Der Abschied
Langsam drehte er das Wasser auf, bis es eine für ihn angenehme Temperatur
hatten.
Die anderen würden jetzt wahrscheinlich meinen, dass es kurz vorm gefrieren war,
aber Kai war nun mal kein Warmduscher.
Vor allem nicht nach den ganzen Jahren in der Abtei, wo es eh kein Wasser gegeben hatte, welches über 15°C hinaus gegangen war.
Er ließ sich an die Wand sinken und dachte nach.
//War es wirklich gut, das alles Ray zu erzählen? Immerhin weiß ich ja
gar nicht, ob er es den anderen jetzt gerade erzählt.
Vielleicht hab ich seine Geste bei unserem letzten Treffen falsch gedeutet und
er machte sich nur als Freund und nicht als Verliebter sorgen um mich...
Aber seit wann sind meine Menschenkenntnisse denn so schlecht?
Immerhin war es doch ziemlich offensichtlich!//
Er dachte daran zurück, wie er sich von seinen Teamkollegen verabschiedet
hatte.
Die Anderen hatten es einigermaßen gefasst aufgenommen, da sie ihn ja nach all
den Trainingsstunden nicht besonders mochten, doch Ray?
Der wäre fast in Tränen ausgebrochen und so hatte Kai ihm versprochen sich vor
seinem Abflug noch einmal mit dem Chinesen zu treffen...
*~~~*Flashback*~~~*
Der Chinese sah sein Gegenüber bittend an...
"Kai, du kannst doch nicht einfach so gehen!", rief er empört aus.
"Und warum nicht?", wollte der Angesprochene wissen.
"Naja, du... du kannst mich doch nicht mit diesen Idioten alleine lassen!",
antwortete der Schwarzhaarige.
Ein schlechtes Argument aber etwas besseres war ihm spontan nicht eingefallen.
"Ach und das ist alles?", fragte Kai skeptisch.
"Ja!", meinte Ray trotzig und sah weg, damit der andere nicht bemerkte, wie rot er
geworden war.
Er konnte ihm ja immerhin nicht den wahren Grund nennen...
Doch Kai hatte gemerkt, warum sich der Jüngere weggedreht hatte und musste
unwillkürlich lächeln.
//Der sieht ja richtig süß aus, wenn er so rot ist!//, dachte er und wandte
sich ab.
Er wollte, dass Ray ihn wieder ansah, wenn sie miteinander sprachen, und wenn
der andere ständig seine Blicke im Rücken spürte, würde es wohl nicht so
schnell besser werden.
Als Kai sich wieder zu dem anderen drehte, merkte er, dass er recht gehabt
hatte.
Ray war zwar noch ein bisschen rot um die Nase, er konnte ihm aber wieder in die
Augen sehen.
"Wenn du unbedingt gehen willst, dann nimm aber das hier mit!"
Bittend sah Ray den Russen an.
Dieser seufzte und streckte die Hand nach dem Päckchen aus, das ihm hingehalten
wurde.
"Aber erst öffnen, wenn du weg bist! Ich will dass du dich immer an uns
erinnerst, es behältst und weist, dass ich immer erreichbar bin."
Und flüsternd, so leise dass Kai es kaum hören konnte fügte er noch hinzu:
"Nur für dich!"
"Na gut, aber ich habe nichts was ich dir geben kann...", meinte Kai daraufhin
zögernd.
Doch dann lächelte er wieder und nahm seinen Schal ab.
Darunter kam eine silberne Kette zum Vorschein, an ihr hing ein kleiner Phönix
und schien mit den roten Augen zu zwinkern.
"Hier, ich möchte dass du sie aufbewahrst bis ich wieder komme.
Dort in der Abtei wird sie mir womöglich nicht gelassen und ich will sie nicht
verlieren. Ich hoffe, dass du dies auch nicht tust.
Sie ist alles was ich noch von meiner Mutter habe und ist mir deshalb sehr
wichtig... Pass gut darauf auf!", sagte Kai und legte sie dem perplexen Chinesen vorsichtig
um den Hals.
Ray wusste nicht wie ihm geschah.
Erstens hatte der Russe ihm gerade eine Schwachstelle offenbart und zweitens,
was viel wichtiger war, kam ihm der ehemalige Teamleader gerade so nah wie nie
zuvor.
Ray atmete tief ein um noch ein letztes mal den wunderbaren Geruch des anderen
in sich aufzunehmen, bevor dieser ging.
Er wollte wiederkommen, dass hatte er gerade mit seinem tun klargemacht!
Doch Ray hatte auch schon Angst vor dem was unweigerlich kommen musste- dem
Abschied!
Irgendwann stand Kai einfach auf.
"Ich glaube, es wird langsam Zeit... Ich muss gehen, um meinen Flug nicht zu verpassen...
Pass du mir nur gut auf den Kindergarten auf. Wenn ich euch wiedersehe, will ich ein Spitzenteam sehen, mit dem die Demolition Boys viele Probleme haben werden und kein drittklassiges Team!"
"Ja, ich passe auf sie auf. Du kannst dich immer auf mich verlassen.
Und vergiss nicht, ich werde immer erreichbar sein. Bitte, komm bald zu uns zurück!"
Und ganz leise, als Kai ihm schon den Rücken zugedreht hatte und Ray dachte,
dass er es nicht mehr hören würde, setzte er noch hinzu:
"Lass mich doch bitte nicht allein, ich vermisse dich schon jetzt!"
Kai hatte gelächelt, er hatte eigentlich nicht daran gedacht, so schnell wieder
zu kommen. Bei diesem Team war er einfach zu sehr verweichlicht, auch wenn er immer wieder
versuchte dies zu überspielen.
Er musste es schaffen wieder so zu werden wie früher!
Die Tränen in den Augen des kleinen Chinesen hatte er nur am Rande
wahrgenommen.
*~~~*Flashback ende*~~~*
//Ja, so war es damals gewesen. Doch wie steht Ray nun zu mir?
Er ist sofort zu mir gekommen, als er ich um Hilfe gerufen habe und hat mich
auch aufgenommen, doch ob er noch immer etwas für mich empfindet, oder nur
einem alten Freund helfen wollte?//
Kai wusste nicht, was er von dem Kleineren halten sollte.
Aber er hatte ihn in den Arm genommen, was zeigte, dass ihm der Russe nicht egal
war.
Es war zum verzweifeln!
"Ray, du gibst mir echt Rätsel auf!", stöhnte Kai vor sich hin.
Er drehte das Wasser ab.
Den Schmutz konnte man auch mit einer Rechnung die in die Millionen ging nicht
abwaschen, warum sollte er also Wasser verschwenden?
Er nahm sich ein Handtuch von dem Regal und trocknete sich ab.
Sein Blick blieb im Spiegel hängen.
Die blauen Flecken, die Boris und seine Lakaien ihm beigebracht hatten, waren
auch nach den Tagen, die er schon hier war nicht verschwunden und eine kleinen
Narben, die er auf seinem sonst so ebenmäßigen Körper erkennen konnte
erinnerte ihn noch mehr an die ertragenen Demütigungen.
Er wusste noch, wie Boris damals wütend zu ihm gekommen war und ihn
vergewaltigen wollte.
Doch dies war das erste Mal gewesen, dass Kai sich erfolgreich wehren konnte, da
Boris seine hirnlosen Kampfmaschinen wohl vergessen haben musste.
Und gegen einen alten Mann konnte er sich noch ohne weiteres wehren..
Boris hatte mit einem Brieföffner auf ihn eingeschlagen und dieser hatte sich
tief in seine Haut knapp unter den Rippen gebohrt.
Das war noch gar nicht allzu lange her.
//Äußerliche Wunden heilen eben schnell!//, dachte Kai und zog sich die
Klamotten an, die Ray für ihn besorgt hatte.
So wie sie aussahen wahrscheinlich aus Talas Schrank.
Er besah sich die etwas zu große schwarze Hose, die aber trotzdem noch einen
eleganten Eindruck vermittelte und das weiße Hemd, dass ihm ein unantastbares
Äußeres verlieh.
Ohne Schuhe ging er aus dem Raum, rannte aber noch einmal zurück, fasste in die
Tasche seiner alten Hose und holte etwas heraus.
//Dich kann mir keiner nehmen!//, beschloss er und ging nun zu den anderen in
den Raum, aus dem der meiste Lärm drang.
Kai sah sich um.
Der Raum war gemütlich eingerichtet.
Die Wände waren in einem hellen Orange gestrichen und die Sofas die darin
standen waren rot.
Ein kleines Beistelltischchen war aus Kirschholz angefertigt und die Schränke
die an zwei Wänden standen waren ebenfalls aus Kirschholz.
Durch eine gegenüber dem Eingang in dem Kai gerade stand liegende Tür konnte
Kai Töpfe klappern hören.
Neugierig ging er näher und sah, wie Ray mit den Kochutensilien
herumhantierte.
"Na, mal wieder in deinem Element?", wollte Kai wissen.
Ray schreckte hoch und hätte um ein Haar eine Schachtel mit Eiern fallen
gelassen.
Doch Kai reagierte schnell genug und fing sie mit einem Sprung, der einem
Torwart alle Ehre gemacht hätte, auf.
Ray lächelte.
"Hätte nicht gedacht, dass die überleben!”, gab er grinsend zum
"Und wenn Sie`s nicht hätten? Was gäbe es denn heute dann zu Essen?", fragte
Alexija, die Kai gefolgt war.
Da Kai seine Schwester schon bemerkt hatte drehte er sich nur langsam um und
meinte:
"So wie ich Ray kenne, hätte dann einer von uns losgemusst!"
"Stimmt!", gab Ray zu.
"Jetzt koch schon weiter!"
Kai war aufgefallen, dass er ziemlichen Hunger hatte und Tala ihm
vorhin nichts gebracht hatte.
"Ja, ja!",meinte Ray nur und scheuchte die Geschwister dann aus dem Raum.
Zuschauer konnte er jetzt nicht gebrauchen.