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Kaizoku Gakuen

Update 2023: in Überarbeitung
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п4. Kapitel – Mensch Ärgere Dich Nicht
 

[~2005-05-17 – Thuesday~]

Sanji hatte nur wenig von der Suppe gegessen, sie dafür aber auch drin behalten – was man von dem Zwieback am nächsten Morgen nicht behaupten konnte.

Zorro hatte die Nacht im Krankenhaus verbracht und über Sanjis Schlaf gewacht und war schließlich an dessen Seite, mit dem Kopf auf der Matratze neben Sanjis Bauch, eingeschlafen. Am nächsten Morgen war er dann mit Rückenschmerzen und einem steifen Nacken aufgewacht und hatte zusammen mit dem Blonden gefrühstückt, nachdem die Morgenvisite beendet war, bei der Sanjis dicker Ganz-Kopf-Verband einem einfachen Verband, der um Stirn und Hinterkopf und Kinn und hinterer Oberkopf gewickelt war, gewichen war.

Im Gegensatz zu dem andern hatte Zorro nicht gebrochen; warum auch? Und er hatte auch wesentlich mehr als bloß einen Zwieback gegessen.

"Wie läuft 's eigentlich mit der Schule?", hatte Sanji wissen wollen, nachdem er sich übergeben hatte und nur noch lustlos an dem Stück doppeltgebackenen Weißbrot herumlutschte.

"Da läuft momentan gar nichts", berichtete Zorro. "Der Unterricht wurde nach dem Angriff auf dich eingestellt. Eigentlich sollte er diese Woche wieder beginnen, aber da am Montag Smoker und Hina am Bahnhof waren, gestern die Kautionsverhandlung stattgefunden hat und heute die Anhörung beginnen soll, wurde der Neuanfang noch einmal verschoben."

"Die Anhörung ist schon heute?", fragte Sanji überrascht.

Der Grünhaarige machte eine nicht sehr eindeutige Geste, die zwischen einem Nicken und einem Kopfschütteln lag. "Nicht direkt. Heute müssen wir nur hin, um uns voll quatschen zu lassen und bekommen erklärt, wie das alles abläuft, vor Gericht. Aber schon kann man immer noch sagen. – Ich hab' dir doch von Lucci erzählt. Der Kerl ist wohl ein ziemlich guter und berühmter Anwalt, der den lahmen Haufen ein bisschen auf Trapp gebracht hat, damit wir das so schnell wie möglich hinter uns haben."

"Scheint ja gut geklappt zu haben", meinte Sanji und legte endlich den Zwieback beiseite, denn er ja doch nicht mehr essen würde. Zorro schnappte ihn sich und warf ihn in den Müll, um sich gleich darauf einen bereits geschmierten in den Mund zu schieben.

"Besser so", schmatzte er mit noch halb vollem Mund. "Aber keine Sorge, ich muss erst um zwölf Uhr da sein und Frühstück wird hier ja recht zeitig serviert…" Seiner Stimme war anzuhören, dass er immer noch nicht sonderlich glücklich darüber war, um diese Uhrzeit bereits auf den Beinen zu sein. "Zum Gericht brauch' ich ja nich' lange, is' ja nur zwanzig Minuten von hier und Mihawk holt mich ab, damit ich den Termin auch nich' verschlafe."

"Is' ja nett von ihm. Und wer holt Mihawk ab?"

"Smoker. Eigentlich Kuro, weil der bestimmt seit fünf wach is' und seit sechs auf die Uhr schaut, damit niemand zu spät kommen kann."

"Wer muss denn eigentlich alles vor Gericht?"

"Bis jetzt Mihawk und ich als Angeklagte und Smoker als Zeuge. Lucci meinte aber, dass uns Smoker nicht allzu viel bringen wird. Er kann höchstens bestätigen, dass Mihawk nur durch Zufall dazugestoßen ist, weil die beiden zusammen unterwegs waren."

"Ich versteh' immer noch nicht, warum ihr angeklagt seid. Boner war doch wirklich ein Krimineller. Er hat doch auch Kriminelles getan, in der Zeit, in der sein Kopfgeld gestrichen wurde. Macht so etwas solch eine Entscheidung nicht augenblicklich rückgängig?"

Zorro zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, aber Lucci wird schon was einfallen!" Er schnappte sich noch einen Zwieback und bestrich ihn mit Schokocreme. "Willst du noch Mal abbeißen? Is' nich' so trocken."

Er hielt Sanji das Stück hin, das er in der Hand hielt und der Blonde nagte etwas an einer Ecke, merkte aber dann an, dass er keinen Hunger mehr hatte.

"Du isst wie ein Spatz", maulte Zorro und verschlang den Rest des Schoko-Zwiebacks.

Sanji streckte ihm nur die Zunge raus und griff nach dem Milchglas, das mit dem Tablett vom Frühstück ins Zimmer gekommen war.

"Na und? Ich soll mich ja auch erst wieder ans Essen gewöhnen, da darf ich das!"

"Wart nur ab, bis du zu Hause bist, da gibt's dann wieder richtige Portionen!", drohte Zorro und packte den Deckel wieder über das Essen und beendete mit der Geste auch sein Frühstück.

Sie sahen sich eine Weile schweigend an, dann meinte Sanji: "Und was machen wir jetzt? Wir haben noch jede Menge Zeit, bis du los musst."

Zorro nickte. "Aber du darfst ja nich' aufstehen, also müssen wir was hier im Zimmer machen. Am Besten etwas, dass noch nicht so anstrengend ist… Soll ich schauen, ob ich irgendwo ein Spiel auftreiben kann?"

"Wo willst du das denn herbekommen?", fragte Sanji skeptisch.

"Na, ich frag' eine der Schwestern!"

Sanjis rechte Augenbraue wanderte in die Höhe. "Und was fragst du sie? Sorry, aber meinem siebzehnjährigen Freund ist langweilig, können wir ein Kinderspiel bekommen?"

"Dir muss es doch nich' peinlich sein", murrte Zorro. "Ich frag' schließlich. – Aber wir können auch was anderes, was Erwachsenes machen. Du musst nur sagen, was!"

Daraufhin schwieg Sanji und auf Zorros Zügen breitete sich ein zufriedenes Grinsen aus.

"Ich geh' und such' eine Schwester!"

Es dauerte nicht lange und Zorro kam mit einem Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel zurück.

"Nimmst du gelb?", fragte er und baute bereits seine grünen Spielfiguren auf dem Brett auf, dass sie auf dem ausklappbaren Nachttisch-Tisch platziert hatten. Das rollbare Schränkchen hatten sie direkt neben das Bett geschoben, sodass die Platte über das Bett ragte und Sanji gut herankam.

"Mir wird wohl nichts anderes übrig bleiben, wenn du deine schon aufbaust…", antwortete Sanji. Damit das Spiel gerechter verlief, wählten sie bei nur zwei Spielern immer die gegenüberliegenden Farben, damit der eine dem anderen nicht immer im Nacken saß. So waren ein gleicher Abstand und gleiche Chancen gegeben.

"Beschwer dich nich', gelb passt doch", entgegnete Zorro und würfelte. Sanji machte es ihm nach, kam mit einer Zwei aber nicht an Zorros Fünf heran und der Grünhaarige durfte anfangen.

In den ersten Züge wurden schweigend gezogen und Sanji hatte Zorro schon einmal rausgeworfen, der durch einer zweiten Sechs allerdings auch schon einen weiteren Stein im Spiel gehabt hatte, als er vollkommen unvermittelt meinte: "Robin hat mir viel von dir erzählt."

Sanji wurde hellhörig, würfelte aber trotzdem und setzte. "Was hat sie dir erzählt?"

"Na, viel von dir, hab' ich doch gesagt."

Der Blonde verdrehte nur genervt die Augen und brachte Zorro damit dazu, sich zu erklären. "Sie hat erzählt, wie ihr euch kennen gelernt habt, als du im Heim warst und wie du dann zu Jeff gekommen bist…"

Sanji sah ihn verwirrt an. "Ja und? Was ist damit?"

Zorro kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Naja, ich weiß jetzt so viel über dich, dabei weiß ich nicht ma', ob du damit einverstanden bist. Und du hast ja niemanden, den du einfach über mich ausfragen kannst-"

"Zorro, komm zum Punkt."

Der Grünhaarige wartete noch, bis Sanji gewürfelt hatte und er sicher war, dass er ihn nicht schon wieder vom Brett fegen würde, dann stotterte er weiter: "Ähm – äh, das war der Punkt! Ich… ich sollte jetzt wohl besser gehen, du brauchst ja noch viel Ruhe und…" Er brach ab und erhob sich. Doch Sanji packte ihm am Handgelenk und zog ihn auf das Bett – wobei er sämtliche Figuren, die bei Zorro im Haus standen, mit dem Arm umkippte.

"Hey, du kannst jetzt doch nicht einfach abhauen! Wir sind mitten im Spiel! Und du Feigling fängst erst an zu reden und erzählst dann die Geschichte nicht? Na los, du Frosch, erzähl was über dich, jetzt, wo du mich neugierig gemacht hast."

Etwas durcheinander befreite sich der Grünhaarige aus dem Griff des anderen, dann zog er sich den Stuhl wieder heran und setzte sich zurück zu Sanji ans Bett.

"Also, äh, ich…", begann er schließlich. "Ich hab' auch keine Eltern mehr", meinte er schließlich und schaute verlegen auf das Bett und stellte seine Figürchen wieder auf.

"Ich war damals schon älter als du, elf. Ich war noch nie besonders pflegeleicht gewesen-", Sanji musste bei diesen Worten breit grinsen, aber Zorro ignorierte es, "-und hab' mir anfangs Vorwürfe gemacht, dass sie meinetwegen gegangen waren. Aber das stimmte nicht. Sie hatten nicht die Absicht zu gehen. Es war ein Autounfall. Es war nass draußen, der LKW-Fahrer übermüdet und ist schließlich ins Rutschen gekommen. Er hat das Auto meiner Eltern am Heck gestreift und das ist daraufhin von der Straße gerutscht, hat sich überschlagen und ist dann in einem Fluss untergegangen. Sie waren vermutlich schon ertrunken, bevor der erste Rettungswagen kam. Man wollte mich danach auch in ein Heim stecken, aber ich bin abgehauen, bevor sie bei mir zu Hause aufgetaucht waren." Zorro würfelte und erinnerte den Blonden daran, dass sie ja immerhin noch mitten im Spiel waren. Sanji schaute wieder auf das Brett vor sich und wie Zorro seinen Stein zurück in sein Häuschen schubste.

"Zuerst war ich bei einem Freund, dann hab' ich mal hier und mal dort geschlafen. Die Polizisten haben schnell aufgegeben, nach mir zu suchen. Wir gehörten zu der ärmeren Bevölkerungsschicht und bei uns im Viertel hatte eh nie jemand etwas gesehen oder gehört. Als die Luft rein war, bin ich dann zu meiner Oma gegangen.

Zur alten Schule konnte ich nicht gehen, weil die sofort das Jugendamt oder sonst was alarmiert hätten, also hab' ich mich an einer neuen Schule angemeldet. Meiner Oma konnt' ich das aber nich' erzählen, die dachte ja, es wäre alles in Ordnung, bis halt auf die Sache mit meinen Eltern. Bei der Anmeldung musste aber ein Erziehungsberechtigter dabei sein, also hab' ich jemandem Geld gegeben und der hat dann für mich unterschrieben."

"Du hast 'nem Wildfremden Geld gegeben, damit der dich an einer Schule anmeldet? Warum? Hättest doch einfach wegbleiben können." Sanji hatte eine weitere Sechs gewürfelt und holte seinen dritten Stein ins Spiel.

"Oma sollte sich doch keine Sorgen machen. Klar, hätte ich vormittags verschwinden können, aber mir selber immer Hausaufgaben auszudenken wäre ganz schon anstrengend gewesen, da war es einfacher, wirklich hinzugehen. Als Oma dann ein Jahr später gestorben ist, bin ich auch noch hingegangen, damit die Schule nicht wieder anfängt zu nerven.

Ich bin dann in ihrer abbezahlten Eigentumswohnung geblieben. Im Mietvertrag war ihr Bruder noch eingetragen, der sich aber nicht um die Wohnung gekümmert hat. Ich weiß gar nicht, ob er wusste, dass sie ihm gehörte, dass Oma gestorben war oder ob er selbst noch lebte. Hatte nie wirklich viel mit ihm zu tun." Zorro unterbrach seine Erzählung und brummte kurz, weil Sanji sein erstes Püppchen in Sicherheit gebracht hatte.

"Hat sich niemand drum gekümmert, dass du ganz allein in der Wohnung hockst? Muss doch irgendwann aufgefallen sein, dass aus der Tür immer nur einer rauskommt und, dass du nie Frühstück mit hattest."

"Wir wohnten ganz oben, die Wohnung unserer gegenüber stand leer und abgesehen davon hat so etwas niemanden bei uns interessiert. Und Frühstück hatte ich meistens dabei. Ich hab' was vom Sensei bekommen. Er war der Leiter des Dojos, in dem ich trainiert habe. Ich hab' auch öfter bei ihm gegessen, als meine Eltern noch gelebt hatten. Sie waren beide meist aus dem Haus, wenn ich von der Schule wiederkam und besonders viel Geld hatten wir auch nicht, dass immer Essen auf dem Tisch stand. Ich bin immer nach der Schule zum Dojo gegangen und Koshiro-sensei wusste, dass es bei mir zu Hause nicht so gut lief und wenn er gemerkt hatte, dass ich noch nichts gegessen hatte, sollte ich immer mit seiner Tochter und ihm zusammen essen.

Nachdem meine Oma dann tot war, bin ich auch immer noch vor der Schule bei ihnen aufgetaucht und hab' ein bisschen trainiert. Koshiro-sensei ist schnell dahinter gekommen, was mich wirklich zum Dojo trieb und bald darauf hat er morgens immer zwei Bentos gemacht, eins für seine Tochter und eins für mich."

"Netter Kerl, dieser Koshiro-san", meinte Sanji und schubste einen grünen Stein beiseite.

"Ja, ganz im Gegensatz zu dir", murmelte Zorro, stellte sein Püppchen wieder auf und würfelte, in der Hoffnung auf eine Sechs, um wieder ins Spiel zu kommen.

"Er und seine Tochter waren die einzigen, die immer noch ein Auge auf mich hatten und Kunia konnte mich wenigstens ein bisschen beeinflussen. Wir haben viel zusammen trainiert. Es hat mich immer gewurmt, dass ich sie nicht besiegen konnte, obwohl sie doch ein Mädchen war. Ich hab' viel Zeit mit Kunia verbracht und das Training mit ihr hat mich davon abgehalten, andere Dummheiten zu tun.

Ich konnte sie nicht besiegen, bis sie gestorben ist. Es kam so… plötzlich; genau wie der Tod meiner Eltern und man konnte rein gar nichts beeinflussen. Sie ist einfach die Treppe runtergefallen und keiner konnte etwas dagegen tun."

Sanji merkte, wie sehr die Erinnerungen an diesen Tag Zorro mitnahmen und er verzichtete darauf mit seiner Drei den gerade erst wieder auf dem Spielbrett stehenden Zorro erneut rauszuwerfen. Stattdessen setzte er seine zweite Spielfigur.

"Ha, gepustet! Hättest mich rauswerfen müssen!", rief der Grünhaarige fröhlich, mit den Gedanken wohl wieder vollkommen in der Gegenwart und deutete auf Sanjis gelben Stein, den dieser mit Absicht nicht gezogen hatte. Mit einem breiten Grinsen stellte er ihn wieder in Sanjis Haus und würfelte.

"Hast wohl recht…", murmelte der Blonde bloß und ging nicht weiter auf Zorros Gefühlsschwankungen ein.

Sie spielten wieder eine ganze Weile weiter, ohne dass jemand redete, bis Sanji sich dazu durchringen konnte, zu fragen: "Was ist nach dem Tod deiner Freundin passiert?"

Zorro schaute überrascht auf. "Oh, ja, richtig! Naja, ich war ziemlich fertig, nach ihrem Tod. Aber irgendwann hat man auch einfach die Schnauze voll, wenn alle um einen herum wegsterben und ich hatte es satt, immer nur zu trauern."

Sanji nickte, wohlwissend, wie es war, Familienmitglieder in einem kurzen Abstand zu verlieren. Er hatte es damals schlimm gefunden, als sein Vater für ihn symbolisch gestorben war und er hatte geweint, als er einfach so allein gelassen wurde und seine Mutter nur noch mit Arbeiten beschäftigt war. Als sie dann auch noch gestorben war, hatte er es einfach nur noch ungerecht gefunden. Für Zorro waren es gleich vier Personen, die von einem Moment zum nächsten einfach nicht mehr da gewesen waren; verständlich, wenn die Tränen dann versiegt waren.

"Ich glaub, ich hab' auf ihrer Beerdigung nich' mal geweint", fuhr der Grünhaarige fort. "Aber später hab' ich geheult – wie ein Schlosshund, bis zum Morgen. Ich bin nich' in die Schule gegangen, nicht zum Training, nicht mal aus der Wohnung. Wozu auch noch? Es war niemand mehr da, dem man etwas vorspielen musste. Kunia hatte immer noch am meisten Einfluss auf mich gehabt und nachdem sie weg war, wurde mir alles zusehends egal. Ich ging zwar nach einer Weile wieder ins Dojo, aber meine Besuche waren unregelmäßig – ebenso wie mein Auftauchen in der Schule.

Koshiro-sensei versuchte sich zwar weiterhin um mich zu kümmern, aber jedes Mal, wenn ich in seine Augen sah, sah ich die Trauer um seine verstorbene Tochter in ihm. Ich weiß noch, wie mich das fertig gemacht hat. Ich hab' mir immer gewünscht, dass er mich nicht mehr anschaute, am Besten die Augen schloss. Ich wollte nicht immer an Kunia erinnert werden und so kam ich immer seltener."

Endlich war Zorro einmal an der Reihe, Sanji rauszuwerfen.

"Es gab immer mehr Zeit, die mir blieb, da ich nicht mehr regelmäßig die Schule oder das Dojo besuchte und so hatte ich auch immer mehr Zeit um… nun ja, Scheiße zu bauen. Anfangs beschränkte es sich aufs Klauen von Essen und hier und da mal eine Prügelei. Nach und nach wurde daraus das Rauben von Zigaretten, um sie weiterzuverkaufen und das Einsetzen von Messern.

Als ich fünfzehn war, hatte ich dann die Schnauze voll, in dem Drecksloch in der Stadt zu leben und jeden Morgen aufs Neue mit den anderen Jungs um eine Mahlzeit, eine Jacke oder bloß etwas Annerkennung zu kämpfen. Ich hab' mein Viertel hinter mir gelassen und bin an den Stadtrand, noch hinter die Slums auf der anderen Seite. Und dort fing meine Karriere als Kopfgeldjäger an."

"Du warst Kopfgeldjäger?", fragte Sanji überrascht.

Zorro nickte. "Es war ein Job, bei dem man schnell ziemlich viel Geld machen konnte und in einer Gegend wie unserer konnte man gut einen Einstieg versuchen. Viele kleinere Fische, die das ein oder andere einbrachten. Dementsprechend viel Konkurrenz gab es, aber die Begabteren zog es schon bald weiter und man hatte es nur mit den Anfängern- und Möchtegern-Kopfgeldjägern zu tun. Ich hatte gute Chancen, mich ihnen gegenüber durchzusetzen mit Kampfausbildung und Kunias Schwert, dass sie mir vererbt hatte; das weiße.

In einer Kneipe suchte ich mir einen Mittelsmann. Von denen gibt es da viele, weil es nicht nur viele gibt, die es mit der Kopfgeldjagd versuchen wollen, sonder auch viele von ihnen noch minderjährig sind. Als Kopfgeldjäger braucht man nämlich eine Lizenz und wenn du die nicht hast, kannst du auch niemanden abliefern und Geld für seinen Kopf kassieren. Also wendet man sich an Mittelsmänner – meist ehemalige Jäger – übergibt ihnen den Gefangenen und bekommt einen Teil der Summe, die ausgesetzt war. Genau genommen 'ne ziemliche Abzocke, weil der andere im Prinzip gar nichts machte und meist mehr bekommt, aber man hatte ja keine andere Wahl…"

'Genau genommen schon, 'n anderen Job', dachte Sanji, sprach es aber nicht aus, weil er selber wusste, wie schwer es war, an einen anderen, beziehungsweise normalen Job heranzukommen – vor allem wenn man in Zorros Situation war.

"Wie schon erwähnt zog es die Begabteren oftmals woanders hin. Viele von uns streifen durch das Land, immer auf der Suche nach größeren Fischen. Die ausfindig zu machen ist oft nicht einfach und man ist viel unterwegs, sieht viel vom Land und trifft viele Leute. In Kneipen oder Lokals trifft man Kollegen, mit denen man sich austauschen kann; man muss nur wissen, in welche man reingehen muss. Bei so einem Besuch hab' ich auch zwei Freunde von mir kennen gelernt, Johnny und Yosaku."

"Sind die auch Kopfgeldjäger?", wollte Sanji wissen. Er hatte mittlerweile zwei Steine in Sicherheit gebracht und war mit den anderen beiden draußen, während Zorro einen durchbekommen hatte und die restlichen drei im Haus standen.

"Ja, waren sie – und sie waren volljährig. Wenn ich mit den beiden zusammen unterwegs war, musste ich mir nicht immer erst noch einen Mittelsmann suchen. Das sparte Zeit und vor allem Geld, weil wir als Team arbeiteten. Wir steuerten alle unseren Teil bei, indem wir geeignete Leute heraussuchten, ausfindig machten und schließlich zur Strecke brachten und dafür bekam dann jeder seinen Anteil am Kopfgeld.

Die zwei waren echt in Ordnung, auch wenn wir ziemlich oft auf dem Trockenen saßen und uns grad mal ein Frühstück leisten konnten und mittags schnorren waren. Aber es war irgendwie trotzdem lustig und ich war nicht mehr alleine. Wir haben echt viel zusammen unternommen; eigentlich alles. Wenn sie mal in Schwierigkeiten steckten, konnte ich sie immer noch rausboxen. Leider gehören die beiden noch in den Teil meiner Vergangenheit, in der einer nach dem anderen einfach so verschwunden ist…"

Sanji traute sich fast nicht zu fragen, rang sich dann aber doch dazu durch (obwohl er sich die Antwort denken konnte): "Was ist mit ihnen passiert?"

Zorro würfelte, bevor er antwortete. "Sie wurden umgebracht."

"Von wem?" Sanji tat es Zorro gleich und setzte seinen Stein, damit der andere wieder dran war und sich etwas ablenken konnte. Der Blonde hoffte, dass es so für Zorro etwas leichter war, daran zu denken und weiter zu erzählen. Er wirkte nicht so, als würde er es ihm nicht erzählen wollen, aber das musste ja nicht heißen, dass er dabei keine Gefühle hatte.

Der Grünhaarige schien das Würfeln willkommen zu heißen, denn wieder wartete er seinen Zug erst ab, bevor er weiterredete. "Von dem Kerl, den wir gejagt hatten. Es hatte irgendwas mit Drogen zu tun, aber im Prinzip ist das ja auch egal. Die beiden haben sich einfach überschätzt und der Kerl hatte auf einmal halt keine Cannabispflanze mehr in der Hand, sondern 'ne Knarre. Wär' ich da gewesen, hätte ich sie vielleicht noch irgendwie aus dem Schlamassel herausholen können, aber sie haben den Typen alleine in einer Bar getroffen. Ich war nicht in der Nähe, hab' ein paar Informationen gesammelt, über den Aufenthaltsort von ihm, während er Johnny und Yosaku über den Weg gelaufen ist. Ich hab' am Abend von einem Gerücht gehört, über zwei Vögel", er verzog die Lippen bei dem Wort, als würde es ihm wehtun, seine ehemaligen Freunde so zu nennen, wie sie gewiss von denen betitelt wurden, von denen Zorro von ihrem Schicksal erfahren hatte, "die es im Südviertel erwischt haben soll. Das Einzige, das ich noch für sie tun konnte, war sie zu rächen. Sie waren einfach nicht stark genug gewesen, um auf sich selbst aufzupassen. Ich hätte sie nicht immer beschützten sollen. Wenn ich sie sich selbst überlassen hätte, hätte sie es vielleicht rechtzeitig gelernt, sich richtig zu wehren oder wären stärker gewesen und das alles wäre nicht passiert. Aber ich musste sie ja in Schutz nehmen, es ihnen abnehmen und sie dann im Stich lassen."

Sanjis Magen zog sich bei den Worten zusammen, die auch seine Situation so treffend beschrieben. Er konnte nur ahnen, was in Zorro vorgegangen war, als sich dieses Schicksal seiner Freunde bei ihm praktisch wiederholt hatte, obwohl er versuchte hatte, ihn nicht zu beschützen. Er hatte versucht, ihn auf die Geschehnisse in der Stadt vorzubereiten, ihn darauf vorzubereiten, falls ihm wirklich jemand etwas tun wollte. Und es hatte ja auch geklappt, nur dann war wieder alles schief gelaufen. Er hatte sich gewehrt, als Zorro in der Nähe war, ein Auge auf ihn hatte und als er dann alleine war, war er fast gestorben…

Sachte legte Sanji seine Hand auf die des anderen, welche zur Faust geballt war und den Würfel darin fest umklammert hielt.

"Das war nicht deine Schuld", flüsterte er. "Nichts davon. So etwas passiert, aber garantiert nicht, weil du Fehler gemacht hast. Es gibt immer Leute, die stärker sind. Es gibt auch Leute, die stärker sind als du. Wenn man solche Leute trifft, muss man klug genug sein, das Richtige zu tun und was das ist, das kann man nur alleine entscheiden. Die beiden hätten auch eine andere Entscheidung treffen können – du hättest genauso gut bei ihnen sein und ihren Tod nicht verhindern können. Aber auf andere aufzupassen ist nicht falsch. Ben macht das bei Shanks, Shanks macht es bei Ruffy und Ace. Und Ruffy passt auf Lysop, Nami, dich und all die anderen auf. Das bleibt auch so wenn man älter wird. Crocodile passt auf Smoker und Kuro auf und Smoker passt wiederum auf Ace auf. Trotzdem kann jedem von ihnen etwas passieren, aber dafür ist ihnen den ganzen anderen Malen nichts passiert, als ihr Beschützer bei ihnen war. Und einige Leute sind nicht dazu gemacht, sich selbst zu beschützen, sie sind schwach, aber sie brauchen auch nicht stark sein, nicht jeder muss das sein. Und wenn dann wirklich etwas passiert und sie in eine Situation geraten, der sie nicht gewachsen sind, dann hilft es nicht, wenn sie sich stark geben.

Beschützer können nicht immer da sein, Zorro. Oft genug gibt es Situation, die man alleine meistern muss. Jeder macht dabei von einer anderen Stärke gebrauch und wenn man sich irrt, dann hat das Folgen. Manchmal schlimme und manchmal kommt man noch mit einem blauen Auge davon…"

Er brach ab und schaute betreten auf die Decke herab, die seinen Bauch bedeckte und unter der (und unter seinem Pullover natürlich) der Verband lag, der seine Wunde verdeckte.

Zorro starrte auf das Brettspiel vor sich und schien über das Gesagte nachzudenken. Die Bewegung von Sanjis Kopf, der sich wieder hob, ließ auch ihn aufschauen.

Eine leichte Röte legte sich auf Sanjis Wangen, als sein Blick Zorros traf und hastig zog er seine Hand wieder zurück.

"Man muss also wissen, welche Stärke man in welchen Momenten wählt", wiederholte Zorro und Sanji nickte. "Genau!"

"Und wenn man sich irrt…"

"…dann liegt das an einem selbst", beendete Sanji den Satz.

"Aber warum irrt man sich?", fragte Zorro verständnislos und mit zusammengezogenen Augenbrauen. Er hatte sich etwas zurückgelehnt und musterte Sanji, als hoffte er, dass dieser die Antwort irgendwo zu stehen hatte.

Der Blonde schaute wieder betreten nach unten, diesmal auf seine Hände, die er nach dem Zurückziehen in seinem Schoß übereinander gelegt hatte.

"Ich weiß nich'…", murmelte er. "Passiert halt. Is' menschlich, irren, meine ich."

"Erare humanum est."

Verwirrt sah Sanji auf. "Du kannst Latein?" Er schien überrascht, aber zugleich auch erleichtert, nicht weiter eine Erklärung suchen zu müssen.

"Nich' wirklich", gestand Zorro. "Um ehrlich zu sein, nur diesen einen Satz. Komischerweise ist es der gleiche Satz, der einen neuen Abschnitt meines Lebens einläutete."

Zorro setzte sich wieder normal hin und ließ das gepunktete Quadrat aus seiner Hand auf das Brett fallen. Beiden waren wohl froh darüber, dieses Thema hinter sich zu lassen und das nächste zu beginnen.

"Ich war mittlerweile sechzehn", fuhr Zorro fort, "und immer noch Kopfgeldjäger. Ich war hinter einem Ganoven", Sanji schmunzelte, als Zorro dieses Wort in den Mund nahm, "her, der 'ne Ladung T-11 geklaut hatte; das sind Maschinengewehre. Dummerweise war dieser Typ im Auftrag einer Organisation unterwegs, mit der sich nicht mal die Polizei freiwillig und ohne guten Grund anlegte. Doch dieser Dieb hat es so plump, offensichtlich und dumm angestellt, dass man ihm den Raub und die Verbindung zur Organisation hätte nachweisen können – wenn man ihn denn gehabt hätte. Die Polizei hatte natürlich sofort eine Fahndung rausgegeben und sein Kopf war fast überall zu sehen. Trotzdem traute sich fast niemand an ihn heran. Ich war wohl damals etwas naiv gewesen, zu glauben, dass sie Angst vor ihm hatten. Aber wie sich später herausstellte, hatte wohl fast jeder – außer mir – gewusst, dass die Shichibukai sich liebend gern selbst um diesen Dummkopf kümmern würde; möglichst vor der Polizei. Ich hab' den Trottel recht bald gefunden, aber Dank meiner Fragerei hatte ich auch bald ein Mitglied an den Fersen, das ich auch prompt dort hin führte, wo es hin wollte. Kurz nachdem ich mein Opfer gefunden hatte, hab' ich Mihawk kennen gelernt…" Zorro ließ resignierend den Kopf hängen. "Ich hatte damals keinen blassen Schimmer, mit wem ich mich da anlegte. Und es war ja bei Weitem nicht nur Mihawk, eine ganze Organisation mit massig Typen, die mindestens genauso gefährlich waren wie er, stand noch hinter ihm. Er hat mich gebeten, ihm meinen Gefangenen zu übergeben und dann einfach zu gehen. – Er war damals schon so scheiß arrogant gewesen. Er meinte, kleine Jungs wie ich sollten sich auch mit kleinen Gaunern zufrieden geben. Dann kamen ein paar Sprüche, wie 'Such dir Spielgefährten in deinem Alter!' oder 'Wachs erst mal über einen Gartenzwerg hinaus, bevor du mit den Großen spielst!'. Du musst wissen, dass ich meinen Wachstumsschub erst mit siebzehn bekommen hab' und er damals schon fast so groß war, wie jetzt. Schließlich meinte er, ich solle gefälligst das Weite suchen, oder er würde mir zeigen, wie nah der Friedhof war."

Zorro warf wie nebenbei Sanji raus, der seit drei Runden mit seinem letzten Püppchen vor seinem Eingang stand und auf eine zwei hoffte.

"Du hast sicherlich schon erraten, dass ich damals wohl die falsche Stärke gewählt habe."

Innerlich atmete Sanji auf, dass Zorro ihm seine falsche Wahl dann wohl zumindest nicht sonderlich oft vorhalten würde, wo er es ihm doch schon fast auf einem Silbertablett serviert hatte.

"Ich war wohl mindestens ein genauso großes Großmaul wie er."

"War?", hakte Sanji mit hochgezogener Augenbraue nach. Zorro antwortete mit der selben Mimik und fuhr fort, ohne weiter auf diesen Kommentar einzugehen. "Ich hab' ihn zum Kampf herausgefordert. 'Dich kann ich auch besiegen, ohne groß zu sein!', hab' ich gesagt. Und wenn er das Kopfgeld kassieren wolle – woran er gewiss nicht interessiert war – solle er es sich holen; wenn er an mir vorbei käme. – Das mit dem naiv hatten wir schon", unterband Zorro sofort jeglichen Versuch Sanjis, dazu etwas sagen zu wollen, der auch tatsächlich schon den Mund geöffnet hatte, "und ich möchte dazu nichts von dir hören, schließlich glaubst du immer noch, dass ich nichts von deiner Ente weiß. Aber darüber können wir später reden."

Sanji wurde zuerst rot, dann stemmte er empört die Hände in die Seiten, schien im nächsten Augenblick aber damit einverstanden, dieses Thema auf später zu verschieben. Er gab seine Haltung auf und drehte sich etwas zur Seite, wobei er kurz die Zähne zusammenbiss, als er seine Wunde etwas zu sehr belastete. Er griff unter sein Kopfkissen und zog das zerfledderte Entenvieh hervor. Wenn Zorro eh davon wusste, war es unsinnig, es weiterhin vor ihm verstecken zu wollen.

Mit seiner Ente im Arm wand er sich wieder dem Spiel zu und lauschte Zorro, der fortfuhr, seine Lebensgeschichte zu erzählen. "Ich kann es mir wohl sparen, den Gewinner dieses Duells zu nennen. 'Erare humanum est', das hat er danach zu mir gesagt, weil ich mich ganz offensichtlich geirrt hatte, zu glauben, etwas gegen ihn ausrichten zu können. Er hat nicht mal ernsthaft gegen mich gekämpft, nur mit seinem Dolch. Aber ich war ihm wohl doch ein würdiger Gegner gewesen und obwohl er noch gegen einen Jungen kämpfte, wollte er mich wenigstens wie einen Mann sterben lassen. Die Narbe auf meiner Brust stammt von seinem Schwert.

Nachdem er mich besiegt hatte, hat er sich den Typen geschnappt, der die ganze Zeit gefesselt daneben gesessen und zugeschaut hatte. Aber er ist nicht weit mit ihm gegangen. Er hat ihn in eine Scheune gesperrt und ihn darin verbrennen lassen. Man hatte ihn nur nicht mehr erkennen sollen… Danach ist er wieder zu mir gekommen. Ziemlich zögerlich, wie mir vorkam, aber ich war auch nur noch halb da und Mihawk streitet es natürlich ab. Er hat sich neben mich gekniet und gefragt, was ich machen würde, wenn ich jetzt einschlafen und trotzdem wieder aufwachen würde. 'Stärker werden als du', hab' ich geantwortet, danach bin ich bewusstlos geworden.

Er hat mich ins Krankenhaus gebracht. Ich hät' 's wohl sonst nich' geschafft, hab' einfach zu stark geblutet. So gesehen verdanke ich ihm mein Leben", Sanji schnaubte abfällig, "aber Schuld war er ja auch dran, also hab' ich mich nie bedankt. Als ich wieder zu mir gekommen bin, war er bei mir. Wir haben gequatscht und ich hab' ihm viel von mir erzählt. Keine Ahnung warum, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich's ihm ja sagen konnte. Er hat mich oft besucht und ab und zu auch von sich erzählt. Als ich entlassen wurde, haben wir uns immer noch getroffen und, na ja, irgendwie ist daraus dann mal mehr geworden, als bloß Gequatsche. Es hat halt gefunkt, irgendwie. Muss Sommer und alles staubtrocken und vor allem staubig und undurchsichtig gewesen sein, dass dieser Funke wirklich ein Feuer in mir – und in ihm – entfachen konnte. Heute gießt 's da wie aus Kübeln und alles is' pitschnass. Damals hat er mir erzählt, dass er das eigentlich nicht dürfte; sich mit mir treffen und so. Aber für uns beide war's keine schöne Vorstellung, das alles aufzugeben, also sind wir durchgebrannt. Wenn man's denn so nennen kann. Er is' halt aus seiner Organisation ausgetreten und wir sind abgehauen, bevor die nein sagen konnten."

Sanji war mittlerweile wieder im Rennen und erneut kurz vor seinem Eingang, Zorro allerdings wieder dicht hinter ihm.

"Wohin seit ihr gegangen?", fragte Sanji und würfelte eine Fünf, mit der er sich direkt vor seine anderen Figuren katapultierte und nur noch eine Eins brauchte, um gänzlich an sie anzuschließen.

"Hier her", antwortete Zorro und würfelte eine Vier und stand somit drei Felder von dem einzigen gelben Stein entfernt, der noch nicht in Sicherheit war. "Wir sind ins Dorf gekommen und hatten ein Zimmer über der Bar von Makino. Ich hatte schnell das Gefühl, dass Mihawk nicht umsonst dieses Dorf gewählt hatte. Er hatte so einige Leute gekannt und bereits nach dem zweiten Tag ist er jeden Morgen verschwunden und dann den ganzen Vormittag und Mittag weg geblieben. Ich hab' ihn immer gefragt, was los sei, aber er hat mir nichts erzählt. Ich hab' versucht, ihn zu verfolgen, aber einfach war das nicht; hab' ihn auch immer wieder verloren. Ich hab' mich so oft in diesem Wald verlaufen, dass ich bald jedes Blatt kannte."

"Is' schon 'n Kunststück, sich dann immer noch zu verlaufen", meinte Sanji und würfelte eine zu hohe Zahl und Zorro war wieder an der Reihe. Zorro würfelte eine Eins und erwiderte: "Hör auf, mich zu verarschen – es war ja nich' so, dass die Blätter meine Freunde wurden und mir den Weg gewiesen haben; ganz im Gegenteil. Aber an einem Tag hab' ich so lange gebraucht, wieder aus den Wald heraus zu finden, dass ich Mihawk auf dem Rückweg getroffen hatte. Es war bereits später als sonst und er war nicht alleine. Ein komischer Typ war bei ihm. Die beiden haben geredet und sie wirkten ziemlich ernst. Irgendwann hat der andere Mihawk dann auf die Schulter geklopft und ist in eine andere Richtung auf und davon. Nicht viel später hat er mich bemerkt. Ich hab' ihm gestanden, dass ich versucht hatte, ihm zu folgen und er hat mich ausgelacht, weil ich mich verlaufen hatte. Dass das nicht das erste Mal gewesen war, hab' ich ihm verschwiegen."

Sanji lachte und atmete im nächsten Moment erleichtert auf, als Zorro an ihm vorbeizog.

"Er hat mich gefragt, ob ich mitbekommen hätte, was sie geredet hatten. Hatte ich nicht und erstaunlicherweise erzählte er es mir. Er meinte, er hätte mit der Organisation abgeschlossen und ich wäre außer Gefahr. Ich hatte zwar nicht gewusst, dass ich bedroht wurde, aber das war auch so etwas, was mir eigentlich hätte klar sein müssen. Er hatte mir auch verraten, wo er den ganzen Tag über immer gewesen war. Hier, auf der Schule. Er war schon Schüler, seit er siebzehn war. Eine beachtlich lange Zeit, wenn man bedenkt, dass er jetzt vierundzwanzig ist und er bereits vier Jahre hinter sich hatte, als er mich kennen gelernt hatte. Er hat mir nie verraten, warum er schon so lange auf dem Internat war und trotzdem noch Leute ermordete. Aber er hat mich auf das Internat gebracht. Im Dorf hatte er mich nur verstecken wollen, bis es wieder sicherer war. Aber eigentlich hätte er sich darüber im Klaren sein müssen, dass man ihn und auch mich schnell ausfindig machen würde, wenn er dorthin zurück geht, wo er vier Jahre lang war. – Aber vielleicht hat er das auch beabsichtig. Ich meine, um die ganze Sache aus der Welt zu schaffen. Viele Geschichten, mit denen Mihawk zu tun hat, sind kompliziert und verwirrend und es ist schwer, durchzublicken und seine und die Handlungen der anderen Beteiligten nachzuvollziehen, wenn man nur die Hälfte der Details kennt. Aber man hat auch keine Chance, an welche heranzukommen. Mihawk erzählt nichts und andere zu fragen ist genauso sinnlos wie gefährlich. Ich habe gelernt, hinzunehmen, was ich erfahre, mit allem anderen hätte ich uns nur Schwierigkeiten gemacht. Es hat zwar oft genervt, dass man nie wusste, was los war, aber nachdem wir dann beide auf dem Internat waren, wurde es besser. Es gab nicht mehr viele Geheimnisse, nichts mehr, dass Mihawk hinter meinem Rücken tat oder tun musste. Trotzdem hat unsere Beziehung nicht mehr lange gehalten. Is' nich' einfach, dass zu sagen, aber die Zeit war schon schön, als wir uns einfach unbeschwert in unserem Zimmer treffen konnten. Aber irgendwann hat es dann halt angefangen zu regnen, einfach so. Und wir haben's halt hingenommen. Warum an etwas klammern, wenn es so viele andere süße Jungs gibt?"

Sanji hatte endlich seine ersehnte Eins gewürfelt und hatte den letzten Stein zu den anderen gesetzt.

"Welche anderen süßen Jungs?", fragte er. "Du bist doch solo, genauso wie er." Er grinste und lehnte sich zurück, zufrieden mit seinem Sieg und überhaupt dem ganzen Morgen.

"Das ist etwas, dass nicht auf Bestellung kommt!", verteidigte sich Zorro. "Aber es wird kommen! Und es ist ja auch nicht so, dass man hier jedes Wochenende ein paar nette Kerle kennen lernen könnte."

Sanji nickte. "Ja, da dürftest du recht haben. Ist doch etwas abgelegen hier und man kennt bald jedes Gesicht, selbst die aus dem Dorf."

Zorro räumte das Spiel, die Spielfiguren und die Würfel wieder in die Verpackung. "Ja, aber unbedingt schlecht ist es ja nicht, wenn man bedenkt, dass die meisten hier sind, um aus dem alten Umfeld weg zu kommen. So kann man wenigstens nicht gleich in die nächste illegale Aktion reinrutschen."

"Trotzdem, manchmal vermisse ich das hektische Treiben. Bei Jeff war immer was los. Nicht, dass es hier langweilig wäre, man ist hier auch pausenlos beschäftigt. Allein Ruffy hält einen auf Trapp. Aber es ist anders, als wenn man wartende und immer wechselnde Kunden mit wenig Zeit bedient und abends in der Bahn sitzt, wo gedrängelt und geschubst wird, um endlich nach Hause zu kommen."

"Vermisst du es sehr? Dieses alte Leben?"

"Es geht. Es gab halt mehr Abwechslung, nicht was die Geschehnisse betrifft, aber die Leute, die Umgebungen."

"Ja, man kommt nicht mehr so viel rum. Es gibt nur noch den See, die Schule, den Wald, das Dorf und vielleicht noch ab und zu die Stadt."

Sanji nickte. "Aber da ist es auch sicher nicht einfach, sich zu trennen. Es ist schließlich nicht einfach sich hier aus dem Weg zu gehen."

"Du hast recht, das ist in der Tat schwer. Aber man muss lernen, dass man auch mal mit Menschen zusammen sein muss, die man nicht mag oder mit denen man gerade Probleme hat. Nicht mehr weglaufen und sich zu stellen, das ist wichtig im Leben. Und dieses ständige Sehen ist ja auch ein Grund, warum die meisten, die sich hier finden und wieder trennen, in Frieden auseinander gehen, weil es einfach zu ansträngend wäre. Mihawk und ich hatten uns die ersten zwei Tage nach unserer Trennung noch oft gestritten und ein Mal sogar fast geprügelt. Aber je öfter wir für Arbeiten auf dem Schulgelände in eine Gruppe gesteckt worden, desto schneller haben wir gelernt, uns auf gehässige Kommentare außerhalb der Hörweite der Lehrer zu beschränken. Und dann bist ja auch du gekommen; da waren wir dann abgelenkt."

"Schön, dass ich euch helfen konnte!" Sanji grinste und versuchte dabei ein Gähnen zu unterdrücken, was letztendlich in einer Grimasse endete. Schon seit den letzten Minuten des Gesprächs hatte Zorro immer wieder bemerkt, wie Sanji sich bemühte, seine Müdigkeit nicht zu zeigen und nicht zu Gähnen und wie auch seine Augen immer kleiner geworden waren.

"Bist müde, hm?" Sein Blick wanderte zur Uhr. "Kannst ruhig schlafen, ich muss eh bald los. Shun-san hat gesagt, dass du dich noch viel ausruhen sollst, wir können ja weiter reden, wenn ich wieder da bin und du ausgeschlafen bist."

Sanji nickte. "Klar. Aber was ist denn noch großartiges mit dir passiert, nachdem ich auf euer Internat gekommen bin, von dem ich nichts weiß? Ich hab' mitbekommen, wie du von Tag zu Tag dümmer wurdest und ansonsten wüsst' ich nicht, was ich da noch verpasst haben könnte…"

Zorro knuffte ihm gegen den Oberarm und wuschelte ihm durch die Haare, was Dank dem neuen Verband nun wieder bedingt möglich war, wobei er natürlich aufpasste, dass er nicht zu grob wurde und den anderen nicht unbedingt zwang, sich ernsthaft zur Wehr zu setzten. "Lass das nicht zur Gewohnheit werden, sobald du hier raus bist, kannst du dir solche Frechheiten nicht mehr ohne weiteres leisten", warnte er und schnappte Sanji die Ente aus dem Arm, als Ersatz für die Kopfnuss, die er dem anderen jetzt schlecht verpassen konnte.

"Hey, gib sie wieder her!", protestierte Sanji augenblicklich und versuchte Zorro die Ente wieder wegzuschnappen.

Bevor aus dem Angeln nach dem Stofftier ernsthaftere Versuche werden konnten, gab der Grünhaarige das Tierchen zurück.

"Du magst dieses Schnabeltier ja wirklich sehr."

Sanji nickte. "Ja, was dagegen? – Die hab' ich von meiner Oma. Sie war auf jeder Flucht dabei."

"Ja, so sieht sie auch aus… Aber wieso von deiner Oma und nicht von deiner Mutter oder so?"

Sanji drückte das Federvieh enger an sich. "Ich war meiner Mutter ziemlich lange böse, dass sie einfach so gegangen is'… genau wie mein Vater. Sie hatte schnell aufgegeben, mir weis machen zu wollen, dass er wiederkommen würde und ich war enttäuscht, dass sie es dann genauso gemacht hatte wie er, wo sie doch immer gesagt hatte, dass man so etwas nicht tut und sie oft geflucht und geweint hatte, wenn sie über ihn und sein Verschwinden geredet hatte. Mit meiner Oma hatte ich keine Probleme und sie konnte auch für all das nichts, weil sie schon tot war, noch bevor mein Vater abgehauen war. Deshalb hab' ich die Ente mitgenommen. An meine Oma hatte ich keine schlechten Erinnerungen, genauso wenig wie an die Ente, die sie mir geschenkt hatte."

Zorro nickte. "Ich verstehe. Aus einem ähnlichen Grund hebe ich auch mein Stofftier auf." Zorro stieg eine leichte Schamesröte ins Gesicht, obwohl er das schon ein Mal gebeichtet hatte, allerdings als Sanji noch bewusstlos gewesen war.

"Wirklich? Von wem hast du es?"

"Von Kuina. Sie hat gesagt, das Tier sei mir am ähnlichsten."

"Was für ein Tier?", wollte Sanji wissen, doch Zorro schüttelte den Kopf.

"Nein, nicht jetzt. Du bist zu müde. Bei Gelegenheit zeig' ich es dir, versprochen. Aber jetzt solltest du wirklich schlafen."

Sanji schien nicht begeistert von dem Vorschlag, fünf Minuten später fand er ihn aber dann doch ganz annehmbar. Er hatte sich auf die noch immer aufgestellte Bettlehne zurücksinken lassen, die Augen so gut wie geschlossen, die Ente im Arm und war bereits im Halbschlaf.

Als seine Augen dann fest geschlossen waren und er nicht mehr vor sich hinmurmelte 'Will's aber wissen', stand Zorro auf und ließ das obere Bettende wieder in die Waagerechte hinunter. Er setzte sich noch etwas zu Sanji ans Bett, doch viel Zeit blieb ihm nicht, bis Mihawk den Kopf zur Tür hereinstecke und ihm zum Mitkommen aufforderte.
 


 

mikan...



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2009-01-17T17:01:09+00:00 17.01.2009 18:01
Sehe ich genauso, man freut sich dann um so mehr auf die neuen Kapitel, außerdem mag ich deine Story eh ganz doll, ich schau auch das nächste mal wieder rein. Übrigens viel Glück bei Klausur und Abschlussprüfung!!!!

Gruß MX
Von:  SMC_Smoker
2009-01-11T19:32:38+00:00 11.01.2009 20:32
ach, kein problem, man freuut sich dann umso mehr über jedes neue kapitel^^
und dir viel ehrfolg und glück bei den prüfungen!!!!*daumen drück*


ach, das kapi war ja wohl so was von süß!!!!*kapi knuddels*
aber die geschichte von zorro war sehr traurig, auhc wenn mich das nicht überaschen sollte....
ich fand die idee mit dem mensch-ärger-dich-nicht spiel klasse^^
und ich freue mich schon darauf, zu erfahren was zorro für n kuscheltier hat.^^
udn ich bin gespannt auf die gerichtsverhandlung oder was das noch mal is*sich den namen nicht merken kann*

na denn.
bis zum neuen kapitel und lern gut!*grins*
noch mal viel glück und liebe grüße
wibi
Von:  Brooky
2009-01-10T16:28:52+00:00 10.01.2009 17:28
Soo^^
Jetzt hab ich das Kapi auch gelesen und ich kann nur wieder mal betonen, wie sehr ich deinen Schreibstil und diese Story doch liebe^^
Nun weiß Sanji also auch mehr über Zorro und das ist gut *nick*
Denn durch sowas lernt man sich einfach am besten kennen, finde ich und es ist ja immer wieder schön, Dinge erzählt zu bekommen, weil das von Vertrauen zeugt *nick*
Ich freu mich schon auf neue Kapis und wie schon gesagt, mach dir nicht so viele Gedanken^^ Das kann hier sicher jeder vestehen, mit den Prüfungen und das ist nun mal wichtig für deine Zukunft, von daher mach dir keinen Kopf und konzentrier dich lieber da drauf *kuschel*
LG
Bine^^
Von:  Sweet-Akane
2009-01-09T22:16:32+00:00 09.01.2009 23:16
Awwww ein süßes Kappi ^^.
Beide haben ein Stofftier? Wie süß ^^.
Das Kappi war wirklich klasse!
Vor allem find ichs schön, dass nun jeder mehr über den andern weiß ^^.
Einfach knuffig ^^.

Mach dir keine Gedanken wegen den Kappis, mir gehts grad genauso mit dem Zeitproblem ^.-.
Ich wünsch dir viel Erfolg!
Mach dir ein schönes We!
Glg Akane-chan


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