la larme de la rose
Ein Tropfen kühlen Regenwassers perlt aus dieser Rose. Es scheint, als würde sie weinen. Er kämpft sich aus den Kronblättern heraus ins Freie. Er fällt und ahnt den nahen Tod, den er unwissend oder nicht, selbst gewählt zu haben schien. Doch er zerschellt nicht auf dem harten Pflasterstein, er zerbricht nicht unliebsam an etwas, dass seiner nicht würdig ist. Er gleitet sanft gelandet auf schneeweißem Marmor, das perfekte Gesicht hinab, über den Hals, die Brust und sucht sich einen Platz, an dem er verweilen kann. Hier ... hier ist es schön ...
Er sammelt sich und bleibt.
Rose, Statue ... dieser Regentropfen eines Sommergewitters ist es, der sie nun verbindet ...
Es donnerte schon den ganzen Tag! Was war das nur? Wochenlang war die Sonne unerbittlich am Himmel gesessen, hatte erbarmungslos auf die Menschen in Tokio niedergebrannt. Nun regnete es Bindfäden! Uruha konnte nur den Kopf schütteln. Aber was sollte es? Die Abkühlung war doch auch nicht schlecht. Aoi schien sich sogar richtig zu freuen. Klar, er war ein Sonnenkind aus Mie ~ die wussten schon lange kräftige Gewitter zu schätzen. Überhaupt war Aoi den ganzen Tag schon super gut gelaunt ...
Uruha klappte die Metallstreben wieder zusammen, die er gerade mit den Fingern getrennt hatte, um durch das Rollo des kleinen Aufenthaltsraumes zu schauen.
Im Vorbeigehen stupste ihn Aoi an. „Hey, wir machen gleich weiter“, meinte er und zwinkerte ihm zu.
Uruha musste lachen. „Hai“, grinste er zurück. Es war schön, den Rhythmusgitarristen wieder so entspannt zu sehen, nach dem Unfall seines Vaters.
Seine Einlieferung auf der Intensivstation war für alle erschütternd gewesen. Aber er hatte es seinem starken Willen und seiner guten Konstitution zu verdanken, dass es ihm schon nach einigen Wochen wieder besser ging. Trotzdem war dieses Ereignis nicht nur für ihn, sondern natürlich auch für seine Mitmenschen einschneidend gewesen ...
Er überlegte jetzt gewissenhafter, was er tat oder besser bleiben ließ – und mit seinem alten verrosteten Lieblingsauto, das fünfundvierzig Jahre alt war, gegen einen Baum zufahren, gehörte definitiv zu solchen Sachen.
„Huch? Ist die neu?“, fragte Reita und schaute auf eine pechschwarze, lederne Gitarrentasche, welche an der Wand stand und betrachtete sie näher ...
„Bitte ganz vorsichtig damit“, wies ihn Aoi gleich zurecht. Spätestens jetzt gehörte die ungeteilte Aufmerksamkeit den beiden.
„So neu kann sie nicht sein ...“, korrigierte Reita sich selbst. „Diese Ledertaschen werden heute gar nicht mehr hergestellt ...“
Nun traten alle etwas näher und Aoi schlich sich dazwischen und stellte sich wie ein Museumsführer neben dem Musikinstrument auf. „Sie gehörte meinem Vater“, meinte er und keinem der anderen entging das geheimnisvolle Funkeln in den Augen des Dunkelhaarigen, als er dies sagte, auch den Tonaufnahmeleitern nicht, die sich nahe bei ihnen eine Kaffeepause gönnten. „Er hat sie mir geschenkt ...“
Alle bekamen große Augen.
„Das ... das ist doch nicht etwa ... diese Gitarre... oder?“ , fragte Ruki ungehalten.
„Hai, das ist sie ...“ Alle waren baff! Aoi hob sie auf dem lässigen an die Wand gelehnt Sein auf und ganz behutsam wurde sie auf die Kommode gelegt und vorsichtig ausgepackt. Sie war eine wahre, schwarze Schönheit, mit einer ins Holz des Klangkörpers geschnitzten schwarzen Rose. Stolz glänzte der Lack unversehrt und staublos ... Ganz sanft strich Aoi mit dem Zeigefinger über die perfekt gestimmten, hochwertigen Saiten und ihr Klang verzauberte alle Ohren im Raum.
„Wow ...“, machte Uruha fasziniert.
„La larme de la Rose ... die Gitarre, auf der mein Vater seine Lieder komponierte ... Er liebt sie fast mehr als meine Mutter“, lachte Aoi lieblich auf. „Sie ist ja auch ebenso stolz und schön ...“
„Und er hat sie dir vermacht ...?“, fragte Kai an.
„Hai, ich war doch am Wochenende in Mie, um ihn zu besuchen, er ist doch seit vorgestern wieder aus dem Krankenhaus raus ... Er sagte, das Leben sei kurz und dass er jetzt miterleben wolle, wie wir sein Werk fortsetzen ... Meine Schwester bekommt jetzt auch Unterricht, mein Bruder hat auch eine neue Gitarre bekommen und mir hat er seinen Schatz vermacht ...“ Einen Augenblick herrschte blanke Stille, als sei ein Engel vorbeigeflogen.
„Das bedeutet dir unheimlich viel, hai?“, fragte Kai vorsichtig und Aois Blick wurde so sanft wie in den letzten Wochen nicht.
„Hai, mein Vater und ich waren immer die größten Rivalen, mein Bruder war der erste, meine Schwester war schon immer seine Kleine, aber ich hatte es wirklich schwer mit ihm. Ich musste bei ihm immer um Annerkennung kämpfen. Mit diesem Geschenk hat er mir gezeigt, dass ich ihm wirklich etwas bedeute ... Das macht mich wirklich glücklich“ , sagte er dann ganz sanft und Uruha war nicht der Einzige, der in diesem Moment eine Gänsehaut bekam. Wenn Aoi so etwas sagte und nicht gerade auf der Bühne stand, oder auf einem Surfbrett, mit einer Gitarre allein in seinem Arbeitszimmer, dann hatte dies wirklich etwas zu bedeuten.
Das wussten alle, doch dann unterbrach der Rhythmusgitarrist selbst die Stille.
„Hey, jetzt schaut doch alle nicht so weggetreten ...“, kicherte er dunkel und lächelte dann schräg. „Lasst uns endlich anfangen zu arbeiten ...! Hopp, hopp!“, machte er dann und giggelnd wuselten alle zurück auf ihre Plätze. Wiederum vorsichtig packte Aoi die schwarze Träne wieder ein.
Sie probten und heute entstanden auch schon erste Aufnahmen für das neue Album. Es war ein guter Tag, alle waren zufrieden. Dies war selten gewesen.
„Aoi, soll ich dich mitnehmen...?“
Angesprochener drehte sich zu Uruha um. „Hai das wär gut, vielen Dank!", grinste er süß, während er seine Sachen packte. „Ach, Uruha? Kannst du die Gitarre schon mal mit runter in die Tiefgarage nehmen? Ich komm gleich nach, ich muss nur noch diese Bescheinigung abgeben ...“
„Hai, mach ich, aber hey, wer sagt dir, dass ich nicht mit der Kleinen durchbrenne, hm?“, grinste Uruha frech und lüpfte das T-Shirt des anderen, um ihn zu ärgern.
„Dann hast du wohl ein Problem mit meinem Vater ... sie ist immer noch >seine< Liaison~“ Beide Männer mussten lachen.
„Na das riskier' ich lieber nicht ...“
Ganz behutsam brachte Uruha die Gitarre danach herunter ins Parkhaus, er stellte sie vorsichtig an die Ladeklappe seines Autos. Ihm fiel ein, dass er noch eine Decke auf seinem Rücksitz hatte, mit der er die Gepäckfläche weiter auslegen konnte, damit es die schwarze Lady noch bequemer hatte. Er schlenderte also nach vorne und öffnete die rechte, hintere Tür, um die Decke zu holen. Gerade wollte er danach greifen, da spürte er, wie eine Hand sich leicht auf seinen Po legte, der nun gut erreichbar aus der Fahrgastzelle lugte. Sein ganzer Körper zuckte zusammen. Er hatte sich heftig erschrocken, sich fast gestoßen. „Aoi, lass den Scheiß!“
Nein, halt! Das war nicht Aoi! Es wurde unsanft zwischen seine Beine gegriffen und eine grobe Hand bohrte sich in seinen Oberschenkel und zerrte ihn aus dem Auto, er wurde sofort herumgedreht ... und ... geküsst ...
Grob und unkoordiniert, hastig, tief, Ekel erregend ... Mit quengelnden Geräuschen schaffte Uruha es gerade noch, ihn von sich weg zudrücken ... Doch gleich darauf griff eine starke Hand nach seinem Kinn und zwang ihn, in das Gesicht des Angreifers zu sehen.
„Na? Erkennst du mich?“
Uruha starrte nur in eine vor Gier und Wut entstellte Fratze. „Todo ... kumi ...“, brachte er nur halb im Würgen hervor.
„Hai, und ich bin wieder frei ...“ Sofort begann der Kupferblonde zu zittern. Er hatte Todesangst. „Ich sagte doch, ich bin noch nicht fertig mit dir“, schnalzte er gefährlich und leckte über Uruhas Wange, bis dieser angewidert die Augen zukniff, hoffte, dass er verschwinden würde. „Wir sehen uns“, wurde es unerträglich tief in sein Ohr geraunt. Dann wurde gänzlich und ruckartig von ihm abgelassen. Der Angreifer verschwand, aber Uruha traute sich ganze Sekunden nicht die Augen zu öffnen.
Ihm schossen Bilder durch den Kopf, Bilder von diesen großen Händen, diesem Blick eines Monsters, Dunkelheit und die Erinnerung an das Geräusch von zerreißendem Stoff holte ihn zurück. Doch sein Zittern wurde nicht weniger. Er vergaß alles. Er wollte fliehen ... nur weg von ihm, der hier noch irgendwo in der Nähe sein musste. Er schmiss hastig die Tür zu und stieg vorne ein. Er wartete auch kaum, bis die Zündkerzen des Dieselmotors vorgeglüht waren, sondern startete einfach, drängte die Gangschaltung unsanft und mit unschönem Ratschen in den Rückwertsgang und gab Vollgas!!
Es klappte und im nächsten Moment hörte er es weiter knacken! Erst da realisierte er wieder, was vorher war. Aoi! Die Gitarre! Er starrte nur geschockt nach vorne, dann wanderte sein Blick in Zeitlupe zum Rückspiegel.
Aoi--
Er war gerade die Treppe herunter durch den Eingang gekommen ... nun stand er wie ein Todesengel mit leerem Blick und leichenfahl dort, starrte auf Uruhas Auto und das immer noch in Leder gehüllte und dennoch geborstene Holz seines liebsten Schatzes ...
Der Wagen rollte wieder nach vorne. Knirschen. Die Tür flog auf und Uruha stolperte zu seinem Freund, der wie in Trance auf die Knie sank und sich über die plötzlich so spröden Lippen leckte. Seine zitternden Finger näherten sich dem Reißverschluss der Tasche, doch zwei fast weiße Hände hielten ihn davon ab, ihn zu öffnen und das Übel zu betrachten, das er, Uruha, verursacht hatte. Sein Herz raste noch immer, obwohl die Erinnerung an Todokumi nur wie ein Nebelhauch über ihnen schwebte. „Bitte, Aoi ... tu dir das nicht an“, wollte er ihn mit Worten hindern. Tu mir das nicht an.
„Wieso ... wieso, Kouyou?!“
Er sah im Augenwinkel, wie eine Hand gehoben wurde, um vernichtend auf ihn niederzugehen. Er rechnete mit dem Schlag, der in seinem Gesicht landen sollte – er hätte ihn verdient – doch nichts passierte. Zögernd sah er auf und erblickte geschockt, was er längst hätte sehen sollen.
Eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg über Aois Wangenknochen. Uruha brach es das Herz, dass er ihn am liebsten an sich gezogen und getröstet hätte. Aber er traute sich nicht, einen Finger zu krümmen. „Sag es mir ... was habe ich dir getan?“
„D-du hast mir nichts getan!“, behauptete Uruha vehement und versuchte, seinem Freund die Tasche unter den Fingern wegzuziehen. Wenn er vor dem älteren Gitarristen sehen würde, wie schlimm es um la larme bestellt war, könnte er ihn vorwarnen – vielleicht sogar eine Reparatur durchführen lassen, wenn die Schönheit nicht zu sehr zerstört war. „Ich ... ich war nur plötzlich in Eile! I-ich wollte etwas besorgen – ganz schnell, weißt du? Mir ist plötzlich eingefallen, dass ich etwas in der Stadt abholen muss ... ich ...“
„Spar dir deine Märchen!“, brüllte Aoi ihn an und für Uruha war das viel schrecklicher als ein Kinnhaken oder eine Ohrfeige. „Bist du tatsächlich schon so abhängig von dem Zeug?“ Er zog voller Gewalt und Aggressionen die Gitarrentasche zu sich in seine Arme, bis sie schlaff wie eine Lederpuppe über seinem Unterarm hing. Das Holz war endgültig gebrochen.
„Wa-was meinst du?“ Der Jüngere verstand nicht, wovon Aoi da sprach, was er von ihm wollte.
„Der Alkohol, du Idiot! Brauchst du so dringend Stoff, ja?!“ Seine Hände zitterten erneut, während er sich bemühte, aufzustehen und so schnell wie möglich von Uruha wegzukommen – dem Mann, der das Vermächtnis seines Vaters auf dem Gewissen hatte. „Oder bist du gar jetzt betrunken? Hast du deswegen vergessen, dass du eigentlich auf mich warten wolltest und noch dazu ... du hast sie zerstört, Uruha!“
Oh mein Gott, warum wachte er denn nicht aus diesem Alptraum auf? Der Dunkelblonde sank zurück auf seine Fersen, wobei er dabei zusah, wie Aoi immer weiter rückwärts ging. „Ich ... es tut mir doch Leid!“
„Es tut dir Leid! Echt? Warum hast du dann nicht deine Gedanken beieinander? Warum ist dir der Alk wichtiger als unsere Freundschaft?“
„Das stimmt doch gar nicht! Ich war nur abgelenkt!“
„Ach ja? Von was denn? Hier ist keine schöne Frau unterwegs, also was? Was, wenn nicht der Gedanke an die nächste Flasche Sake!“ Weitere Tränen quollen aus Aois Augenwinkeln hervor. Nicht Tränen der Trauer, aber das Gefühl der Wut trieb sie hervor.
So war es doch viel einfacher, über den Moment der Verzweiflung hinwegzutäuschen. Indem man die Schuld dem gab, der am nächsten war und auch die vermeintliche Schuld besaß. Und welchen Grund sonst sollte der Leadgitarrist haben, um unaufmerksam zu sein? Es war ja schließlich nicht so, dass sich jemand unbemerkt in die Tiefgarage der PSC schleichen und ihm drohen konnte ...
„Das habe ich wirklich nie von dir erwartet, Uruha ... So lange du deine Arbeit verrichtest und Niemandem außer dir großartig schadest, kannst du tun und lassen, was du willst, aber das hier ...“ Er drückte die Tasche in seinen Armen näher an sich, die Splitter knirschten unangenehm laut durch die Stille der großen Halle. „Selbst wenn jetzt die Tour auf der Strecke bleibt ... ich werde mit Kai und dem Management reden ... So geht es nicht weiter! Du wirst einen Entzug machen!“
„Die Fans warten auf uns!“
„Das ist doch eine faule Ausrede, damit du an der Flasche hängen bleiben kannst!“
„Das stimmt nicht! Ich habe überhaupt nicht an Alkohol oder Sake oder irgendwas dergleichen gedacht!“, verteidigte er sich und fühlte sich schwach, während er sich auf die Füße kämpfte und taumelte nach vorne, um zu Aoi zu gelangen, ihn festzuhalten und zu trösten, weil er einen großen Fehler begangen hatte.
„Woran dann?“, hinterfragte der Dunkelhaarige und im schummrigen Licht der flackernden Lampe über ihren Köpfen glänzte die Feuchtigkeit auf seinem Gesicht wie ein Schleier aus Sternen.
„Das ... kann ich dir nicht sagen ...“ Uruha senkte resignierend den Blick, seine Pupillen weiteten sich ohne sein Zutun vor Scham und Angst vor der Erinnerung an den Augenblick, als er in Panik und Aufruhr flüchten wollte. Doch das konnte er niemandem erzählen ... erst recht nicht Aoi.
„Also doch!“
„Es ist nicht so, wie du denkst!“
„Dann sag mir doch, was passiert ist!“, spottete der Ältere und drehte den Kopf demonstrativ weg. „Siehst du, du kannst es nicht!“, hänselte er weiter, als er sah, wie Uruha weiter zusammensank und das Haar hin- und herwarf. Weiterhin hielt er selbst die Gitarrentasche im Arm und schüttelte ebenso seine Haare. „Hast du was getrunken?“
„Nein ...“, kam die schwache Antwort und Aoi nickte.
„Dann fahr nach Hause ... du kriegst schon Bescheid, ob du morgen zur Arbeit kommst oder sofort in eine Klinik.“ Ihm war es ernst wie nichts anderes. Und er konnte Uruhas Anblick nicht länger ertragen. Egal, warum er sein Schmuckstück zerstört und überfahren hatte.
Der Jüngere schluckte schwer seine Tränen, seine Scham und sein Leid herunter, drehte sich um und stieg ins Auto. Der Motor startete, er fuhr weg. Und im Rückspiegel sah er, wie Aoi im Dunkel verschwand.
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Seine Augen standen weit offen, heller als sonst und mit pulsierenden Pupillen starrte er in die Dunkelheit seines Schlafzimmers. Draußen war es Nacht. Und obwohl ihm aufgrund der wieder aufgestiegenen Hitze warm sein sollte, fror er und hüllte sich in seine Bettdecke, zog die Knie an die Brust und kugelte sich ein wie ein Embryo, um nichts von der Kälte zu spüren, die ihn umgab. Er kniff die Augen wieder zusammen, um die gleißenden Lichter seiner Erinnerung verschwinden zu lassen.
Wie konnte es sein? Wieso war Todokumi wieder freigekommen? Wie war er in die Tiefgarage gekommen ohne nach wenigen Minuten wieder rausgeschmissen zu werden? Er verstand es nicht. Wieso war er nicht benachrichtigt worden? Hatte er keine Auflage, sich ihm nicht auf weniger als 500 Meter zu nähern? Ob er auch wusste, wo er jetzt wohnte?
Uruha öffnete wieder die Augen und blickte auf den Boden vor seinem Bett – dort war niemand, der ihn während des Schlafens beobachtete und ihn maßregelte, dass er zu wenig stöhnte. Sein Blick schweifte hinüber zu seinem Nachtschrank, wo vor der Nachttischlampe sein Handy lag – eine Angewohnheit, die besonders Reita immer zu stören schien, wenn sie sich das Zimmer teilten. Der Bassist behauptete doch tatsächlich, er könnte die Strahlung seines nicht gerade billigen Handys hören und könnte deswegen nicht schlafen. Seine unter dem Kopfkissen versteckte Hand suchte nach einem Gegenstand und fand ihn. Das Messer in seiner Schutzhülle war ihm zum ständigen Begleiter und, ja, beinahe bestem Bettgefährten geworden.
Doch was war das? Der Leadgitarrist hörte, wie der Wind unter der Türkante hindurchfegte. Das konnte doch nicht sein, schließlich war seine Wohnung ein Neubau, alles superdicht und das Fenster hatte er auch nicht offen ... Uruha erstarrte unwillkürlich. Das Fenster war offen. Zwar nur gekippt, aber es stand offen. Wie konnte das sein? Er könnte nach diesem Erlebnis heute nicht bei geöffneter Luke schlafen, also hatte er es gleich geschlossen gelassen, aber das war es nicht mehr!
Und da waren Schritte, die nicht von der Wohnung über oder neben ihm kamen. Schritte, die sich seinem Schlafzimmer immer bedrohlicher näherten. Das Flurlicht kroch wie Nebel durch den kleinen Spalt über dem Boden, um ihn vor dem Unheil zu warnen, das vielleicht über ihn hereinbrechen würde.
Er war nicht umsonst innerhalb der letzten zwei Jahre drei Mal umgezogen. Nirgendwo fühlte er sich sicher genug, um dort zu bleiben. Nirgendwo hatte er die Ruhe, die er manchmal brauchte. Nirgendwo war es ihm möglich, auszuspannen und wie früher auch mal ungeschützt und mit offenem Fenster schlafen zu können.
Man hatte ihm diese Möglichkeit der Freiheit genommen, kurz nachdem er zusammen mit seinen Freunden das fünfte Bandjubiläum gefeiert hatte. Niemals hätte er damit gerechnet, Opfer eines Stalkers zu werden. Vielleicht einer Stalkerin, aber tatsächlich ein Mann, der ihn besitzen und lieben wollte? Er war nicht nur überrascht gewesen – sondern gleichzeitig geschockt, weil er ihn lange genug kannte und das nie von ihm gedacht hatte.
Und seit jenen Tagen, an denen er seine damalige Wohnung nicht aus eigenem Willen verlassen konnte, war das Messer bei ihm, um ihn vor möglichen Angreifern zu schützen. So wie in diesem Augenblick, als sich der Schatten ins Licht schlich und den Boden wieder in Dunkelheit hüllte. Gleich würde er die Tür öffnen!
Wer sonst als Todokumi sollte sich in seine Wohnung schleichen und nicht klingeln, wie jeder normale Mensch es tun würde, wenn er etwas wollte!
Uruha wand sich aus der Bettdecke, zog im Aufstehen die Klinge aus der Hülle und stellte sich so hinter die Tür, dass der vermeintliche Angreifer nicht bemerkte, wie er selbst in eine Falle tappte.
Mit erhobenen Messer wartete er. Die Klinke wurde heruntergedrückt, das Holz aufgeschoben und mit einem Schrei warf sich Uruha auf den Eindringling, der jedoch gekonnt auswich und den Größeren zu Boden stürzen ließ. „Was soll denn der Scheiß, Uruha?! Kein Wunder, dass kein Mädchen mehr in dein Bett kommen will!“
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Danke schön fürs Lesen! <3
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Himi_und_Nami
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Himitsu_und_Namida