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40 Tage, 40 Nächte

von

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Kapitel 1

Du warst weg. Nicht, dass ich etwas anderes erwartet hätte, immerhin hast du mich ja vorher gefragt, ob es mir etwas ausmachen würde, wenn du mal für ein paar Tage wegfahren würdest.

Sieben Tage warst du also schon weg, als ich zu dir nach Hause fuhr, um dort nach dem Rechten zu sehen und gegebenenfalls die Pflanzen zu gießen. Als ich dein Haus betrat, merkte ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Eine Vase war umgestoßen, das Wasser auf dem Boden verteilt und die Blume verwelkt – okay, das könnte auch durch einen Windstoß passiert sein, versuchte ich mich zu besänftigen. Was mich aber am meisten beunruhigte, war dein eingeschalteter CD-Player. Du würdest niemals aus dem Haus gehen, ohne alle Geräte abzustellen, schon gar nicht vor einer Reise.
 

Ich versuchte dich zu erreichen, mich vergewissern, dass es dir gut ging, aber du gingst nicht an dein Handy. Eine Angst, wie ich sie noch nie erlebt hatte, machte sich in mir breit. „Jan, wo bist du?“ fragte ich immer wieder, wohl wissend, dass du mich nicht hören konntest. Ich setzte mich in mein Auto, wollte zur Polizei fahren, wollte irgendetwas unternehmen. Da klingelte mein Handy. Du warst es. „Jan, wo bist du?“, fragte ich dich sofort. Deine Stimme zitterte: „Rod, hör mir gut zu. Du musst bitte sofort her kommen.“ Du nanntest mir noch eine Adresse und ehe ich noch etwas hätte sagen können, hast du aufgelegt. Du hattest Angst, das habe ich sofort gemerkt. Es tat weh, dich so zu hören. Im Nachhinein denke ich, hätte ich hier die Polizei rufen sollen, hätte sie dorthin schicken sollen und sie hätten dich, was auch immer dir zugestoßen war, retten können – aber im Nachhinein weiß man alles besser, oder? Ich fuhr also los. Nach einer schier endlosen Zeit kam ich bei der von dir genannten Adresse an. Ein altes Haus, mutterseelenallein in der Einöde. Niemand würde hier freiwillig herkommen.

„Was suchst du hier bloß?“, fragte ich dich im Gedanken. Ich trat ein – die Tür war nicht abgeschlossen – und rief nach dir. Ein Arm legte sich so um mich, dass ich mich weder umdrehen noch meine Arme bewegen konnte. Ich wurde gegen einen fremden Körper gedrückt und spürte etwas Kaltes an meiner Kehle – es schien ein Messer zu sein. Das alles ging viel zu schnell, ich konnte mich nicht wehren. Wortlos wurde ich über eine Treppe in den Keller geführt. Vor einer dicken Stahltür, wie man sie normalerweise nur an Kühlräumen vorfindet, blieben wir stehen. Als sie aufging, sagte mein „Begleiter“: „Chef, er ist da!“ Der Mann im Raum hinter der Tür drehte sich um und grinste dreckig. Als er einen Schritt zu Seite trat, spürte ich, wie mein Herz stehen blieb, sich in meinem Inneren alles zusammenzog. Sie hatten dich an deinen Gelenken und deinem Hals an die Wand gekettet, dir den Mund mit Klebeband zugeklebt. Du warst leicht nach vorne gebeugt, nackt und verletzt. Überall hattest du offene Wunden, von Blutergüssen ganz zu schweigen. Du hast gezittert, hattest Angst, hast mich mit einem Blick angesehen, als wolltest du sagen, dass es dir Leid tut, mich hier mit reingezogen zu haben.

„Jan“, hauchte ich entsetzt. Ich wollte zu dir, dich in den Arm nehmen und dir sagen, dass alles wieder gut wird, doch sie ließen mich nicht.

„Nicht so hastig mein Freund“, meinte der Chef belustigt.

„Zieh dich aus!“, befahl er mir. Ich wollte mich wehren, da riss er dir den Kopf an den Haaren zurück. Du stöhntest leicht vor Schmerz. Da wurde mir klar, dass sie dich für meinen Ungehorsam bestrafen würden. Ich schlüpfte also aus meinen Schuhen, während ich gleichzeitig meine Hose öffnete. Ich stieg aus ihr, zog mein Hemd über den Kopf und die Socken von den Füßen. Ich wollte mir gerade meine Unterwäsche ausziehen, da meinte er abwinkend: „Das reicht schon.“ Er gab dem Typen hinter mir ein Zeichen. Ich musste mich neben dich setzen, wurde so angekettet, dass wir um wenige Zentimeter nicht berühren konnten. Währenddessen ließ der Chef deinen Kopf los, fuhr mit seinem Handrücken leicht an deiner Wange auf und ab, hauchte dir beinahe sanfte Küsse zu. Kurz trafen sich unsere Blicke bevor du deinen beschämt zu Boden richtetest. Er riss dir das Klebeband ab und drückte dir einen Kuss auf. „Lassen Sie ihn los, Sie Schwein“, schrie ich. Doch er machte weiter, beachtete mich gar nicht, schob dir seine Zunge in den Hals. Du hast dich nicht gewehrt, ließt es einfach geschehen. Mir wurde ein Streifen Klebeband über den Mund geklebt. Als er mit dir fertig war, stand er auf, hob dein Kinn an, sodass du ihn ansehen musstest. Er rammte dir sein Knie in den Bauch, du krümmtest dich vor Schmerzen. Dann sah er mich an und fragte mich: „Hast du denn noch immer nicht gelernt?“ Daraufhin ließen sie uns alleine in diesem Raum zurück.
 

Wir sahen uns an. Ich wünschte, ich könnte etwas für dich tun, aber ich kam einfach nicht an dich heran. Tränen liefen an deinem Gesicht herab, tropften von deinem Kinn. Wir schienen über unsere Blicke zu kommunizieren. Irgendwann schliefst du erschöpft ein und auch mir fielen bald darauf die Augen zu.
 

Ich wachte durch das Zuknallen der schweren Stahltür auf. Der Chef ging zu dir, band dich los, schliff dich etwa in die Mitte des Raumes und fesselte dich an eine Kette, die von der Decke baumelte, sodass du aufrecht knien musstest. Mir wurde das Klebeband abgerissen und eine Scheibe Brot und ein Glas Wasser unter die Nase gehalten. „Warum bekommt Jan nichts?“ fragte ich den Chef, der ein wenig mit einer Peitsche spielte. „So sind die Regeln“, meinte er. Ich hörte einmal mehr, wie dein Magen knurrte. „Er hat aber Hunger“, schrie ich. Als Antwort traf der Mann dich ein paar Mal hart mit der Peitsche. „Iss einfach. Is’ besser so“, flüsterte mir der andere zu. Wortlos würgte ich mein Essen hinunter. Ich hatte Hunger, großen sogar, aber mir fehlte jeglicher Appetit. Währenddessen kam der Chef auf dich zu, ließ sich hinter dir auf die Knie fallen, sodass deine Beine zwischen seinen waren. Als mir der Mund wieder zugeklebt wurde, fuhr er gerade mit seinen Händen an deinen Oberschenkeln entlang, zuerst außen, dann innen. Immer näher an deinen Genitalien, bis er sie dann mit dem Zeigefinger „streichelte“. Seine andere Hand hielt dich an ihn gedrückt, du warst seinen Berührungen hilflos ausgeliefert. Du drehtest deinen Kopf zur mir abgewandten Seite, versuchtest krampfhaft deine Tränen zu unterdrücken. An seinem Blick erkannte ich, was er als nächstes tun würde. Ich konnte nicht mehr zusehen, drehte mich weg, schloss die Augen und ließ meinen Tränen freien Lauf. Ich hörte, wie er sich die Hose öffnete, ein darauf folgendes kurzes gedämpftes Stöhnen von dir verriet mir, dass er in dich eingedrungen war. Als er seinen Höhepunkt erreicht hatte, blickte ich zu dir. Dein Körper bebte durch dein Weinen. Er stand genüsslich auf, schloss seine Hose wieder, stellte sich vor dich hin und sah dich an. Gedemütigt sahst du ihn an, als er mit der Hand an deinem Kinn deinen Kopf hob und an deiner Wange entlang strich. Nachdem er dich von der Kette losgemacht hatte, sacktest du zusammen, machtest dich so klein wie möglich. Er schliff dich an den Haaren zu mir. Sie fesselten deine Arme über meinem Kopf an die Wand, sodass du dich mir zugewandt auf meinen Schoß setzen und deinen Kopf an meinen Schultern ausruhen konntest. Sofort schmiegten wir uns so gut es geht aneinander. Es waren für dich die ersten liebevollen Berührungen seit einer kleinen Ewigkeit. „Och, wie süß“, meinte der Chef dreckig grinsend. Nachdem er gegangen war, riss uns der andere das Klebeband ab, dann verließ auch er den Raum.
 

Ich hauchte zärtlich deinen Namen. Wir lehnten uns an der Stirn an, sahen uns in die Augen.

„Es tut mir Leid, dass ich dich da mit reingezogen habe“, flüstertest du.

„Du kannst doch nichts dafür.“

„Aber…“

„Schhhh…“, unterbrach ich dich und küsste dich sanft auf die Stirn.

Du legtest deinen Kopf auf meine Schultern.

„Was ist passiert?“, fragte ich, als du dich wieder einigermaßen beruhigt hattest.

„Ich…also…ich bin vom Spazieren heimgekommen und hab den CD-Player eingeschaltet, als ich duschen ging. Danach hab ich mich angezogen und wollte auf dem Sofa noch was lesen. Da hat ER mir mit der Hand den Mund zugehalten, mich an sich gedrückt und eine Waffe an den Kopf gehalten. Er hat gesagt, wenn ich ruhig bleibe, wird mir nichts passieren…“ Du fingst erneut zu weinen an. „Ich hatte solche Angst. Ich…ich war wie gelähmt, ich konnte nichts tun.“

„Jan, du wurdest bedroht…jeder hätte so reagiert“, ich hoffte, diese lächerlichen Worte könnten dich irgendwie beruhigen.

„Aber…ich bin doch viel größer als er, ich…ich hätte mich wehren können.“

„Nein Jan, denk nicht so…Was glaubst du, was er dann getan hätte?“

Du sahst mich an. „Er hätte mich wahrscheinlich erschossen, oder?“

Ich nickte.

Du erzähltest mir noch, dass der Chef dich ständig misshandelte. Für jede Kleinigkeit wurdest du bestraft, sogar für Sachen, für die du gar nichts konntest, wenn ER zum Beispiel nicht den optimalen Orgasmus hatte oder wenn es IHM dafür zu lange dauerte. Du wurdest also auch täglich missbraucht, manchmal sogar mehrmals.
 

An diesem Tag – war es überhaupt ein ganzer Tag? War es überhaupt ein anderer Tag, als der, an dem ich hergebracht wurde? Wir hatten jegliches Zeitgefühl verloren – kamen unsere Entführer nur noch einmal um uns wieder zu trennen. Der Chef ging nicht, ohne dich noch einmal zu berühren. Er fuhr dir zwischen die Beine, nahm deine Genitalien genüsslich in die Hand. Dann strich er an deinem Hintern entlang, führte dir zuerst einen, dann zwei, zum Schluss drei Finger ein. Mit der anderen Hand hielt er deinen Kopf fest, du musstest ihn ansehen. Er presste seine Lippen auf deine, schob dir seine Zunge in den Hals. Er drang hart in dich ein, deine Beine waren so gefesselt, dass es für ihn ein Leichtes war, dein Becken auf seinen Schoß zu heben. Um nicht stöhnen zu müssen, biss er dir ein paar Mal kräftig in die Schulter, bis die Stelle zu bluten begann.

Anschließend wurden wir wieder geknebelt und alleine gelassen.
 

Ich wurde wach als ich von der Wand losgekettet wurde. Du knietest mit dem Rücken zu mir, die Hände hinter deinem Kopf verschränkend in der Raummitte und sahst zu Boden. Der Chef hielt dir die Pistole an den Kopf. Als ich hochgezogen wurde, befahl er auch dir, aufzustehen. Wir wurden in eine Art Waschraum geführt. Wir durften uns duschen; es war ein herrliches Gefühl, das warme Wasser auf meiner Haut zu spüren. Auch hier zeigte sich wieder einmal, dass wir unterschiedlich behandelt wurden. Während ich mich ungefesselt, hinter einer Mauer versteckt mit warmem Wasser abduschen konnte, musstest du dich vor uns hinknien, deine Hände wurden an einer Vorrichtung angekettet und sie spritzten deinen geschundenen Körper durch einen Schlauch mit eiskaltem Wasser ab. Als sie fertig waren hast du vor Kälte gezittert. Ich konnte dich nicht einmal umarmen, um dich zu wärmen.

Sie brachten uns wieder zurück, ketteten uns an unsere Plätze und verschwanden. Ich wünschte, ich könnte etwas für dich tun, doch ich musste mit ansehen wie du leidest. Dir war unglaublich kalt, und hattest nicht einmal die Möglichkeit, dich wärmend zusammenzurollen.

Später kamen sie zurück. Sie ketteten dich wieder zu mir, damit ich dir in die Augen sehen musste, als ER dich missbrauchte. Dein Blick, der so viele Emotionen auf einmal zeigte, brannte sich in mein Hirn ein, ich werde ihn wohl nie vergessen können. Ich sah deine Angst, deine Hilflosigkeit und deine tiefe Demütigung. Ich wollte mich wegdrehen, wollte wegschauen, um nicht deinem Blick standhalten zu müssen, doch ich konnte dich jetzt nicht im Stich lassen. Ich musste dir doch zeigen, dass du nicht allein leiden musstest, dass wir das gemeinsam durchstehen würden. Tränen liefen über dein Gesicht, wegen des Klebebandes bekamst du kaum noch Luft.

Danach ging der Chef und uns wurde wieder der Knebel abgenommen. Du holtest tief Luft, versuchtest, dein Sauerstoffdefizit wieder abzubauen. Wortlos und erschöpft lehntest du dich an mich.
 

Einige Zeit ging es so weiter. Dann kamen Veränderungen, der Assistent wurde gewechselt. War der alte uns gegenüber noch relativ „sanft“, sorgte dafür, dass wir uns, wenn auch nur mit den Fingern durch locker gestellte Fesseln, berühren konnten, sah weg, wenn der Chef sich an dir verging, schien der neue noch sadistischer als der Anführer zu sein. Auch er missbrauchte dich - es turnte ihn an, wenn er dich bloß sah. Auch er schlug dich, ja, er drosch auf dich ein, als gäbe es kein Morgen. Danach durfte ich dich jedes Mal versorgen. Wenn man es überhaupt versorgen nennen konnte. In Wirklichkeit tat ich einfach etwas dafür, dass die Blutungen aufhörten. Du lagst dann auf dem Boden, Hände und Füße waren, wie bei mir, gefesselt. Unsere Münder brauchten sie nicht mehr zuzukleben, da wir sowieso kaum noch miteinander redeten. Du schon gar nicht, meist sagte ich nur irgendwelche beruhigenden Worte, da ich hoffte, dir so dein Leid etwas zu lindern. In Wahrheit versuchte ich, meine Hoffnung, dich hier lebend wieder rauszubringen, nicht zu verlieren. Wir kommunizierten mehr durch unsere Blicke. Wir kannten uns nun schon so lange, dass ein Blick genügte und der andere wusste, was man sagen wollte.
 

Jeder Tag – ich denke mal, dass die Zeitspanne ein Tag war – lief eigentlich fast so ab wie der andere. Der einzige Unterschied war die Häufigkeit, mit der sie uns „besuchten“. Mir gaben sie immer ein Brot und ein großes Glas Wasser, während sie dir jegliche Nahrung verweigerten. Du wurdest immer wieder geschlagen und musstest sie mit allen Mitteln, die du aufbringen konntest, befriedigen; an deinem Körper gab es keine unverletzte Stelle mehr. Ein paar Knochen schienen gebrochen zu sein, die Haut am Rücken wurde mit jedem Peitschenhieb aufs Neue aufgerissen, die an deinen Gelenken durch die dauernde Reibung mit den Fesseln aufgeschürft, die Anzahl der Blutergüsse stieg ins Unendliche. Alle drei Tage wurden wir geduscht, wo du dann auch ein wenig, immerhin so viel, um nicht zu verdursten, trinken konntest. Du erlittst immer wieder Muskelkrämpfe, ich denke, das kam vom Nahrungsmangel.
 

Wenn ich richtig gezählt habe, dann waren wir mittlerweile vier beziehungsweise fünf Woche hier gefangen. Als sie wieder einmal hereinkamen, lagen wir ungefesselt auf dem Boden. Wo sollten wir auch hin? Ich würde dich nicht alleine zurücklassen und du warst viel zu schwach, um zu fliehen.

Der Chef ging sofort auf dich los, trat auf dich ein, richtete dich auf, um dich gleich darauf durch gezielte Schläge wieder zu Boden sacken zu lassen. Der andere sollte mich an die Wand ketten, doch deine gedämpften Schreie erregten ihn so sehr, dass er mich nur an einer Hand festbinden konnte, bevor er sich an dir vergehen musste. Nachdem sie beide durch dich ihren Orgasmus bekommen hatten, schlugen sie weiter auf dich ein, es schien kein Ende zu nehmen. Ich versuchte, von der Fessel loszukommen, ich war mir sicher, dass sie dich umbringen wollten. Du krümmtest dich vor Schmerz, versuchtest, den Schlägen zu entkommen, doch du hattest keine Chance. Ein stechender Schmerz in meiner Schulter trat auf, als ich mich gewaltsam befreit hatte. Es war mir egal, denn dich zu retten war das Einzige, was zählte. Ich nahm etwas – ich weiß nicht mehr, was es war – und schlug damit auf sie ein. Immer wieder, bis sie bewusstlos zusammenbrachen. Unsere Chance war gekommen.

„Jan, ich hol schnell Hilfe, okay? Ich bin gleich wieder da!“

„Nein…bitte, Rod, lass mich nicht allein.“ Auf keinen Fall wolltest du noch länger bei denen sein. Kaum auszudenken, was sie mit dir machen würden, wenn sie aufwachen würden, bevor ich wieder da wäre. Ich legte deinen Arm um meine Schultern, damit du dich auf mich stützen konntest. Wir schlossen die Tür und gingen gemeinsam langsam die Stiege hinauf. Im Erdgeschoss, in der Küche, gaben deine Füße nach.

„Ich kann nicht mehr…“

Ich setzte dich behutsam auf den Boden, lehnte deinen Oberkörper an einen Schrank an. „Halt durch, Jan“, sagte ich mit Tränen in den Augen. Die Angst, dich zu verlieren, war größer denn je. Du schienst wie ein blutendes Skelett mit deinem schwer verletzten und abgemagerten Körper. Verzweifelt sah ich mich um. Ich fand ein Glas, ließ es mit Wasser voll laufen und brachte es dir. Du trankst es vorsichtig, du hattest zwar einen großen Durst, aber das Schlucken tat dir unheimlich weh. Ich fand ein Telefon und rief den Notarzt an. Sie versprachen, so schnell wie möglich da zu sein und gaben mir die Anweisung, dich wach zu halten. Über einem Sessel hängend entdeckte ich schließlich unsere Kleidung. Ich schnappte deine Shorts und zog sie dir, so schmerzfrei es ging, an. Ich wusste, dass sie sie dir im Krankenhaus wieder ausziehen würden, doch ich wollte dir etwas von deiner Würde zurückgeben, dachte, du würdest nicht komplett unbekleidet von den Sanitätern gefunden werden wollen.

„Danke“, flüstertest du. Dein Oberkörper neigte sich immer mehr dem Boden zu. Du wolltest dich hinlegen und schlafen, um vielleicht den Schmerzen entgehen zu können. Ich verstand es, aber ich durfte das nicht zulassen.

„Hey“, sagte ich sanft, als ich mich zu dir setzte und deinen Kopf auf meinen Schoß bettete. „Du darfst nicht einschlafen, hörst du?“

„Aber…es tut so weh.“

„Halt durch, Jan. Bitte…versprich mir, dass du durchhältst…Du hast einen Monat durchgehalten, da kannst du jetzt nicht aufgeben.“

„Aber…“

Sanft strich ich dir über den Kopf, versuchte, deine Verletzungen nicht zu berühren, um dir nicht unnötige Schmerzen zu bereiten.

„Hör zu: Im Krankenhaus kannst du dann schlafen, solange du willst, aber jetzt musst du noch einmal stark sein.“

Wir sahen uns an. Wir wussten, dass wir so gut wie frei waren, aber wir trauten uns nicht, uns zu freuen. Zu wissen, dass die beiden unten im Keller lagen und jederzeit rauf kommen könnten, bereitete uns noch immer große Angst. Was, wenn sie wieder zu sich kämen, ehe die Rettung da wäre? Schließlich hatten wir vergessen, die Tür mit der dafür vorgesehenen Kette zu versperren. Ich hätte es eigentlich noch machen können, aber ich wollte dich nicht mehr alleine lassen. Du zittertest, ich zog dich näher an mich heran.
 

Ich bemerkte die Sirenen zuerst. Sie waren noch ganz leise, aber das stetige Steigern ihrer Lautstärke verriet mir, dass sie näher kamen.

"Jan, hörst du die Sirenen? Bald sind wir gerettet."

"Ist es jetzt vorbei?"

Ich nickte und weinte Tränen der Erleichterung.

Du begannst zu Husten. Ich richtete dich etwas aus, da spucktest du Blut und mit jedem Husten wurde es mehr.

"Halt durch...bitte, halt durch", flehte ich dich an.

Die Haustüre wurde eingetreten und Polizisten kamen herein, ihnen folgten die Notärzte. Ich schickte die Polizisten in den Keller, während du behutsam aber schnell auf eine Trage gelegt wurdest. So schnell wie möglich brachte man uns in das nächste Krankenhaus.

Kapitel 2

Wir wurden in verschiedene Behandlungsräume gebracht. Ich hatte mir die Schulter ausgerenkt und die Unterarmknochen gebrochen - beides am rechten Arm. Ich hab gar nicht bemerkt, dass er wehtat. Das muss wohl passiert sein, als ich mich von der Wand losgerissen habe. Er wurde eingerenkt, eingegipst und in eine Schlinge gebettet, um ihn zu schonen. Ich bekam Infusionen, etwas zu essen und einen Pyjama zum Anziehen. Eine Schwester hielt mich über deinen Zustand am Laufenden. Sie sagte, dass mehrere deiner Rippen und dein Arm gebrochen wären, du dir schwere Kopfverletzungen und innere Blutungen zugezogen hast, weshalb man dich gerade operieren würde.

Ich fragte, ob du durchkommen würdest. Sie antwortete ausweichend, dass man das jetzt noch nicht sagen könne.

Man wollte mich auf ein Zimmer bringen, doch ich wehrte mich. Ich musste so nah wie möglich bei dir sein. Schließlich gaben die Schwestern nach und ich wurde mit dem Rollstuhl zum Warteraum vor den OPs gebracht. Bevor sie ging, gab mir die Schwester noch eine Decke. Erst jetzt bemerkte ich, wie kalt mir eigentlich war, so sehr hatte mich die Sorge um dich abgelenkt.

Die "Berichterstatterin" kam aus dem OP und erzählte mir, dass dein Herz stehen geblieben war, man dich aber erfolgreich reanimieren konnte und dein Zustand wieder halbwegs stabil war. Ich war geschockt, beinahe hätte ich dich verloren. Beinahe wärst du von mir gegangen, hättest mich alleine zurückgelassen und das letzte, was du erlebt hättest, wären diese grausamen 40 Tage gewesen. Die Schwester sagte noch, dass deine OP noch einige Stunden dauern würde, ich mich also ruhig ins Bett legen und etwas schlafen könnte. Ich weigerte mich abermals, ich musste einfach hier bleiben und ich würde nicht weggehen, bevor ich nicht wusste, dass du die Operation gut überstanden hast und wieder gesund werden würdest. An Schlafen war sowieso nicht zu denken.
 

Ich rief bei unseren Familien und bei Bela an, sagte ihnen, wo wir waren, dass es mir gut gehe und ich nichts über deinen Zustand wüsste. Ja, ich habe sie angelogen, ich wollte sie nicht beunruhigen. Ich wollte ihnen nicht sagen, dass du vielleicht...sterben könntest. Bei dem Gedanken daran fing ich wieder an zu weinen. Ich verdrängte ihn schnell wieder. Da wir weit weg von unseren Wohnorten waren, würde es einige Zeit dauern, bis jemand von unseren Besuchern hier wäre.

Später kam die Polizei vorbei, ich machte eine Aussage. Du müsstest keine machen, wenn du nicht möchtest, sagten sie. Wahrscheinlich würde das das Beste für dich sein, dachte ich. Du würdest dich sicher nicht mehr freiwillig zurück erinnern wollen.
 

Bela und unsere Geschwister kamen. sie wagten es nicht, mir eine Frage zu stellen, mein Blick schien alles zu sagen. Nach und nach erzählte ich, was passiert ist, wie es um dich stand. Ich lehnte mich an Bela, der mir zärtlich durch die Haare strich. Dann endlich kam dein Arzt, sagte, dass die OP gut verlaufen wäre. Sie haben dich in ein künstliches Koma versetzt, um dir die größten Schmerzen zu ersparen und deinem Körper die Möglichkeit auf Erholung zu geben. Er sagte, du hättest Glück gehabt: ein paar Tage später und du wärst verhungert. Er sagte auch, dass dein größtes Problem keine deiner schweren Verletzungen wäre, sondern der akute Nahrungs- und Wassermangel. Du wärest auch etwas unterkühlt, meinte er noch.

Wir wurden zu deinem Zimmer auf der Intensiv-Station gebracht. Da ich in etwa wusste, was uns erwartete, warnte ich die anderen vor, dass du sehr, sehr dünn sein würdest. Trotzdem erschraken wir alle, als wir dein Zimmer betraten und dich sahen. "Nur noch Haut und Knochen", wisperte deine Schwester, sie hatte Recht.

Dein Oberkörper, deine Schultern und Oberarme waren durch einen Pyjama bedeckt, die Decke reichte dir bis an die Brust. Deine Beine schiene auf Polster zu liegen, zumindest waren sie leicht erhöht. Damit deine Verletzungen an deinem rechten, gebrochenen Arm besser verheilen konnten, war dieser geschient und nicht eingegipst wie meiner. Am deinem anderen hefteten Infusionen, die dich Vitaminen, Wasser (oder besser gesagt: Kochsalzlösung, um dich zu rehydrieren) und Blut versorgten. Auch er war teils verbunden und zugepflastert. Der Kopfteil des Bettes war etwas erhöht, dein Kopf auf meine Seite gewandt. Ich hatte mich an die, von dir aus gesehene, linke Seite gesetzt, damit meine heile Hand deine ungeschiente halten konnte, ohne, dass ich mich irgendwie hätte verdrehen müssen. Man hatte dir die Haare abrasiert und deinen Kopf dafür einbandagiert. Du schienst um dein rechtes Auge genäht worden zu sein, die Narbe wurde von einem Pflaster bedeckt. Ein weiteres größeres Pflaster hattest du am Hals kleben, in etwa dort, wo sich die Halsschlagader befindet. Ich erinnerte mich, wie der Neue dir heute an dieser Stelle mit einem Messer eine Schnittwunde zugefügt hatte; sie war zwar nicht tief oder gar lebensgefährlich, musste aber genäht werden. Über eine Nasensonde wurdest du mit Sauerstoff versorgt, du konntest aber Gott sei Dank selbstständig atmen. Ich sage "Gott sei Dank", weil das einer der Phrasen ist, die man einfach so sagt. Ich glaube nicht mehr an Gott, nicht, nachdem du so leiden musstest und ich dir dabei zusehen musste.

Zu deinem Körper führten mehrer Schläuche und Kabeln, wohin genau wurde durch das Hemd verdeckt. Sie verbanden dich mit Maschinen, deren Bildschirme mir Rätsel aufgaben. In deinem Zimmer war es nahezu ruhig, nur das Piepen des EKGs und unser aller Atem durchbrachen die Stille. Ich nahm deine kalte knochige Hand und strich zärtlich mit meinem Daumen über ihren Rücken, darauf bedacht, die daran steckende Infusionsnadel nicht zu berühren. Keiner von uns wagte etwas zu sagen, wir waren viel zu bestürzt von deinem Anblick.
 

Man bat uns, dein Zimmer wieder zu verlassen. Die anderen drei gaben dir einen Kuss auf die Stirn oder drückten sanft deine Hand und verabschiedeten sich von uns. Die Pflegerin wollte auch mich zum Gehen bringen, aber ich ließ es nicht zu. Ich wollte bei dir bleiben, dich nicht alleine lassen.

"Herr González, Sie sollten wirklich auf Ihr Zimmer gehen und sich ausruhen!" Sie versuchte, mich in meinem Rollstuhl wegzufahren, doch ich zog noch rechtzeitig die Bremse, sodass er sich nicht fortbewegen konnte. "Ich will hier bleiben", knurrte ich sie an. Nach einigem Hin und Her gab sie auf und ließ uns alleine.

"Vierzig Tage warst du dort, wusstest du das? Vierzig Tage warst du da gefangen, wurdest misshandelt und...vergewaltigt...aber du hast durchgehalten." Ich beugte mich vor um dich zu küssen, streichelte an deinem Wangenknochen entlang.

"Gib jetzt nicht auf", flüsterte ich dir ins Ohr.

Am liebsten hätte ich meinen Kopf auf deine Brust gelegt, wollte spüren, wie du atmest und dein Herz schlägt. Ich traute mich nicht, hatte Angst, ich würde dir Schmerzen zufügen oder dir das Atmen erschweren. Ich lehnte mich also im Rollstuhl zurück und schlief, erschöpft durch die Strapazen des heutigen Tages, ein.
 

Ich versuchte, so lange wie möglich bei dir zu sein. Zum Essen, Schlafen und zur Visite musste ich dennoch auf mein Zimmer. Man sagte mir, sobald du aus dem Koma erwachen würdest und es dein Zustand erlauben würde, würden wir in ein Krankenhaus gebracht werden, das näher an unserem Zuhause lag.

Als ich am vierten Tag aufwachte, stand eine Schwester bei mir im Zimmer. Sie sagte, dass sich deine Werte gebessert haben und du noch heute aufwachen würdest. Sofort musste ich zu dir, wurde aber von ihr aufgehalten.

"Zuerst müssen Sie etwas essen, Herr González."

Widerwillig schlang ich mein Frühstück hinunter, vorher hätte sie mich nicht gehen lassen.
 

Ich war schon eine Weile bei dir im Zimmer, als ich kleine Bewegungen an meiner Hand, in der ich deine hielt, spürte. Sie war so klein, dass ich mir dachte, ich hätte sie nur eingebildet. Da war sie wieder, diesmal etwas kräftiger. Gespannt sah ich in dein Gesicht. Deine Augenlieder begannen zu zucken. Langsam öffneten sie sich, schlossen sich aber gleich darauf wieder. Es musste eine ziemliche Anstrengung für dich gewesen sein, das zu tun. Du versuchtest es noch einmal, hattest aber kaum mehr Erfolg. Erst beim dritten Mal hattest du genug Kraft, deine Augen offen zu halten. Du sahst mich an.

"Hey", sagte ich leise und strich dir über die Wange. Du lächeltest beinahe unmerklich.

"Jan...ich...ich hatte solche Angst, dich zu verlieren." Dann begann ich zu weinen. Es schien, als würde all die Anspannung und Angst, die sich in letzter Zeit in mir aufgestaut hatte, plötzlich über mich hereinbrechen, als ich meinen Kopf heulend neben deinen auf den Polster legte. Ich spürte, wie du schwach über meine Hand streicheltest. Bald darauf schliefst du erschöpft wieder ein, während ich mich langsam wieder beruhigte.

Eine Schwester, die das Zimmer betrat, erklärte mir, dass wir in zwei bis drei Tagen in das andere Krankenhaus gebracht werden würden. Als sie deine Decke etwas zurückzog und dein Hemd öffnete um die Verbände zu wechseln, riss ich entsetzt die Augen auf – ich konnte jeden einzelnen deiner Knochen sehen.
 

Die Momente, in denen du wach warst, wurden immer mehr und länger. Schließlich wurdest du auf eine Trage gehoben und wir wurden aufs Dach des Krankenhauses gebracht. Dort wartete schon ein Hubschrauber auf uns. Du wurdest hinein geschoben und ich kletterte, unentwegt deine Hand haltend, hinterher. Ungefähr eine Stunde später kamen wir im anderen Krankenhaus an. Mittlerweile warst du wieder eingeschlafen. Du wurdest auf ein Einzelzimmer gebracht. Es war mit einem kleinen zusätzlichen Bett ausgestattet, auf dem ich schlafen konnte. Mir ging es wieder gut, sodass ich keinen stationären Aufenthalt mehr nötig hatte. Du würdest allerdings noch ein paar Wochen hier bleiben müssen, da dein Körper die Zeit brauchte, um sich wieder zu regenerieren. Bela besuchte uns noch am selben Tag und brachte paar Sachen mit.

Seit du aus dem Koma aufgewacht warst, hattest du noch kein einziges Wort gesprochen. Du ließt auch nahezu keinen an dich heran, immer wieder musste ich beruhigend auf dich einreden, damit der Arzt dich untersuchen oder eine Schwester dir die Verbände wechseln konnte. Diese Reaktion war verständlich, immerhin hattest du eine grausame Zeit durchlebt, in der du gezwungen wurdest, Berührungen zu erdulden, die du gar nicht wolltest und musstest das erst einmal verarbeiten. Ich war der einzige, dem du zu vertrauen schienst. Ich sagte auch den anderen, dass sie uns etwas Zeit geben sollen, um dich mit ihren Besuchen nicht zu überanstrengen.
 

Die Ärzte erstellten für dich eine spezielle Diät, um deinen Körper langsam wieder an feste Nahrung zu gewöhnen. Anfangs musste ich dich zum Essen zwingen. Du hattest zwar Hunger, aber das ganze schien dir den Appetit geraubt zu haben. Wobei…zwingen ist nicht das richtige Wort, ich habe dich eher darum gebeten und eigentlich hattest du auch keine andere Wahl, als ich dir die Nahrung unter die Nase hielt und dich unaufhörlich zum Zubeißen aufgefordert und angefeuert habe. Du quittiertest es mit einem milden Lächeln.

Ich versuchte immer, nicht etwas von dir zu verlangen, was du nicht wolltest; du solltest merken, dass es mir wichtig war, dass es dir gut dabei ging, dass du dich sicher und von mir respektiert fühltest. Selbst wenn ich dich im Bett etwas aufrichtete, damit du bequemer liegen konntest, fragte ich dich vorher, ob ich das auch wirklich tun dürfe, ich wollte nichts ohne deine Erlaubnis machen.
 

Du saßest in einem Rollstuhl am Fenster, als ich an diesem Tag dein Zimmer betrat. Ich war kurz Zuhause, hab mich geduscht, mir etwas Frisches angezogen und etwas gegessen. Du hast geschlafen, als ich gegangen bin, also habe ich dir einen Zettel geschrieben, damit du weißt, wo ich war. Als ich also hereinkam, warst du mit einer Decke zugedeckt, denn dir war ständig kalt. Wenn man, so wie du, kaum was auf den Knochen hat, war das ja nur logisch. Ich setzte mich auf einen Sessel neben dich und sah dich an. Wir saßen eine Weile so da, du hast den Kopf zum Fenster hin gedreht und sahst hinaus. Ich merkte, wie du mich manchmal kurz so aus den Augenwinkeln betrachtetest, so als würdest du darauf warten, dass ich etwas sagen würde. Ich begann leicht zu lachen, als du es schon wieder machtest, du sahst mich gespielt beleidigt an.

„Hey“, begrüßte ich dich nun und küsste dich an die Schläfe.

Du lächeltest. Ich glaubte, in deinem Blick so etwas wie Heimweh entdeckt zu haben.

„Was hast du?“

Du sahst mich unverändert an.

„Du willst nach Hause, oder?“

Du nicktest, sahst traurig zu Boden, wusstest du doch, dass du darauf noch lange warten musstest.

Ich strich dir sanft über die Wange. „Ich werd mal sehen, was sich machen lässt.“ Ich stand auf und ging zu deinem Arzt.
 

Ich glaube, ich habe ihn mindestens eine Stunde lang bequatscht, habe gesagt, dass es für dich bestimmt das Beste wäre, endlich zu Hause zu sein, dass du einfach dein gewohntes Umfeld brauchen würdest. Am Ende hatte ich stark daran gezweifelt, war mir sicher, dass das alles umsonst war, sie dich nicht gehen lassen würden. Doch es schien wirklich geholfen zu haben. Nachdem ich mehrmals versprechen musste, darauf zu achten, dass du im Bett liegen bleiben, dich schonen und auch wirklich richtig und plangemäß essen würdest und ich dich zweimal in der Woche zur Untersuchung ins Krankenhaus bringen würde, durfte ich dich mit nach Hause nehmen. Gleich am nächsten Tag würdest du entlassen werden.

Als ich es dir sagte, wolltest du es erst selbst kaum glauben. Bald darauf begannst du zu strahlen, soweit es dein Zustand zuließ.
 

Am nächsten Tag nach dem Frühstück kam der Arzt noch einmal in dein Zimmer und erklärte uns noch einmal mit aller Wichtigkeit, was wir alles zu beachten hatten. Nachdem er gegangen ist, half ich dir beim Anziehen, setzte dich, mit Hilfe einer Schwester, in den Rollstuhl und schob dich zu Bela, der vor dem Gebäude schon mit seinem Wagen auf uns wartete, da ich mit meinem eingegipsten Arm nicht fahren konnte.

Zuhause angekommen brachten wir dich erstmal in dein Bett. Deine Augen strahlten, als wir dein Haus betraten, das du vor zwei Monaten gewaltsam hast verlassen müssen. Während Bela uns einen Tee zubereitete, half ich dir beim Umziehen, und legte dir die Polster so in den Rücken, dass du im Bett ohne Anstrengungen sitzen konntest. Ich setzte mich zu dir aufs Bett – es war ein großes, auf dem wir beide genug Platz hatten – und beobachtete dich, wie du deine Beine langsam an dich heran zogst, du etwas an der Decke herum spieltest. Deine Wunden waren sehr gut verheilt, nur noch leichte Narben erinnerten an sie, aber auch diese würden bald verschwunden sein. Bis auf die Schiene waren alle deine Pflaster und Verbände entfernt worden. Du schienst etwas sagen zu wollen, doch genau in diesem Moment kam Bela mit drei Tassen ins Zimmer. Wir redeten belangloses Zeug, du saßest schweigend daneben und nicktest oder schütteltest ab und zu den Kopf.

Am späten Nachmittag fuhr Bela nach Hause. Ich begleitete ihn noch zur Tür.

„Danke für alles“, sagte ich, als wir uns kurz umarmten.

„Hey, ist doch selbstverständlich!“

„Nein, ehrlich. Ich…danke.“

„Rod, da gibt’s nichts zu danken. Das ist doch klar, dass ich helfe. Nach allem, was ihr beiden durchgemacht habt!“

„Ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll. Es…es tut so weh, Jan so leiden zu sehen und ich kann nichts dagegen tun“, ich spürte, wie mir vereinzelte Tränen herab liefen.

„Oh doch, das kannst du. Ich hab ihn heute beobachtet. Er…wenn er dich ansieht, dann leuchten seine Augen; er freut sich total, dass er dich hat, dass du ihm so hilfst“, Bela fand wahrscheinlich, es klang total bescheuert, was er da sagte, doch irgendwie schien es mir zu helfen.

„Ich möchte nur seine Stimme wieder hören“, flüsterte ich leise.

Er drückte mich noch einmal sanft an sich, strich mir beruhigend über den Rücken. „Jan ist ein Kämpfer, er wird das schon schaffen. Gib ihm nur etwas Zeit.“

Wir verabschiedeten uns. Bevor ich zu dir zurückging, schlich ich ins Bad und hielt mein Gesicht unters Wasser. Du solltest nicht merken, dass ich geweint habe.

Ich öffnete vorsichtig deine Türe. Du wolltest dich gerade hinlegen. Ich nahm ein paar Polster vom Bett und schmiss sie auf den Schaukelstuhl, der bei der Balkontür stand. Du lagst auf der rechten Seite des Bettes. Normalerweise hätte ich mich auf die andere Seite gelegt, aber ich dachte, für den Anfang lieber im Gästezimmer zu übernachten, um dir soviel Freiheiten wie möglich zu geben und dir nicht meine Nähe aufzuzwängen. Du schienst da anderer Meinung zu sein, denn gerade als ich gehen wollte, gabst du mir mit einem Klopfen auf die Matratze zu verstehen, dass ich Platz nehmen sollte. Ich setzte mich neben dich.

„Du willst, dass ich bei dir schlafe?“, fragte ich zur Sicherheit.

Du nicktest als Antwort, also ließ ich mich zurück sinken und machte es mir bequem. Ich sah dich wieder an. Du hast mich die ganze Zeit beobachtet, nun kautest du leicht auf der Unterlippe. Langsam schobst du dich immer näher zu mir. Zaghaft legtest du deinen Kopf auf meine Brust, deinen Arm auf meinen Bauch. Ich nahm deine Hand in meine und strich dir mit meiner anderen durch die kurzen Haare. Es war wie früher. Du hobst deinen Kopf etwas und sahst mir in die Augen.

„Ich liebe dich“, sagtest du ganz leise. Beinahe hätte ich gedacht, es war Einbildung. Doch dein sanftes Lächeln verriet mir, dass du das eben wirklich gesagt hast.

„Ich liebe dich auch, Jan.“

Du legtest deinen Kopf wieder zurück und lachtest leise auf, als du bemerktest, dass sich mein Herzschlag beschleunigt hatte – ich war der glücklichste Mensch auf der Welt.

„Gute Nacht“, flüstertest du noch, bald darauf warst du eingeschlafen.

Ich beobachtete dich noch eine Weile, strich dir unaufhörlich durch die Haare, bis auch ich ins Land der Träume entfloh.

Kapitel 3

Durch dieses kleine Ereignis änderte sich einiges. Für uns beide wurden die Träume, in denen wir von unserer Entführung heimgesucht wurden, seltener. Du schienst wieder aktiv am Leben teilnehmen zu wollen. Zwar dauerte es noch etwas, bis du auch mit jemand anderem außer mir kommunizieren wolltest, aber ich ließ dir Zeit. Du solltest selbst entscheiden, wann du wieder etwas machen wolltest - ich wollte dich zu nichts zwingen.

Nach den ersten drei Wochen zu Hause, in denen du entweder im Bett oder auf dem Sofa gelegen hast, erlaubte uns der Arzt, kleine Spaziergänge zu machen. Unsere Wunden waren mittlerweile alle wieder gut verheilt. Bevor wir aber das erste Mal losstarten konnten, hatte ich mir eine kleine Überraschung für dich überlegt. Daher fuhr ich mit Bela in ein Tierheim. Nachdem dein Hund gestorben war, hattest du dich nie nach einem neuen umgesehen, obwohl ich wusste, dass du wieder einen haben wolltest. Wahrscheinlich dachtest du, dass du keinen guten Nachfolger finden könntest. Ich entdeckte eine kleine schwarze Labrador-Hündin, nicht ganz ein Jahr alt - sie war perfekt für dich.
 

Ich schloss so leise wie möglich die Tür auf. Ich hoffte, du würdest noch schlafen, sonst wäre die ganze Überraschung nur halb so toll. Gott sei Dank war Bela dabei - ich hätte leichte Schwierigkeiten gehabt, die Türe aufzusperren, die Hündin festzuhalten und dabei kaum Geräusche zu verursachen. Wir schlichen zu dir ins Schlafzimmer. Du lagst zur Seite gedreht, die Decke bis zum Kinn, den einen Arm unterm Kopf und schliefst.

"Aufwachen, mein Großer!" Ich setzte mich auf die Bettkante und fuhr dir mit der Hand durch die Haare. Ich deutete Bela, das Tier so hinzusetzen, dass du es sehen musstest, wenn du die Augen öffnen würdest.

"Komm schon mein Süßer, wach auf! Ich hab dir jemanden mitgebracht!"

Langsam öffnetest du die Augen. Verwirrt starrtest du zuerst die Hündin an, dann mich und Bela und zum Schluss wieder die Hündin. Zaghaft richtetest du dich auf, lehntest dich an mich und fragtest ganz leise: "Für mich?"

Auf mein Nicken begannst du zu lächeln, um bald darauf richtig zu strahlen. Du setztest dich neben dem Tier auf den Boden und begannst es zu liebkosen. Bela und ich sahen uns an. Ja, die Überraschung war uns gelungen.

"Weißt du, sie hat noch gar keinen Namen", erwähnte ich.

Du überlegtest etwas. "Jeanny", schlugst du schließlich vor.

Ein schöner Name, er passte zu ihr.

"Wollen wir etwas Spazieren gehen?"

Du nicktest eifrig.
 

Das alles liegt jetzt ein halbes Jahr zurück. Wir waren gemeinsam auf Urlaub, hatten Jeanny etwas Benehmen beigebracht und sind mittlerweile dabei, ein neues Album aufzunehmen. Vor einem halben Jahr hatte jemand von dir intime Berührungen abverlangt - Berührungen, die du eigentlich nur von mir spüren wolltest. Seitdem hast du bestimmt, wie weit jene gingen - nie hätte ich sie dir aufgezwängt. Bisher durfte ich dich küssen, dich streicheln. Stets ließ ich deinen intimsten Bereich, der immer von Shorts bedeckt war, aus. Seitdem habe ich dich noch nie vollkommen entblößt gesehen, aber das machte mir nichts aus. Ich würde ewig darauf warten können. Ich spürte, dass du dich dafür schämst und versuchte immer, dir jegliche Scham abzunehmen. Es gab nichts, wofür du dich schämen müsstest.

Jetzt liege ich im Bett. Du kommst aus dem Badezimmer und setzt dich zu mir. Deine Haare sind noch nass, du trägst ein Handtuch um die Hüfte. Dein Blick strahlt unsicheres Verlangen aus. Ich setze mich auf und unsere Lippen treffen sich zu einem innigen Kuss. Du setzt dich auf meinen Schoß und drückst mich sanft zurück. Ich lasse es einfach geschehen, lasse dich machen, damit du sicher aufhören kannst, wenn es dir zu weit geht. Doch du hörst nicht auf. Ich spüre jede deiner Berührungen so intensiv. Es ist das erste Mal danach und es ist...unglaublich.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  ElefantenFee
2009-01-27T08:29:27+00:00 27.01.2009 09:29
Hab' die FF eben in einem Rutsch durchgelesen und finde sie richtig gut. Dein Schreibsteil gefällt mir. :) Ist auch schon in meinem Fav's drin.

Gruß


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