Uruha bemerkte dies natürlich und blieb etwas zurück.
"Leute, bleibt doch mal stehen. Ihr wartet gar nicht auf Kai!", beschwerte er sich, ließ sich absichtlich zurückfallen und hakte sich bei dem Kleineren ein. "Was schaust du denn so traurig? Hast du keine Lust, mit in den Park zu kommen?"
Er sah ihn fragend an.
"Kai-Chan~. Schau nicht so traurig, onegai.", sagte Ruki und zuppelte missmutig an Kais Ärmel.
Kai blickte von einem zum anderen. Ruki und Uruha hatten ihn sozusagen umzingelt. Der eine rechts von ihm, der andere links. Dass Uruha sich bei ihm einhakte, ließ ihn leicht schmunzeln. Irgendwie hatte der Große eine unglaubliche Anziehungskraft und er konnte verdammt überzeugend sein.
Seine Stimmung hob sich gleich wieder etwas.
"Ich darf mitkommen?", fragte er schüchtern und wieder einmal zeigte er sein Grübchen.
Sie wollten ihn wirklich mitnehmen? Ging es denn noch besser? Der Tag war also doch nicht, wie jeder andere. Neue Stadt, neue Schule und gleich 4 neue Freunde. Konnte Kai denn noch glücklicher sein?
"Ja, natürlich. Du bist doch unser Freund.", gurrte Ruki und stellte sich auf die Zehenspitzen. Mit spitzen Lippen drückte er Kai einen Kuss auf die Wange. "Wir haben dich alle jetzt schon lieb!"
"Verdammte Schwuchtel...", knurrte Reita leise, aber anscheinend nicht zu leise, denn Ruki löste sich von Kai und trat Reita ans Schienbein.
"Klappe, Nasenbär!"
"Au! Spinnst du, du Giftzwerg?"
"Hört endlich auf! Mann, vertragt euch doch einmal!", murrte Uruha und marschierte mit Kai am Arm voran aus dem Schulgebäude, direkt auf den Park zu.
Verdattert griff er mit der Hand an seine Wange. Noch nie hatte man ihn auf die Wange geküsst. Und schon gar nicht ein Junge. Entsetzt schaute er Uruha an. Er erhoffte sich irgendein Zeichen, dass das für Ruki normal war. Es machte ihm ein kleines bisschen Angst. Allerdings hatte Uruha nur Augen für seine zwei Streithähne, die sich schon fast an die Grugel gingen.
Von der Seite aus beobachtete er den Größeren. Musterte genau seine Gesichtszüge und jede kleine Regung. Dass er dabei von Aoi beobachtet wurde, bemerkte er gar nicht.
Er hatte gerade nur Augen für den femininen, großgewachsenen Jungen neben sich, der immer wieder seine Schulter mit seinem Arm berührte und irgendwie immer mehr wohlige Schauer durch seinen Körper jagte.
Hastig schüttelte er den Kopf.
Uruha knurrte. Das war mal wieder typisch Reita und Ruki. Die beiden konnten die liebsten Menschen der Welt sein - wenn sie alleine waren. Wenn man sie jedoch zusammen tat, ging die Post ab. Da blieb kein Haar, wo es vorher war. Einmal war Reita so in Rage geraten, dass er den kleinen Ruki beinahe übers Kreuz gelegt hatte, denn Ruki hatte ihm ins Sachen Stärke nichts entgegenzusetzen. Seitdem beschränkten die beiden sich nur noch darauf, sich gegenseitig Beleidigungen vom Feinsten an den Kopf zu werfen. Und die waren meistens genauso schlimm wie Prügel.
Der feminine Blonde seufzte und sah Kai an.
"So, da wären wir. Das ist unser Park. Hübsch, nicht? Wir sind hier jeden Tag nach der Schule."
Er setzte sich auf das weiche Gras und zog Kai neben sich, hatte immer noch den Arm um ihn gelegt. Die anderen setzten sich neben sie und Aoi holte eine Packung Zigaretten hervor, die er rumgeben ließ. Jeder nahm sich eine und Uruha hielt sie Kai vor die Nase.
"Auch?"
Misstrauisch beäugte er seine Umgebung, bevor er die Schachtel vor seiner Nase bemerkte. Sollte er jetzt oder lieber nicht? Eigentlich rauchte er ja nicht. Er hatte das Gefühl, dass die anderen genau mitbekamen, wie es in seinem Kopf anfing zu rattern. Er überlegte wirklich angestrengt, ob er sich wirklich an eine Zigarette wagen sollte.
Kurz schaute er Uruha an. Dann nahm er zögerlich eine Zigarette. Er wusste ja theoretisch, wie das ging. Er hatte ja andere oft genug dabei beobachtet. Also steckte er sich auch einen Glimmstängel in den Mund und wartete darauf, dass man ihm Feuer anbot.
Seinen Blick ließ er allerdings unauffällig zur Seite schweifen, um erneut Uruha zu beobachten. Kai schluckte. Uruha sah verdammt heiß aus, als er sich die Zigarette mit einer Eleganz zwischen die vollen, sündigen Lippen schob, dass ihm heiß wurde. Verdammt! Wieso bekam er jetzt solche Gedanken, nur weil Uruha sich gerade eine Zigarette zwischen die Lippen steckte? War er denn noch zu retten? Er kannte den anderen ja gerade mal ein paar Stunden.
Uruha fand es ziemlich süß, wie der andere erst ratlos die Zigarettenschachtel anstarrte und dann mit zitternden Fingern eine zwischen die Lippen steckte. Mit geübtem Griff holte er ein Feuerzeug in violett heraus und zündete sich und Kai die Zigarette an. Er nahm einen tiefen Zug und blies den blauen Rauch wieder hinaus.
"Ahhh... Tut das gut.", seufzte er und schloss genüsslich die Augen.
Er lehnte sich nach hinten ins Gras und sah Kai von unten an.
"Huch? Kai, du bist ganz rot im Gesicht.", grinste er.
"Süß!", quietschte Ruki.
Erschrocken schaute er in die Runde. Er war rot? Wieso muste er gerade jetzt rot werden?
Und nicht nur seine gesunde Gesichtsfarbe sorgte gerade für Aufsehen. Nein! Er musste sich ja auch noch an der Zigarette förmlich verschlucken. Es war seine erste überhaupt und schon machte er sich zum Deppen.
Laut hustend und mit tränenden Augen hielt er sich mit einer Hand den Hals. Das Zeug schmeckte ja verdammt eklig, stellte er fest. Wie konnten die andern das Zeug nur so seelenruhig in ihre Lungen saugen und genüsslich wieder auspusten?
Gute Frage, aber im Moment nicht wirklich von Bedeutung für ihn. Erstmal musste er seinen Hustenanfall unter Kontrolle bringen. Und die Blicke der Jungs um ihn herum ließen darauf schließen, dass sie wohl bemerkt hatten, dass er noch nie an einer Zigarette gezogen hatte.
Innerlich ohrfeigte er sich mal wieder für seine Naivität.
Uruha musste sich ein Grinsen verkneifen und setzte sich auf, um dem anderen Jungen kameradschaftlich auf den Rücken zu klopfen.
"Langsam, langsam. Keiner nimmt sie dir weg, Kai-Chan. Ist wohl deine erste, was?"
Er wollte nicht lachen, aber durch Kais Gesichtsausdruck konnte er nicht mehr an sich halten und kicherte leise.
"Sorry, aber du siehst gerade voll knuffig aus.", grinste der Größte und lächelte Kai umwerfend an.
Ruki neben ihm nickte heftig.
"Schwuchtel...", kommentierte Reita mal wieder und wurde sogleich unter Ruki begraben, der sich auf ihn geworfen hatte.
Beschwichtigend hob Kai eine Hand. War wirklich lieb, wie sich die anderen um ihn sorgten. Und er bekam noch nicht mal mit, dass Ruki mal wieder über Reita hergefallen war. Beide balgten sich wie die Kleinkinder. Sah irgendwie witzig aus.
"Arigatou.", bedankte er sich höflich bei Uruha. Sein Hustenanfall hatte nachgelassen. Wurde auch Zeit. Er konnte ja nicht stundenlang hier husten wie ein Irrer.
Ruki quietschte auf, als Reita mit zwei Fingern an seiner Wange zog. Und alle Blicke wanderten zu den zwei Streithähnen.
Erleichtert atmete Kai auf. Er bedankte sich in Gedanken bei Reita und Ruki, dass sie von seinem Unvermögen ablenkten.
Uruha seufzte genervt auf und fuhr sich durch seine perfekt gestylten Haare. Die beiden waren echt nicht zum Aushalten. Ruki saß auf Reitas Hüfte und versuchte, ihm das Nasenband vom Gesicht zu zerren, während Reita einen Finger in Rukis Mundwinkel gesteckt hatte und daran zog.
"Oh Gott... Wisst ihr eigentlich, wie peinlich ihr seid?", murrte Aoi. "Die Leute gucken schon."
"Mir doch rille! Sagt der verdammten Schwuchtel, sie soll von mir runtergehen und wen anders flachlegen!", posaunte Reita lautstark, achtete nicht auf die geschockten Gesichter der Spaziergänger.
Uruha vergrub das Gesicht in den Händen. Peinlich, peinlich...
Kai lief erneut rot an. Nicht scho~n wieder. Aber die zwei waren ja auch mal verdammt peinlich. Hilfesuchend wand er sich an Uruha und Aoi und zeigte dann mit dem Finger verlegen lächelnd auf das Knäuel, dass sich vor ihnen gebildet hatte. "Sind die eigentlich immer so?" Er hob eine Augenbraue, um seiner Verwirrung noch mehr Ausdruck zu verleihen.
Aber eigentlich wollte er jetzt etwas anderes sagen. Das verkniff er sich aber vorerst. Er wollte sich seine neuen Freunde - ja, Freunde! Uruha hatte es ihm bestätigt - nicht gleich am ersten Tag ihrer Freundschaft zu Feinden machen. Da hielt er lieber erstmal den Mund, auch wenn sich diese Frage schon fast in seinen Kopf gebrannt hatte.
Uruha hob den Kopf und sah Kai an. Resigniert nickte er.
"Ja, leider... Die sind wie auf Drogen, ey."
Er sah Kai an und gähnte. Mit einem Grinsen im Gesicht legte er seinen Kopf auf Kais Schoß und schloss die Augen.
"Ich darf doch mal oder? Du bist schön kuschelig warm..."
Er seufzte wohlig und strich über Kais Bein.
Oh mein Gott! Oh mein Gott! Oh mein Gott! Mehr konnte sein Hirn gerade nicht für voll nehmen. Uruha hatte doch tatsächlich seinen Kopf auf seinen Schoß gebettet. War der denn noch zu retten? Kai schluckte trocken. War das eigentlich noch normal für Freunde?
Uruhas wohliger Seufzer allerdings beruhigte ihn wieder und auch die warme Hand, die sanft über sein Bein strich, sorgte dafür, dass ihm eine angenehme Wärme durchströmte. Diese zierliche Hand gehörte wirklich dem hübschen Jungen? Irgendwie konnte er sich das noch nicht so recht vorstellen. Aber, dass Uruha ein Junge war, war ja eigentlich nicht zu übersehen. Aber seine femininen Gesichtszüge ließen wohl einige Zweifel offen.
"Bist du müde?", fragte er vorsichtig.
Er bettete seinen Kopf auf dem Schoß des Kleineren und ließ einen wohlige Seufzer hören. Der andere trug eine kurze Hose und so konnte Uruha die warme, weiche Haut der Beine spüren, Zaghaft strich er darüber und wunderte sich, wie man so weiche Haut haben konnte. Die war ja weich wie ein Babypopo.
Uruha schmunzelte und streichelte weiter.
"Hai~. Total.", erwiderte er leise und schloss wieder die Augen.
Er kuschelte sich mehr in den Schoß des anderen und döste leicht weg. Gott, war Kai kuschelig.
Ein wohliger Schauer nach dem anderen jagte durch ihn hindurch. Was machte Uruha da eigentlich mit ihm?
Am Liebsten hätte er jetzt genüsslich die Augen geschlossen, aber sie waren hier in der Öffentlichkeit und außerdem kannte er den anderen ja so gut wie gar nicht. Das Schlimmste war nur, dass Uruha ein Junge war. Ein Junge wie er auch. Wie sollte er sich da verhalten?
Unsicher griff er nach Uruhas Hand, die noch immer sanft über seine Beine strich, und hielt sie fest.
Er spürte, wie seine Hand festgehalten wurde und murrte unwillig. Er wollte diese weiche Haut weiterstreicheln. Murrend zog er die Hand, die seine umschlungen hielt, näher an sein Gesicht. Sein warmer Atem streifte Kais Hand.
"Kai-Chan? Kraulst du mich ein bisschen?", murmelte er leise.
Er war fast am Einschlafen, da er es bei Kai mehr als gemütlich fand und kuschelte sich mehr an ihn. "Bitte..."
Und zum tausendsten Mal wurde er rot. Uruha bat ihn darum, ihn zu kraueln? Kami, bitte lass dies kein Traum sein!, betete er innerlich. Noch nie hatte man ihn um soetwas gebeten. Vor allem so verdammt süß gebeten. Der leichte Schmollmund und diese liebevollen Augen, die ihn angesehen hatten. Sein Herz schlug mit einem Mal ein paar Takte schneller. Was war das denn nun schon wieder? So ein Gefühl hatte er ja noch nie gespürt. Wo kam das er? Und was hatte es zu bedeuten?
"Onegai...", murmelte er leise und sah Kai an.
Der andere war wieder rot geworden, was Uruha mehr als süß fand. Er stand dazu, schwul zu sein und er gab zu, dass Kai wirklich nach seinem Geschmack war. Aber er wollte nicht so direkt sein und Kai nicht vergraulen. Also sagte er auch nichts zu ihm.
Bittend sah er ihn an und zog seinen sündigen Schmollmund.
"Kai-Chan... Onegai!"
Irritiert sah er ihn an. War der süß! Und irgendwie konnte er der Bitte auch nicht widerstehen. Also legte er eine seiner Hände in Uruhas Nacken und bewegte zaghaft seine Finger durch das weiche Haar.
Kami! Wieso musste Uruha auch so unglaublich süß sein?
Dass die Anderen sie beobachteten nahm er nicht wirklich für voll.
"Machen wir jetzt Gruppenkuscheln? Oder wollt ihr den ganzen Spaß für euch haben?", kommentierte der Schwarzhaarige die Szene.
Erst als Aoi seine Stimme erhob, kam er wieder etwas zur Besinnung. Verwirrt schaute er Aoi an. Sein Blick verriet, dass er nicht wirklich verstand, was der andere jetzt von ihm wollte.
Nach kurzer Zeit spürte er endlich die langersehnten Finger an seinem Nacken. Er stieß ein wohliges Seufzen aus und schloss entspannt die Augen. Verdammt, hatte der andere geschickte Finger. Bei diesem Gedanken bildete sich eine zarte Röte auf seinen Wangen. Ob er bei anderen Sachen auch so geschickt war?
Gerade wollte er diesen Gedanken vertiefen, als Aois Stimme ihn aus seiner Umnachtung hervorholte.
"Aoi~!", quengelte er. "Lass Kai in Ruhe. Das is mein Kraulhäschen! Der gehört jetzt mir! Machst du bitte weiter, Kai-Chan?"
Er fing wieder an, Kai sachte über die Beine zu streicheln.
Das war jetzt etwas zu viel. Mit dem kam er jetzt überhaupt nicht klar, seine Gedanken ratterten und er sprang erschrocken auf. Verwirrt schaute er Uruha an. Dann Aoi, dann Reita und Ruki.
Plötzlich schoß alles Blut in sein Gesicht und sein Atem ging schneller. Mit dieser Situation wusste er jetzt überhaupt nicht umzugehen.
Dass Uruhas Kopf unsanft auf dem Boden aufschlug, als er sich so ruckartig erhob, registrierte er gar nicht.
Kai schnappte sich seine Tasche und lief einfach davon.
