Zum Inhalt der Seite

Erdbeereis

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Beach Volleyball

„Oh. Hi!“

Shaye hob den Kopf und blinzelte der großen Gestalt entgegen, welche sich vor ihm aufbaute und im Licht der Sonne noch bedrohlicher Aussah, als sonst schon.

„Hey, Shaye“, sagte er und ließ sich neben den dünnen Jungen auf die grüne Wiese nieder.

„Hey. Jay.“ antwortete dieser schüchtern, richtete sich von seinem Badetuch auf, sodass er saß und versuchte, den Anderen nicht nervös und ängstlich an zustarren.

„Was ist? Kommst du mit?“

„Was? Wohin?“ entgegnete er und fühlte sich immer unbehaglicher in Jays Gegenwart.

Er hörte Sam irgendwie nach Hilfe rufen, aber die Schreie gingen in seinem Gelächter unter und Ashley und Wendi kreischten schrill. Shayes Herz hüpfe.

„Wir wollen Volleyball spielen auf dem Feld da drüben“, Jay deutete mit dem Kopf in die Richtung, in welcher ein schwarzes Netz über eine Sandfläche gespannt war.

„Beachvolleyball?“ fragte Shaye „aber ihr seid schon sechs. Mehr braucht ihr doch gar nicht. Um... das zu spielen, mein ich!“

Stellte Shaye fest, wurde beim Sprechen aber immer leiser, da Jay sich zu ihm hinüber gebeugt hatte und es bedrohlich danach aussah, als wolle er seine Prankengroße Hand auf die eigene, kleine Schulter legen.

„Je mehr Leute wir haben, um so lustiger ist es, nicht wahr? Außerdem hat Ellen Angst vor Bällen und will nicht mitspielen.“

Er lächelte ihn auf eine merkwürdig sanfte Art an, dass Shaye ganz kribbelig in den Händen und im Bauch wurde.
 

Der Himmel war so blau wie das Wasser in den Schwimmbecken des Freibads, in das Sam seinen Lichtscheuen Cousin geschleppt hatte und die Sonne, welche hoch oben am Himmel stand, prallte ihre dürre Hitze auf die Jugendlichen hinab und nahm dabei keine Rücksicht auf Shaye oder seine blasse Haut, welche er um keine Umstände verfärbt haben wollte.
 

„Ich... muss vielleicht erst noch eine rauchen“, antwortete Shaye schnell und leise, beugte sich zu seiner Tasche runter und griff nach einer Zigarette.

„Noch eine?“ Jay klang überrascht „du bist siebzehn und stirbst wahrscheinlich noch diese Woche an Lungenkrebs“, er nickte zu Shayes umfunktionierten Aschenbecher – eine gefaltete Zeitung – der, so wie alle von Shayes Aschenbechern, überquoll mit Zigarettenstummeln und Asche und Kaugummipapierchen.

„Ja. Von mir aus“, nuschelte der Junge, als er versuchte, mit seinem leeren Feuerzeug seine Zigarette anzuzünden, und es ihm dank einer kleinen, letzten Flamme dann auch gelang.

Sein Gesicht entspannte sich deutlich und mit voller Genuss nahm er den ersten Zug, inhalierte ihn tief in seine schwarzen Lungen, bevor er mit genauso viel Zufriedenheit den Dunst in den klaren, blauen Himmel schickte.

Sein Herzschlag normalisierte sich sofort und er öffnete die mit Wohlgefallen geschlossenen Augen wieder, um in Jays von blonden Strähnen umrahmtes Gesicht schauen zu können.

Er starrte ihn scheinbar Minutenlang einfach nur ausdruckslos an, dann grinste er und erhob sich vom grünen Rasen „Du bist echt'n Freak.“

Jay hielt Shaye seine Hand entgegen um ihn vom Boden aufzuhelfen.

Shaye griff sie und wurde sogleich mit einem so mächtigen Ruck auf die Beine gezerrt, dass ihm die Zigarette aus dem Mund rutschte und zwischen zwei Gänseblümchen auf der Wiese landete.

„Ops, tschuldigung, man“, Jay schlug Shaye auf die Schulter „du bist echt leicht, hab mich auf mehr Gewicht eingestellt!“

Der Blonde hockte sich hin um die Zigarette aufheben zu können, schritt näher an Shaye heran und steckte sie vorsichtig wieder zwischen seine sanften, blassen Lippen.

Dann lachte er, drehte sich um und lief zum Schwimmbecken, in welches er mit einer gewaltigen Arschbombe hinein sprang.

Die Mädchen schimpften und Sam lachte herzhaft.
 

„Die sind doch alle bekloppt“, nuschelte Shaye zu sich selbst, nahm die Zigarette aus seinem Mund und hustete den Rauch in die frische Luft, während er sich mit der freien Hand seine enge, schwarze Jeans abklopfte.

„Chéri. Du willst doch nicht so mit uns spielen?“

Shaye blickte auf und sah Sam auf sich zu kommen. Wasser perlte von seinen nassen Haaren auf seine schmale Schultern und die Wassertropfen aus seiner nackten Brust reflektierten das Sonnenlicht in alle Richtungen.

Shaye hielt den Atem so fest an, wie er die Zigarette zwischen seinem Mittel- und Zeigefinger hielt und hielt in seiner Bewegung inne.

„Was bist du überhaupt, dass du im Schwimmbad die ganze Zeit auf deinem Arsch hockst – unter einem Baum – und nicht zu uns ins Wasser kommst?“

„Was?“ Shaye entspannte seine Haltung, bemerkte dennoch nicht, dass seine Hand in einem merkwürdig rechten Winkel von seinem Körper abgeknickt seine Zigarette hielt und dadurch äußerst belustigend aussah.

„Ja, was. Hast du irgendwie Angst vor Wasser oder Sonne oder so?“
 

Sam hatte den Weg erfolgreich zurück gelegt und stand jetzt direkt vor Shaye, dessen Herz ihn wieder daran erinnerte, dass seine Hormone übermäßig viel Noradrenalin durch seine Venen fließen lies, die Hände an die Hüften gelegt und sah ihn mit schiefen Blick an.
 

„Zieh dich aus“
 

Dieser Satz aus Sams Mund erschien Shaye so suspekt, dass er kurzweilig glaubte, er hätte sich das eingebildet, zu lang im Freien verbracht, die Sonnenstrahlen hätten ihn durch die dichte Krone des Baumes erreicht und ausgeknockt und das alles würde er nur träumen.
 

„Was?“

„Ich sagte, zieh dich aus. Beach Volleyball spielt man nicht in Jeans.“

„A...aber“, Shaye wollte sich rechtfertigen und verteidigen, doch sein Hals schien zu trocken, seine Kehle zu geschnürt, kein Wort kam aus ihm heraus.

Er sah bloß hoch in das Gesicht dieses Jungen, außer Stande, sich zu bewegen und wusste nicht, was er tun sollte.
 

„Sam. Cherry!“

Klang es aus der Ferne und Sams Blick wand sich ab zum Spielfeld, wo sich Ashley, Wendi und Jay schon positioniert hatten.

Auch Shaye sah zu ihnen hinüber und erblickte das kleine, schwarzhaarige Mädchen, welches lächelnd hinüber winkte.

Er drehte sich weg und nahm einen langen, tiefen Zug seiner Zigarette.

„Komm Schon“, Sam lachte gehässig, als er näher an Shaye herantrat und den letzten Raum zwischen den beiden schloss.

Shaye hielt den Atem an, starrte hinauf in Sams Gesicht und war sich nun absolut sicher, zu träumen.

Er spürte Sams Herz rasen und sein Puls passte sich dem an.

Dann fühlte Shaye Sams Finger an seinem Rücken, wie sie den Saum seines schwarzen T-Shirts griffen und hastig sein Kreuz hinauffuhren, das T-Shirt mit sich zogen.

Er fuhr über Shayes Nacken, dieser beugte sich vor und Sam zog das Shirt über Shayes Kopf. Der fand sein Atem wieder, hustete den Zigarettenrauch aus und stand nun da, vollkommen verwirrt, starrte seinen Cousin an und fühlte sich vor der ganzen Welt entblößt.
 

„Du meinte Güte, Schneewittchen“, Sam lachte, ließ Shayes Shirt in die Wiese fallen und lief zu den anderen, die auf dem Spielfeld schon begonnen hatten, sich gegenseitig den Volleyball zu zuwerfen.

„Sonne tut dir nicht schlecht!“ Rief er ihm noch zu, dann drehte er sich um und stieß zu den anderen, fing gerade einen Ball ab, der an Ashley gehen sollte.
 

„Die sind alle irre hier!“ murmelte Shaye, während er aus seinen Stoffschuhen schlüpfte und sich die Socken von den Füßen strich.

„Vollkommen durchgeknallt. Alle miteinander!“
 

Nachdem Sam Shaye gebeten hatte, nicht zu gehen in jener Nacht und Shaye neben Sam eingeschlafen war; und Sam verhindert hatte, dass seine Mutter ihn in seinem Bett schlafen sah, hatte Sam kein Wort mehr darüber ausgesprochen, ihm kein einziges mal mehr das Gefühl gegeben, von ihm begehrt zu werden, und das verwirrte Shaye.

Zumindest war es ihm so vorgekommen, als hätte Sam jede nur mögliche Gelegenheit genutzt, Shaye nahe zu sein, doch schien es seit der vergangenen Woche eher so, als wolle er ihm nicht zu nahe kommen.

Was unter Umständen daran wohl lag, dass sie fast jeden Tag mit Ashley und Wendi und dem großen, baseballspielenden Jay und seiner Schwester Ellen und diesem wirklich kleinen, aber nicht kleiner als Shaye selbst, Jungen namens Will verbracht hatten und es schien Shaye gerade so, als nehme Sam eine andere Rolle in deren Gegenwart an.

Oder in seiner eigenen?

Es war, als wäre er nicht er selbst.

Wenn sie mit den anderen unterwegs waren.

Oder wenn sie allein waren.

Doch hatte Ashley zunehmend mehr Zeit verlangt, sodass Shaye und Sam kaum Zeit füreinander hatten. Und Shaye wusste nicht, wie er das finden sollte.

Denn er hatte Angst. Vor seinen Gefühlen für Sam, das Herzrasen und der womöglichen Erkenntnis von etwas schlimmeren, größeren.

Und vor Sam.

Wahrscheinlich vor der ersten Situation, Sam könne ihm zu nahe kommen, und vor der zweiten Situation, Sam könne und wolle eben das nicht tun.

Alles in allem, Shaye war verwirrt.

Von Sam, seinem Cousin. Von sich selbst, dem kleinen, schwarzhaarigen Mädchen mit den Mandelaugen, das ihm munter zuwinkte und Jay.
 

„Chéri!“

Sams Stimme war wie immer enthusiastisch und voller Freude, Ashley hingegen klang auf ihre arrogante Art und Weise misstrauisch: „Lila!“

„Was?“

„Du trägt Lila?“

„Offensichtlich?“

„Knalllilafarbende Badeshorts. Eine nette Abwechslung, toll, Chéri, solltest du öfters tragen, lila steht dir, schön, gut, aus ende, jetzt lasst uns spielen!“

Sam schob Shaye schnell und hastig auf seine Position und lief dann unter dem Netz zu seiner eigenen, im Team mit Ashley und Will, dem kleinen Jungen mit dem wilden, zauseligem Haar; Shaye durfte mit der winzigen Wendi und dem riesigen Jay zusammen versuchen, Bälle über das hohe Netz zu pritschen.
 

In der warmen Sonne fühlte sich Shaye noch unwohler, als er es halbnackt sowieso schon tat, im heißen Sand des Volleyballfelds und Sam, nicht mehr Kleider am Leib, nur wenige Meter vor ihm: als er den Ball aufschlug, kam es ihnen so vor, als täte er es nur für Shaye.

Und Wendi hinter ihm, er fühlte sich merkwürdig nackt geguckt von ihr, was vielleicht daran lag, dass sie ihn so offensichtlich anschmachtete.

Zumindest fühlte es sich in seinem Nacken so an.
 

„Aus!“

Rief Jay hinter ihm und Shaye drehte sich um, um zu begreifen, was geschehen war, Sam hatte den Ball offensichtlich viel zu weit geschlagen und Shaye sah Jay nur noch davon sprinten, um den pinkgrüngelben Volleyball zurück zuholen, der einige Meter entfernt über die grüne Wiese rollte.

„Das ist nicht aus, das ist ein Punkt für uns!“

Entgegnete Ashley scharf und wie immer ohne jegliche Art von Frohsinn, sondern beißend und gallig.

Sie hatte ganz und gar das genervte Erscheinungsbild eines arroganten Erwachsenen inmitten von einem Haufen von Grundschulkindern, wahrscheinlich fühlte sie sich auch so, irgendwie weiter und erwachsener als ihre kindischen Freunde.

So hatte sie schon in jeder Nacht beim Schokoladeneisessen gewirkt und würde es wahrscheinlich auch bis in alle Ewigkeit tun.
 

Jay kam zum Spielfeld zurück und wartete nicht lange, dass alle auf ihren Positionen waren, sondern schlug den Ball sofort und hart auf und Shaye war augenblicklich froh, nicht in der anderen Mannschaft zu sein, denn es schien so, als könne die Wucht von Jays Schlägen einen Elefanten ermorden.

Er drehte sich um und bemerkte einen leichten Schwindel, der ihm aus den Füßen in den Kopf stieg und er musste kurz die Augen schließen.

Als er sie wieder öffnete und erwartete, Sams dunkelblondes Haar zu erkennen, sah er lediglich die verschwommenen Umrisse von Will, die nach und nach klarer wurden.

„Abgefahrn'“, murmelte er leise und sah auf.

Das „Shaye!“ seiten Wendis und das „Cherry!“ von Jay kamen zu spät bei ihm an. Im nächsten Moment verdeckte ein pinkgrüngelbes Objekt die Sonne, kam so schnell auf Shaye zu geflogen, dass er es nicht realisieren konnte und im darauf folgendem Augenblick war es schwarz.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück