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Tiefrote Küsse

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Kapitel 11

Leila sah zu Liam, als Marissandra auf ihn wies und wusste nicht so Recht was sie denken sollte oder was sie zu ihm sagen sollte. Sie hatte seine Stimme schon von der Treppe aus wieder erkannt und hatte sich gefragt, ob sie vielleicht in seinem Haus war. Aber sie konnte sich einfach an nichts erinnern. Es kam ihr so vor als hätte sie ein Black Out gehabt. Ab dem Schuss bis sie eben aufgewacht war. Da war ein großes schwarzes Loch in ihrem Kopf.
 

Sollte sie ihm vielleicht dankbar sein?

Sollte sie ihn fragen, warum sie hier war? Wie sie hier her gekommen war?
 

Doch als sie den Blick sah, mit dem er sie ansah, fühlte sie sich irgendwie schlecht. Es war so, als wolle er sie nicht hier haben. Als war sie ein unerwünschter Gast und sie hatte den Drang, wieder aufzustehen und einfach wieder nach oben in das Zimmer zu gehen, in dem sie aufgewacht war. Aber damit wären ihre Fragen immer noch nicht beantwortet gewesen. Und sie brauchte endlich Antworten. Leider konnte sie sich diese Antworten nicht selber beantworten, sonst hätte sie das getan.
 

„Wo bin ich hier?“, fragte Leila schließlich. Das war die Frage, die wohl als aller erstes am Wichtigsten war.

„Du bist bei Liam zu Hause, mein Liebes.“

Leila sah Marissandra verwirrt an und fragte sich warum diese Frau so sanft und beruhigend mit ihr sprach. Sie hatte auch Leilas Hand ergriffen und hielt sie fest auf ihrem Oberschenkel. Nicht das Leila ihre Hand wegziehen wollte, aber es war doch etwas komisch. Sie kannte diese Personen doch gar nicht. Gut, Liam war sie nun zwei Mal, okay vielleicht drei Mal, begegnet. Aber warum tat Marissandra so, als würde sie Leila schon ewig kennen? Hatte sie irgendetwas nicht mitbekommen?

„Das hier muss sehr verwirrend für dich sein“, meinte Marissandra neben ihr.

Leila blinzelte kurz und nickte dann. „Ja, ich… ich erinnere mich an nichts mehr. Ich weiß nicht…“

„Ist das normal?“, fragte Liam sofort und sah seine Marissandra unruhig an.

Leila sah Liam überrascht an, der sie unterbrochen hatte. Er schien bei dieser Frage richtig besorgt zu sein. Aber Leila verstand nicht warum?

Sie war eh der Überzeugung, dass ihr Gehirn noch nicht ganz wieder auf Hochtouren arbeitete und irgendwie war eine Art Nebel um sie herum lag, aus den sie nur Schritt für Schritt raus gehen konnte.

„Liam hat sich gut um dich gekümmert, Liebes.“

„Wie?“, fragten Liam und Leila gleichzeitig, beide waren vollkommen überrascht über diese Worte. Liam war allerdings darüber überrascht, dass seine Mutter so etwas einfach sagte und Leila deswegen, weil sie das hier irgendwie gerade alles überraschte. Das war eindeutig zu viel für ihren müden Kopf. Warum kümmerte sich jemand um sie, der sie eigentlich gar nicht kannte? Oder kannte nur sie ihn nicht? Litt sie vielleicht unter Amnesie. Da gab es doch mal diesen Film, wie hieß er noch gleich.

„Lass das bitte“, meinte Liam und sah Marissandra ernst an.

‚50 erste Dates‘, genau so hieß der Film. Ihr Gehirn brauchte wirklich etwas länger um zu arbeiten.

„Ja, Leila“, anscheinend ignorierte Marissandra den Einwurf von Liam. „Während du dich erholt hast, ist er nicht eine Minute von deiner Seite gewichen.“
 

Marissandra lächelte bei den Worten und sah Leila liebevoll an. „Wir mussten ihn von dir zerren, damit er sich selber mal ein paar Minuten ausruhte.“

Dieser Blick erinnerte Leila an den Blick einer Mutter, an ihre eigene Mutter. Mütter sahen ihre Kinder immer so sanft an. Da fiel ihr ein, dass sie gar nicht wusste, wie diese drei Personen zu einander standen. Sie sah sich sehr ähnlich, deswegen schloss sie eine Verwandtschaft nicht aus. Aber sie sahen noch alle sehr jung aus. Vielleicht waren sie Geschwister oder sie waren Cousinen.

„Lass das“, meinte Liam, denn es war ihm sichtlich peinlich, dass die Frau, die sich Leila als Marissandra vorstellte, das sagte. Marissandra… dieser Name klang irgendwie seltsam. Irgendwie sehr alt, dabei sah sie nicht wirklich älter aus, als 25 Jahre. Vielleicht war sie auch schon Anfang 30. Aber Leila fand schon immer, dass sie schlecht im Schätzen des Alters war. Der Name Menas klang auch merkwürdig. Solche Namen hatte Leila noch nie gehört. Liam klang auch nicht alltäglich, aber sie hatte den Namen irgendwo schon mal gelesen gehabt. In irgendeinem Buch, ihr fiel allerdings gerade nicht ein, in welchem. Die Namen Marissandra und Menas hatte sie allerdings noch nie gehört. Sie sah die Beiden an und irgendwie sahen sie auch Besonders aus. Sie waren so hübsch und schön, hatten eine reine Haut und schienen keine äußerlichen Makel zu haben.

Liam hatte breitere Schultern als Menas, vermutlich trainierte Liam sehr viel mehr. Sie sahen alle drei toll aus, vielleicht waren sie Models. Bestimmt. Leila fühlte sich etwas unscheinbar neben ihnen, doch das schien keinen zu interessieren.
 

Sie sollte sich aber auf das wesentliche konzentrieren. „Ich habe mich erholt?“, fragte Leila und sah fragend zu Marissandra und versuchte wieder auf das Gespräch zurück zu kommen.

„Ja, du hast lange geschlafen.“

„Lange…“ Sie verstand bald gar nichts mehr. Was war denn das bitte für eine Zeitangabe?

„Wie lange?“ War sie vielleicht doch im Koma gewesen? Hatte sie Jahre geschlafen?

Wie ging es ihrer Familie?

Was war mit ihrer Arbeit? Mit ihrer Wohnung?

Mit Tuxedo?

Oh, ihr wurde plötzlich etwas schwindelig.

Sie rieb sich die Schläfe, denn der Nebel schien wieder etwas dichter in ihrem Kopf zu sein. Sie sollte nicht zu viel nachdenken und sich langsam an einzelne Gedanken herantasten. Immer eins nach den anderen.
 

„Leila, ist alles in Ordnung?“, fragte Liam und Leila sah ihn überrascht an. Es war nun das erste Mal, dass er sie direkt ansprach, seit sie ins Wohnzimmer gekommen war. Sie hatte sogar das Gefühl gehabt, dass er ihren Blicken ausgewichen war.
 

Dann verstand sie allerdings nicht, warum er nicht von ihrer Seite gewichen sein sollte. Das passte irgendwie gar nicht zusammen. Es passte vieles nicht zusammen und wenn ihr Kopf nicht so schnell meckern würde, wenn sie zu viel nach dachte, würde sie das auch tun. Nachdenken. Überlegen was logisch war. Grübeln bis sie endlich zu einer Antwort kommen würde.
 

Jetzt wich er ihrem Blick nicht aus, sondern sah sie sehr ruhig an. In seinen Augen konnte sie Sorge sehen und sie fragte sich, warum er sie so ansah. Sie hatte seine blauen Augen nie so sanft wahrgenommen. Auf dem Foto waren sie wild und silbern gewesen. Sie hatten das Mondlicht gespiegelt, als wäre er eine Kreatur der Nacht, wie eine Katze. Als sie ihn in ihrer Wohnung angetroffen hatte, hatte sie nicht wirklich auf seine Augen geachtet, wusste aber, dass sie blau waren. Und als er sie diese eine Nacht mit dem Auto abgeholt hatte, war es zu dunkel gewesen, als dass sie seine Augenfarbe noch mal hätte sehen können.

Doch jetzt sah sie darin Wärme und fühlte sich zu ihnen hingezogen. Das war aber auch etwas, was ihr Angst einjagte. Also nickte sie schnell und sah weg.
 

„Wie lange habe ich geschlafen?“

„Ein paar Tage, Liebes.“ Marissandra erklärte das wie in einem beiläufigen Satz. Als wäre es nicht so wichtig oder etwas alltägliches. So langsam machte sie diese Ruhe in Marissandras Stimme etwas sauer.

„Tage?“, fragte Leila entsetzt und versuchte sich daran zu erinnern, welcher Tag es an ihren letzten Erinnerungen war. Es war Samstag gewesen. Am Vormittag war sie zu Anne gegangen und war dort bis zum Nachmittag gewesen. Abends hatte sie sich dann auf den Weg gemacht, weil sie zu dem Treffen wollte. Diese Karte.

Sie sah Liam fragend an. Er hatte ihr diese Karte geschrieben. Nein, es war mit seinem Namen unterschrieben gewesen.
 

Doch als Liam ihren Blick spürte und sie ebenfalls ansah, sah sie wieder weg. Sie wollte ihn fragen, was es damit auf sich hatte, aber sie traute sich irgendwie nicht.

„Liam hat dich Samstagnacht gefunden“, erzählte Marissandra und das stimmte soweit mit Leilas letzter Erinnerungen über ein. Wenigstens etwas. Das konnte man ja dann wohl als kleinen Erfolg gelten lassen.

„Und nun haben wir Mittwoch“, sagte Menas, der Mann der bisher noch gar nichts gesagt hatte.

„Mittwoch?“, fragte Leila entsetzt. Sie hatte drei Tage auf der Arbeit gefehlt? Sie musste auf die Arbeit gehen, vermutlich hatte man ihr schon gekündigt und sie konnte nur noch ihre Sachen abholen kommen, weil sie sich nicht krankgemeldet hatte. Vielleicht hatte man eine Suchaktion gestartet?

„Nein, meine Liebe, wir haben uns um alles gekümmert.“ Sie tätschelte ihre Hand. „Und es gibt keine Suchaktion. Ihrem Chef wurde mitgeteilt, dass Sie die Woche krank sind.“

Sie sah Marissandra überrascht an, hatte sie diese Worte eben etwas laut ausgesprochen. Eigentlich hatte sie geglaubt, es nur in Gedanken gedacht zu haben. „Aber…“

„Sie müssen sich wirklich um nichts kümmern, Leila. Ruhen Sie sich noch etwas aus“, damit ließ sie Leilas Hand los und stand auf. „Menas, wir sollten etwas Einkaufen gehen. Leila wird bestimmt Hunger haben. Also sollten wir Ihr etwas Kochen.“

„Nein, dass müssen Sie nicht.“ Leila sah Marissandra fragend an, doch diese war schon zur Wohnzimmertür gegangen.

Und Menas folgte ihr. „Man sollte Ihr diesen Wunsch erfüllen“, meinte Menas nur und nickte Leila zu. Er zog die Flügeltür hinter sich wieder zu und ließ Leila somit mit Liam zurück im Wohnzimmer.
 

Sie sah noch eine Weile zur Tür, doch sie wusste, dass sie nicht ewig dahin starren konnte. Allerdings wusste sie auch nicht was sie sagen oder tun sollte. Die Situation war einfach merkwürdig. Also sah sie zum Kamin, der die Wärme in den Raum brachte. Das Licht flackerte und sie hörte es knistern. Das Feuer hatte etwas Beruhigendes an sich.
 

Sie erinnerte sich an diesen einen Sommer, den sie im Zeltlager verbracht hatte. Es war ihr erstes Zeltlager gewesen und dabei war sie schon zwölf Jahre alt gewesen. Alle anderen waren mit ihren Eltern nach Spanien oder Italien gereist, doch das konnte ihre Mutter nicht bezahlen. Aber für Leila war dieses Zeltlager wunderbar gewesen. Sie hatte Freunde kennen gelernt und sehr viel über die Natur gelernt. Man hatte ihr gezeigt, welche Fähigkeiten in ihr steckten und das sie alles erreichen konnte, wenn sie es nur wollte. Abends hatte es immer ein Lagerfeuer gegeben und man hatte über den Tag gesprochen und sich lustige Geschichten erzähl.
 

Das Feuer entspannte sie und sie vergaß vollkommen, dass sie nicht alleine im Raum war, bis sie Liam räuspern hörte. Es überraschte sie irgendwie, dass er doch noch im Raum war. Sie hatte ihn gar nicht mehr registriert, doch er schien sie die ganze Zeit angesehen zu haben.
 

„Ist Ihnen kalt?“

„Nein“, antwortete sie ihm und sah wie er ihren Körper musterte, nachdem er nach ihrer Antwort genickt hatte. Sie sah an sich herunter und bemerkte erst jetzt, dass sie nur dieses Nachthemd trug.

Himmel, sie hatte in diesem Aufzug bei fremden Menschen gesessen. Als sie das Zimmer verlassen hatte, hatte sie Ärzte oder Ähnliches im Haus erwartet. Menschen, vor denen man sich in diesem Aufzug nicht schämen musste. Doch nun lief sie rot an, als sie daran dachte, dass Liam und die zwei anderen sie nur im Nachthemd gesehen hatten. „Aber vielleicht sollte ich…“
 

Sie konnte gar nicht so schnell reagieren, da hatte Liam seinen Platz schon verlassen und reichte ihr eine Decke, die er von irgendwo hergezaubert hatte. Sie faltete sie auf und legte sie sich um die Schultern, so dass sie nun darin eingewickelt war und man eigentlich nur noch ihren Kopf sah. Die Decke war weich und kuschelig an. Sie lächelte leicht und sah Liam dankend an.

„Gut“, meinte er und schien zu überlegen, ob er sich wieder in die Nähe vom Kamin hinstellen oder sich auf die Couch setzen sollte.

Leila beobachtete diesen Vorgang und sah, dass er sich für eine Zwischenlösung entschied, denn er setzte sich auf den Sessel, der zwischen Couch und Kamin stand.
 


 

Beide schwiegen, was ihn an die Situation im Auto erinnerte, als er wegen ihrer Autopanne zu ihr gefahren war, um ihr zu helfen. Im Auto hatten sie einen Moment auch kein Gesprächsthema gehabt, bis Leila angefangen hatte, Fragen zu stellen. Sie hatte ihn gefragt, ob er zu den Guten gehörte. Und nun fragte er sich, ob sie diese Antwort immer noch so akzeptieren würde, wenn er ihr sagte, was passiert war. Er hatte eine Entscheidung getroffen, ohne sie zu fragen. Gut, er hatte sie schließlich gar nicht fragen können und hoffte, dass sie ihn nicht hassen würde. Er verlangte ja gar nicht, dass sie von nun an seine Seelenpartnerin sein sollte. Er hatte nur gewollt, dass es ihr gut ging.
 

„Ich verstehe das alles nicht“, sagte Leila schließlich.
 

Liam überraschte es nicht, dass Leila wirklich die Erste war, die das Gespräch anfing. Er sah sie an und nickte. „Ich weiß.“ Inzwischen konnte er sie auch ansehen, ohne mit nicht jugendfreien Gedanken in seinem Kopf zu kämpfen. Schuld daran war allein dieses Nachthemd gewesen. Doch nun hatte sie diese Decke um ihren Körper und er konnte ihre weiche Haut nicht mehr sehen.

Leila sah zu ihm herüber und er sah in ihre blauen Augen. Sie hatten immer noch so ein tiefes Blau gehabt wie vorher. Er hatte nicht gewusst welche Veränderungen eine Wandlung mit sich bringen würde, doch hatte er gehofft, dass sie ihre Augenfarbe behalten würde, weil er diese so sehr mochte.

„Warum erklären Sie mir nicht, warum ich hier bin.“

Liam nickte. „Ja, das sollte ich wohl.“ Er sah sie ruhig an, sprach aber nicht weiter. Es war so schwer die richtigen Worte zu finden, zu erklärten dass sie jetzt ihr Leben nach einer anderen Uhr führen musste. Das er sie zu einem Wesen von sich gemacht hatte, ohne sie gefragt zu haben. Er glaubte nicht, dass Leila zu den Menschen gehörten, die schwach waren und ihr Partner für sie immer alles entscheiden musste. Nein, sie schien ein Mensch zu sein, der immer seine eigenen Entscheidungen fällte.

„Vielleicht sollten wir uns dazu erst mal das ‚Sie’ weglassen“, schlug er vor und hoffte, dass sie es auch annahm.

Zuerst war sie über seine Worte etwas überrascht, weil sie eindeutig etwas anderes erwartet hatte. Vielleicht eine Erklärung. Eine Antwort auf ihre viele Fragen, aber schließlich nickte Leila.

„Okay“, sie streckte ihm ihre Hand hin. „Hi, ich bin Leila Sullivan. Nenn mich einfach Leila.“
 

Liam musste schmunzeln. Ganz so hatte er sich das nicht vorgestellt, aber er fand es lustig. Sie war lustig. Nein, sie war etwas Besonderes. Das wusste mit jeder Stunde umso mehr, die er mit ihr verbrachte. Er wusste dass er mehr von ihr wissen wollte, sie in seiner Nähe haben wollte. Doch das war verrückt und er musste diesen Gedanken unterdrücken. Leila hatte Fragen und es war seine Aufgabe, sie ihr zu beantworten.
 

Liam nahm ihre Hand entgegen und lächelte sie an. „Hallo Leila. Ich bin Liam und ich bin derjenige, der deine Fragen beantworten kann.“
 

„Okay…“, sagte sie nur, als sie das hörte und stellte sich darauf ein, dass nun etwas Schreckliches kommen würde. Eben das sie an einer besonderen Form von Amnesie litt, von der sie nichts wusste, eben wegen dieser Amnesie. Vielleicht verdrängte sie gewisse Dinge einfach, weil sie zu schrecklich waren. Das war doch etwas, was Psychologen bei Kindern festgestellt hatten, die unter besonderen Traumatas zu leiden hatten. Aber sie war kein Kind mehr.
 

Liam ließ ihre Hand nur widerwillig los und zog seine Hand wieder zurück. Er legte den Kopf in den Nacken und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Natürlich hatte er sich Gedanken darüber gemacht, was er ihr sagen würde. Wie er es ihr sagen würde. Er hatte bestimmte Worte auswendig gelernt, doch jetzt schienen ihm alle unpassend zu sein.
 

„Das Letzte an das ich mich erinnere“, er hob den Kopf und sah Leila überrascht an, da diese anfing zu reden und nicht er. Sollte er nicht ihre Fragen beantworten? Doch er unterbrach sie nicht, sondern ließ sie weiter sprechen.

Er hatte ihre Stimme die Tage nicht hören können, sich nur immer wieder den Klang in Erinnerung gerufen. Doch das hier war etwas anders. Es war viel besser. Mehr als das. Er musste einfach lächeln. Es ging nicht um das was sie sagte, sondern einfach darum, dass sie etwas sagte. Ja, er hatte die richtige Entscheidung getroffen.

„Da ist dieser Knall in meinem Kopf.“

„Wie?“, Liam sah sie überraschend an. Ein Knall? Was denn für ein Knall?

Leila sah ihn an und zuckte mit den Schultern. „Da war diese Karte in meinem Briefkasten.“

„Eine Karte?“ Irgendwie hatte er den Faden der Geschichte verloren. Doch er versuchte sich einfach auf ihre Worte zu konzentrieren.

„Ja. Am Samstag. Ich war auf den Weg zu Anne und hatte noch mal vorher in den Briefkasten gesehen. Und da war diese Karte. Du wolltest mich sehen.“ Sie sah ihn fragend an. Doch eigentlich wusste sie inzwischen, dass dieses Treffen nicht von Liam aus gegangen sein konnte.

„Ich?“
 

Sie nickte und lächelte kurz auf.

Es war ein gezwungenes Lächeln und wirkte nicht echt. In ihrem Gesicht stand auch Verzweiflung geschrieben, als sie weiter erzählte.

„Ja, da stand dein Name drunter. Ich… ich hatte wirklich geglaubt, dass du mich sehen wolltest.“ Ihre Stimme wurde etwas höher und Liam wusste nicht warum, dann sah er wie stumme Tränen ihr über die Wangen rannen. Sie schien sie gar nicht zu bemerken, denn während sie sprach, sah sie ins Feuer und wirkte so, als wäre sie gar nicht mehr bei ihm. „Ich… ich hatte mich so darauf gefreut. Irgendwie. Ich weiß doch selber, dass es verrückt war. Ich kannte dich doch gar nicht. Und doch hatte ich mich gefreut.“
 

Liam lächelte als er das hörte.
 

Doch diese Tränen verwirrten ihn. Er wusste nicht, ob er sich neben sie setzen und in den Arm nehmen sollte. Ob sie Trost brauchte und ob sie den Trost überhaupt von ihm haben wollte. Er war in zwischenmenschlichen Beziehungen nie wirklich gut gewesen.
 

„Ich bin dann hin und hatte gewartet.“
 

Liam sah, dass sich ihre Pupillen bewegten und sie nicht mehr ins Feuer sah. Doch war sie nicht wirklich bei ihm. Er spürte, dass es nicht gut war, wenn sie sich daran erinnerte. Es waren die Tränen, die ihm das sagten, die immer noch stumm über ihre Wangen liefen. Leila schien sie wirklich nicht zu spüren.
 

„Es war dunkel und ich wollte dich anrufen, aber ich habe es dann sein gelassen, weil ich ein wenig zu früh dran war. Ich habe mich komisch verhalten, habe mich gar nicht wieder erkannt.“ Sie lächelte über sich selber. „Ich hatte eine Stunde vor meinem Kleiderschrank gestanden und etwas zum Anziehen gesucht. Ich wusste ja nicht, was du vor hattest…“
 

„Leila, ich…“, wollte Liam sie nun unterbrechen. Er konnte diesen Tränen nicht mehr länger zu sehen.
 

„Doch du kamst nicht.“ Sie sprach einfach weiter und ihre Stimme überschlug sich etwas, zitterte an jedem Wort. „Und dann zog man mich in diese Gasse. Es war dunkel und es roch schrecklich. Ich hatte Angst. Schreckliche Angst.“
 

Er sah wie ihre Lippe bebte und ihr ganzer Körper zitterte.

Sie schien gerade wieder in dieser Gasse zu sein. Kurz bevor man sie angeschossen hatte. Und er wusste nicht was er tun sollte. Er saß einfach nur da und sah sie an, völlig hilflos. Ihre Worte taten ihm weh, weil er nicht da gewesen war. Er hätte sie beschützen müssen. Doch er war nicht da gewesen. Er konnte so oft sagen, dass er zu den Guten gehörte, wenn er doch nicht mal eine Frau beschützen konnte.

„Er hatte irgendetwas gesagt und ich wusste nicht was er wollte. Er hatte gemeint, ob ich mit den … den Noxus unter einem Hut stecken würde.“
 

Liam sah sie überraschend an.
 

„Ich hatte nicht gewusst, was er meinte. Ich… ich kannte dich doch gar nicht. Aber… aber das wollte er nicht hören. Und dann war da diese Waffe… er hatte sie mir direkt vor Gesicht gehalten.“ Ihre Stimme war inzwischen leiser geworden, sie flüsterte die Worte und schien sich darüber selber zu erschrecken.

„Und dann… dann war da dieser Knall.“
 

Wieder liefen Tränen aus ihren Augen.

Liam stand auf. Er konnte das nicht mehr hören, setzte sich neben sie und drückte sie an sich.

„Leila… Leila… alles wird gut.“ Er drückte ihren Kopf in seine Halsbeuge und hielt sie fest. Er spürte wie ihr ganzer Körper bebte und zitterte. Sie war vollkommen aufgelöst. Sie hätte sich nicht daran erinnern sollen.
 

„Dieser Knall… er war so laut… so schrecklich laut“, murmelte sie. Sie fing nun an zu Schluchzen und er hielt sie fester. Seine Hand vergrub sich in ihrem Haar und er schwor sich, sie nie wieder alleine zu lassen.
 

„Leila, es wird alles wieder gut. Ich bin da.“ Es dauerte ewig bis sie sich beruhigte, ihr Schluchzen nachließ und sie irgendwann nur noch an seinem Körper lehnte.
 

Liam hatte ihr immer wieder bestätigt, dass er da war. Das er für sie da war. Er hatte ihr so viel sagen wollen. Über sich. Über seine Familie. Über das, was er war. Doch das hier war nicht der richtige Moment gewesen. Leila hätte in ihrem Zustand nicht verstanden, was er ihr gesagt hatte. Auch wenn er nicht so Recht wusste, ob sie das überhaupt irgendwann verstehen würde.

Er spürte wie sich ihre Hände immer noch an seinem Hemd festhielten. Sie wollte ihn nicht loslassen und Liam wollte sie ebenso wenig von sich drücken. Sie roch wundervoll, das wusste er inzwischen. Doch war etwas anderes, wenn sie sich an ihn drückte und ihn nicht mehr los lassen wollte.
 

„Aber… wenn ich angeschossen wurde…“, hörte er ihre Stimme nach einer Weile. „Wo ist dann meine Wunde?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Guardian
2009-12-11T19:03:39+00:00 11.12.2009 20:03
sehr schön sehr schön *.*
Von: abgemeldet
2009-12-11T17:22:05+00:00 11.12.2009 18:22
wuh, das kappi war wieder tollig ^-^
bin gespannt wie er ihr das alles erklären will und wie sie drauf reagiert?!
weiter so
lg<3
nami
Von: abgemeldet
2009-12-11T16:00:07+00:00 11.12.2009 17:00
ui mal schaun wie er ihr das alles noch erklären wird
War ein super Kappi!
Die Verwirrtheit Leilas kam richtig gut rüber, wirklich klasse
Freu mich, wenns weitergeht^^
lg fireflys
Von:  bella-swan1
2009-12-11T07:17:56+00:00 11.12.2009 08:17
Super Kapi.

*ja aber wenn sie angeschossen wurde wo ist dann ihre Wunde?*
Bin mal gespannt, wie Liam ihr das erklären will.
Freu mich schon drauf wie es weiter geht.
lg.bella-swan1^^
Danke für die ENS.^^
Von:  TigerNagato
2009-12-10T20:19:14+00:00 10.12.2009 21:19
tolles kapitel^^

*ja aber wenn sie angeschossen wurde wo ist dann ihre wunde???? erkläre ihr das einmal liam^^*

ich bin jedenfalls sehr gespannt auf seine erklärung^^
und du hast dich ein weiteres kapitel um die erklärung 'du wirst ab jetzt nicht mehr älter und lebt so ungefähr für immer' herum

bis zum nächsten kapi
lg shadowgate


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