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Der Wolf im Schatten der Natur

Teil 1: Die Katastrophenzeit
von

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Dunkle Vergangenheit

Jonas begrüßte erst einmal sämtliche Katzen und Schildkröten, die außerhalb und innerhalb unseres Hauses verteilt waren.

Eigentlich hätte ich lieber mit Arcon gesprochen, denn nach seinem Gesichtsausdruck schien es ihm wirklich nicht gut zu gehen.

Ich dachte daran, dass Jonas auch einen Schutzgeist haben könnte, denn er liebt Hunde über alles und er ist ein wirklich guter Mensch, der immer versucht zu helfen.

Aber ihn zu Fragen hielt ich nicht für gut, wer weiß ob er doofe Fragen stellt, falls er keinen hat.

Mir war klar, dass ich erst abends mit Arcon reden konnte, wenn Jonas uns bzw. mich nicht hören konnte.

Ich versuchte so gut es ging, Jonas meine Sorgen nicht zu zeigen. Der Tag verging langsam, er schien endlos. Mein Halbcousin und ich frühstückten erst, dann redeten wir über alles Mögliche, machten einen ausgiebigen Spaziergang im Wald und spielten einige Kartenspiele, in denen es um Schnelligkeit und Reflexe ging.

„Man hab ich Hunger“, stellte Jonas nach der 7. Partie Ligretto fest.

„Ich auch”, meinte ich kurz und warf einen Blick auf die Uhr, „Kurz nach Drei. Ich ruf mal meine Mutter an und frag sie, wie lange sie noch brauchen - und vor allem wo sie überhaupt sind“

Jonas nickte zustimmend, ich suchte das Telefon und wählte die Handynummer meiner Mutter.

„Ja?“, meldete sie sich.

„Hallo Mama, ich...“

„Oh, Hallo Tia, du entschuldige dass ich nicht angerufen habe, aber ich hab dich total vergessen. Alex hat ja heute ihren ersten Praktikumstag am Falkenhof, sie wird auch bald kommen, denk ich. Und ich bin noch in Rosenheim mit Gisela beim Einkaufen, hier ist doch Ausverkauf. Wir bringen dir was mit. Wie geht’s euch? Habt ihr was gegessen?“

„Ja uns geht’s gut, wir wollten jetzt gerade was essen. Ich wollte nur wissen, wie lange ihr noch braucht“

„Ihr könnt ruhig schon was essen, wir fahren jetzt zwar auch von hier weg, aber das dauert ja auch eine Weile, weil ich noch bei unserem Kollegen vorbei fahren muss und noch was einkaufen möchte, da gibt’s auch noch was im Sonderangebot. Zum Essen, schau mal im Kühlschrank, da dürften noch ein paar Pellkartoffeln von gestern drinnen sein“

„Ah, okay, wann kommt ihr dann so ungefähr?“

„Wenn wir fertig sind“

Ich grummelte leise ins Telefon.

„Ja ich weiß auch nicht, wird wohl 5 oder 6 werden, das werdet ihr ja dann merken!“, meinte meine Mutter.

„Jap“ stimmte ich zu, „also dann machen wir uns jetzt die Kartoffeln warm und warten dann bis ihr kommt“

„Gut, Viel Spaß euch beiden! Ciao“

„Ja euch auch!“, verabschiedete ich mich und legte auf.

Ich legte den Telefonhörer auf die Anlage und ging in die Küche, wo Jonas das Kartenspiel eingeräumt hatte.

„Jonas? Hast du Lust auf Pellkartoffeln?“ fragte ich ihn.

Er nickte zustimmend, woraufhin ich den Kühlschrank öffnete und die Schale mit den Kartoffeln herausholte.

„Wie viele magst du denn?“, wandte ich mich an Jonas, während ich mit der Schale über seinem Teller wedelte.

„Wenns geht so 3 oder 4“

Ich nickte, teilte die Portionen auf und schob seinen Teller in die Mikrowelle. Während diese vor sich hin summte, holte ich die Zutaten und als beide Teller aufgewärmt waren aßen wir. Als wir fertig waren wussten wir wieder nicht, was wir machen könnten. Erst schalteten wir den Fernseher an, schalteten durch die Kanäle, doch fanden keinen Sender wo etwas Entsprechendes kam. Da kam mir die Idee, dass wir ja auch eine DVD ansehen könnte und fragte Jonas, ob er Lust hätte, was er bejahte. Als der Film fast zu Ende war, kam meine Mutter nach Hause. Wir stoppten die Filmwiedergabe, liefen die Treppe nach unten und empfingen meine Mutter und Gisela an der Terrassentür. Die freudige Begrüßung wurde durch die Begutachtung der neu gekauften Sachen abgerundet.

Stolz präsentierte meine Mutter alle Kleidungsstücke, die sie in Rosenheim beim Ausverkauf gekauft hatte. Anschließend 'durften' wir noch helfen, die zwei anderen Einkaufskörbe auszuräumen und ich probierte 2 T-shirts und eine Hose an, die meine Mutter mitgebracht hatte.

Als wir dann zu Viert am Gartentisch saßen, kam nach einer Weile mein Vater nach Hause. Nach der Begrüßung setzte er sich mit zu uns, bis nach etwa einer halben Stunde das Praxistelefon klingelte und einen Kleintierpatienten ankündigte. Jonas und ich gingen nun wieder in mein Zimmer, wir saßen auf meinem Sofa, hörten Musik und spielten Backgammon. Nach wenigen Partien kam Alex nach Hause und sah strahlend in mein Zimmer:

„Hi!“, rief ich ihr lächelnd zu.

„Tachchen!“, begrüßte sie uns fröhlich.

„Und wie wars da oben?“, fragte ich sie.

„Toll, total interessant, ich glaub da geh ich öfter mal hin! Ich meine jetzt auch außerhalb vom Praktikum“

„Was machst du da so?“, fragte Jonas.

Alex legte ihren Rucksack vor mein Sofa und setzte sich zu uns, „Also heute hab ich nur einen Falken abgetragen und sonst die Tiere gefüttert und sowas. Aber vielleicht darf ich bald auch 'nen Faustapell mitmachen!“

„Hui, das klingt echt toll!“, staunte ich.

„Ja, aber jetzt brauch ich mal ne Pause. Bei der Hitze den ganzen Tag den Falkenhof auf und ab zu latschen... das ist schlimm, echt!“, meinte Alex, schnappte sich ihren Rucksack und verließ mein Zimmer.

Jonas und ich widmeten sich wieder unserer abgebrochenen Backgammon Partie, danach war es schon Acht Uhr, wie ich feststellte und meine Mutter rief uns nach unten. Sie fragte, ob wir Hunger hätten und Lust auf eine Pizza.

„Ja, gerne!“, meinten Alex und ich.

„Okay“, stimmte Jonas zu.

„Welche möchtet ihr denn?“

„Schinken und Champignons“, bestelle Alex.

„Schinken und Salami“, grinste ich.

„Margareta, bitte“, kam es von Jonas

Meine Mutter nickte und erklärte, dass mein Vater nochmal weg musste und auf dem Rückweg gleich die Pizzen abholen kann. Nun rief sie meinen Vater an, erklärte ihm den Plan, nahm noch seinen Pizzawunsch auf und bestellte unser Abendessen.

„In 20 Minuten gibt’s dann Essen!“, meinte sie.

Wir nickten zufrieden, gingen zurück in mein Zimmer und begannen eine Runde Creativity mit Alex.

„Tut mir Leid Arcon“, hauchte ich und sah mitleidig auf mein Sofa hinter mir, auf dem der Wolf lag und betrübt den Boden anstarrte.

„Schon okay“, seufzte er.

„Tia! Pass auf“, rief Jonas.

Ich sah auf und beobachtete verwirrt, wie Jonas pantomimisch versuchte einen Taucher nachzuahmen. Alex bekam nach fast 2 Minuten den Punkt, nachdem wir mit unseren Vorschlägen Wal, Presslufthammer, Hai und Uboot, falsch gelegen haben.

Wir spielten noch bis mein Vater mit den Essen kam, schalteten die Konsole aus und aßen gemeinsam. Mein Magen knurrte fürchterlich und die saftige Pizza zerfloss in meinem Mund. Ungeduldig blickte ich immer wieder zur Uhr und hoffte, die Zeit würde schneller vergehen. Meine Seele brannte, waren es Arcons Gefühle? War es meine Neugierde, meine Sorgen oder meine Ungeduld? Doch je mehr ich mir wünschte, dass die Zeit schneller vergeht, desto langsamer lief sie. Auch wenn es 20:30 Uhr war, dauerte es noch eine Weile, bis alle zu Bett gingen und Arcon und ich endlich reden konnten.

„Mach dir keinen Stress, Tia“, meinte Arcon, welcher neben mir auf der Sitzbank lag, „später werden wir reden können...“

Ich seufzte kaum hörbar und knabberte an dem Rand eines Pizzastückes herum.

Doch ich merkte bald, dass ich nicht viel Hunger auf meine Salami-Pizza hatte, so dass ich nach zwei Dritteln der Pizza nicht mehr konnte. Ich wibbte ungeduldig schnell mit meinem Fuß.

„Tia, bitte lass den Fuß ruhig“, mahnte meine Mutter.

„Ja, ’tschuldigung...“, meinte ich und hielt inne.

Von dem lautstarken Gespräch am Essenstisch bekam ich nichts mit. Ich wartete nur darauf, dass es endlich Nacht wurde.

Als alle fertig gegessen hatten sammelte meine Schwester die Pizzakartons ein und brachte sie nach draußen in unsere Papiermülltonne.

„Wer hat Lust auf ne Runde Poker?“, fragte Alex als sie wieder da war.

Ich nickte grummelnd und dachte, es wäre wenigstens ein guter Zeit vertreib.

„Macht euch schon mal bettfertig“, meinte Mutter, „danach können wir gerne Pokern.“

Ein einstimmiges Nicken bewegte unsere Körper die Treppe nach oben und wir zogen unseren Schlafanzüge an. Stumm lauschte ich dem Rauschen der Blätter im Abendwind, während ich darauf wartete, dass Jonas aus dem Badezimmer kam.

Die Sonne war schon untergegangen, doch ihr Licht erhellte noch immer die warme Abenddämmerung und lies die dunklen Tannen des großen Gartens in saftigem Grün leuchten.

„Arcon?“, flüsterte ich leise und wartete einen Moment.

Wortlos erschien der weiße Wolf neben mir und starrte die breite Mondsichel an.

„Können wir nicht jetzt reden?“, fragte ich sanft.

„Nein, Tia. Ich weiß nicht wie du darauf reagieren wirst, außerdem ist die Zeit zu knapp um dir alles zu sagen, was ich sagen möchte... Jonas kommt“, beendete er das Gespräch und drehte seinen Kopf seitlich, um hinter sich sehen zu können.

Auch ich blickte mich um und sah Jonas mein Zimmer betreten, während er sich reckte. Arcon trabte in mein Zimmer und sprang auf mein Sofa, wo er sich gemütlich hinlegte.

„Kommst du?“, gähnte Jonas.

„Bist du etwa müde?“, meinte ich ironisch und lies mich von seinem Gähnen anstecken.

„Nein, eigentlich nicht“, seufzte er, „aber das Waschen war so langweilig...“

Ich begann zu lachen, während ich auf ihn zuging, um anschließend mit ihm die Treppe hinabzugehen.

Am Küchentisch hatten Alex und meine Mutter bereits die Pokerchips verteilt und warteten darauf, dass alle am Tisch saßen. Wir spielten die Version „Texas Holdem“ jeder bluffte ab und zu und die Gewinne gingen immer hin und her.

Es dauerte etwas mehr als 1 Stunde, bis der erste, nämlich Jonas, ‚all in’ setzte und schließlich verlor, trotz seinem Full House mit 2 Königen und 3 Fünfern. Alex bekam die gesamten Chips, da sie ein Full House mit 3 Assen und 3 Vieren hatte. Auch ich hatte nicht mehr so viele Münzen. Doch immerhin hielt ich noch bis kurz vor elf durch, ehe ich meine letzten Chipz an meinen Vater verlor.

Gähnend wünschte ich meiner Familie eine gute Nacht und stieg mit Jonas schließlich die Treppe nach oben.

„Hast du noch Lust irgendwas zu machen?“, fragte ich ihn, während ich mich müde auf mein Sofa fallen lies.

„Um ehrlich zu sein, bin ich ziemlich müde, wir haben ja morgen den ganzen Tag Zeit“, meinte er verschlafen und lies sich neben mich fallen.

„Gut, dann gehen wir ins Bett“, meinte ich, „Du kannst ja wieder bei mir im Zimmer schlafen, wie immer.“

Jonas nickte, wünschte mir eine gute Nacht, sowie schöne Träume und legte sich gähnend in mein Bett. Warum ich bei meiner Mutter im Zimmer schlief ist eine einfache Frage mit einer sehr simplen Antwort: Jonas schnarchte und das ist sehr ungünstig, wenn andere Personen leichte bis schwerere Aggressionen bekommen können, wenn sie das Schnarchgeräusch vernehmen. Und da mein Vater meistens auf dem Sofa in unserem Wohnzimmer während des Fernsehens oder Lesen einschlief, war das Doppelbett meiner Eltern groß genug für meine Mutter und mich, ohne dass wir uns im Weg lagen.

Ich konnte es kaum erwarten endlich allein zu sein und mich mit Arcon zu unterhalten und watete rasch den Flur entlang direkt auf das Schlafzimmer meiner Eltern zu. Dort kuschelte ich mich auf der hinteren Seite des Doppelbettes in die weiche Decke und Arcon, der mir nicht von der Seite gewichen war, seit ich aus der Küche ging, setzte sich seufzend neben mich.

„So Arcon, was gibt es jetzt?“, fragte ich ihn und setzte mich, eingekuschelt in die Decke, im Bett auf.

„Diese Katastrophenzeit, was glaubst du was das ist?“, fragte er mich ohne mich anzusehen.

„Eine Zeit, in der Naturkatastrophen auftauchen, das hattest du mir gesagt.“

„Das ist richtig.“

„Arcon, sag mal, ist die Katastrophenzeit vorbei?“, unterbrach ich ihn unbewusst.

„Naja, erst wenn alle Katastrophen stattgefunden haben.“

„Aber für uns ist sie doch vorbei, weil ja nur noch ein Erdbeben fehlen würde, aber die kann es bei uns ja nicht in dem katastrophalen Ausmaß geben.“

„Das dachtest du bei den Vulkanen auch.“

Schweigend nickte ich zustimmend.

„Lass mich dir ein wenig erzählen.“

Ich sah den weißen Wolf fragend an, der eben seine noch immer etwas geschwollene Pfote leckte.

Er verzog sein Gesicht schmerzvoll und sprach dann weiter, „Deine und meine Welt trennen sich durch eine Art Wand. In den letzten hundert Jahren hatte sie sich so sehr verschoben, dass das Gleichgewicht der Natur durcheinander gekommen ist. Hast du schon bemerkt, dass die meisten Winde nicht mehr, wie früher, bevor ich gekommen bin, aus Westen, sondern aus Nord-Osten kommen?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Das hängt auch mit der Katastrophenzeit zusammen und es ist jetzt diesen Sommer viel wärmer als in den letzten hundert Sommern?“

„Na ja, es ist schon heftig, dass wir seit 3 Monaten bis zu 41° im Schatten haben, tagsüber. Aber das hängt doch mit der Globalen Erwärmung zusammen?“

„Schon auch, aber dieser plötzliche, extreme Wandel hat auch was mit der Katastrophenzeit zu tun.“

„Aber sag mal, nach dem Erdbeben, falls es kommt, ist sie dann vorbei?“

„Na ja...“, seufzte Arcon, „Ein starkes Gewitter gehört auch dazu, aber... da sind wir schon bei dem Thema...“

„Was meinst du?“

„Eben die Tatsache, dass alle Naturkatastrophen da waren, wo du warst, macht mir Sorgen.“

„Aber... das ist doch die Katastrophenzeit.“

„Du hast in gewisser Weise Recht, aber dass sogar Katapstrophen gekommen sind die hier rein geographisch gar nicht möglich sind! Und dass sie es, wie es scheint, auf dich abgesehen haben, das beunruhigt mich. Diese Dans, die waren zu aktiv und zu häufig und überhaupt glaube ich, dass meine Befürchtungen wahr werden...“

„We...Welche Befürchtungen?“

„Dass du etwas Besonderes bist, dass du die Auserwählte bist, Tia.“

„Ich soll was? Warte, Warte. Du meinst, dass das so ein Prophezeihungszeug ist mit Auserwählten und so was? Dass das alles passiert, weil es nen Auserwählten gibt?“

„Wenn du es so ausdrücken willst, ja“, flüsterte Arcon zustimmend, „Ich wünschte mir auch, dass nicht du die Auserwählte bist. Denn... das Schlimmste wird erst nach dieser Katastrophenzeit kommen“

Zitternd legte ich meine Hand auf Arcons Rücken und wollte mich und ihn beruhigen. Wenn das wahr war, dann hieße das, dass die ganzen Katastrophen nur in diesem Ausmaß stattfanden, weil es einen Auserwählten gab? Weil es mich gab??

„Das letzte Mal geschah das vor nicht ganz 1000 Jahren nach eurer Zeitrechnung. Damals haben die Menschen das natürlich auch nicht mitgekriegt. Für uns Schutzgeister ist es eine Qual gewesen und das ist es noch heute. Doch so sehr es schmerzt, ich halte es für wichtig, dass du es weißt.“

Mein Herz klopfte heftig gegen meinen Brustkorb.

„Damals war der Auswählte ein Junge, nicht ganz so alt wie du, und sein Schutzgeist hatte eben seinen letzten Test geschafft. Ein anderer, sehr mächtiger, Schutzgeist verschwand urplötzlich und nur der junge Schutzgeist sah, dass er heimlich aus unserem Reich ging. Doch er wurde von unserem damaligen Hedshyn erwischt und musste zurück zu seinem Schützling, keiner hatte ihm geglaubt, denn als man die Richtung untersuchte, in der er den verschwundenen Schutzgeist gesehen hatte, fand man nichts.“

Angst, Trauer und Wut vermischten sich in Arcons Stimme zu einer leisen, rauen Stimme. Schweigend saß ich neben ihm und wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Nach 5 Jahren eurer Zeitrechnung“, fuhr er fort, „trat die erste Katastrophenzeit dieses Ausmaßes aus... Es war ... wie bei dir bis jetzt: Alle Katastrophen... geschahen dort, wo der Junge, Kai war sein Name, mit seinem Schutzgeist war. Er war knapp mit dem Leben davon gekommen, doch nur dank seinem Schutzgeist. Die Dans waren ebenso aggressiv und sein Schutzgeist hatte große Mühe den Jungen zu schützen.“

Arcon machte eine lange, unangenehme Pause, dann blickte er das erste Mal seit Beginn dieses Gesprächs in meine braunen Augen. Seine himmelblauen Augen waren feucht, es schien als kämpfe er gegen Tränen, schließlich sprach er mit zitternder Stimme weiter, „Ich habe Angst, Tia... Angst, dass ich dich nicht schützen kann. Ich habe kein eigenes Element, habe meine Ausbildung nicht fertig... und... ich fürchte... das sich die Sache wiederholt. Die, die alle Schutzgeister in Angst und Schrecken versetzt hat und dies wieder tun wird.“

War es wirklich so schlimm, was damals geschah? So schlimm, dass sogar Arcon Angst davor hatte, er, wo er doch scheinbar keine Schwäche hatte, voller Mut und Ehrgeiz war. Er hatte in diesem Moment noch mehr Angst in seinen Augen als vor seinem Vater. Ich traute mich nicht zu fragen, welche Sache nach dieser letzten derartigen Katastrophenzeit geschah, hob meine Hand und versuchte Arcons zitternden Körper sanft zu beruhigen.

„Ganz ruhig Arcon, es wird schon klappen. Du bist doch so stark und ...“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

„Nein Tia, ich bin eben nicht stark, ich hab die Zeitspanne bei dem Tsunami zu spät eingeleitet und bei dem Kaeroji auf ganzer Linie versagt. Wenn es sich wirklich wiederholt und du wirklich die Auserwählte bist, dann kann ich nicht garantieren, dass es gut wird, Tia!“

Wortlos starrte ich den Wolf an, hoffte, dass er mir von sich aus erzählen würde, welche Sache es war, die den Schutzgeistern so viel Angst machte.

„Dieser Schutzgeist...“, begann er schließlich, „der zu Kai gehörte war mein Vater. Nach dieser Katastrophenzeit, verbreitete sich eine dunkle Aura im Reich der Schutzgeister. Der Schutzgeist, der 5 Jahre zuvor verschwand, tauchte wieder auf. Doch er war verändert. Zuvor war er als angesehener und tapferer Schutzgeist bekannt. Nun war er böse. Aus tiefsten Herzen böse. Er begann unser Reich zu terrorisieren. Er tötete, wie es ihm gefiel und quälte Schutzgeister seiner Wahl, ohne Grund, egal ob Jung oder Alt, stark oder schwach. Er war grausam. Den Hedshyn verbannte er in ein versiegeltes Gefängnis und ließ ihn vom höchsten Ort unseres Landes zusehen, wie Unschuldige starben, gequält wurden und wie er das ganze Land tyrannisierte. Irgendwie gelang es dem damaligen Hedshyn einen Boten zu meinem Vater zu schicken, der ihm sagte, dass der Junge, dessen Schutzgeist er sei, die Kraft habe mit ihm zusammen diesen Tyrannen zu töten. Es ist immer ein großes Risiko einen Menschen in unser Reich zu lassen, aber auf Befehl des kurz darauf gestorbenen Hedshyn sollte Kai eingelassen werden. Doch der Bote gelang nicht gleich zu meinem Vater. Der Hedden, also Der Herr der dunklen Elemente, wie er sich selbst nannte, sperrte den Boten ein. Warum er ihn nicht gleich getötet hatte... wissen wir nicht genau. Wir schätzen, dass das zu seinem Spiel gehörte. Doch es gelang dem Boten nach einem Jahr zu fliehen und überbrachte meinem Vater die Botschaft. Er machte sich gleich mit seinem Schützling auf, in unser Reich. Als der Hedden das erfuhr, dachte er zwar nicht, das ein Mensch und ein einfacher Schutzgeist ihn aufhalten könnten, doch er wollte kein Risiko eingehen und schirmte die Welt der Schutzgeister von der Welt der Menschen ab. Mein Vater hatte von derartigen Kräften keine Ahnung und wusste nicht, wie er nun seinem Volk helfen konnte. Kai half ihm zwar so gut er konnte um einen Weg zu finden das Siegel zu brechen, doch sie schafften es nicht. So starb Kai als er 85 Jahre alt war, also 75 Jahre nach der ersten Begegnung mit meinem Vater. Er, der einzige Hoffnungsträger der Schutzgeister war tot.

Und normaler Weise, wenn der Schützling eines Schutzgeistes stirbt muss der Schutzgeist in sein Reich zurück und warten, bis er wieder einen Schützling erhält. Das ging damals nicht und so hielt mein Vater selbst nach einem Menschen Ausschau, der die Seele eines Greifen in sich trägt. Mein Vater hatte Bedenken, ob es jemals wieder einen Menschen gäbe, der den Schutzgeistern helfen können, aber eine Seele, die das Lebensziel nicht erreicht hat erwacht in einem anderen Körper. Und diesen Körper musste mein Vater finden. Den neuen Körper von Kais Seele. Es dauerte 110 Jahre, bis er diesen Körper gefunden hatte. Doch der Junge, dem der Körper gehörte lebte in einem Land, in dem man Greifen nicht kannte, denn wie du weißt sind das mystische Tiere in der Welt der Menschen und auch unter den Schutzgeistern nicht sehr häufig. Erst als der Junge mit 20 Jahren in ein anderes Land ging, begann er sich für solche Mysterien zu interessieren. Und nach weiteren 5 Jahren entfachte sein inneres Feuer für den Greifen und mein Vater hatte endlich wieder einen Schützling. Natürlich war es schwer für meinen Vater dem Jungen das alles zu erklären, doch der Junge war bereit mit meinem Vater zu versuchen das Siegel zu brechen. Dessen Name war Brix. Nach weiteren 17 Jahren langem Forschen und suchen fanden die beiden einen Weg das Siegel zu brechen. Derweil hatte der Hedden in der Welt der Schutzgeister die Schutzgeister versklavt. Als mein Vater sah, was aus dem Reich geworden ist, war er fassungslos und wütend. Als er spürte, dass der Hedden zu mächtig war, verlor er innerlich schon den Mut, doch unser Reich brachte Brix mystische Kräfte und mein Vater und er schafften es schließlich den Hedden in einem langem Gefecht stark zu schwächen.“

Arcon pausierte, seine Augen schimmerten, er fuhr fort, „Doch... töten konnten sie ihn nicht. Mit letzter Kraft floh der Hedden in einen Wald. Die Schutzgeister suchten ihn überall, doch alles, was man fand war eine finstere Höhle. Da es nicht sicher war, ob der Hedden darin war oder nicht, schickte man einen Elite-Trupp von Schutzgeistern in hinein – Nur einer kam lebendig wieder heraus. Er berichtete, dass ein gewaltiges Monster darin wohne, aber vom Hedden fehle jede Spur. Brix aber war davon überzeugt, dass sich der Hedden in der Höhle befand. Doch mein Vater und die anderen Schutzgeister waren nicht seiner Meinung. In der Nacht darauf verschwand Brix spurlos, er hatte seinen Schutzgeist im Stich gelassen“

„Ist das der Grund, warum Zero-Cho nicht viel von Menschen hält?“, flüsterte ich leise, mehr zu mir als zu Arcon.

„Ja, darum verlor mein Vater fast das ganze Vertrauen in die Menschen. Viele Jahre gab es keine Spur vom Hedden und die Schutzgeister rüsteten sich zum Kampf gegen den bösartigen Schutzgeist... ich bin mir gar nicht sicher, ob man so ein Monster überhaupt noch Schutzgeist nennen kann. Ein Überraschungsangriff des Hedden folgte, er war um einiges stärker als im Gefecht zuvor und viele Schutzgeister starben. … Dazu muss man sagen, dass er alles im Alleingang durchgeführt hat“, fügte Arcon mit einem bitteren Lachen hinzu, ehe seine Stimme wieder ernst wurde, „Schließlich zogen sich die Schutzgeister in ein verlassenes Gebiet zurück. Mein Vater ging energisch voran und wollte Pläne fassen, so kam es, dass er zum neuen Hedshyn wurde, von den Schutzgeistern ausgewählt. Als der Hedden dies bemerkte, begann er seine Opfer zu wählen. Er bereitete den Schutzgeistern einen qualvollen Tod, die meinem Vater nahe standen. Dabei begann er mit meinem Bruder. Er wäre sicher noch am Leben, wenn ich damals schon gelebt hätte...“

Arcons Stimme senkte sich zitternd, eine einsame Träne glitt über sein Fell. Wortlos drückte ich ihn fest an mich. In meinem Kopf spiegelten sich die grausamen Szenen, wie sie gewesen sein könnten, doch ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

Arcons Kopf lag verkrampft in meinen Armen, er erzählte weiter, „Der Hedden tötete weitere Schutzgeister, bis es meinem Vater gelang, ihn nach mehr als 400 Jahren erbittertem Kampf und unschuldigen Opfern endlich zu besiegen. Kurz vor seinem letzten Atemzug belegte er meine Mutter mit einem Fluch: Wenn sie das nächste Mal einen Jungen zur Welt bringt, wird sie sterben! Zu dieser Zeit wurde ich schon gezeugt... und meine Geburt wurde unaufhaltsam...“

Arcon versuchte mit aller Gewalt seine Stimme zu normalisieren, wollte nicht weinen, „Die letzten Worte des Hedden waren: ‚Nach 1000 Jahren, ab dem Tag, als ich gekommen war, wird der neue Herr der dunklen Elemente sein Erbe antreten. Es wird zwei Menschen geben, die ihn stoppen können! Viel Glück bei der Suche!’ Er lachte bösartig, hüllte die Umgebung in einen Schwarzen Nebel, welcher den Erben auswählte... und wer der Erbe des Hedden ist, weiß keiner, nur der schwarze Nebel...“

Nun konnte Arcon seine Trauer nicht mehr zurück halten und vergrub seinen Kopf in meinen Armen.

„Ich bin am Tod meiner Mutter Schuld. Ich hatte nie die Chance sie kennenzulernen, denn ich habe sie getötet!“, schluchzte er wütend und traurig zu gleich.

„Das ist nicht wahr!“, wehrte ich den Schuldspruch sanft ab, „Du kannst nichts dafür!“

Arcon löste seinen Kopf von meinen Armen und sah mich mit schimmernden, großen, blutunterlaufenen Augen an.

„Du kannst am wenigstens dafür! Der Hedden is an all dem Leid Schuld, mach dich nicht so fertig, Arcon! Diesem Arsch zeigen wir deine Kraft!“

Er schloss seine Augen, und legte seinen Kopf auf meinen Arm. Dabei kraulte ich sein Ohr und hielt mit der anderen Hand eine seiner Pfoten sanft.

„Tia... hilf mir“, flüsterte er bedrückt.

„Ja, Arcon“, versprach ich eben so leise, „ich bin immer für dich da.“

Dann drückte ich ihn fest an mich, lies mich mit ihm rücklings auf das Kissen fallen und zog die Decke über uns. Er rückte sich selbst noch bequem neben mich, seine Pfoten ruhten neben mir, während sein Kopf sanft auf meinem Oberkörper lag und nur seine Schnauze unter der Bettdecke hervorlugte.

„Ich danke dir Tia“, hauchte Arcon.

Doch schlafen konnte ich noch nicht. Die Sache brachte mich schwer zu grübeln.

Mit einem Mal riss ich meine Augen weit auf, „Arcon“, hauchte ich, „Es sind doch noch nicht mal 1000 Jahre um, höchstens 700 oder 800, oder irre ich mich?“

„Du hast schon Recht... aber die Zeichen sind eindeutig, das meint mein Vater auch. Sonst hätte er mich nie jetzt schon zu dir kommen lassen. Mein Vater sagte, du hast die gleiche seltene Aura wie Brix und Kai sie hatten, eine goldene Aura.“

Seufzend lies ich meinen angespannten Kopf wieder in das Kopfkissen fallen.

„Eine goldene Aura?“

„Ja, sie steht für Reinheit und das Gute.“

„Ich mag Silber aber lieber“, lachte ich.

Arcon vergaß für einen kurzen Moment seine Trauer und lachte mit, „Sei nich so wählerisch!“

Doch kurz darauf verklang unser Lachen und die unangenehme Stimmung kehrte zurück.

„Wir schaffen das schon, Arcon“, meinte ich schließlich.

„Ich hoffe es... danke, Tia“

An diesem Abend wusste ich noch nicht ansatzweise, was alles auf mich zu kommen würde, welche Gefahren nicht nur auf mich, sondern auf alles um mich herum lauern würden. Vielleicht konnte ich noch immer nicht alles begreifen. Lächelnd wünschte ich ihm eine gute Nacht, kraulte behutsam seinen Nacken, und lauschte in der nächtlichen Ruhe unseren gleichmäßigen, ruhigen Atemzügen bis ich einschlief.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Taiya
2008-09-11T13:34:32+00:00 11.09.2008 15:34
schönes pitel^^
die dialoge sind gut geworden^^
bin gespannt wie das mit Jonas mit seinem Schutzgeist wird XDD


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