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Dust in the Wind

Alles ist vergänglich
von

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Kapitel 4

Vor sich hinschmunzelnd hatte Syaoran sich auf einem Stuhl nieder gelassen und sein Spielzeug, die Wasserflasche, wieder an sich genommen. Der Raum war leer und still, er hörte nur das leichte Platschen des Wassers in der Glasflasche, wenn er sie schüttelte oder die rollenden Geräusche, wenn er das Glas über den alten Tisch schob. Er war seit ein paar Minuten allein und er musste zugeben, dass er es auch ein kleines Bisschen genoss. Wenn man in einer Gruppe unterwegs und wirklich voneinander abhängig war, gab es keine Zeit, mal die Füße hoch zu legen.

Jeder Mensch brauchte mal ein Wenig Zeit allein, auch er. Es war, als wenn Fay das gemerkt hatte. Vielleicht war ihm die flaue Stimmung des Jungen aufgefallen. Wobei Syaoran auch wieder eingestehen musste, dass Kurogane ihn zuvor nicht gestört hatte. Schließlich suchte dieser auch nur Ruhe und man konnte seine Anwesenheit getrost ignorieren, dadurch, dass er so extrem still war.

Nun hatte Fay ihn mitgezerrt, weil er ihm partout etwas zeigen und ihn darüber ausfragen wollte, weil es ihm vollkommen fremd war. Ob das stimmte, war wieder eine ganz andere Frage.

Syaoran wusste, dass die beiden Männer öfter mal etwas Zeit suchten, ein Gespräch unter vier Augen zu führen. Was sie dabei besprachen, hatte er nie mitbekommen, doch misstraute er ihnen nicht. Er wusste, dass es nichts Böses war, was hinter ihnen steckte und dass er sich keine Sorgen machen musste. Manchmal überlegte er, was es wohl sein könnte, was die beiden untereinander ausdiskutierten, wenn sie spät in der Nacht noch eine Flasche hochprozentiges teilten. Er konnte nicht sagen, ob dies ungewöhnlich oder einfach nur eine typische Gegebenheit unter Männern war, wobei ihm der „Frieden“ zwischen den beiden manchmal etwas scheinheilig wirkte.
 

» Dust in the wind «
 

Und nicht nur er hatte sein Gespür auf Scheinheiligkeit gelegt – auch Kurogane schob diese seinem Gesprächspartner zu, allerdings nur in gewissen Situationen.

Mit den wachsamen Augen eines Schäferhundes sah er sich in dem Hinterraum um, den Fay entdeckt hatte. Es sah wirklich aus, wie ein Lagerraum von einem Haufen Dimensionswanderer, die ihre Schätze aus fremden Welten hier lagerten. Manche Gewänder waren in Folie verpackt, Kisten, dicke Staubschichten…

Während er sich umsah, hörte er, wie Fay im Hintergrund mit irgendetwas herumraschelte und schließlich einen Pfiff ausstieß,

„Kuro-sama, schau mal!“

„Lass endlich diese dummen…“

Kurogane wandte sich zu ihm um und mit einem Schlag verstummte seine Stimme, als er in den Lauf einer Schrotflinte blickte.

Sofort sprang er zurück,

„Nimm das Ding runter, du Idiot!“

„Was denn? Die ist doch gar nicht geladen!“

Fay lachte auf. Dass Kurogane so einen Bammel vor Schusswaffen hatte, hätte er nicht gedacht. Zwar war es ihm nicht neu, dass Kurogane eher wenig Erfahrung mit so etwas hatte und Abstand von „neuen“ Modellen nahm, da er nur wusste, wie mal mit eher mittelalterlich wirkenden Geschossen um zu gehen hatte, doch war dieser Anblick nun wirklich einmalig gewesen. Grinsend senkte er die Flinte,

„Keine Panik… ich hab was gefunden, was dich vielleicht mehr interessieren könnte!“

Zwinkernd legte er die Flinte beiseite und zog eine lederne Tasche hervor. Auf den ersten Blick sah es nach Werkzeug aus. Doch Fays Grinsen verriet anderes. So ging er mit der Ledertasche an Kurogane vorbei und legte sie auf eine der staubigen Kisten vor dem Fenster, damit das Licht auf das schien, was er da auspacken wollte.

Und so hatte er den anderen auch schon gefangen.

Neugierig reckte der Shinobi seinen Kopf über die Schulter des Magiers, um seinen geschickten Fingern beim Entpacken zu zuschauen.

Die blassen, feingliedrigen Hände zupften einige Knoten auf und blätterten Lederschichten beiseite, die noch nicht so verblasst waren, wie die Schnüre und die Außenseite der Tasche. Er klappte die Tasche schließlich auf und zog eine Handschusswaffe hervor. Wenn man sie mit zu naiven Augen betrachtet hätte, hätte man wohl gesagt, dass der Besitzer eine gekürzte Schrotflinte verpackt hatte, doch war hinter diesem Ding weitaus mehr.

Kurogane zog Fay vorsichtig den schweren Colt aus der Hand.

„Warum zeigst du mir so was?“
 

» all we are is dust in the wind «
 

„Ich finde, es passt zu dir.“

Fay schmunzelte und beobachtete, wie der andere die Waffe beäugte. Zwar schien es kein Modell zu sein, mit dem er sich auskannte, doch schien es mit denen, die er kannte, auf demselben Technikstand zu sein.

„Ist das so…?“

Eher feststellend, als fragend betasteten Kuroganes Blick und seine Fingerspitzen die Waffe.

Ein 6-Schuss Colt mit einem ziemlich langen Lauf. Der Griff war, wie es wohl eher nicht üblich war, nicht aus Holz. Es war irgendein anderes hartes, dennoch gut greifbares Material. Die Schätzung des Shinobi belief sich auf Elfenbein. Der Griff fühlte sich eindeutig so an, er war glatt, lag dennoch fest in der Hand, war nicht allzu schwer und die helle Cremefarbe war für eine Waffe dieses Kalibers eigentlich eher unpassend und sprach mehr von Ästhetik, als von Gefahr. Wenn er mit den Fingerspitzen über den Griff strich, ertastete er eingravierte Muster, zierliche Schnörkelarme, die sich um den Colt rankten. Die Teile des Musters, die über den Griff hinaus gingen, fraßen sich weiter durch die goldene Patronenhalterung. Die Muster waren auf dem Gold sehr viel besser sichtbar, als auf dem hellen Elfenbein und sie wurden immer verwirrender, immer dichter.

Kurogane erinnerten diese Schnörkel an die Verzierungen auf Fays langem Mantel, sie sahen diesen sehr ähnlich.

Zum Lauf hin, der aus Gussmetall zu bestehen schien, wurde der Colt immer schwerer – die Muster rankten sich auch weiterhin in goldener Farbe über den langen Lauf des Revolvers.

Im Ganzen gesehen wirkte diese Waffe edel, anmutig und sehr kunstvoll. Sie hatte etwas Hoheitliches. Und damit hatte Fay ihn verglichen?

Kurogane schaute auf,

„…das passt zu mir, ja?“

„Ja, finde ich zumindest.“

Fay lehnte sich lächelnd auf die Kiste, auf der sie die Ledertasche abgelegt hatten,

„Es ist schön, anmutig und gleichzeitig sehr gefährlich.“

Er zwinkerte dem Ninja zu, nahm sich den Hut ab, legte diesen auf die Kiste und begann, in den restlichen herumliegenden Sachen herum zu kramen.

Kuroganes Blick blieb an dem Magier hängen.

Er war es gewohnt, von diesem Kerl Komplimente zu bekommen, doch nie waren sie nie so ernst rüber gekommen, wie dieses Mal. Ihn mit so einer kunstvollen Waffe zu vergleichen war ein schnittiges Kompliment. Es konnte gut, wie schlecht gemeint sein. Schließlich war es auch nichts angenehmes, als Waffe bezeichnet zu werden… Schweigend legte er den Revolver auf die Ledertasche zurück.

„Wenn das hier wirklich anderen Dimensionswanderern gehören sollte, werden sie merken, dass wir hier herumgewühlt haben.“
 

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Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen einen morschen Schrank, an dem noch einige in Folie gefasste Gewänder hingen. Zwar bezweifelte er bei den dicken Staubdecken, dass die Wanderer oft genug hier her zurück kamen, doch bei den unterschiedlich laufenden Zeiten in den vielen Dimensionen konnte es auch genau so gut gewesen sein, dass sie gestern erst abgereist waren… Zu viel kompliziertes Zeug.

Noch immer beschäftigte er sich Gedanklich mit dem, was Fay in Frage gestellt hatte.

Gab es noch mehr von ihrer Sorte?

Noch mehr Dimensionswanderer, die sich durchschlugen, um eine Mission zu erfüllen, die jeden einzelnen von ihnen betraf, ob sie es so haben wollten, oder nicht?

„Wie kamst du eigentlich auf diese… These?“

„Hm?“

Mit seinem üblichen unschuldigen Summen und einem fragenden Lächeln schaute Fay von seiner kleinen Forschungsarbeit auf.

„Dimensionswanderer…“

warf Kurogane ihm als Stichwort entgegen.

„Aaah~“

Fay grinste und ließ sich auf dem sandigen Holzboden nieder. Er verknotete die Beine halb zum Schneidersitz und seine Augen glänzten glatt aus der Freude heraus, dass ausgerechnet Kurogane sich für seine These interessierte und dafür, was er sich dabei gedacht hatte… und vielleicht auch, wie er darauf gekommen war.

„Naja,“ sagte er, „Ich finde, es könnte durchaus möglich sein, dass es jemanden gibt, der die gleiche Geschichte erlebt. Nicht die Selbe, aber die Gleiche!“

„Willst du damit darauf hinaus, dass auf dieser Welt nichts ‚neu’ ist, wie du es letztens schon gesagt hast?“

Fay nickte auf die Nachfrage hin.
 

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„Alles, was hier passiert, ist schon einmal geschehen, da bin ich mir sicher. Die Zeit ist einfach zu lang von Entstehung bis Ende, als dass ständig etwas Neues passieren könnte!“

„Wenn man denn sicher sein kann, dass es ein Ende gibt.“

warf Kurogane ein.

„Naja, ob es das gibt, erfahren wir vielleicht nicht, aber das wird auch besser so sein!“

Fays Lächeln verblasste nicht und er betrachtete die ‚schöne Waffe’ vor sich eingehend, während er erklärte,

„Diese Geschichten sind nicht ganz so vergänglich, wie wir. Das Ganze ist natürlich Ansichts- und Glaubenssache, doch glaube ich, dass diese Geschichten, sobald sie abgehandelt wurden, woanders von vorn beginnen. Vielleicht mit einer anderen Rollenbesetzung?“

„Warum sollte das Schicksal die Rollen neu verteilen?“

„Um den Ablauf der Geschichte perfekter zu machen!“

Die Antwort des Blonden schoss heraus, als wenn das alles selbstverständlich war.

„Wir sind vergänglich, also kann diese höhere Macht – du bezeichnetest sie als das Schicksal – uns nutzen, um sich ihre eigene Geschichte aus zu denken. Sie sucht uns aus und spielt mit uns… und wenn wir unsere Rolle nicht ganz so spielen, wie sie es möchte oder wie es ihr gefällt, so besetzt sie unsere Rollen schließlich bei einem weiteren Anfang neu.“

„Hm…“

Kurogane blinzelte einige male mit einem Anflug von Trägheit. Diese Ansicht, die Fay ihm eröffnet hatte, war etwas extrem Neues für ihn. So hatte er noch nie gedacht.

„Dass wir vergänglich sind, ist nichts Neues… aber wir sind doch trotzdem ein fester Bestandteil der Geschichte und können nicht einfach ausgelöscht werden.“

Der blonde Magier schüttelte den Kopf und schaute auf zum Fenster,

„Schau, der Sturm.“

Kuroganes Blick folgte dem seinen.

„Er nimmt den Sand mit und verweht ihn an Orte, die er vielleicht nie gekannt hat. Er reißt ihn von seinem gewohnten Platz weg und so tut es auch der Lauf der Zeit mit uns. Er wird uns auch eines Tages einfach fortreißen und niemand wird sich mehr daran erinnern, dass wir einmal waren – oder merkst du dir die Namen, die du den Sandkörnern der Wüste gibst? Ich bin eine zaubernde Spielfigur und du bist eine schöne Waffe im Bühnenspiel des Schicksals.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2009-10-09T17:52:25+00:00 09.10.2009 19:52
Ich möchte mich dem vorherigen Kommentator anschließen. Und wie ich schon bei meinem Kommi zu deiner anderen FF gesagt habe, du gewährst in deinen FF´s immer eine tiefe Introperspektive der Charaktere, was sonst selten zu finden ist.

Am besten hat mir die Szene gefallen, wo Shaolan mit der Wasserflasche spielt.

Die Songauswahl dieser FF finde ich besonders gelungen, da es den zentralen Aspekt der Story von Tsubasa perfekt wiedergibt^^
Von: abgemeldet
2009-10-01T19:42:33+00:00 01.10.2009 21:42
Fyes letzte Sätze haben mir gefallen^^ Die haben irgendwie so was philosophischs, das mag ich^^
Auch wenn ich finde, dass die FF durchaus noch weitergehen könnte - nicht, weil das Ende schlecht war oder so - war es gar nicht! - sondern einfach, weil es nicht zu viel werden würde und wenn ich 'Geisterstadt' höre, denk ich halt automatisch an Abenteuer ^.~
Von:  Schreiberling
2009-10-01T18:18:24+00:00 01.10.2009 20:18
Hallo
Bist du sicher, dass du die noch nie hochgeladen hattest?
ich bin mir sehr sicher, sie schonmal gelesen zu haben.....
Trotzdem eine gute KurzFF und der Titel passt bestens zu der Situation und den Gedanken. Vor allem zu denen von fye.^^
VLG


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