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Dienen

Glaube, Liebe, Tod
von

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Sommerkind

Ich starrte noch einen Moment zu dem Mädchen, welches mich bemerkt hatte, und dem Mann, der blind vor Wut gar nichts von dem wahrnahm, was um ihn herum geschah. Das Dach hätte ich ihnen über ihren Köpfen hinweg stehlen können und er hätte mit voller Elan weiter gebrüllt. Statt ihm weiter Aufmerksamkeit zu zuwenden, erwiderte ich den neugierigen Blick des Winzlings. Ihr Gesicht war stellenweise geschwollen und leuchtete in einem violetten Farbton. Wie lange stritten die beiden sich wohl schon? Erneut fragte ich mich, was genau sie angestellt haben musste. Sein wohlgenährtes Kind, falls er eins hatte, würde er sicherlich niemals so runtermachen wie dieses zerbrechliche, kleine Wesen. Höchstwahrscheinlich befand sie sich in derselben Lage wie ich, nur das mein Herr die meiste Zeit über Riesenschiss vor mir hatte. Würde man es mir verübeln, wenn ich den Mann am Kragen packte und dreimal kräftig mit der Stirn voran gegen die Wand stieß? Wahrscheinlich. Schreckte mich das ab? Nicht im Geringsten. Erneut ließ ich mich dazu hinreißen, den Helden markieren zu wollen ohne das ich je dafür vielleicht einen Orden erhielt. Vermutlich würde man mich dafür hart bestrafen. Doch etwas verband mich mit diesem Kind und ich wollte es nicht im Stich lassen. Also wandte ich mich nun komplett zu ihnen um und schritt wortlos auf sie zu. Die Augen des Mädchens weiteten sich und sie schüttelte hastig den Kopf. Wollte sie meine Hilfe nicht? Jedenfalls hatte ihr Peiniger keine Frage gestellt, auf welche sie mit einem Kopfschüttel hätte antworten können.

Ich versuchte mit einem Blick noch einmal klar zu stellen, dass ich ihr unter die Arme greifen wollte und nicht mehr Ärger einhandeln wollte. Keine Ahnung, ob es mir gelang, aber sie schüttelte dennoch entschlossen den Kopf. „Was machst du da?“, fauchte der Mann und schlug sie. So viel zu meiner Heldentat. Widerwillig lief ich der Frau nach und holte den blöden Schrank ab. Ich bezahlte brav und vergewisserte mich beim Hinausgehen, das sie noch lebte. Mit schweren Herzen kehrte ich der Schreinerei den Rücken zu und machte mich auf den Rückweg. Der Schrank war gar nicht so schwer wie ich gedacht hatte. Es war dünnes Holz. Ich hatte einen riesigen Kleiderschrank erwartet, aber dann hätte er wohl doch eine Kutsche für die Abholung geschickt. Es war anstrengend, aber ertragbar. Die starren Blicke der Menschen, die an mir vorbeihuschten, waren schlimmer. Ich mochte diesen Ort nicht. Lief ein unschuldiger junger Mann hier herum gafften sie ungeniert, aber wenn ein kleines Mädchen Hilfe brauchte, schauten sie weg. Eine verdrehte Moral!

Tamaki war begeistert, als er sah, dass ich tatsächlich keinerlei Probleme hatte den Schrank zu tragen. „Würdest es dir etwas ausmachen, wenn ich dich jetzt immer schicke, falls es wieder etwas zu tragen gibt?“, fragte er und lächelte mich freudig an. Wie hätte ich ablehnen können? Ohne einen Seufzer von mir zu geben, willigte ich ein.
 

Am Abend nach dem Essen schickte mich der liebe Tamaki, der offenbar zunehmend die Angst vor mir verlor, noch einmal vor die Tür um frisches Feuerholz aufzustapeln. Hätte derjenige, der das alles so toll in zu Stückchen verarbeitet hatte, nicht auch säuberlich übereinander legen können? Ich war sauer, dass mit der Angst auch die Scheu verflog mich um Hilfe zu bitten. Wenn das so weiterging, dann war mein Tag so sehr mit Tätigkeiten überfüllt, dass ich nicht noch einmal in die Stadt gehen konnte, um nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau zu halten. Doch ich durfte nicht auffallen, deshalb vollrichtete ich die Arbeit ohne zu Murren. Während ich nacheinander Holzscheite aufhob und in die kleine Hütte hinter dem Haus räumte, vernahm ich plötzlich ein Geräusch. Jemand schlich sich von hinten wenig vorsichtig an. Ich fuhr herum und sah ein Paar geschwollener Augen. Es war das kleine Mädchen von der Schreinerei. Mir wäre es lieber gewesen, wenn ihre Augen so dick waren, weil sie geweint hatte. Aber die Wahrheit war weitaus bedauerlicher. Wie oft hatte seine Faust ihr Gesicht malträtiert? Ich schluckte. Was für ein gottverdammter Hurensohn… Mit einem Stirnrunzeln warf ich den Holzscheit, der in meiner Hand ruhte, auf den Boden und ging mit langsamen Schritten auf das Kind zu. Ich vergeudete meine Zeit nicht damit sie zu fragen, warum sie hier auftauchte. Möglicherweise brauchte sie jemand, der ihr Trost spendete? Falsche Adresse, oder nicht? Mir wäre nicht eingefallen wie ich es vollbringen wollte, dass dieses kleine Wesen wieder zu lachen beginnt. Vermutlich würde ich sie bloß mit meinem Selbstmitleid noch mehr belasten.

„Du hättest mich ihm eine reinhauen lassen sollen, dann wärst du jetzt zwar trotzdem überall blau, aber der Kerl ebenso“, murmelte ich und Hölle ja, ich wusste, dass man das zu einem Kind nicht sagen sollte. Immerhin bläuen uns alle ein, sobald wir laufen können, dass Gewalt keine Lösung darstellt. Und wieso wird sie dann trotzdem immer angewendet? Das Kind sollte nicht im falschen Glauben aufwachsen, dass wenn sie niemanden wehtat, man ihr aus Dankbarkeit und Anerkennung ihr ebenfalls nichts zur Leide tut. Nun, was könnte dieser Zwerg schon ausrichten? „Ich wollte nicht, dass du in Schwierigkeiten gerätst, großer Bruder“, sagte sie daraufhin und tappte auf mich zu. Großer Bruder? Da ergab sich keine Gelegenheit zu widersprechen. Denn die Kleine krallte sich mit ihren winzigen Fingern in mein Bein und schmiegte ihren Kopf eng an dieses. Verwirrt starrte ich sie an, konnte sie allerdings nicht einfach fortstoßen. „Wie heißt du, großer Bruder? Du bist noch nicht solange in der Eisenhütte, oder? Nein, bestimmt nicht. Ich hätte dich sonst schon gesehen“, plapperte sie nun munter vor sich hin und sah zu mir auf. „Ich bin Naruto Uzumaki“, antwortete ich. „Und wer bist du?“

„Ich heiße Natsuko. Aber mein Name wurde auf Natsu aus Bequemlichkeit gekürzt“, erklärte sie und ließ mich los. Sie schien sich offensichtlich aus heiterem Himmel bester Laune zu erfreuen. Na ja, da sie nicht geweint hatte, war sie vielleicht gar nicht so betroffen wie ich es erwartet hatte. „Ich bin jetzt deine kleine Schwester, okay, großer Bruder?“, hakte sie nach und sah mich aus großen Augen erwartungsvoll an. Augen, die ein nein nicht akzeptierten. Nicht, dass ich sie zurückgewiesen hätte. Sie war bloß ein Kind. Was war schon dabei? Außerdem schien sie länger als ich hier zu sein. Das war zwar furchtbar traurig, aber andererseits ebenso vorteilhaft für mich.

„Wie alt bist du, Natsuko?“, fragte ich und hockte mich zu ihr nach unten. Sie streckte ihre Finger in die Höhe und ließ einen verschwinden.

„Und wie lange bist du hier?“, fuhr ich fort.

„Etwa drei Jahre“, antwortete sie und stieß mit ihrem nackten Fuß einen Stein davon. „Warum hast du keine Schuhe?“, fragte ich und hob eine Augenbraue.

„Die hat er mir aus Strafe abgenommen“, murmelte sie und ließ sich auf den Boden fallen. Mit dieser Art Strafe war sie höchstwahrscheinlich noch gut davon gekommen. Obwohl man die Tracht Prügel und das erniedrigende Gebrüll des Mannes eigentlich dazu rechnen musste. Ich hätte sie gerne gefragt, warum in Gottes Namen sie mit sechs Jahren in die Eisenhütte gekommen war, aber gewiss hatte sie ihre Vergangenheit noch nicht ausreichend verdaut um mir von all den schlimmen Dingen zu berichten, die ihr widerfahren waren. Eher biss ich mir die Zunge ab, als sie mit meiner Frage todtraurig zu machen. Ich seufzte und stand auf. „Hör zu, Natsuko. Ich muss hier noch eine Menge machen, aber du kannst noch eine Weile hier bleiben, wenn du willst“, meinte ich und kehrte zu den kleinen Hügeln aus Brennholz zurück. Das sie hier sein war, hieß wahrscheinlich das zusätzlich herausgeschmissen worden. Wie grausam ein Kind auf die Straße zu setzen, wenn die Sonne langsam unterging. Aber gut. So wie diese Leute fraglos mit ihr umsprangen, wunderte es mich insgeheim kein bisschen. „Danke, großer Bruder“, sagte sie leise. „Wenn du mal bei etwas meine Hilfe brauchst, dann sag es einfach. Ich bin zwar nicht stark oder besonders schlau, aber ich werde trotzdem mein bestes geben“. Irgendwie kam mir das bekannt vor und ich lächelte tatsächlich zaghaft.

Und wenn du genug von denen hast, dann zögere nicht und sag es mir, ich werde sie mit großen Vergnügen hinrichten!
 

Das war in der Stille meine ehrliche Antwort. Oder warst das wieder du, Monster, das mir fürchterliche Sachen zu flüstert? Falls ja, ich danke dir, denn ich hatte im selben Augenblick das gleiche gedacht.

Hab ich mir gedacht, Naru-chan, diesmal war es ganz deutlich seine Stimme, die mir das zu raunte. Er lachte lauthals los. Ich hatte es geahnt. Auf diese Bestie war eben Verlass und auch wieder nicht. Irgendwann würde sie mich in Stücke zerreißen. Meine Seele hatte sie bereits befleckt. Doch im Augenblick schien sie mein einziger wahrer Verbündeter zu sein. Ich fand, dass dies das mindeste war, was er für mich tun konnte, nachdem er jahrelang schon in meinem Körper hauste und mein Leben zerstört hatte. Was kann man tun, wenn der einzige, den man hat, ein wahrliches Monster war? Vertrauen musste ich Kyuubi zwangsläufig schenken, schließlich wusste er haargenau, was ich dachte und fühlte. Er war in der Lage mich so sehr zu beeinflussen, dass ich nicht rechts und links voneinander unterscheiden konnte. Wir waren miteinander verbunden, aber ich kam leider nicht in den Genuss zu erfahren, was er mit mir zukünftig plante. Würde ich wegen ihm mehr und mehr zu einem abgestumpften Mörder mutieren? Aber vielleicht würde ich seine Unterstützung gar nicht nötig haben. Ich hatte vorhin erneut daran gedacht jemand umzubringen. Stets war ich um Gerechtigkeit bemüht. Andererseits musste ich fliehen. Falls ich Natsuko rettete, war es für mich eventuell zu spät. Wie hoch war die Strafe in der Eisenhütte für Mord? Sie würden mich nicht für immer einsperren. Ich würde trotzdem ein ständiges Risiko darstellen. Mit Sicherheit würde ich es mit gleicher Münze zurückzahlen müssen. War ich bereit für dieses kleine Mädchen zu sterben, damit sie statt meiner leben konnte? Selbst wenn. Würde man sie nicht genauso zum Tode verurteilen? Oder in eine andere Familie stecken, wo es ihr dann doppelt so dreckig ging?
 

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Ich hoffe, dass euch auch dieses Kapitel gefallen! Und nochmals

herzlichen Dank an all diejenigen, die mir ein Kommentar hinterlassen haben. Ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut und es hat mir enormen Ansporn gegeben!
 

Liebe Grüße



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  fahnm
2010-08-26T19:20:14+00:00 26.08.2010 21:20
Jetzt wird es interesant.
Bin mal aufs nächste gespannt!^^
Freue michs chon aufs nächste!^^
Von:  Epona1991
2010-08-26T14:55:55+00:00 26.08.2010 16:55
wow, das naru nicht eingreift hätte ich nicht wirklich erwartet, aber du hast es trotzdem gut rüber gebracht.^^
bin gespannt, wie es weiter geht.
LG Epona1991
Von:  red_moon91
2010-08-26T13:25:13+00:00 26.08.2010 15:25
Ja der große Bruder Naruto!
Ehrlich ich hätte nicht gedacht dass er nicht einschreitet aber du hast es geschafft es so rüber zu bringen dass man sich meiner meinung nach nicht beschweren kann es is ein super Kapitel geworden.
Ich frage mich nur wie naruto mit der Kleinen abhauen will.
Also dann mach weiter so!!^^


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