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Tiefrote Küsse

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Kapitel 4

Diese Entscheidung wurde ihr schließlich abgenommen. Liam konnte sie nun mal nicht einfach hier rum stehen lassen. Es war dunkel und eigentlich auch ziemlich kalt. Egal ob sie ihn für ein Monster hielt, ganz so kalt war er nun doch nicht. Warum auch immer, rief sie keinen von ihrem Handy aus an. Und es sah nicht so aus, als wäre diese Straße sehr befahren. Er würde sie ganz sicherlich nicht einfach hier stehen lassen. Auch wenn er gewollt hätte, dass sie ihn darum bat, war ihm das gar nicht so wichtig.

Als er den Motor angestellt hatte, legte er den Arm über den Beifahrersitz und fuhr nach hinten. Bis er direkt vor Leila stehen blieb. Er lehnte sich über den Beifahrersitz und machte die Tür auf.

„Steigen Sie ein“, sagte er einfach ohne große Umschweife. Und er war ehrlich gesagt, über sich selbst überrascht. Er hatte auch seinen Stolz.

„Nein.“ Anscheinend war ihr Stolz aber deutlich größer als seiner, weswegen sie sein Angebot nicht angenommen hatte. Annehmen konnte. Jedoch würde er sie hier nicht stehen lassen. Auch wenn sie dachte, dass er ihr Feind war, gab es bestimmt noch schlimmere Mitfahrgelegenheiten, die sie hier erwarten konnten.
 

„Ich werde Ihnen nichts tun.“

Als er sah, wie sie mit den Augen rollte, seufzte er nur. War ja klar, dass sie ihm das nicht wirklich abnahm. Das hatte er sich allerdings selber zuzuschreiben. Das Leila nicht gerade das Vertrauen zu ihm hatte, lag vielleicht an der Tatsache, dass sie wusste, dass er gerne mit Waffen durch die Gassen der Stadt lief. Leila nannte seine Waffen Säbel, was sie aber nicht waren. Sie waren viel besser und effektiver. Wenn er ihr das sagen würde, wäre es wohl noch unwahrscheinlicher, dass sie zu ihm in den Wagen steigen würde. Er würde dann immer noch auf sie einreden und keinen Schritt weiter kommen. Auch wenn Leila nicht wusste, was er genau mit den Waffen tat. Für sie war er bestimmt ein kaltblütiger Mörder. Was nur bedingt stimmte. Er brachte schon jemanden um, es waren aber Hostus, deren Leben eh schon ihren Sinn verloren hatte. Sie waren nur noch Marionetten eines üblen Puppenspielers. Besaßen keine Seelen war und hatten ebenso keinen Willen mehr. Sie waren nichts weiter als lebendige Puppen. Er beschützte die Menschen sogar, in dem er Hostus vernichtete. Er machte das nicht, weil er Spaß dabei hatte. Es war seine Aufgabe. Gut hin und wieder brauchte er das um dicke Luft raus zu lassen. Die Vernichtung der Hostus war ein gutes Ventil für ihn. Er regt sich dabei ab.

„Ich werde Sie nicht anfassen. Ich bleibe auf meiner Seite und Sie auf Ihrer“, sagte Liam schließlich in einem ruhigen Ton. Sie wollte doch selber nicht, hier draußen rumstehen. Er hatte einen Wagen und die Beifahrertür stand für sie offen. Sein Wagen konnte ihr sogar mit einer Sitzheizung dienen, wenn Sie so etwas wollte.

Dann sah er, wie sie seufzte und schließlich in den Wagen stieg und die Beifahrertür zuzog.
 

Liam musste Lächeln. Versuchte dieses aber sofort wieder zu unterbinden. Wenn Leila sah, dass er lächelte, würde sie sofort wieder aussteigen. Das hier war irgendwie wie ein kleiner Sieg. Ein Sieg gegen ihren Stolz und ebenso ihrer Vernunft.
 

Er wartete mit dem losfahren, bis sie sich angeschnallt hatte. Sicherheit musste schon sein. Und wenn er seinem Bruder Menas glaubte, hatte er einen ziemlich schnellen Fahrstil drauf. Deswegen war es nur gut so, dass Leila sich anschnallte, auch wenn er vor hatte ruhig und anständig zu fahren.

„Den Weg zu meiner Wohnung kennen Sie ja“, meinte Leila und zog sich ihre Handtasche vor die Brust, als müsse sie diese festhalten. Nein, es wirkte eher so, als nutzte sie ihre Handtasche als Schutz vor Liam.

Liam musste innerlich lachen. Wie sollte ihn denn diese Handtasche von irgendetwas abhalten? Allerdings fand er ihren Kommentar gar nicht mal so witzig. Sarkasmus also. Natürlich nahm sie es ihm krumm, dass er bei ihr eingebrochen war. Gut, nach seiner Definition war das gar kein Einbruch gewesen. Aber Leila sah das anscheinend anders. Was Liam auch nachvollziehen konnte. Er würde es auch nicht hinreißend finden, wenn er nach Hause kam und plötzlich jemand in seiner Wohnung saß. Ob nun eingebrochen oder durch die offene Balkontür. Da war nun mal eine unerwünschte, vor allem fremde Person im Haus.

Liam erwiderte nichts auf diesen Kommentar, sondern fuhr einfach los. Jeder Kommentar war an dieser Stelle eh unangebracht. Er starrte auf die Straße und versuchte nicht zur Seite zu schauen. Aus dem Augenwinkel konnte er aber immer wieder feststellen, dass Leila sich nicht einen Zentimeter bewegte. Nicht mal einen Millimeter. Sie saß die ganze Zeit genauso verkrampft da, wie in dem Moment als sie in seinen Wagen gestiegen war. Er seufzte, zwang sich aber zu diesem Thema nichts zu sagen. „Sie können sich das Radio anmachen, wenn Sie möchten.“

„Kein Bedarf“, sagte sie knapp.

„Gut. Ist Ihnen kalt? Soll ich die Heizung höher stellen?“

„Nein.“

„Ich habe auch eine Sitzheizung.“ Er wollte gerade den Schalter am Armaturenbrett betätigen. Für ihn wäre das echt kein Problem.

„Nein. Kein Bedarf.“

Liam zog die Augenbraue in die Höhe, schüttelte nur leicht mit dem Kopf. Sie wirkte verspannt und er konnte sie sich auch ehrlich gesagt gar nicht gelassen und locker vorstellen.

Was Leila natürlich sofort sah, denn sie sah ihn musternd an. „Warum schütteln Sie so abschätzend mit dem Kopf?“

„Ich frage mich nur, ob Sie immer so sind.“

„Wie bin ich denn?“
 

Er konnte aus ihrer Stimme sehr wohl hören, dass sie schon wieder leicht gereizt war. Dennoch wollte er jetzt mit seinen Worten nicht vorsichtiger sein. Er legte seine Worte für sie bestimmt nicht in Watte. Das hatte er noch nie bei irgendjemand getan. Jetzt würde er für diese Frau auch garantiert keine Ausnahme machen. „Impulsiv. Bissig.“

„Oh, es tut mir Leid, dass ich dem Mann, der in meine Wohnung eingebrochen ist und der auf einem Foto eine verdammt scharfe Waffe hält, keinen roten Teppich ausrolle. Soll ich Ihnen vielleicht den Rücken massieren? Oder einen Kaffee kochen? Wie hätten Sie es denn gerne?“

Liams Mundwinkel zuckten nach oben. Genau das hatte er mit bissig gemeint. Sie war es eindeutig. Und sie war nicht auf den Mund gefallen. Zurückhaltend war echt was anderes. Aber sie war verbal sehr stark und gab sich auch so sehr selbstbewusst.
 

Er fragte sich nur, ob das ein Schutz war oder ob sie wirklich so war.

Er sah zu Leila und beobachtete wie sie ihren strammen Zopf löste. Ihr blondes Haar fiel ihr wellig auf die Schulter und umrahmte ihr Gesicht. Sie hatte sehr schönes Haar und er war immer noch der Meinung, dass es ihr offen besser stand. Sie hatte ein schönes Gesicht, sanfte Gesichtszüge. Und doch sah er in ihren Augen Stärke und Mut. Was er aber auch in ihren blauen Augen sah, war eine tiefe Traurigkeit. Die sie nicht oft aufhellen ließ. Aber sie war da. Das sagte ihm auch sein vampirischer Instinkt. Er nutzte diese Art von Fähigkeit eigentlich nur selten und vor allem verließ er sich nicht auf sie, da sie nicht klar war. Er konnte sich darauf nicht wirklich festlegen. Da waren das Lesen der Gedanken und die mentalen Befehle, die er austeilen konnte, wesentlich effektiver.

Liam sah in Zeitlupe noch mal vor sich, wie sie den Zopf löste und das Haar sich auf ihren Schultern ausbreitete. Er hatte das Verlangen, eine Strähne in seine Hand zu nehmen und es zu berühren. Er wollte wissen, ob es so weich war, wie es aussah. Er wollte an ihrem Haar riechen. Es würde bestimmt nach Erdbeere riechen. Denn ihr Badezimmer hatte danach gerochen. Sein Daumen würde über ihre sanften Gesichtszügen fahren, entlang der Wangenknochen zu ihrem Kinn hinunter und er würde an den Lippen, die so weich…
 


 

„Schauen Sie verdammt noch mal auf die Straße!“, schrie Leila ihn an und holte Liam so aus seinen kleinen Tagtraum.

Er sah sie noch eine Sekunde verdutzt an, bevor er wieder auf die Straße sah.

Was war denn das bitte für ein banaler Gedanke gewesen? Hatte er sich gerade wirklich vorgestellt gehabt, wie sich ihr Haar wohl anfühlen würde? Wollte er wirklich wissen, wie ihr Haar roch? Das hier war eindeutig keine gute Situation für ihn. Der Geruch der sie umgab, war in seinem Auto nun viel deutlicher wahrzunehmen, als noch draußen. Da hatte er ihn kaum in der Nase gehabt. Doch hier kitzelte dieser Geruch ihn regelrecht. Es war vollkommen zum verrückt werden. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Warum wollte er sie unbedingt nach Hause bringen. Der angenehme Geruch von Vanille und Erdbeere strömte durch seine Nase und benebelte einfach alles in ihm. Dieser Duft brachte seine Hirnfunktion durcheinander und er versuchte sich wirklich auf diese Straße zu konzentrieren. Himmel, fluchte er innerlich und seine Hände verkrampften sich am Lenkrad. Warum musste diese Frau so gut riechen?

„Erzählen Sie mir etwas“, bat sie ihn schließlich.
 

Liam sah sie überrascht an und fragte sich, warum sie wollte, dass er mit ihr sprach. Sonst schien sie auch nicht unbedingt mit ihm reden zu wollen. Allerdings würde das vielleicht die Situation hier drinnen ändern. Er fand plötzlich dass es verdammt eng in seinem Wagen war. Sonst hatte er noch nie dieses Engegefühl in seinem Wagen empfunden. Er hatte eigentlich immer geglaubt, dass sein Wagen sehr groß war. Normalerweise saß er aber auch immer alleine in seinen Wagen. Wenn er jetzt so darüber nachdachte, hatte er noch nie eine Frau auf seinem Beifahrersitz gehabt. Die Frauen mit denen er sonst immer verkehrte, waren nur kurze Bekanntschaften. Äußerst kurze. Meistens handelte es sich dabei nur um ein paar Stunden. Und oft nicht mal so lange. Warum auch? Das einzige was er sich von Frauen holte, war eine kleine Kostprobe ihres Blutes. Nur ein paar Schlucke. Eigentlich hatten er und seines Gleichen sich an Blutbanken gewöhnt. Sie waren Stammkunden bei Blutbanken. Aber sie sorgten auch dafür, dass diese Blutbanken immer genug Geld bekamen. Sie spendeten Geld. Es war besser für ihr Geheimnis, ein großes Geheimnis. Keiner sollte von ihrer Existenz erfahren. Und dafür musste eben gesorgt werden, dass für die tägliche Blutration keine Menschen mehr her halten musste.
 

Allerdings mochte er das kalte Blut aus den Beuteln nicht besonders. Und hin und wieder musste er sich eben mal einen kleinen Biss gönnen. Es war eben nicht so einfach alte Gewohnheiten los zu werden. Die Menschen kamen ja auch nicht von Schokolade weg, warum sollte er dann vom warmen Blut loskommen?

„Ich bin nicht gut im Small Talk.“
 

Leila sah ihn an und lächelte. Er blickte nur kurz zu ihr rüber und sah es. Sie hatte wirklich ein sehr schönes Lächeln. „Habe ich auch nicht erwartet.“ Doch sie wirkte nicht böse oder beleidigt. Eher amüsiert. „Darf ich Sie was fragen?“

„Natürlich.“ Bei der Antwort hatte er noch mal zu ihr geschaut und gesehen, wie sie sich eine ihrer blonden Strähnen hinters Ohr strich.

Seine Hand wollte sich gerade selbstständig machen und diesem Streicheln folgen. Er wollte ihre Haarsträhne hinters Ohr streichen. Was verrückt war. Er kannte diese Frau nicht. Er hatte sie erst vor zwei Wochen kennen gelernt. Und das war schon eindeutig übertrieben. Sie mochte ihn nicht und dennoch saß sie nun in seinem Wagen und er fuhr sie nach Hause. Er wusste ja wo sie wohnte, da er schon mal bei ihr eingebrochen war. Was sie auch musste. Aber dennoch wollte sie sich mit ihm unterhalten. Was er schön fand.

„Sie müssen die Frage nicht…“

„Fragen Sie einfach“, unterbrach er sie. „Sie werden schon sehen, ob ich Ihnen antworten werde.“
 

Leila nickte.

Es war komisch mit ihm hier in seinem Wagen zu sitzen. Und sie hasste es, wenn nichts gesagt wurde und eine unangenehme Stimmung entstand. Sie gehörte nun mal zu den Menschen, die eigentlich immer reden mussten. Und deswegen hasste sie das. Gut, eigentlich hatte sie nicht vorgehabt sich mit Liam zu unterhalten. Aber irgendetwas musste sie tun. Es waren noch ein paar Minuten bis Liam sie zu Hause abgesetzt hatte. „Gehören Sie zu den Guten?“

„Wie?“, fragte er überrascht und sah wieder kurz zu ihr herüber.

„Dieses Foto“, fing sie an. „Ich meine das, wo ich Sie… gehören Sie zu den Guten? Ich muss das einfach wissen.“

Sie beobachtete, wie Liam starr nach vorne starrte, auf die Fahrbahn starrte und zu überlegen schien, was er ihr antworten sollte. Sie wollte wirklich wissen, was er ihr antworten würde. Natürlich hätte er sofort „Ja“ sagen können. Aber dann wäre das zu schnell herüber gekommen und sie hätte ihm nicht geglaubt. Vermutlich ahnte er das. Oder er schien darüber einfach nach zu denken. Vielleicht war die Frage nicht so einfach zu beantworten.

„Leila ich…“

„Ja oder Nein?“, setzte sie nach. Sie musste einfach wissen, dass er zu den Guten gehörte. Natürlich würden die Bösen nie zu geben, dass sie böse waren. Aber sie würde schon wissen ob er ihr die Wahrheit sagte oder nicht. Und sie wollte diese Antwort einfach von ihm wissen.

„Gut…“ Er fuhr sich mit der rechten Hand durchs Haar und legte sie wieder ans Lenkrad, bevor er ihr antworte. „Es ist nicht einfach zu erklären, was ich mache. Aber ich mache es für eine gute Sache. Ich beschütze damit Menschen. Also gehöre ich zu den Guten, oder?“ Er sah sie fragend an, weil er sich seiner Antwort nicht so sicher zu sein schien.

Leila biss sich auf die Lippen und lächelte etwas. „Ich denke, wenn Sie Menschen beschützen, dann gehören Sie zu den Guten.“ Es war eine Erleichterung als sie das sagte. Es fühlte sich irgendwie gut an. Er hatte auch nicht ausgesehen, wie einer von den Bösen. Gut, sie wusste auch nicht wie die Bösen aussahen. Vielleicht wie bei James Bond oder so. Das aber, waren auch nur wieder Erfahrungen aus dem Fernsehen. Wobei sie auch ziemlich glücklich darüber war, dass sie nicht wusste, wie die Bösen aussahen. Und ihr war klar, dass diese nicht mit einem Schild um dem Hals rum liefen, auf dem stand, `Ich gehöre zu den Bösen´.

Ja, er gehörte zu den Guten. Er war nicht in ihre Wohnung eingebrochen, um bei ihr etwas zu stehlen oder sie zu überfallen. Er wollte nur die Fotos haben, auf denen er drauf war. Vermutlich war seine Arbeit geheim. Genau, er war ein Geheimagent und gehörte zu den Guten. Und da er ein Geheimagent war, durfte er nicht entdeckt werden. Aber brachten Geheimagenten Menschen um? Oder wen er auch immer da mit dem Säbel gemacht. Sie hatte inzwischen aufgehört, diese Tatsache zu leugnen. Die letzten zwei Wochen hatte sie sich oft genug Gedanken über Liam und über diese Sache mit dem Säbel gebracht. Auch wenn sie es gar nicht gewollt hatte, gerieten ihre Gedanken immer wieder zu ihm. Sobald sie an Fotos oder an ihre Kamera dachte, musste sie an dieses eine Foto von ihm denken, wo seine Augen so sehr im Mondlicht leuchteten.

„Was machen Sie beruflich?“
 

Liam sah sie wieder etwas überrascht an. Anscheinend wollte sich Leila wirklich mit ihm unterhalten. Weil sie ihn kennen lernen wollte oder warum auch immer. Vielleicht auch nur, weil sie die Stille nicht ertrug. Ihre Wohnung war so lebensfroh gewesen, dass er sich das wirklich vorstellen konnte.

„Sie meinen außer nachts mit einem Säbel rum rennen?“

Er glaubte ein kleines Lächeln um ihre Mundwinkel zu erkennen, als sie seine Antwort hörte und darauf sagte: „Ja. Wenn das nicht ihr Beruf ist.“

„Ich weiß nicht ob man das meinen Beruf nennen kann. Es ist eben meine Aufgabe.“

Er sah, dass Leila nickte und musste lächeln. Das hier war ein ganz normales Gespräch. Und er hielt normalerweise nie solche Gespräche. Er war jemand, bei dem es eigentlich immer direkt zur Sache gehen sollte. Ohne lange drum herum schweifen.

„Und wie verdienen Sie ihr Geld?“

Liam musste schmunzeln. Er konnte ihr ja wohl kaum sagen, dass er stinkreich war. Und das nur, weil er schon 453 Jahre alt war. Man hatte schon früh gelernt, in was man sein Geld anlegen musste, damit es sich vermehrte. Und es vermehrte sich, ohne dass er etwas dafür tat. Allerdings musste er Leila irgendetwas sagen.

„Ich arbeite in einem Familienunternehmen.“

„Das ihrer eigenen Familie?“, hakte sie nach.

Liam nickte. „Ganz genau.“ Er merkte, dass er langsamer fuhr. Er wollte die Fahrt in die Länge hinaus zögern. Natürlich musste er sie irgendwann zu Hause absetzen, aber dazu hatte er doch immer noch genügend Zeit. Noxus Investigation war eine große Firma und in der nicht nur sein Bruder und er selber tätig waren. Sie beschäftigten auch Menschen. Hatten einen Betriebsrat und gaben Löhne nach dem Tarifvertrag. Wie es sich eben für eine Firma in der heutigen Gesellschaft gehörte. Ganz so altbacken waren sie dann doch nicht. Auch wenn keiner wusste, wie alt die Inhaber der Firma wirklich waren. Die meisten dachten, sie würde schon in der vierten Generation geführt. Dabei stimmte genau dieses Detail nicht so wirklich. Aber warum sollte man diese Lüge aufklären. Es war doch für alle Beteiligten so am besten.

„Und was machen Sie da?“

„Ähm…“, ja was machte er da eigentlich genau? Das war wirklich eine gute Frage. „Ich bin für die internationale Vermarktung zuständig.“

„Dann verreisen Sie also viel?“, fragte Leila ihn.

„Nein, nicht wirklich“, gab er kurz von sich. Wollte sie vielleicht noch einen Lebenslauf von ihm haben? Das würde ein wenig schwer werden, wenn sie nämlich sein Geburtsdatum sah.

„Oh, verstehe.“ Ihre Stimme klang nun enttäuschter und er fragte sich, warum gerade sie enttäuscht klang? Weil er keine Reisen machte?

Und wieder schwiegen beide. Leila wusste nicht mehr was sie ihm sagen sollte und auch Liam wusste nicht, wie er ein Gespräch mit der Frau anfangen sollte. Das hier war irgendwie alles Neuland für ihn. Er führte kein Smalltalk. Er war generell nicht gerade wortgewandt. Bisher hatte ihn das noch nie gestört. Nur in dieser Situation jetzt.
 

Sein Griff ums Lenkrad wurde etwas fester und die Knöchel traten weiß hervor. Er wollte ja locker in ihrer Gegenwart wirken, aber das war gar nicht so leicht. Es war einfach alles an ihr, was ihn verrückt machte, ohne dass er sich dessen wirklich bewusst war. Er versuchte ihre Gedanken zu lesen, versuchte in ihren Geist einzudringen. Aber es ging einfach nicht. Entweder sie hatte eine starke Kontrolle über ihre Gedanken oder er konnte einfach nicht ihre Gedanken lesen. Darüber wollte er noch mit seiner Mutter oder mit Menas reden. Vermutlich hatten die beiden schon mal von solchen Vorfällen gehört. Er lebte bisher ja immer nur für seine Arbeit als Jäger und kam nicht wirklich viel unter viele Leute. Natürlich gab es auch unter seinesgleichen Familienfeste, vor denen man sich nicht drücken konnte. Aber sie feierten nicht mehr jeden Geburtstag. Sondern nur noch jeden Fünfzigsten.
 

Es störte ihn, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte. Er wollte wissen, wie Leila Sullivan wirklich tickte. Was hinter ihrer Fassade steckte. Und genau das schien ihm verborgen zu bleiben.

„Leila, ich…“, fing er an, wurde aber sofort von ihren Worten unterbrochen.

„Sie haben so einen Akzent… woher kommen Sie?“

„Wie?“, fragte er überrascht.

Leila sah ihn an und musste lächeln. Er wirkte von ihren Fragen immer etwas überrascht. Das kannte sie inzwischen schon. Für viele war sie zu direkt. Sie sprach einfach geradewegs heraus, was sie dachte. So war sie schon immer gewesen.

„Sie haben einen interessanten Akzent in der Stimme. Auch wenn Sie versuchen, denn nicht so offensichtlich wirken zu lassen, hör ich ihn heraus. Wo haben Sie früher mal gelebt?“

Liam sah sie fragend an. Er hatte wirklich geglaubt, in den hundert Jahren seit er in diesem Land lebte, hätte sich sein Akzent von ihm verabschiedet gehabt. Gut, er hörte sich selber nicht oft reden, dennoch hatte er geglaubt, dass man es nicht mehr hören würde, dass er kein Einheimischer war. Es lag vermutlich einfach daran, dass er mit dieser Frau mehr als nur ein `Guten Tag´ gewechselt hatte. „Ich habe mal eine Zeitlang in London gelebt.“

„England also.“ Sie schien zu überlegen, ob das zu seinem Akzent passte. „Und warum sind Sie dann in eine Kleinstadt gezogen? London ist schließlich ziemlich groß. Und diese Stadt hier ist sehr viel kleiner.“

„Es muss wohl der Kleinstadt-Charme gewesen sein“, gestand er ihr und war schließlich an ihrer Haustür angekommen. Er hatte sie wirklich nach Hause gefahren. Nicht, dass er an seinem Vorhaben gezweifelt hätte – doch eigentlich hatte er das. Sicherlich hatte er ihr gesagt, dass er sie sicher nach Hause bringen würde. Aber hin und wieder hatte er mit seinen eigenen Gedanken gekämpft, die ihn eher dazu überreden wollen, sie doch mit zu sich zu nehmen. „Da wären wir“, meinte er schließlich.
 

Leila schaute aus dem Fenster zu ihrer Wohnung und nickte. „Ja, da wären wir wohl.“

Sie schnallte sich ab und sah Liam dankend an. Er hatte den Motor ausgeschaltet, wie es sich seiner Meinung nach gehörte. „Ich danke Ihnen noch mal. Es war bestimmt ein Zufall, dass Sie mich da auf der einsamen Straße gefunden haben und sie haben mir wirklich geholfen. Danke sehr. Das war sehr freundlich.“

„Sie müssen mir nicht danken.“

„Okay, ich sollte dann…“ Ihre Hand fuhr schon zu ihrem Griff, als Liam nach ihrer anderen Hand packte und sie festhielt. Er wusste selber nicht recht, warum er das nun tat. Und vor allem, was er ihr nun sagen sollte, denn sie sah ihn vollkommen überrascht an. Ihr Blick wanderte von seiner Hand zu ihm und blickte in seine Augen.

„Leila… ich… Sie“, er geriet ins Stottern, weil er eigentlich gar nicht wusste, was er ihr sagen sollte. Sollte er sich bei ihr entschuldigen, dass er bei ihr eingebrochen war? Sollte er ihr vielleicht sagen, dass er ihre Telefonate abhören ließ und nur deswegen wusste, wo sie war. Er wusste es nicht. Er wusste gar nicht was er ihr sagen sollte. Seine Augen wanderten von ihren blauen Augen zu ihren Lippen und er überlegte sich, wie er es wohl wäre, sie zu küssen. Würden sie genauso sanft sein, wie sie aussahen?

Schließlich zog er seine Hand zurück und griff in die Innentasche seiner Jacke um seine Karte heraus zu holen. Das war das einzige was ihm eingefallen war. „Hier steht meine Nummer drauf.“

„Warum…“

„Ich möchte, dass Sie mich anrufen, wenn Irgendetwas sein sollte. Wenn sie Hilfe brauchen oder sonst irgendetwas ist. Sie können mich immer anrufen, Leila.“

Sie sah ihn überrascht und verunsichert an, nahm die Visitenkarte von ihm aber entgegen und öffnete dann die Beifahrertür. „Gute Nacht noch“, sagte sie und schlug die Tür des Wagens zu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2009-12-10T07:39:34+00:00 10.12.2009 08:39
So langsam wird es spannend...

Und gut, dass du nun eine betaleserin hast. Obwohl waren das nicht zwei? Hast du dich endlich entschieden?


Von: abgemeldet
2009-12-06T16:03:55+00:00 06.12.2009 17:03
Interessante Weiterentwicklung der Geschichte. Den Anfang (erstes viertel bis hälfte) fand ich ein bisschen holprig mit zu vielen Wiederholungen drin. Irgendwie ging es in dem Teil nicht so richtig vorwärts, aber ansonsten ganz gut.
Auf zum nächsten Kapitel.
Von: abgemeldet
2009-12-04T13:03:28+00:00 04.12.2009 14:03
wui
die story gefällt mir echt gut
dein schreibstil is klasse

und ich bin süchtig
es muss ganz schnell weiter gehn
lg<3
nami
Von:  bella-swan1
2009-12-04T08:34:43+00:00 04.12.2009 09:34
Super FF, es erinnert ein wenig an die Vampierbüchern von Lara Adrian.
(das mit dem fotographieren, das Liam ein "Krieger"ist)Find ich aber nicht schlimm.^^

Also ich finds wirklich super und mitreißend geschrieben.
Ich freu mich schon drauf wie es weiter geht und ich hoffe, das du mir bitte eine ENS schickst, wenn es weiter geht.^^

lg. bella-swan1^^
Von:  kleinYugi5000
2009-12-03T21:31:43+00:00 03.12.2009 22:31
ganz gute story..erinnert mich allerdings ein wenig an die lynsay Sands Reihe, aber ich denke das kann man bei den vielen Vampirromanen die gerade im umlauf sind nicht vermeiden, irgendwie wurde ja alles schon mal geschrieben^^
an deinen Ausdruck musst du noch ein bisschen arbeit, besonders in den ersten kappis...z.b.:
"Nur kurze Gedanken kamen gerade bei ihr an."- was genau meinst du damit ich kann mir darunter nichts vorstellen
"Sie presste sich mit dem Rücken gegen die Tür und bewegte sich keinen Schritt nach vorne. Denn ein Schritt nach vorne, hieß auch einen Schritt in seine Richtung." würde ich irgendwie anders schreiben ala vielleicht als Kettensatz musst du aber nicht, ist bei mir irgendwie so ne Krankheit ich stehe irgendweie total auf ellenlange Kettensätze^^
"Er schien ordentlich Muskeln zu haben" würde ich umschreiben.ordentlich muskeln hört sich irgendwie nach einem Teenie an der von einem Surfer schwärmt oder so, schreibt das besser: "Er war gut gebaut" oder so
und als aller letztes, Was genau ist eine interessanter Ausdruck im Gesicht? das kann ich mir irgendwie gar nicht vorstellen.

Ansonsten ist deine Erzählform manchmal ein bissle komisch, als wüsstet du nicht ob du das jetzt aus der sicht einen auktorialen Erzähler, einer Personelle erzählt, manchmal misst du auch element mit ein die eigentlich nur beim ich erzähler vorkommen

Okay das wars von mir, hoffe du bist nicht böse^^

sag bescheid wenn es weida geht

deine Soph-chan
Von:  TigerNagato
2009-12-03T14:44:27+00:00 03.12.2009 15:44
hinzeizend, genial
ich glaube ich wiederhole mich??

es ist genial, liam arbeite in der firma seiner familie und weis nicht einmal genau,was er da macht, abgesehen von seinem anderem ob, der wahrscheinlih nicht bezahlt wird^^
einfach zum schießen
ich freue mich jetzt schon auf das nächste kapitel^^


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