019 Schmutzig
Thema 019 Schmutzig
Das heiße Wasser ergoss sich sanft auf ihren Körper. Beinahe liebevoll streichelte es ihre Haut und floss an ihr herab. Die einzelnen Tropfen schienen alles abzuwaschen, jedwede Spuren zu vernichten.
Der Dreck, der an ihr haftete, verschwand langsam im Ausfluss und die schöne, nahezu makellose Haut, die sich darunter verbarg, kam langsam wieder zum Vorschein.
Als wenn alles wieder gut wäre.
Aber das war es nicht.
Alles war so unvorstellbar schrecklich, schrecklicher als schrecklich. Die Wimperntusche des Mädchens war verschmiert und hatte einen schwarzen Ring unter ihre Augen gemalt. Ob es vom Wasser herrührte oder doch von den Tränen, die es heimlich weinte, vermochte niemand zu sagen.
Sie stand einfach nur da. Stand unter der Dusche und versuchte alles auszulöschen. Alles zu vergessen. Ihre Hand wanderte zu den Shampoodosen und sie begann sich zu waschen.
Erst langsam, dann immer schneller, immer heftiger. Sie nahm noch mehr Seife, wollte nichts mehr, als all die Erinnerungen von sich hinunterspülen. Immer mehr Schaum bedeckte sie, immer panischer fuhr sie mit ihren Händen über ihre Arme und Beine um es abzuspülen.
Dieses unaussprechliche Grauen.
Aber es wollte nicht gehen, es wollte einfach nicht gehen.
Mit beiden Händen fasste sie nach den Shampoos und lehrte sie schluchzend über ihrem Kopf aus und verrieb sie überall, aber egal wie oft sie ihren Körper mit den Bürsten und der Seife malträtierte, wie oft sie sich auf unter das Wasser stellte um alles abzuspülen. Es blieb.
Sie konnte sie noch immer spüren, die Finger, die sie betatschten.
Die Hände, die einfach so, ohne zu fragen…
Sie kniff die Augen zusammen, stellte sich wieder unter den Duschkopf und drehte die Wasserzufuhr auf.
Sie wollte mehr.
Mehr Wasser um sich rein zuwaschen.
Doch sie blieben.
Die Erinnerungen an die dreckigen Fingernägel, die vor Gier verzerrten Gesichter.
Nein, sie wollte es nicht. Wollte sich nicht erinnern.
Aber sie konnte es nicht abschütteln.
Langsam sank sie in die Knie, als würde sie von der Last des Wassers erdrückt werden. Die nasse Duschwanne gab ihr nur wenig Halt, so dass sie wegrutschte und mit dem Arm gegen die Wand prallte.
Den Schmerz registrierte sie gar nicht, während sie auf dem Wannenboden hockte und sich zusammen kauerte wie ein kleines Kind.
Sie fühlte sich hilflos und alleingelassen.
Missbraucht und unverstanden.
Und schmutzig, sie fühlte sich so unglaublich schmutzig.