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Ich lächel für Dich

Weihnachtswichtel '09 für Evenfall
von

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Ewiges Lächeln

Es war ein Tag wie jeder andere auch.

Jan war aufgestanden, hatte sich geduscht, frisch angezogen und ausgiebig gefrühstückt. Das Geschirr war, nach dem er es mit klarem Wasser abgespült hatte, in die Spülmaschine gewandert. Er hatte sie, genau wie jeden Morgen, angeschaltet und gewartet bis das leise Rauschen des Wassers begonnen hatte. Wie üblich war er zwei Minuten vor der Maschine stehen geblieben und hatte darauf geachtet, dass kein Wasser an den Seiten raus lief. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen war er danach wieder in das Badezimmer gegangen und hatte sich die Haare gekämmt. Danach war er in seine Schuhe geschlüpft, die ordentlich neben der Haustür auf einem grauen Tuch standen. Die Jacke, die er sich dann angezogen hatte, schloss er erst als beide Schalenden sauber übereinander lagen und unter der Jacke verschwinden konnten. Seine Hausschlüssel steckten in seiner linken Tasche, das Mobiltelefon in der rechten Jackentasche. Sein Geldbeutel lag schwer in der rechten Brusttasche, aber da lag er immer und so störte es ihn nicht. Er hatte sich zu dem Spiegel gedreht, der seit Jahren schon im Flur hing. Die Haare lagen glatt nach hinten gekämmt. Er zog noch einmal an dem Jackenkragen und rückte den Schal zurecht. Dann klopfte er die kaum sichtbaren Fussel von Jacke und Hose. Er griff nach dem Autoschlüssel und verließ die Wohnung. Wie üblich schloss er die Haustür zwei Mal ab, bevor er leicht an der Tür ruckelte um sicher zu gehen, dass die Tür auch wirklich verschlossen war.

Alles in Ordnung, dachte er sich und nickte.

Mit starrem Blick gerade aus schritt er mit gleichmäßigen Schritten den schmalen Weg entlang. Das Gras um ihn herum war schneebedeckt. Auch auf dem Weg, auf dem er gerade lief, lag schon wieder eine dünne Schneeschicht. Obwohl er erst gestern fast zwei Stunden lang den Weg gesäubert hatte. Erst mit der Schneeschaufel ordentliche Häufchen in gleichmäßigen Abstand an den Rand geschoben und danach mindestens drei Mal gekehrt. Und immer wieder hatte er seine Arbeit kontrolliert. Das letzte Mal kurz bevor er zu Bett gegangen war. Er folgte dem Weg nach links zu seinem Auto.

„Wartest Du schon lange?“, fragte er.

„Nein“, war die Antwort.

Jan klopfte sich die Schuhe ab, bevor er seine Füße in den Innenraum des Autos zog. Er schloss die Autotür. Sein Blick fiel auf den Rückspiegel. Er griff nach dem Jackenkragen und zog ihn ein Stück nach rechts. Er war verrutscht beim Einsteigen. Er drehte ein wenig am Rad, dass den Sitz in eine gerade Position brachte. Der Gurt legte sich fest um seine Brust, doch er zog zur Sicherheit einmal daran und drehte ihn gleichzeitig gerade. Mit prüfendem Blick kontrollierte er die Einstellung der Spiegel. Der rechte Außenspiegel musste nachgestellt werden. Fast fünf Minuten später war er zufrieden und nickte mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Können wir jetzt los?“, fragte Rod und schaute Jan vom Beifahrersitz an.

„Du musst Dich anschnallen“, forderte Jan ihn auf.

„Du weißt, dass ich mich nicht anschnalle. Fahr' schon los.“

„Dann eben nicht. Holen wir unseren Weihnachtsbaum.“
 

Jan stieg aus dem Wagen. Er sog die frische, kühle Luft durch die Nase. Sofort drang der starke Geruch frisch geschlagener Weihnachtsbäume zu ihm durch.

„Riecht das nicht gut?“

„Mag sein“, erwiderte Rod und schritt neben Jan her.

Sein Blick glitt über die vielen Bäume. Jan hörte eine Mutter, die schier verzweifelt nach ihrer Tochter rief. Er entdeckte ein blondes Mädchen, das kichernd von Baum zu Baum rannte und sich hinter den breiten Tannen versteckte. Eine Familie lief lachend an ihm vorbei und ein älterer Mann betrachtete sich interessiert eine große Blaufichte.

„Möchtest Du einen speziellen Baum, Rod?“

„Nein, hauptsache er ist nicht allzu groß. Wir müssen ihn ins Auto kriegen.“

„Natürlich. Nur was Kleines damit es weihnachtlicher wird“, lächelte Jan.

Die Frau neben ihm schaute ihn fragend an, bevor sie mit kleinen, aber schnellen Schritten ihre Begleitung suchen ging. Jan schaute sich um. In jeder Ecke, so schien es ihm, herrschte reges Treiben. Verkäufer, leicht zu erkennen an ihren roten Jacken und den Nikolausmützen, wuselten zwischen den Bäumen umher. Die einen trugen schnaufend einen Baum, die anderen berieten Kunden. Eine blonde, junge Frau trat lächelnd auf ihn zu. Der weiße Bommel an ihrer Mütze schwang bei jedem Schritt mit.

„Kann ich Ihnen helfen?“

„Gerne. Mein Freund und ich suchen einen kleinen, aber nicht zu kleinen, Weihnachtsbaum. Sollte nicht allzu breit sein und vielleicht leicht bläulich? Ein angenehmer Duft wäre noch schön. Oder denkst Du an was Anderes?“, sein Blick wanderte zu Rod.

Er nickte ihm wortlos zu. Die Frau machte eine fragendes Gesicht und schaute sich um. Ihr Lächeln war kurzzeitig verschwunden, so als hätte sie die Fassung verloren, bevor sie das eingeübte Verkäuferlächeln wieder aufsetzte. Sie dachte nach.

„Ich denke, da finden wir schon was passendes für Sie und... ihren Freund?“

Jan lächelte, zupfte an seinem Jackenkragen und nickte.
 

„Soll ich Dich nach Hause fahren bevor ich zu Dr. Reinhardt fahre?“

„Nein. Ich werde einfach laufen“, Rod schenkte ihm eines der selten Lächeln.

„Das ist aber weit.“

„Ich weiß wie weit es ist und ich werde trotzdem laufen.“

„Wie Du willst, aber beschwer' Dich nachher nicht, dass es weit war“, Jan lachte leise auf.

„Nein, mache ich schon nicht.“

„Hilfst Du mir dann beim Schmücken des Baumes?“

„Schauen wir mal, wenn Du nach Hause kommst.“

„Ich liebe Dich“, sagte Jan und ließ die Fensterscheibe nach oben fahren.

Rod legte seine Finger auf die Scheibe. Er schien sie kaum zu berühren. Ihre Blicke trafen sich kurz bevor Jan einen prüfenden Blick auf die Spiegel warf, lächelnd eine Haarsträhne nach hinten strich und sich im Rückspiegel zu nickte. Er wusste, dass er pünktlich zu seinem Termin kommen würde und er war dem Doktor dankbar, dass er heute Zeit für ihn hatte. Er wusste, dass Dr. Reinhardt sich nicht für jeden Patienten Zeit nahm am Weihnachtstag.
 

„Guten Tag, Herr Reinhardt.“

„Hallo, kommen Sie rein. Ist ja fürchterlich kalt hier draußen.“

„Danke“, Jan schrubbte sich gründlich die Schuhe an der Matte ab, bevor er auf das leuchtende Parkett trat.

Seine Jacke hängte er auf einen der Kleiderbügel und schlang den Schal um den Hals des Bügels. Er spürte wie die Wärme des Raumes durch seine Kleider kam und langsam seine Gliedmaßen wieder aufwärmte. Bevor er das kleine Behandlungszimmer des Therapeuten betrat sorgte er dafür, dass seine Jacke gerade auf dem Kleiderbügel hing.

„Setzen Sie sich“, Dr. Reinhardt zeigte auf den Stuhl ihm gegenüber.

„Gerne. Lieben Dank.“

„Wie geht es Ihnen, Jan?“

„Bestens, danke.“

„Ich hoffe, Sie sind nicht sauer, wenn wir heute direkt anfangen?“

„Natürlich nicht. Schließlich ist doch Weihnachten“, Jan lächelte.

„Gibt es denn bei Ihnen etwas Neues?“, Dr. Reinhardt griff nach einem Stift, der auf seinen Schreibtisch lag und schlug die Beine übereinander. Auf dem oberen Bein lag ein schwarzes Schreibrett.

„Nein, eigentlich nicht. Wir haben heute einen Weihnachtsbaum gekauft. Schöne Tanne, obwohl ich lieber eine Blaufichte gehabt hätte. Man kann eben nicht alles haben. Dafür hat das gute Stück genau die richtige Größe. Nicht zu hoch und nicht zu breit. Fast perfekt.“

„Das klingt schön. Wird der Baum dann heute noch geschmückt?“

„Natürlich. Ist doch eine schöne Weihnachtsbeschäftigung oder finden Sie nicht?“

„Doch.“

„Eben, das denke ich auch und daher schmücken wir das Bäumchen heute. Ich hoffe, Rod hat nachher schon den Baumschmuck bereit gestellt.“

Der Doktor schaute auf: „Sie sind also noch zusammen?“

„Ja, das sind wir und es läuft bestens seit er wieder da ist.“

„Seit wann ist er denn wieder da?“

Jan überlgte kurz: „Er ist heute Vormittag gekommen. Wie wir es ausgemacht hatten.“

„Hat er es also wieder geschafft?“

„Was ist das denn für eine Frage, Doktor?“, Jan lachte, „Natürlich hat er es geschafft. Wir feiern seit sechs Jahren Weihnachten zusammen.“

„Jan, sind Sie sicher, dass Sie Weihnachten so ausgiebig feiern wollen?“

„Ja, es ist Rods liebster Feiertag. Ich habe auch ein schönes Geschenk für ihn. Er hat sich schon so lange ein Buch gewünscht.“

„Was für ein Buch denn?“

„Eine Bandbiografie. Ein gewaltiges Buch, aber er wollte es so gerne haben.“

„Und das bekommt er heute?“

„Ja, es ist doch Weihnachten.“

„Dann gehe ich davon aus, dass sie sich nachher noch sehen werden?“

„Ja, er ist nach Hause gelaufen. Er wird sicher bald da sein.“

„War er mit den Baum holen?“

„Ja, er hat ihn eigentlich ausgesucht. Ich habe einfach nachgegeben.“

„Wollen wir über die vergangenen Tage sprechen?“

„Gerne, wenn Sie mir sagen, was Sie wissen möchten“, Jan lächelte und nickte.
 

Jan hatte den Baum aufgestellt. Eine Stunde war vergangen bis er der Meinung war, dass der Baum gerade stand. Er hatte lange gebraucht. Rod war noch nicht zurück gekommen. Langsam begann er sich Sorgen zu machen. Doch er wollte auch nicht warten bis er zu Hause war. Dann schmückte er den Baum eben alleine. Rod würde sich sicher über die Überraschung freuen und er würde sich auch sicher über eine Tasse heißen Kaffee freuen. Der Duft des Kaffees lag schon seit einer Weile in der Luft. Jan hatte ihn direkt aufgestellt als er den Baum in die Wohnung gebracht und seine Schuhe ausgezogen hatte. Noch bevor er den Baum in den Ständer gestellt hatte, da er nicht wusste, wann Rod kommen würde.

Er griff in die Kiste mit dem Weihnachtsschmuck. Nach jedem Strohstern, den er aufhängt, betrachtete er sich eine Weile das Bild, das sich ihm bot. Mit jedem Stück Deko mehr das am Baum hing freute sich Jan auf die Ankunft seines Freundes. Er würde ihm sicher sagen, wie gut der Baum doch aus sah. Immerhin gab er sich große Mühe damit. Goldenes Lametta landete auf den Ästen. Zielsicher legte Jan es Stück für Stück um den Baum. Die Lichterkette leuchtete schon. Auf der Spitze des Baumes saß ein hölzerner Engel, der perfekt zu den Strohsternen passte und genau die richtige Größe hatte. Jan bewunderte sein Werk als es fertig war. Er war stolz und es gefiel ihm was er sah. Lächelnd setzte er sich auf das Sofa und ließ seinen Blick kaum eine Sekunde vom Weihnachtsbaum.
 

Jan nahm den Telefonhörer ab, nach dem er es wie gewöhnlich fünf Mal hatte klingeln lassen: „Ja, bitte?“

„Na, mein großer Blonder?“, Dirks Stimme dröhnte fröhlich aus dem Telefon.

„Oh, Du bist es. Schön Dich zu hören.“

„Wie immer. Frohe Weihnachten!“

„Danke, Dir auch. Wie geht es Dir?“

„Super, ich kann mich nicht beschweren.“

„Das ist schön zu hören. Feierst Du nicht?“

„Doch, doch. Der Kleine spielt schon ganz tapfer mit seinen Geschenken. Gut, eigentlich mehr mit dem Papier, aber immerhin spielt er mit etwas.“

„Das kruschelt ja auch so toll. Kann man ihn fast verstehen“, lachte Jan.

„Stimmt schon. Was machst Du?“

„Ich warte auf Rod.“

„Oh.“

„Ja, wir waren heute Mittag einen Weihnachtsbaum kaufen und er wollte heim laufen. Ich musste zu Doktor Reinhardt. Bisher kam er noch nicht heim.“

„Geht's Dir denn gut?“

„Na, sicher. Ich freue mich auf sein Gesicht, wenn er sein Geschenk bekommt.“

„Denkst Du denn wirklich, dass er heute noch kommt?“, Dirk Stimme war sanfter geworden, nicht mehr so überfröhlich.

„Wieso sollte er nicht? Wir feiern jedes Jahr Weihnachten zusammen. Dieses Jahr natürlich auch.“

„Ich weiß, aber vielleicht gibt es auch mal ein Jahr an dem ihr nicht zusammen feiert?“

„Nein, sicher nicht. Mach' Dir da mal keine Sorgen.“

Jan hörte die Kinderstimme aus dem Hintergrund: „Froh Weihnacht, Onkel!“

„Drück' den Zwerg doch mal von mir.“

„Wird gemacht. Sag' mal, warum ich eigentlich anrufe, hast Du morgen schon was vor?“

„Nein, es ist nichts geplant.“

„Ich würde gerne vorbei kommen, wenn es in Ordnung ist?“

„Gerne, Rod ist dann sicher auch da.“

„Ja, natürlich, natürlich. Passt Dir zwölf Uhr?“

„Bei Dir immer, Dirk. Komm' vorbei wann Du willst. Ich stehe...“

„...um acht Uhr auf. Ich weiß. Gut, dann lass' uns morgen ein wenig was machen. Ich würde Dir gerne etwas zeigen, ok? Ich muss Konny helfen. Sie hat gekocht wie eine Meisterin, aber beim Abwasch...“, Dirk lachte leise.

„Ist in Ordnung. Dann bis morgen.“

„Bis dann und hey, wenn Rod heute nicht mehr kommt, dann sei nicht allzu niedergeschlagen.“

„Er wird schon kommen.“
 

Rod kam nicht mehr.

Jan hatte den Abend mit Warten verbracht. Reglos saß er auf dem Sofa und schaute sich immer wieder den Weihnachtsbaum an. Manchmal zog er an seinem T-Shirtkragen, wenn er dachte, dass er verrutscht sei. Hin und wieder räusperte er sich und blickte erwartungsvoll zu der Haustür. Er hoffte so sehr, dass er das Klicken im Schloss vernahm, wenn Rod den Schlüssel drehte und sich die Tür öffnete. Stille lag im Raumund niemand drehte einen Schlüssel im Türschloss.

Am späten Abend stand er in der Küche. Trotzallem hatte er ein Lächeln im Gesicht. Beinahe zärtlich ließ er den Kochlöffel durch die dampfende Suppe gleiten bevor er den Topf von der Kochplatte nahm und ihn auf einen Holzuntersetzer auf den Tisch stellte. Zwei weinrote Platzdeckchen, die mit silbernen Fäden durchzogen waren, lagen auf der Tischplatte. Er benutzte die Unterleger für die Teller nur zu Weihnachten. Die silbernen Löffel lagen neben den tiefen Suppentellern. Neben Rods Teller stand ein Weinglas, gefüllt mit Weißwein. Der aufdringliche Geruch des Weines lag in der Luft. Er füllte sich sein eigenes Weinglas mit stillem Wasser und setzte sich an den Tisch. Er fühlte sich alleine und er machte sich Sorgen. Und doch verschwand sein Lächeln nicht.

Vielleicht wollte er noch etwas trinken gehen. Wäre nicht das erste Mal. Er wird schon wieder kommen, dachte er bei sich und hob den Löffel an seine Lippen.

Die Spülmaschine lief und die zwei Minuten waren rum. Es rann kein Wasser an den Seiten der Maschinentür heraus und so drehte er sich beruhigt um. In seiner Hand der Deckel für den Kochtopf, in dem noch immer die lauwarme Suppe war. Er schloss den Topf. Auf Rods Teller hatte er einen kleinen Zettel gelegt.

'Eine Kleinigkeit zu essen, wenn Du wieder heim gekommen bist. Schade, dass wir dieses Weihnachten nicht zusammen waren. Morgen kommt Dirk, vielleicht bist Du wenigstens dann für einen Moment bei uns. Mal wieder zu dritt sein, so wie wir es immer waren.' Immer wieder überflog er den Zettel, setzte in seiner klaren Schrift ein 'Ich liebe Dich' darunter und nickte. Jetzt war er zufrieden. Neben dem gedeckten Platz stand das Geschenk. Das Licht ließ das goldene Geschenkpapier leicht leuchten, während die rote Schleife glitzterte. Beim Verlassen der Küche ließ der das Licht an. Rod sollte sofort sehen, dass er an ihn gedacht hatte. Er betrat das Badezimmer und machte sich bettfertig.
 

„Frohe Weihnachten!“, schallte es Jan entgegen als er die Tür öffnete.

„Schön das Du da bist“, lachte er.

Dirk nahm Jan in die Arme, lächelte ihn an und drückte ihm einen Umschlag in die Hand: „Für den Onkel.“

„Danke. Ein Bild?“

„Selbstgemalt mit seinen neuen Buntstiften.“

„Niedlich“, meinte Jan und betrachtete sich das Bild.

Ein paar bunte Striche, klebrige Streifen von einem Klebestift und eine Menge Glitzer von dem ein wenig auf den Boden rieselte als er das Papier auseinander faltete. Jan freute sich.

„Willst Du rein kommen?“

„Nur kurz. Ich sagte doch, dass ich Dir was zeigen will.“

„Stimmt. Warte kurz. Ich ziehe mich nur an.“

„Sicher, lass' Dir Zeit“, Dirk zog die Haustür zu und betrat die Küche.

Aus den Augenwinkeln sah er wie Jan das Bild in den Weihnachtsbaum legte. Ihm fiel auf, dass Jan ständig einen Schritt nach hinten machte, sich das Bild im Baum anschaute um kurz darauf das Bild ein Stück zu verschieben. Jan suchte den perfkten Platz für das Bild. Genau in der Mitte, so dass es sich für ihn nahtlos in die Äste einfügen konnte. Sein Blick glitt zum gedckten Esstisch.

„Hast Du für mich gedeckt?“, rief Dirk aus der Küche, obwohl er wusste, was die Antwort war.

„Nein, tut mir leid. Das war für Rod.“

Dirk seufzte. Er strich sich durch die Haare. Er sah, dass der Suppenlöffel kerzengerade mit wenigen Zentimetern Abstand zum Teller lag. Er fragte sich, wie oft Jan das Platzdeckchen glatt gestrichen hatte damit keine Falte mehr zu sehen war. Es wunderte ihn nicht, dass das Zettelchen im Teller so gefaltet wurde, dass es nicht umfiel. Er hob den Topfdeckel an. Es brach ihm beinahe das Herz als er sah, dass Jan Rods Lieblingssuppe gemacht hatte und er schob den Gedanken an den alljährlichen Ausflug, den er gleich mit seinem besten Freund machen würde, beiseite. Dirk wurde klar, dass sich nichts geändert hatte. Seine Befürchtungen, die er nach dem Telefonat mit Jan gehabt hatte, hatten sich bestätigt.

„Ist das Geschenk für Rod?“, wollte Dirk wissen als er am Türrahmen des Wohnzimmers lehnte und Jan bei seiner Tätigkeit beobachtete.

„Ja. Das hat er sich schon so lange gewünscht.“

„Ein Buch?“, meinte Dirk.

„Ja.“

„Von Kiss?“

„Ja, woher weißt Du das?“, wollte Jan wissen und schob das Bild ein Stück nach links.

Dirk schloss die Augen: „Geraten. Können wir?“

„Sofort. Findest Du, dass das Bild gerade ist?“

„Mehr als nur gerade. Lass' uns gehen und nimm' das Geschenk mit.“
 

Dirk schob sich durch den dichten Stadtverkehr. Ihr Ziel war fast zum Greifen nah, doch es schien noch eine Weile zu dauern bis sie auf den Parkplatz fahren konnten. Dank Schnee und roter Ampel standen sie schon knapp zehn Minuten auf der Hauptstraße und krochen Meter für Meter vorwärts. Ständig fiel sein Blick auf Jan, der kerzengerade neben ihm saß. Er schien nicht zu wissen wo sie hinfuhren, obwohl sie seit Jahren den selben Weg hinter sich brachten. Es machte den Eindruck als wäre er nervös. Immer wieder schaute Jan in den Spiegel und zupfte an seine Hemdkragen herum, fuhr sich durch die Haare oder versuchte seine Augenbrauen zu glätten. Aber Dirk war klar, dass Jan nicht nervös war. Er konnte nicht anders. Und das ewige, nicht verschwindende Lächeln, dass er auf den Lippen hatte. Egal an welchem Tag und egal was passierte. Es war fast immer da und es brachte ihn um den Verstand, dass er daran Schuld haben würde, das heute der einzige Tag im Jahr war an dem es für einen kurzen Moment verschwand. Noch mehr zerriss ihn jedoch das Wissen, dass Jan schon morgen wieder in seinen Trott zurück fallen würde. Dirk tat es leid, dass sich sein bester Freund so verändert hatte. Es waren nicht die kleinen Macken, die er seither hatte. Es war die Tatsache, dass er sie selbst nicht sah und alles für selbstverständlich hielt. Dirk blinkte und brachte das Auto auf dem Parkplatz zum Stehen.

~

„Was machen wir hier?“, wollte Jan wissen.

Er hielt das Geschenk mit beiden Händen vor seinem Bauch. Sein Lächeln schien festgefroren. Fragend blickte er zu Dirk, dann schaute er sich um und lächelte kurz darauf wieder zu Dirk. Der stand schwer atmend in der Kälte und blickte zu seinen Füßen. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben.

„Ließ' das hier“, sagte er emotionslos und zeigte auf den grauen Grabstein vor ihnen.

„Rodrigo Gonzales. Verstorben am 24.12.2006. In Erinnerung an einen guten Freund, Musiker und Sohn. Ruhe in Frieden.“

Dirks Blick ruhte auf Jan. Es dauerte eine Weile. Es war wie jedes Jahr. Er war mittlerweile an die Situation gewöhnt und doch war er angespannt. Er hatte Angst, dass sich irgendwann ein Schalter bei Jan umlegte und er wirklich registrierte was hier passierte. Er sah, wie endlich das Lächeln auf Jans Lippen verschwand. Dirk atmete tief ein und legte Jan die Hand auf die Schulter.

„Aber wie?“, fragte Jan.

„Autounfall. Er wollte zu euch nach Hause fahren, um Dich abzuholen. Es wäre euer erstes, gemeinsames Weihnachten gewesen. Du hast auf ihn gewartet. Ihr wolltet gemeinsam den Weihnachtsbaum holen. Kur vor der Stadt kam der Fahrer des Autos auf der Gegenfahrbahn auf der glatten Straße ins Rutschen. Sie sind frontal zusammen gestoßen. Totalschaden. Die Ärzte haben gesagt, er hat nicht lange leiden müssen. Er muss schnell das Bewusstsein verloren haben.“

„Wieso weiß ich es nicht?“, ungläubig und verängstigt blickte Jan zu Dirk.

„Wir kommen jedes Jahr her. Jedes Jahr schenkst Du ihm das Buch und jedes Jahr legst Du es ihm auf das Grab. Es ist immer das Selbe.“

„Aber er war doch gestern da.“

„Ich weiß. Das sagst Du seit es passiert ist jedes Jahr an Weihnachten.“

Jan sah auf den grauen Stein. Sein Blick glitt immer wieder über den Namen. Langsam ging er in die Knie und stellte das Geschenk auf die nasse Erde. Er schob den Schnee leicht beiseite. Dann stand er auf und wollte zurück schrecken. Hinter dem Grabstein stand die schlanke Person, die auch gestern schon bei ihm im Auto gesessen hatte. Erst jetzt bemerkte er den leeren Blick und die viel zu helle Haut Rods.

„Ich liebe Dich“, sagte er und blickte Jan an als wolle er ihn um Verzeihung bitten.

Jan begann wieder zu lächeln.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  yamina-chan
2012-07-30T01:54:30+00:00 30.07.2012 03:54
Interessant.
Es ist sehr schnell zu durchschauen was wiklich vor sich geht, aber der Schreibstiel und die Art wie es erzählt ist machen die Geschichte dennoch sehr lesenswert.
Farin tut mir Leid, gefangen in diesem Wunschtraum...
Alles in allem hat es mir gefallen =) Etwas was in diesem Fandom bei FanFictions ja leider nicht immer der Fall ist XD'
Von:  traumherz
2010-01-02T21:44:42+00:00 02.01.2010 22:44
Erst einmal will ich mich bei dir entschuldigen, dass ich erst jetzt einen Kommentar schreibe. Erst war meine eigene zu spät, die wollte ich dann erst fertig schreiben, dann war ich viel unterwegs und hatte Einiges an Stress und dann kam noch mein Internet dazwischen ~.~ aber jetzt hab ich die Story endlich gelesen und kann sie kommentieren *-*

Ich habs auch geahnt. Bei Farins Gespräch mit dem Doktor kam mir dann den Gedanke, dass Rod wohl nicht mehr unter den Lebenden weilt und dass Farin sich das nur einbildet. Am Anfang hatte ich allerdings gedacht, dass Rod lebt und dass mit ihm nur irgendwas nicht stimmt oder so... aber wie gesagt, danach hab ich irgendwann geahnt, was los ist. Das hat aber keine Spannung rausgenommen, eher im Gegenteil, man wollte dann ja Bestätigung haben und ich hab mich auch gefragt, ob Farin eben noch verstehen wird, dass Rod tot ist.

Die Geschichte ist wirklich sehr traurig - also genau so, wie ich es mag. Du hast meinen Geschmack wirklich haargenau getroffen und ich will dir für die traurige, aber schöne Geschichte danken. Tut mir wirklich Leid, dass mein Kommentar erst jetzt kam.

Die Story kommt natürlich auf meine Favoritenliste :) Einen Platz dort hat sie sich definitiv verdient ^-^ Vielen, vielen Dank.

Liebe Grüße,
traumherz
Von:  MissStrange
2009-12-25T14:09:11+00:00 25.12.2009 15:09
Oh Gott...
Ich hab es geahnt...
Spätestens ab dem Teil mit der Suppe und dem Telefonat mit Bela...
Armer Farin...
...
Das ist sooo trauriiig...! T^T
Und so schön... aber so traurig...
Und ich hab auch tatsächlich geheult. T^T
Oh man... und das an Weihnachten... T____T
...
Ne super Idee und super geschrieben!
Aber... so traurig...
...
Ok... jetzt brauch ich erstmal den ganzen Tag, um das zu verkraften. xD"
Mah. xD"
Trotzdem weiter so!

LG~
Und frohe Weihnachten!
Missi
Von: abgemeldet
2009-12-24T22:02:47+00:00 24.12.2009 23:02
Oh Gott
Ist das Traurig!
Jettzt hab ich wirklich geheult!
ZU weihnachten!
Der ganze tag war schön! Und dann das!
Okay, das war auch wunderschln! Aber sooooo traurig!
GLG
Frohe Weihnachten


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