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Augenblick

"Es war so ein Moment, den man sonst aus dem Kino kennt..."
von

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Wie es geht

Wie es geht
 


 

„Jan… du Arsch…

...was machst du nur mit mir…?“
 

Langsam schlich ihre Hand zu seiner.

Sie liebte seine Haut.

Überall, aber an seinen Händen, deren Fläche zu einem großen Teil mit Hornhaut besetzt war, verging sie völlig, wenn er sie berührte.

So herrlich rau…

Auch seine Zunge besaß etwas raues, nur viel weicher als bei seinen Händen.

Der Rest an seinem Körper war für sie ebenfalls... wie sollte sie das bloß beschreiben, ohne das es ekelhaft kitschig Klang?

Sie wusste es doch und fühlte wie es war, da musste sie doch nicht extra einen Aufsatz dazu verfassen, oder?
 

Vorsichtig, um ihn nich zu wecken, schmiegte sie ihre Hand in seine offene Handfläche.

„Jan…“, seufzte sie, wie schon so oft.

Sie richtete sich wieder auf.

Sollte sie?

Ihr Gefühl trieb sie jedenfalls voran. So beugte sie sich vor, zögerlich und langsam, hinunter auf seine Lippen.

Plötzlich stockte sie. Nur wenige Zentimeter vor ihm.

`Nein…`

Ein letztes Zögern noch, dann erhob sie sich wieder, ohne ihn berührt zu haben.

Sie musste jetzt gehen.

Kurz vor der Tür warf sie einen letzten sehnsüchtigen Blick auf ihn. Sie überprüfte noch einmal das Geschrieben auf ihrem Zettel.

Es wäre bestimmt besser ihn Rodrigo oder Dirk zu geben.

Da sie ein noch längeres Zögern wohl wirklich dazu gebracht hätte wieder um zu drehen, ging sie endlich los.

Es wäre ja kein Abschied für immer, sagte sie sich.

Und betete innerlich, dass sie gerade keinen Fehler begangen hatte.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Mit trübem Blick starrte Henrike zum Fenster hinaus.

Es war so weit.

Heute war der Tag, an dem alles zu Ende gehen würde.

Nun tat ihr nichts mehr weh. Kaum noch.

Lag wohl an der Betäubung, die nun ihren Körper beherrschte.
 

Zu viel hatte sie in der letzten Zeit geheult und kam sich dabei so widerlich jämmerlich vor. Und dann hatte Celina sie auch noch in dieser Verfassung gesehn…

Aber es half alles nichts.

Sie hatte ihr Versprechen gegeben, wenigstens noch zu diesem einen Konzert zu gehen.

Das war sie den anderen auch mindestens schuldig.

Nur…

Wie sollte sie es ertragen, wieder in seiner Nähe zu sein…?

Jetzt stand sie hier, vollkommen fertig und zögerte wieder herum. Doch dieses Mal ließ sich es nicht zu, wieder in ihre Trauer zu verfallen.
 

„Reiß dich zusammen“, ermahnte sie sich ein letztes Mal, dann trat sie endgültig über die Türschwelle, hinaus, in die böse Welt.
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Nicht mehr lange und das Konzert würde beginnen.

Alles war schon auf seinem Posten, Techniker, Instrumente, jubelnde Fans, 3/3 der Ärzte und 2/3 ihrer Backgroundsängerinnen.

Alle fünf saßen in der Garderobe und warteten.

Keiner rechnete so recht damit, dass Henrike direkt zu ihnen kommen würde, also saßen sie die Zeit hier ab.

Eine bedrückende Stille war eingetreten, die, nach einiger Zeit des Ausharrens, jeder auf seine Weise versuchte zu bekämpfen. Dirk trommelte mit ein paar Drummsticks auf allem und jedem herum, Rodrigo stimmte noch mal seinen Bass und die beiden Frauen überprüften noch mal ihre Outfits. Allein Jan saß stumm da.

Wie in Trance fuhr seine Hand leicht über die Saiten seiner Gitarre und schlug ein paar Akkorde an. Allerdings so sachte, dass sie schnell wieder verklangen.

Er war total in Gedanken versunken.

Einzig Rodrigo beobachtete ihn in seiner Starre.

Er konnte in diesem Moment sehr mit ihm mitfühlen.

Alles kam jetzt auf diesen einen Versuch an. Was da für eine Spannung auf den Gitaristen liegen musste…

Rodrigo überlegte.

Sollte er jetzt etwas sagen?

In diesem Augenblick sah Jan zu ihm. Wohl unbeabsichtigt. Und ohne groß zu grübeln, warf der Chilene ihm ein mitleidiges Lächeln zu, was Jan erwiderte.
 

„Ähm Leute?“

Die Tür ging auf und ein gewisser Axel guckte rein.

„Rike ist da. Sie steht schon neben der Bühne und wir sollten jetzt auch mal anfangen.“

Kurze Stille, kurzes Zögern.

Dann ging es los.

Jan blieb noch für ein paar Sekunden sitzen, dann trat er als letzter aus dem Raum heraus.
 

„Ach ja, Celina! Du wolltest mir doch Gestern noch was sagen?“, fragte Dirk auf dem Weg zur Bühne. Doch Celina grinste nur.

„Das hat sich erledigt, wenn Aktion heute klappen sollte.“
 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~
 

Michaela war nicht die einzige, die nach Henrike Ausschau hielt.

Jedoch war sie die einzige, die sie in ihrem Versteck entdeckte, an einer dunklen Ecke am Bühnenrand.

Mischa war erst drauf und dran zu ihr zu gehen. Doch in dem Moment bemerkte sie den sehnsuchtsvollen Blick, mit dem sie eine gewisse Person auf der Bühne betrachtete...

Die blonde Frau zögerte. Dann ging sie ein Stück zurück und wartete auf Celina.

Nun war auch Mischa der Meinung, der Sache erst einmal ihren Lauf zu lassen.
 

Die Show lief insgesamt gut.

Alle Abläufe funktionierten reibungslos und Rike tat ihr bestes, sich ihre Stimmung nicht anmerken zu lassen. Was ihr auch recht gut gelang.

Sogar als die Duett-Konstellation Jan&Henrike kam, blieb diese cool und mied einfach komplett den Blickkontakt mit ihm. Ob er versuchte ihren Blick zu fangen, bemerkte sie nicht.

Song folgte auf Song, nur Dialoge mit den Backgroundsängerinnen gab es heute kaum. Henrike fiel dies am Rande auf, kümmerte sich aber nicht weiter darum.

Schließlich neigte sich das Konzert dem Ende zu und Rod trat ans Mikrofon. Alle auf der Bühne hielten gespannt den Atem an.

Rike war sich sicher, dass er jetzt ihren Ausstieg verkünden würde und schloss bereits die Augen.

„Wie geht’s euch? Könnt ihr noch?“

„Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhh!!!“, grölte das Publikum.

Eine vollkommen eindeutige Antwort.

„Das wollen wir auch hoffen, denn heute haben wir was zu feiern!“

`Äh, bitte?!´, Henrike sah auf. Meinte er das jetzt ernst?

Dirk fuhr fort: „Jawohl Roddy. Denn heute hat unsere liebe Henrike, die nette Dame rechts von mir, immer an den roten Haaren zu erkennen, Geburtstag!“

Entsetzt sah sie zu Dirk. `Woher weiß der das???´

Eine Sekunde Überlegung und schon war ihr die Antwort klar: Celina.

Fassungslos starrte sie zu ihrer Freundin, die ihr unschuldig dreinblickend zu lächelte.

„Na toll…“, stöhnte sie, bei dem Krach konnte es eh keiner hören.

Schnell bemühte sie sich wieder ihre Fassade zu errichten.

Wie praktisch eine Leidenschaft für die Schauspielerei doch manchmal war…

Schief lächelnd und nichts Gutes ahnend sah sie von Rodrigo zu Dirk, doch keiner der beiden sprach weiter.

„Und das wollen wir feiern!“

Hmm?!

Jans Stimme…

„Wie einige von euch vielleicht wissen ist unsere Rike einer der wohl größten Ärzte Fans überhaupt. Und daher möchte ich ihr heute diesen Song widmen. Also macht euch bereit Leute!“

Was für ein Song? Als nächstes wäre eigentlich der „Schunder Song“ dran gewesen.

Aber das wollte er ihr doch nicht allen ernstes widmen?!

„Und ich bitte dich Henrike: Hör genau zu, ich sing ihn nämlich nur einmal!“

Obwohl sie es eigentlich komplett vermeiden wollte musste sie ihn nun ansehen.

Sie konnte seinen Blick nicht deuten, aber es lag ein sehr starkes Gefühl in diesen.

Hoffnung? Fast erschlagen von seinen Augen wendete sie sich schnell wieder ab.

Plötzlich stemmten sich vier Hände von hinten an ihren Rücken und schoben sie ein Stückchen nach vorne, so dass sie und Jan sich besser sehen konnten.

Eindeutig Celina und Michaela. Rike wollte sich wehren, doch um dagegen anzukommen hätte einen regelrechten Aufstand machen müssen. Und so eine Peinlichkeit wollte sie hier auf der Bühne keinem antun.

Dirk schlug seine Drummsticks aneinander und gab so den Rhythmus vor.

Und dann begann Jan zu spielen. Henrike wurde augenblicklich kreidebleich.

`Nein, bitte nicht…´

Natürlich hatte sie es sofort erkannt. Sie liebte dieses Stück.

Rod und Dirk setzten ein und Celina unterstützte zusammen mit Mischa die Instrumente durch das Backing.

Als Jan dann begann zu singen, zitterte sie am ganzen Köper.
 

Ich schau Dich an,

und Du bist unbeschreiblich schön.

Ich könnte ewig hier sitzen,

und Dich einfach nur ansehen.

Doch plötzlich stehst Du auf,

und Du willst gehen.
 

Bitte, geh noch nicht.

Ich weiß, es ist schon spät.

Ich will Dir noch was sagen.

Ich weiß nur nicht wie es geht.
 

Bleib noch ein bisschen hier,

und schau mich nicht so an,

weil ich sonst ganz bestimmt,

überhaupt gar nichts sagen kann.
 

Ich weiß selber nicht, was los ist,

meine Knie werden weich.

Im Film sieht es so einfach aus.

Jetzt bin ich kreidebleich.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll,

mein Gott, jetzt gehst Du gleich.
 

Bitte, geh noch nicht.

Bleib noch ein bisschen hier.

Ich muss Dir noch was sagen,

nur die Worte fehlen mir.
 

Bitte, geh noch nicht.

Ich weiß, es ist schon spät

Ich will Dir noch was sagen.

Ich weiß nur nicht wie es geht.
 

Wie es geht, wie es geht, wie es geht,

wie es geht, wie es geht
 

Ich dachte immer, dass es leicht wär.

Ich dachte immer, das ist doch kein Problem.

Jetzt sitz' ich hier wie ein Kaninchen vor der Schlange,

und ich fühl' mich wie gelähmt.
 

Ich muss es sagen, ich weiß nur noch nicht wie.

Ich muss es Dir sagen, jetzt oder nie.
 

Bitte, geh noch nicht.

Am besten, gehst Du nie.

Ich hab's Dir schon so oft gesagt,

in meiner Phantasie.
 

Bleib noch ein bisschen hier.

Bitte, geh noch nicht.

Was ich versuche, Dir zu sagen, ist

"Ich liebe Dich".
 

Er hatte sie die ganze Zeit über angesehen und mit so viel Gefühl gesungen, wie selten in seinem Leben. Als er es aussprach, dass, was sie sich doch so sehr ersehnt hatte zu hören, geriet sie ins schwanken und wäre wohl nach hinten gestürzt, wenn Celina und Mischa sie nicht noch rechtzeitig und unauffällig gestützt hätten.
 

Ich weiß nicht, wie es geht,

wie es geht, wie es geht.
 

Jan verstummte noch vor den letzten beiden Zeilen.

Nur die beiden Background Damen, sangen diese noch mit.

Er sah sie noch immer an, wartete auf ihre Reaktion, doch sie war zu nichts mehr fähig.

Sie konnte auch gar nicht glauben, was jetzt hier passiert war.

Doch dann sah sie ihm in die Augen und sie wusste, dass es genauso und nicht anders gemeint war.

Tränen traten ihr in beide Augen und nur krampfhaft konnte sie diese hinunter schlucken.

Das war echt zu viel, für ihr sensibles Gemüt.
 

Das Publikum applaudierte fleißig, dennoch schien die bedrückte Stimmung es etwas zu beunruhigen.

Und plötzlich regte Rike sich und schritt geradewegs auf Jans Mikrofon zu.

Die verwirrten Blicke ignorierend schnappte sie es sich und brüllte:

„Kaum hat man als Frau Geburtstag, kommt gleich so was vom werten FU. Aber Schleimerei hin oder her: DAS WAR DAS BESTE GESCHENK DER WELT!!!“

Daraufhin tobte das Publikum und stimmte ihr auf diese Weise zu.

Lächelnd gab sie das Mikro wieder in Jans Obhut, der strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

„Uuuund jetzt… folgt das bei den Ärzten übliche Ritual, wenn jemand seinen Jahrestag feiert!“

Das Lachen war futsch.

Henrike versuchte noch verzweifelt weg zu rennen, doch da hatte Dirk ihr schon eine Torte ins Gesicht gepfeffert.

Sich verteidigend schmiss sie lachend mit der Tortenpampe nach den Ärzten und erwischte Rod mit einem Volltreffer im Gesicht.

„Ey, ich hab hier nicht Geburtstag!“, protestierte dieser grinsend, als er Rike endlich wieder lachen sah.

Dirk stellte sich an den Bühnen Rand und hob wie ein Dirigent die Drummsticks.

Und im nächsten Moment hörte Henrike ein an sie gewidmetes Happy Birthday von tausenden Menschen. Nun fiel Celina über sie her und beglückwünschte sie in einer stürmischen Umarmung. Auch Michaela kam an und knuddelte sie einmal wild durch.

Gerade als sich beide von ihr gelöst hatten, kam Jan auf sie zu.

Sie standen sich gegenüber und Stille, die nur sie beide umgab, trat ein.

Bis sie ihm schließlich zu lächelte und er unterdrückte nur gerade mal so noch den Drang, sie auf der Stelle in den Arm zu nehmen und vor allen Leuten seine Beherrschung zu verlieren. Stattdessen legte er einen Arm um ihre Schultern und sang lauthals das Happy Birthday mit.
 

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„Remember: I love you Hamburg! “

Mit Rods üblichem Wort zum Abschied ging das Konzert schließlich doch noch zu Ende und Die Ärzte samt Backgroundsängerinnen watschelten von der Bühne.

Allerdings dachte die aufgeheizte Menge nicht im Geringsten daran, den Abschied still hinzunehmen.

Es war keine Sinnestäuschung, als alle Mitglieder des Sextetts noch eine Viertelstunde später das Gejubel der Menge in ihren Ohren hörten.

Natürlich musste erst einmal jeder ankommen und Henrike durch drücken. Rike freute sich unglaublich darüber, auch wenn fast alle aus der Crew eben gerade von der Bühne her von ihrem Geburtstag erfahren hatten. Allerdings wurde die Garderobe mit der Zeit ziemlich eng.

„OK, Leute. Das Geburtstagskind braucht jetzt Ruhe für sich!“, schalte es von Dirk her.

„Helft mir mal Mädels! Wo steckt Rod? Fuck ey, ist das eng hier…“

Und so schoben der Graf und die beiden Bachground Damen alles was mindestens zwei Beine hatte und sich bewegen konnte aus dem Raum.

Gut, alle bis auf Henrike.

Und einem gewissen 1,94 großen blonden Kerl…
 

Totenstille trat ein.

Zwar standen sie sich beide gegenüber, aber keiner gab auch nur ansatzweise einen Ton von sich.

Bis vor kurzem hatte keiner von ihnen geglaubt, dem anderen je wieder so nahe sein zu dürfen.

Jan war nicht der einzige, der an die vergangenen Tage denken musste…
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Die Tür schwang nach innen und zog mit dem schleichenden Tempo ebenso das Quietschen in die Länge. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen betrat die Dunkelhäutige die Wohnung.

Was sie sah erschreckte sie etwas, wunderte sie aber nicht sonderlich.

Überall lagen Gegenstände herum und es herrschte das für Henrike eigentlich übliche Chaos.

Nur das es dieses Mal doch zu viel war und somit wieder untypsich für die Hamburgerin.

Und mitten in diesem Chaos stand Henrike, mit dem Rücken zu Celina.

Gerade als der blick der Berlinerin auf sie viel, schleuderte die rothaarige desinteressiert etwas zu Boden, was dadurch auch zu Bruch ging.

Ach du schei…

Anscheinend hatte Rike diesen Saustall in voller Absicht in ihren Frust selber verursacht….
 

„Was willst du jetzt von mir hören?“, giftete die Jüngere plötzlich.

„Was eigentlich los ist wär schon mal nicht schlecht.“ Sie hörte ein verächtliches Schnauben.

„Und warum interessiert dich das?“

Was sollte das denn jetzt?

„Warum??? Du bist meine Freundin, falls du es vergessen hast!“

„Es geht dich trotzdem nichts an.“ Noch immer sah sie von ihr nur den Rücken. Henrike räumte hier und da herum und tat offensichtlich so, als hätte sie etwas Besseres zu tun.

„Rike… Was hast du bloß? Es kann doch nicht sein, dass du alles weg wirfst.“

„Ist aber so.“

Langsam machte Celina diese Sturheit doch wütend.

„OK, dann rate ich eben. Hältst du den Druck nicht aus? Hast du keinen Bock mehr, was ich für recht unwahrscheinlich halte!? Oder…“

Die nächste Möglichkeit die ihr einfiel war wie eine Ohrfeige.

Ein Schlag, der sie wach rüttelte.

„…jetzt sag bloß du bist immer noch in Jan verknallt?!“

Henrike erstarrte in der Bewegung.

„Oh man… siehs bitte ein, das wird nichts. Du musst dich endlich mal davon lösen. Tut mir leid, aber ich glaube nicht das Jan…und du…“
 

„Ach ja Frau Schlaumeier??? Wenn du es so genau wissen willst:

WIR HABEN MIT EINANDER GEVÖGELT!!!!!

SO UNATRAKTIV SCHEINT ER MICH JA DOCH NICHT ZU FINDEN!!!!????“
 

Celina starrte sie sprachlos an. Ihre Lippen gingen auf und zu, doch ihr fiel nichts ein, dass sie sagen konnte. Jan und…Henrike…

Als die Botschaft endlich oben angelangt war, bemerkte die Ältere der beiden die äußere Erscheinung ihrer Freundin.

Die Augen waren durch fast glühend rotes, ungeschwollenes Fleisch umrahmt, ihre Lippen trocken und spröde. Sie sah aus, als hätte sie nur geweint.

Eben hatte sie vor Wut gekocht, doch jetzt senkte sich ihr Blick langsam.

„Jetzt weißt dus…“, sagte sie mit brüchiger Stimme und lies sich auf das Sofa sinken.

Ihr Blick ging ausdruckslos gerade aus.

Celina stand regungslos da und war einfach überrumpelt. Jan und Henrike hatten was mit einander. Also hatte sie die ganzen Blicke von ihm doch richtig gedeutet.

Sie lächelte schief. `Anscheinend kenne ich dich immer noch nicht ganz, Jan…´

Ein unschön klingendes Schlürfen holte sie aus den Gedanken. Ihre Freundin saß immer noch da und hatte versucht durch ihre verstopfte Nase tief ein zu atmen.

Obwohl sie die ganze Zeit vorher abgelehnt worden war wusste sie genau, dass Rike sie jetzt brauchte. Vorsichtig ging sie zum Sofa und setze sich langsam.

„Hey, Sweetie…“ Sie griff nach ihrer Hand und hielt sie fest, als Henrike sie wegziehen wollte. „Aber was ist dann um Himmels… oder Satanswillen passiert, dass du jetzt so unglücklich bist? War er etwa soooo schlecht?“

Sie versuchte sie damit etwas auf zu muntern und sah tatsächlich, wie die Mundwinkel der jüngeren leicht zuckten. Doch dann war sie sofort wieder ernst.

„Damit wir das Thema abschließen können: Er hat gebumst wie ein Weltmeister.“

DAS machte es Celina wirklich nicht einfacher.

Sie dachte aber fest an das Drama was gerade im Gange war und fuhr fort.

„Aber bist du DESHALB etwa abgehauen? Anscheinend war das doch echt gut.“

„Dieser Augenblick war es absolut, ja…“ Henrike drehte ihr Gesicht weg, als sie wieder anfing öfter als nötig zu blinzeln.

„Wovor hast du Angst?“ BINGO! Diese Frage war genau der richtige Knopf.

Erst nach einer weiteren Schweigeminute kam eine Antwort.

„Praktisch vor allem…“ Sie schluchzte und versuchte vergebens, sich zu beherrschen.

Celina war ruhig, hielt ihre Freundin in einer halben Umarmung und wartete geduldig ab.

„…schließlich…weiß ich noch nicht einmal was... ihm das alles bedeutet hat…“

Ihre Stimme war fast erstorben, las sie die nächsten Worte sprach:

„…was ich ihm bedeute…“

Das war es also. Sie hatte Angst sich an eine Illusion verloren zu haben.

Die Unsicherheit, ob das ganze auch auf Gegenseitigkeit beruhte.

Die Berlinerin überlegte fieberhaft. Was sollte sie jetzt bloß sagen?

„Ich...“, begann sie und brach gleich wieder ab. Unsicher blickte sie weg, doch als sie erneut ein leises Schluchzen hörte, musste sie etwas sagen.

„Aber… hast du ihn denn gefragt?“ Der angesetzte Schluchzer schwang in ein erneutes verächtliches Schnauben um, dass aber durch den Schwenker mehr nach einem Grunzen klang.

„Wie denn??? Hallo Jan. Ach ja, bevor ich es vergesse, liebst du mich eigentlich??“

„Ja, ich weiß dass das blöd klingt, aber hast du nicht sonst irgendwie versucht es heraus zu finden?“

Sie schwieg.

„Genau genommen…hab ich mich nie getraut. Hab zu viel Schiss gehabt, dass könnte den Augenblick zerstören…“

Celina holte tief Luft. Der Schuss war eindeutig nach hinten gegangen. Ihr schwebte ein Gedanke im Kopf herum, nur bis eben hatte sie es für falsch gehalten ihn aus zu sprechen. Aber es konnte ja nicht sehr viel schlimmer werden, also?

„Ich… weiß auch nicht genau wie es mit seinen Gefühlen für dich aussieht. Aber du hättest ihn mal sehen sollen. Als du plötzlich weg warst war er furchtbar auf gewühlt. Ich hab ihn wirklich noch nie so unruhig… ja fast panisch erlebt. Außer wo du zusammen gebrochen bist…“

Henrike schwieg.

„Ist er… hat er… hat ihn das so getroffen?“

Sie wirkte erstaunt, unsicher… aber zugleich hoffnungsvoll.

Als könnte sie auch nicht so recht glauben, dass er für sie so stark fühlen würde.

„Baby… Ich hab richtig Schiss gehabt, als ich neben ihm stand.“

Unbemerkt von Celina weiteten sich Rikes Augen. Plötzlich sprang sie auf.

„Arrrrhh!!! Verflucht, es ist doch eh schon zu spät! Ich… Ich hab… IchhabsoneverdammteScheißegebaut!!!“, jaulte sie und presste sich eine Hand auf die Augen, um die Tränenflut irgendwie zu dämmen.

Celina sah sie irritiert an, dann sprang sie auf. Jetzt glaubte sie auf dem richtigen Weg zu sein.

„Was denn? So schlimm kann das doch nicht sein.“, sie wollte die kleinere in ihre Arme nehmen, doch Henrike wich aus und taumelte zurück.

„Nein… Ich… Ich dachte es wäre so besser für ihn. Nachdem was er durchgemacht hat und… und ich kann so verflucht anstrengend sein und…“

Ihre Hände fuhren immer wieder über ihren Kopf, ihr Körper zuckte bei einigen Schluchzern stark zusammen. Dann blieb sie stehn, die Hände wie zu einer Stopp-Warnung erhoben und bemüht darum, wieder in einen geordneten Atemrhythmus hinein zu kommen.

Celina musste erneut Schlucken. Mit so heftiger Verzweiflung hatte sie nicht so wirklich gerechnet. Aber zum Glück war Henrike stark genug, sich selbst am Riemen zu reißen, wo Celina auch stolz auf sie war.

Nach ein paar Minuten ging Rikes Atem wieder ruhiger.

Auch wenn ihre äußere Erscheinung keinesfalls für Ruhe sprach. Die Ärmste war nun endgültig klatschnass, ihre Haut glühte quasi feuerrot und Celina konnte schwören, ihr Herz selbst auf diese Entfernung pochen zu hören.

„Celina…“

Sie eilte sofort herbei und nahm vorsichtig die Hände in ihre.

„Ich bin da Sweetie.“, versicherte sie noch einmal und hob eine Hand an die Wange der jüngeren. Doch Rike nahm diese und schob sie runter. Der Druck der Finger um Celinas Hand wurde stärker. Da begriff die Berlinerin, dass Rike ihr etwas sagen wollte.

Sie blickte auf.

Und sah in Henrikes Augen, die nun ehrlich und klar in ihrem grün schimmerten.

„Ich…“

Henrike schloss die Augen noch einmal, stieß so die letzten salzigen Tropfen weg, ehe sie wieder aufblickte und diesen einen Satz, fast völlig ohne zittern entließ.
 

„Ich… Ich liebe ihn Celina…“
 

Jetzt begann sie wieder stärker zu zittern, als hätte dieser Satz ihr eine Menge Kraft gekostet

„Ja verdammt, ich… und das jetzt schon so lange… Dass er das jetzt tatsächlich erwidern sollte… erscheint mir so trügerisch… so unwirklich…“

Celina stützte ihre Freundin und setzte sich mit ihr auf den Fußboden.

„Ich wollte eigentlich nur in Ruhe darüber nachdenken. Ob ich dem jetzt trauen kann und so. Deshalb… deshalb wollte ich aus der Band raus, weil… wenn ich geblieben wäre, wär ich ihm ständig über den Weg gelaufen… Das hätte mir gar nichts erleichtert…“, ein sarkastisches Lächeln huschte über ihr Gesicht.

Henrike schaute schon eine ganze Weile nach links, als wäre da irgendetwas Interessantes zu beglotzten. Celina war es gewohnt, bei ernsten Gesprächen sah Rike einem so gut wie nie in die Augen.

„Und…“, sie schluckte, zwang sich aber weiter zu machen.

„Ich hatte mir eine Menge Gedanken gemacht. Gestern Nacht wollte ich zurück ins Hotel, um 4 Uhr Morgens…. Ich dachte da würde keiner von euch mich erwischen, doch…“

Henrike verfiel wieder kurz ins Schweigen, dann erzählte sie weiter.
 

Celina erstaunte dieses zufällige Zusammentreffen, auch wenn sie es gut verbarg. Stumm hörte sie sich alles an und musste bei sie einigen Stellen schlucken.
 

„…und ich feige Sau bin einfach weg gerannt.“, sie gab ein verächtliches Schnaufen von sich. „Ich… ich wollte ihm das nicht antun… und mir auch nicht… in so einem Zustand tu ich doch echt niemandem einen Gefallen… Ich will ihn nicht zwingen, mit mir eine Beziehung ein zu gehen… Er hat eine Menge durch gemacht, das kann ich dir aber nicht verraten, ich hab versprochen mein Maul zu halten…“

Nun war Celina diejenige die Schwieg. Rike lehnte an ihrer Schulter und wurde noch immer gestreichelt.

„Ich war ne mega blöde Arschkuh, oder?“, fragte die rothaarige nun.

„Ich…weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich ja oder nein sagen soll.“, sagte Celina ehrlich mit einem schiefen Lächeln. Henrike lachte kurz und fast tonlos.

„Egal, es ist jetzt eh zu spät.“

Damit richtete sie sich wieder auf und zog Celina mit hoch.

„Wie…?......... Du willst gar nichts tun??“

„Ich KANN nichts tun. Das ist der Unterschied. Oder fällt dir etwa was ein?“

Celina wollte so gern helfen. Aber sie wusste auch nicht, wie das gehen sollte. Damit sich die beiden aussprechen konnten, musste man sie wohl erst auf eine einsame Insel verschleppen.

„Aber.. .Nein, verdammt! Wir müssen doch etwas machen!!!“, sie packte die rothaarige bei der Hand und wollte sie aus der Wohnung schleifen. Allerdings wehrte Henrike sich mit aller Kraft.

„LASS MICH LOS! ICH WILL DAS NICHT!!!“
 

„ICH… ICH HAB IHM DOCH SCHON GENUG ANGETAN! BITTE, LASS MICH NICHT DAS GANZE NOCH SCHMLIMMER MACHEN… Dazu haben wir beide doch keine Kraft mehr…“

Celina sah ihre Freundin fast emotionslos ins Gesicht. Als wolle sie verhindern, dass sie schwach werden würde.

„Celina… du weißt nicht was er durch gemacht hat…“, bat Rike erneut, wieder ohne dabei ins jammern zu geraten. Aber es liefen ihr wieder Tränen über die Wangen…

Celina sah sie noch immer an und verfluchte sie tausendfach innerlich, als sie die Hand ihrer Freundin wieder los ließ.
 

Henrike redete so lange auf die Berlinerin ein, bis diese sich entschloss doch dem Wunsch ihrer Freundin nach zu gehen und die Wohnung zu hinterlassen.

„Bitte lass mich jetzt allein. Da hast getan was du konntest.“, Henrike zwang sich zu einem schiefen Lächeln, als sie Celina zur Tür hinaus schob.

„Verdammt Rike… Irgendwas müssen wir doch tun.“

Nun war die Berlinerin ebenfalls den Tränen nahe, als sie sich noch einmal umdrehte.

„Nicht wir... ich…“, seufzte Henrike leise.
 

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Keiner wusste was er sagen sollte, somit war ein Anfang schwierig. Beide waren unsicher und teilweise auch beschämt, aber dieses ganze Drama.
 

Nach Ewigkeiten fasste Rike sich schließlich und sah zu ihm auf. Und Jan schaute direkt zurück.

Und Rike schmolz. Wie in einem widerlichen Kitschroman, einfach nur vor Glück.

Ihre Beine bebten und nichts konnte mehr verhindern, dass sie sich nach vorne kippen ließ. Und wie erhofft, umschlangen sie seine festen Arme und pressten sie an ihn.

So verharrten beide in dem Augenblick und dachten nur daran, den anderen so schnell nicht mehr loslassen zu wollen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  beatbulette
2008-07-25T12:21:27+00:00 25.07.2008 14:21
ENDLICH habe ich es geschafft, deine FF hier zu lesen.
Und ich finde sie toll!
Du hast einen sehr fesselnden Schreibstil, ich konnte garnicht mehr aufhören zu lesen.
Ab und an sind ein paar Rechtsschreibfehler (soweit ich weiß, wird es "leer" und nicht "lehr" geschrieben), aber da sollte ich meine Fresse nicht so weit aufreißen <.<
Ich würde mich freuen, wenn es bald weiter geht. Ich möchte nämlich sehr gerne wissen, was nun aus den beiden wird ^^


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