worte noch das sanfte Ziehen T.O.Ps konnte ihn dazu bringen, seinen Griff zu lockern. Er hatte das Gefühl, vollständig zusammenzubrechen, sobald er sich von seinem Freund lösen würde.
Es kam den Mitgliedern von Big Bang endlos vor, bis das verzweifelte Weinen schließlich endlich in ein leises Wimmern abebbte und die Tränen sich nur noch vereinzelt den Weg über G-Ds Gesicht bahnten. Entweder schien sich der Bandleader langsam zu beruhigen oder er war einfach zu erschöpft, um noch länger zu weinen.
„Können wir dir irgendwie helfen?“
Resigniert schüttelte G-Dragon den Kopf. Wie sollten sie ihm helfen? Konnte T.O.P die Zeit zurückdrehen? Konnte Daesung dafür sorgen, dass alle Menschen auf dem Planeten vergaßen, was sie eben im Fernsehen gesehen hatten? Konnte Taeyang dafür sorgen, dass er nicht immer mehr die Kontrolle über sein Leben verlor? Konnte Seungri ihm helfen, nicht völlig durchzudrehen?
„Wie denn…?!“
Er könnte den Zweitjüngsten seufzen hören. Ihm war klar, dass ihm seine Bandmitglieder alle helfen wollten, doch er wusste nicht, was diese für ihn tun könnten.
„Vielleicht solltest du einfach eine Nacht darüber schlafen… Wer weiß, vielleicht kräht morgen kein Hahn mehr nach den Nachrichten von heute.“
Dem Bandältesten war klar, dass sich die neugierige Presse auch morgen noch brennend für diesen Vorfall interessieren würde, doch er versuchte, für den Jüngeren zuversichtlich zu wirken. G-D war immer noch stark angeschlagen, verwirrt und sichtlich erschöpft vom vielen Weinen. Ihm wäre am meisten damit geholfen, wenn er sich einige Stunden hinlegen und den Stress vergessen könnte.
„Daesung, geh in G-Ds Zimmer und hol ihm sein Kissen… Und du holst ein paar Taschentücher!“
Nickend folgten die beiden Jüngsten T.O.Ps Aufforderungen. Auch Taeyang erhob sich, um die Wolldecke, die achtlos auf dem Boden lag, erneut über G-D auszubreiten. Anschließend entschloss er sich dazu, die Stereoanlage einzuschalten, damit der Bandleader Musik hören konnte, achtete allerdings darauf, dass der Ton gerade so laut war, dass er ihn auch gut ignorieren konnte, falls er lieber schlafen wollte. Nachdem sich die vier Freunde sicher waren, dass sie es ihrem Bandleader so bequem wie möglich gemacht hatten, verließen sie das Zimmer.
G-D wusste nicht, wie lange er schon hier lang und einfach nur der leisen Musik lauschte, die aus der linken Zimmerecke ertönte. Nach dem Zusammenbruch von vor wenigen Stunden fühlte er sich seltsam leer und verbraucht. Er war noch immer aufgewühlt, doch ihm fehlte die Kraft, erneut zu weinen. Also lag er einfach nur auf dem Sofa und starrte aus dem Fenster ins Dunkle.
Klopf. Klopfklopf. Klopf.
Das pochende Geräusch irritierte den Bandleader. Im Hintergrund lief ‚Lies‘ - ein Lied, dass er selbst geschrieben hatte. Den Rhythmus dieses Liedes kannte er auswendig und er wusste, dass dieses Geräusch nicht dazu gehörte. Nervös schaute er sich um. Bildete er sich das ein? War das Geräusch real? Woher kam es?
Mühsam und in die Decke eingewickelt erhob sich G-Dragon. Noch immer ertönte das monotone Geräusch. Es musste aus der Richtung des Fensters kommen - wenn er es sich nicht nur einbildete. Langsam schlich er sich immer näher, als ihn plötzlich ein greller Blitz blendete. Wohl ein Gewitter… G-D trat an das Fenster heran, um das Naturspektakel besser verfolgen zu können. Plötzlich wurde das Klopfen lauter und energischer. Die Scheibe, an der er sich abstützte, bebte unter seiner Hand und erneut erhellte ein helles Licht das Wohnzimmer. Für den Bruchteil einer Sekunde war der Rapper sich sicher, ein hämisch grinsendes Gesicht auf der anderen Seite der Scheibe zu sehen.
Ein lauter Schrei ließ Daesung zusammenschrecken. Es war nicht die Art von Schrei, die man ausstieß, wenn man stolperte und sich erschreckte, sondern die Art von Schrei, die man von sich gab, wenn man pure Todesangst verspürte. Auch seine Zimmergenossen hatten sich in ihren Betten aufgerichtet und sahen sich irritiert um. Wie auf Kommando stürzten sie nach wenigen Sekunden aus ihrem Zimmer und folgten dem Geräusch, das sie geweckt hatte.
Auf dem Flur stieß Taeyang, der scheinbar ebenfalls gerade aus dem Schlaf gerissen worden war, beinahe mit Seungri zusammen. Man musste kein Genie sein, um zu erraten, wer der Auslöser des nächtlichen Lärms war. Gefolgt von den restlichen Dreien stürzte der Zweitälteste ins Wohnzimmer, in welchem er den Bandleader zusammengekauert in einer Ecke vorfand. Eine Hand hatte er auf sein linkes Ohr gepresst, während die andere sein halbes Gesicht bedeckte, fast so, als müsse er sich vor Jemandem oder Etwas schützen.
„Oh Gott, was ist los?!“
Als Antwort auf die Frage hob G-Dragon nur zitternd den Arm und deutete auf das Fenster. Es dauerte einige Sekunden, bis die Jungen die schemenhaften Gestalten erkennen konnten, die vor diesem standen und immer wieder den Auslöser ihrer Kamera betätigten. Geistesgegenwärtig zog T.O.P den Vorhang zu, um zu verhindern, dass noch weitere Fotos geschossen werden konnten, während die beiden Jüngsten ohne eine Erklärung eiligen Schrittes den Raum verließen.
Bereits wenige Sekunden später wurde klar, was die Beiden vorhatten. Wütende Schreie und wüste Beschimpfungen drangen gedämpft durch das geöffnete Fenster und vermischten sich mit den letzten Klängen von ‚Lies‚. Man konnte hören, wie etwas - höchstwahrscheinlich eine der Kameras - laut klirrend auf dem harten Asphalt zersprang. Allen war klar, dass das, was die beiden Jugendlichen gerade taten, äußerst rufschädigend war, doch keiner hielt sie auf. T.O.P und Taeyang verstanden, dass diese ihren Freund und ihr Vorbild nur schützen wollten und somit mussten sie sich vor den Älteren auch nicht für ihr Verhalten rechtfertigen, als sie wenige Minuten später mit verdreckten Klamotten und Seungri sogar mit einer leichten Blessur an der Augenbraue wieder das Zimmer betraten.
» Das war nun wirklich unnötig.
G-Dragon war bereits am Boden, warum ließen die Idioten von der Presse ihn nicht in Ruhe? War es wirklich nötig, Fotos davon aufzunehmen, wie er verängstigt und weinend in der Ecke saß? Welche kranken Menschen wollten solche Aufnahmen sehen?
Ich wollte nie, dass es so endet!
Ich war viel zu weit gegangen…
Ich wollte alles - in Wirklichkeit habe ich nur alles zerstört. «