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Hawk's Quest

Die Legende von Nevermore
von

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Die Ankunft des Adlers

>Kapitel 1: Die Ankunft des Adlers<
 

Die Briese, die an jenem Morgen von südlicher Richtung durch das Land Nevermore glitt, erwärmte die morgendliche Luft auf so wunderbare Weise, wie es sonst nur der Adler aus den westlichen Bergen, an der Grenze zum Neuen Land konnte. Noch lag der Nebel tief in der weiten Ebene, sodass die bereits aufgegangene Sonne noch nicht die Weite und das saftig-grüne Gras, das Weideland und die Siedlung Coudy zum leuchten bringen konnte. Java blickte angespannt gen Himmel. Die Nachricht die der Adler ihm überbringen würde und auch nur Derjenige wusste, dem die Weisheit gegeben wurde, war alles Entscheidende im Moment. Nichts würde ihn jetzt aus der Fassung bringen, weder die Briese, die zu einem Wind überging und ihm die Haare zur Seite wehte, noch der weiß-silbrige Nebel, der ihm die Sicht erschwerte.

Er stand einfach nur da und wartete.

Sein Blick starrte in den Himmel, als wollte er ihn hypnotisieren. Der Wind verschärfte sich zunehmend; der Nebel löste sich nach und nach auf. Die Luft erwärmte sich und ein Gefühl des Glücks strömte wie im Rausch durch Javas Körper. Jetzt war er sich sicher: Der Weise Adler war im Vormarsch.
 

Java (19) lebt zusammen mit seiner Schwester Sora (14) in einer Holzhütte in der Siedlung Coudy. Diese befindet sich irgendwo in den Weiten des „Goldenen Weidelandes“, wie es von den dort Lebenden genannt wird. Nevermore, wie es offiziell heißt, erstreckt sich vom Rand des Nebelwaldes im Norden bis zur Küste im Süden, von den westlichen Bergen der Adler an der Grenze zum Neuen Land bis hin zu den östlichen Quellen des Lebens, die jene Bäche erschaffen, welche sich zum Fluss des Lebens vereinen Java und Sora lebten an diesem Ort, seit sie Geboren wurden und seit einigen Jahren auch ohne ihre Eltern, die durch ein tragisches Unglück zu Tode kamen.

Das Land war geprägt durch die schier endlosen, tiefgrünen Wiesen und den Weiden um Coudy. Alle Bewohner der Siedlung waren stolz auf ihren Besitz und das Glück, das sie hatten, in einer solch wunderbaren Landschaft leben zu dürfen.
 

Java zog sich sein türkis- und braunfarbenes Gewand zurecht, ein jenes, das man in diesem Teil Nevermors zu tragen pflegte. Er wusste, dass es sich nur noch um wenige Minuten handeln konnte, bis der Adler eintreffen würde, um die mächtige Nachricht zu verkünden. Zowan, der dunkle Herrscher würde alle Wege einschlagen, um auch das Heilige Land der Einwohner Nevermors in seinen Besitz zu nehmen. Und der Adler würde den Stand der Dinge verkünden.

Immer mehr musste sich Java gegen den Wind lehnen, um nicht den Stand zu verlieren. Ein heller Lichtschein erhellte mit einem Mal das Dorf und die umliegenden Felder so stark, dass die Bewohner Coudys aus dem Schlaf gerissen und die Menschen traten vor ihre Türen traten, um die Ankunft des Adlers mitzube-kommen. Sie wussten davon, es war kein Geheimnis für die Meisten. Unter ihnen war auch Sora, die wie ihr älterer Bruder und alle anderen Bewohner Coudys die Augen wegen des hellen Scheins zu Schlitzen verengten. Sumi, der Shicho kam mit großen Schritten auf ihn zu. Als er Java erreichte, stellte er sich neben ihn.

„Wie lange wartest du schon?“

„Seit Mitternacht, wie er es wollte“, antwortete Java ohne ihn anzusehen.

Sumi blickte ebenfalls gespannt in das Leuchten am Himmel. Der Wind verschärfte sich aufs Neue und er blies nun so heftig, dass sich Java und die Anderen sich kaum auf den Beinen halten konnten. Die Gräser auf den Wiesen und das Korn auf dem Feld bogen sich so in den Wind, dass sie fast horizontal lagen.

Sora kam auf ihren Bruder zugelaufen. Doch Java schickte sie zurück.

„Du musst sofort zurück ins Haus, das ist eindeutig zu gefährlich für dich!“, befahl ihr Java, der sich ohnehin immerzu Sorgen um sie machte. Doch sie dachte gar nicht daran, und blieb felsenfest neben ihrem großen Bruder stehen.

„Wenn du nicht sofort gehst, dann werde ich…“

Doch diesen Satz konnte er nicht vollenden, denn genau in diesem Augenblick erschien ein überdimensionaler Flügel des weisen Adlers aus dem Licht. Java zog seine Schwester hinter seinen Rücken. Schon im nächsten Augenblick, so kam es Java vor, landete der Adler vor ihnen, schlug am Boden angekommen noch ein paar ausklingende Schläge mit den Flügeln, und zog diese dann an sein glänzend weißes Gefieder. Der Wind wirbelte um den Adler, als wäre er in ihm gefangen. Java bemerkte sofort seine funkelnden Augen, von welchen das glühende Licht auszu- gegangen sein schien. Der Adler erhob den Kopf und schloss die Augen. Der Wind verstummt allmählich und es trat eine unheimliche Stille ein. Daraufhin öffnete er wieder die Augen und erblickte Java. Dieser erwiderte den Blick und Java merkte schnell, dass er ihn gar nicht mehr lösen konnte. Der Adler begann zu sprechen.
 

„Ich, der Weise aus den Bergen der Adler an der Grenze zum Neuen Land, bin gekommen, um dir, Java, die Nachricht zu verkünden(….)Ich habe einen weiten Weg hinter mir(…)der dunkle Herrscher Zowan hat das Neue Land eingenommen(…)Er wird auch euer Heiliges Land Nevermore einnehmen und ihr werdet nichts tun können, als zu warten(…)Aber du musst es tun, du musst Zowan besiegen(…)ich kann es fühlen…“
 

Danach schloss der Adler fühlend seine Augen und hob den Kopf.

Java stand wie versteinert vor dem Adler und schien die Welt nicht mehr zu verstehen. Er hatte schon davon gehört, dass der Adler auf der Suche nach einem Würdigen ist, der gegen Zowan kämpfen würde; Java hätte aber nicht im Traum daran gedacht, dass gerade ihn das große Los treffen würde. Der Adler hielt seinen Kopf immer noch gen Himmel. Er wollte die Gelegenheit nutzen, sich zu seinen Mitbewohnern umzudrehen und im weiteren wollte er nach Sora schauen, aber was er dann erblickte, lies ihn heiß und kalt werden. Seine Schwester und alle Anderen, sie lagen leblos auf dem Boden. Nervös blickte er sich zum Adler um. Dieser hatte seinen Blick inzwischen wieder auf Java gerichtet und setzte ein mattes, aber doch mitfühlendes Lächeln auf.
 

„Sie sind nicht tot, ich habe sie nur von der Wirklichkeit genommen(...)die Wahrheit würde sie zu unweisem Handeln bringen(...)nur du darfst es wissen...“

Das Lächeln in seinem Gesicht verschwand schlagartig. Er weitete die Augen und verängten sie gleich wieder.

„...Es bleibt nicht viel Zeit, jede Sekunde ist kostbar(...)Du wirst bald aufbrechen...“

Jetzt ging der Adler drei Schritte auf ihn zu und legte seinen rechten Flügel auf Javas Kopf.

„Ich gebe dir Fähigkeiten, die du brauchen wirst, Fähigkeiten die nur sehr wenige würdig sind. Keine Angst!“
 

Von einer Sekunde auf die nächste spürte Java, wie eine unsichtbare Energie vom Flügel des Adlers in seinem Kopf strömte, es war ein Gefühl des Glücks, das seinen Körper erwärmte. Er konnte auch spüren, dass er Mut bekam, immer mehr und auch so viel, dass er kaum bemerkte, dass ein stechender Schmerz durch seinen Körber zuckte. Als dieser aber auch zunehmend schlimmer wurde, konnte er ihn nicht unterdrücken. Er sank in die Knie und er krümmte und drehte sich; der Adler lies dennoch seinen Flügel auf Javas Kopf.

Java selbst konnte unter seinen Qualen dennoch vernehmen, das sein Körper zu glühen begann. Doch das beeindruckte ihn nicht, die Schmerzen waren dafür einfach zu stark. Er fing an zu schreien. Noch nie zuvor hatte er eine Vorstellung davon gehabt, wie heftig Schmerzen sein könnten. Immer und immer mehr nahmen die Schmerzen zu und als er dachte, vor Qualen sterben zu müssen, war es vollbracht. Der weise Adler nahm den Flügel von Javas Kopf.

Dieser konnte seine Augen gerade noch so offen halten; er war einfach zu erschöpft. Er lag flach mit dem Bauch auf dem Boden und sein Kopf war nach rechts gerichtet, sodass er neben sich Sumi liegen sehen konnte. Er hatte sicher nicht das durchmachen müssen wie er, dachte Java sich.

Etwas weiter zum Adler hin lag seine Schwester Sora. Mit letzter Kraft versuchte er sie zu erreichen und er streckte seinen Arm nach ihr aus, schaffte es aber nicht.

Der Adler lies wieder ein Lächeln loswerden zu wollen, was er sich aber hätte auch sparen können, da Java bereits die Augen geschlossen hatte. „Du wirst es noch verstehen(...)Es ist nur eine Frage der Zeit“
 

Daraufhin spreizte er seine Flügel, wandte sich von Java weg und erhob sich in die Lüfte. Er drehte noch ein paar Runden über Coudy und schlug dann Richtung Norden ein. Der Wind, der er bei seiner Ankunft verursacht hatte, blieb allerdings aus.

Noch einige Minuten später konnte man die Siluette des Adlers vernehmen, ehe er ganz verschwand

Akira

>Kapitel 2: Akira<
 

Die Sonne war bereits hinter dem Horizont und die Dunkelheit begann einzubrechen, als Java auf der großen Wiese erwachte. Er blinzelte ein paar Mal und wunderte sich. Was war passiert? Warum lag er Seelenverlassen inmitten der großen Wiese, auf der er früher als kleines Kind immer mit den anderen Kindern von Coudy gespielt hatte? Doch dann viel es ihm wieder ein und er schoss mit einem Satz wie ein Pfeil in die Höhe. Der Adler war da gewesen! Und er hatte ihn außerwählt. Nicht Sumi, den Shicho; nicht Elda, der zwar noch ein Jahr jünger, dafür aber um ein vielfaches stärker war als er und auch nicht Tanaka, der durch seinen ausgeprägten Verstand bestach, nein, er hatte nur Java erwählt.

Er drehte sich um und betrachtete Coudy. Auf den ersten Blick war alles dunkel; kein einziges Haus schien bewohnt zu sein. Es war ein ungewohnter Anblick seiner ihm so vertrauten Heimat. Noch nie, zumindest konnte er sich nicht mehr daran erinnern, hatte er Coudy so verlassen gesehen wie jetzt, was ihn sichtlich beunruigte. Der Hauptgedanke jedoch, der unaufhörlich durch seinen Kopf ging war die Frage nach seiner Schwester, aber auch die, nach seinen Mitmenschen.

Langsam und ohne sich länger Gedanken über die Logik dieses Szenarios zu machen näherte er sich seinem Haus. Er musste eine beachtliche Entfernung zurücklegen; er konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, so eine Strecke am Beginn des Tages um Mitternacht gegangen zu sein.

Bevor er sein Haus erreichte, bemerkte er, dass das Versammlungshaus in der Mitte Coudys von Innen hell erleuchtet war. Er änderte seine Richtung und begann nun zu rennen.
 

Als er die große hölzerne Tür des Gebäudes erreichte, wartete er, um zu lauschen, was im Inneren vor sich ging. Von außen konnte man bereits ein ungeordnetes Stimmengewirr vernehmen, welches allerdings wenig später von Jemandem unterbrochen wurde.

Java konnte eine durchdringende, aber warme Stimme identifizieren. Er wusste, dass es nur Sumi sein konnte.
 

„...müssen wir eine Entscheidung treffen, welche Schritte wir als nächstes einschlagen werden. Sicherlich fragen wir uns alle dasselbe: Was ist geschehen, nachdem der Adler eingetroffen ist? Nun, um diese Frage zu klären, gibt es nur die Möglichkeit, weiter nachzuforschen und Indizien zu sammeln.“

Und wieder begann eine Unruhe von den Menschen auszugehen. Java überlegte, ob er die Halle betreten sollte, oder ob es eher ratsam wäre noch eine Weile abzuwarten, um vor dem Eintritt besser informiert zu sein. In seinem Kopf war alles durcheinander. Erst die Ankunft des Adlers und dann...

Ihm wurde wieder ganz heiß, als er an die Worte des weisen Adlers dachte: Er würde gegen Zowan kämpfen müssen, den wahrscheinlich mächtigsten dunklen Herrscher, der jemals bekannt war. Sollte er sich seiner Aufgabe entziehen? Nein das wäre nicht in seinem Sinne, dachte Java sich.

Er selbst hatte nicht die geringste Ahnung, wie er es fertig bringen sollte, einen mächtigen Unterweltler wie Zoran mal so eben zu besiegen. Java war nur einfacher Sohn eines Farmers, welcher mitten in den unendlichen Weiten eines Landes namens Nevermore lebte und keinerlei Erfahrungen mit kämpfen hatte. Wäre er Schüler eines Klosters, in dem Kämpfen auf dem Tagesplan steht, hätte er sicherlich weniger Angst gehabt.
 

Zwischenzeitlich versuchte er sich eine Vorstellung des Szenarios im Inneren zu machen. Seine Schwester war bestimmt inmitten der Versammlung und wunderte sich genau wie alle anderen Bewohner Coudys, warum sie kurz nach der Ankunft des Weisen plötzlich außer Gefecht gesetzt wurden, ganz zu schweigen davon, ob sie das überhaupt noch wussten. Warum aber hatte ihm keiner Beachtung geschenkt?

Er hielt sein Ohr nun noch näher an die Tür, um auf keinen Fall irgendetwas vom Geschehen zu verpassen.

Nach einer Weile ergriff einer der Bewohner das Wort.

„...warum waren wir nach der Ankunft alle bewusstlos? Wenn der Adler uns wirklich etwas zu sagen gehabt hätte, so würde er doch nicht veranlassen, das wir alle den Verstand verlieren!“

Tanaka!, dachte Java.

Tanaka war, wie bereits gesagt mit Abstand der Klügste in Coudy. Wenn er etwas sagte oder eine Vermutung konstruierte, schenkten ihm alle Beachtung, da diese fast immer stimmten oder zu Realität wurden. Doch Java wusste, dass er jetzt Unrecht hatte.

Sumi erhob aufs Neue seine Stimme.

„Wir alle wissen, wie mächtig der weise Adler ist. Er hat für alles seine Gründe; uns wurde nicht genügend Weisheit gegeben, um zu verstehen, was es damit auf sich hat...“

Ein weiterer Bewohner, den Java sofort als Dai identifizierte, unterbrach ihn. Er erkannte Dai an seiner kratzigen, verschleimte Stimme, die er noch nie ausstehen konnte.

„Aber Java ist nun mal nicht unmächtig geworden. Und das als Einziger, Rai hat es uns ja berichtet...“

Doch da unterbrach Sumi rückzugs Dai. Seine Stimme klang bestimmend und es machte den Anschein, dass er sich seine Worte genau überlegte.

„Und genau das ist ja die Sache, die uns beschäftigt: Warum gerade Java? –Der Adler muss etwas mit ihm ausgemacht haben, was aber nur für ihn bestimmt war. Wir dürfen aber keineswegs versuchen, ihm Informationen zu entlocken, das wäre nicht in seinem Sinne gewesen. Ob es darin um Zowan ging, wissen wir nicht, noch nicht.“

Java überkam ein Gefühl der Abgrenzung. Ob ihn die Bewohner Coudys in Zukunft anders behandeln würden, da er etwas wusste, was sie nur erahnen konnten?
 

Doch plötzlich wurden seine Gedanken von einer ihm unbekannten, hohen Stimme unterbrochen: „Na, gut geschlafen?“

Java erschrak so sehr, dass er in die Höhe fuhr und sein Kopf an der Klinke donnerte. Daraufhin fluchte er ein paar Mal vor sich hin und drehte sich in Richtung der unbekannten Stimme.

„Tut mir schrecklich leid, dass ich dich so erschreckt habe, aber man hat ja nicht ewig Zeit...“

Eine kleine Gestalt, die ungefähr bis zum Ellenbogen Javas reichte, ein regenbogenfarbiges Gewand trug und einen Hut, auf welchem ein eigenartiger Miniaturbaum befestigt war, blickte ihn mitleidig an. Java schaute etwas missmutig drein, überwund sich aber dennoch zu einem murmelnden: „Keine Ursache, wird schon besser.“

Einen kurzen Moment lang trat Stille ein und von der Innenseite der Versammlungshalle konnte man wieder ein Durcheinander von Stimmen vernehmen. Java drehte sich noch einmal um, um sicher zu gehen, dass Keiner den Schlag bemerkt hatte.
 

„ Ich heiße Akira“, sagte die Gestallt und reichte Java die Hand. Java erwiderte dies und presste die Lippen zusammen. Danach fuhr Akira fort.

„Ich komme von den weit entfernten Bergen des Mondes. Mein Auftrag ist es, dich zu begleiten. Noch Fragen?“

Java rieb sich an seinem Kopf, der immer noch schmerzte. Etwas ungläubig schaute er drein.

„Nein... das heißt doch...ich...“

Daraufhin blickte er in den Himmel, als erwarte er eine Erneute Ankunft des Adlers.

„Ich glaube nicht, dass ich der Richtige bin, um ihn zu besiegen.“
 

Akira klappte der Unterkiefer anscheinend vor Überraschung auf.

„Doch, doch, aber selbstverständlich bist du der Richtige; der Weise irrt sich niemals! Außerdem bin ich seit Wochen unterwegs, um dich hier zu treffen und dich anschließend in das Neue Land zu bringen und...“

„Mir zu helfen?“; unterbrach Java ihn.

„Nein, helfen kann ich dir nicht. Ich habe vom Adler einen klaren Auftrag bekommen, so wie du deinen bekommen hast.“

Java schien noch nicht recht zu begreifen.

„Der Adler war erst heute Morgen bei mir, wie...“

„Ich glaube du weißt nicht wirklich viel über ihn, oder?“, unterbrach ihn Akira, den die Unwissenheit Javas genauso überraschte, wie seine Zweifel, er sei nicht der Richtige, um Zowan zu stürzen.

Java lies bewusst ein überlegenes Lächeln in sein Gesicht gleiten.

„Ich kenne ihn sehr gut. Wir alle hier kennen ihn sehr gut und wir wissen, welche Macht er besitzt. Aber das hier ist etwas anderes.“

„Was du wahrscheinlich noch nicht weist“, begann Akira, „ist, dass er sogar die Zeit beeinflussen kann. Dies tut er in gewissen Fällen, er würde sie aber niemals missbrauchen. Er setzt seine Fähigkeiten gezielt ein. Und auch du hast jetzt ähnliche, wenn auch nicht dieselben Fähigkeiten wie er.“
 

Java erinnerte sich wieder: Er hatte Fähigkeiten vom Adler bekommen, was er aber noch nicht wusste war, was das für welche waren und wie man sie einsetzt. Irgendwie überkam ihn das Gefühl, dass der Adler ihn hätte besser aufklären müssen, wenn er ihn schon beinahe sterben lies. Aber wie für so vieles hätte er auch dafür eine Begründung gehabt.

„Wir müssen bald aufbrechen, es ist schon spät“, begann Akira. „Aber halt, beinahe hätte ich es vergessen! –Deine Schwester kommt mit.“

Java hatte sie beinahe vergessen. Wenn sie mit sollte, so müsste er vorher die Versammlung betreten. Schließlich wusste sie ja auch nicht mehr als die Anderen, aber Java konnte sich an den Gedanken nicht gewöhnen, dass Sora sich solcher Gefahr aussetzen sollte.

„Sie kann nicht mit, sie würde das nicht durchstehen. Außerdem ist das viel zu gefährlich.“

Er richtete seinen bestimmten Blick auf Akira. Dieser schien aber anderer Meinung zu sein.

„Und weißt du was ich glaube? –Ich glaube, dass du viel zu viel Angst um deine Schwester hast und dass du ihr zu wenig zutraust. Sie wird mitkommen, der Adler hat das befohlen.“

Java machte bewusst ein fragendes Gesicht.

„Warum hat er es dann nicht gleich mir gesagt?“, fragte er ihn ungeduldig.

„Weil er für alles seine Gründe hat!“, erwiderte Akira und er deutete Java auf die Stirn wobei er sich bei seiner geringen Körbergröße ziemlich strecken musste. „Siehst du den Baum auf meinem Kopf? –Das ist der Baum der Weisheit. Er ändert sein Blätterkleid je nach Lage des Landes.“

Java, dem dieser seltsame Kopfschmuck schon aufgefallen war, bevor er Akira selbst erblickte, betrachtete ihn nun genauer. Die Äste waren dürr und ein paar vertrocknete Blätter hingen schlapp nach unten, sodass sie sich jeden Moment abwerfen würden.

„Alle Anzeichen des jetzigen Zustand des Baumes deuten auf das nahe stehende Ende. Sobald das letzte Blatt des Baumes abgeworfen wird, ist jede weitere Bemühung umsonst, denn dann...“

Akira verstummte. Java ergänzte ihn.

„...Ist es zu spät, ja, ich weiß“, sagte er und blickte in die Ferne.
 

Akira machte eine wegweisende Andeutung und wies darauf hin, dass Java seine Schwester holen sollte.

Java war sich zwar ziemlich unwohl bei der Vorstellung, wie gedrückt die Stimmung bei seinem Eintritt werden würde, aber er holte tief Luft und drückte die Klinke herunter. Doch im nächsten Augenblick wurde er zur Seite gedrängt. Vom Inneren schritten die Dorfbewohner, einer nach dem anderen ins Freie; offenbar war die Versammlung beendet. Java flüchtete schnellstmöglich hinter die Hauswand. Akira hielt aber weiterhin die Stellung. Dennoch schien ihn Keiner zu bemerken, was nicht zuletzt auch an der bereits weit fortgeschrittenen Dämmerung lag.

Als Sora an der Reihe war, das Haus zu verlassen, zog Akira sie mit sich in Richtung Javas Versteck.
 

„Da bist du ja!“, sagte Sora erleichtert. „Aber warum versteckst du dich? Und wer bist du überhaupt?“, fragte sie und blickte zu Akira. „Auf jeden Fall haben wir uns schon gewundert, wo du bleibst. Sumi wollte...“

Java unterbrach sie.

„Nicht jetzt, später!“, zischte er durch die Mundwinkel und prüfte mit ein paar Blicken, ob ihn Keiner bemerkt hatte. „Wir müssen sofort aufbrechen!“

Akira bestätigte das.

„Dein Bruder hat Recht. Es bleibt uns nur noch wenig Zeit!“

Sora verstand gar nichts mehr.

„Wie? Für was Zeit? Hab ich irgendwas verpasst?“, fragte sie verwirrt.

„Kann man so sagen, ja.“, sagte Java und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Die Zeit wird wirklich knapp“, drängelte Akira. Er fixierte Sora und gab ihr ein vertrauenvolles Zeichen, dass sie ihnen folgen sollte. „Wir werden es die doch rechtzeitig erklären“, gab er ihr zu verstehen.
 

Und so zogen sie, gegen den Willen Soras in das Ungewisse. Keiner der Drei, ganz zu schweigen von ihr, hatte eine Ahnung was sie erwarten würde und wie sie vorgehen mussten. Der erste Weg war auf jeden Fall der in das Neue Land, welches bereits unter der Macht Zowans stand, da war sich zumindest Akira sicher.

Java beschäftigte sich immer wieder mit der Frage, warum grade seine hilflose Schwester sie begleiten musste und wie er seine geheimnisvollen neuen Kräfte aktivieren konnte.

Das weite Land, das sie durchstreiften war bereits in vollkommener Dunkelheit versunken. Das einzige, was ihnen jetzt noch den Weg wies, war ein Kompass, der natürlich auch nicht beleuchtet war, was die ganze Sache wiederum noch mehr erschwerte. Um sich nicht zu verlieren, blieben sie dicht beieinander.

Wenn man zurückschaute, konnte man in der Ferne noch Coudy sehen, das wieder hell erleuchtet war.
 

Das Abenteuer begann.

Zeitraffer

>Kapitel 3: Zeitraffer<
 

Nachdem sie die gesamte Nacht bis zum kommenden Morgen pausenlos die Ebene durchzogen, schien Java und Sora die Kraft auszugehen. Der Himmel war golden erleuchtet von der Sonne, die ihre ersten Strahlen am Horizont entsandte. Das hohe Gras begann zu leuchten und Java fühlte sich dadurch, trotz seiner Erschöpfung und der Vorstellung, gegen Zowan kämpfen zu müssen ein wenig erleichtert. Dennoch wurde ihr Schritt immer langsamer. In der Ferne konnte man bereits eine feine Silhouette der Berge des Adlers vernehmen, welche aber noch sehr bläulich erschien.
 

„Die erste Hürde, die wir nehmen müssen“, begann Akira, der damit eine zuvor lang andauernde Stille durchbrochen hatte, „ist zugleich eine der Schwierigsten. In den Bergen wimmelt es geradezu von Zowans Kämpfern, Wächtern und Trollen.“

„Zowan besitzt Trolle?“, fragte Java erschöpft, als er verträumt in das Sonnenlicht blickte.

„Nein, Trolle gibt es seit jeher in den westlichen Bergen. Wer weiß, was da vor sich geht.“

Akira machte auf Java einen sehr allwissenden Eindruck, auch wenn er dem Baum auf seinem Kopf, beziehungsweise auf seinem Hut viel mehr Beachtung schenkte. Ob Alle seiner Rasse so einen Baum besaßen?

Doch im Moment war ihm das egal; viel mehr sehnte er sich nach einer Pause, auch wenn er wusste, dass die Zeit knapp war.

Wie gut doch jetzt die Gelegenheit wäre, dachte er.
 

Sora blieb mit einem Mal stehen. Java und Akira drehten sich zu ihr um. Sie schien sich kaum noch halten zu können und ihr Blick war starr nach vorn gerichtet. Java nutzte sogleich die Gelegenheit und bestätigte, dass ein Zwischenstopp dringend erforderlich war.

„Also gut, machen wir eine Pause“, gab Akira zu verstehen, wenn auch nicht mit großer Begeisterung.
 

So rasteten sie inmitten der großen Weite von Nevermore. Akira hatte zum Glück Java und Soras genügend Proviant bei sich, der dennoch knapp bemessen war. Java und Sora legten sich in das Gras und blickten in den Himmel. Akira reichte das Brot, dass er auspackte zuerst Sora, die es wohl am dringendsten brauchte.
 

„Wie wollen wir es eigentlich bis ins Neue Land schaffen, wenn wir in der Zwischenzeit mal eben verhungern?“, fragte Java etwas belustigt, als er seiner Schwester dabei zuschaute, wie sie hungrig in ihr Brot biss.

„Unsere Route führt uns vorbei an einem guten Bekannten“, erklärte Akira. „Er lebt unterhalb der Berge in einer Stadt namens Fragandil. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir es noch bis heute Abend.

Java kam auf einmal wieder der Gedanke in den Kopf, was seine geheimnisvollen Adler-Fähigkeiten wohl bewirken konnten, kam jedoch auf keine konkrete Lösung.

So verschwand diese Überlegung allmählich und er erfreute sich im Weiteren daran, die Wolken zu beobachten. Die Wolken waren leicht und durchsichtig und wenn er sie genau betrachtete, meinte er sehen zu können, wie sie sich in eine Form verwandelten, die einem Adler glich. Zuerst meinte er, seine Fantasie spiele ihm einen Streich, doch je länger er die Wolke betrachtete, desto mehr nahm sie Adlergestallt an. Java verengte seine Augen, um sicherzugehen und lies sie wieder locker. Er blickte rüber zu Sora; sie aß immer noch vom Brot; dann zu Akira.

„Stimmt was nicht?“, fragte Akira, der sich über das seltsame Verhalten Javas wunderte.

„Die Wolken…“, begann Java und deutete mit seinem Kopf darauf, „…siehst du das selbe wie ich?“

Akira schaute ebenfalls in den Himmel. Es schien ihm aber nichts Außergewöhnliches aufzufallen.

„Nein, ich sehe nichts.“, sagte Akira. „Aber sehen wir nicht alle etwas anderes in den Wolken? Ich meine unsere Fantasie…“

Java unterbrach ihn.

„Nein, das ist keine Fantasie… das ist eine Botschaft, vom weisen Adler!“

Java kamen diese Worte mit einer Selbstverständlichkeit heraus, als ob dieses Phänomen bereits angekündigt gewesen wäre.

Er stelle sich aufrecht in das hohe Gras und blickte immer genauer in den Himmel, um das Formatieren der Wolken genau mitzuverfolgen. Akira und Sora stellten sich um ihn und schienen nicht recht zu begreifen, was in Java vor sich ging. Java stand genauso konzentriert da, wie beim Warten auf die Ankunft des Adlers.

Die Wolken bildeten ein so klares Abbild des Adlers, dass er sich sicher war, Sora und Akira konnten es auch sehen. Doch diese waren ratlos. Sora schritt etwas näher zu ihren Bruder und legte ihre Hand auf seine Schulter, als ob er schwer krank wäre.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.

Java aber antwortete nicht. Sein Blick war fest an die Wolken fixiert. Der Wolkenadler begann mit den Flügeln zu schlagen und bewegte sich schneller vorwärts, als die sonstigen Wolken in Richtung der Berge des Adlers. Als er eine gute Strecke zurückgelegt hatte, blieb er in der Luft stehen; die Adlergestalt löste sich auf und die Wolken formatierten sich um.

Java nutze die Gelegenheit um sich zu Sora umzudrehen. Sie hatte noch immer ihre Hand auf seiner Schulter und schaute ihm besorgt ins Gesicht. Sie schien das Geschehen am Himmel gar nicht zu bemerken. Etwas verärgert darüber drehte Java sich wieder in Richtung der Wolke. Diese formte sich zu einem Bizarren Wesen, das Java zu nichts aus seinen Erinnerungen einordnen konnte. Die Gestallt war breit und kräftig, trug in der einen Hand ein unersichtliches Kriegswerkzeug. Der Wolkenkrieger begann im nächsten Augenblick seine Hand mit der Waffe auszuholen und schlug mit einem Mal auf etwas vor sich, wo Java nur Luft sehen konnte. Kurz darauf verschwamm der Wolkenkrieger und die Wolke formte sich aufs Neue um. Dieses Mal erschien ein Abbild Javas selbst, jedoch nicht mit dem türkis-braunen Gewand, sondern in einer Kriegsrüstung. Wolken-Java holte ebenfalls mit einem Schwert aus und schlug auf etwas vor sich wo scheinbar nur Luft war.

Jetzt erkannte er, dass darin eine noch viel tiefsinnigere Botschaft verborgen lag, als er zuerst annahm.

Das Wolkengebilde verschwamm und aus allen Himmelsrichtungen zogen Wolken zusammen, die sich im Kreis umeinander zu drehen begannen. Der Himmel verdunkelte sich und kräftiger Wind zog auf. Javas Haare wurden nach hinten geweht. Die Wolken wirbelten immer schneller und der Himmel begann abwechselnd hell zu glühen und sich anschließend wieder zu tiefen schwarz zu verdunkeln.

Java drehte sich zu den anderen zwei um, aber da war kein Akira und auch keine Sora.

Er schien in einem Loch zu versinken, in dem nur er gefangen war. Der Wind stürmte von der Wolke zu Java; dort angekommen wirbelte er um ihn selbst. Er spürte, wie er den Halt unter seinen Füßen verlor und er viel in ein scheinbar endloses Loch ohne zu wissen, wo es hinführte. Java fiel und fiel und schien den Verstand zu verlieren.
 

Doch plötzlich stoppte Javas Fall schlagartig und er lag ausgestreckt auf einer großen Wiese mit blühenden Blumen und Schmetterlingen. Die Sonne strahlte über die Wiese und die Luft war warm. Java hob langsam seinen Kopf und sah vor sich verschwommen eine Sanduhr stehen. Die obere Hälfte war noch prall mit Sand gefüllt und dieser rieselte langsam in die Untere. Doch unerwartet nahm die Geschwindigkeit zu und der Sand strömte durch die Verengung; das Geschehen um ihn nahm ebenfalls parallel zu. Die Schmetterlinge rasten über den Boden und man konnte den Blumen geradezu beim Wachsen zusehen, wie sie wackelten und schwankten und sich ihren Weg in Richtung Himmel bahnten. Auch die Wolken zogen in Zeitraffer über ihn vorbei. Erneut verdunkelte sich der Himmel zu tiefen Schwarz und Java begann aufgrund dieses beunruhigenden Szenarios zu schwitzen. Immer schneller wurde das Geschehen um ihn. Eine Hand, warm und beruhigend legte sich auf seine Schultern…

„Java!“, erklang eine Stimme hinter ihm. Java schreckte in die Höhe. Sora war es gewesen. Java war erwacht.

Das Symptom der Zeit

>Kapitel 4: Das Symptom der Zeit<
 

Er blickte um sich, verwundert über den schlagartigen Ortswechsel. Nichts war, wie es in der Sekunde zuvor war.

„Du bist ohnmächtig geworden“, begann Akira zu erzählen und er musterte Java von oben bis unten. „Zugegebenermaßen haben wir uns ernsthaft Sorgen um dich gemacht.“

Sora war jetzt noch mehr besorgt um Java.

„Ja, ich dachte du müsstest sterben“, sagte sie halb flüsternd.

„Wie lange war ich bewusstlos?“, fragte er und sah sich um.

Es war bereits dunkel geworden und sie hatten ein Feuer gemacht. Erst jetzt bemerkte Java, dass er in einer Decke gelegen hatte, die einer von beiden auf ihn gelegt haben muss.

„Fast den ganzen Tag“, sagte Akira. „Wir haben viel Zeit verloren, aber du warst erst einmal wichtiger.“

Java wurde unruhig.

„Wir müssen weiter“, sagte er kraftlos und versuchte sich aufzuraffen, was ihm aber nicht gelang.

„Kommt nicht in Frage!“, sagte Akira und lenkte ihn zurück auf die braune Wolldecke. „Du bist noch viel zu geschwächt und außerdem sind wir in einen Bereich des Landes vorgestoßen, in dem es nicht ratsam ist, nachts zu wandern. Wir werden bis zum Sonnenaufgang warten müssen.“

Akiras Miniaturbaum warf einen Langen Schatten über das kreisförmig vom Feuer erhellte Gras. Java fühlte sich, als hätte jemand eine Flasche auf seinem Kopf zerschlagen.

Sora machte es sich gemütlich und sie mummte sich in ihrer Decke ein. Sie schlief wenige Minuten später ein. Java und Akira blieben aber noch wach.
 

Java blickte eine Zeit lang ins Feuer. Es fing an zu knistern und ein paar Funken flogen in Richtung Akira.

„Ich wünschte“, begann Java, „ich hätte mich von den Anderen besser verabschiedet. Selbst Elda hab ich nichts gesagt.“

Elda war wie gesagt ein Jahr jünger als Java aber um ein vielfaches stärker als er. Dennoch war er Javas bester Freund und er schämte sich dafür, dass er ihn einfach so zurückgelassen hatte.

„Kann ich gut verstehen, aber die Zeitraum wird immer enger und enger…“, sagte Akira und brach ab. Er schien in Gedanken zu versinken.

„Was ist los?“, fragte Java.

„Nichts, gar nichts!“, antwortete Akira und schüttelte seinen Kopf, als wolle er nichts mehr von dem Gedanken wissen. Java blickte ihn skeptisch an. Akira gab nach.

„Ja, okay, mir kam da grade so ein schrecklicher Gedanke…“

„Ja?“, sagte Java ungeduldig.

„Zowan“, begann Akira langsam und wohl bedacht, „ich glaube, dass er viel mehr vorhat, als wir ahnen können. Er strebt ein neues Ziel an.“

„Er will Nevermore einnehmen, dass weiß ich“, sagte Java und war sich sicher, dass das Thema damit erledigt hatte.

„Das wird er, aber auf einen Weg, wie man ihn unmöglich aufhalten kann!“

Java verstand noch nicht genau, was Akira damit sagen wollte.

„Es gibt immer einen Weg, wenn…“, begann er aber Akira unterbrach ihn.

„Nicht immer! Als du im Himmel etwas gesehen hast, wo wir nichts sehen konnten und dann auch noch bewusstlos wurdest wurde es mir klar.“

„Was wurde dir klar?“, fragte Java, der immer ungeduldiger wurde.

„Das Symptom der Zeit. Es ist ein seit vielen tausend Jahren bekanntes Phänomen, das demjenigen erscheint, der versucht, denjenigen zu bekämpfen, welcher die Zeit gebraucht oder zumindest irgendetwas mit ihr zu tun hat. In deinem Fall bist du ja schließlich auch derjenige, der Zowan stürzen muss. Der Weise hat dich schließlich mit der Bestimmung belegt, Zowan aufzuhalten.“

In Java legte sich buchstäblich ein Schalter um, der ihm den Sinn in Akiras Worten begreiflich machte.

„Soll das bedeuten, Zowan will die Zeit beherrschen?“, sagte Java.

„Ja, zumindest versucht er das. Und es wird ein harter Brocken, ihm die Suppe zu versalzen. Ich habe keine Ahnung wie er es machen will und auch Keine, wie du es machen sollst.“

Java fragte ihn nicht weiter und machte sich Gedanken darüber, wie man es schafft, die Zeit unter seine Kontrolle zu kriegen. Doch da fiel ihm etwas ein.

„Du sagtest doch, dass der Weise Adler auch die Zeit beeinflussen kann, oder?“, fragte er Akira.

„Ganz richtig, aber wie ich schon sagte: er würde sie niemals missbrauchen.“, erklärte er.

Java dachte kurz nach.

„Und wie bekam der Adler diese Fähigkeit?“

Akira machte ein ungläubiges Gesicht.

„Das ist etwas ganz anderes. Der Adler bekommt diese Kraft vom guten Willen, Zowan braucht Hilfe.“

Obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, was Akira damit sagen wollte, legte er sich unter seine Wolldecke und machte es sich bequem. Ehe er einschlief, dachte er über seine Vision nach. Was hatte die Sanduhr zu bedeuten? Und warum erschien sein Abbild in den Wolken? Doch er war einfach zu müde, um noch weitere klare Gedanken zu verfassen. Daher schlief er wenig später ein.

In der Feuerstelle war nur noch ein leichtes Glühen der verkohlten Holzreste zu vernehmen und alle drei schliefen tief und fest ohne zu ahnen, was schon bald Schreckliches auf sie zukommen würde.

Fragandil

Java war der erste, der am darauf folgenden Morgen erwachte. Die ersten Sonnenstrahlen trafen ihm ins Gesicht und er schlug langsam die Augen auf. Ab diesem Moment spürte er, dass etwas anders war als sonst. Java hatte sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt wie jetzt, dass Entscheidende war jedoch, dass er die Einstellung zu seiner bevorstehenden Aufgabe grundlegend geändert hatte. Seit der Verkündung seiner Bestimmung bis zum vorherigen Tag war er sich sicher, dass der Adler seine Auswahl nicht richtig getroffen hatte. Doch heute war alles anders.

Er weckte Akira und sagte ihm, dass er bereit zum weiterziehen wäre. Akira selbst schien redlich überrascht zu sein.

„Seit wann bist du denn so entschlossen?“, fragte er verwundert.

„Viele Menschenleben stehen auf dem Spiel, ich kann nicht zulassen, dass sie wegen meines mangelnden Pflichtbewusstseins sterben!“, erwiderte Java entschieden.

Akira war so begeistert, dass er Java beinahe umarmt hätte, was er dann dennoch in einer kleinen Jubelgeste ausklingen lies. Java war fest entschlossen und er wusste, dass er von nun an alles tun würde, um Zowan zu stürzen.

Sora war in der Zwischenzeit erwacht und machte sich fertig, um weiter zu ziehen. Nach einer kurzen Malzeit setzten sie ihre Reise in Richtung der Berge des Adlers fort.

„Sobald wir Fragandil erreicht haben“, begann Akira unerwartet, „werde ich einen Falken schicken.“

„Falken schicken?“, fragte Java.

„Man verschickt Botschaften seit jeher über Falken. Sie sind sehr zuverlässig und bringen die Nachrichten zielgenau am Bestimmungsort ab, insofern sie ihr Ziel kennen.“

Obwohl Java mindestens einmal in seinem Leben bereits mitverfolgt hatte, wie Sumi einen Falken schicken lies, tat er so, als wäre ihm dieses Thema nicht geläufig.

„Das heißt, man kann sie überall hinschicken, wenn sie die entsprechende Strecke schon einmal zurückgelegt haben?“, fragte Java interessiert.

„Theoretisch ja, ausgenommen von Strecken, auf denen Zwischenstopps ausgeschlossen sind, wie zum Beispiel über das Meer.“

Er dachte einen Augenblick nach. Könnte man Falken vielleicht auch als Spione benutzen? Doch schnell verfiel diese Idee.
 

Die Sonne verzog sich hinter ein paar Quellwoken; Java überkam aufs Neue das Gefühl, die Wolken könnten sich im nächsten Augenblick wieder verformen und er blickte angespannt nach oben. Doch es passierte nichts: Die Wolke zog ausdruckslos vorbei, die Sonne kam hervor und Java lies seinen Blick wieder in Richtung der Berge schweifen, die es zu überwinden galt. Diese kamen beachtlich näher und erst jetzt erkannten Java und Sora, wie gewaltig das Massiv des Gebirges tatsächlich war. Der Himmel über den Bergen war stark verdunkelt und hin und wieder konnte man meinen, dass sich Blitze ihren Weg am Himmel bahnten.

„Sieht echt heftig aus!“, bemerkte Sora, die erstaunt das entfernte Geschehen beobachtete. Java schob sich etwas näher zu Akira und er zischte ihm ins Ohr: „Ich hab doch gesagt, dass es keine Gute Idee ist, dass sie mitkommt!“

Akira schien das aber nicht zu beunruhigen.

„Sie wird, sie wird.“, sagte er aber nur. Java schaute etwas fragend Akira von der Seite an. Doch dann lies er dieses Thema auf sich ruhen und wortlos ging es weiter.

Das hohe Gras streifte ihre Füße, nicht mehr weit und sie würden ein solch wunderbares Szenario nicht mehr so schnell wieder sehen bekommen. Die dunklen Wolken und die darunter liegenden Berge kamen erneut näher.
 

„Was erwartet uns eigentlich hinter den Bergen?“, fragte Java, als sie schon eine beachtliche Entfernung zurückgelegt hatten.

„Nun…“, begann Akira langsam und wohlbedacht, so wie es Sumi auch pflegte, „…hinter den Bergen beginnt wie gesagte das neue Land. Zuerst müssen wir durch die legendären Gondenmoore, ein brandtgefährliches Sumpfgebiet, in dem,…

Er schwieg.

„In dem?“, fragte Java ungeduldig.

„Wie soll ich sagen…“, begann Akira und er schaute sich um zu Sora. „In dem noch niemand lebend herausgekommen ist“, sagte er gerade so laut, dass Java es hören konnte.

Java wusste nicht genau, ob ihn dass beeindrucken sollte, oder ob es sich hier nur um eine Legende oder eine schon oft übernommene Erzählung handelte, die man nicht unbedingt ernst nehmen durfte.

„Gibt es denn keinen anderen Weg?“, fragte Java ihn.

„Es gibt viele andere, aber nur dieser führt zu Zowan“, erklärte Akira und musste ein wenig über seinen eigenen Witz lachen.

„Um genau zu sein: Es gäbe da noch einen weiteren Weg. Ich bin mir aber sicher, dass dieser eindeutig zu riskant wäre…“

„Warum?“, fragte Java.

„Nun, weil er von Zowans Kriegern und Streitkräften eingenommen wird. Er ist sozusagen für sie der einzige Weg zur Außenwelt.“

„Ist es noch weit?“, konnte man Sora von hinten fragen hören, die das Gespräch offenbar nicht mitgehört hatte.

Akira drehte sich zu ihr um und legte seine Hand auf ihre Schultern.

„Du musst schon etwas Geduld haben. Das hier ist nichts gegen das, was euch noch erwarten wird.“
 

Nachdem sie den ganzen Tag unterwegs waren, ohne eine Mittagspause einzulegen, erreichten sie die von Akira angekündigte Stadt Fragandil. Um einiges größer als Coudy und unverkennbar schmucker, lag es nur noch ungefähr ein halber Tagesmarsch vom Gebirgsmassiv entfernt.

Sie traten durch eines der Fragandil umringenden hölzernen Tore, die einen Schutz vor Feinden bildete. In der Innenseite wurde die erst die wahre Pracht der Stadt sichtbar: Steinerne Häuser wie Java und Sora sie nie zuvor gesehen hatten und goldene Dächer, welche die Stadt wie Schleier des Lichtes umgaben prägten das Bild von Fragandil.

Aus dem noch vor der Stadt schlammigen Weg, wurde ein gut gepflasterter Steinweg, welcher gradewegs in das Zentrum führte. Dort konnte man ohne Schwierigkeiten einen dominierenden, ebenfalls aus Stein erbauten Glockenturm vernehmen, dessen Läuten die Bürger von Fragandil allmorgendlich zum Arbeitsbeginn und abends zum Feierabend aufmerksam machte, wie es Akira den Zweien erklärte.

Als sie die holprige Pflasterstraße entlangliefen, kamen ihnen immer wieder Pferde mit Soldaten oder Marktkarren vorbei, die sich ihren Weg durch die Stadt bahnten.

Java, Akira und Sora erreichten einen großen Platz, auf dem zur Tageszeit ein Markt abgehalten worden sein musste. Aufgrund der einbrechenden Dämmerung waren nur noch ein paar wenige Händler anwesend, die sich aber auch allmählich auf den Heimweg machten. In der Mitte des Platzes stand der Glockenturm, unmittelbar darunter ein baufälliges, herunterge- kommenes altes Haus, das Akira sofort wieder erkannte.

„Da vorne ist es!“, sagte er erfreut über sich selbst und er ging in Richtung des Hauses.

Die anderen Zwei folgten ihm über den großen Platz. Java hatte noch nie zuvor etwas anderes als seine Heimatsiedlung Coudy zu sehen bekommen und blickte sich daher interessiert um. Alles erschien ihm unbekannt und fremd. Sora ging es genauso und tat es ihrem älteren Bruder gleich.

Als sie am Fuße des Turmes angekommen waren, gab Akira ihnen ein Zeichen zum Warten.

„Ich werde ihn begrüßen, ihr wartet so lange“, sagte er. „Ich muss ihn erst einmal darauf vorbereiten, schließlich ist es schon eine Weile her, dass ich ihn das letzte Mal getroffen habe.“

Daraufhin ging er um das Haus, da sich die Tür auf der entgegengesetzten Seite befand.

„Verdammt, ich sterbe gleich vor Hunger!“, stöhnte Sora und lies ihren Kopf hängen.

Java lies seinen Blick über den Platz streifen. Dann drehte er sich um und versuchte einen Blick in das Fenster zu werfen, gab es aber aufgrund der für ihn unerreichbaren Höhe auf. Er lies er sich am Hausrand nieder und blickte ziellos geradeaus und sah in der Ferne, wie ein Konflikt zwischen einem Markthändler und einem Bauern ausbrach.

„Hoffentlich hat Akiras guter Bekannter ein Paar Happen für uns übrig“, sagte Java mit ironischer Stimme.

„Wenn nicht, sterbe ich!“, erwiderte Sora.

Java runzelte die Stirn.

„Jetzt beruhige dich erst mal, glaubst du, ich habe weniger Hunger als du?“, sagte er genervt.

Er tippte ungeduldig mit den Fingern auf dem Boden als ob er Klavier spielen wollte. Er legte seinen Kopf auf die Knie. Mit einem Mal trat Stille ein. Von keinem Winkel der Stadt war auch nur ein einziges Geräusch zu vernehmen.

Nach einer Weile kam Akira um die Ecke und gab ihnen ein Zeichen, dass sie kommen konnten. Noch bevor sie die Tür erreichten, begann die Glocke des Glockenturmes laut zu schlagen. Ein schon fast traumhafter Hall voller Eleganz und Schönheit klang in die Ohren von den dreien.

„Wie ich diesen Klang vermisst habe!“, schwärmte Akira verträumt und er schloss seine Augen.

Für Java und Sora war es der schönste Klang, den sie je in ihrem Leben zu Ohren bekamen. Es war ein Klang, bei dem man sich so schwerelos fühlte, dass man meinen könnte, im nächsten Augenblick abzuheben.
 

Sie erreichten die Eingangstür. Ein mittelgroßer, älterer Mann, größer als Akira, aber kleiner als Java und Sora, mit verfilzten, grauen Haaren kam im Takt des Glockenschlags auf sie zu getänzelt. Java und Sora blickten sich verdutzt an.

„Seit willkommen, meine lieben Freunde!“, sagte er halb singend mit heller Stimme und er begrüßte erst Sora und danach Java.

„Kommt doch rein, ich habe schon etwas vorbereitet“, sagte der Mann immer noch beglückt.

So traten sie, einer nach dem anderen in das baufällige kleine Holzhaus und ließen das Abendliche Geschehen des Platzes hinter ihnen.

Im Inneren des Hauses war es warm, am Ende eines kleinen, länglichen Zimmers stand ein Kamin, in dem ein Feuer brannte. An den unebenen, rauen Lehmwänden hingen unzählige verschiedene Bilder von Rittern und Königen, was Sora, aber vor allem Java verwunderte.
 

„Ach ja!“, begann der alte Mann, „Ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt! Mein Name ist Tarandutra.“

Sora musste grinsen. Ihr kam der Name ziemlich komisch vor, wie auch Java; dennoch stupste er seine Schwester an, um sie darauf aufmerksam zu machen, das so ein Verhalten unangebracht war.

„Ihr dürft mich aber auch Taru nennen.“, fuhr er fort und präsentierte mit einer Arm- und Handbewegung sein kleines Reich. „Fühlt euch bei mir wie Zuhause!“

„Vielen Dank Taru…“, sagte Akira dankend für den Empfang und er verbeugte sich vor ihm. „…wir werden uns unter deiner Gastfreundlichkeit in der Tat wie Zuhause fühlen.“

Die Dunkelheit war bereits vollständig über Fragandil eingebrochen. Auch die benachbarten Häuser am Platz des Glockenturms waren von Innen her hell erleuchtet.

Sora begann sich umzuschauen.

„Wenn ihr Hunger haben solltet…“, begann Taru aber Java und Sora unterbrachen ihn Zeitgleich.

„Ja, bitte!“, kam es wie aus einem Mund.
 

So aßen sie in Tarus gemütlicher Unterkunft an einem Tisch unweit des wärmenden Kamins. Auf dem Tisch hatte er Kerzen entzündet und eine ausgeblichene goldene Decke ausgebreitet. Es gab verschiedenste Speisen, wie gebackener Fisch und Brot mit verschiedenen Beilagen. Es machte unschwer erkennbar den Anschein, dass sich Tarundutra viel Mühe um das Wohl seiner Gäste machte. Java musste im Laufe des Abends feststellen, dass er gar nicht so verrückt war, wie bei ihrer Ankunft und er vermutete das die Glocken nicht ganz unentscheidend daran gewesen waren.
 

„Ich hätte da mal eine Frage“, begann Java, als sie fertig gegessen hatten und Taru begann, den Tisch mit den hölzernen Besteck und Tellern abzuräumen.

„Ja, mein Sohn, frage mich was dein Herz begehrt(…)“, sagte er angestrengt und ohne ihn anzuschauen, da er gerade versuchte, die Teller aufzutürmen, um sie allesamt in Richtung des Wasserbeckens zu befördern.

„Was sind das für Glocken und…wer läutet sie?“, fragte er ihn und er machte wieder einmal bewusst einen fragenden Gesichtsausdruck.

„Ach ja… die Glocken!“, begann er, ließ das Geschirr stehen und blickte verträumt in die Richtung, wo der Glockenturm stand, auch wenn man ihn von der Innenseite nicht sehen konnte, da an der Seite des Turms kein Fenster vorhanden war. Sein runzeliges Gesicht wurde vom Kerzenschein unheimlich beleuchtet.

„Nun, mein Freund, du musst wissen, dass es sich hierbei um magische Glocken handelt. Der Glockenturm hat eine viel mächtigere Aufgabe, als man sich erträumen kann…“, erklärte Taru und brach ab.

„Was ist das für eine Aufgabe?“, fragte Sora, die sich ausnahmsweise auch mal zu Wort meldete und somit Java die Frage abnahm.

„Stellt euch vor…“, begann er, „…er kann die Persönlichkeit eines Menschen beeinflussen, somit bildet er sozusagen einen Schutz vor Feinden, weil diese…“

Java schien plötzlich alles zu verstehen und er ergänzte ihn.

„…weil Feinde durch den Glockenschlag in ihrer Persönlichkeit manipuliert werden und sich eventuell zu einem Rückzug entscheiden, verstehe.“

Taru und Akira waren beeindruckt von Javas konstruktivem Gedächtnis.

„Ganz richtig, daher leben wir seit vielen Jahren friedlich und unbeschwert in unserer geliebten Stadt Fragandil.“

„Und wer hat sie erbaut?“ fragte Java weiter.

„Das kann ich dir leider auch nicht sagen, das weiß keiner heute mehr so genau“, erklärte er und fuhr damit fort, das restliche Geschirr vom Tisch zu räumen. Java verfiel in Gedanken und ließ dieses Thema auf sich ruhen.

Java und Sora gingen bald darauf schlafen, Taru und Akira hingegen blieben noch wach, sie hatten sich scheinbar viel zu erzählen. Hin und wieder griffen sie Themen auf, wie: Wie lange wird es noch dauern bis Zowan…? Oder: Gibt es noch einen Ausweg?
 

Die Stille, die über Fragandil schwebte, war so unheimlich, das sich ein ungutes Gefühl in Java und vor allem in Sora breit machte.

Nichts desto trotz schliefen sie schon bald ein. Von unten war noch ein gedämpftes Gespräch von Akira und Tarundutra zu vernehmen, was wenig später aber auch erlosch.

Der geheimnisvolle Glockenturm

Kapitel 6: Der geheimnisvolle Glockenturm
 

Java schlug die Augen auf. Er blickte sich um. War es schon wieder Morgen geworden? Doch er bemerkte schnell, dass alles um ihn dunkel war. Es musste noch spät in der Nacht sein.

Das Bett auf dem er lag war unbequem und er stand auf, um einen flüchtigen Blick aus dem Fenster zu werfen. Der gesamte Platz war stockdunkel, in keinem Haus brannte auch nur ein einziges Licht. Ein geheimnisvoller, heller Schein erleuchtete den nächtlichen feuchten Nebel. Da er von seiner aktuellen Position nicht die Quelle des Lichtes ausfindig machen konnte, beschloss er, ein paar Schritte vor das Haus zu wagen.

Java überkam dieses Bedürfnis ohne einen blassen Schimmer davon zu haben, was ihn dazu bewegte, dennoch öffnete er die Zimmertür (er achtete darauf, das Sora, die in einem anderen Bett im selben Zimmer gegenüber von seinem nicht wach wurde) und schlich behutsam die Treppen zum Zimmer hinunter, in dem sie am Abend zuvor gegessen hatten. Im Kamin glühten vereinzelt noch ein paar Holzscheitel und zwei benachbarte Bilder von Rittern waren dadurch immerhin noch schwer erkennbar.

Er brauchte eine Zeit lang, bis er die Tür in der Dunkelheit ausfindig machen konnte, aber als er sie erreichte, bemerkte er, das sie verschlossen war. Er tastete sich nach rechts an der Wand entlang, bis er ein Fenster erreichte, hinter dem sich der Tisch befand.

Da die Fenster, wie er schon am Abend zuvor feststellen musste, sehr hoch angebracht waren, nahm er sich einen Stuhl zur Hilfe. Er stellte sich auf diesen und öffnete das Fenster. Vorsichtig schob er sich hoch und kroch durch den Sims, welches gerade etwas breiter war als er. Hätte er sich zuvor besser Gedanken gemacht, wäre ihm nicht das folgende Missgeschick unterlaufen: Als er nämlich zur Hälfte durch das Fenster hindurch war, bemerkte Java, dass er kopfüber zum Boden hing und dass keine Möglichkeit bestand, sich wieder zurückzuschieben, da er auch mit den Füßen keinen Bodenkontakt mehr hatte.

Noch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, wie er sich aus dieser ungünstigen Position befreien konnte, gewann die vordere Hälfte seines Körpers an Gewicht und er viel Kopfüber zwei Meter in die Tiefe.

Glücklicherweise machte er eine halbe Drehung in der Luft und er landete mit einem dumpfen Schlag auf dem Rücken. Ein stechend- brennender Schmerz durchfuhr seinen Körper und er stöhnte auf. Seine rechte Hand lag eingeklemmt unter seinen Rücken und hatte diesen vor schlimmeren Verletzungen bewahrt. Obwohl seine Wirbelsäule heftig schmerzte, war seine Hand, wie Java es jetzt merkte, noch viel schlimmer betroffen: Er konnte sie kaum noch bewegen und sie war rot angelaufen.

Vorsichtig raffte er sich auf, was ihm sehr schwer gelang. Sein Rücken schmerzte jetzt so sehr, dass er das Gesicht verzog. Dennoch schaffte er es, vollständig aufzustehen.

Langsam und mit Qualen suchte er nach der geheimnisvollen Lichtquelle, da ein Rückzug ins Haus ohnehin nicht mehr möglich war.

Doch Java brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass jenes Licht vom Dach des mächtigen Glockenturmes kam. Langsam näherte er sich dem Eingang des Turmes und blickt fasziniert auf das Leuchten. Es war genauso geheimnisvoll wie das Läuten der Glocken. Der nasse Nebel verdeckte den Einblick durch das obere Fenster des Glockenturmes und so durch die eigentliche Quelle des Lichtes.

Schließlich erreichte Java die Tür und drückte vorsichtig die Klinke herunter: Die Tür war offen.

Es kam ihm der Gedanke in den Kopf, warum um alles in der Welt er unbedingt wissen musste, was sich im Inneren des Turmes befand, aber dieser schien eine geheimnisvolle Energie zu Java auszustrahlen, welche ihn dazu veranlasste, es zu tun.

Mit einem lauten Knarren und Quietschen öffnete er die Tür. Dank des hellen Lichtes im oberen Ende, war die Halle immerhin so erleuchtet, das man sich ein Bild des Umfeldes machen konnte: Vor ihm erstreckte sich eine runde Halle in deren Mitte sich eine endlose Wendeltreppe befand, die auf das Dach des Turmes führte.

Ein pochendes und tickendes Geräusch erfüllte den Hohlraum mit einem ähnlich traumhaften Hall wie der des Glockenschlages.

Java betrat die Treppe und stieg Stufe für Stufe nach oben. Jetzt wurden seine Schmerzen wieder bemerkbar: Bei jeder Stufe, die er mit seinem linken Bein betrat, zog ein Stechen durch seinen Rücken.

Er hatte bereits drei Umdrehungen der Wendeltreppe zurückgelegt und das Pochen der Turmuhr nahm stetig zu. Er meinte sogar hören zu können, wie ein Nachhall des schwebenden Glockenschlages den Raum erfüllte. Mit zunehmender Höhe nahm natürlich auch das Licht zu, das jetzt sogar etwas lila schimmerte und abwechseln hell wurde und danach wieder etwas abschwächte, was jedoch nicht das Flackern einer gewöhnlichen Fackel glich.

Langsam und allmählich erreichte er das Dach des Turmes und das Licht war nun so hell, dass es schon fast blendete. In seinem Kopf konnte er nun schwirrende Stimmen und denn traumhaften Klang der Glocken vernehmen.

Es war aber nicht unbedingt unerträglich, eher war es ein Gefühl des wachsenden Interesses aber vor allem konnte er spüren, wie eine Kraft ihn wie ein Magnet anzog und ihn unentwegt immer weiter den Turm zur Glocke hinauftrieb.

Java stieg auf die letzten Stufen. Das Ticken des Uhrwerkes war nun so laut, dass es schon eher Hämmerschlägen glich und das leuchtende Licht stach ihm in die Augen. Auch die Stimmen in seinem Kopf waren so laut, dass er glaubte, sein Kopf müsste gleich explodieren.

Er nahm seine Hände vor den Kopf um seine Augen vor dem Licht zu schützen. Dennoch war er sich nun sicher, dass jenes leuchtende Licht von der Turmglocke ausging.

Ein kühler, frischer Wind stürmte durch die Turmfenster und plötzlich ertönte eine laute, durchdringliche schrille Stimme in Javas Kopf.

„Java, du bist also gekommen…“
 

Er blickte sich hektisch um, wurde sich aber schnell bewusst, dass es sich hierbei um ein unerklärliches Phänomen handeln musste.

Die unbekannte Stimme fuhr fort:
 

„…Sei gewarnt!(…) Bei allem was ihr tun werdet, um ihn zu stürzen(…) Es wird schwer werden(…) Bereitet euch gut vor! – die Macht der unsterblichen Mächte wird euch zu einem Schicksal zwingen(…) Einer von euch, den Rettern der Welt, wird sein Leben opfern müssen, um die Wende herbeizuführen…“
 

Da Java bereits vom Adler mit solchen Prophezeiungen vertraut war, wusste er sich gleich auf den Sinn dahinter vertraut zu machen.

Die Stimme und der Wind, sowie die Stimmen in seinem Kopf und der vermeintliche Klang der Glocken erloschen mit einem Mal.

Die Stille, die am Abend zuvor herrschte, machte sich aufs Neue breit.

Einer musste sterben. Java war so erschöpft, dass er diese schreckliche Botschaft nicht recht ernst nehmen konnte. Total übermüdet knickte er in die Knie, ehe er ganz zu Boden sank.
 

Es war beendet.

Taru's Hilfe

Kapitel 7: Tarus Hilfe
 

Java erwachte beim ersten Schrei des Hahns, dessen Krähen von südlicher Richtung die frische morgendliche Luft über der Stadt erfüllte und ihr den ersten Hauch von Leben gab. Langsam raffte er sich vom hölzernen Boden des Turmdaches auf. Die Luft war noch fast genauso Kühl wie in der vergangenen Nacht, der Himmel erhellte sich allmählich, wenn auch nicht so, wie er es erwartete. Graue Nebelschleier über Fragandil regierten das Bild.

Java machte sich auf den Rückweg in Richtung Tarus Haus, nachdem er sich noch ein letztes Bild des Szenarios machte, das einige Stunden zuvor überhand nahm.

Die Schritte, die er auf die Stufen abwärts machte, waren schwer und müde. Warum musste einer sterben?, fragte sich Java immerzu. War es vorbestimmt, oder war es eine Vorhersage, welche die unbekannte Stimme nicht beeinflusste? – Wie es auch war, es musste einer sterben. Es war Java gleich, ob er der jenige sein würde, Sora oder Akira, er wollte es einfach nicht für war haben und versuchte krampfhaft nicht daran zu denken.
 

Von der einen auf die andere Sekunde packte ihn eine Gestallt fest am Rücken. Er wirbelte um sich, bemerkte aber schnell, dass es sich bei dem Unbekannten um Tarundutra handelte. Dieser hatte die Augen weit geöffnet, als ob er eine schlimme Sehschwäche hätte, was sicher auch sein könnte.

„Hast du es gehört, hast du eine Stimme gehört?“, fragte Taru laut und rüttelte Java durch.

„Ich…habe… könnten sie bitte damit aufhören?!“, sagte Java so laut, dass Taru mit einem Satz zur Besinnung kam.

„Ja, klar, tut mir aufrichtigst Leid. Aber bitte sage mir, ob du eine Stimme gehört hast!“

Java formte die Lippen zurecht, bevor ihm die eigentlichen Worte heraus kamen.

„Ja, ich habe eine Stimme gehört…“, antwortete er langsam; eigentlich hatte er nicht vorgehabt, es irgendwem von seinem Erlebnis zu erzählen, da es die Anderen sicher nur beunruhigen würde. Doch Taru war anscheinend zu klar bei Verstand, um ihn etwas zu verschweigen.

„… es muss einer sterben.“

„Wer muss sterben?“, fragte Taru weiter; seine Stimme verriet, dass ihm dieses Phänomen nicht unbekannt sein konnte, da der Tonfall sich gleich auf den Inhalt besinnte und nicht zur Ungläubigkeit tendierte.

„Das weiß ich nicht, eine Stimme war da…“

Java brach ab.

„Ja, ich weiß“, sagte Taru und ließ den Kopf hängen. „Weißt, du, ich habe mit allen Mitteln versucht, dass du diese Wahrheit nicht erfährst.“

„Deswegen haben sie auch die Tür abgeschlossen?“

„Nicht nur das…“, erklärte er, „Ich bin dir gefolgt. Ich wollte dich noch aufhalten, aber es war schon zu spät. Nachdem du den Turm betreten hast, verschloss sich die Tür hinter dir, das ist der Bann der Prophezeiung. Erst am heutigen Morgen ließ sich die Tür wieder öffnen.“

Er wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte.

„Wirst du weitermachen?“, fragte Taru hoffnungsvoll.

„Ihn zu besiegen?“

„Ja, ihn zu besiegen.“

Java ließ seinen Blick aus einem der Turmfenster schweifen, das sich in der selbigen Höhe angebracht war, in der sie sich auf der Wendeltreppe befanden.

„Ich bin nicht entscheidend“, sagte er, „Ich muss ihn besiegen, oder es wird keiner Tun.“

Es war die Bestimmung. Taru nickte ihm zu und klopfte ihm anerkennend auf die Schultern.

„Ich wusste es.“
 

Sie gingen gemeinsam die letzten Runden die Treppe abwärts, dann durch die Tür ins Freie. Die ersten Menschen hatten sich eingefunden, um ihre Marktstände aufzubauen. Noch einmal blickte Java in den Himmel. Immer noch hing dichter grauer Nebel über den Häusern.

Sie passierten den Platz, jedoch nicht in Richtung Tarus Hauses, sondern sie bogen ab in eine Seitengasse an dessen Seiten sich windschiefe Häuser befanden.

„Wohin gehen wir?“, fragte Java.

„Zu jemanden, der dir nützlich sein wird.“

Javas Gedanken schweiften sinnlos umher, ehe sie sich zu einer klaren Materie zusammensetzten.

„Was hat es auf sich mit dieser Stimme im Turm?“, fragte Java nach einer Weile weiter. Taru antwortete ihm, ohne ihn anzusehen mit bestimmendem Blick nach vorne.

„Wie ich dir bereits sagte, der Turm hat magische Eigenschaften.“

Java war diese Antwort aber nicht genug.

„Aber woher wusste die Stimme, dass ich hier bin?“

Taru blieb stehen.

„Du musst wissen…“, begann er und legte seine Hand auf seine Schulter, wie es auch Akira machen würde, „…dass der Turm Fähigkeiten besitzt, die wir nicht verstehen können. Aber eines ist sicher: Er steht auf der guten Seite und deswegen wollte er dich warnen.“

„Aber woher wussten sie, dass er das tun würde?“, fragte Java.

„Keine Ahnung, mein Gefühl sagte es mir.“

Java hasste es allmählich, wenn ihm Menschen unklare Antworten gaben, die ihn nicht weiterbrachten. Aber sein Gefühl sagte ihm wiederum, das es sinnlos wäre weiterzufragen.
 

Als sie das Ende der Straße erreichten, befanden sie sich unmittelbar auf einem kleineren Platz, der von etwas höheren Steinhäusern umgeben war und so fast etwas beengend wirkte.

Java folgte ihm nach rechts zu einem der Häuser; es war eines der schönsten am Platz und es machte auf Java einen freundlichen und einladenden Eindruck. Sie schritten bis an die Eingangstür und Tarundutra klopfte zweimal an.

Nach einer Weile öffnete ein Junge, kaum älter als Java mit blauen Augen und blonden Haaren die Tür und begrüßte Taru mit einem sanften lächeln und Nicken, ehe er freundlich „hallo!“ sagte.

„Darf ich vorstellen“, begann Taru bemüht freundlich aber auch ein wenig in Eile, „Das ist Myron, er wird dich begleiten, Myron, das ist Java.“

Mit freundlicher Geste begrüßte er Java mit einem Händedruck.

„Allerdings! Wird schon ein gutes Stück Arbeit, aber bin mir sicher, wir zwei schaffen das.“

„Äh,…ja!“, antwortete Java etwas verwirrt aufgrund der ungewohnten Zuvorkommendheit seines Gegenüber. „Würde ich hoffen.“

Tarundutra mischte sich ein.

„Aber reden könnt ihr ja später noch lange genug…“, er wandte sich zu Myron, „Java hat schon einiges hinter sich, er braucht noch etwas Ruhe, nicht war?“

Er blinzelte Java zu, dem eine Bestätigung verständlich war.

„Bis später!“, sagte Myron und sie machten sich auf den Rückweg zu Tarus Hütte.

Die anderen waren bereits auf den Füßen, als sie dieses erreichten. Java und Taru schilderten ihnen kurz die Lage und dass sie von nun an Begleitung bekommen würden. Was sie natürlich nicht erwähnten, war das Erlebnis im inneren des Glockenturms, denn das wäre fatal gewesen, da war sich Java und Taru sicher.
 

Nach einem reichhaltigen Frühstück und einem letzten lauschen der Glocken kam Myron um sie abzuholen.

Taru lies Myron herein, er bat aber Java bevor es weiterging, ihm zu folgen. Sie stiegen die Treppen hinauf bis zum Dachboden. Durch eine Luke stiegen sie mithilfe einer Leiter in einen verstaubten und mit Spinnennetzen veralterten Hohlraum. Sie durchquerten den Dachboden bis sie eine große hölzerne Truhe erreichten, die Taru behutsam öffnete.

„Was du gleich erblicken wirst…“, begann Taru kurz aufstöhnend, während er angestrengt den Deckel aufstemmte, „Ist ein altes Familienerbstück. Es wird dir sehr behilflich sein.“

Er zog ein glänzend-silberfarbenes Schwert hervor und überreichte es Java. Er betrachtete es begeistert und musterte es von oben bis unten. Das wachsende Gefühl von Verantwortung machte sich in ihm breit. Auch wenn er wusste, weshalb sie überhaupt unterwegs waren, wurde Java jetzt erst wirklich bewusst, was auf ihn zukam. Mit diesem Schwert würde er ausholen und töten müssen. Es werden keine Schaukämpfe, sondern jeder einzelne, insofern es mehrere werden würden, wäre auf Leben und Tot. Ein einzelner Fehler und sein Gegner würde ihn zerteilen.

„Gefällt es dir?“, fragte Taru ihn.

Java rüttelte sich aus seinen Gedanken wach.

„Wie, gefallen? – Also ich weiß nicht, ob das der richtige Ausdruck dafür ist. - Ich hoffe in jedem Falle, dass es sich als zweckdienend erweist.“

„Aber selbstverständlich, du weißt offenbar nicht, was du gerade in deinen Händen hältst!“

„Ein Schwert…“, begann Java, ehe ihn Taru unterbrach.

„Was für ein Schwert! – Es gibt kaum ein besseres. Probier es aus!“

Java machte ein paar symbolische Schwenker, da er sich mit diesem für ihn sehr ungewohnten Kriegswerkzeug leicht überfordert fühlte.

„Moment, ich zeige es dir!“, sagte Taru und nahm das Schwert in seine Hände. Taru holte nach rechts aus und schwang es daraufhin kunstvoll in sämtliche Himmelsrichtungen. Er schien regelrecht aus sich herauszugehen.

Das Schwert schwang nach rechts und links, vertikal und entgegenversetzt. Java konnte mit den Augen kaum folgen.

„Ähmn,… ich glaube ich hab es jetzt verstanden…“, begann er, während Taru immer intensiver mit der Klinge um sich fuchtelte.

„Und ha! ... nimm dies … und dass!“, waren seine Worte, welche die Javas übertönten.

„Ich! ...“ begann Java so laut, dass es Taru endlich hören konnte und fuhr, als er ihm Beachtung schenkte, in normaler Tonlautstärke fort, „habe das Prinzip verstanden.“

„Alles klar“, antwortete Taru keuchend und er überreichte ihm sein neues Schwert.
 

Als sich alle fertig gemacht hatten, ging es weiter auf die gefährliche Mission, mit Verstärkung durch Myron. Sie verließen die Stadt durch das am westlichsten gelegene Tor hinaus auf die weite Ebene, die jedoch bald zu Ende sein würde. Majestätisch erhob sich vor ihnen das Gebirgsmassiv mit den dunklen Sturmwolken, welche die Gipfel der Berge komplett verschlang.

Myron trug ebenfalls ein Schwert bei sich, welches aber nicht so schön glänzte, wie eben dies von Java.

Im weiteren Verlauf stellte sich heraus, dass sich Sora und Myron sehr gut verstanden, was man von dem Verhältnis zwischen ihm und Java nicht gerade sagen konnte. Zwar hatte Myron zu Java eine freundschaftliche Verbindung hergestellt, Java aber nicht zu ihm.

Nach einem halben Tagesmarsch erstreckte sich vor ihnen die erste Steigung. Die Sonne, die noch einige Stunden zuvor über ihnen stand, war nun von dunklen Sturmwolken bedeckt und ein frischer, ungewohnt kühler Wind wehte ihnen um die Ohren.

„Von nun an...“, begann Akira mahnend und mit etwas lauterer Stimme als gewöhnlich, um den Wind zu übertönen, „müssen wir dicht beinander bleiben! In den Bergen herschen andere Zustände als in Coudy.“

Die letzten Worte richtete er gesondert auf Java und Sora.

„Aber wir werden doch nicht etwa...“, begann Sora und ihre Stimme wurde immer leiser, bis sie der Wind verschlang.

„Ich befürchte, dass es in der Tat zu einer geringfügigeren Außeinandersetzung kommen wird, die Warscheinlichkeit ist extrem hoch“, erklärte Akira.

Sora wurde unruig und schob sich näher zu ihrem Bruder. Myron betrachtete sie aus dem Augenwinkel.

Die Berge der Adler

>Die Berge der Adler<
 

Sie arbeiteten sich nach und nach immer weiter voran in das Gebirge und um sie herum schienen die steilen Berghänge sie geradezu verschlingen zu wollen. Der Weg, auf dem sie sich seit Fragandil befanden, wurde zunehmend steiniger und teilweise unbefestigt.

Myron wandte die Augen von Sora ab und blickte nach vorn. Java bemerkte, dass etwas an ihm nicht stimmte, da er anfing seine Augen zu verängen, als ob er etwas gefährliches entdeckt hätte. Von der einen auf die andere Sekunde zuckte Myron zurück und zog in Panik das Schwert. Java tat es ihm, ohne zu fragen, gleich und klammerte sich krampfhaft um sein gezücktes Schwert. Sora hatte sich flink hinter Java versteckt und lauerte nun hinter ihm, in der Erwartung, im nächsten Moment getötet zu werden. Doch es passierte rein gar nichts: Der Wind blies weiter wie zuvor und kein anderes Geräusch war zu vernehemen. Wie versteinert standen sie nun da, doch es war offentsichtlich nichts zur ihrer Beunruigung geschehen.

Akira drehte sich zu ihnen um. Zu seinem überraschen bemerkte er die Aufregung der drei.

„Was ist los, wollt ihr mich jetzt umbringen, oder was?, ha ha!“, sagte er, doch im nächsten Augenblick riss sich hinter ihm die Erde auf und eine riesige wurmnähnliche Gestallt schoss aus dem Erdboden, genau auf Akira zu.

„Vorsicht, hinter dir!“, schrie Java wärend Myron auf ihn zuraste und im letzten Moment zu Boden riss, ehe das Ungetüm ihn erreichte. Der Monster-Wurm brach den Boden an der Stelle, an der kurz zuvor Akira stand auf und verschwand wieder unter der Erde.

„Verdammt, vielen Dank!“, sagte Akira wärend er sich geschockt aufrappelte.

„Gebirgswürmer“, bemerkte Myron, „dieses Ungeziefer! Haltet euch besser bereit, es ist noch nicht vorbei.“

Kaum hatte er das ausgesprochen, schon schoss der Wurm erneut aus der Erde und dieses mal so nahe an Java, dass er die Wärme des Tieres spüren konnte. Er sprang zur Seite und wartete darauf, dass der Wurm wieder im Boden verschwand.

„Wir müssen versuchen, ihn mit dem Schwert zu treffen, dass ist unsere einzige Möglichkeit!“, befahl Myron. „Verteilt euch, so haben wir eine größere Chance...“

„...aufgespießt zu werden?!“, bemerkte Java verärgert über seine befelerische Art.

„Nein, es zur Strecke zu bringen. Tuh es einfach!“, sagte Myron; in seiner Stimme lag ein flehender Unterklang.

So verteilten sie sich im Umkreis von wenigen Metern, wobei Sora dicht bei Java blieb. Einen kurzen Moment lang fragte sich Java, wie sich Akira eigentlich zu verteidigen wusste, doch er versuchte sich angestrengt auf die Situation zu konzentrieren.

Eine Ewigkeit, wie es ihnen vorkam, passierte nichts, außer, dass sich der Wind zurückmeldete. Doch dann konnte man ein unheimliches, zunehmendes Grommeln vernehmen, dass die Erde zum Vibrieren brachte. Gespannt und in Kampfstellung Blickten sie sich um.

„Hat der etwa Versterkung geholt?“, fragte Java beiläufig, obwohl es für alle klar war, dass es sich dieses Mal um mehr als nur einen Gebirgswurm handeln musste.

Mit einem gewaltigen Schlag riss die Erde auf und hervor kam ein noch gewaltigerer Wurm, als der vorherige. In einem gewaltigen Bogen schoss er ungebremst und mit weit geöffnetem Maul geradewegs auf Akira und Myron zu, die gerade so weit außeinanderstanden, dass er sie locker beide mit einem Happen verschlingen würde.

Es gab scheinbar keine Rettung, Java und Sora konnte nichts tun, außer dabei zuzusehen, wie Akira und Myron zu Tode kommen würden.
 

Doch dann passierte das unglaublichste, was Java je in seinem Leben passierte, es war wie ein Wunder: Alles um ihn herum schien stehen zu bleiben, die Zeit stand still. Kein Wind und keine Stimmen um ihn bestimmten das Szenario.

Java rannte, weil er es für das beste hielt, was er in so einer Situation vollbringen konnte, auf den Wurm zu, sprang in die Luft und rammte sein Schwert mit all seiner Kraft in dessen Körper. Wie in Zeitlupe stürzte der Wurm mitsamt Java zu Boden. Kaum war dies vollbracht, schon lief wieder alles nach gewohntem Schema ab. Akira und Myron rührten sich wieder und wichen immer noch vor Schreck zurück, ehe sie bemerkten, dass keine Gefahr mehr bestand. Einige Zeit benötigte es, bis sie vollständig begriffen.

„Was zum Teufel…“, begann Myron stammelnd, während er auf den toten Wurm starrte, „…geht hier vor sich!?“

„Es ist unglaublich!“, bemerkte Akira so erstaunt, dass er kein weiteres Wort hervorbringen konnte.

Java wurde sich etwas bewusst, was er schon seit Aufbruch der Reise fragte. Er wusste nun von seiner neuen Fähigkeit, die ihm der Adler gab. Er hatte immer noch das Schwert in den Händen, was im Bauch des Ungeheuers steckte.

„Es ist…“, begann Akira wiederholt, doch Java unterbrach ihn.

„…es sind die Fähigkeiten, ja!“, ergänzte ihn Java.

„Du meinst, d i e Fähigkeiten?“

„Genau die.“

Dieses Mal reagierte Akira nicht so, wie es Java erwartete, sondern er schien dies kaum erwartete zu haben.

Sora kauerte zitternd vor Angst auf der Wiese wenige Meter von Java, Akira und Myron entfernt. Langsam erhob sie sich und kam langsam auf sie zu. Doch dann begann die Erde aufs Neue zu vibrieren und eine ungute Vorahnung machte sich in allen breit.

„Lauft so schnell ihr könnt!“, schrie Java, der sich der schier auswegslosen Situation bewusst wurde.

Ohne zu überlegen rannten alle los. Außer Sora. Sie blieb Gelähmt vor Angst stehen und hatte scheinbar die Kontrolle über sich verloren. Java bemerkte sie und ihm überkam ein Gefühl vom nahe liegenden Ende.

„Lauf Sora, lauf doch endlich“, brüllte er verzweifelt. Doch als ihm bewusst wurde, dass sie nicht kommen würde, blieb ihm noch eine letzte Option: er musste sie retten. Er rannte mit der Kraft eines Tigers auf sie zu. Der Boden hinter ihr riss auf und erneut kam ein Gebirgswurm an das Tageslicht. Im letzten Augenblick packte er seine Schwester, schwang sie auf seinen Rücken und er hechtete mit ihr davon. Nur wenige Meter hinter ihnen der Wurm. Dieser jedoch konnte sich scheinbar nicht mehr von der Oberfläche lösen und verschwand nicht wie gehofft wieder in den Erdboden, sondern verfolgte sie.

Etwas weiter vor ihnen konnte er gerade noch Akira und Myron sehen, die in diesem Moment hinter einer Kuppe unsichtbar wurden. Java rannte mit all seiner Kraft, die ihn bald verlassen würde. Sora war wie betäubt, dennoch warf sie einen Flüchtigen Blick hinter sich.

„Das sind ganz viele!“, stöhnte sie. Der Hauch ihrer Worte erreichte Javas Ohr mit einem warmen Hauch von dem Leben, welches einer von ihnen opfern musste. War der Zeitpunkt dafür schon gekommen?

Die Würmer kamen rasant näher.

Ein Stein vor ihm veranlasste ihn dazu, dass Java stolperte. Er kam ins schlingern und stürzte mitsamt Sora zu Boden, die ihm einen unsanften Nachstoß gab. Die Würmer-Armee hatte dies schnell bemerkt und sie steuerten direkt auf sie zu.

Schattenseiten

Kapitel 9: Schattenseiten
 

Java und Sora kauerten zusammengepfercht aufeinender. Java versuchte mit Gewalt sein Schwert zu ziehen, schaffte es aber nicht, da Sora ihn einklemmte.

Doch unerwartet und im letzten Augenblick sprang Myron über die Beiden, holte mit seinen Schwert aus und stach dem vordersten Wurm in das Auge. Dieser stieß einen extrem hohen Schrei aus, der den Dreien in den Ohren wehtat. Der Wurm krümmte sich ein paar Mal und gab dann einen unverständlichen Laut von sich. Die anderen Gebirgswürmer gehorchten ihm aufs Wort und begannen nun, Java, Sora und Myron zu umringen.

„Wo ist Akira?“ fragte Java nervös.

„Er steht da oben!“, antwortete Myron ihm und zeigte auf einen Felsvorsprung.

Akira wedelte mit den Armen, als wollte er ihnen etwas begreiflich machen.

Die Würmer hatten die Drei nun vollständig umzingelt und lauerten nun, in der Erwartung, jeden Moment angreifen zu müssen. Akira rief schließlich etwas, was Java nur halb verstand.

„Java, du musst…die Kräfte!“, schrie dieser.

„Was meint er?“, fragte ihn Myron.

„Ich glaube ich soll meine Fähigkeit aktivieren!“, sagte Java und blickte abwechselnd auf den entfernten Akira und auf das bedrohliche Geschehen um sie.

„Dann tu es!“, empfahl Myron, währen er sein Schwert in Kampfposition streckte.

Java konzentrierte sich so sehr er konnte, doch das Wunder, welches er wenige Minuten zuvor vollbrachte, konnte nicht wiederholt werden.

„Es ist unsere einzige Rettung, bitte!“, bittete Myron verzweifelt.

„Was glaubst du, was ich vorhabe!“, antwortete Java angestrengt und verzog angestrengt das Gesicht.

Von einem Moment auf den anderen schien Myron den Verstand zu verlieren und begann wild auf die Würmer einzuschlagen.

„Neeeeiiiin, verdammt, hör auf damit!“, befahl Java verwirrt über seine Fahrlässigkeit. Die Würmer wurden durch diesen Angriff schnell allarmiert und holten zum Gegenangriff aus. Einer von ihnen machte geradewegs einen Satz auf Java, ehe er dies begriff. Myron warf sich flink auf den Rücken und traf genau diesen Wurm in den Bauch. Doch für ein Dankwort reichte es Java nicht aus, da er im nächsten Augenblick mit dem Schwert ausholte, um einen ihn von der rechten Seite angreifenden Wurm abzuwehren. Leider machte sich seine Unerfahrung im Kampf schnell bemerkbar, da er nicht seinen Gegner traf, sondern durch den unkontrollierten Schwung fast sich selbst tötete. Der Wurm traf ihn zugleich unsanft in seinen Brustkorb, wodurch er einen Meter zur Seite gestoßen wurde. Myron hatte in der Zwischenzeit 3 Würmer erledigt, die schlapp am Boden lagen. Mit aller Kraft und all seinem Willen holte Java erneut mit seinem Schwert aus, dieses Mal traf er sogar fast sein Ziel; einen der Würmer mit der Spitze der Klinge. Der Wurm kam ins Trudeln und er nutzte sogleich die Gelegenheit, ein zweites Mal zuzuschlagen. Er traf ihn zielsicher in den Kopf; der Einschlag machte ein widerliches Geräusch, wodurch Java zusammenzuckte. Kaum hatte er den Wurm endgültig getötet, viel ihm schlagartig Sora ein, die er vollkommen vergessen hatte. Er blickte sich nervös um.

„Sora?!“, rief er in das Kampfgeschehen hinein, eine Antwort bekam er jedoch nicht. Noch einmal schrie er nach seiner Schwester und dieses Mal ertönte ein leises Stöhnen von seiner rechten Seite her. Flink wusch er einen heranschnellenden Wurm aus und sprintete in die Richtung, aus der er das Klagen hören konnte.

„Wo bist du?“, rief er, um sie besser orten zu können.

„Hinter…dir“, keuchte sie. Java drehte sich um. Sora lag schwer verletzt am Boden; aus ihrem rechten Arm floss Blut heraus. Krampfhaft versuchte sie den Blutstrom zu unterdrücken. Java erschrak und wusste in der Situation weder ein noch aus. Er blickte um sich, um sich ein Bild des Geschehens zu machen. Myrons Lage verschlechterte sich, da immer mehr Würmer sich um ihn versammelten.

„Wir müssen dich sofort hier raus schaffen.“, bemerkte Java und winkte Akira zu.

„Komm da runter, hier braucht jemand Hilfe, ich kann mich nicht um alles kümmern!“, schrie er zu ihm hoch.

„Ich kann…nicht verstehen!“, kam es unverständlich zurück.

„DU - HIER - RUNTER!“, brüllte Java mit all seiner Stimmkraft und fing ungewollt genauso mit den Armen zu fuchteln, wie es Akira wenige Minuten zuvor tat. Akira schien zu begreifen und kam den Hügel herunter gelaufen.

„Halte durch, Akira wird sich gleich um dich kümmern…“, sagte Java zur ihr und blickte sich erneut prüfend um, „…ich muss erst einmal Myron helfen.“

Er rannte geradewegs auf das Geschehen um Myron zu, der bereits von fünf Würmern umzingelt wurde, welche abwechselnd auf ihn attackierten und er sie im letzten Augenblick abwehrte. Gerade noch konnte Java sehen, wie alle fünf gemeinsam zum Angriff ausholten, ehe der Durchbruch kam: Die Zeit blieb stehen.

Java viel ein Stein vom Herzen und nutzte die gewonnene Zeit für die Rechnung. Die sich gerade im Flug befindenden Würmer und der still stehende Myron bildeten ein grauenhaftes Bild, welches eines aus einem Horrorfilm glich. Java rannte den Kreis, in dem sich die Würmer befanden, mit erhobenem Schwert und schlitzte einem nach den anderen den Bauch auf. Es war nicht gerade eine Freude, nur seine Pflicht, um einen Verbündeten zu retten.

Gerade als er kurz vor dem letzten Wurm der Runde angekommen war, fragte er sich plötzlich, wie lange es wohl dauern würde, ehe alles wieder im gewohnten Schema abliefe. Er behielt sich den letzten Wurm vor und betrachtete das Standbild um ihn herum genauer. Durch die schwarzen Wolken drangen jetzt helle Sonnenstrahlen durch, als wollten sie die diese zerteilen. Einer der Strahlen tauchte die am Boden liegende Sora und der sich um sie kümmernden Akira in ein märchenhaftes Szenario, das einer Symbolischen Wirkung glich.

Java näherte sich ihnen. Wie in Trance streckte er die Hand nach ihnen aus, ohne zu wissen, warum. Er bückte sich und lies diese langsam in das Gold der Sonne gleiten. Plötzlich konnte er spüren, dass die Wirkung nachließ und die Zeit beschleunigte. Er hastete zurück zu dem letzten verbliebenen Wurm, der sich nun wieder auf Myron zu bewegte. Zwei Meter vor ihm sprang er in die Luft und rammte sein Schwert in den Bauch des Gebirgswurmes. Myron viel zurück und schaute sich fragend um. Java atmete schwer und tief und schwankte hin und her.

„Verdammt, war das knapp!“

„Waren das alle?“, fragte Myron mit weit aufgerissenen Augen, in denen sich immer noch die Angst widerspiegelte, welche er wenige Sekunden zuvor spürte.

„Es waren fünf“, berichtigte Java. „Danke, dass du mich gerettet hast.“

Er reichte ihm die Hand und zog ihn wieder auf die Beine.

„Was soll ich da erst sagen…“, sagte Myron und lächelte. „…du hast mir schon wieder das Leben gerettet!“

„Keine Ursache“, gab Java als Antwort.

Myron erblickte Sora und sein Lächeln verschwand schlagartig. Beide gingen auf sie zu, auf Sora und Akira.

„Wie geht es ihr?“, fragte Myron besorgt.

„Nicht besonders gut, es ist wirklich ernst“, sagte Akira und blickte ratlos auf sie herab.

„Jetzt bleibt nur noch eine Möglichkeit: Sie braucht Hilfe von Jedem von uns.

Sora begann zu zittern und schaute ängstlich nach ihrem Bruder. Java lächelte sie an und machte ihr Mut.

„Du brauchst keine Angst haben, solange ich bei dir bin“, tröstete er sie.
 

Noch nie im Leben hatte er so ein starkes Bedürfnis gespürt, seine Schwester zu mögen und ebenso wenig hätte er daran geglaubt, dass er so eine Angst um sie gehabt hätte. In vielen Momenten in Coudy hatte er sich insgeheim gewünscht, sie möge einfach verschwinden, jetzt jedoch wollte er all seine schlechte Vergangenheit mit ihr wieder gut machen und versuchte, so gut es ging, sich um sie zu kümmern.

Im Tal der Wasserläufer

Kapitel 10: Im Tal der Wasserläufer
 

Javas Hilfe machte sich bezahlt. Nachdem Java, Myron und Akira Sora in ein sicheres Umfeld brachten, welches von an einem begrünten Hang hinter einem Felsvorsprung mit ein paar verbliebenen Blumen und verkorkten Bäumen lag, ging es Sora nicht zuletzt durch Akiras Wissen der natürlichen Heilkunde von Tag zu Tag besser und schon bald würden sie ihren Weg fortsetzen können. An einigen Tagen konnte sich die Sonne durch die düstere Wolkendecke behaupten, genauso wie an jenem Tag, der von Akira zur Weiterreise bestimmt worden war. Die goldenen Strahlen wanderten über die Gesichter der Vier, ehe Myron als erster die Augen aufschlug und anschließend die Anderen weckte.

Knapp eine Stunde später setzten sie nach einer erneuten Stärkung ihre Reise fort. Die Landschaft wurden spürbar steiniger und unwegsamer; einige der hohen Berggipfel zu beiden ihrer Seiten trugen Schnee, welcher vom zunehmenden Wind, der auch den Himmel erneut in tiefes, bedrohliches schwarz tauchte, aufgewirbelt wurde. Immer tiefer drangen sie vor in eine Welt, die Java und Sora genauso unbekannt und geheimnisvoll erschien, wie ein surrealistischer Traum.

Nach einem halben Tagesmarsch gelangten sie in ein schmales Tal, in dem sich ein sprudelnder Bach den Weg durch die rauen Gefilde bahnte. Seltsamerweise wurde das gesamte Tal von der sonst bedeckten Sonne traumhaft erleuchtet; für Java, Akira, Sora und Myron kam es vor, wie das Paradies. Sie legten eine Rast ein und packten ihren Proviant aus. An den Ästen von Akiras Baum wurden grüne Blätter sichtbar, die gerade zu sprießen begannen. Offenbar ein Zeichen für ein positives Gebiet.
 

„Wo sind wir?“, fragte Java, als er sich interessiert ein Bild seiner Umgebung machte.

„Dies hier ist das so genannte Tal der Wasserläufer“, begann Akira zu erzählen. „Wasserläufer gibt es hier allerdings schon lange nicht mehr…“

„Was sind Wasserläufer?“, unterbrach ihn Sora, die gerade begann, in das Gespräch hineinzuhören.

„Natürlich, woher auch?“, sagte er zu sich. „Wasserläufer sind legendär, waren legendär hier. Es war eine ganz besondere Spezies. Sie wurde von einem für dieses Gebiet zuständigen König, dem so genannten König des Achten Himmels erschaffen als seine Gehilfen. Er hatte wundersame Kräfte, ähnlich wie der weise Adler. Überhaupt waren beide damals eng miteinander befreundet. Gemeinsam wollten sie die Welt besser machen, letztlich scheiterten sie aber."

„Was ist denn mit ihm passiert?“, fragte sie weiter, während sie sich entspannt auf die Erde legte, nur wenige Zentimeter vom kühlen, sprudelnden Nass des Baches.

„Er wurde von Gegnern gestürzt, die ihn als seinen Feind ansahen. Es waren die so genannten Schattenkrieger aus Gandyrien."

Java strich mit seiner Hand über das feuchte, hellgrüne Moos, das sich zu beiden Seiten des Baches ausbreitete.

„Ist das nicht eigenartig…“, bemerkte er und betrachtete den wolkenlosen Himmel, „…das Wetter?“

„Mag sein, dass es für dich erstaunlich vorkommen mag, aber im Grunde ist es hier selbstverständlich. Der Bann des Guten, welcher von dem besagten König des Achten Himmels zusammen mit dem Weisen Adler in dieses Gebiet gebracht wurde, ist bis zum heutigen Tage geblieben.“

„Moment, soll das heißen…“, sagte Java und stand auf, „…Wir sind in der nähe des Adlers?“

„Ich muss sagen, du hast wirklich einen scharfsinnigen Verstand!“, wunderte sich Akira aufs Neue, wie auch schon in Fragandil. „Der Anstieg zum Adlerhorst befindet sich am anderen Ende des Tals.“

Java, Sora und Myron blicken sich um und vernahmen in einiger Entfernung, halb verdeckt von davor liegenden Bergen und schimmernden, dünnen Wolkenschleiern einen gewaltigen Anstieg, der bis in den Himmel zu führen schien. Es war das zweifellos gewaltigste Bergmassiv, was sie von ihrer jetzigen Position ausmachen konnten.

„Mindestens zwei von uns müssen da hoch“, erklärte Akira. „Wir müssen ihm Bericht erstatten, so wollte er es und so hat er es mir an dem Tag gesagt, als er von meiner Bestimmung berichtete.

Erfürchtig betrachteten alle das Dach der Berge der Adler, als im selben Moment Java eine Gestallt vernehmen konnte, die durch den Bach wartete und direkt in ihre Richtung kam. Auch die anderen Drei wurden jetzt auf den Unbekannten aufmerksam.

„Nicht noch so ein lästiger Begleiter!“, stöhnte Java. Myron warf ihm einen gekränkten Blick zu. Mittlerweile konnte man diese genauer betrachten, es handelte sich um eine männliche Person mittleren Alters mit einem lang gezogenen Kopf und dünnen Armen und Beinen, welche sinnlose Sätze vor sich hin redete und auf ein Stück Pergament in der Hand hielt.

„…kann die Energie ausschütten und dann zwei nach rechts… muss Position ermitteln… gehe in Standposition über… und HALT!“, sagte er zu sich, wobei das letzte Wort einen Befehl zu sich selbst darstellte.

Er betrachtete die Vier ohne ein Wort zu sagen. Dann fuhr er mit verachtender Stimme fort.

„Was treibt euch Besitzlosen Wohnsitzlosen in dieses Gebiet?“

Akira wandte sich zu ihm hin und erklärte ihm ihre Lage.

„Nein Fremder, wir sind keine Wohnsitzlosen. Mein Name ist Akira. Wir sind im Auftrag des weisen Adlers unterwegs. Ich bringe meine Begleiter zu Zowan, die sich ihm stellen werden.“

Der Fremde machte überrascht große Augen.

„Nicht zu fassen! Na das ist mir aber eine große Ehre!“

Er schritt mit ungläubig-fasziniertem Blick auf Akira zu.

„Mein Name ist Pytauron Quest, Quest-Stämmiger 3. Grades und Sohn des Caperton Quest, Quest-Stämmiger 1. Grades. Ich bin Mitglied der berühmten Vereinigung Hawk’s Quest.“

„Hawk’s Quest?“, fragten Java und Myron zeitgleich.

Akira nahm Pytauron seine Erklärung ab.

„Hawk’s Quest ist ein seit jeher gegründetes Bündnis, welches gegen das Böse kämpft.“

„Ja, mit allen Wegen!“, ergänzte Pytauron und hob dominierend seine Hand, als hätte er gerade seinen ärgsten Feind besiegt.

„Und wohin reist ihr?“, fragte ihn Akira.

Er zuckte mit den Schultern.

„Ich bin mal hier, mal dort. Ich halte Ausschau nach dem, was sich in der Region tut. Man muss immer den Überblick behalten. Die Hawk’s Quest weiß eben Bescheid.“

Er blickte lächelnd und anerkennend in die Runde.

„Ich hoffe ihr seid erfolgreich und wenn ihr Hilfe brauchen solltet, hier meine Anschrift.“

Er reichtet Akira ein Stück Pergament, welches er aus seiner Tasche gezogen hatte. Sie betrachteten den Zettel; er beinhaltete eine Aufschrift in einer für Java, Sora und Myron unbekannte Schrift.

„Wir werden ohnehin versuchen, ein Heer gegen Zowan zusammenzustellen, welches euch beistehen wird“, ergänzte Pytauron und drehte sich von ihnen weg.

„Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muss weiter. War nett, mit euch zu plaudern!“

Er stieg erneut in den Bach und planschte eifrig weiter in ihre entgegengesetzte Reiserichtung und begann erneut eigenartige Worte vor sich hin zu sprechen.

Java blickte ihm verdutzt nach während sich Myron und Sora über ihn lustig machten.

„Was für ein komischer Kautz!“, bemerkte Sora belustigt.

„Ja, hoffentlich sind hier nicht alle so“, ergänzte Myron um auch etwas zum Thema beizutragen.

Schon bald darauf ging ihre Reise weiter; sie blieben immer in der Nähe des Baches, der sie sicher zum Fuße des Berges bringen würde.
 

Etwas Neues, Ungewohntes lag in der Luft, den die vier Helden zu spüren bekamen. Der Adler war nicht mehr weit.

Zu den Füßen des Adlers

Kapitel 11: Zu den Füßen des Adlers
 

Nachdem sie den gesamten Tag bis zur Dämmerung das Tal durchstreiften, war es nur noch weniger als ein halber Tagesmarsch bis zum Aufstieg zum Adlerhorst. Sie schlugen ihr Lager auf und aßen von ihrem Proviant, der allmählich zur Neige ging. Das Feuer wärmte alle und sie aßen von dem Rest eines verbliebenen Gänsebratens.

Es machte tatsächlich den Anschein, dass sich Akira endlich damit abgefunden hätte, öfters Pausen einzulegen, wobei eine solcher Art ohnehin Pflicht war. Immer wieder fixierte sich Javas Blick auf den gewaltigen Berg, von welchem zur jetzigen Tageszeit kaum noch etwas zu sehen war.

Ihr Lager befand sich unmittelbar an einer ersten Steigung und der bereits bei ihrer letzten Rast lebhafte Bach wurde zu einem Wildwasser, welches wenige Meter neben ihnen in die untere Talsenke schoss.
 

„Ich finde…“, begann Akira, als sie alles gegessen hatten, „es ist ein guter Zeitpunkt, um auszumachen, wer den Berg besteigen wird. Sicherheitshalber nur zu zweit.“

„Was macht es überhaupt für einen Sinn?“, fragte Myron. „Was will er von uns hören, ich meine, bis jetzt haben wir noch nicht viel im Zusammenhang mit unserer Zielsetzung unternommen, schon gar nicht erlebt!“

Java viel wieder sein Erlebnis im Glockenturm ein. Er überlegte, ob er ihnen davon erzählen sollte, wenn ja, könnte es ein Faktor sein, der gegen die Motivation der gesamten Mannschaft spielen könnte. Er entschied sich dazu, abzuwarten.

„Nun ja, ich persönlich zweifle auch etwas über diese Entscheidung von ihm. Aber nicht zuletzt glaube ich, dass er auch uns etwas mitteilen möchte, ganz im Vertrauen, versteht sich“, meinte Akira.

„Ich setzte keinen Schritt auf diesen Berg!“, streikte Sora und verschränkte ihre Arme.

Myron konnte sich offenbar nicht darüber einig werden, ob er genug Rolle in diesem Abenteuer spielte, dass er mit aufsteigen sollte.

„Ist mir gleich, ob ich mit hoch soll, oder nicht“, gab er zu verstehen.

„Java geht natürlich hoch, ist doch klar!“, sagte Sora in Gegenwehr zu ihrer Person. „Wer wurde denn hier auserwählt, ich doch nicht?“

Java wurde verärgert.

„Also, wenn so mein Dank aussieht, dass ich dich gerettet und anschließend auch noch vorbildlich versorgt habe…“

Akira erhob seine Stimme zwischen den entstehenden Streit.

„Nun, also, wir wollen hier nicht gegeneinander, sonder miteinander kämpfen. Ich bin allerdings auch dafür, das Java den Berg besteigen wird, natürlich zusammen mit einem weiteren von uns. Die anderen Beiden werden hier unten das Hab und Gut bewachen. Also: Gibt es einen Freiwilligen?“

Akira stellte sich offenbar nicht zur Verfügung und überlies die Wahl zwischen Sora und Myron.

„Alles klar, bin dabei!“, stimmte Myron nach einer kurzen Gedenkzeit ein und nickte pflichtbewusst als ein Zeichen seines Willens.

„Dann hätten wir das ja geklärt!“, sagte Akira erfreut.

Java hätte sich zwar eher gewünscht, Akira hätte ihn begleitet, doch aufgrund der Tatsache, dass sich beide gegenseitig bereits das Leben gerettet haben, schien eine Abwehr unberechtigt.

Akira erklärte im Weiteren den Beiden, dass sie bereits am kommenden Morgengrauen aufbrechen müssten, da ihnen ein anstrengender und langer Aufstieg bevorstand, der eventuell auch nicht ganz ungefährlich werden würde. So legten sie sich früh zum Schlafen, um am kommenden Tag die Bevorstehende Aufgabe meistern zu können. Noch bevor er einschlief, sah Java Akira allein am Feuer sitzen und schien sich Gedanken zu machen, Gedanken um ihn, um Sora und Myron. Sein Miniaturbaum hatte die am Tag gewonnenen Blätter bereits wieder abgeworfen – stand unmittelbar Gefahr bevor? Doch Java vielen die Augen zu.
 

Es war noch dunkel, als eine Hand Javas Schulter berührte. Es war Akira, der ihn weckte. Java konnte nichts sehen, es war einfach noch zu dunkel. Myron hatte er bereits geweckt und machte sich fertig. Sora schlief noch tief und fest auf einer Decke neben Java. Leise stand er auf und machte sich ebenfalls Reisefertig. Nach kurzer Mahlzeit verließen die Zwei das Lager und zogen in Richtung des Berges. Anfangs folgten sie dem Wildwasser, welches nur noch ein etwas größeres Rinnsal war, der sprudelnd den Hang hinunter rauschte. Sie setzten wortlos einen Schritt vor den Anderen und kamen dem Adler immer näher.

Im Gegensatz zu den umliegenden Bergen waren selbst an der unteren Berghälfte keinerlei Bäume, und so hatte man bereits einen freien Blick auf ihr Ziel. Java und Myron begannen ein paar kurze Dialoge, aus denen Gespräche wurden, die sich auf Themen aus Javas und Myrons Vergangenheit bezogen. Java musste die Erfahrung machen, dass Myron durchaus ein interessanter Gesprächspartner war, dem man etwas erzählen konnte und er es sinnentsprechend verwertete. Anders als noch wenige Stunden zuvor, konnte er nun nach und nach sein Vertrauen gewinnen.

Bis zum späten Mittag hatten sie die Hälfte ihres Aufstiegs hinter sich und ein kühler, frischer Wind fuhr in ihre Nacken.
 

„Und ich dachte...“, bemerkte Java, während er sich den Hals rieb, „...wir befinden uns im Windschatten des Berges.“

„Es ist wirklich eigenartig!“, stimmte Myron zu.

Auch wenn sie wussten, dass mit zunehmender Höhe die Luft kühler wurde und dass es schon mal sein konnte, dass sich die Windrichtung änderte, spürten beide, dass etwas an der Sache nicht stimmte.

„Vielleicht ist es der Adler, der...“, begann Myron, ehe ihn Java unterbrach.

„Nein, der Wind des Adlers ist anders. Er gibt einem ein gutes Gefühl.“

„Na ja, du musst es wissen!“, lachte Myron, verstummte aber schnell wieder.

Die Gräser, die sich rings um sie erstreckten, zuckten unruhig hin und her; von oben konnte man eine strudelartiges Gemisch aus Wolken und Licht vernehmen, das den Berggipfel umkreiste.

„Sieht aus, als wäre der Adler in Schwierigkeiten...“, stellte Java beunruhigt fest.

„...oder er ist nur ein wenig beschäftigt, wenn man bedenkt, mit was er sich so den Tag vertreibt. Er schmiedet bestimmt gerade einen tückischen Plan gegen Zowan.“

Es war offensichtlich, dass Myron es ironisch meinte und nicht wirklich eine intelligente Meinung dahinter steckte. Doch der Versuch, Java damit aufzuheitern, scheiterte.

„Also gut, ich weiß, was wir jetzt machen“, begann Java selbstbewusst und in Hochstimmung über seinen Einfall. „Wenn wir etwas weiter oben sind, sagen wir mal, noch 100 Fuß vom Adler entfernt, wirst du warten. Ich werde dann weiter vorlaufen und mir vorerst ein Bild von der Lage machen. So bringe ich dich nicht mit in Gefahr.“

Java kamen die Ideen schneller in den Kopf, als er sie aussprechen konnte, er schaute Myron allerdings nicht dabei an.

„Und wenn bis dahin alles gut läuft, dann werde ich ganz einfach...“

Er hatte sich gerade zu dem noch eben dastehenden Myron gewand, wo keiner mehr stand. Verblüfft drehte er sich einmal im Kreis, doch offensichtlich ist dieser vom Erdboden verschluckt worden. Immer noch hatte Java seine letzten Worte im Mund.

„werde ich ganz einfach…ich ganz einfach…“
 

„Ihn suchen?“, unterbrach ihn plötzlich eine ungewohnt raue und schleimige Stimme. Java zuckte vor Schreck zusammen und drehte sich flink in Richtung des Unbekannten.

„Myron? – bist du das?“, fragte Java und blickte auf eine kleinwüchsige, hässliche und stinkende Gestallt mit scharfen Blick hinab, die sich lauernd durch das verfilzte Gras strich. Dessen Haut war überzogen mit Warzen und Vernarbungen, die sich über den gesamten Körper erstreckten und so ein abstoßendes Bild darboten. Hatte etwa eine Verwandlung stattgefunden?

„Nein, mein Name ist nicht Myron!“, antwortete die Gestallt mit abstoßender Stimme, wobei er die letzten drei Worte extra fies betonte und in ein anschließendes schäbiges Lachen übergehen lies.

„Sondern?“, fragte Java.

„Dopedia!“ schrie diese niederträchtig und starrte ihm wie hypnotisiert in die Augen.

„Sie sind…“, begann Java erstaunt und überlegte, wie er es am besten ausdrücken sollte, dass es sich bei der Gestallt um eine weibliche Person handelte.

„Ja, ich bin eine SIE!“, antwortete Dopedia. „Mein fortgeschrittenes Alter ist allein daran schuld, dass meine wahre Schönheit in den Schatten gestellt wird.“

Java baute sich vor ihr auf, da ihm plötzlich eine Vermutung in ihm breit machte.

„Was haben sie mit meinem Freund gemacht?“, fragte er, seine Stimme klang halbwegs selbstbewusst, auch wenn er vor Dopedia eine geringe Erfurcht nicht bestreiten könnte.

„Was ich mit wem gemacht habe?“, fragte sie erstaunt und unschuldig zugleich. „Nun hör mal, du willst mich doch nicht etwa als eine verrückte, durchtriebene, alte…“

„So hab ich das nicht gemeint…“, schob Java ungeduldig ein, doch Dopedia verdrängte seine Worte wieder.

„Ich habe ihn nicht angerührt, dass schwöre ich bei meinem Dasein!“, bekannte sie ernsthaft.

Java musste ihr Glauben schenken.

„Wenn du deinen Freund suchst, will ich dir dabei helfen! Du willst zum Adler, nicht war?“

„Sie wissen bescheid?“, fragte er sie vorsichtig.

„Du siehst hungrig aus“, bemerkte sie.

„Ich bin nicht hungrig, ich habe erst gegessen“, erklärte Java, auch wenn es schon eine Weile her war, dass er das letzte Mal etwas zwischen die Zähne bekam.

„Es gibt Dinge die du nicht verstehst“, sagte sie langsam und setzte einen finsteren Blick auf, während sie lauernd begann, um ihn zu kreisen. Javas Blick wanderte mit ihr. Er hatte genug von dem eigenartigen Verhalten von ihr.

„Ich denke, ich muss jetzt wirklich weiter…“

„Nein!“, zischte sie und sprang ein Stück auf Java zu. „Ich werde dich begleiten. Ohne mich wirst du ihn nicht finden.“

Licht und Vergangenheit

>Kapitel 12: Licht und Vergangenheit<
 

Wortlos marschierten beide weiter nach oben, auch wenn sich in Java ein unerträgliches Gefühl der Untreue an Myron breit machte. Er konnte es sich einfach nicht logisch erklären, wie es zu seinem Verschwinden kommen konnte. Dopedia betrachtete ihn wachsam, als wollte sie verhindern, dass er weglaufen könnte.

„Du musst wirklich keine Angst vor mir haben“, beruhigte sie Java.

„Ich habe keine Angst!“, berichtigte er empört, auch wenn es nur halbwegs stimmte.

„Mein Verhalten mag unangenehm sein…“, fuhr sie in einem bedrückten, aber dennoch schleimigen Ton fort, „…und auch abstoßend wirken, aber, und das kannst du mir glauben, habe ich noch keiner Fliege etwas zuleide getan.“

Java begann schon fast ihr leid zu tun, er stellte sich vor, wie es sein müsste, liebevoll und nett zu sein, zeitgleich aber in einer scheußlichen, vernarbten Hülle zu stecken und eine kratzig- schleimige Stimme zu besitzen.

Erneut bog sich das hohe Gras vom plötzlich wieder auffrischenden Wind zum Berg hin und Java schaute wieder besorgt auf das Geschehen auf dem Berg. Die letzten Schritte wurden zu einem waren Hindernis für Beide, da der Wind von allen Richtungen auf sie einpeitschte.

Java hoffte insgeheim natürlich, der Adler hatte Antworten auf seine Fragen, auf den Turm, auf das weitere Vorgehen und natürlich das Verschwinden Myrons, was im Moment eines der kritischsten Probleme war.

„Sei bereit für den Adler!“, sagte Dopedia plötzlich und blieb stehen. „Ich werde warten, nur Auserwählte haben Zutritt.“

Java schritt daraufhin weiter, die letzten Meter bis zu seinem Ziel. Er konnte fast über die Kuppe blicken, er war kurz zuvor, das zu sehen, was er seit Beginn des Abenteuers immer sehen wollte: Das Zuhause des Weisen Adlers, des Beschützers Nevermors und der Berge, heiliger für viele Menschen und Krieger im Kampf gegen das Böse. Bestimmt hatten nur Wenige vor ihm die Möglichkeit, das zu erblicken, was er gleich zu sehen bekommen würde.

Die letzten drei Schritte begleiteten ihn ein pochendes Herz, das ihm scheinbar bis zum Hals schlug. Dann erblickte er ihn. Die unnachahmliche und edle Schönheit des weißen Gefieders, das vom Licht- und Schattenspiels des Geschehens über ihm funkelte, so wie ein Diamant. Die unsichtbare, muteinflößende und glücksberauschende Energie, die von ihm in Javas Körper strömte und ihn wie beflügelte. Der Adler hatte die Augen geschlossen und seine Flügel ausgestreckt; er schien sehr vertieft in seine Arbeit, was auch immer er tat.

Langsam näherte Java sich ihm.

Der Berggipfel an sich war ziemlich unspektakulär, außer ein paar grenzsteinähnlichen Steinformationen, gab es nichts sensationelles.

Ohne dass er seinen Mund bewegte und auch durch keinerlei Bewegung seines Körpers, begann wieder sein Geist in Javas Kopf zu sprechen.

„Java, schön das du gekommen bist, wie ich sehe, hast du dich seit unserer letzten Begegnung weitgehend erholt“, sagte diese in einem traumhaften Hall. „Ich hoffe, dass dich meine Arbeit nicht von unseren folgenden Besprechungen abhalten wird(…)“

Java dachte nur daran, das es kein Problem darstellen sollte und schon schien der Adler zu begreifen. Offenbar war eine Verständigung über Gedanken erwünscht.

„Vielen Dank für dein Verständnis, ich weiß es sehr zu schätzen.“

Er hatte immer noch seine Flügel ausgestreckt und seine Augen geschlossen. Das Szenario am Himmel begann, intensiver zu werden.

„Was machen sie da?“; dachte Java und hoffte innerlich, das die Frage nicht aufdringlich wirkte, da er wusste, mit wem er sich ‚unterhielt’.

„Ich bin gerade dabei, eine Verbindung zu Zowan herzustellen(…) ich muss in seine Gedankenwelt eindringen, nur so kann ich Verstehen, was er plant(…)“, kam seine geheimnisvolle Stimme zurück. „Eine dunkle Macht bedroht uns(...)“

Java dachte an sein Erlebnis im Turm.

„Was du erlebt hast“, gab der Adler auf diesen Gedanken zu verstehen,

„ist von großer Bedeutung(…) du hast richtig gehandelt(…) du hast ihnen nichts gesagt(…)“

„Wo ist Myron?“, dachte Java.

Der Adler schlug mit einem Mal die Augen auf und klappte seine Flügel ein. Java wich vor Schreck dieses unvorbereiteten Handelns des Adlers zurück.

„Wo Myron ist?“, fragte er erstaunt, das unglaubliche war aber das der Adler zum allerersten Mal nicht in Gedanken sprach sondern durch seinen Schnabel. Das Strudelgemisch am Himmel verschwand allmählich und die Sonne kam hervor, welche den Adler geradezu Göttlich erleuchtete.

„Sie, sie…“, stammelte Java vor Erstaunen.

„Ja, ich kann sprechen, die Gabe wurde mir gegeben“, gab er freundlichst zurück. Seine echte Stimme war anders, als die in den Gedanken, welche hell und traumhaft klang, warm und angenehm. Es gab ihm schon fast eine neue Persönlichkeit, die, anders als die Surreale, Nähe und Kontaktfähigkeit zu gewöhnlichen Menschen bedeutete.
 

„Darf ich fragen…“, begann Java, doch der Adler unterbrach ihn.

„Ja, du kannst mich fragen, was du möchtest, ich bin für alles offen.“

„Gut, warum sprechen sie nicht immer wie jetzt?“

Java hatte einen unstillbaren Drang dazu, gerade das zu wissen, auch wenn sie ihm im Nachhinein etwas albern gestellt vorkam.

„Nun, du musst wissen, dass ich Gefühle habe, so wie du und alle Menschen. Spreche ich über Dinge, die keineswegs irgendwelchen Prophezeiungen oder Befehlen gleichen, nutze ich gewöhnlich immer meine Stimme.“

„ich habe auf meinem Weg nach oben meinen Begleiter verloren“, erklärte Java ihm die Lage. „Wir waren an der Hälfte des Berges, als er plötzlich verschwand.“

Der Adler machte ein nachdenkliches Gesicht und lies dabei seinen Kopf senken.

„Hmm…“, machte er mit seiner tiefen Stimme. „Man merkt, dass mein Verstand nachlässt. Vielleicht war ich auch nur zu vertieft in meine Angelegenheiten, nun, sagen wir besser in die Angelegenheit von millionen Menschen. Aber wie dem auch sei, dein Freund ist verschwunden.“

„Können sie sich das erklären?“, fragte Java in einem ungewollten Ansturm von Ungeduld.

„In der Tat kann ich dass, im Grunde genommen gibt es nur eine logische Erklärung. Zowan hat wieder einmal Hand angelegt.“

„Sie meinen, es könnte damit zusammenhängen, dass… eben das mit der Zeit?“, fragte er ihn.

„Genau das meine ich. Meine Kontaktaufnahme eben hat mir etwas gezeigt, was wirklich beunruhigend ist!“

Java lies auf die Antwort warten und wagte es nicht, ihn zu unterbrechen und zu drängeln.

Der Adler hob seinen Kopf wieder.

„Er hat bereits begonnen, zu experimentieren, er hat erste Teile des Codes geknackt.“

„Welchen Code?“, fragte Java.

„Den Code der Zeit.“

Java konnte sich immer noch nicht Myrons Verschwinden erklären und fragte den Adler nach dem Grund.

„Aber wie konnte…“

„Die Zeit hat ungeahnte Mächte, sie kann das, was kein anderes Element kann: Sie kann alles rückgängig machen. Was hier mit deinem Freund Myron passierte, ist ein eindeutiger Hinweis auf eine Zeitkrümmung, sagen wir besser: Zeitloch. Sie können überall entstehen, wo genau kann noch nicht einmal Zowan bestimmen, noch nicht. Denn schon bald wird er so viel über die Zeit wissen, dass er nicht nur stellenweise, sondern flächendeckend Zeitwandlungen herbeiführen kann. Es wäre eine Katastrophe für uns alle, denn dann könnten wir nichts mehr gegen ihn unternehmen.“

Java blickte etwas nervös ins Nichts.

„Aber wie kann ich ihn jetzt finden?“, fragte er.

„Nun, ich denke, dieses Problem sollte machbar sein“, antwortete der Adler beruhigend. Er breitete seine Flügel aus und begann Worte auf einer seltsamen Sprache zu sprechen; erst ganz leise, dann immer lauter werdend, bis er sie schon fast rief. Ein Strudel bildete sich zwischen beiden und mit einem Satz stürzte Myron aus dem nichts vor ihnen auf den Boden. Dieser rührte sich zuerst nicht, doch begann nach und nach erste Bewegungen, als müsste er diese erst noch lernen. Schließlich rieb er sich verwirrt am Kopf und strich sich durch seine blonden Haare.

Java war beeindruckt von der Aktion.

„Nun denn hab ich dich doch noch aus der Zeitschleife befreit!“, sagte der Adler mit einem Hauch von Erleichterung, auch wenn er sich sicher gewesen zu sein schien, dass es für ihn kein Problem darstellte.

Myron erhob verwirrt seinen Kopf; es machte den Anschein, dass er sich an nichts erinnern konnte.

Der Adler wandte sich nun näher an Java.

„Bevor ihr beide euch wieder auf den Weg macht, gebe ich euch, sagen wir mal dir etwas mit auf den Weg.“

Er hob seinen Flügel und wie aus dem nichts kam ein kleiner, brauner Leinenbeutel zum Vorschein.

„Dies wird euch sehr nützlich werden. Es beinhaltet ein Flächen gefüllt mit Fortuna-Staub. Damit könnt ihr Zeitreisen unternehmen.“

Java machte große Augen.

„Zeitreisen?“, fragte er erstaunt. „Zowan könnte…“

„Nein“, unterbrach ihn der Adler und schüttelte sanft den Kopf. „Zowan wäre dieses Pulver keine wirkliche Hilfe auf dem Weg zu seinem Ziel. Das Einzige, was man damit machen kann, sind wie gesagt Zeitreisen, und die auch nur in die Vergangenheit. Zowan möchte sich allerdings nicht IN der Zeit bewegen, nein, ER will die Zeit bewegen! Und das wird ihm mit Fortuna-Staub nicht gelingen.“

Java brauchte keine Sekunde um dies zu begreifen.

„Klingt logisch!“, bestätigte er. „Doch wie will Zowan denn nun letztendlich die Zeit für sich beanspruchen, ich meine, es gibt doch sicher etwas, was er dafür braucht?“

„Allerdings! – Er benötigt nämlich ein Pergament, das Pergament des Loxedan, es ist der wichtigste Teil des Codes, der Teil, der nicht ohne ihn geknackt werden kann. Er besitzt es allerdings nicht“, sagte der Adler.

„Weil natürlich ein Haken bei der Sache ist“, wusste Java ohne erst zu überlegen.

Der Adler musste etwas lächeln.

„Ja, keine Frage, den muss es zweifellos geben, ja! Der Haken ist sogar ein ernsthaftes Problem für ihn. Er hat bereits viel erreicht. Durch das Wissen einiger seiner treuen Anhänge, unter denen auch Forscher und Erfinder sind, hat er mit dem Bau eines gigantischen Zeitgenerators begonnen, nur fehlt ihm jetzt die besagte entscheidende Formel für die Fertigstellung.“

„Und die muss er in seine Hände kriegen!“, ergänzte Java.

„Und genau das ist die Sache“, erklärte der Adler, seine Worte wurden nun ernster und eindringlicher, seine Stimme blieb dennoch warm. „Du darfst auf keinen Fall zulassen, dass Zowan den Fortuna-Staub in die Finger kommt!“

„Wieso, ich dachte, er würde ihm nicht viel nutzen?“, fragte Java darüber sich den Kopf zerbrechend, was hinter der Botschaft steckte.

„Das Pergament des Loxedan gibt es nicht mehr! Es wurde vor vielen Jahren vernichtet. Er muss eine Zeitreise unternehmen, um es zu bekommen, welche er wiederum nur mit Hilfe des Fortuna-Staubes unternehmen kann.“

Java nickte pflichtbewusst, er wusste nun, was für eine Verantwortung er von nun an tragen würde, wenn er den Beutel mit sich trug.

Myron hatte sich in der Zwischenzeit wieder aufgerafft und versuchte, in das Gespräch der Beiden hineinzuhören.

„Ah, dein Freund ist schon wieder gut bei Fuß, ihr könnt schon bald weiter!“, sagte der Adler erfreut.

„Was ist passiert?“, fragte Myron verwirrt und schaute sich das beeindruckende Bergpanorama an, wodurch es ihm nur noch schwindeliger wurde.

„Wie ihr seht, habt ihr noch einen langen Weg vor euch“, bemerkte der Adler und streckte einen seiner riesigen Flügel in die Richtung, die sie gehen mussten.

Die Croxy-Sekte

Kapitel 13: Die Croxy-Sekte
 

Dankbar verabschiedeten sich beide vom Weisen Adler, ehe sie sich an den Abstieg machten. Dieser hatte wieder seine Flügel ausgebreitet und die Wolken über ihm begannen sich zu drehen.

Doch sie schauten sich nicht mehr um, ab jetzt ging es weiter und wenn es etwas zu sehen gab, dann war es vor ihnen, dort, wo die Gefahr auf sie wartete, jeden Moment, jede Sekunde. Akira und Sora würden auf sie warten, dass hoffte Java zumindest insgeheim. Doch man konnte nie wissen. In den Bergen könnte alles passieren, aber es würde ihnen gut gehen, hoffte er. Es ging hinab über das felsige Unland des mächtigen Berges weiter hinab bis zur Grünlandgrenze, dort, wo einst die Blumen blühten und das gras saftig-grün gedeite, so wie im Tal der Wasserläufer.

Java begann zu träumen, über Landschaften, wie er sie noch nie gesehen hatte, über fantastische Wesen und märchenhafte Szenarios.

Doch er versank immer weiter im Unterbewusstsein, sodass er nicht die lauernde Gefahr spürte, die den Beiden stetig näher kam. Auch Myron schien anderweitig beschäftigt, welcher dauerhaft an seinem Ärmel herumzupfte.
 

„Aaarghh!“, ertönte hinter ihnen mit einem Mal ein Schrei und noch ehe sich die Beiden umdrehen konnten um nachzusehen, rammte ein etwas ihn unsanft zu Boden. Ungläubig zuckte Myron zurück; schließlich kannte er dieses Wesen nicht so gut wie Java: Es war keine Geringere als Dopedia, die Java jetzt angriff und an seiner Hose riss.

Myron zückte sein Schwert und schrie.

„Lass ihn, oder ich muss handeln!“

Doch Dopedia schien ihn gar nicht zu hören, sie zog und schüttelte weiter an Javas Hose, während sie kurz davor war, ihn zu erdrücken.

„Gib mir den Fortuna-Staub!“, zischte sie.

Java begann aufzustöhnen, da sie anfing, mit ihrem gesamten Körpergewicht auf ihm herumzureiten.

Myron holte derweil mit seinem Schwert aus und schmetterte auf ihren Körper. Doch ihr Panzer werte den Schlag ab und ein eisernes Geräusch ertönte, ehe Myrons Schwert zurückprallte. Er benötigte einen Moment, da er die Kontrolle zurückerlangen musste.

„Ich…keine Luft!“, keuchte Java und er schien es so ernst zu meinen, wie noch nie zuvor in diesem Abenteuer. Hilflos wedelte er mit den Armen und Beinen, die durch Dopedias Druck in die Höhe gepresst wurden.

„Gib mir den Fortuna-Staub“, zischte sie jetzt noch lauter.

„Nein!“, schrie Myron und holte mit all seiner Kraft erneut zum Schlag aus, wutbrennend und voller Zorn dieser Ungerechtigkeit einer gierigen alten und nicht zuletzt hinterhältigen alten Gestalt, die sich hier an Java vergriff.

Der Schlag saß. Dopedia zuckte in sich zusammen. Doch sie ließ nicht locker. Und dann, keiner von beiden, weder Myron noch Java konnte so schnell reagieren fasste sie gezielt an den wertvollen Bündel voller Zeitstaub, der den Beiden doch helfen sollte, löste sich von Java und flüchtete. Ungläubig verfolgte Myrons Blick das Geschehen, ehe er zu einer Handlung fähig wurde.

„Verdammt, hinterher!“, war das erste, was Myron als Lösung einfiel. „Komm schon, gib jetzt nicht auf!“

Es klang tatsächlich, als wären es Worte, die er zu jemanden sprechen würde, der jede Sekunde sterben würde, doch es war in der Tat zum verzweifeln: Dopedia hatte sich soeben mit etwas aus dem Staub gemacht (im wahrsten Sinne des Wortes), was für sie der einzige Schlüssel zu etwas wurde, was kaum noch aufzuhalten war.

Java konnte sich aufraffen, doch eindeutig zu langsam. Dopedia war bereits längst hinter allen Bergen und Myron wusste sich nicht zu helfen. Er blickte schweißgebadet um sich in der Hoffnung, es möge doch ein Wunder geschehen. Java konnte es nicht fassen.

„Renn du doch! Siehst du denn nicht, das ich nicht kann?“, keuchte er, als er sich auf die Knie aufgerafft hatte und allmählich wieder Luft bekam. „Bist du unfähig?!“

Myron zuckte beschämt unruhig abwechselnd zu ihm hin und wieder in die Versuchung, ihr zu folgen.

„Na gut, lass es sein, du hast wie es aussieht versagt…“, sagte er halb flüsternd, tief enttäuscht von Myrons Hilflosigkeit. „…wir beide haben versagt.“

Wie synchron ließen beide zeitgleich den Kopf sinken.

Es wurde still um sie, nur der Wind wehte um die Beiden wie eine unangenehme Wahrheit, die Akira und Sora noch nicht einmal wussten. Was sollten sie tun? Zurück zum Adler und nach einer neuen Portion verlangen? Doch Java wimmelte diesen Gedanken ab, das Problem würde sich nicht so einfach lösen. Dopedia konnte Zeitreisen unternehmen und sie würde nur alles verschlimmern.

Java hob seinen Kopf und schaute in den Himmel, wie er es oft tat, wenn es nichts Besseres zu tun gab.

„Es ist alles zu spät…“, flüsterte Java nur so laut, das grade er es hören konnte, „…alles.“
 

Nach vielen Minuten, die sie sich mit der Enttäuschung auseinandersetzten, begannen sie Wortlos den Abstieg. Keiner von Beiden wagte ein weiteres Wort zu sagen. Das Bergland schien sie untergehen zu lassen, die zwei kleinen Punkte in der unendlichen rauen Wildnis; wie machtlos doch Geschöpfe ihresgleichen sein konnten. Nichts stand in ihrer Macht, eine noch viel Größere aufzuhalten, schon gar nicht, wenn sie ohne die Hilfe des weißen Adlers auskommen mussten. Sie wussten nicht, wie es weitergehen würde, vielleicht auch gar nicht. Zurück ging es immer. Doch damit wäre niemandem geholfen.
 

Spät am Abend erreichten sie das Lager, betäubt von der Einsamkeit und verlorenen Perspektive. Akira und Sora triumphierten auf.

„Ich wusste, dass ihr es schaffen würdet, ich wusste…“, freute sich Sora und Akira stimmte mit ein.

„Wir beide wussten es, wir haben immer an euch geglaubt!“
 

Beide Augen blickten sie leuchtend an, in die trüben, erloschenen Augen von Java und Myron. Gespannt warteten sie auf eine ebenso freudige Reaktion, doch natürlich vergeblich.

„Wir haben versagt, es tut mir leid“, antwortete Java und marschierte an ihnen vorbei. Schockiert blickte Sora ihm nach, während Akira fragend Myron fixierte. Dieser zuckte mit den Schultern und wandte sich ebenso von ihnen ab.

Das Lächeln von Akira und Sora schwand aus ihren Gesichtern und schauten ratlos ins Leere.

Dann blickte Sora wieder rasch auf.

„Also würde mir jetzt jemand bitte mal verraten, was hier los ist? Ich weiß nicht, warum ihr so lange Gesichter macht…“, begann sie empört, ehe sie Myron ungezügelt unterbrach.

„Wir haben zu deiner Information gerade wertvolles Gut gestohlen bekommen und Java wäre beinahe erstickt, also, frag erst gar nicht, wie es uns geht!“

„Bitte Myron, kein weiteres Wort“, befahl Java aus der Distanz, nicht laut, aber mit einer saftigen Portion drohenden Untertones. Dann kam er wieder ein paar Schritte zurück. Und schaute abwechselnd in Akiras und in Soras Augen. Dann begann er zu erzählen, dass, was sie auf ihrem Abstecher erlebten, vom Aufstieg bis zur Attacke von der scheinbar harmlosern Dopedia. Seine Stimme war ruhig und ausgeglichen und doch betonte er hie und da ein paar Wörter, wie zum Beispiel Fortunastaub und Zeitreisen.

Akira machte große Augen, als Java fertig war.

„Du sagtest Dopedia?“, fragte er ihn eindringlich.

„Ja“, bestätigte Java und fügte noch ihr genaues Aussehen an.

Akira machte noch größere Augen.

„Ja, ich kenne sie… Dopedia“, sagte er geheimnisvoll. „Dopedia ist die schlimmste von allen, die Befehlshaberin!“

Java runzelte die Stirn.

„Ich verstehe nicht ganz…“

„…Die Croxy-Seke!“, ergänzte Akira schon in der Hälfte von Javas angefangenen Satzes.

„Die Croxy-Sekte?“, wiederholte Sora interessiert.

„Ja, die Croxy-Sekte!“, bestätigte Akira erneut. „Sie unterstützen Zowan, keine Annhänger, aber Befürworter. Sie gründeten sich vor vielen Jahrzehnten, Dopedia hat alles ins Leben gerufen. Sie war einst eine Anhängerin von ihm, doch sie wurde verbannt, warum weiß keiner so genau. Doch sicher ist, dass sie ihm treu blieb, ja, sie war so von ihm überzeugt, dass sie diese Sekte gründete und vielleicht auch eine Wiederaufnahme durch Zowan im Hinterkopf hatte. Sie glauben nicht an den mächtigen Adler, sie sind Atheisten. Insgesamt aber sind sie tatsächlich, und dass ist die Frage auf deine Antwort, Java, bekannt dafür, Leute falsche Vortäuschungen zu machen, beziehungsweise sie psychisch zu beeinflussen und sie sind wirklich Meister ihres Faches!“ “

„Wissen sie, wo ihr Quartier ist?“, fragte Java mit einem Anflug von Hoffnung.

„Ich nicht, aber ein guter Freund von mir, der hier ganz in der Nähe wohnt. Wir müssen ihn aufsuchen und zugegebenermaßen bin ich mir nicht sicher, ob er noch lebt…“

„Auf jeden Fall müssen wir es versuchen!“, meldete sich plötzlich Myron zu Wort, der offenbar alles mitgehört hatte.

Java warf ihm einen bösen Blick zu, dann aber nickte er mit zusammengepressten Lippen.

„aber es ist schon spät, wir müssen jetzt schlafen gehen, wir haben keine Zeit zu verlieren!“
 

Über sie wachte der sternenklare Himmel und eine Sternschnuppe huschte geschwind vorbei. Zu spät für Wünsche, denn alle vier schliefen bereits tief und fest und ahnten nichts von dem was kommen würde.



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Kommentare zu dieser Fanfic (32)
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Von:  Macbex
2008-12-04T17:41:45+00:00 04.12.2008 18:41
*auch mal wieder meldet*
Hab ja versprochen, dass ich mal weiter lese... sry, dass es so lange gedauert hat >__<
Also und nun zur Geschichte. xD
Ich finde sie wirklich spannend erzählt und auch in einen abwechslungsreichen und interessanten Stil geschrieben. Besonders die Charaktere und die Symbole hast du sehr schön und detailiert beschrieben, so dass man sich gut in die Geschichte hineinversetzen kann.
Du hattest wie im letzten Kapitel wieder einen Zeitsprung drin (aber immer genau nur einen xDDD) und ein paar Tippfehler. Darüber bin ich eben gestolpert. Aber ansonsten wirklich sehr gut. :3
Mach weiter so...
aber ich hab ja eh noch ein paar Kapitel vor mir.

LG,
Mac
Von: abgemeldet
2008-09-21T11:47:29+00:00 21.09.2008 13:47
Waiii was fällt der ein einfach den sand zu klaun? das geht doch nicht?
hoffetlich weiß der freund wo sie zu finden ist sonst haben die freunde ein ärgeres problem...
*freut sich über ein neues kappi*
lg Jey-chan
Von: abgemeldet
2008-06-28T14:57:25+00:00 28.06.2008 16:57
Klingt schonmal sehr Spannend^^
Im vergleichzum ersten Kapitel lässtsich dieses hier viel flüssiger lesen. Naja, wie sagt man so schön: Aller Anfang ist schwer.
Und das hast du wirklich mit Bravur bestanden ;D
Auch deine Dialoge sind sehr schön gestaltet, spannendund nicht zu langatmig. Was soll ich noch groß sagen? Es wird besser und besser^^
Von: abgemeldet
2008-06-28T14:39:09+00:00 28.06.2008 16:39
Also ich muss schon sagen, dieses erste Kaptiel macht wirklich Lust auf mehr!^^
Dein Schreibstil ist große klasse und die Methaphern, die du verwendest sind auch sehr anschaulich und zeugen von deiner Kreativität.
Auch an deiner Wortwahl könnte sich so manch einer ein Beispiel nehmen. ^-^
Ein guter Anfang! Bin gespannt, wies weiter geht <3

lg,
Vali
Von:  Masaka
2008-06-11T18:25:46+00:00 11.06.2008 20:25
Ich muss Jey-chan zustimmen aber ich bin nicht ganz so froh das er wieder da ist- Ich mag Myron net!

hier ein fehler ganz am anfang :
7te Zeile: Java begann schon ihr leid zu tun.
du meinetst aber Java begann die Frau leid zu tun!!

Gas mit dem Fortunastaub ist ne geile idee nur warum hat der adler ihn nicht einfach für sich behalten?
Damit Java ihn verlien kann?

Das find ich ein bissi zu durchsichtig!

trotzdem schöne Kapitel!
Von: abgemeldet
2008-06-10T19:41:55+00:00 10.06.2008 21:41
Ah, wie schön das Myron wieder da ist! Jetzt ist die Gruppe ja vollzählig und kann sich erneut ins Abenteuer stürzen.
Ich fands aber schade dass du das bewegen IN der Zeit aus Myrons sicht nicht geschildert hast wär sicher interessant geworden.

lg Jey-chan
Von:  Masaka
2008-06-05T18:05:03+00:00 05.06.2008 20:05
Also...
fangen wir mal im ersten Absatz an!
Ja es ist wie immer recht interessant und auch gut erzählt aber es ärgert mich dass Sora so entschieden ist, das passt nicht zu ihr und sie wäre vermutlich lieber bei ihrem Bruder geblieben

Oder hat sich ihr Charakter bereits so sehr entwickelt?

Wenn sie unten bleibt wird sie doch auch weiterhin ein hilfloses Mädchen ohne besondere Fähigkeit sein!

Dann zur hässlichen Zwergen omma die find ich recht interessant^^sie scheint böse zu sein und Java in ein Falle zu locken
Was ist mit Myron passiert?
Von: abgemeldet
2008-06-05T16:20:40+00:00 05.06.2008 18:20
Die Alte ist mir suspekt!
Aber extrem... die kann nichts gutes im Schilde führen... außer der Schein trügt und sie ist eigentlich ganz nett... aber wo ist dann Myron abgeblieben? Darf er den Adler etwa nicht sehen?

Von:  Masaka
2008-05-29T13:43:51+00:00 29.05.2008 15:43
Interessant!
Nur der Typ istn bissi merkwürdig xD
dann 2 Fragen:

Gandyrien - Zowans Land findsch voll doof!
Uns Akira Bonsai? Das ist jawohl ein Klischee! das kannst du auf keinen Fall so lassen!
Obwohl zum schreien komisch ist.
Von: abgemeldet
2008-05-28T06:37:01+00:00 28.05.2008 08:37
Seltsamer Mann... irgendwie ist er mir suspekt, sogar trotz der tatsache dass er zum Quest gehört...

Ob Java und co auch dem Quest beitreten`?

lg Jey-chan


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