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39 One- Shot

von

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Sieben Dornen

Die Sonne schien angenehm warm auf ihr Gesicht herab.

Der Sommer war ihr vielleicht nicht gerade die liebste Jahreszeit, dennoch fühlte es sich äußerst schön an, wenn die Sonnenstrahlen ihre Haut erwärmten oder ihr die ein oder andere sommerliche Briese durchs rot-braune Haar fuhr.

Ein Seufzen entrann Ai’s Kehle, als sie in den Himmel sah. Keine einzige Wolke war zu sehen. Nichts als ein helles Blau…
 

…Friedlichkeit.
 

Es vergingen einige Minuten, bis sie sich an der Farbe sattgesehen hatte, dann schaute sie auf das aufgeschlagene Buch vor sich. Die Seiten erstrahlten in hellem Weiß, denn noch waren sie unbeschrieben und völlig leer.

Ob sie es wirklich tun sollte…?

Haibara blickte noch einmal zum Himmel auf, lächelte schwach und ergriff letztendlich den Stift neben sich.
 

…Leere.
 

Sie schaute auf die erste leere Seite und legte den Kopf schief. Wie sollte sie anfangen? Und vor allem wo? In ihrem Leben war einiges passiert, das sie festhalten wollte. Es konnte immerhin sein, dass sie schon nächste Woche nicht mehr lebte. Oder gar morgen. Wann die Organisation sie fand, war lediglich eine Frage der Zeit.

Das Bedürfnis war schleichend gekommen. Sie wollte nicht, dass sie nach ihrem Tod in Vergessenheit geriet. Dies war doch ein ganz normaler Wunsch, oder?
 

…Wünsche.
 

Ja, man sollte wissen, wie sie gelebt hatte. Was für ein kurzes Leben es gewesen war. Man sollte sie kennen.

Dem war sie sich sicher. Und doch wollten ihr einfach keine Worte einfallen. War es denn so schwer sein eigenes Leben aufzuschreiben? Haibara verzog das Gesicht. Nein, schwer war es sicher nicht. Man musste sich nur an alles Erinnern. Ob man es konnte oder wollte erwies sich dabei nur als schwer.
 

…Worte.
 

Ai biss sich auf die Unterlippe. Kindheit. Genau, damit begann alles. Wie war ihre noch gleich gewesen…?

Das Mädchen grübelte. Sie war in Amerika gewesen, hatte dort studiert. Aber gehörte Lernen allein zu einer Kindheit? Durch Conan und die Detective Boys kannte sie die Antwort.

Nein, nichts außer Bildung war keine Kindheit. Keine wirklich Schöne, jedenfalls.
 

… Erinnerung.
 

Und was war dann passiert? Sie war schon längst kein Kind mehr gewesen, als sie zurück nach Japan gekommen war. Vieles hatte sich geändert, nun nahm man noch weniger Rücksicht auf sie.

Aber einen Trost gab es im Land der aufgehen Sonne. Ihre Schwester Akemi, die sie über alles liebte.

Akemi behandelte sie liebevoll und so, als sei sie noch ein Kind, welches sie nie war.
 

…Unschuld.
 

Doch dann war es vorbei mit der wenigen Unbeschwertheit.

Die erhielt ihren Decknamen, man kannte sie nun als „Sherry“, als jemanden, der für die Organisation unabkömmlich geworden war.

Ob sie es wollte oder nicht, sie wurde langsam in die Position gerückt, in der man sie sehen wollte.

In der, der Mörderin.
 

…Schmutz.
 

Schließlich lag ihr Leben in Scherben, ohne, dass sie es wirklich vorhersehen oder gar hätte ändern können. Der einzige Mensch, der von Wichtigkeit für sie war, war gestorben und nun war sie allein. Allein unter den schattenhaften Wesen, die nach ihr lechzten.

Eingesperrt und allein hegte sie den Wunsch nach dem Tode, den sie sich selbst zufügen wollte. Doch statt durch ihr Gift zu sterben, wurde sie zu einem Kind.
 

…Sünde.
 

Und schließlich war sie geflohen. Es war dumm gewesen, doch es fühlte sich richtig an, auch wenn es eine Flucht ins Ungewisse gewesen war.

Es war ein befreiendes Gefühl gewesen, alles hinter sich zu lassen.

Den kalten Regen aus jener Nacht spürte sie manchmal noch immer, doch es war nicht unangenehm. Schließlich wusste sie, dass der gute Professor sie gefunden und aufgenommen hatte. Dies war das Beste gewesen, das ihr je passiert war.
 

…Verrat.
 

Nun lebte sie ein Leben, welches wieder nicht ganz ihr gehörte. Das kleine Mädchen Ai Haibara gab es nicht wirklich, war nur von ihr und dem alten Mann erdacht worden. Und doch war dieses unwirkliche Leben ein gutes Leben. Sie konnte ganz Kind sein, und doch hielt sie sich zurück. Angst minderte den Drang nach Freude und Lebenslust. Das ausgelassene Lachen der Kinder strafte sie manchmal dennoch Lüge. Wie gern wäre sie wirklich eine von ihnen?
 

…Lüge.
 

Ai legte den Stift wieder zur Seite. Das war ihr Leben gewesen. Und dennoch stand kein einziges Wort auf dem Papier. Welch eine Schande.

Das Mädchen verdrehte entnervt von sich selbst die Augen. Sie war eine Närrin. Nicht einmal dies brachte sie fertig. Die geschrumpfte Wissenschaftlerin legte gerade den Kopf in den Nacken, als sie das Lachen der Kinder hörte, die auf sie zukamen.

Die Detective Boys.
 

…Freude.
 

„Ai!“, riefen die drei im Chor. Die Angesprochene erblickte die drei samt Conan auf sie zukommen.

„Ai, sieh mal!“, rief Ayumi, die sich nun vor Ai auf den Boden fallen ließ, freudig. In ihren Händen trug sie sicherlich ein Dutzend hellrote unsagbar schöne Rosen. „Sind die nicht wunderschön, Ai?“, fragte nun Genta. „Sie blühen dort hinten in einem Garten und der Besitzer hat uns erlaubt ein paar mitzunehmen.“
 

…Lachen.
 

„Ja, die sind wirklich wundervoll, Ayumi.“, lächelte Ai. Und es war die Wahrheit. Das Mädchen mit dem rot-braunen Haar liebte diese Blumen. „Und was habt ihr mit ihnen vor?“

Kaum hatte Ai dies gefragt, drückte Ayumi ihr schon eine der Rosen in die Hand. Ihre Knospe war schmal, doch die Blütenblätter hatten eine äußerst anschauliche Anordnung. „Danke schön.“, lächelte Ai, die die Blume in ihren Händen betrachtete.
 

…Vollkommenheit.
 

Später, es war schon am Abend, saß Ai allein in ihrem kleinen Kellerlabor. Das ungefüllte Buch lag vor ihr, sowie der Stift und die Rose. Ihr Blick galt Letztem.

Einige Minuten vergingen, doch dann ergriff das Mädchen die Blume. Die Dornen am Stiel der Rose waren abgeschnitten. Der Gärtner, von dem die Kinder die Blumen hatten, musste sie entfernt haben, damit Ayumi sich nicht verletzte. Ein paar hatte er jedoch vergessen.

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…Vorsicht.
 

Ai lächelte. Rosen erinnerten sie an sich selbst. Sie waren hübsch. Aber gefährlich.

Und schließlich kam ihr ein Gedanke. Ja, vielleicht konnte man sie tatsächlich mit einer Rose vergleichen…

Das Mädchen schlug das Buch auf und legte die Rose in es. Rosen ließen sich nicht pressen, anders als andere Blumen. Ihre Knospe war im Ganzen schlichtweg zu dick und wässrig, um sie zu pressen. Sie würden das Buch zerstören.
 

…Grundverschiedenheit.
 

Dann begann Haibara die Blütenblätter abzuzupfen. Eines nach dem anderen legte sie zwischen jeweils eine Seite des Buches.

Bald war nur noch der grüne Stängel der Rose übrig. Sieben Dornen waren am oberen Teil des Stiels übrig geblieben. Sieben zu viel.

Ai warf den Stängel weg und schloss das Buch fest.

Die Rosenblätter würden viel mehr von ihr erzählen, als ein paar leblose Worte…
 

…Fülle.



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