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Fushin

Storyboard von 2006
von

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Doppeldate!

Vor dem grossen Einfamilienhaus, das beinahe schon einer Villa glich, stand ich. Nervös vor dem, was mich jetzt erwarten würde. Ich war drauf und dran, mich ins Unglück zu stürzen, das glaubte ich jedenfalls. Es war an der Zeit die Eltern meiner Freundin kennen zu lernen. All die Geschichten von missglückten Dates mit den zukünftigen Schwiegereltern hatten mich ziemlich verunsichert. Bestimmt würde ich mich aufs Äusserste blamieren und mit hohem Bogen aus dem Elternhaus fliegen. Doch Kneifen war jetzt nicht angebracht. Ich schloss meine Augen, atmete einmal tief durch und klingelte entschlossen. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis die Eingangstür endlich geöffnet wurde.
 

Beim Anblick, welcher sich mir nun darbot, musste ich einige Male blinzeln, um das, was ich da sah, richtig wahrzunehmen. Seit wann hatte sie denn einen Bruder? Davon hatte sie mir ja gar nichts erzählt. Mir stand ein gross gewachsener Mann gegenüber, der so um die 30 Jahre alt sein musste.
 

Da! Da war doch bereits die erste Panne! Ich brachte fürs Erste einfach kein Wort aus mir raus. Immer noch mit dem Vorsatz einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen, verneigte ich mich krampfhaft, wobei das Letztere nicht gewollt war. Aber es wäre gesünder für mich gewesen, erst den Abstand zu dem Herrn einzuberechnen, denn nun knallte ich mit meinem Kopf gegen den fremden Oberkörper. Neben dem aufkommenden Schmerz an meiner Stirn, verspürte ich nun auch das Verlangen, mich auf der Stelle in Luft aufzulösen. Doch der schwarzhaarige Mann schien das nicht sonderlich zu stören.
 

„Du bist also der Freund von Hinata? Kira, richtig?“
 

„Ja - ja genau d - der bin ich… entschuldige... äh... entschuldigen sie… ich - das tut mir schrecklich leid!“

Ich hatte mich wieder aufgerichtet und grinste nervös. Auch wenn mir immer noch der kalte Schweiss über den Rücken lief, irgendwie beruhigte mich die gelassene Reaktion des Älteren.

„Darf ich Fragen, wer sie sind?“
 

Der Mann betrachtete mich für eine Weile und musste anschliessend etwas verlegen schmunzeln.

„Das werde ich oft gefragt. Ich bin Hinatas Vater, auch wenn man mich dafür immer ein paar Jährchen zu jung einstuft.“
 

Darauf wusste ich nichts mehr zu entgegnen. Das war also der Vater meiner Freundin Hinata? Der sah dafür wirklich verdammt jung aus!
 

„Komm doch rein.“, bot mir der Herr an, was ich dann auch tat.
 

Der erste Eindruck, welcher ich von der Innenausstattung des Hauses bekam, war die vorherrschende Ordnung. So sah es also in einem Haus aus, in welchem wohlhabende Leute wohnten. Ich durfte gleich zu Beginn im Haus herumstöbern, bis Hinata und ihre Mutter fertig waren. Mit was sie fertig werden mussten, wurde mir später klar. Ich ging also durch die Räume, welche viel Platzt aufwiesen. Wunderschöne Kunstwerke zierten die Wände und die Winkel des Hauses. Die Möbeleinrichtung schien nicht alt zu sein. Sie wirkte modern und gut gepflegt - eben wie neu.
 

Kaum war ich mit dem Rundgang zu Ende, spürte ich auch schon, wie sich plötzlich Arme um mich schlangen und eine Person an mir haftete. Ich musste nicht im Geringsten überlegen, wer sich da wortwörtlich an mich rangeschmissen hatte. Vor allem ihre freudige und lebendige Stimme hatte sie verraten.
 

„Kiraaaaaaa!“, schrie sie mir energiegeladen ins Ohr. Ich verlor nur mein Gleichgewicht und knallte auf den harten, polierten Parkettboden.
 

„Hinata…“, stöhnte ich nach der Bauchlandung, als sie scheinbar nicht von mir runtersteigen wollte. Sie schien sich wirklich über mein Dasein zu freuen, denn sie schmiegte sich an mich und stand erst nach einer Weile auf. Erst jetzt begrüsste ich sie und gab ihr einen Kuss.
 

Nun bemerkte ich auch, dass wir bereits Zaungäste hatten. Der Herr, bei dem ich einen roten Fleck an meiner Stirn eingefangen hatte, stand da mit einer ebenso verhältnismässig jungen Frau im Arm, und grinste uns an. ‚Peinlich’ dachte ich.

Die Mimik der Frau, wenn man das überhaupt als Mimik bezeichnen konnte, war kühl und glich mehr einem Gespenst. Sie schien keine Gefühle zu haben. Ein eigenartiges Bild war das: Ein grinsender, gut aussehender Mann, der eine lebende Leiche im Arm hielt. Ohne, dass ich diese zwei merkwürdigen Gestalten, die Hinatas Eltern sein sollten, weiter erforschen konnte, zerrte Hinata mich, wie auf der Flucht, die Treppe hoch in ihr Zimmer.
 

Erst jetzt, als wir ungestört waren, konnte ich meine ganze Aufmerksamkeit diesem zierlichen Mädchen widmen.
 

„Endlich Ruhe vor den beiden!“, stöhnte sie schwer und liess sich aufs Bett fallen. Ich stand da und realisierte jetzt erst, weshalb nicht sie es war, die mich an der Tür empfangen hatte. Hinata steckte in einem bezaubernden Kleid. Für normale Leute musste es das pure Kitschkostüm sein aber für mich unterstrich es nur ihren Charakter und ihre Figur. Es war verziert mit einer Menge an Details und Rüschchen. Um den Rock anzuziehen, musste es viel Zeit gekostet haben.
 

Ich schien vorläufig die Sprache verloren zu haben, was bestimmt auch mit der stürmischen Begrüssung in diesem Haus zu tun hatte. Um wieder einen klareren Kopf zu kriegen, schaute ich mich im Zimmer um. Es gab aber nicht sonderlich viel zu sehen. In diesem Raum herrschte die gleiche Ordnung wie im Rest des Hauses. Die Oberflächen waren leer geräumt und glänzten vor sich hin. Nur etwas entdeckten meine Augen:
 

Auf der Ablagefläche neben ihrem Pult war ein Foto zu sehen. Ich war so frei und betrachtete das Bild von nahem. Abgebildet war eine Frau, in ihren besten Jahren. Für mich hiess das, dass sie so um die 22 Jahre alt sein musste.
 

„Wer ist das?“
 

Hinata gab mir nicht sofort eine Antwort und blickte mich nicht an. Das liess mich spüren, dass das ein besonderes Bild sein musste. Im Gegensatz zu der stürmischen Umarmung vorhin im Gang klang ihre Stimme nun ganz kleinlaut. „Das ist meine Mutter…ich weiss, ich habe es dir nie erzählt, aber Megami, die jetzige Partnerin meines Vaters, ist nur meine Stiefmutter…“
 

Ich schaute sie leicht ungläubig an. Hinata war ein offenes Buch für mich und konnte nicht vor mir verbergen, dass da noch mehr sein musste. In diesem Augenblick wurde mir das erste Mal klar, dass hinter der erfolgreichen Familie Kazumoto, welche im Besitzt der gesamten Sora-Hotelkette war, welche nicht nur Sitze in Japan hatte, sondern weit über das Land hinaus bekannt war, eine geheimnisvolle und finstere Geschichte versteckt war. Ich wollte vorläufig nicht noch weiter nachbohren. Hinata schaute mich anschliessend auch mit diesem Blick an, der darum bat, nicht über dieses Thema sprechen zu müssen.
 

Ich versuchte die düstere Stimmung zu beheben. „…was werden wir heute machen? Du wirst dich wohl nicht meinetwegen so rausgeputzt haben, oder?“
 

Aufgrund des abrupten Themawechsels schaute sie mich unsicher und leicht irritiert an. Schliesslich stand sie auf und versuchte mir vorzuspielen, dass alles bestens wäre, so wie sie sich eben sonst immer verhielt. Sie setzte ein Lachen auf, welches alles rundherum auch zu einem Lächeln bewegte.
 

„Wir machen ein Doppeldate!“, verkündete sie voller Begeisterung.
 

„…ein Doppeldate.“, wiederholte ich skeptisch, als hätte ich eben eventuell etwas falsch verstanden.
 

„Ja. Ein Doppeldate mit meinen Eltern.“
 

Mich trat der Esel. Ein gemeinsames Date mit ihren Eltern? Da hatte sich Hinata aber wieder einmal etwas ganz Originelles ausgedacht.
 

„Jetzt guck doch nicht so, als würde gleich die ganze Welt einstürzen. Das wird bestimmt lustig. Die Zwei sind echt in Ordnung und schämen muss man sich bei den Beiden auch nicht.“
 

Nun liess auch ich mich mit einem Seufzer auf das weiche Bett plumpsen. Wieder konnte ich nur hoffen, das Hinata Recht hatte und sich dieser Tag nicht doch noch in die Hölle verwandelte.
 

Einige Minuten später war es dann auch so weit. Alle vier, mich eingeschlossen, waren abmarschbereit. Ich kam mir eigenartig neben den restlichen Dreien vor. Alle waren rausgeputzt und gut gekleidet. Und ich? Ich stand in meinen gewöhnlichen Freizeitklamotten da: Jeans und ein T-Shirt. Um die Schultern hatte ich noch einen Pullover gebunden, für den Fall, dass es gegen Abend kälter werden würde. Immerhin war es bereits Herbst.
 

Den ersten Teil des Nachmittags verbrachten wir mit einem Spaziergang. Wir, also Hinata und ich, gingen den Erwachsenen voraus. Wir hatten kein Interesse daran, hinter den zwei Turteltauben nachlaufen zu müssen. Der ganze Weg führte erst an einem Fluss entlang und mündete in einem Wald. Ich kannte die Gegend nicht und liess mich überraschen, was Hinata sich wohl sonst noch alles ausgedacht hatte.
 

Nach ungefähr einer Stunde spazieren, kamen wir zu einer kleinen Waldlichtung, die vor allem von Nadelbäumen umgeben war. Mitten auf der Wiese stand ein altes Holzhaus, geschmückt mit bunten Details. Es war ein Restaurant, ein kleiner Privatbetrieb, der auf hausgemachte Eiscreme spezialisiert war. Ich musste Hinata nicht einmal danach fragen, weshalb wir ausgerechnet hier her gegangen waren. Das war zu offensichtlich. Diese Umgebung, die Gestaltung des Hauses, die Arbeitsuniform der Angestellten, alles mit Rüschchen und Spitzen verziert. Es musste einfach das Paradies für Hinata sein, hier her zu kommen. Obwohl - Eis im Herbst an einer kleinen Lichtung, an welche nur wenig Sonnenlicht vordrang? Das war für mich zwar nicht die gewohnte Umgebung zum Eisessen. Aber es war ein schöner Tag. Die Sonne schien und die Vögel zwitscherten. Ganz friedlich war es hier. Vor allem waren nur sehr wenige Gäste anwesend und wir konnten uns mehr oder weniger sicher sein, hier ungestört unseren Aufenthalt verbringen zu dürfen.
 

Was dann doch nicht so toll war, kaum sassen wir und hatten die Bestellkarte zur Hand genommen, begann das ’Verhör’. Mich wunderte es nur, dass Megami nun langsam aufzublühen schien und ihre Sprache gefunden hatte, jetzt da wir in dieser idyllischen Umgebung waren. Durch ihren Gothic-Stil, den ebenfalls schwarzen Haaren und ihrem bleichen Gesicht, das noch immer sehr wenige Emotionen enthielt, war sie mir zwar immer noch sehr unheimlich.
 

„So Kira, dann erzähl doch einmal. Hinata will es uns ja nie erzählen. Wie habt ihr Zwei euch denn gefunden?“
 

„Megami!“, zischten Hinata und ihr Vater gleichzeitig, um sie bereits jetzt etwas in Zaum zu halten, was jedoch nicht sonderlich viel half.
 

So verbrachte ich einige Zeit damit, ihr meine ganze Geschichte darzulegen, dass sich meine Eltern geschieden hatten, und ich dadurch nach Osaka gezogen war, dass ich an der neuen Schule Hinata getroffen habe und dass wir dann mehr oder weniger durch Zufälle ein Paar geworden sind.
 

Noch während ich am erzählen war, stellte uns die Serviertochter auch bereits die Coups auf den Tisch, die einfach unwiderstehlich gut aussahen. So waren wir uns schnell einig, dass wir uns erst einmal einem anderem Thema widmeten; Dem Eis-Löffeln.
 

Es schmeckte wirklich hervorragend. Es schien mir, als hätte ich seit einer Ewigkeit kein Eis mehr bekommen. Geniesserisch leckte ich die kalte Leckerei vom Löffel. Das musste ziemlich zweideutig ausgesehen haben, denn es ging nicht lange, da konnte ich die Blicke der anderen an mir spüren. Vor allem jener von Hinata. Sie schien regelrecht auf mein Eis eifersüchtig zu werden und schaute mich schmollend an.
 

Ich konnte nur mit Müh und Not mein Schmunzeln verstecken, als sie es mir gleich tat und sich leidenschaftlich ihrem Eis widmete. Das sah in der Tat sehr süss aus.
 

„Darf ich von deinem Eis probieren?“, fragte ich mit einem unschuldigen Unterton.
 

„Nein!“, fauchte sie mich an, fügte anschliessen undeutlich hinzu: „Du bist ja offensichtlich genug mit deinem beschäftigt.“
 

So ging es bei uns des Öfteren zu und her. Aber wir verstanden uns. So hielt mich auch nichts zurück, sie in aller Öffentlichkeit in einen etwas innigeren Kuss zu verwickeln. Für diese Aktion erntete ich zwar eine kleine Ohrfeige von ihr, dafür konnte ich wenigstens von ihrem Coup einen Versucher erhaschen.
 

Bis auf diesen kleinen Vorfall ging der Rest des Tages friedlich vorbei. Wir diskutierten noch über allerlei Themen, die nicht jeder in Anwesenheit seiner Eltern zu besprechen wagte.
 

Es war wirklich ein wunderschöner Tag gewesen. Hinatas Eltern schienen mich zu mögen. Es war richtig lustig mit ihnen. Da stimmte es mich schon beinahe traurig, als es Abschied nehmen hiess.
 


 

Nach diesem Sonntag konnte ich bereits behaupten, die Familie Kazumoto zu kennen. Die Mutter, oder genauer genommen die Schwiegermutter von Hinata sah nur unheimlich aus aber ihr Charakter war eigentlich ziemlich sanft, wenn in gewisser Weise auch sehr neugierig. Eigentlich glich sie sehr meiner Mutter, was mich später auch noch sehr beschäftigen würde.
 

Kazumoto-san (’-san’ ist in Japan eine höfliche Anrede, wie bei uns Herr/ Frau X) kam mir auch ziemlich sympathisch vor. Er war eher ein ruhiger Mensch und schien keine Macken zu haben. Er strahlte auch Geborgenheit und Schutz aus. Vielleicht empfand ich dies auch nur deswegen, weil ich keinen Vater mehr hatte. Den Kontakt zu meinem Vater hatte meine Mutter abbrechen lassen.
 

Schlussendlich ging ich mit dem Gefühl nach Hause, eine neue Familie gefunden zu haben, eine Familie, die mir bereits jetzt sehr am Herzen lag.



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