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Unterm Weihnachtsbaum

Aoi x Uruha
von

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Uruhas Geschenk

Hallo, ihr Lieben ^^

Dies ist eine verspätete Weihnachts-FF ... die pünktlich zu Heiligabend hochgeladen werden sollte. Aber wie das so ist, wenn man sich kurz vor den Feiertagen etwas vornimmt: Es klappt nicht ...

So, bin ich erst am gestrigen 21. Januar dazu gekommen, es zu beenden.
 

Gomen für die Verspätung - vielleicht ist es euch noch ein bisschen Weihnachten geblieben ^^~
 

Viel Spaß beim Lesen! Kommentare sind gern gesehen ^^
 

+++++
 

Das Fest der Liebenden. Weihnachten in Japan. Bis jetzt hatte er über diesen Ausspruch immer gelacht. Es sei nur ein Spruch, um Taschen zu füllen und Geldbeutel zu leeren. Womit er wahrscheinlich gar nicht so Unrecht hatte, aber das kümmerte ihn just in diesem Moment nur wenig, wenn er in die strahlenden Gesichter seiner Neffen sah, die sich freudig mit ihm an der Hand – nicht umgekehrt! – durch die Menge drückten , um so schnell wie möglich zur nächsten Attraktion des Freizeitparks zu kommen. Er hatte es ihnen versprochen, noch vor Weihnachten mit ihnen wegzufahren, und was ein guter Onkel war, hielt auch seine Versprechen.
 

***
 

Am Abend waren sie wieder bei ihm zu Hause in der Wohnung angekommen. Die Jungs spielten im Wohnzimmer mit seiner Playstation, während er ihnen einen Kakao zum Aufwärmen machte.
 

„Kou~o“, wurde er mit fragendem Singsang in der Stimme empfangen. „Warum sind die Kugeln an deinem Weihnachtsbaum schwarz?“
 

„Weil ich gern neue Sachen ausprobiere.“ Ja, er war neugierig und – unvorsichtig geworden.
 

„Bist du deswegen Heiligabend nicht bei uns?“
 

„Hm ...“ Er setzte sich zu ihnen auf den Boden und strich dem Jüngsten über den Kopf. „Ich hab was anderes vor.“
 

„Was denn?“, fragte der Kleine, wurde aber von seinem älteren Cousin in die Rippen gepiekst. „Au!“
 

„Frag doch nicht so blöd!“, knirschte der mit den Zähnen und blinzelte zu seinem Onkel.
 

„Aber ...“
 

„Das ist ne Männersache, stimmt’s, Onkel Kou?“
 

„So kann man es durchaus nennen“, grinste dieser als Antwort. „Trinkt aus, eure Mütter sind gleich da – kein Murren! Ihr habt mir im Gegenzug versprochen, dass ihr bis Neujahr keinen Ärger macht!“
 

Die Jungs machten Schmollmünder, die ihm etwas ... bekannt vorkamen.
 

„Ich sag euren Müttern, dass ihr nie mehr eine Fotostrecke von mir anschauen dürft!“
 

~~~
 

Das Radio lief, während er den Abwasch erledigte. Die Weihnachtsfeier der PS-Company hatte vor drei Tagen stattgefunden, morgen würde Heiligabend sein. Und wie seine Neffen richtig erkannt hatten, wusste er etwas Besseres zu tun als mit seiner Familie diesen Abend zu verbringen. Das konnte er auch an jedem anderen Tag machen, dazu brauchte er doch keinen Feiertag.
 

Es war Zeit, einige Weingläser und Schüsseln abzuwaschen, denn die würden sicher genutzt werden, wenn sein Gast erst mal erschienen war. Auch die gesamte Wohnung musste noch mal geputzt, der Teppich, auf dem der Weihnachtsbaum stand, abgesaugt werden. Ja, er hatte noch viel vor ... und dafür, dass er nicht mit hundertprozentiger Sicherheit wusste, ob er nicht doch allein war, nahm er sich ganz schön viel vor. Doch nach seinem Informationsstand zu urteilen, hatte er Glück und würde in Gesellschaft – feiern.
 

Aoi fuhr sonst jedes Jahr nach Hause, zu seiner Familie nach Mie, aber seine Eltern waren tatsächlich bis Neujahr in Florida! Und seine Geschwister feierten im Kreis ihrer kleinen Familien Weihnachten. So blieb Aoi übrig – und soweit ihm niemand zuvor kam, würde Uruha freundlich zu ihm sein und ihn einladen.
 

Das Telefon klingelte, mit der Nasenspitze betätigte er den Lautsprecher. „Moshi moshi? Takashima desu.”
 

„Ah Kouyou! Du klingst ein wenig angespannt“, begrüßte ihn seine älteste Schwester am Telefon. „Waren die Kinder so anstrengend?“
 

„Ach was“, murmelte Uruha und stellte einen Teller auf den Trockner. „Ihr seid gut zu Hause angekommen?“
 

„Ja, alles bestens. Aber, Kouyou ...“ Oh, oh ... das war der ‚aber, Kouyou, bist du sicher?’-Tonfall. „Bist du sicher, dass du nicht mit zu Mama und Papa kommen willst? Ich meine, du warst so lange nicht mehr bei ihnen ...“
 

„Ich bitte dich, Karin ... ich war bei ihnen, als Mama Geburtstag hatte. Das ist jetzt genau ... zwei Monate her.“
 

„Das ist lange!“, nörgelte Karin. „Warum willst du nicht mit? Hat Papa irgendwas gegen Gazette gesagt? Du weißt, dass das für ihn keine Musik ist ...“
 

„Hör auf zu spinnen ... wir wissen alle, wie sehr er auf Hides Beerdigung geweint hat ... und ich darf dich dran erinnern, als ich in die Schule kam, hat er sich die Haare pink gefärbt. Gazette ist für ihn keine Musik, das stimmt, aber er weiß, dass es mein Leben ist.“
 

„Warum dann?“
 

Uruha schwieg ein paar Sekunden, tat so, als hätte er die Frage inmitten von Geschirrklappern nicht gehört.
 

„Was?“
 

„Hm? Ich hab nichts gesagt ... Hast du was gefragt?“ Uruha spürte, wie der sechste Sinn seiner Schwester einsetzte. Beim nächsten Treffen würde er sich was anhören können – je nachdem, wie ihr die Sache schmeckte, die sie da gerade aufdeckte.
 

„Du hast ne Verabredung!“, platzte aus ihr heraus und lachte fröhlich auf. „Ja, endlich, mein Brüderchen hat endlich wieder jemanden gefunden ... wie ist sie so? Kenne ich sie? Kennen unsere Eltern sie schon?“
 

„Ka-chan ...“, grummelte er, um ihr zu zeigen, dass sie übertrieb. „Ich werde nicht heiraten.“
 

„Ja, nicht gleich, aber -“
 

„Nein, ich werde überhaupt nicht heiraten.“
 

„Ist sie keine Japanerin?“
 

„Doch, schon, aber ...“
 

„Eine Frau, die nicht heiraten will, gibt es kaum noch ... wen hast du da nur an der Angel?“, lachte sie wieder. „Aber so lange du sie liebst und glücklich bist, ist doch alles okay. Kenne ich sie denn?“
 

Ihn. Ja, tust du“, antwortete er schnell und suchte ein neues Thema, damit seine Wortwahl nicht auffiel. „Wann wollt ihr los zu Mama und Papa?“
 

Stille.
 

Ups. „Karin, bist du noch da?“ Er trocknete sich die Hände, griff nach seiner Brille und schaute aufs Display, um zu erkennen, ob sie vielleicht aufgelegt hatte. „Karin?“
 

„Ich wusste es!“, stieß sie plötzlich aus, sodass Uruha vor Schreck zwei Schritte zurücksprang. „Es ist Reita, stimmt’s?“
 

Uruha lachte auf. Ein Glück ... entweder sie freute sich wirklich oder sie nahm ihn nicht ernst.
 

„Kai? Nee ... Ruki? Wenn, dann ist er dir ja wohl zwischen die Beine gelaufen ... trotz des ganzen Fanservices, ihr passt aber echt schlecht zusammen.“ Er hörte sie grinsen und in ihren Sessel zurücksinken. „Wie süß ... Yuu-san ist echt niedlich.“
 

Mann, Schwestern waren was zum Abgewöhnen ... „Karin, verrat mich bitte nicht ... nicht jetzt ...“
 

„Alles klar“, sagte sie prompt.
 

„Hör auf, so zu strahlen, das ist unheimlich“, kicherte er zum Mikrofon hin. „Ja, es ist Yuu-san. Ich möchte ihn morgen einladen, weißt du? Ich finde, es ist passend ...“
 

„Wie?“ Karin quietschte. „Willst du ihm nen Antrag machen? Das geht doch trotzdem, obwohl ihr nicht richtig heiraten könnt ... Ach, ist das romantisch!“
 

„Nein, Karin ... ich will ihn nur einladen, dann sehen wir weiter“, flüsterte Uruha verlegen, dass er das wirklich mit seiner Schwester ausdiskutieren musste.
 

„Oh ...“ Jetzt hatte er sie ausgebremst. „Er weiß es noch gar nicht ...“ Ihr kleiner Bruder schwieg wieder. „Ich wünsche dir alles Liebe und den Zauber von Weihnachten! Ich denk an dich, Kouyou!“ Sie lächelte hörbar.
 

„Bitte nicht“, bat er und lächelte ebenfalls. „Wie soll ich mich denn auf ihn konzentrieren, wenn ich weiß, dass du in Gedanken die ganze Zeit daneben sitzt?“
 

„Ich wünsch dir Glück“, korrigierte sie sich. „So, ich werde dann mal den Kleinen ins Bett bringen. Er quengelt schon die ganze Zeit auf seines Vaters Schoß herum. Kouyou?“
 

„Hm?“
 

„Ich hab dich lieb.“
 

„Danke. Ich dich auch.“ Er war schon dabei, den Knopf zum Auflegen zu drücken, als seine Schwester noch mal Luft holte.
 

„Ich ruf danach an!“, warnte sie und legte dann auf.
 

Oh super ... je nachdem, wie es ausging, hatte sie einen heulenden oder einen strahlenden, kleinen Bruder am Rohr. Wie aufmunternd. Uruha sah auf die Uhr. Wie sollte er nur die Zeit bis morgen überstehen? Er war jetzt schon total nervös und angespannt ... und er wollte sich nicht betrinken. Stattdessen machte er das Radio aus und ging ins Bett.
 

Auch wenn er nicht schlafen konnte – wie ein Kind, das auf den Weihnachtsmann wartete ...
 

~~~
 

„Oh, Aoi ... h-hai ... mach bitte weiter, bitte ...“ Uruhas Seufzen war lustgetränkt und sein Körper bebte vor angestauter Erregung. Seine Hände krallten sich in das Laken, tasteten nach etwas, woran sie sich festhalten konnten, um den Boden nicht zu verlieren. Nicht das Bewusstsein zu verlieren, dass es Aoi war, der ihn liebte und ihm immer weitere Seufzer entlockte, immer wieder ein Stöhnen aus seinen Lippen sog. „Aoi!“
 

Auf dem Höhepunkt seiner Lust riss er die Augen auf und starrte in die Leere. Aoi war nicht bei ihm. Er war allein. Hatte von ihm geträumt, seine gebräunte Haut gestreichelt, seinen Rücken betastet, die Hitze seines treibenden Leibes kennen gelernt. Doch es war nicht wahr gewesen.
 

Schwermütig und langsam schleppte Uruha sich aus seinem Bett ins Badezimmer, wo er alle Kleidungsstücke von sich warf. Er fürchtete sich vor dem Spiegelbild, das ihm entgegenblickte, aus dunkleren Augen als die seinen, denn in ihnen tobte Erregung, die befriedigt werden wollte. Die Wangen seines Gegenübers waren gerötet, feine Kratzspuren zeichneten sich an seinem Hals ab. Seine Haare waren wirr und – Uruha schämte sich, denn diesen Anblick hatte er immer nur von Frauen erwartet. Nie von sich selbst.
 

Seine nackten Füße traten unter die Dusche. Heute war ein besonderer Tag. Heute würde er Aoi zu sich holen, ihm offenbaren, was er für ihn empfand. Zwar fürchtete er sich auch vor der Reaktion seines älteren Bandmitglieds, aber er spürte, dass er es nicht länger aushielt, darauf achten zu müssen, wie lang er ihm in die Augen sah, wie lang er seine Hand hielt ...
 

Es war nicht so, dass sich seine Zuneigung für Aoi nur auf das Körperliche bezog. Im Gegenteil ... Er hatte es auch sehr gern, wenn sie miteinander redeten und arbeiteten. Ihn anzusehen, auch wenn er sogar mit jemand anderem redete. Beobachtete sogar dann, wenn er offensichtlich mit Frauen flirtete. Wie er sich im Sitzen dann zurücklehnte, um zu zeigen, wie legere und groß er war. Er war der Richtige, offensichtlich Mr Right ... doch zu seinem Pech suchten die Meisten bei ihm nach einem Haken, den sie dann irgendwo fanden.
 

Zu viel Arbeit.

Zu oft unterwegs.

Zu freundlich.

Zu erfolgreich.

Zu ... gut aussehend.
 

Wenn jemand käme, den er besser fände, wäre die Ex sehr schnell weg vom Fenster.
 

Doch Uruha wusste, dass er nicht so war. Ja, er hatte sicher seine Fehler. Er hatte einen makabren, tiefschwarzen Humor, was manchmal verletzte, aber das war zu verkraften. Im richtigen Moment konnte er genauso gut aufbauen und unterstützen. Und wie der Dunkelblonde selbst am besten wusste: Er war verliebt und sah Aoi durch die rosarote Brille hindurch.
 

Wie immer war das Wasser auf der Haut mehr als angenehm, doch er musste zugeben, dass er gerade jetzt nicht alleine duschen wollte. Uruha wusste nicht mehr, wann er das letzte Mal nicht allein gewesen war. Es war jedenfalls lange her, zu lange, um sich von den Erinnerungen erwärmen lassen zu können. Hinzu kam eigentlich noch, dass ... seine letzten Partner ausschließlich weiblich gewesen waren. Doch irgendwie erschienen ihm feingliedrige Körper und die weiblichen Rundungen von Brüsten und Hüften als fremd und fast abstoßend.
 

Das absolute Objekt seiner uneingeschränkten Begierde war nun mal keine Frau, sondern Aoi.
 

Auch war die Stimme, die er hören wollte, nicht annähernd so hoch wie die aller Frauen, die er kannte. Sie war angenehm, nicht zu tief, vibrierte sanft in der Brust, selbst wenn geflüstert wurde. Er klang so süß nasal, dass man an seinen Lippen hängen bleiben musste. Noch dazu kam sein Mie-Dialekt, wegen dem man zugegeben manchmal Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen ... trotzdem war die Neugierde zu groß. Ob Aoi wohl Liebesworte oder andere Dinge – flüsterte, schrie, stöhnte? – und dabei in seine Mundart verfiel?
 

Uruha spürte, wie ihm heiß wurde, je länger er darüber nachdachte, wie es wohl sein würde, Aoi wissen zu lassen, was er empfand, wie es sein würde, Aoi zu küssen, wie es wäre, mit ihm zu ... duschen. Dieser Gedanke war nicht so beschämend wie der, den er vorher gehabt hatte. Aoi zu verführen – allein die Absicht war eine Sünde, wenn man bedachte, dass er nie eine Andeutung gemacht hatte, sich für Männer zu interessieren. Das hatte er, Uruha selbst, allerdings auch nicht getan, weil bis vor ein paar – Monaten? – kein Anlass hierfür zu erkennen gewesen war. Spätestens heute Abend würde das Alles anders aussehen.
 

Er erwartete keine Umarmung, keinen Kuss ... nicht einmal liebe Worte, die ihn trösteten. Hoffen durfte er doch trotzdem, oder? Es war schlimmer als vorher, als er sich noch mit irgendjemandem beraten, sich ein Quäntchen Mut ausleihen konnte, um seine Herzensdame anzusprechen. Jetzt war er soweit gekommen, dass derjenige, mit dem er sonst über so ernste Themen sprach, selbst zum Thema geworden war.
 

„Aoi ...“
 

Uruha schreckte von seinem eigenen Seufzen hoch und sank mit nacktem, nassen Rücken gegen die glatte, kalte Duschwand. Wie gehetzt keuchte er, sein eigener Atem hallte im kleinen Raum so laut wider, dass er meinte, jemand müsste ihn hören!
 

Er durfte das nicht tun! Sich nicht seinen Gefühlen und Wünschen hingeben, nicht heute, wenn doch nichts geklärt war! Wenn Aoi doch nichts von ihm wusste, nicht diese Seite von ihm kannte. Keine Ahnung davon hatte, wie er an ihn dachte, was er tat, wenn er an ihn dachte ... Aoi konnte ja nicht wissen, dass Uruha Nacht für Nacht von ihm träumte, sich in die Laken drückte, hilflos erbebte. Dass er sich in Vorstellung an ihn berührte, ungehört seinen Namen ins leere Schlafzimmer stöhnte. Er konnte nicht wissen, dass er selbst, Aoi, mehr und mehr Kontrolle über Uruha gewann.
 

***
 

Tokyo, Ortszeit fünf Uhr nachmittags. Es war vollbracht. Die Wohnung war von grundauf gereinigt. Die Scheiben glänzten. Die Küche war sauber, das Essen für heute hatte er vorbereitet, nachdem seine Neffen abgeholt worden waren. Das Bett war gemacht, es duftete nach Malven, Aois Lieblingsblumen. Der Teppich unterm Weihnachtsbaum war weich und nadelfrei. Alles war perfekt!
 

Na ja ... nahezu perfekt. Aoi war noch nicht da. Noch nicht mal eingeladen. Und Uruha fühlte sich nicht besonders: Er hatte ein flaues Gefühl im Magen, Pulsrasen, seine Hände zitterten, sobald er sich ablenken wollte. Selbst die Hellion vibrierte in seinen Händen, wenn über das schwarze Holz glitt.
 

Sieben Minuten nach fünf Uhr wollte er Aoi anrufen, damit es nicht so aussah, als hätte er sich einen Termin dafür gemacht.
 

17:03 Uhr: Uruha setzte sich in seinen Liegesessel, den er sich vor ein paar Wochen geleistet hatte, und lehnte sich zurück. Das dunkelrote Leder war angenehm kühl unter seinen hitzigen Fingerspitzen. Er atmete ein.
 

17:05 Uhr: Er atmete aus. Seine Nägel waren lackiert, die Haare frisch gewaschen. Das Geschenk für Aoi, das er vorbereitet hatte, lag an seinem Platz. Wartend. Verharrend wie er selbst.
 

17:06 Uhr: Der rote Lichterschlauch war um den gefärbten Weihnachtsbaum gewunden und leuchtete. Das Licht reflektierte sich in den glänzenden, schwarzen Kugeln. Noch eine Minute, dann würde er Aois Nummer wählen, in der Hoffnung, dass er da war, um ihn zu hören, dass er da war, um zu ihm zu kom-
 

Das Telefon klingelte. So schnell hatte er noch nie die Hand am Hörer gehabt. „Moshi moshi?“ Sein Herz klopfte. Bitte, es durfte niemand sein, der ihn jetzt in ein Gespräch verwickeln wollte. Sein ganzer Zeitplan wäre sonst durcheinander ...
 

„Uruha?“
 

Sein Herz blieb stehen. Aoi. Das konnte doch nicht wahr sein! „Hai?“ Seine Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet.
 

„Du bist ja Zuhause. Ich dachte, du wärst bei deiner Familie in Yokohama, weil deine Eltern und Neffen dich dabei haben wollten ... Uruha? Bist du noch dran?“
 

„Hai ... ich hab nur nicht mit deinem Anruf gerechnet, das ist alles. Ich bin überrascht.“
 

„Ach so!“ Aoi lachte auf. Es war dieses Lachen, das Uruha gerne hörte. Frei und unbeschwert. Glücklich. Ohne Zurückhaltung. „Du, sag mal ... kann ich bei dir vorbei kommen oder hast du Besuch?“
 

„Oh, wieso das denn? Bist du denn nicht in Mie?“ Ganz cool bleiben, Uruha, ganz locker. Lass dir nichts anmerken.
 

„Nein, meine Eltern und Geschwister sind ja gar nicht da. Aber wenn du was anderes vorhast, ist das natürlich okay, dann stör ich nicht weiter ...“
 

„Nein, nein! Komm ruhig her!“ Zügel dich ein bisschen!
 

„Wirklich? Stör ich auch echt nicht?“
 

„Soll ich dich abholen?“
 

„Das ist wohl ein Ja.“ Aoi kicherte. „Nein, ist okay. Ich fahr gleich los, ja? Ich hab auch ein kleines Geschenk für dich.“
 

„Oh, danke, das wäre wirklich nicht nötig.“
 

„Doch, ist es. Bis gleich, Uruha. Danke schön.“
 

„Gern geschehen, Aoi. Bis gleich.“ Am anderen Ende der Telefonleitung ertönte das leise Klicken des Hörers. Wow, ein Wink des Schicksals. Ob es wohl tatsächlich so etwas wie Gedankenübertragung gab? Hatte er Aoi mit Hilfe seiner Gedanken dazu bewegt, ihn anzurufen und sich sozusagen selbst einzuladen?
 

Uruha stand auf, wacklig auf den Beinen. Seine Knie zitterten stärker als damals, bevor er seinen ersten Live gehabt hatte. Dabei war es doch nur Aoi, auf den er hier wartete. Und er wollte ihm ja auch nur seine Liebe gestehen.
 

In einem Anflug von Verzweiflung biss er sich in den Zeigefinger und schloss die Augen. Gleich ist er hier, dachte er und wankte noch kurz ins Bad, bevor er die Snacks, die er vorbereitet hatte, auf Tabletts ins Wohnzimmer balancierte. Schon eine Viertelstunde später klingelte es an der Tür. Stolpernd begab Uruha sich zur Tür und betätigte den Summer.
 

Hörte das Klacken der Tür, Aois schnelle Schritte, mit denen er die Stufen zu ihm hochsprang, dann sah er die schwarzen Strähnen, die ihm locker ins Gesicht fielen. Die dunklen Augen, die so hell leuchteten, als seien sie nicht schwarz wie sonst. Er schien sich wie ein Kind zu freuen, hier zu sein, obwohl er Uruha doch erst vor vier Tagen gesehen hatte. „Uruha, hallo!“ Der Ältere betrat sein Stockwerk und zog seinen Freund in die Arme. „Frohe Weihnachten! Ich hoffe, du hast gut geschlafen.“
 

Uruha erwiderte die Umarmung sanft und schloss kurz die Augen. Genoss den Augenblick, bevor er zu Ende war. „Danke dir. Es war ganz erträglich. Ein wenig unruhig. Aber sonst okay.“ Zu seinem eigenen Glück konnte man die Kratzspuren an Uruhas Hals nicht erkennen, der Rollkragen verdeckte sie gekonnt. Er löste sich von ihm und sah ihn lächelnd an. „Komm rein, wir müssen hier ja nicht rumstehen.“
 

„Hai.“ Aoi nickte und ging voraus, streifte Schuhe und Jacke ab. „Du hast doch bestimmt nichts vorbereitet, oder? Wir können heute Abend ja auch auswärts essen ...“
 

„Nein, ich hab etwas gemacht“, widersprach der Jüngere und deutete an, dass sein Gast vorausgehen sollte. „Im Wohnzimmer steht Essen, falls du schon Hunger hast.“
 

„Ach so?“ Er grinste und ging den Flur entlang, bis er an der Wohnzimmertür angekommen war. „Hast du wirklich was vorbereitet? Warum denn?“ Der Blick ins Wohnzimmer ließ ihn innehalten und frech grinsen. „Oh verdammt, Uruha! Du hast doch jemand anderen erwartet! Für sich allein macht man sich doch nicht so eine Mühe – und du schon gar nicht! Ich kenn dich, da muss dir jemand sehr am Herzen liegen ...“
 

„Ich habe nur dich erwartet“, gab er offen zu, bemüht darum, nicht rot zu werden, als Aoi ihn überrascht ansah. „Um ehrlich zu sein, hatte ich dich heute Abend einladen wollen. Kai hat erzählt, dass deine Familie nicht da ist und ich wollte nicht, dass du heute alleine bist.“
 

„Komisch. So etwas Ähnliches hab ich über dich gedacht.“ Der Dunkelhaarige setzte sich hinter den niedrigen Tisch auf den Boden und lehnte sich an die Couch. Mit strahlenden Augen begutachtete er den leuchtenden Weihnachtsbaum in der Ecke. „Ich meine, falls du nicht da gewesen wärst, wär es mein Pech gewesen, aber ... du warst ja da. Es war fast so, als hättest du neben dem Telefon gesessen und auf meinen Anruf gewartet.“
 

„Nein, ich wollte dich gleich anrufen. Mir hat nur die Überwindung gefehlt.“
 

„Überwindung? Aber ich bins doch!“ Aoi klopfte neben sich auf den Teppich. „Jetzt setz dich schon oder willst du die ganze Zeit stehen?“
 

„Iie ... willst du nicht etwas trinken? Tee, Wein, Sekt?“
 

„Ein Tee wäre lieb.“
 

„Okay, kleinen Moment, ich bin gleich wieder da.“ Er sah noch Aois Nicken, dann verschwand er selbst in die Küche, um zwei Tassen zu holen. Sein Herz klopfte wie wild. Unglaublich ... im Prinzip ohne sein Zutun war Aoi zu ihm gekommen und saß jetzt in seinem Wohnzimmer. Einen kleinen Moment atmete er durch, bevor er auch die beiden Teetassen ins Wohnzimmer brachte.
 

Aoi stand am Weihnachtsbaum und tippte gegen eines der Glöckchen, das am Baum hing, bis es bimmelte. Er grinste und sah dann zu Uruha, der bewundernd in der Tür stand. Welch zauberhafter Moment. Es fühlte sich an, als sollte es so sein: Aoi wartete auf ihn, damit er kam. Lächelte ihn an und strahlte noch mehr, als er das Gebäck auf dem Tisch ausmachte.
 

„Bedien dich ruhig. Es ist ja zum Essen da ...“ Der Kupferblonde setzte sich nun auch auf den Teppich und stuckte die Tassen auf. „Hast du dich bei deinem Bruder schon gemeldet?“
 

„Ja, er ist mit den Kleinen nach Hokkaido, um ihnen Skifahren beizubringen ... sie meckerten ziemlich am Telefon. Der Schnee gefällt ihnen nicht, es ist einfach zu kalt.“
 

„Eben warmes Mie-Blut“, gab Uruha zurück und trank einen Schluck seines Tees.
 

„Warum bist du nicht Zuhause? Karin-chan besteht doch immer auf euer Zusammensein. Aber zum Glück waren wir nicht so oft weg wie letztes Jahr.“
 

„Hm ... ich hatte keine Lust auf Familie.“
 

„Keine Lust auf Familie? Was soll das denn bitte heißen?“
 

„Ganz einfach: Keine Lust auf Familie. Ich wollte Zeit mit mir verbringen ... und mit dir.“
 

„Ach so? Du hast das alles ausgiebig geplant, ja?“ Aoi kicherte und schob sich ein Plätzchen zwischen die rosigen Lippen. „Ich hab ne Idee, was wir noch machen könnten!“ Anscheinend wollte er gar keine Antwort auf seine Frage hören – waren seine Absichten denn so offensichtlich? „Wie wäre es, wenn wir ein bisschen Gitarre spielen würden? Vielleicht fällt uns ja ein tolles Lied ein, das wir den anderen nach den Feiertagen präsentieren könnten ...“
 

„Das können wir auch machen ... aber ich wäre dafür, dass wir erst die Äpfel in meiner Küche vernichten.“
 

„Äpfel vernichten?“
 

„Hai ... ich dachte, wir könnten uns mal an Bratäpfeln versuchen ... du weißt schon, Apfel in den Ofen schieben, mit Zimt spicken und mit Rosinen füllen ... Das wird bestimmt lecker!“
 

„Wie bist du denn darauf gekommen?“
 

„Ich wollte das früher immer machen, als ich noch klein war – aber wir sind Zuhause nie dazu gekommen. Und jetzt mit den Jungs – die haben keinen Nerv dafür. Wenn, dann müssen die doch schon lange fertig sein und dann in die Mikrowelle geschoben werden.“ Uruha verzog die Lippen zu einem Schmollmund. „Machst du bitte mit mir Bratäpfel?“
 

„Ano ... ich weiß zwar nicht, wie man die macht, aber ich kann es ja versuchen.“ Aoi lächelte einladend, sodass sein Gastgeber fast vergaß, dass er jetzt aufstehen und in die Küche gehen sollte. Aufstehen. Küche ... „Uruha?“
 

„Hm?“
 

„Wollen wir dann?“
 

„Hai ...“ Der Jüngere räusperte sich und erhob sich etwas schwerfällig, bevor er Aoi die Hand reichte, um ihm aufzuhelfen. Als sie gemeinsam in der Küche standen, kam er sich etwas albern vor. Wieso war er denn gerade jetzt auf diese Idee gekommen? Ja, die Äpfel mussten weg und sie waren zum Braten oder Backen oder was auch immer geeignet, aber musste er dafür das kleine Kind spielen, dass noch nie Bratäpfel gegessen hatte?
 

„Was hältst du davon, wenn wir gleich Bescherung machen?“, riss Aoi ihn aus seinen Gedanken.
 

„Wieso? Hast du etwa etwas mitgebracht, was meine Äpfel noch verbessert? Was anderes außer Rosinen und Zimt?“
 

„Hm, ja ... ich hab dieses tolle Vanille-Eis besorgt, das du so gerne hast.“
 

„Was? Echt? Das ist ja hervorragend!“ Wie ein Kind riss er freudig die Arme hoch und jonglierte die Äpfel in Aois offenstehende Hände, so schnell, dass dieser diese Früchte nicht so schnell ablegen konnte und sie deswegen nur in seinen verschränkten Armen sammelte. „Das wird lecker! Das wird köstlich! Und es wird so herrlich riechen!“
 

Aoi lächelte versonnen, während er den ersten Gitarristen in seiner Kindlichkeit betrachtete. Was er wohl dabei dachte? Ob er seine Nervosität bemerkte, wenn er ihn nur lange genug ansah? „Ich wusste, dass du dich über das Eis freuen wirst, aber so sehr ... schön, dass du noch so lachen kannst. Ich dachte schon, du hättest es verlernt.“
 

Uruha hörte auf zu jonglieren und nahm ihm wieder einige Äpfel ab und legte sie an die Spüle, um sie ein Mal abzuwaschen. „Wieso? Wirke ich so erwachsen?“
 

„In letzter Zeit schon ... Ich war nicht so in deinem Alter.“
 

„Das ist zwei Jahre her ...“
 

„Ja und? Zweitausendsechs war ich nicht gerade erwachsen oder ernst. Du bist es jetzt schon. Eine Zahl bedeutet rein gar nichts, Uruha. Bleib noch ein bisschen jung. Dann ist das Leben schöner.“
 

„Aoi ... bitte, ich will darüber jetzt nicht reden oder nachdenken ... lass uns das einfach machen, okay? Lass mich Kind sein ...“ Die Augen des Jüngeren leuchteten im fahlen Licht der kleinen Leuchtröhre, als tobe ein Feuer in ihnen, das nur einen Windhauch brauchte, um in ein Inferno auszubrechen. Ein freches Grinsen stahl sich auf die vollen Lippen. „Und hol das Eis her, damit wir es gleich einfüllen können – es wird bestimmt toll, wenn wir es mit in den Ofen schieben!“
 

„Du hast es so eilig ...“
 

„Anou ... hai. Ich möchte dir dein Geschenk geben. Nur eine kleine Kleinigkeit.“ Uruha sah jedoch an Aois Blick, dass seine Lüge aufgedeckt war. Dass diese Kleinigkeit gar nicht so klein war.
 

***
 

Diese Fummelarbeit mit den Zimtknospen war schon fast zu anstrengend geworden, doch der letzte der acht Äpfel war bald fertig. Während sie gearbeitet hatten, erzählte Aoi von der christlichen Weihnachtsgeschichte, mit der er sich anscheinend so gut auskannte. Auch, dass es merkwürdig sei, diese Früchte zu diesem Fest zuzubereiten und zu essen. Sie seien doch die pure Sünde, da sie vom Baum der Erkenntnis stammten.
 

Uruha fühlte sich ein wenig schuldig. Er war die Schlange in diesem Spiel. Das Tier, das seine Beine verlor, weil es die Menschen in ihr Unglück getrieben hatte. Voller Zweifel, dass er das richtige Tat, als er Aoi ansah und ihm zulächelte, als stünde ihnen das Paradies offen.
 

Die Äpfel standen im Ofen, schwitzten vor sich hin.
 

„Ich ... bereite schnell dein Geschenk vor. Es dauert nur einen Moment, ich rufe dich gleich ...“ Auf Aois Nicken hin verschwand Uruha im Wohnzimmer und fischte aus seinem Wandschrank einen kleinen Gegenstand und eine Karte, die er beide unter den Baum legte, und noch mal durchatmete. Gleich war es soweit. Kein Weg zurück. Ihm nur den Gegenstand zu geben, wäre zu ... merkwürdig. Ein kleines Band schob er noch in seine Hosentasche, dann öffnete er die Tür und rief nach Aoi. „Kommst du? Ich bin fertig.“
 

Nur die Lichterkette des Weihnachtsbaumes erleuchtete den Raum. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, als der Kleinere an ihm vorbeiging und der Duft seiner Haare an ihm vorbeischwebte. Doch es blieb sogleich stehen, als Aoi sich auf den Boden kniete und nach seinem Geschenk tastete.
 

Seine Bewegungen waren vorsichtig und etwas unsicher. Die schlanken, männlichen Finger schlossen sich um das kleine, rotfarbige Marmorherz, und hoben es auf Aois Schoß. Die zweite Hand langte nach der Karte. Eine Weihnachtskarte. ‚Merry X-Mas’, stand darauf, simpel und fast unscheinbar, wenn man sie nicht hätte aufklappen können. Der Text, der darin stand, war in Uruhas gewohnt sauberer Schrift und in violetter Farbe gehalten.
 

‚Lieber Aoi,

zuallererst möchte ich mich bei dir bedanken, dass du zu mir gekommen bist,

obwohl du es nicht hättest tun müssen. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe,

aber ich bin sehr glücklich, dass du da bist. Und ich möchte, dass du weißt, egal,

wie dieser Abend ausgeht, ich werde das hier nie bereuen, weil ich es einfach

nicht länger ertragen kann, dir nicht die Wahrheit sagen zu können und dir etwas

vorspielen zu müssen.
 

Ich weiß nicht, wie lange ich schon dieses Spiel mit dir treibe, wie lange ich darauf

gewartet habe, dass du es durchschaust. Dass du mich eines Tages zur Rede stellst.

Aber das ist nicht passiert.

Also habe ich selbst die Zügel in die Hand genommen.’
 

Aoi hörte Uruhas schweres Atmen hinter sich, nahm das sanfte Knarren der vierten Diele nur aus weiter Entfernung wahr.
 

‚Ich habe dich hier hergeholt, um dir etwas sehr Wichtiges mitzuteilen, von

dem ich nicht weiß, wie du darauf reagieren wirst.

Ich habe Angst davor, dass du mich nicht mehr akzeptieren kannst, wie ich bin.

Ich fürchte, dass du mir aus dem Weg gehst, wenn du es weißt.
 

Aoi, bitte verstoße mich nicht als dein Freund.

Ich könnte es nicht ertragen, ohne dich zu sein.
 

Ich habe mich in dich verliebt.’
 

Es war die Art, wie Aoi das Papier zur Seite legte und dann aufatmete. Uruha begann zu zittern und kniete sich knapp hinter Aoi, dass dieser sich nur umdrehen brauchte, wenn er wollte. Sein Puls schien ihm unangenehm schnell, denn im Rhythmus seines Herzschlags, verengte sich die kleine Schleife um seinen Hals, die er sich umgebunden hatte. So, als sei er selbst das Geschenk, dass er seinem Partner heute darbringen wollte.
 

„Uruha ...“ War das gut? War es gut, wenn er die Antwort mit seinem Namen begann?
 

„Du musst nicht antworten“, lenkte Uruha schnell ein und kaute auf seiner Unterlippe herum. „I-ich – ich wollte nur, dass du es weißt. Das ist keine Verpflichtung für dich, irgendetwas zu sagen oder zu machen. Bitte, Aoi, ich möchte dich nicht mehr belügen müssen, wenn ich-“ Der Jüngere unterbrach sich selbst, als ihn dieser Blick traf, der ihm durch Mark und Bein ging.
 

Der Schwarzhaarige sagte nichts, drehte sich nur zu seinem Gastgeber um und beugte sich zu ihm. Eine seiner Hände flog über Uruhas Schlüsselbein hinweg und legte sich an seinen Hals, knapp unter den Knoten der kleinen Schleife. Der kleine Kratzer dort brannte. Zwei Finger zogen am unteren Schwänzchen der Schleife, löste den Knoten, sodass Uruha den Hals reckte. Das Geschenkband um seinen Hals löste sich und glitt zu Boden.
 

Es war still im Raum. Mucksmäuschenstill. Bis auf ihrer beider gleichmäßigen Atemzüge und seines eigenen hastigen Herzschlag hörte er nichts. Uruha konzentrierte sich auf die dunklen Augen seines Gegenübers. Der Glanz in ihnen war verführerisch, so dass er seufzte, weil er seine Gedanken nicht mehr unter Kontrolle hatte. Plötzlich war er ihm so nah, dass er die Iris von der Pupillen unterscheiden konnte. Nur kurz darauf klappten seine eigenen Lider zu, zu schwach, um dieser Verführung zu widerstehen. Schlimmer noch: Es erschien ihm nichts auszumachen, einer anderen nachzugeben.
 

Unglaublich ... Aoi küsste ihn. Langsam, mit Hingabe und Finesse. Ohne dass Uruha es kontrollieren konnte, fühlte er, wie sich seine Haut anspannte, wie sich ein Pfad der Erregung sich seinen direkten Weg zwischen seine Beine suchte. Aois Hand lag noch immer warm an seinem Hals, doch sie glitt höher, die schwieligen Fingerspitzen kitzelten sanft seinen Haaransatz, während die Hand ihn näher zu Aoi drückte.
 

Seine Lippen öffneten sich freiwillig, gewillt, mehr von Aoi in sich aufzunehmen, ihn zu schmecken, ihn schmecken zu lassen. Nicht sicher, wohin das hier führen sollte, was man von ihm wollte, verkrampfte er seine Finger in seiner eigenen Stoffhose. Irgendwo wartete er auf eine mündliche Antwort, die ihm zeigen sollte, was er erwarten durfte, aber sie kam nicht. Na ja ... indirekt schon. Aoi küsste ihn so leidenschaftlich, dass er sich nicht daran erinnern konnte, schon jemals so glücklich gewesen zu sein.
 

Früher war das nicht immer so gewesen. Er verliebte sich, wurde abgewiesen, verliebte sich, wurde abgewiesen, verliebte sich und machte seine ersten Erfahrungen, wurde fallengelassen. Doch dieses Gefühl hier, Aoi küssen zu dürfen, ihn so nah bei sich zu spüren. Die zweite Hand berührte einer seiner am Bein verkrampften Hände, fuhr hinauf, kitzelte ihn durch die Wolle hindurch, bis sie unter den Saum des Pullovers schlüpfte und das Material mit sich nahm. Uruha stöhnte in ihren Kuss leise auf, als diese Hand seine Haut berührte, legte sofort seine Hände an Aois Schultern und zog ihn näher an sich. Er wollte ihn nicht mehr verlieren. Nie wieder!
 

Doch dann hielt ihn der Schwarzhaarige zurück, löste den Kuss langsam. Mit weit offenem Mund haschten sie einander, bis sie ihre Augen öffneten und sich über die Lippen leckten. Ehe Uruha ihn dieses Mal küssen konnte, drückte Aoi gekonnt mit dem Daumen gegen des Kehlkopf, um ihn daran zu hindern, nach vorne zu schnellen. Der Jüngere fiepte anklagend.
 

„Du bist das schönste Geschenk, was ich je bekommen habe“, flüsterte Aoi gegen die vollen Lippen, ein Zittern fuhr durch den schmalen Körper. „Und du bist das Einzige, was ich mir seit langer Zeit gewünscht habe.“
 

Uruha sah ihn erstaunt an. Mit einem Mal konnte er gar nicht verhindern, dass er Tränen in den Augen hatte. Die Hand um seinen Hals wurde zärtlich, die Finger spielten am Kragen des Pullovers. Er sah, wie Aois Augen einen Moment lang groß wurden, als er die Kratzspuren an seinem Hals entdeckte.
 

Dann lächelte er. „Ich bin glücklich, dass ich herkommen durfte.“
 

„Ich bin glücklich, dass du gekommen bist“, hauchte Uruha nur schwach und setzte einen zarten Kuss auf Aois Wange, zu schüchtern in diesem Moment, um etwas anderes zu tun. Tränen rannen über seine Wange. „Ich liebe dich, Aoi ...“
 

„Ich weiß“, kam die rasche Antwort. „Ich liebe dich auch, Uruha.“
 

Sie sahen einander einen Moment an, dann umarmten sie sich fest. Ihre Hände berührten den fremden Körper neugierig tastend, wild und ungezügelt. Ohne Vorwarnung biss Aoi sanft Uruhas Hals, knapp über den Kratzspuren, die er sich selbst zugefügt hatte. Seine Wirbelsäule kribbelte, die Bilder in seinen Gedanken zusammen mit Aois Biss brachten ihn zu einem leisen Stöhnen. „Aoi ...“
 

„Hm?“ Es war dieser wohltuende Kansai-Singsang, bei dem seine Lippen an Uruhas Haut vibrierten.
 

„Willst du dein Geschenk nicht auspacken?“
 

***
 

Zwei Stunden später waren die Bratäpfel angebrannt und verkohlt, nicht zu gebrauchen, nicht zu genießen. Sie lagen schon jetzt im Müll, doch es schmerzte Uruha nicht sehr. Seine Kindheit war nun Nebensache. Doch würde ihn wohl immer der Geruch von Bratäpfeln anmachen wie nichts anderes.
 

„Mach dir nichts draus“, säuselte Aoi an seinem Ohr und streichelte dabei seinen nackten Rücken. „Nächstes Jahr schaffen wir es sicherlich, dass du Bratäpfel bekommst. Und wenn du zwischendurch Lust hast, können wir auch welche machen.“
 

Der Jüngere lachte auf und wollte etwas sagen, doch da unterbrach ihn das Klingeln seines Telefons. Er drückte mit ausgestrecktem Finger auf die Lautsprechertaste. „Moshi moshi?“
 

„Merry Christmas, Otoutou-chan!“, begrüßte ihn Karin am anderen Ende der Leitung. „Na, wie geht’s? War die Feier schön?“
 

„Hm“, antwortete Uruha summend und zog die Augenbrauen hoch, als Aoi mit dem angeschmolzenen Eis vor seiner Nase herumfuchtelte. „Ja, es ist alles schön und alles gut. Ist bei euch alles in Ordnung?“ Tonlos stieß er die Luft zwischen den Zähnen aus, die Kälte des Eises auf seinen Brustknospen ertragend. Aois Blick war nicht für Telefonate mit seiner Schwester gedacht.
 

„Ja, alles klar. Die Jungs haben sich übrigens über die Rennbahn sehr gefreut. Du glaubst es aber nicht ... Papa sitzt bei ihnen auf dem Boden und spielt mit. Er hätte beinahe alles alleine aufgebaut – als wäre es sein Geschenk gewesen!“
 

„Ach wirklich?“, presste er hervor, während eine heiße, feuchte Zunge träge seine Knospen säuberte, an ihnen abwechselnd knabberte und saugte. Uruhas Augen drifteten zu.
 

„Ja, unglaublich, was? Ich dachte so: Paps, das ist nicht dein Ernst, oder? Deine Schwestern konnten ihre Männer geradeso davon abhalten mitzumachen. Und Mama erst mal! Sie hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen! Wir hätten beinahe unser Weihnachtsessen beim Service bestellen müssen ... und-“
 

„Karin? Ist es wirklich so wichtig? Ich bin ...“
 

„Gerade sehr heiß“, flüsterte Aoi, sodass es nur Uruha hören konnte, der hastig nickte und verwegen lächelte.
 

„Unheimlich müde?“, half Karin nach.
 

„Hai ...“ Ihr kleiner Bruder bemühte sich darum, dass seine Antwort nicht wie ein Stöhnen klang.
 

„Dann stör ich euch mal nicht länger. Ich freue mich, Sie bald wieder zu sehen, Yuu-san“, flötete Karin noch, bevor sie auflegte und der rote Hörer schnell gedrückt wurde.
 

Aoi grinste verschwörerisch. „Sie wusste es?“
 

„Sie ist meine große Schwester – sie weiß früher oder später alles“, gab Uruha zurück. Aois Zunge war verschwunden, aber er hatte immer noch recht. Er war heiß ...
 

„Wo waren wir gerade?“, versuchte sein Gast dann wieder das Thema zu wechseln.
 

„Ach ja ... ich wollte dir gerade sagen ... Bratäpfel sind mir nicht mehr so wichtig.“
 

„Heiß machen kann ich dich trotzdem.“
 

Ein Kichern hallte durch die kleine Küche. „Nur, wenn du mich danach vernaschst ...“
 

+++++

*Schüssel mit frischen Weihnachtsplätzchen hinstell*

Wer Kommis schreibt, darf sich nehmen ^.~
 

Liebe Grüße,

Himitsu



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Kommentare zu diesem Kapitel (15)
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Von:  Len_Kagamine_
2012-08-04T19:59:01+00:00 04.08.2012 21:59
ich finde den schreib still schön ^^
lässt sich suber gut lessen *smile* mach weiter so ^^
wie niglich wie Uruha nervös ist *__*
*___* Uruha als geschenk *___*
und ich fand es suber mutug von Uruha das er das Aoi gesgat hat und noch süßer war es das er es an weinachten über eine karte gemacht hat *grinz*
die beiden sind einfach ein traum Paar *__*
und wo sie sich dann am weinachts baum geküsst haben bin ich geachmöltzen *__*
und xDDD so kann man auch bratäpfel verkokeln lasen xDDD

dat nessy-tan
Von:  Mayari
2010-03-17T20:37:55+00:00 17.03.2010 21:37
ich muss zugeben, die geschichte ist dir echt gelungen!! *smile*
und obwohl weihnachten schon seit ein paar "tagen" vorbei ist, nehm ich gern noch eins deiner angebotenen plätzchen. *freu*
Bin bei der story richtig in weihnachtsstimmung gekommen. *weihnachtsbaumaufstell* Nun ja zurück zum thema!! kompliment!!!!! die ff ist supi toll. gut gemacht, geschrieben, ausgedacht! weiter so!! *favo*
Von:  Koakuma
2009-12-10T20:46:55+00:00 10.12.2009 21:46
Ich kann nicht glauben, dass ich noch kein Kommentar zu der FF geschrieben hab oO
Dabei hab ich sie jetzt mindestens 5mal durchgelesen in den letzten Monaten! Und zu Weihnachten werd ich sie sicher noch 3 weitere male lesen <33
Ich mag sie so sehr, sie ist so schön "leicht" und im sehr großen Maße Herzerwärmend <3
Von:  Seritoja
2009-07-30T05:18:09+00:00 30.07.2009 07:18
XD Ich wusst nicht ob ich lachen oder weinen soll.
Das ist total niedlich mit den beiden.
Ich find cool das Aoi ihm zuvor kam. Hehe^^
Hat mir sehr gut gefallen.
Von:  AkikoKudo
2009-06-10T21:49:52+00:00 10.06.2009 23:49
oh das ist ja süß
><
die zwei sidn da richtig süß
und kindisch
udn doch so pervers angeahcuth
*Grins*
hach
pervekto
soein weihnachten hätte ich auch gerne
Von:  Armaterasu
2009-05-25T16:30:55+00:00 25.05.2009 18:30
das ist ja so unglaublich süß ^^
einfach nur waiiiii ^^
und dann diese bratäpfel sache ^^ ist logisch, dass sie verbrannt sind, wären sie bei mir auch ^^''
tolle ff und purer zucker ^^

LG
amy
Von:  Toffelchan
2009-05-08T15:35:24+00:00 08.05.2009 17:35
*/////////////////////*

SOOOOOOOO TOLL <3

richtig süß *__*~
Von: abgemeldet
2009-04-10T19:55:00+00:00 10.04.2009 21:55
Awww omg wieeee süß >///<
die Story ist echt klasse ^3^
Von:  hAppY_CaKe
2009-02-06T22:00:33+00:00 06.02.2009 23:00
richtig süüüüüüüüß ^^
und das Ende wo sie mit dem Eis spielen
*treum* das so tolll ^__^
Von:  Naoi
2009-02-02T01:27:44+00:00 02.02.2009 02:27
Absolut süß die Story wirklich! XD Hilfe da kommt man ja schon wieder fast in Weihnachtsstimmung XDDD
Ne aber echt total rührende Story, voll lieb geschrieben und ich konnt mir das wieder alles voll bildlich vorstellen *_*
Das Telefonat mit Uru-chans Schwester fand ich genial... "Es ist Reita!" XDD Wah~ *sich nich mehr eingekriegt hat* XD
Einfach supi! Freu mich schon wieder auf was neues!
Liebste Grüße Naoi ^____^/)))


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