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Die Familie der Drachen

Zwölfter Teil der mehrteiligen Drachensaga
von

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Kapitel 1 bis 5

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 6 bis 10

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 11 bis 15

Chapter 11
 

Am nächsten Morgen kam Seto natürlich nur ganz extrem schwer in die Gänge. Nicht nur, dass er hundemüde war, sondern er konnte sich kaum bewegen - und wenn dann nur unter Schmerzen.

Also fragte Yugi hinter vorgehaltener Hand mal Mokuba, ob er nicht mal vorbeischauen und seinem großen Bruder ein wenig den Hintern tätscheln könnte. Seto fand das natürlich nicht ganz so erheiternd wie Mokuba, welcher sich vor Lachen am liebsten hingeschmissen hätte, wenn er seinen großen Bruder bewegungslos auf dem Bauch liegen sah, aber es half ja nichts, wenn sie heute noch weiter wollten. Schließlich sollte es heute ab nach Rom gehen, wo Seto dann seinen Yugi mit einer großen Überraschung überraschen wollte, die er ihm aber noch nicht verraten durfte.

Die Reise verlief eigentlich wie jede andere auch. Man wurde nach einem ausführlichen Frühstück zum Flughafen gekarrt, dort in den Flieger gesetzt und man musste halt sehen, wie man sich die Reisezeit vertrieb.

Eigentlich wollte jeder noch ein bisschen faulenzen nach dem anstrengenden Tag gestern, was ja an sich auch kein Problem war. Nur Noah fand mal wieder keine Ruhe und tipperte so lange auf seinem Laptop herum, bis Mokuba ihn am liebsten aus dem Flugzeugfenster geworfen hätte. **Also den Laptop - nicht Noah. ^^** Aber das interessierte herzlich wenig - Noah arbeitete einfach weiter und schob sein Häschen einfach ab. Gemein, aber was sollte es? Es blieb einfach zu viel liegen, wenn er nicht in Domino anwesend war. Joey hatte zwar auch einen Plan voll Arbeit, aber der ging das eher ruhig an und meinte, es gäbe keine Sachen, die nicht auch bis morgen Zeit hatten.

Bis es dann kurz vor der Landung in Rom richtiggehend krachte.

„Hier.“ Plötzlich stand Noah vor Joey und hielt ihm einen Packen voll bedrucktem Papier unter die Nase.

„Was ist das?“ guckte Joey zu ihm hinauf, ohne den Stapel entgegenzunehmen.

„Gewinnanalyse und -ausblick basierend auf der Verbraucherstudie von letzter Woche“ antwortete er schmucklos und knapp. „Denk dir eine Strategie für dieses Halbjahr aus.“

„Mach ich morgen“ meinte Joey, nahm den Stapel und legte ihn erst mal geflissentlich zur Seite.

„Ich brauche das aber noch heute“ antwortete Noah schon leicht gereizt.

„Das kann doch wohl noch bis morgen warten“ wiederholte Joey nur noch mal.

„Das Halbjahr hat aber schon angefangen. Wir sind viel zu spät dran dieses Mal.“

„Das ist aber nicht unsere Schuld, wenn die Verbraucherstudie erst so spät vorliegt.“

„Aber wir müssen es wieder reinholen. Also kümmere dich darum.“

„Noah, wir landen in fünf Minuten“ versuchte Joey zu beschwichtigen. „Setz dich hin, entspanne dich, trink deinen Tee aus und das hier“ wedelte er mit dem Papier „hast du spätestens morgen Mittag auf deinem Schreibtisch.“

„Ich hab aber für morgen früh eine Konferenz angesetzt, wo das besprochen wird. Ich BRAUCHE das, verdammt! Das ist dein Job, also kümmere dich gefälligst darum!“

„Warum setzt du denn für morgen früh eine Konferenz an? Bist du malle? Wir landen doch morgen früh erst wieder Zuhause und dann wird erst mal geschlafen. Schon mal was von Zeitverschiebung gehört?“

„Du kannst vielleicht schlafen, aber ich nicht! Nicht bevor ich das nicht fertig habe. Du könntest wirklich etwas mehr Verantwortungsgefühl zeigen.“ Er wurde langsam richtig sauer und das war ungewöhnlich. Noah war die ewige Grinsekatze und mit knirschenden Zähnen kannte man ihn gar nicht. Und ausgerechnet Joey bekam einen seiner ersten Wutanfälle zu spüren.

„Noah, jetzt mal echt, Mann. Wir sind schon so viele Wochen in Verzug. Da kommt es doch auf einen Tag nun auch nicht mehr an. Du solltest lieber deine Nerven schonen. Du bist viel zu abgespannt in letzter Zeit.“

„Weil du mich mit allem alleine lässt, Joey! Wie soll ich anständig arbeiten, wenn du mir die Sachen nicht rechtzeitig zulieferst? Das ist Arbeitsverweigerung was du machst!“

„Hey, jetzt streitet euch doch nicht“ versuchte Mokuba zu schlichten. „Hase, pflanz dich auf deinen Sitz. Wir landen jeden Moment.“

„Erst will das geklärt haben! Sobald wir im Hotel sind, will ich, dass Joey sich da ransetzt!“ Wäre ein Tisch da gewesen, hätte er sicher draufgehauen.

„Sobald wir im Hotel sind, werde ich erst mal duschen und meinen Baby was vorlesen. Danach kann ich mich darum kümmern, aber erst heute Abend.“

„HEUTE ABEND?! Deinem blöden Baby brauchst du heute nichts vorlesen! Kümmere dich gefälligst um ...“

„HEY!“ keifte Joey jetzt auch mal ungewohnt erzürnt zurück. „Nenn mein Baby nicht blöde! Angekommen?“

„Ja, entschuldige“ seufzte Noah und atmete mal tief durch, um wieder runterzukommen. „War nicht so gemeint.“

„Schon okay“ entschuldigte Joey, wenn auch ziemlich beleidigt. „Und das hier mache ich heute Abend. Ist das ein Deal?“

„Lass es am besten ganz. Ich mache das alleine“ beschloss er, nahm Joey den Stapel wieder ab und pflanzte sich auf seinen Sitz am anderen Ende des Fliegers, wo er diese Flasche von Arbeitskollegen nicht ertragen musste. Toll, noch mehr Arbeit, die er selbst machen durfte!

„Was sollte das denn jetzt?“ fragte Joey doch ziemlich vorwurfsvoll mehr zu sich selbst. „Seto, sag mal. Hätte ich das wirklich heute noch machen sollen?“

„Mir egal. Lass mich in Ruhe“ brummte der nur und schaute nicht mal von seinem Buch auf. Seto war heute eh schlecht drauf, nachdem der Morgen so blöde gestartet war und selbst sein kleiner Bruder ihn ausgelacht hatte.

„Sobald wir Zuhause sind, sollte Noah sich mal ein paar Tage Ruhe gönnen“ meinte Nika etwas leiser, damit er das nicht hörte. „Er ist die letzte Zeit nur noch im Stress. Das kann doch auf Dauer nicht gut sein. Und so angefressen, kennt man ihn gar nicht. Er ist total reizbar.“

„Mokuba meint auch schon, dass Noah mal Urlaub braucht. Der geht doch auf dem Zahnfleisch“ ergänzte Mokeph für ihn, denn sein Hikari hatte sich nach hinten zu Noah verpieselt, auch wenn er da sicher nicht viel ausrichten konnte.

„Noah ist ein vernünftiger Mensch“ meinte Yugi. „Er wird schon wissen, was er sich zutrauen kann. Ein paar Tage frei und er ist wieder der Alte.“

„Dann sollten diese paar Tage frei aber bald mal kommen. Sein Rumgekeife nervt ganz schön“ brummte Seto und schloss das Thema dann auch damit. Jeder durfte mal angenervt sein - auch ein Noah durfte das mal.
 

Als sie dann endlich in Rom gelandet waren, ging es aber nicht direkt weiter ins Hotel, sondern sie nahmen eine ganz andere Route. Der Rest grinste sich wissend zu, während Yugi völlig im Tal der Ahnungslosen ausharren musste. Noah kritzelte in dem Bericht rum und schrieb seine Pläne dazu heraus, während Joey stur blieb. Da waren sich die beiden eben mal anderer Meinung.

„Wo fahren wir denn hin?“ schaute Yugi dann irgendwann mal intensiv aus dem Fenster. „Ich bin ja noch nie in Rom gewesen, aber nach Hotel sieht das hier nicht aus. Lauter Leute da draußen. Gehen wir auf ein Fest?“

„Nope“ meinte Seto und schloss schnell die Gardinen der Limousine. „Konzentriere dich darauf, dass du fit bist.“

„Dass ich fit bin?“ >Bitte wie meinen?< „Wozu soll ich denn fit sein?“

„Weil du doch einen neuen Becher ge... hmmwwmm.“ (*Beta2 muss sich mal zu Wort melden: Ich glaub, ich weiß, was Seto geplant hat ^^ *giggel**) **Schön für dich. Dann lies doch und halt mal deine Klappe. Ist ja schlimm mit dir in diesem Teil.**

„Sei ruhig, Maus“ **Hah, das passt ja!** ermahnte Seto, der ihr einfach den Mund zugehalten hatte. „Du sollst doch unsere Überraschung nicht verraten.“

„Ich wollte Papa doch nur einen Tipp geben“ guckte sie ganz geknickt.

„Papa darfst du keine Tipps geben. Der ist zu clever.“

„Stimmt. Nicht so wie du“ stellte sie mit einer solchen Ernsthaftigkeit fest, dass Seto ganz stutzig wurde.

„Wieso? Soll das heißen, ich bin nicht clever?“

„Nein, du bist viel zu gutgläubig. Sagt Papa auch immer.“

„Ach, sagt er das?“ Wenn Blicke töten könnten, wäre Yugi jetzt schon drei Mal unter der Erde. DAS fand Seto nicht besonders komisch.

„Ist aus dem Zusammenhang gerissen“ lächelte Yugi ihn entschuldigend an. „Ist alles aus dem Zusammenhang gerissen, Liebling.“

„Das will ich doch hoffen.“

Da stoppte die Limousine auch schon und kurze Zeit später wurden die Türen geöffnet.

Jetzt wurde es spannend. Was würde Yugi sagen, wenn er ausstieg und sah, was Seto unbedingt von ihm wollte?

Nacheinander kramte sich jeder aus dem Sitz und stieg hinaus in die italienische Sonne, welche glücklicherweise nicht ganz so brennend war wie die ägyptische. Das waren doch gleich viel angenehmere Breitengrade.

Yugi stieg mittig aus und blickte sich erst mal erstaunt um.

Überall Leute, als wären sie auf einem Volksfest. Alle schön sommerlich gekleidet, aber es sah so aus, als hätten sich die Menschen recht gut herausgemacht. Zwar nicht ballfein, aber stadtfein allemal. Vor sich erblickte er den riesigen und steinalten Circus Maximus, in welchem schon seit ewiger langer Zeit Pferderennen ausgetragen wurden. **Dank an Raven für die Urlaubsfotos, das Kolosseum hat nämlich keinen Fußboden ...** Und ihr Wagen war der einzige, der bis hierher vorfahren durfte, denn sonst war alles für Fahrzeuge abgesperrt.

Wirklich aufschlussreich aber war das Banner, welches über den Eingangstoren gespannt war. Ganz oben fett stand die Jahreszahl und darunter in hohen Lettern ankündigend: ‚Derby Worldcup Championship’. Jetzt wusste Yugi auch, wo sie ihn hingeschleift hatten: Zur Weltmeisterschaft im Derbyreiten. Letztes Jahr hatte er den Meistertitel in London geholt und dieses Jahr fand das Turnier in Rom statt.

„Wie nett von euch“ lächelte Yugi ganz gerührt. „Ich hoffe, ihr habt eine Loge gebucht. Sonst kann man so schlecht sehen.“

„Du sollst ja auch nicht zugucken“ eröffnete Seto ihm dunkelernst. „Du sollst deinen Titel verteidigen.“

„Ähm ... was?!“

„Falsetto haben wir einfliegen lassen. Er wird sicher schon warmgeritten. Du musst dich noch umziehen. Wir sind eh spät dran. In einer halben Stunde fällt der Startschuss. Also beeile dich. Da hinten geht’s hinter die Tribünen.“

„Moment mal!“ stoppte Yugi ihn regelrecht geschockt. „Ihr wollt, dass ich reite?“

„Ja“ antwortete Seto wie selbstverständlich.

„Aber ich hab doch gesagt, ich bin nicht im Training. Ich hab nicht mal einen Rennstall. Ich bin nicht qualifiziert! So geht das nicht.“

„Doch, das geht“ meinte er nur ganz cool. „Ich hab gesagt, überlasse alles mir. Nur reiten musst du noch selbst. In deiner Kabine hängt dein neuer Dress und dein Team erwartet dich sehnsüchtig. Nur einen neuen Trainer gibt es.“

„DU HAST MEINEN TRAINER GEFEUERT?“

„Nein, ich nicht. Joey hat ihn gefeuert, weil er dich entlassen hat. Er ist doch dumm, wenn er seinen besten Mann gehen lässt.“

„Aber das war doch nicht sein Fehler! Was sollte er denn machen, wenn ich einfach nicht erscheine und meine Post nicht lese? Er hatte doch keine Wahl!“

„Er ist nicht arbeitslos, sondern trainiert in der nächsten Saison ein Team der Konkurrenz. Ist aber auch egal. Du gehst da jetzt hin und ...“

„Und gewinnst einen neuen Becher“ jubelte Nini mit fuchtelnden Armen. „Einen neuen Becher, den wir dann neben den alten stellen. Wir können Bonbons reintun.“

„Bonn bonn bonn!“ jubelte Tato gleich mit. Bonbons fand er klasse!

„Das heißt immer noch Pokal, mein Spatz“ verbesserte Papa Seto freundlich. „Also los, Yugi. Geh einen neuen Pokal gewinnen.”

„Aber ich bin nicht im Training. Und Falsetto auch nicht. Wir haben keine Chance gegen die anderen!“

„Was sind das denn für Töne?“ sprach Yami jetzt auch mal sein Machtwort. „Yugi, wirklich. Willst du ohne Kampf aufgeben? Selbst wenn du nicht gewinnst, hast du dir hinterher nichts vorzuwerfen. Nichts ist schlimmer als einen Kampf zu verlieren, der niemals stattgefunden hat. Hast du denn kein Selbstbewusstsein mehr?“

„Das ist ... ähm ... nein, heute nicht mehr. Morgen vielleicht wieder ...“

„Hab ich dir so wenig beigebracht, dass du wieder kneifst? Na los, Champ. Geh da raus und verteidige deinen Titel. Go for it. Beide Daumen nach oben!“

„Ja, Papa!“ fiel Nini in Yamis Jubeln mit ein. „BEIDE DAUMEN NACH OBEN!“

„Daume obe!“ fuchtelte auch Tato mit seinen kleinen Ärmchen in der Luft herum.

Konnte man gegen so aufgeregte Anfeuerungen noch irgendwas ablehnen?

Wenn selbst Tato beide Daumen nach oben zeigte?

„Aber ich will hinterher keine blöden Sprüche hören” ermahnte er etwas zweifelnd.

„Nicht blöder als deine Sprüche.“ Yami griff ihn an den Schultern, drehte ihn herum und schob den Armen in Richtung Tribüne. „Na los! Geh schon! Wir feuern dich auch an! Ich ziehe deinem Liebling ein Cheerleaderröckchen an und drücke ihm ein paar fesche Ponpons in die Hand!“

„Bonn bonn bonn!“

„Nein, Tato. Ponpons - nicht Bonbons.“

„Bonn bonn bonn!“

„Weder das eine noch das andere!“ schimpfte Seto dazwischen.

„Warum denn?“ grinste Yami. „Vielleicht kannst du ja für Tato noch ein paar Kammelen schmeißen? Oder bist du noch zu schwach, Ukilein?“

„Geh endlich reiten!“ schimpfte er dann mit Yugi, drückte Tato an sich, nahm Nini bei der Hand und machte sich eben alleine auf den Weg ins Stadion. Wohl weniger wegen Yugi, sondern weil Yamis Kommentar ihm jetzt einfach zu viel war. Ihn lächerlich zu machen, war die eine Sache - ihn zu demütigen eine andere.

„Ich hab’s mal wieder übertrieben, oder?“

„Du bist manchmal echt unmöglich, Atemu.“

„Super, jetzt ist Seth auch sauer“ heulte Yami, als Seth ebenso wild schnaufend seinem Hikari nach und davon stampfte. „Yugi, jetzt hast du einen Ansporn zum gewinnen. Du musst mal nicht die Welt retten, sondern nur mich.“

„Was hat denn das jetzt wieder mit mir zu tun?“ War das nicht unfair, dass immer alles an Yugi hängen blieb?

„Ganz einfach: Wenn du nicht gewinnst, wird Seto heute gar nicht mehr gut drauf kommen. Und Seth dann logischerweise auch nicht und dann bin ich der Arsch.“

„Ist ja auch deine Schuld.“

„Yugi, bitte!“ flehte er und kniete dramatisch vor ihm nieder. „Ich krieche vor dir! Bitte rette meinen Abendsex!“

„Eigentlich würde ich ja lieber die Welt retten, aber wenn gerade nichts anderes im Angebot ist.“

„Du bist ein wahrer Freund“ lächelte er, knutschte Yugi und schob ihn dann auch endlich fort, bis er zaghaft winkend zwischen den Leuten verschwand.
 

Als der Rest auch in der großen Loge Platz nehmen konnte, saß Seto da, als wären ihm zwei Läuse über die Leber gelaufen. Er würdigte die anderen nicht mal eines Blickes, so wie Seth. Seth war nur auf Yami sauer, aber Seto gleich wieder auf die ganze Welt. Er war heute eh schon mies drauf und wenn man dann auch noch einen draufsetzte ... tja, dann war mit Seto eben nicht mehr zu scherzen.

Deshalb hielt Yami jetzt auch geflissentlich die Klappe und brachte sich bei Mokuba in Sicherheit, falls Seto ihn vielleicht doch hauen wollte. Mokuba hatte eh niemanden im Arm, denn Noah war schon wieder am Telefonieren. Wenn er keinen Laptop hatte, so blieb noch immer das Handy.

Sie nahmen also alle ihre Plätze ein und Marie besaß sogar die Traute, sich direkt bei Seth auf dem Schoß zu platzieren und versuchte ihn mit ein paar Schokodrops, die Yami ihr aufgedrängt hatte, wieder gütlich zu stimmen. Wie gesagt, beschränkte sich seine Wut ja nur auf den einen.
 

Und ob man es glaubte oder nicht: Als Letztes rief der Stadionsprecher sogar Yugis Namen als Titelverteidiger auf, woraufhin der auch aus den Boxen geritten kam und der jubelnden Menge zuwinkte.

Er hatte sich also wirklich getraut. Nachdem er so lange Zeit sein Leben für wertlos und nicht lebenswert betrachtet hatte, saß er nun wieder auf dem Rücken seines wilden Hengstes. **Hopp hopp hopp, Pferdchen lauf Galopp ...** So sah er wirklich auch am Großartigsten aus und wenn man genau hinsah, konnte man sogar ein Glänzen in Setos Augen erkennen. Für ihn war Yugi einfach der schönste Mensch der Erde und des Himmels, wenn er diese eleganten Reiterklamotten trug. Nicht so wie die anderen, die alle kunterbunt die Namen ihrer Sponsoren anpriesen - Yugi war königlich elegant gekleidet und sah mehr aus wie ein Kunstreiter. Einfach edel.

Es wurde spannend, als die Reiter an der Startlinie Aufstellung nahmen und die teuren Pferde schon nervös mit den Hufen scharrten. Yugi schüttelte noch kurz dem kleinen Mann in den grün-gelb gestreiften Klamotten die Hand und klopfte seinem Fuchs auf die Seite ... war wohl ein alter Bekannter ...

Das hier war wirklich nicht zu vergleichen mit dem, was sie damals in Domino gesehen hatten. Damals war Yugi ein abgeschlagener Sieger, aber da war auch nicht die internationale Elite zusammengekommen, um sich bis aufs Blut zu bekämpfen. Hier ritt Yugi nur mit den Besten der Besten und das merkte man ihm auch an.

Als die Kamera kurz vor dem Startschuss sein Gesicht einfing, sah man ihn schwer konzentriert. Die Augen in hoffenden Gedanken versunken stur nach vorne gerichtet, die Zügel kurz und er hatte sich auch schon aus dem Sattel erhoben, um einen möglichst guten Start zu bekommen. In einer Minute würde hier alles zuende sein, aber bis dahin wurde ihm und seinem Tier alles abverlangt.

Seine Freunde drückten ihm feste die Daumen und sprangen laut johlend aus ihren Sitzen, als der Startschuss fiel.

Leider war Yugi dieses Mal nicht der Erste, der in Führung ging, sondern er ritt nur an vierter Stelle. Die anderen waren einfach mehr im Training und sie würden ihren Gegnern sicher nichts schenken.

Hindernisse gab es hier keine, denn es war ein reines Galopprennen und doch war es nicht minder spannend.

Wie windschnittig die Jockeys auf ihren Pferden dahinzufliegen schienen. So schnell, dass man den Wind an ihrer Kleidung sehen konnte und die vier Beine, die sie trugen, kaum erkennen mochte.

Yugi drückte sich so dicht es ging an seinen wild rennenden Falsetto heran und wollte dem Wind so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten. Dafür lief auch sein Hengst lang gestreckt und mit aufgerissenen Augen wie als würde es um sein Leben gehen. Er wusste, dass er seinen Reiter so schnell wie möglich ins Ziel bringen musste und legte ein Tempo zu, welches seine kräftigen Beine im Wind fliegen ließ, seinen dunkelgrauen Körper streckte und man unter dem seidigen Fell seine Muskeln arbeiten sah. **Ich hab irgendwie nie gesagt, wie Falsetto aussieht, oder? Also, er ist durchgehend dunkelgrau, weil Grau meine Lieblingsfarbe ist. ^^**

Zuerst schützte Yugi sich im Windschatten des vor ihm Reitenden und schien da auch nach vielen Metern nicht wieder herauskommen zu können. Die anderen waren einfach verdammt schnell und verdammt gut.

Ausgerechnet der Mann, dem er eben noch die Hand geschüttelt hatte, verweigerte ihm nun das Durchkommen, als er sich endlich sicher an Platz vier behauptete.

Steuerte Yugi nach links, versperrte er ihm den Weg. Ritt er nach rechts, ließ er ihn auch nicht durch. Das Hauptfeld fiel schon hinter ihnen zurück. Schien wohl ein arger Konkurrent zu sein und dass noch zwei vor ihnen waren, hatte den gelb-grünen Reiter nicht zu stören. Es war ja legitim, dass die Favoriten lange hinten blieben und erst im letzten Moment vorbeizogen. Doch Yugi konnte machen, was er wollte. Es sah so aus, als wäre er derjenige, den sein Gegner schlagen wollte. Erst musste der alte Weltmeister abgedrängt werden, bevor man sich auf Platz 1 rennen konnte. Er wusste genau, dass Yugi gefährlich war - denn wenn er den erst mal vorbeiließ, würde kein anderer noch eine Chance haben. Er spielte also auf Zeit und wollte einen Endspurt rausholen, den er mit einer Pferdelänge anführen konnte.

Das hier war wirklich nicht zu vergleichen mit dem asiatischen Rennen. Hier wurde nicht wild drauflos galoppiert, sondern besonders dieser gelb-grün gestreifte Jockey zeigte, dass hier auch viel Taktik gefordert wurde.

Es ging schon gefährlich nahe auf die Ziellinie zu, als Yugi endlich explodierte. Man konnte ihn fast bis auf die Tribüne schreien hören, als er die Zügel noch mal kürzer spannte und seinem Falsetto alles abverlangte.

Jetzt wollte er den Sieg und er würde ihn sich holen!

Er scherte gefährlich weit nach rechts aus und nahm die ungünstig lange Kurve in Kauf, die ihn einige Meter mehr laufen ließ. Jeder Taktiker wäre schockiert, denn die lange Kurve zu nehmen, bedeutete immer, einen längeren Weg als die anderen zu haben - doch Yugi wollte da jetzt sofort vorbei und keinen Zweierspurt mit dem schärfsten Gegner riskieren.

Wie der Wind persönlich zog er an seinem gelb-grünen Vordermann vorbei, der zwar noch versuchte ihm zu folgen, aber Yugis Explosion kam einfach zu kraftvoll und zu plötzlich. Da konnte er nicht mitgehen. Falsetto war einfach das schnellere Tier und auch er liebte es nicht, wenn ihm der Weg ins Ziel versperrt blieb.

Und er überholte auch dabei gleich die Nummer Zwei vor ihm, kurz bevor er den breiten Kurventeil ganz hinter sich gelassen hatte. Jetzt gab es nur noch ihn und denjenigen, der seit dem Startschuss die Gruppe anführte. Der drehte sich nur kurz um und schien Yugi einen Moment in die Augen zu blicken, aber ebenso schnell blickte er wieder nach vorne und würde seinem Kontrahenten nichts schenken.

Yugi musste ganz schön asten bei seiner langen Kurve und den Zuschauern auf der Tribune blieb fast der Atem stehen, als die beiden nach einem erbitterten Führungskampf auf die Zielgerade kamen und die Gruppe bereits einige Meter hinter sich gelassen hatten.

Sekunden der Spannung hingen in der Luft. Die Hufen donnerten auf dem festen Boden. Die Pferde und ihre Reiter waren der Erschöpfung nahe, aber gaben noch mal alles, was sie hatten. Auf den verschiedenen Leinwänden wurden Nahaufnahmen herangezoomt. Auf der einen erkannte man beide Reiter von der Seite, aber keiner der zwei hatte die Nase wesentlich vorn. Auf der anderen sah man Yugi in voller Pracht und auf der anderen den Reiter, welchen er zu bezwingen versuchte.

So dicht konnte man erkennen, wie Yugi seine Oberschenkel dicht an seinen Hengst presste und sich vor dem letzten Wind schützte.

Vielleicht war es das, was den Ausschlag geben konnte, als beide auf den ersten Blick zeitgleich über die Zielgerade gingen und keiner so richtig jubeln konnte.

Wer hatte denn jetzt gewonnen? Der Champion oder der Herausforderer?

Sofort eilten die Angestellten des Teams herbei und reichten den Reitern frische Handtücher zum Schweißtupfen und eine Flasche mit kühlen Energiedrinks.

Aber so wirklich freuen konnte sich noch keiner.

Yugi war völlig ausgelaugt, atmete wie ein Asthmatiker und saß trotzdem kerzengerade auf seinem Falsetto, um die Entscheidung abzuwarten. Nur seinen Helm nahm er ab, um sich den Schweiß aus dem Gesicht zu wischen. Seinem Gegenüber ging es genauso, denn beide wussten nicht wirklich, wer von ihnen nun als erster den Strich überquert hatte.

Vielleicht war Yugis Entscheidung gegen den gelb-grünen Sprint und für die lange Kurve doch nicht so klug gewesen ... vielleicht hatte er dabei zuviel Kraft lassen müssen.

Dann endlich die Entscheidung.

Das Zielfoto erschien auf den Leinwänden und die eingeblendete Vergleichslinie zeigte ... **Trommelwirbel** ... Falsetto hatte die Nase um ungefähr zehn Zentimeter weiter vorne.

Der alte Weltmeister war der neue Weltmeister!
 

Yugi hatte seinen Titel erfolgreich verteidigt - wenn auch um nur ein paar Zentimeter.

Seine Taktik der langen, gefährlichen Kurve war aufgegangen!

Tosender Jubel brach auf den Rängen aus und sogar die Queen erhob sich aus ihrem Ehrensitz und klatschte verhaltenen Beifall. **Her Majesty is very amused.**

Noch ehe Yugi sich so richtig freuen konnte, wurde ihm schon ein großer Strauß Blumen und der neue Pokal übergeben. Dann erst schien er richtig zu begreifen, was überhaupt Sache war und konnte sich auch dann erst richtig freuen.

Ihm stiegen doch wirklich die Tränen in die Augen und rollten in großen Tropfen herab. Er schluchzte und reckte seinen Pokal in die Höhe. Der Jubel wurde lauter und Falsetto biss lieber die Köpfe der Blumen ab, welche Yugi versehentlich herunterhängen ließ.

„MR. MUTO!“ Und schon waren sie wieder da, diese lästigen Reporter, die jeden Sportler sofort nach seiner Leistung interviewen mussten. **Ich hasse diese Reporter! Könnt ihr die armen Sportler nicht erst mal durchatmen lassen? Irgendwann werde ich dagegen mal ne Petition verfassen!**

Yugi musste sich erst mal die Tränen wegwischen, bevor er reif fürs Fernsehen war.

„Mr. Muto!“ sprach der Typ ihn noch mal an. „Congratulations for your comeback. You’ve now won your second championship. How are you feeling?”

„Great …” Mehr konnte er gar nicht sagen. Dafür war er viel zu überwältigt. Mit einem Sieg hatte er nicht gerechnet. Absolut nicht.

„What are you doing next? Will we see you attending the next autumn runnings?” Lästige Fragen über lästige Fragen. Doch Yugi lag gerade etwas ganz anderes auf der Seele.

Er griff sich einfach das Mikro dieses Typen, richtete sich auf und sah direkt hinüber zu seinen Freunden, welche in der Ehrenloge unter der klatschenden Queen saßen, während Falsetto noch immer seinen Siegerstrauß futterte. Den würde sein Reiter heute ja wohl doch nicht mehr essen wollen.

„Ich möchte meinem Yami danken, dass er mich hierzu überredet hat“ schluchzte er laut ins Mikro. „Und meinem Liebling, dass er mir das hier möglich gemacht hat, obwohl ich nicht an mich geglaubt habe. Dafür, dass er mich ermutigt, mir Kraft gibt und Halt bei allem, was wir gemeinsam in Angriff nehmen. Dafür, dass er immer wieder zu mir zurückkehrt, egal wie weit die Grenzen zwischen uns liegen. Dafür, dass er sein Leben mit mir teilt und dafür, dass er jemanden wie mich, der so unperfekt ist, liebt. Für unsere Kinder und für unsere gemeinsame Vergangenheit, unsere Gegenwart und unsere neue Zukunft, an der wir jetzt wieder gemeinsam arbeiten dürfen. Ich liebe ihn über alles und deswegen möchte ich ihn fragen ... Seto Eraseus Kaiba! Willst du mich heiraten?”
 

„...“
 

Damit hatte jetzt Seto wohl nicht gerechnet. Er stand einfach nur da und merkte gar nicht, wie Tato Mamas Finger festhielt und seine neuen Zähnchen daran frei kaute, anstatt doch lieber die Bratwurst zu nehmen, die Seto auch noch in der Hand hielt und gerade zu Nini geben wollte, die immer noch lauten Beifall für Papas Sieg klatschte.

Er schaute total entrückt zu Yugi herüber, als würde der Papst Chacha tanzen, so ungläubig. Ihm stand sogar der Mund offen und er hatte, wenn man Tadashi kannte, gerade ziemliche Ähnlichkeit mit ihm - mit diesem leicht dämlichen Gesichtsausdruck. So bekam man von Seto wenigstens nach all den Jahren mal wieder einen nie gekannten Gesichtsausdruck zu sehen. Und er sah wirklich ziemlich dämlich aus mit offenem Mund, einem Kleinkind auf dem Arm, mit einer Bratwurst und einem angekauten Finger. Und ausgerechnet das wurde dann auch noch an die großen Leinwände des Stadions projiziert.

„Seto“ stupste Seth ihn vorsichtig an. „Du musst schon was antworten, Kleiner.“

Mittlerweile guckte nämlich das ganze Stadion herüber und wartete auf eine Antwort. Der Untertext der Leinwände machte hilfreicher Weise verständlich, was Yugi da gerade gefragt hatte.

„Was?“ Aber jetzt guckte Seto erst mal Seth an und hatte seine Hilfestellung wohl auch nicht richtig mitbekommen.

„Yugi hat dir einen Antrag gemacht. Du sollest wirklich was dazu sagen.“

„Ähm ...“ Na schön, dann guckte er eben Yugi wieder an, der es kaum noch erwarten konnte, was er wohl antworten würde. „Okay“ sagte Seto tonlos, erstaunt, völlig ohne Plan. „Lass uns heiraten ... wenn du meinst ... dankeschön ...“

„Nein“ flüsterte Yugi überglücklich. „Ich danke dir ...“

(Sag mal... so was wichtiges lässt du meinen Pharao an SO einer Stelle fragen? Ich seh doch vollkommen ... bescheuert ... aus mit der Bratwurst und Co in der Hand.

-_- (Beta2)) **Ach, dann siehst du doch aus wie immer, Schwarzbrötchen. X3**
 

Später warteten sie in einer stillen Ecke des Vorplatzes, bis Yugi endlich zurückkam.

Mittlerweile lächelte Seto sogar und freute sich, dass er so einen schönen Antrag bekommen hatte. Vor allem hatte er mittlerweile die Bratwurst aus der Hand gelegt. Yugi hatte ihm vor der ganzen Welt seine Liebe gestanden und wollte ihn heiraten. Ihn! Ganz alleine nur ihn! Sie hatten ihre Hochzeit zwar schon mal geplant, aber die war ja wegen eines Todesfalles ausgefallen. Und was konnte es besser für den Start in ein neues Leben geben, als den Menschen zu heiraten, den man über alles liebte? So konnte er in seinem zweiten Leben all das tun, wozu das erste nicht mehr gereicht hatte. Und vergessen war damit auch seine schlechte Laune. So ein romantischer Antrag war doch wirklich der Himmel auf Erden!

Mokuba war gerade dabei, Nini zu erklären, was heiraten bedeutete und sie freute sich jetzt schon, als sie die Worte ‚Feier’ und ‚Torte’ hörte. Heiraten hatte also was mit Tanzen und Kuchen zu tun. Damit war es beschlossene Sache, dass sie ihren Papa jetzt auch heiraten wollte.

„Da kommt er!“ jubelte Yami und winkte Yugi kräftig zu, als der super fröhlich um die Ecke kam und noch immer ein überwältigtes Strahlen im Gesicht hatte.

„Kommt, wir lassen ihn hochleben!“ rief Joey und Yami schloss sich da zu gerne an.

Sie packten Yugi an den Beinen und warfen ihn juchzend in die Lüfte. So schwer war er ja zum Glück nicht.

„Ich hab doch gesagt, du schaffst es!“ feierte Yami.

„Ja ja! Lasst mich runter!“ lachte Yugi und wäre über etwas festen Boden unter den Füßen doch ganz glücklich.

Doch da war auch schon Seto da und nahm ihn selbst in Empfang. Somit hatte Yugi zwar noch immer keinen Boden unter den Füßen, aber in Setos Armen war es viel schöner.

„Ich bin so glücklich“ lächelte Yugi und träumte sich in seinen blauen Augen fest.

Seto wollte irgendwas sagen, aber Worte fielen ihm für seine Stimmung keine ein. Viel mehr sagte doch ein Kuss, welcher dann auch von allen Freunden beklatscht wurde. Sogar Tato klatschte in die Hände und Felicitas tat es ihm nach. Alle freuten sich, dass die beiden es jetzt noch mal richtig angingen. Seto lebte, Yugi war Weltmeister und nicht verrückt, sie würden heiraten, alle waren gesund, die Sonne schien - was könnte es Schöneres geben?

„Wollen wir feiern gehen?“ Da hatte Marie doch mal die Idee des Jahrhunderts! Wenn das hier kein Grund zum Feiern war, dann gab es niemals einen besseren.

„Ja! Feiern!“ jauchzte Nini überglücklich. „Wir gehen feiern! Mit Topfschlagen.“

„Tut es ein Eis auch?“ lächelte Mokuba.

„Ja, Eis ist auch gut. Das kann man aber nicht unter den Topf machen, weil es dann ja schmilzt.“

„Genau, schlaue Prinzessin“ lachte der Onkel und nahm die Kleine auf den Arm. Sie zogen einfach mal los in Richtung Innenstadt, wo es doch sicher ein nettes Cafe gab, wo sie diesen schönen Tag begießen konnten.

Noah verdrehte nur die Augen und schaue nervös auf die Uhr. Er hatte direkt nach Ankunft in Domino eine wichtige Konferenz. Er musste noch viel vorbereiten und jetzt wurde das alles doch relativ eng. Aber was half’s? Die anderen hätten sicher wenig Verständnis dafür. So musste er eben gleich wieder das Handy zücken und tausend Dinge umplanen ...

„Kommt ihr dann auch?“ rief Joey dann den beiden nach, die da hinten immer noch standen und aus ihrem schmatzenden Kuss schon gar nicht mehr aufwachen wollten.

Seto grummelte etwas beleidigt und wurde freundlicherweise von Yugi freigegeben. Sie mussten ihre ganz persönliche Feier dann wohl auf später verschieben ... aber aufgeschoben war ja nicht aufgehoben.
 

Etwas später hatten sie dann auch ein sehr nettes Bahnhofscafe gefunden, wo es nicht so arg voll war und sie trotzdem den interessanten Passanten nachsehen konnten. Wer hier so herumreiste, war wirklich faszinierend. An Bahnhöfen sah man ja bekanntlich die schrägsten Leute, obwohl sie selbst ja nun auch eine ziemliche schräge Truppe waren ... wenn nicht sogar die schrägsten Leute überhaupt.

„Mann, jetzt hör doch mal auf zu telefonieren“ schimpfte Mokuba, nahm Noah nach der jetzt schon vierten Ermahnung das Handy weg und drückte den Anrufer einfach weg.

„Sag mal, spinnst du?“ guckte Noah ihn an. „Das war wichtig!“

„Ich bin auch wichtig. Also lass das jetzt mal und kümmere dich mal ein bisschen um uns, ja Hase?“

„Arbeiten kannst du noch, wenn du wieder Zuhause bist“ meinte auch Tea. „Trink doch lieber mal was von deinem Kaffee, sonst ist er gleich kalt.“

„Mit kaltem Kaffee kann man weiße Flecken von schwarzen Hosen abmachen“ steuerte Nini zur Abwechslung mal einen nützlichen Haushaltstipp bei.

„Ja, das stimmt“ lachte Yugi. „Schön, dass du dir das gemerkt hast, Maus.“

„Papa hat nämlich mit Quark gekleckert und dann musste er aber schnell zur Arbeit gehen. Und dann hat Papa mit kaltem Kaffee den Fleck einfach für ihn übergemalt. Mein Papa ist der schlaueste Mann von der Welt.“

„Vonner Weld“ grinste Tato auch dazu.

„Du kümmere dich lieber um dein Eis, du Labernase“ brummte Seto und half Tato noch immer dabei, sein Eis am Stiel festzuhalten, welches er nur mit Hilfe alleine essen konnte. Aber er war ein großer Junge und wollte auch partout nicht mehr gefüttert werden. Er war jetzt in dem Alter, wo man alles (seiner Meinung nach) schon ganz alleine konnte ... Mama schien da etwas anderer Meinung, aber gut. Der kleine Drache war durchaus bereit, Kompromisse zu schließen.

„Du solltest dir schleunigst deinen neuen Pass abholen, wenn du wieder Zuhause bist“ warf Noah dann zu Seto über den Tisch. „Es hat mich einiges gekostet, dich wieder zum Leben zu erwecken, also verschlafe es nicht, ja?“

„Und du bleib mal ganz ruhig“ grummelte Seto zurück. „Du bist ja total abgestresst. Komm mal runter, Noah.“

„Ich sage nur, dass du es nicht vergessen solltest. Ohne Papiere wird nämlich auch das Heiraten etwas schwierig.“

„Ja, Heiraten“ freute Seto sich dann wieder neu. „Yugi, wann heiraten wir?“

„Weiß ich nicht. Wann hättest du denn Zeit, Großer?“ fragte er, während er an seiner Cola nippte.

„Am liebsten schon gestern. Lass uns das jetzt nicht so lange aufschieben. Nicht, dass uns wieder irgendwas dazwischenkommt.“

„Wird schon keiner tot umfallen“ zwinkerte er ihm neckend zu.

„Lass uns das so schnell wie möglich machen. Ich werde Senhor Temanez anrufen, dass er uns so schnell wie möglich traut. Und dieses Mal hat er keine Entschuldigung, uns auf die lange Bank zu schieben.“

„Was war denn das letzte Mal die Entschuldigung?“ wollte Tristan dann doch mal wissen. Hätte der Termin damals nicht so lange gedauert, wären die zwei jetzt schon ... Mann und Mann.

„Seine Mutter lag auf dem Sterbebett“ antwortete Seto. „Er wollte bei ihr sein, weil er nicht wusste, wann es mit ihr zuende ist. Ich finde, das ist ein sehr guter Grund.“

„Na ja, du lagst aber auch auf dem Sterbebett“ meinte er.

„Ich war aber nicht seine Mutter. Wenn mein Vater sterben würde, wäre es mir auch egal, ob andere Leute heiraten wollen. Ich kann ihn durchaus verstehen.“

„Und deine Mutter?“ fragte Joey ganz frei, aber doch mit gebotener Vorsicht. „Wenn mit ihr etwas wäre ... würdest du bei ihr sein?“

„Ja“ sagte er kurz und knapp. Über das Thema wollte er nicht sprechen, aber er wäre für sie da. Selbst nach Jahren gab er die Hoffnung nicht auf, dass sie beide doch irgendwann zusammenfanden. Etwas dumm vielleicht, aber Seto hing trotz allem mehr an seiner Mutter als gut für ihn war.

Nur Mokubas Blick zu urteilen, wäre er nicht bereit, für sie dazusein. Im Gegensatz zu Seto verabscheute er sie. So verschieden konnten eben zwei Kinder derselben Familie fühlen. Seto war viel mehr ein Familienmensch als sein Bruder.

„Ich verstehe nur immer noch nicht, warum ihr ausgerechnet nach Spanischem Recht heiraten wollt“ fragte Tea. „Ihr könnt doch auch nach England oder Deutschland oder Finnland oder Belgien oder ich glaube sogar nach Frankreich. Ihr seid doch eh so lange in Frankreich gewesen.“

„Ja schon, aber da ist die gesetzliche Lage anders“ erklärte Yugi. „In vielen europäischen Ländern kannst du zwar deine Partnerschaft eintragen lassen, aber damit ist noch lange nicht die rechtliche Grundlage einer Ehe gegeben. Das bedeutet, du hast vor Gericht kein Zeugnisverweigerungsrecht, du hast keine anerkannte Pflege, falls deinem Partner etwas zustößt, du bist kein automatischer Erbe im Todesfall, das Sorgerecht für die Kinder kann nur schwierig geregelt werden und so weiter. Letztlich steht nur in den Akten, dass du eine Partnerschaft hast, aber wir wollen auch die anderen Rechte und Pflichten, die zu einer Ehe dazugehören, um auch gesetzlich füreinander dazusein. Und diese legale Ehe gibt es bislang weltweit nur in Spanien, in den Niederlanden, in Belgien und in Kanada. Und da Seto gute Kontakte nach Spanien unterhält, liegt das nahe.“

„Aber das bringt euch doch nichts“ meinte Tea. „Ihr lebt doch gar nicht in Spanien und Zuhause gibt es keine gesetzliche Regelung dafür.“

„Aber wir haben die französische Staatsbürgerschaft“ erläuterte Seto. „Seit wir in Frankreich waren, sind wir auch gesetzlich dort integriert. Bei Leuten mit Geld kann man die Anerkennung einer zweiten Staatsbürgerschaft etwas beschleunigen, verstehst du?“ zwinkerte er lieb. „Und wenn wir nach Spanischem Recht heiraten, wird das in Frankreich voll anerkannt. In welchem Land wir sonst leben, ist egal. Wir können immer wieder auf das Französische und somit auf das Spanische Recht zurückgreifen. So funktioniert die EU.“ **Bitte nicht nachmachen ... hab ich mir gerade selbst zusammengereimt und das stimmt alles nur zum Teil ... wenn überhaupt!**

„Mein Bruder ist ein Schlitzohr“ grinste Mokuba. „Der findet echt jede Grauzone.“

„Irgendwie muss man ja klarkommen“ zuckte er mit den Schultern.

„Und habt ihr schon was für die Hochzeitsnacht geplant?“ schmunzelte Yami zu Seto hinüber. „Lass doch Yugi planen, dann fällt für uns auch was ab.“

„Atemu, lass es“ ermahnte Seth leise von der Seite. Er sollte Setos gute Laune lieber nicht herausfordern.

„Och, Seto scheint dir ja auch ganz verfallen zu sein, Priesterchen. Aber wer ist das nicht?“

„Yami, halt den Rand“ zischte nun auch Seto hinüber.

„Warum denn? Mir hat die letzte Nacht viel Spaß gemacht. Aber ich war ja auch nicht so fertig wie du. Eigentlich war außer dir niemand so richtig fertig. Aber so willig wie du warst ...“

„Es reicht jetzt.“ Oh oh, Seto zählte ihn an und das sollte Yami eigentlich zu denken geben.

„Komm schon, Seto. Gib doch zu, dass du es auch geil fandst.“

„Papa, was ist denn geil?“ guckte Nini ihn interessiert an.

„Nichts. Er redet Stuss“ wehrte Seto sie ab.

„Ja, das war nichts für Kinderaugen. Und für die Ohren. Hach, traumhaft. Du hast so gut ausgesehen und dich so klasse angehört. So ein passionierter Uke hat eben seine ganz eigene, unterwürfige Erotik.“

„Papa, was ist denn Uke?“

„VERDAMMT! HÖR ENDLICH AUF DAMIT!“ Eigentlich hätte er Setos Geduldsfaden reißen hören müssen. Das war eben das Problem, welches Seto und er ständig hatten. Yami drückte es gerne aus, wenn ihm etwas gefiel und Seto behielt das lieber für sich. Diese zwei Einstellungen passten einfach nicht zusammen.

„Ist ja gut. Ganz ruhig.“ Super, Yami. Das hast du ja früh mitbekommen. „Ich entschuldige mich, okay? Ich muss ja nicht jedem auf die Nase binden, welche Position du bevorzugst. Eigentlich weiß das ja auch jeder. Sorry, tut mir leid. Kann ich’s wieder gutmachen?“

„NEIN!“ Okay, Seto war auf hundertachtzig. „Es reicht mir! Denkst du, ich bin eine Witzfigur? Musst du dich immer über mich lustig machen? STÄNDIG!!!“

„Ich wollte mich nicht lustig machen. Wirklich nicht. Das war ganz lieb gemeint.“

„Dein Liebgemeint kannst du dir an den Hut stecken! Warum hackst du immer auf mir rum? Kannst du nicht EIN MAL was für dich behalten?“

„Ich hab gesagt, es tut mir leid. Reg dich ab, okay?“

„NEIN! DIESES MAL NICHT! ES REICHT MIR ENDGÜLTIG!“

„Schrei nicht so“ bat Yugi ihn leiser und wollte ihn am liebsten wieder auf den Stuhl herunterziehen. „Liebling, setz dich wieder. Er hat es nicht böse gemeint.“

„Ich weiß auch, dass du keine hohe Meinung von mir hast“ schmiss Seto ihm noch immer böse, aber mittlerweile auch traurig an den Kopf.

„Doch! Seto, ich habe eine SEHR hohe Meinung von dir. Tut mir leid, wenn ich dir das nicht oft genug sage, aber ...“

„Nein, du gibst mir immer nur zu verstehen, dass du Spaß daran hast, mich lächerlich zu machen. Ist es so komisch? Am liebsten würde ich dir dein dämliches Grinsen aus dem Gesicht schlagen!“

„Wir sind zu vernünftig, um uns noch zu prügeln“ meinte Yami ganz cool. „Wenn du dich abreagieren willst, such dir was anderes.“

„Wenn mir was anderes einfallen würde, würde ich dich sofort fertig machen! Nur damit du mal siehst, dass ich keine Lachnummer bin, nur weil ich gerne passiv bin. Ich bin nicht deine Zielscheibe, verdammt! Ich mache dich in jeder Disziplin so fertig, dass du nie wieder über mich lästern kannst. Damit dir endlich dein dummes Gerede vergeht! ICH MACH DICH FERTIG!“

„Seto, jetzt bleib mal cool.“ Jetzt musste Seth seinen Pharao doch mal in Schutz nehmen. „Sicher ist es nicht in Ordnung, wenn er so redet, aber deshalb brauchst du ihm nicht gleich zu drohen.“

„Wenn du deine Wut an mir ablassen willst, dann tu das bitte“ bat Yami mit einer unvergleichlichen Ruhe. „Du hast ja Recht, aber du weißt, dass Schläge keine Lösung sind. Gerade du solltest das wissen. Also, was ist? Duellieren wir uns?“

Tja, das hatte Yami ja elegant gelöst. Damit hatte er Seto ziemlich den Wind aus den Segeln genommen und nachdem der Drache so weit das Maul aufgerissen hatte, wäre ein Rückzug jetzt noch peinlicher. Denn dann war er wirklich eine Lachnummer. Erst drohen und dann fliehen ... nein, so etwas tat kein stolzer Mensch wie er und was geschah? Seto fiel in ein uraltes Muster zurück - Verteidigung durch Angriff.

Seine Augen wurden kalt, seine Miene versteinerte sich. „Ich werde dir zeigen, wer von uns die Lachnummer ist.“

Wow, das versprach spannend zu werden. Nach Jahren nahm Seto eine Herausforderung an. Er musste sich seiner Sache ja ziemlich sicher sein, wenn er sich sogar so einen harten Brocken wie Yami zutraute. Aber er war fest entschlossen, ihm zu beweisen, dass er gefälligst etwas mehr Respekt zu haben hatte.

„Ganz wie du meinst“ erwiderte der völlig ruhig. „Hast du ein Deck?“

Seto trug sein Deck immer bei sich ... weniger als Waffe, sondern mehr als Glücksbringer, seit er es von Opa bekommen hatte, aber er hatte es dabei. Er brauchte es nur aus seiner Gesäßtasche zu ziehen wie andere Leute ihren Geldbeutel.

„Sehr schön. Und ne Table-Arena hab ich auch“ ergänzte Yami und hatte natürlich nicht nur sein Deck, sondern auch die kleinen Kontakte bei sich, welche als mobile Kampfarena jederzeit einsetzbar waren. Noah hatte Setos Table-Arena so weit weiterentwickelt, dass der Prototyp mittlerweile so klein wie ein MP3-Player war. Leider zu teuer, um in den Handel zu kommen, aber da Yami das Testobjekt unbedingt behalten wollte, hatte er ja nun gut daran getan. **Ja ja, so schnell spinnt die olle masu sich mal eben ne Kampfszene zusammen. @__@**
 

Seto antwortete nicht weiter, sondern sie nahmen sich einfach etwas Platz vor dem Cafe, wo sie bequem einige Meter voneinander entfernt stehen konnten.

Sie hielten ihre Decks nur kurz in den Laser, damit die Karten eingelesen und gemischt wurden ... und waren dann auch schon bereit, ihren Streit wie vernünftige Menschen auszutragen.

„Ich will’s ja nicht beschwören“ meinte Joey ganz leise zu den anderen. „Mich hat Seto ja immer geschlagen, aber übernimmt er sich da nicht etwas?“

„Er übernimmt sich total“ antwortete Yugi noch leiser, um Seto nicht den Mut zu nehmen. „Aber wenn er meint, er muss Yami mal zeigen, dass er keine Lachnummer ist, sollte man ihn nicht stoppen. Das demütigt ihn noch mehr, wenn man ihn bevormundet.“

„Warum tickt er denn nur so aus?“ fragte Tea. „Er ist doch sonst nicht so dermaßen reizbar.“

„Seine Seele macht im Moment so ziemlich, was sie will“ erklärte Seth knapp. „Aber lasst ihn nur. Vielleicht bringt ihn das ja weiter. Atemu wird schon wissen, was er tut.“

„Manchmal zweifle ich daran“ musste Narla zugeben und fand leise Bestätigung im Kopfnicken der anderen. Natürlich war Yamis zweideutiges Reden etwas ungehörig, aber Seto ließ das ganze ja auch mutwillig eskalieren. Mal sehen, wie es ausging.
 

„Der Jüngere fängt an“ lächelte Yami ihn fast provokativ freundlich an. „Du darfst beginnen, Seto.“

„Deine arrogante Art kannst du dir sparen“ zischte er wütend zurück. Mit dem war heute nicht gut Kirschenessen.

„Na gut“ seufzte Yami dramatisch geschlagen. „Fang ich eben an. Wenn’s dir so wichtig ist. Also ... mal sehen ...“ Er schaute sich seine kleinen Karten an, welche als digitales Abbild vor ihm schwebten und tippte dann der Reihe nach, „zwei Karten verdeckt und die Palastratte in der Verteidigung. Du darfst.“

Er legte also seine Karten, zwei verdeckt in den Hintergrund und auf dem Spielfeld erschien eine ziemlich dicke, braune Ratte, welche aber eigentlich ein ganz süßes Kopftuch wie ein Palastdiener trug. Mit ihrem langen Zähnen sah sie zwar gefährlich aus, aber ihre kleinen Knopfaugen relativierten das wieder. Kein starkes Monster, aber gut für eine klassische Eröffnung.

„Ich spiele den Schneesturm sofort und entferne alle deine verdeckten Karten“ erwiderte Seto ohne noch eine Pause zu lassen, bevor Yami seine Karten noch ganz auf dem Feld abgelegt hatte und schon tobte ein gewaltiger Schneesturm mit real spürbar kaltem Wind und schneidend weißen Eiskristallen über das Feld und ließ ein etwas schutzlos erfrorenes Rattentier bibbernd auf Yamis Seite zurück. Und seine verdeckten zwei Karten gehörten jetzt auch der Geschichte an. Das war doch mal ein guter Auftakt, welcher sofort zeigte, dass Seto echt angefressen war. „Dann spiele ich den weißen Tiger, setze eine Karte verdeckt und beende meinen Zug.“ Er verschränkte abwartend die Arme vor der Brust als auf dem noch leicht schneebedeckten Kampffeld eine riesige Raubkatze erschien. Viel größer als ein herkömmlicher Tiger und mit einer so dick schwarzen Zeichnung, dass er aussah wie geschminkt. Vor seinen Zähnen und den ausgefahrenen Krallen sollte man sich in Acht nehmen. Besonders Yamis Palastratte würde gegen so ein viel stärkeres Monster schlecht aussehen.

„Wow, du hast echt nichts verlernt“ lächelte Yami doch hin und weg. Er mochte es, wenn sein Gegner es ihm nicht leicht machte und obwohl er zuversichtlich auf einen Sieg hoffte, wusste er auch, dass Seto durchaus kein leichter Gegner war. Vor allem nicht, da er sofort mitbekam, dass sein Deck wohl modifiziert worden war. Das musste er damals in Frankreich gemacht haben und dass Yugi sein Deck auch nach Setos Tod immer bei sich hatte, zahlte sich jetzt in einem spannenden Kampf für Yami aus. Er fühlte sich wie auf einer riesigen, flauschigen Glückswolke.

„Also, dann bin ich jetzt wohl wieder“ freute er sich, konnte dann aber doch wieder ein kleines Stück Ernst aufbringen, um seinen nächsten Zug zu planen. „Ich opfere meine eh halb erfrorene Palastratte und rufe dafür meinen treuen Falken aufs Feld.“ Die erfrorene Ratte sah noch immer ziemlich mitgenommen aus, besonders im Angesicht dieser riesigen Katze und vom Himmel herab stürzte sich mit einem gellenden Schrei ein schmal gewachsener Vogel mit glänzenden Krallen auf sie und nahm ihren Platz ein. Prächtig sah dieser Falke aus. Sein Gefieder nicht aus Gold, aber schön goldgelb. Sein Schnabel und seine Krallen aus wie aus hellem Holz und seine Augen so gleißend violett, dass allein die Farbe zeigte, dass alle Raubvögel von Schicksalsanbeginn dem Pharao gehörten. Ja, er könnte diesem weißen Tiger sicher sehr gefährlich werden. „Ich gebe ihm noch eine verdeckte Karte mit aufs Feld und lasse ihn deinen Tiger angreifen. Los, mein Falke! Zerreiße sein Schmusekätzchen!“

Obwohl der schöne Falke diese mächtige Raubkatze mit einem ohrenbetäubenden Schrei dem Erdboden gleichmachte, konnte Seto dafür nur ein Lächeln aufbringen. Und dass er dabei gleich 700 Lebenspunkte einbüßen musste, schien ihn auch nicht zu kratzen. Noch hatte er ja genug.

„Ich gebe meinen weißen Tiger zwar nur ungern her“ meinte er kalt. „Aber sein Tod war nicht vergebens. Denn wenn er vom Feld auf den Friedhof geschickt wird, darf ich ihn durch jedes andere, weiße Geschöpf aus meinem Deck ersetzen.“

„Oh“ lächelte Yami etwas beunruhigt. „Shit.“ Na, was er damit vorhatte, war ja nicht schwer zu erraten. Immerhin stand Seto Kaiba vor ihm.

„Du sagst es. Komm, mein weißer Drache.“ Ohne ein Opfer bringen zu müssen, erschien ein wunderschöner, riesiger, stattlicher Drache mit einem ohrenbetäubenden Brüllen auf dem Feld ... in pastellenem Rosa. Wunderbar hell wie sonnengebleichter Flieder. So rosa wie Ninis Mädchenshirt. Hübsche Farbe ...

Das ließ nicht nur Seto etwas blöd dreinschauen, sondern Yami auch ziemlich belustigt schmunzeln.

„Was hast du mit meinem Drachen gemacht?“ Das trieb ihm doch fast die Tränen in die Augen. Sein treuer weißer Drache, der stolzeste und stärkste von allen war getaucht in ein ansehnliches Babyrosa.

„Ich hab ihn wohl zu heiß durch die Buntwäsche gejagt“ lachte der gemeine Pharao, welcher die Farbe eigentlich ganz nett fand. „Nein, es ist ganz einfach. Ich habe meine verdeckte Karte gespielt. Rosarote Brille - sieht mein Falke nicht süß aus damit?“ Schreck lass nach. Yamis schöner Falke hatte eine herzförmige, rosane Brille auf dem Schnabel. Wie ein Vogel auf Liebesurlaub. Eine dieser Brillen, welche man hier an jedem Straßenstand kaufen konnte, die aber als billiger Kitsch nur schwer Abnehmer fanden. Und dann auch noch ausgerechnet in einem so königlichen Falken! „Er mag deinen Drachen jetzt sehr sehr sehr gern und weil er seinem neuen Schatz so viel Liebe entgegenbringt, kann der nicht angreifen. Denn wer tut schon jemandem weh, der verliebt ist und ihn durch eine rosarote Brille sieht? Ich würde sagen, dein Drache ist so herzlos doch wohl nicht.“

„Das kriegst du zurück“ giftete er. Das gefiel ihm ganz und gar nicht, dass sein Gegner so alberne Tricks gebrauchte und seinen Drachen rosa färbte. Doch das war typisch Yami. Der hatte keine Probleme mit rosa Drachen und mit albern aussehenden Vögeln.

„Gut, dann bin ich wohl wieder dran, Seto.“ Er zog eine Karte und überlegte kurz als sie vor ihm emporschwebte. „Schön, ich weiß. Ich spiele diese Karte hier. Zwangsaufforderung“ kündigte er an und tippte auf die ausgewählte Karte. „Mein verliebter Falke möchte deinen Drachen gern zum Tanzen auffordern.“

„Das ist nicht dein Ernst.“

„OH DOCH! Du weißt doch, dass die beiden sich lieb haben. Also los, mein Falke! Fordere den rosa Drachen zum Tanz auf!“ Der Falke gluckste liebt und erhob sich in die Lüfte ... und der Drache natürlich gleich hinterher. Es ertönte eine beschwingte kleine Walzermelodie und die beiden drehten sich glücklich umeinander. Wie in einer riesigen Spirale, wie bei einem echten Walzertanz in der Luft. Nur eben mit dem unschönen Nebeneffekt, dass seinem Drachen ganz schwindelig wurde, er ins Trudeln geriet und am Himmel verschwand.

„So, weg isser“ lächelte Yami, während sein Falke unbeschadet wieder am Boden landete und seinem Drachenschatzi etwas geknickt nachsah. „Aber keine Angst. In drei Zügen ist er wieder da. Er muss sich nur eben ausschwindeln.“

„Du machst meinen Drachen nicht lächerlich“ murmelte Seto wütend. Ihm ging das alles hier gehörig auf den Senkel. Vielleicht hätte er doch auf eine Klopperei bestehen sollen.

„Du darfst jetzt, Süßer. Zeig, was du hast.“

„Worauf du Gift nehmen kannst!“ Und diese Drohung schien durchaus ernst gesprochen zu sein. Denn er überlegte nicht lang und wählte sofort eine Karte aus, welche er sich anders als Yami lieber seitlich anordnen ließ. „Ich setze den Untergang der Verbindung. Das bedeutet, dass alle Karten, welche unter Einfluss eines Zaubers oder einer Falle im Spiel stehen, sofort auf dem Friedhof landen. Und da nur dein lächerlicher Falke im Moment im Spiel ist, fliegt er sofort ins Grab. Goodbye.“

„Och, du bist fies“ schmollte Yami, als sein Falke im Erdboden versank und einfach fort war. Wie gemein. Da tat sich einfach die Erde auf und verschluckte den verliebten Vogel mit seiner modischen Brille. „Na ja, wenigstens gilt meine Tanzaufforderung noch und dein Drache muss noch zwei Züge wegbleiben.“ Wenn das doch wenigstens ein kleiner Trost war.

„Ich bin noch nicht fertig. Ich spiele das Erbe der Eiszeit und beende meinen Zug.“

Auf dem Feld erschien auf Setos Seite ein riesiger Eisblock wie eine Reliquie aus vergangenen Zeiten. Ein wenig Quadratisch, aber mit abgestoßenen Kanten, als würde er schon Jahrtausende alt sein. Als hätte er schon ewig an einem der Pole geschlafen und wartete nur darauf, hier hergeholt zu werden, um seinem Eisprinzen zu dienen. Irgendwas war in diesem Eisblock eingeschlossen und Yami wollte eigentlich gar nicht wissen, was es war. Aber er fragte trotzdem.

„Was ist da drin in dem Eis?“

„Geht dich jetzt nichts an. Warte noch drei Züge bis es geschmolzen ist und du wirst dir wünschen, du hättest nicht gefragt.“

„War ja klar, dass du mir nichts verrätst. Du bist ein Spielverderber, Seto.“

„Solange ich nur dein Spiel verderbe, ist doch alles prima.“

„Ja ja, schon verstanden“ seufzte er. Mit Seto würde er heute keinen Flachs mehr machen können. Dabei würde er ihn gern ein wenig auflockern. Warum konnte Seto es nicht auch ein wenig genießen? Mit Seth zu spielen war zwar nicht minder schwer, aber wesentlich lustiger. „Also, dann ziehe ich und mal gucken ... ja, ganz prima. Also, pass auf jetzt. Ich spiele meine Doppelklaue im Angriffsmodus und gebe sie meinem Palastsoldaten.“ Er wählte aus dem Hologramm, welches nur er sehen konnte, seine Karte aus und auf dem Feld erschien ein alter, ägyptischer Soldat mit zwei Handschuhen, welche aussahen wie zwei Wolfskrallen, die er einem Raubtier abgenommen haben musste. Sehr stattlich anzusehen, dieser alte Krieger. Trotz seines ägyptischen Röckchens, welches aber gut seine braungebrannten, kräftigen Beine herzeigte. „Und er greift dich an“ lächelte Yami und schon stürmte der Krallensoldat auf Seto los und würde ihm nach Rechnung genau 2400 Lebenspunkte abziehen, aber das war Seto dann wohl eindeutig zu viel.

„Das kannst du dir sparen“ rief er laut. „Ich decke eine meiner verdeckten Karten auf. Der Schutz des Pharaos.“

Sofort machte der bekrallte Soldat halt und konnte nicht durch den goldenen Schimmerstrahl gehen, welcher Setos gesamte Feldseite in ein warmes Licht tauchte. Wie flüssiges, nebliges Gold hing es in der Luft und schützte mit seinem Zauber die Feldseite seines Besitzers. Hüllte ihn liebevoll in seinen Schutz.

„Krass, du hast so eine Karte?“ staunte Yami. Doch ... so etwas hatte er jetzt nicht erwartet ... dass Seto eine so mächtige Karte besaß. „Wo hast du die denn her?“

„Die hat Yugi mir zu Weihnachten geschenkt“ lächelte er gehässig. Er wusste, dass er damit einen riesig großen Vorteil erzielte. „Mit dieser Karte bin ich auf meiner Feldseite dauerhaft geschützt vor allen Monstern, Fallen und Zaubern und allen Karten, welche damit in Verbindung stehen. Gib lieber auf, denn daran kommst du nicht vorbei.“

„Tja, wenn du unter Yugis Schutz stehst, ist das in der Tat sehr schwierig“ überlegte Yami. „Aber macht nichts, ich werde das schon irgendwie schaffen.“

„Oh, ich bin noch nicht fertig mit dir. Ich habe noch die schöne Zauberkarte der fehlerhaften Erinnerung. Dein Soldat versucht sich daran zu erinnern, was er machen wollte, aber leider ist er etwas verwirrt und erinnert sich falsch. Deshalb wird er jetzt leider zurücklaufen und dich angreifen. Verabschiede dich von 2400 Lebenspunkten.“

Gesagt, getan. Die Karte leuchtete auf und verpasste dem ägyptischen Kämpfer einen kleinen Klapps auf den Hinterkopf, bevor sie verschwand. Der Soldat blickte sich um und lief postwendend zu seinem Herrn zurück, um ihm mit einem gemeinen Kratzer ziemlich viele Punkte aus dem Rippen zu schneiden.

„Ich kann ein Pech haben. Schöner Scheiß. Ich hatte noch ne Karte in Kombi“ bedauerte Yami, denn dieser Spielzug ging für ihn ziemlich in die Hose.

Als nächstes aktivierte sich automatisch die Karte, welche Yami noch in der Hand hatte und sein Soldat trug mit einem Mal ein paar wunderschöne Fellschuhe mit netter Stahlspitze. Und weil er noch immer verwirrt war, trat er Yami damit und erleichterte ihn damit noch mal um 1000 Lebenspunkte. Da hatte er wohl zu schnell gedacht und nicht lang genug abgewartet.

„So, machen wir doch mal eine Bestandsaufnahme“ grinste Seto siegessicher. „Du hast auf dem Feld nur einen schwer bewaffneten, aber verwirrten Soldaten, der dich fertig macht, sobald du ihn einsetzt. Du hast keine Karten auf der Hand, keine verdeckt und nur noch 600 Lebenspunkte. Ich habe noch 3300 Lebenspunkte und noch zwei sehr schöne Karten in der Hand. Außerdem kehrt im nächsten Zug mein Drache zu mir zurück, für den dein Falke und seine alberne Brille Geschichte sind. Noch zwei Züge und mein Erbe der Eiszeit wird aufgetaut sein und du kannst meinen Schutzbann nicht durchbrechen. Ich würde sagen, du solltest in Ehren aufgeben.“

„Warum sagst du so gemeine Sachen?“ lächelte er nicht weniger mutig. „Ich bin am Zug und habe immer noch eine Chance. Außerdem freue ich mich, dass du nichts von deiner alten Bissigkeit eingebüßt hast.“

Es sah verdammt eng für ihn aus und Seto brauchte sicher nur noch ein oder zwei Züge, bis Yami Geschichte war. Aber so leicht würde er es ihm nicht machen. Der alte Pharao war schon aus ganz anderen Sachen wieder rausgekommen und so sicher auch aus dieser. Er durfte nur nicht die Hoffnung und den Glauben an sich selbst verlieren. **Ja ja, Herz der Karten und so weiter bla bla bla ...**

Er zog eine Karte, blickte sie an und es legte sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Ich liebe diese Karte“ freute er sich leise für sich selbst, auch wenn Seto gute Ohren hatte. „Ich aktiviere die besondere Fähigkeit meines Soldaten. Wenn er Krallen und Schuhe trägt, kann er nicht nur kämpfen, sondern auch denken. Da er aber verwirrt ist, muss er wohl raten. Und da du ihn verwirrt hast, musst du für ihn raten. Verstanden so weit?“

Seto hatte das natürlich verstanden, aber er hielt das einer Antwort nicht für würdig. Sollte Yami mal endlich weiterspielen, damit er selbst endlich zu seinem verdienten Sieg gelangte.

„Also, ich halte hier eine frische Karte in der Hand“ zeigte Yami auf die Karte, welche für Seto verdeckt vor ihm schwebte. „Du musst raten: Ist es ein Monster, eine Falle oder ein Zauber? Liegst du falsch, darf ich sie rufen. Liegst du richtig, bekomme ich 1000 Lebenspunkte abgezogen.“

„Ich hab bessere Ohren als du denkst“ grinste Seto. „Wenn du diese Karte liebst, ist es nicht schwer. Es ist der Schwarze Magier.“

„Du bist nicht der Einzige, der Karten geschenkt bekommt“ lächelte Yami. Es gab ja schließlich noch mehr Karten, welche er schätzte und dass Seto auf diesen Trick reinfallen würde, war nicht schwer zu erraten. „Wir haben uns zu lange nicht duelliert, denn sonst wüsstest du, welche Karte mich so zum Lächeln bringt. Es ist kein Monster. Auf der Hand und nun auf meinem Feld liegt ...“ strahlte er und senkte anerkennend seine Stimme vor dieser geliebten Karte, „die Umarmung des Feuers.“

Er legte sie auf das Feld und es entbrannte eine Feuersbrunst, welche man am eigenen Leibe spüren konnte. Viel heißer als Setos Eissturm kalt gewesen war. Die Flammen schlugen hoch und züngelten sich bis in den Himmel. Sein Gegner blieb zwar davon durch seinen Pharaonenschutz unberührt, aber Yami gab das wieder immensen Auftrieb.

Als der Feuersturm abklang, leuchtete vor Yamis Füßen noch ein flacher Ring von roter Glut. Das letzte Überbleibsel einer gewaltigen Feuersbrunst.

„Ich liebe die Umarmung des Feuers“ lächelte Yami verträumt. „Sie bringt mir nicht nur sieben neue Karten auf die Hand, sondern puscht meine Lebenspunkte auf 7777 auf. Außerdem hat sie noch besonders schöne Effekte. Die überbleibende Glut sorgt dafür, dass ich jedes Monster bis zu sieben an der Zahl sofort rufen und damit angreifen kann, auch ohne ein Opfer zu bringen. Außerdem verhindert sie, dass ich von Monstern angegriffen werde, welche weniger als sieben Züge im Spiel sind. Weißt du, welcher Feuerteufel die Sieben zur Lieblingszahl hat?“

Darauf brauchte Seto gar nicht antworten, denn das wussten sie alle. Yami hatte diese Karte von Seth bekommen und die Umarmung des Feuers war fast so mächtig wie der Schutz des Pharaos. Zwar nur fast, aber es reichte schon nahe heran. Die Karten, welche in Liebe gegeben wurden, hatten immer einen ganz besonderen Zauber für den beschenkten Geliebten.

„Ich setze noch vier Karten verdeckt aufs Feld und gebe dann gern an dich weiter, Seto. Zeig mal, wie du die Liebe meines Feuers brechen willst.“

Doch der hatte sich seine anfängliche Erschrockenheit schnell aus dem Gesicht gezwungen und würde sich niemals einer Schwäche anklagen lassen.

„Zuerst mal bekomme ich meinen weißen Drachen zurück, denn deine Zwangsaufforderung verliert in diesem Zug ihre Wirkung“ befahl Seto und sein geliebter Drache kehrte sofort an seine Seite zurück. Und glücklicherweise war er nun auch nicht mehr rosa, sondern wunderschön weiß, wie es sich gehörte. Der war wohl auch ganz froh darüber, als er sich bei seinem Herrn mit einem ehrerbietigen Kopfnicken zurückmeldete und Yami dann einen mehr als erbosten Schrei ins Gesicht blies. „Und damit er nicht so einsam ist, lege ich eine ebenfalls sehr mächtige Karte aufs Feld“ schmunzelte er stolz auf sein Spiel. „Wenn ich 2000 Lebenspunkte opfere, was ich natürlich gerne tue, darf ich das hier spielen: EINHEIT DES DRACHENVOLKES!“

Und dafür hatte sich der hohe Preis an Lebenspunkten wirklich gelohnt. Denn die Einheit des Drachenvolkes rief ihm einen zusätzlichen Weißen aufs Feld, aber damit noch mehr. „Hiermit wird mir erlaubt, dass ich bis zu fünf Drachen aus meiner Hand oder meinem Deck direkt aufs Feld rufen kann. Ich habe jetzt nicht nur meine zwei geliebten Weißen auf dem Feld, sondern auch den stattlichen Silberdrachen, den roten Phantomdrachen, meinen Altardrachen und den stolzen Polardrachen.“ Bei seiner stolzen Aufzählung füllte sich das Schlachtfeld nach und nach mit den mächtigsten Drachen, welche sein Deck zu bieten hatte.

Allen voran die mächtigen Weißen, welche sich von ihren stattlichen Artgenossen den Rücken stärken ließen. Von dem riesigen Silberdrachen, welcher so hoch war, dass er stolz über allen anderen sein Haupt erhob und hell brüllend mit den Flügeln schlug, bevor er drohend seinen Kopf senkte. Nach ihm der rote Phantomdrache, welcher über seiner weinroten Haut wie von einem durchsichtigen Tuch bedeckt schien. Er hatte keine Flügel, aber dafür einen sehr kleinen, schmalen Körper und sicher eine Menge fiese Tricks auf Lager. Und ganz rechts in der Reihe, einen dicken, behäbigen Altardrachen in moosigem Grün. Ein Drache, welcher für den Angriff weniger geeignet war, aber in der Verteidigung ein muss. An so einer dicken, altbärtigen Eminenz kam sicher nur schwer jemand heran.

Eine ganze Armada der mächtigsten Drachen, welche ihr Meister mit der Einheit des Drachenvolkes da unter sich vereinigt hatte.

„Was für ein Schwein, dass du nur noch zwei Weiße hast“ seufzte Yami erleichtert und legte sich die Hand aufs pochende Herz. Denn zwei davon hatte Seth im Deck. Somit blieb ihm Setos gefürchteter Ultradrache erspart. Das wäre wirklich ein Alptraum gewesen, auch wenn ihn diese anderen drei Drachen auch durchaus beeindruckten. Nur war allein jeder Weiße schon die Krönung ihrer Rasse.

„Ich mache dich auch mit zweien fertig“ beruhigte Seto, der sich seines Sieges jetzt schon gewiss war.

„Aber du darfst jetzt noch nicht angreifen“ erinnerte Yami ihn. „Deine Drachen sind alle weniger als sieben Züge im Spiel.“

„Meine Drachen schon, aber ich doch nicht. Ich bin kein Monster und darf dich jederzeit angreifen“ grinste Seto. „Ich habe hier noch eine schöne Zauberkarte, die sich das heilige Drachenopfer nennt.“

„Das hört sich nicht gut an?“ fragte Yami jetzt doch mit etwas weichen Knien. Wenn der Name Programm war, hatte Seto jede Menge Drachen, die er opfern konnte.

„Zumindest nicht für dich“ bestätigte er. „Ich opfere meine Drachen für mich selbst und damit gehen alle ihre Angriffspunkte auf meine Lebenspunkte über. Wenn ich meine Punkte und all die meiner Drachen zusammenrechne, komme ich auf 9750. Korrekt?“

„Ich glaube schon ...“

„Und mit diesen Punkten greife ICH dich nun direkt und ungeschützt an und dazu nutze ich meine letzte Zauberkarte. Und zwar diese hier: Eisdiamanten.“

Vom Himmel regnete es unzählbar viele Eiskristalle herab, welche schlussendlich wie ein Fluch über dem gesamten Spielfeld hingen. Wie ein Nebel aus dichtem Eis, wobei jede Schneeflocke ein kleiner Diamant für sich war und das warme Sonnenlicht mit Myriaden kalter Regenbogen mischten und die Luft mit ihrer eisigen Ruhe füllten. Es kehrte unheimliche Stille ein und es war eine Wohltat fürs Auge, als sich die funkelnden Diamanten mit dem goldenen Schein des Pharaonenschutzes mischten und das warme Licht auf ihrer kalten Oberfläche millionenfach wiederspiegelten.

„Jeder Eisdiamant ist ein Lebenspunkt“ fuhr Seto bedrohlich langsam fort. „Du kannst jeden Diamanten mit einem deiner Lebenspunkte abwehren, aber wenn ich das richtig sehe, habe ich 9750 Eisdiamanten und du nur 7777 Lebenspunkte.“

„Ein wirklich genialer Zug“ nickte Yami nun doch aufrichtig anerkennend. „Seto, du bist wirklich der härteste Gegner, den ich in letzter Zeit hatte. Ich muss dir ein Kompliment machen.“

„Dein Kompliment kannst du dir in die Haare schmieren“ zischte er. „Jetzt werden wir ja sehen, wer von uns beiden die größere Lachnummer ist. Spüre die Macht meiner kalten Diamanten. LÖSCHT IHN AUS!“

Es surrte laut durch die Luft, es pfiff und die Diamanten kreischten im Fluge.

Man konnte nichts mehr sehen, so schnell ging es und als alles in einer weißen Explosion aufging, da war es eigentlich abgesegnet, dass Yami zum ersten Mal in seinem Leben fair besiegt wurde.

Doch als sich die Luft wieder klärte, sah es ganz anders aus.

Setos Lebenspunkte waren auf Null und auf Yamis Seite des Feldes stand der Schwarze Magier aufrecht und voller Stolz vor seinem Herrn.

„Was ... was soll das?“ Das fragte sich nicht nur Seto, sondern wohl auch jeder, der das hier beobachtet hatte. Wie hatte Yami sich da jetzt wieder rausgewunden?

„Du kennst doch meinen Schwarzen Magier?“ lächelte er liebevoll. „Und du weißt auch, dass er 2500 Angriffspunkte hat. Er lag verdeckt auf dem Feld und hat mich geschützt, indem er mir einfach kurz seine Angriffspunkte geliehen hat. Meine zweite verdeckte Karte, welche sich die Liebe des Magiers nennt, macht es möglich, dass seine Kraft auf meine Lebenspunkte übergeht. Weißt du, Seto, es ist doch ganz einfach und du hast es in deiner Wut so wenig gesehen, wie du meine verdeckten Karten beachtet hast. Die Differenz zwischen unseren Punkten beträgt genau 1973 und ich brauchte folglich nur 1974 Punkte, um dich abzuwehren und zu besiegen. Mein Magier gab mir also mehr als nötig. Du hast mit all deinen Eisdiamanten angegriffen und dich vollkommen aus deinem Pharaonenschutz herausgewagt. Das hättest du nicht machen dürfen, denn die Glut, welche von meiner Feuerumarmung geblieben ist, erlaubt mir, dass ich sofort ein Monster rufen und damit angreifen darf, damit war der Weg für meinen Magier frei. Du hattest also in Differenz noch 7250 Punkte und wolltest damit meine 7777 auslöschen. Du hattest also genau 528 Punkte zu wenig, um mich ganz auszulöschen und hast somit verloren. Rechnen kann ich nämlich auch ein bisschen. Ich bin nicht ganz so blond, wie ich aussehe.“

Tja, wenn das jetzt keine Überraschung war. Fast die ganze Zeit über hatte Seto das Duell dominiert und schlussendlich konnte er den Pharao nun doch nicht in die Knie zwingen.

Das musste selbst er einsehen, als das Spiel beendet war, sich das Schlachtfeld in Luft auflöste und die Straße zurückließ, als habe niemals etwas stattgefunden.
 

Und jetzt überkam ihn eine ziemliche Gefühlswelle. Yami hatte ihn vorgeführt, ihn bloßgestellt und ihm gezeigt, wie weit er eigentlich unter ihm stand. Seto hatte so große Töne gespuckt und stand letztlich doch wieder als der elendigste Verlierer da. Welch eine Scham und das vor allen Leuten. Er wollte Yami zeigen, wo der Hammer hing, sich Respekt verschaffen und nun? Nun stand der alte Pharao wieder als der strahlende Sieger da und hatte dem jungen Priester seine gnadenlose Unterlegenheit vor Augen geführt.

„Hey, das war wirklich großartig“ lächelte Yami und ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, um ihr Duell in Frieden zu beenden. Er blieb vor ihm stehen, schaute an ihm hinauf und reichte ihm seine versöhnende Hand. „Du bist wirklich der härteste Brocken, den ich seit langem hatte. Du stehst Seth in nichts nach. Du hast mich teilweise ganz schön ins Schwitzen gebracht“ lächelte er weiter unentwegt. „Ich würde mich sehr freuen, wenn wir das bald wiederholen könnten.“

Aber Seto war über diese ganze Situation nicht mal halb so happy. Er schlug die ausgestreckte Hand aus, drehte sich einfach um und verschwand nach ein paar großen Schritten in der vorbeifließenden Bahnhofsmenge.

„Seto!“ Yugi kannte das schon. Wenn Seto erst verschwand, war der nicht wieder aufzufinden. Also lief er ihm sofort hinterher und wollte versuchen, ihn noch irgendwie einzufangen. Weglaufen war doch keine Lösung!

„Hab ich irgendwas falsches gesagt?“ guckte Yami ahnungslos zu seinen Freunden herüber.

„In dieser Situation wäre wohl alles falsch gewesen“ seufzte Mokuba, der die Tiraden seines Bruders nur allzu gut kannte. „Also, was ist? Gehen wir ihn suchen?“
 

Sie bezahlten schnell ihre Getränke, packten die Kinder ein und machten sich auf, um den beleidigten Drachen zu suchen. Das war man ja schon fast gewohnt.

Es war unglaublich, wie groß so ein Bahnhof sein konnte, wenn man jemanden bestimmtes suchte. Eigentlich müsste man Seto mit seiner hohen Statur ja über alle Köpfe hinweg sehen können, aber der hatte einfach viel zu sehr das Talent zum Verschwinden. Nini sagte so treffend, dass er der perfekte Weihnachtswichtel wäre, denn die sah man auch nie.

Überall wurde gesucht. Auf allen Bahnsteigen, in allen Geschäften, Läden, Restaurants, auf dem Bahnhofsplatz, er wurde über die Information ausgerufen und Noah drang mit etwas Bestechungsgeld sogar in die Schaltzentrale der Überwachungsfirma ein.

Doch auch nachdem sie über eine halbe Stunde fleißig gesucht hatten, fanden sie ihn nicht. Sie sammelten zwischendurch Yugi wieder ein und trafen sich dann alle an der Stirnseite, wo die Bahnsteige zusammenliefen in der riesigen Bahnhofshalle mit sicher zwanzig Gleisen.

„Es ist doch echt verhext“ meinte Nika. „So weit kann er doch nicht gekommen sein.“

„Vielleicht ist er ja auch schon gar nicht mehr hier“ vermutete Yugi. „Hier fahren so viele Züge im Minutentakt ein und aus.“

„Ich jedenfalls kann ihn hier nicht spüren“ ergänzte Narla. „Eigentlich kann er sich vor mir nicht verstecken, aber im näheren Umkreis läuft er nicht herum.“

„HEY! SIE DA!“ rief Joey und zeigte auf einen Mann in Uniform. Der hatte eben etwas verwirrt herübergeschaut und das gab Joeys Schnüffelnase den richtigen Anstoß. „Haben Sie zufällig unseren Freund gesehen? Sie kennen sich doch bestimmt aus damit, was hier so für Sachen passieren.“

„Joey, wir sind in Italien“ verdrehte Tea die Augen als der Mann zwar näher kam, aber wohl nicht ein einziges Wort verstand.

„Ach so ... äh ja. Also, do you speak english?“

„No. No english” wehrte er mit winkenden Händen ab. In seinem Alter sprach man wohl keine Fremdsprachen. Und dass er nicht nur etwas mager war, sondern auch kurzes, aschgraues Haar und viele Falten in seinem südländischen Teint hatte, war nicht zu übersehen.

„Und French? Do you speak french?“

„Purtroppo non posso capirlo” erwiderte der Uniformierte mit einer entschuldigenden Geste zu den Bahnhofsgästen.

„Spiacenti, potreste aiutarli?” sprach dafür Noah ihn etwas routinierter an. „Stiamo cercando il nostro amico. È alto due tester, capelli marroni, occhi blu luminosi. Lo avete visto?” **Pizza Makkaroni?**

„Appena come lui?” zeigte er fragend auf Seth. „Sono sicuro. Ho visto questo uomo ottenere il treno a Lido d`Ostia. Un uomo come questo è molto notevole.”

„Lido d`Ostia …” wiederholte Noah kopfnickend. „Quando va il treno seguente a Lido d’Ostia?”

„Ogni mezz'ora“ antwortete er und wies auf den Bahnsteig Nummer Vier. „I fogli seguenti del treno in dieci minuti. Potete ottenere i biglietti a bordo.”

„Grazie per il vostro aiuto amichevole” dankte Noah und schüttelte ihm die Hand.

„Siete benvenuti. Abbia un buon viaggio” lächelte der Bahnhofsangestellte und machte sich dann auch wieder auf den Weg dorthin, wo er wohl eigentlich hinwollte.

„Und? Was hat er gesagt?“ wollte Mokuba sofort wissen.

„Er sagte, er hat gesehen, wie ein Mann, der genauso aussah wie Seth, in den Zug nach Lido d’Ostia gestiegen ist“ übersetzte Noah knapp. „Er sagte noch, dass er so große Männer nicht oft sieht und sich deswegen ganz sicher ist.“

„Dann macht Seto jetzt also ne kleine Reise durch Italien, ja?“ guckte Nika.

„Sieht ganz so aus“ seufzte Noah. „Der nächste Zug geht in zehn Minuten vom Steig Vier und Fahrkarten bekommen wir an Bord.“

„Setos zweiter Name lautet Chaos“ meinte Joey. „Würde ja sonst auch langweilig werden, oder?“
 


 

Chapter 12
 

Als sie nach einer etwa dreiviertel Stunde an der Zielstation ausstiegen, wallte ihnen sofort ein salziger Duft entgegen. Sie Sonne war angenehm warm und es lag ein leises Rauschen in der Luft.

„Meer“ strahlte Tato und wurde erwartungsfroh rot auf den Wangen. Das Wort hatte er sich noch vom letzten Strandurlaub gemerkt und schon bei Fotos von Meeren gingen seine großen, blauen Augen auf. Er liebte das Meer und noch mehr den Sand, den man dort fand.

„Ja, wir sind wohl am Meer gelandet“ bejahte Yugi die vorsichtige Feststellung seines kleinen Sohnes. „Aber wohin jetzt?“

„Da lang“ sagte Narla ruhig und nickte nach links herüber. Dort war nicht nur der Ausgang, sondern der schmale Fliesenweg führte direkt in eine schilfbewachsene Düne, wo wohl das Meer hinter lag.

„Woher willst du denn das wissen?“ guckte Joey sie an. „Er kann doch auch in die andere Richtung gegangen sein.“

„Aber dort spüre ich eine stark drakonische Kraft. Und Papa hat ihn doch auch schon vor Minuten gerochen, oder?“

„Ich bin mir nicht sicher“ antwortete er nachdenklich. „Der Geruch könnte Setos sein, aber Seto hat einen eher weichen, samtigen, tiefen Duft. Aus der Richtung riecht es ähnlich, aber irgendwie ist dieser Duft dunkel und herbe. Irgendwie rauchiger. Vielleicht liegt es aber auch nur am Salz, was in der Luft liegt.“

„Also, jetzt wird’s abgedreht“ meinte Joey. „Du suchst Seto mit der Nase? Also, ich rieche hier überhaupt nichts. Außer, dass es da hinten wohl irgendwo Pizza gibt.“

„Wenn Seto seine Energie verbirgt, kann ich ihn nicht spüren. Aber seinen Geruch, den kann er nicht verbergen“ grummelte er. Er musste ja nicht sagen, dass es seine Dracheninstinkte waren, welche hier aktiv wurden. Seine Nase war eben feiner und damit konnte er diesen gesuchten Geruch ganz genau herausfiltern. Drachenfamilien rochen sich untereinander, weil sie alle einen ähnlichen Geruch hatten. Seth würde Seto auch mit geschlossenen Augen erkennen können.

„Und du kannst ihn aufspüren?“ fragte Tristan zu Narla.

„Ich fühle, dass in einiger Entfernung etwas sehr Ursprüngliches liegt und ich habe die Farbe Weiß vor meinem inneren Auge. Ist doch sehr wahrscheinlich, dass das Seto ist, oder nicht?“

„Wie auch immer. Lasst ihn uns suchen und dann endlich nach Hause“ bat Noah und schritt einfach voran, denn wenn sie noch länger herumstanden, dann würden sie es heute zu gar nichts mehr bringen.
 

Sie liefen los und zogen sich die Schuhe aus, als sie in den weichen Sand der Dünen traten. Dass Tato selbst laufen wollte, machte die Gruppe nicht gerade schneller, denn so fix war der Kleine noch nicht auf seinen krummen Beinchen. Aber Yugi hielt ihn an der Hand und zog ihn etwas drängender hinter sich her. So kam auch der Minidrache in den Genuss, wenn man warmen Sand unter den Füßen hatte. Felicitas war das große Meer noch etwas unheimlich, denn sie schaute von Tristans Armen aus ziemlich ängstlich zu diesem Ungetüm von Wasser herüber und die bewegenden Wellen sahen auch nicht nett aus. So schnell würde sie sich mit diesem tiefen Nass wohl nicht anfreunden können und die Sandkiste war hier auch unangenehm größer als Zuhause, aber sie war nun mal etwas ängstlicher besaitet. Da musste man einfach ganz behutsam mit umgehen und ihr mit beistehende Nähe zeigen, dass ihr dadurch keinerlei Gefahr drohte. Risa hingegen interessierte das alles gar nicht. Sie zupfte lieber an ihrem geblümten Sonnenmützchen und fand es lustig, wenn sie an den Bändern unter ihrem Kinn kauen konnte. Nini nutzte die Gelegenheit und sammelte Muscheln unten am Strand und steckte sie sich alle in ihren Sonnenhut aus Stroh. Vielleicht konnte man später ja etwas Schönes basteln!

„Schön ist es hier“ lächelte Marie. „Und so ruhig. Ich hätte mehr Touristen erwartet.“

„Ist wohl keine Saison im Moment“ meinte Joey. „Die kommen sicher alle, wenn die Ferien anfangen oder am Wochenende. Hier stehen ja nur ein paar teure Nobelhotels und die meisten Reichen liegen ja lieber am Pool als am Strand.“

„Woher weißt du denn, dass das Nobelhotels sind?“ fragte Tea überrascht. „Für mich sind das ganz normale Hochhäuser.“

„Etwas weiter im Norden habe ich mit Jean zusammen ein paar Hotels im Bau. Und weil wir vorher eine Studie über die Umgebung gemacht haben, weiß ich, dass das hier ein ziemlich teures Stück Strand ist, wo aber nie was los ist.“

Zu aller Verwunderung schien Joey zwischendurch wirklich mal zu arbeiten. Dass er auch ein guter Firmenpräsident war, das konnte man sich noch immer nicht vorstellen. Aber es schien ja zu funktionieren ... doch wer bei Seto in die Lehre gegangen war, der konnte ja nur erfolgreich werden.

„Ich weiß, wo wir unseren nächsten Urlaub machen“ lächelte Tea. „Dann wohnen wir in Joeys neuem Hotel und liegen den ganzen Tag hier am ruhigen Strand. Oder Wuschelchen?“

„Was?“ Jetzt hatte Mokeph sich mal einen Moment auf was anderes konzentriert und schon wurde wieder nach ihm verlangt.

„Sag einfach ja“ bat sie und hakte sich bei ihm ein.

„Na gut. Alles, was du sagst.“ Er legte ihr den Arm um die Hüfte und wusste, dass Zustimmung meistens die richtige Antwort war. Damit ging er den meisten Auseinandersetzungen aus dem Weg und wirkte auch noch wie ein Gentlemen - Tea hatte ihn schon ziemlich gut erzogen.

Nach ein paar Minuten kehrte Ruhe ein und jeder genoss für sich den lauen Meereswind, hörte den rauschenden Wellen zu, fühlte den weichen Sand an den Fußsohlen. Nur Tatos fröhliches Glucksen brachte sie immer wieder zum Lächeln, wenn er mal wieder auf ein Steinchen getreten war und sich über das lustige Gefühl freute, welches seine Füße dann machten. Meistens fiel er vor Glück und Schrecken darüber sogar um und kam eher umständlich wieder auf seine kleinen Gnubbelbeinchen, um weiterzuwatscheln. Und er wollte sich auch nicht helfen lassen - schließlich konnte er alles alleine! Wie schön musste es doch sein, wenn man die Welt das erste Mal kennen lernte und alles Neue eine schöne Erfahrung war?

„Papa!“ Plötzlich war Nini wieder da und zuckelte an Yugis Hemdzipfel.

„Was ist denn, Spatz? Hast du schöne Muscheln gesammelt?“ lächelte er sie lieb an.

„Ich hab was Tolles gefunden. Da hinten! Geht da mal schnell alle hin.“

„Schatz, wir suchen doch Mama“ bat Yugi. „Hast du schon was gesehen? Fußspuren oder so was?“

„Ich bin guter Detektiv“ verkündete sie mit stolzgeschwellter Brust.

„Na, dann bist du ja eine große Hilfe“ meinte Yugi und wuschelte ihr durch das wirre Goldhaar, welches von der Meeresbrise schon ganz zerzaust war.

„Ach, jetzt weiß ich, was Nini meint“ zeigte Mokuba nach vorne. „Da hinten liegt Seto doch. Der lässt sich die Sonne auf den Pelz brennen.“

„Dann war er aber unterwegs gleich einkaufen“ meinte Nika mit einem geschulten Blick. „Seit wann trägt er denn weiße Dreivierteljeans? Vorhin hatte er noch seine schwarze Stoffhose an.“

„Das kannst du auf diese Entfernung erkennen?“ staunte Joey. „Ich sehe nur, dass da jemand liegt.“

„Da kommen auch die stärksten Energien her“ meinte Narla. „Aber irgendwie traue ich der Sache nicht. Außerdem ... seit wann legt Seto sich freiwillig in die Sonne? Da schmilzt er doch. Also, ich weiß ja nicht.“

„Aber ich“ wand Seth ein und legte ein Lächeln auf. „Ich weiß, wer das ist. Der ist ungefährlich.“

Na ... okay, wenn Seth das sagte ...

Sie traten leise näher und als nur noch wenige Meter fehlten, erkannten sie dann auch, was Seth schon richtig wahrgenommen hatte. Das hier war nicht Seto, der im Sand lag und ein Nickerchen hielt. Das war Sethos.

Er sah zwar fast genauso aus wie Seto, aber das war ja nicht verwunderlich. Dafür, dass ihm die tätowierten Hüften fehlten, hatte er sein wallend langes Haar zu bieten, welches er zu einem lockeren Zopf geflochten hatte, damit es nicht wild umher flog. Außer seiner kurzen, weißen Jeans trug er wirklich nichts und ließ sich den Rücken von der italienischen Sonne wärmen. Sein Atem ging ruhig und entspannt und schlafend sah er einfach genauso anziehend aus wie im wachen Zustand. Er hatte ganz eigen diese fließende Aura, welche so ruhig und ausgeglichen wirkte, dass man in seiner Nähe selbst ganz ruhig und fließend wurde.

Bei Sethos zu sein, war wie am Ozean zu sitzen und die unendliche Weite zu spüren, welche einen in die Sehnsucht trieb.

Hier auf der Erde wirkte er einfach wesentlich imposanter als im Götterreich. Hier nahm man seine überweltliche Größe viel mehr wahr, denn neben Rah wirkte er natürlich ziemlich klein. Doch auf dieser Erde war er sicher das momentan mächtigste Wesen. Und dieser Gigant lag einfach ganz wohlig ausgestreckt in der Sonne und hielt Siesta.

„Tut mir leid. Ich kann nicht widerstehen“ sang Yami und kniete sich willenlos neben den schlafenden Drachen in den Sand. Ganz vorsichtig ließ er seine Hände über diese muskulös männlichen Schultern streichen und musste ihn einfach anfassen. Es ging nicht anders! Er lag da so einladend und sah so erotisch aus - da musste man doch einfach zulangen und diese sonnengewärmte Haut berühren.

Aber so tief war sein Schlaf nun auch wieder nicht.

Es war ein warnendes Schnaufen zu hören, er drehte sein Gesicht herum und öffnete ganz langsam seine ozeantiefen Augen. Im ersten Moment sah er aus wie ein Raubtier, welches den schwachen Pharao sofort in der Luft zerreißen wollte - doch dann erkannte er, wer ihn da berührte und sein Blick schwächte sich etwas ab.

„Nimm sofort deine Finger da weg“ drohte er dennoch in dunkelstem Ton.

„Ja, ich weiß“ lächelte Yami und nahm die Pfoten weg. „Aber erwartest du wirklich, dass du hier einfach liegen kannst ohne Freiwild zu sein?“

„Ich bin eher der Jäger als das Wild“ meinte er und erhob sich langsam aus seiner liegenden Position. Er strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und legte seinen meterlangen Zopf nach hinten, bevor er sich grob den klebenden Sand von der Brust strich. „Hi“ lächelte er dann aber gewohnt freundlich, wenn auch etwas sehr müde. Aufstehen war wohl nicht seine Lieblingsbeschäftigung.

„No ein Tethi“ zeigte Tato staunend auf ihn drauf, bekam gaaaaanz große Glubschaugen und der kleine Mund stand ihm mit einem O auch weit offen.

„Nein, das ist nicht noch ein Sethi“ lächelte Yugi. „Das ist Sethos.“

„Boah! Bist du schön!“ staunte auch Nini und stellte sich direkt vor ihn hin, um ihm ins Gesicht zu sehen. „Willst du mein Freund sein?“

„Na, wer könnte da schon nein sagen?“ lächelte Sethos und küsste sie zärtlich auf die Stirn, als sie ihn sofort vertrauensvoll in eine Umarmung schloss. Neue Freunde mussten doch begrüßt werden!

„No ein Tethi.“ Von dieser Meinung rückte Tato einfach nicht mehr ab. Da saß definitiv noch ein Sethi. Was anderes wäre unlogisch für seinen kleinen Kopf.

„Hallo Asato“ strahlte der große Drache und schüttelte ihm den ausgestreckten Finger, der auf ihn zeigte. „Geht’s dir gut?“

„No ein Tethi nis Tato saat“ stellte er fast geknickt fest und schaute nach Hilfe suchend zu Yugi hinauf. „Hab is was annestell?“

„Nein, du hast nichts angestellt“ beruhigte er seinen Sohnemann liebevoll, bevor er Sethos anblickte. „Sag lieber Tato zu ihm. Bei Asato hat er immer das Gefühl, er hätte was angestellt.“

„Na gut“ nickte er und versuchte es eben noch mal auf Papas Art. „Sei gegrüßt, Tato, Geht’s dir gut?“

„Ja“ grinste er nun viel freundschaftlicher. „Meer is gut. Sonne. Bonn bonn bonn.“

„Na prima.“ Na, klappte doch. Dann konnte er ja auch den kleinen Gnubbelfinger wieder loslassen.

„No ein Tethi no ein Gnuuts for Tato? No ein Tethi. Gnuuuuuts!“ War ja klar, dass das kommen musste. Tatos liebstes Hobby war einfach Kuscheln und Knutschen.

„Deine Kinder sind ja so gar nicht scheu“ musste Sethos dann doch lächeln und gab Tato einen schmatzenden Knutschi auf die Wange, die er sich direkt danach dann auch erfreut kichernd rieb, weil das wohl so schön kribbelte.

„Das kommt nur, weil du Seto so ähnelst“ meinte Yugi trotzdem freundlich. Außerdem hatten seine Kinder ein angeborenes Gespür dafür, wer ein gutes Herz hatte und vor wem sie sich in Acht nehmen sollten. Da brauchte er als Vater keine Sorgen zu haben - die Kleinen fühlten es einfach, wenn jemand lieb zu ihnen sein würde.

„Was machst du hier?“ fragte Seth und ließ sich ganz frei neben ihm in den Sand fallen. „Ich dachte, du bist nicht so häufig auf der Erde.“

„Kannst du mich nicht erst mal in den Arm nehmen, Aleseus?“

„Natürlich, entschuldige.“ Selbstverständlich schloss Seth ihn erst mal in den Arm und wärmte ihn, nach einem kurzen Begrüßungskuscheln mit einem heißen Kuss, als Sethos ihm ganz ohne unnötiges Fragen seine Zunge herüberschob und ihn nach menschlicher Drachenart begrüßte. Es war schön, ihn so schnell wiederzusehen, aber auch ungewöhnlich. Für gewöhnlich kam Sethos immer nur im göttlichen Auftrag zur Erde. Und dass er nun hier schlief, war doch etwas überraschend.

„Haaaaa, jetzt geht’s mir gleich besser“ seufzte Sethos, zog seine Zunge zurück und setzte sich wieder selbstständig hin. Aber direkt neben seinem Drachenbruder zu bleiben, war auch keine schlechte Idee. Zumal ihm auch Nini sofort auf den Schoß kletterte, Tato sich zu seinen Füßen niederließ und seine Zehen mit Sand zuschüttete. Mal gucken, wie lange er brauchte, um den neuen Sethi einzubuddeln.

„Und du machst hier Strandurlaub, oder was soll das werden?“ lachte Mokuba und setzte sich zusammen mit den anderen eben auch in den schönen Sand. Wenn man Sethos schon zufällig traf, dann konnte man doch nicht einfach weitergehen.

„Ja, so was ähnliches“ antwortete er kurz und knapp. „Wenn ihr Eraseus sucht, der sitzt etwas weiter strandabwärts auf den großen Steinen, die ins Wasser ragen.“

„Hat er dich schon getroffen?“ war Yugi verdutzt. Dann wäre Seto doch eigentlich nicht so leichtfertig weitergelaufen.

„Nein, aber ich weiß, dass er dort sitzt. Wundert mich, dass er nicht bei euch ist.“

„Ja, wir hatten einen mittelschweren Disput“ seufzte Yami schuldbeschwert. „Ich muss noch mal versuchen, mich richtig bei ihm zu entschuldigen.“

„Hat das einen bestimmten Grund, warum du hier bist?“ hakte Noah noch mal ein.

„Ja, sonst kommst du doch immer nur zu uns, wenn was anliegt“ meinte auch Tristan.

„Na, dieses Mal seid ihr ja zu mir gekommen. Dass ich euch ausgerechnet in der Nähe von Rom treffe, hätte ich jetzt nicht gedacht.“

„Ach, dann willst du gar nicht zu uns“ guckte Joey noch überraschter. „Aber was willst du denn dann? Und dann ausgerechnet in Italien. Hast du Urlaub?“

„Ich bin eher zufällig hier gelandet. Eigentlich mag ich den australischen Strand lieber, aber es war mir jetzt zu doof, bis ganz da runter zu schwimmen.“

„Irgendwas ist doch mit dir.“ Seth merkte das sofort. „Du weichst aus und du hast so einen eigenartigen Blick. Hast du Probleme?“

„Bin ich so durchschaubar?“ Seine Rückfrage klang so leer. Freundlich, aber leer.

„Nein. Nur so anders als gewohnt. Du siehst traurig aus. Oder wütend.“

„Wütend trifft es eher“ gab er dann tonlos zu. „Rah und ich hatten eine Auseinandersetzung und das so heftig, dass er mich vorerst rausgeschmissen hat.“

„Rah hat dich rausgeschmissen?“ stotterte Yugi verwundert. Na, wenn das jetzt keine Überraschung war. „Warum macht er denn so was? Geht so was überhaupt?“

„Na ja, es ist halt dumm gelaufen“ gab er traurig zu. „Ich habe ja Eraseus’ Seele zurück zur Erde gebracht und damit gegen Rahs Gesetz verstoßen.“

„Aber es ging doch um Seto“ meinte Seth. „Was erwartet er denn von dir? Dass du dich gegen Seto entscheidest? Gegen seinen Wunsch? Und dagegen, dass Seth ihm seinen Herzenswunsch erfüllen wollte?“

„Ach, Vater hat das doch nicht nur gemacht, um Eraseus einen Gefallen zu tun. So grundgütig ist er auch wieder nicht ... man sollte seine Eigennützigkeit niemals unterschätzen. Natürlich wollte er damit auch Rah ein bisschen reizen und ich hab ihm dabei geholfen, obwohl ich seine Hintergründe ziemlich sicher geahnt habe.“

„Du stehst aber auch ziemlich dumm in der Mitte“ meinte Joey. „Ein bisschen wie ein Scheidungskind. Die Großen streiten sich und du musst darunter leiden. Du kannst es doch gar keinem recht machen!“

„Es ist doch nicht nur das. Natürlich hatte Rah Verständnis für meine Situation, aber er hat mir gleichzeitig natürlich eine Mahnung ausgesprochen, dass ich mich nicht benutzen lassen soll. Er wollte mich nur schützen, davor, dass ich für fremde Zwecke missbraucht werde, aber ich musste ja gleich wieder Theater machen. Tja, daraus ist dann ein ziemlich hitziger Streit entflammt, ein Wort hat das andere gegeben, aber als ich dann persönlich beleidigend geworden bin, hat er mich rausgeworfen. Ich könnte natürlich in Vaters Reich gehen, aber das wäre Verrat an Rah. Und jetzt bin ich hier und kann nicht zurück, weil mir die Wege versperrt sind.“

„Und wie lange bist du jetzt hier?“ wollte Tea vorsichtig wissen.

„Ich weiß nicht. Ein oder zwei Tage erst.“

„Und was meinst du, wie lange du bleiben musst?“ wollte Seth besorgt wissen.

„Keine Ahnung. Ehrlich. Vielleicht eine Woche, vielleicht ein Jahrtausend. Ich weiß es wirklich nicht. Je nach dem, wie Rah über mich entscheidet.“

„Ein Jahrtausend?“ guckte Mokuba geschockt. „Aber so lange kannst du hier doch gar nicht leben.“

„Ich bin ... ja nun auch ... nicht so wie ihr.“ Das auszusprechen fiel Sethos schwer, denn es schmerzte ihn. Er konnte hier nicht sterben, weil er niemals geboren worden war. Er war kein Mensch und unterlag deswegen nicht den gleichen Gesetzen. Er saß nun auf der Erde fest und war nicht mal ein richtiger Mensch.

Als niemand etwas sagte, stiegen ihm doch die Tränen in die Augen. Das alles belastete ihn sehr. Rah hatte ihn verbannt, zu Seth konnte er wegen seines Treuschwurs nicht gehen und auf der Erde war er nicht Zuhause. Er war ein Wesen, welches immer dazwischen lebte. Deshalb bedeutete Eleseus ja auch ‚Fluss der Mitte’. Sethos würde so lange er existierte immer eine alleinige Rasse sein. Kein Gott, kein Mensch, kein Drache, nichts.

Und nun hatte er auch noch ein schlechtes Gewissen, weil er Rah wirklich ziemlich gemeine Dinge sagte, die der Sonnengott wirklich nicht provoziert hatte.

„Und wo willst du jetzt hin, so heimatlos?“ trauerte Seth mit ihm und wischte ihm mit warmen Händen eine Träne aus dem Auge, bevor sie hervortreten konnte.

„Ich weiß es nicht“ wisperte er verzweifelt. „Wahrscheinlich werde ich in wärmere Gebiete auswandern. Wie gesagt mag ich Australien gern. Dort gibt es weite Landstriche ohne Menschen und ich kann meine Flügel ausbreiten, bis der Staub sie rot färbt. Dort werde ich warten, bis ich wieder zurück darf.“

„Rah ist doch echt gemein“ meinte Marie. „Er kann dich doch nicht einfach so verbannen und hier alleine lassen.“

„Ich hab aber wirklich Mist gebaut“ antwortete Sethos und gab seiner Stimme wieder starken, entschlossenen Halt. „Ich habe willentlich gegen ein Verbot verstoßen und mich ihm gegenüber absolut im Ton vergriffen. Er wollte ein ruhiges Gespräch darüber führen, er hat es nur gut gemeint, er wollte mich nicht mal bestrafen oder mir Vorwürfe machen, er wollte mich warnen ... um mich zu schützen und ich habe ihn total überfahren. Seine Wut auf mich ist begründet und seine Strafe angemessen. Er straft mich nicht dafür, dass ich mich von Seth benutzen ließ und bewusst gegen das Gebot von Leben und Tod verstoßen habe, sondern deswegen, weil ich ihm gegenüber ungerecht und absolut daneben war. Er wird seine Gründe haben und wissen, weshalb ich hier sein muss. Vielleicht soll ich nachdenken über mich, über uns, über das alles. Auch seine Strafen haben gute Gründe und meist positive Effekte. Aber es dauert wohl, bis ich hinter den Gedanken steige, der all dies begründet. Rahs Wege sind manchmal schwer nachzuvollziehen.“

„Aber der Gedanke, dass du alleine bleibst, gefällt mir gar nicht“ meinte Seth skeptisch. Weiße Drachen waren keine Einzelgänger. Alleine waren sie einsam, verlassen, ohne Sozialleben und dann gingen sie ein.

„Lass mal. Ich weiß, was du mir vorschlagen willst. Aber ich will nicht mit euch gehen.“

„Warum denn nicht?“ fragte Yami ganz enttäuscht. „Guck mal: Du hast kein Geld, keine Klamotten, keine Wohnung, keine Freunde - außer uns natürlich. Wo willst du denn sonst hin? Du kannst dich doch nicht irgendwo in der Wildnis verkriechen und tausend Jahre warten, bis du wieder zurück darfst. Das ist doch kein Leben.“

„Ich lebe ja auch nicht“ antwortete er zwar hart und fest, aber man sah es in seinen Augen, dass er verletzt war. „Ich gehöre hier gar nicht her. Ich gehöre nirgends hin. Ich bin kein Mensch und ich brauche mir auch nichts vorzulügen.“

„Du bist vielleicht kein Mensch, aber du hast menschliche Gefühle“ ergänzte Yugi und so langsam verstand er den Grund, weshalb Rah ihn auf die Erde verbannt hatte.

Sethos litt so dermaßen darunter, dass er kein Mensch war, dass er sicher schon so manche Träne vergossen hatte, die er niemals jemandem zeigen wollte. Und Rah konnte ihm in dieser Sache nicht weiterhelfen. Er konnte Sethos nicht zu einem Menschen machen, aber er konnte ihn den Menschen näher bringen. Deshalb hatte er seinen Priester sicher auch mit schwerem Herzen hierher geschickt. Jetzt im Moment tat es ihm noch weh, dass Rah ihn aus seinem Reich geworfen hatte, aber der Sonnengott hoffte sicher, dass er seinem Priester so helfen konnte. Denn manchmal konnte man jemandem nur helfen, indem man ihn losließ. Und wenn sich jemand der unendlichen Götterliebe gewiss sein durfte, dann war es Sethos. Aber seine Augen waren vor Schmerz so versperrt, dass er den Blick für die Liebe verlor. Rah hatte ihn nicht im Streit verbannt, sondern in Hoffnung.

Yugi sah das und wenn er zu Yami hinübersah, sah er auch in seinem Blick, dass sie beide sofort verstanden hatten, warum Sethos hier war. Ihre Freunde schienen sich im Moment nur über Rah zu ärgern, aber seine Söhne wussten es besser. Der Sonnengott tat nichts im Zorn, sondern immer mit guten Wünschen - auch wenn man seine Wege nicht sofort verstand. Manchmal musste man einfach Vertrauen haben, ohne es benennen zu können.

„Du musst nicht alleine bleiben“ bat Yugi ihn, auch wenn Sethos ihn ziemlich abweisend ansah. „Ja, vielleicht bist du kein Mensch, aber du bist einer von uns. Du gehörst zu uns und wenn du Sorgen hast, dann ist die Zeit, in der du sie in dich hineingefressen hast, vorbei. Du bist uns allen herzlich willkommen, weil du eine wundervolle Person bist.“

„Du bist mein Freund“ guckte Nini mit großen Augen an ihm hinauf. „Und Freunde darf man nicht alleine lassen, sagt Papa immer.“

„Ja, das ist es doch“ lächelte Yami. „Du bist kein Mensch, kein Drache, kein Gott, aber du bist ein Freund. Und Freunde gibt es in tausend verschiedenen Formen überall auf der Welt und anscheinend auch im Götterreich.“

„Happy ist auch eine Freundin und die ist auch kein Mensch“ strahlte Nini. „Aber du bist viel hübscher. Wie lange brauchst für deine Haare waschen? Kämmst du die selber? Ist das nicht anstrengend? Ich hab immer Zotteln nach dem Waschen und Papa muss ganz lange kämmen. Und wenn man dann Zöpfe flechtet, dann hat man Locken am nächsten Tag. Das sieht hübsch aus. Ich kann meiner Puppe auch Zöpfe flechten. Nicht schön, aber selten, sagt Papa. Wir können uns zusammen Locken machen, ja? Zusammen?“

„Die Prinzessin hat dich gefressen“ zwinkerte Seth listig. „Du kannst doch nicht abhauen und ihr ihren Wunsch abschlagen. So herzlos bist du doch wohl nicht. Außerdem ist sie doch die zukünftige Königin und du solltest dich mit ihr gut stellen.“

„Und ihr könnt doch nicht einfach in Italien auftauchen und mich einsammeln wie ein heimatloses Kätzchen“ meinte er beleidigt. So hatte er sich das nicht vorgestellt.

Aber es zeigte doch nur, dass sie sich überall auf der Welt fanden. Egal wie weit sie weg waren und egal wie sehr sie sich versteckten - irgendwann wurde jeder wieder eingesammelt.

„Du weißt doch, was wir alles können“ beschloss Mokuba. „Also los. Gib dir einen Ruck und komm mit uns nach Hause. Seth teilt seine Klamotten eh schon mit Seto und einer mehr macht es dann auch nicht. Und ein Zimmer finden wir auch für dich. Nur in den Küchendienst musst du dich eintragen lassen.“

„Aber ich ... ich gehöre nicht zu euch.“

„Sag mal“ raunte Seth ihn leicht böse an. „Bei allem Respekt, verehrter Sonnenpriester, aber jetzt halt mal die Klappe. Komm einfach mit und wenn’s dir nicht passt, kannst du noch immer die Flucht ergreifen.“

„Außerdem schlägt man einer Dame keinen Wunsch ab“ haute Nini ihm warnend auf die Finger. „Ich will, dass du mitkommst. Wie heißt du noch?“

„Eleseus Sethos“ antwortete er baff.

„Darf ich dich Ultra Haar nennen?“

„Ähm ... nein.“

„Dann Ulti?“

„Ulti?“ Da schien Sethos auch nicht so sonderlich begeistert von. Jedenfalls wenn man seinen gequält heraufgezogenen Mundwinkel betrachtete.

„Ja, weil du aussiehst wie meine Ultra Haar Barbie. Aber rosane Schuhe magst du nicht, oder? Gehst du auch auf Stöckelschuhen? Mit Pfennigen drunter?“

„Nein, nicht so besonders gerne. Am liebsten trage ich gar keine Schuhe.“

„Dann bist du genau wie Papa und Sethi“ lächelte sie. „Die tragen auch keine Schuhe. Und Tato zieht sich auch immer die Socken aus. Tato kann jetzt laufen, weißt du? Vielleicht kann Tassi das auch bald. Sie weiß noch nicht so viel und sie kann noch nicht reden, aber man kann alles lernen, sagt Papa. Du musst lieb sein zu Tassi, aber wenn sie so guckt“ machte sie ganz große Augen, „dann ist alles super. Und bei Risa musst du auch vorsichtig sein, weil sie ist ja noch ein Baby. Papa sagt, sie hat ein Loch im Kopf und das muss erst noch zuwachsen und deswegen musst du aufpassen, dass sie sich nicht den Kopf stößt. Aber Risa lacht immer ganz viel und spielt mit Tato, weil Tato ist auch noch ein bisschen Baby, aber bald ist er ein großer Mann und kann laut schnarchen. Was meinst du, Ulti? Sieht Tato später auch so aus wie Papa? So groß und hübsch?“

„Bestimmt. Aber nenne mich nicht Ulti, ja?“

„Wenn Tato auch mal so groß wird, dann ist er ja größer als ich. Ich muss es genießen, solange er noch klein ist, denn noch kann ich ihn rumschubsen, sagt Joey. Aber Joey wird von Papa ja auch immer geschubst, weißt du? Mich schubst keiner, weil ich eine Dame bin. Ich hab auch ein langes Kleid Zuhause wie von einer Prinzessin. Das macht man mit Schleifen am Rücken zu. Das hat Mie mir geschenkt. Gut, nä? Im Kindergarten lernen wir jetzt wie man die Umwelt schützt. Aber ich muss mal gucken, wo ich die Umwelt finde, denn ich kann ja nichts schützen, was ich noch nie gesehen habe. Ob die Umwelt auch Federn und Flügel hat? Oder vielleicht so lange Zähne wie ein Meerschweinchen? Was meinst du? Aber im Kindergarten kann ich auch immer ...“

„Lass deinen neuen Freund mal durchatmen“ lachte Yugi und nahm das plappernde Etwas auf seinen Schoß. Wenn Nini erst mal jemanden gefunden hatte, der ihr zuhörte, dann nutzte sie das immer auch schamlos aus.

„Sand Sand Sand Sand no ein Tethi mit Sand Sand Sand ...“ sang Tato, der noch immer Sethos’ Füße mit Sand zuschüttete. Also, zumindest die Kinder hatten ihn lieb gewonnen. Risa schaute mit ihren großen, schwarzen Augen die ganze Zeit niedlich glucksend zu ihm herüber und Felicitas saß zwar noch etwas verschreckt in Nikas Armen versteckt, aber auch sie beobachtete ihn genau. Sethos gehörte einfach dazu, zumindest wenn man die Kiddys fragte.

„Ja, dann herzlich willkommen auf der Erde“ meinte Joey.

„Seto ist da hinten, sagtest du?“ zeigte Yami nach hinten, wo in etwa zweihundert Metern Entfernung ein paar Steine zu erkennen waren, welche wohl als Wellenbrecher dienten.

„Ja, er sitzt da noch ein Stück weiter“ antwortete Sethos und Yami machte sich sofort auf den Weg dorthin.
 

Es war wirklich noch ein ganz gutes Stück Fußweg bis er Seto gefunden hatte.

Der hatte sich gar nicht auf die Steine gesetzt, sondern stand auf einer Art unfertigen Brücke, welche weit bis über das Meer reichte. Dort war er bis auf zwei Meter direkt über dem sich kräuselnden Wasser und blickte verloren in die Ferne. In seine unergründlichen Gedanken versunken und er fuhr kurz erschrocken zusammen, als Yami ihn behutsam am Arm berührte, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen.

„Ich wollte dich nicht erschrecken“ entschuldigte er und stellte sich ohne zu fragen neben ihn. Er hielt die Nase in den Wind und genoss diese unvergleichlich frische, würzige Seeluft. „Warum bist du einfach weggegangen?“

„Kannst du dir das nicht denken?“ fragte er leise und gar nicht mehr so aggressiv zurück. Anscheinend hatte er sich in der Zwischenzeit etwas abgeregt und bereute seinen Ausbruch schon wieder.

„Doch, ich denke schon. Bist du mutwillig hierher gefahren oder bist du bloß in irgendeinen Zug gesprungen?“

„Nur in einen Zug gesprungen.“

„Einen schönen Ort hast du dir hier ausgesucht“ lächelte Yami. „Das Meer ist doch immer wieder schön.“

„Ach. Ich dachte, du stehst mehr auf Wüste.“

„Ja, schon. Aber die Wüste des Wassers hat auch eine ganz eigene Magie. Irgendwann müssen wir mal an einen der Pole oder in die Arktis fahren. Grönland soll auch sehr eisig sein.“

„Was willst du?“ blahte Seto ihn nun etwas genervt an und seinem Ton nach zu schließen, hätte er wohl lieber so etwas wie ‚Hau ab und lass mich in Ruhe’ gesagt.

„Ich möchte mich bei dir entschuldigen“ antwortete Yami und blickte seitlich nach oben. Eigentlich in der Hoffnung, Seto würde zurückblicken, aber das war offensichtlich nicht der Fall. „Weißt du, Seto ... wir beide haben uns ja schon immer etwas schwer getan, miteinander auszukommen. Ich gehe mit deiner Zurückhaltung falsch um und du störst dich an meiner offenen Art. Und doch hoffe ich, dass wir beide irgendwann einen guten Weg finden, wie wir doch diese ewigen Auseinandersetzungen vermeiden können.“

„Tu nicht so, als wären wir beide schuld. Schuld bist nur du ganz allein.“

„Nein, dazu gehören immer zwei“ antwortete er ruhig. „Ich weiß, dass ich nicht immer ganz einfach bin, aber du bist auch hart zu nehmen. Ich sage dir jetzt einfach mal ganz offen, was ich denke. Ich finde es schwierig mit dir zu leben, weil ich nie weiß, woran ich bei dir bin. Mal verstehst du meine Scherzchen und scherzt auch lustig zurück. Und mal reagierst du so wie heute, wobei es heute wirklich extremer war als sonst. Bis jetzt hast du einen Streit niemals so derbe eskalieren lassen. Ich weiß, dass ich mich falsch verhalten habe, aber du hast auch überreagiert. Ich brauche von dir einfach mal ne klare Ansage, wie wir das in Zukunft handhaben wollen, denn ich bin ehrlich ratlos.“

„Dann sage ich dir jetzt auch mal, was ich denke“ antwortete Seto weniger so ernst wie Yami als eher eingeschnappt. „Ich denke, du tolerierst mich nur, weil ich irgendwie an Yugi dranhänge. Gib es doch zu, dass ich dich eigentlich nerve.“

„Es tut mir weh, wenn du so etwas sagst“ gestand er wirklich bedrückt. „Denkst du das wirklich? Seto, ich würde für dich durchs Feuer gehen. Ich liebe dich, aber dass du so schlecht von mir denkst, das schmerzt wirklich sehr.“

„...“

„Ich weiß nicht, was ich dir sagen kann“ seufzte er. „Was kann ich nur tun, damit du siehst, dass wir ...“

„Warum bist du so?“ unterbrach er ihn mit Tränen in der Stimme. „Warum machst du dich immer über alles lustig? Warum kannst du mich nicht so akzeptieren, wie ich bin? Warum erwartest du immer etwas, was ich nicht leisten kann?“

„Was erwarte ich denn von dir? Gar nichts. Ich mag dich so wie du bist.“

„Aber es ... das ...“ Er atmete tief ein und versuchte irgendwie auszudrücken, was in seinem Kopf war. „Letzte Nacht“ fuhr er leise fort. „Ich hab mich ... du hast mich so gesehen ... so ... hilflos. Ich fand es wirklich schön, obwohl ich am Anfang gegen mich selbst kämpfen musste. Aber ich war stolz zum Schluss, obwohl ich mich so bloßgestellt fühlte. Nicht vor Yugi und auch nicht vor Seth, sondern vor dir. So sehr ich es auch möchte, ich kann dir nicht so vertrauen, wie ich es bei Seth oder bei Yugi kann. Ich mag dich eigentlich, aber ... es tut so verdammt weh, wenn du so spöttisch redest. Ich versuche wirklich, was ich kann, aber du ziehst es immer alles ins Lächerliche. Ich will nicht lächerlich sein.“

„Ich denke überhaupt nicht, dass du lächerlich bist“ bat Yami erschrocken. „Meine Güte, Seto! Du bist so wunderschön und du bist so stark. Du liebst mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht. Ich habe großen Respekt vor dem, was du alles geschaffen, was du alles durchgestanden und geleistet hast. Ich bewundere dich dafür, denn ich weiß nicht, ob ich das so geschafft hätte.“

„Und warum redest du dann so witzelnd über mich? Warum tust du mir damit immer wieder weh?“

„Ich rede nicht witzelnd. Seto, bei aller Liebe. Ich rede weder über deine Psychosen, noch über deine Suchterkrankungen noch über deine traurige Kindheit. Ich habe allergrößten Respekt vor dir.“

„Aber beim Sex tust du es immer wieder“ weinte er und nahm Abstand, als Yami ihn in den Arm nehmen wollte. „Weißt du eigentlich, was das gestern für eine Überwindung für mich war? Ich hab euch so vertraut, aber immer wieder schießen mir diese Bilder durch den Kopf. Wie sie mich festhielt, während er mir sein Ding reingerammt hat. Ich sehe sie immer wieder über mir, ich höre sein Stöhnen und ich fühle solchen Ekel. Vor ihnen und vor mir und ich habe Angst. Ich konnte mich nicht bewegen. Weißt du eigentlich wie es ist, wenn du völlig wehrlos bist? Wenn du nicht als Mensch, sondern nur als ein Stück Fleisch gesehen wirst? Ich sehe immer wieder ihre Augen, wie sie mich angesehen hat. So triumphierend und wie sie sich an meinen Schmerzen und meiner Angst ergötzt. Wie sie es geliebt hat, wenn ich sie angefleht habe. Sie hat es geliebt, wenn sie mir beim Betteln zusehen konnte. Wenn ich Dinge tun musste, die mich gedemütigt haben. Sie hat es geliebt, mich so zu sehen.“

„Und das gestern hat dich daran erinnert?“ fragte er selbst den Tränen nahe. Er konnte es Seto nicht nachempfinden, zum Glück, aber er konnte sich seine Schmerzen und seine Qual vorstellen. Wie schrecklich es für ihn gewesen sein musste.

„Ja, hat es!“ schrie er ihn an. „ES WAR SO SCHWER!“ Doch dann versuchte er sich zu fassen, auch wenn seine Stimme noch bebend und brüchig war. „Aber nur zu Anfang. Ich wollte euch vertrauen, ich wollte es so sehr. Ich will endlich frei sein! Ich will nicht ständig daran denken müssen! Ich will das loswerden und ich will nicht, dass es mich einschränkt.“

„Aber du machtest den Eindruck, dass es dir sehr gefallen hat“ meinte Yami. „Oder hättest du dir etwas anderes gewünscht? Du sollst doch auch Spaß dabei haben und nicht irgendwelche Dinge tun, die du nicht willst. Wenn es dir keinen Spaß macht, dann macht es auch Yugi und Seth keinen Spaß ... und mir auch nicht.“

„Es geht nicht um den Sex! Versteh das doch endlich! Es geht darum, dass du mich demütigst, indem du es allen auf die Nase bindest. Das ist MEIN Kampf, verdammt und den führe ich mit den Leuten, die ICH auswähle. Ich will nicht, dass sich andere darum scheren. In meiner Sexualität will ICH entscheiden, auch wenn ich mich gerne lieben lasse. Verstehst du das denn nicht? Wenn ich wollte, dass so eine Sache wie gestern die Runde macht, dann hätte ich alle dazu eingeladen. Ich will selbst entscheiden, wem ich etwas sage. Ich finde es gemein von dir, wenn du über etwas schmunzelst, was mir sehr viel bedeutet. Vielleicht ist Sex für dich ein Hobby, aber für mich ist es das nicht. Mir bedeutet das etwas, tief in meinem Herzen. Und ich will nicht, dass alle in mich hineinsehen. Mein ganzes Leben lang musste ich lernen, dass ich kein Individuum bin und dass mein Wort nichts zählt. Aber Yugi sagt, dass es anders ist und ich will ihm glauben. Aber wie soll ich das glauben, wenn ausgerechnet du, an dem mir so viel liegt und von dem ich so viel halte, über mich redet, als sei ich irgendwer und wenn du deine Witze darüber machst? Ich hatte noch niemals eine Privatsphäre, aber Yugi sagt, dass ich ein Anrecht darauf habe. Meine Privatsphäre ist eine Grenze, welche nicht übertreten werden soll, denn je mehr du hineinkommst, desto näher bist du mir. Und ich finde es gemein, wenn ich dich hereinlasse und du dann allen anderen die Tore öffnest, ohne dass ich es kontrollieren kann. Das ist einfach gemein und zeigt, dass ich dir nicht so viel bedeute, wie du vorgibst.“ Punkt.

Das musste Yami erst mal auf sich wirken lassen. Dass es so tief in Seto noch immer brodelte, das hätte er nicht gedacht. Und es war auch schwierig zu sehen, dass er mit Dingen Probleme hatte, welche für ihn selbst völlig selbstverständlich waren.

„Es tut mir leid. Mehr weiß ich dazu leider nicht zu sagen. Seto, es tut mir unendlich leid und ich entschuldige mich bei dir aus ganzem Herzen“ bat er und blickte ihm in diese nervösen, blauen Augen. „Ich habe nicht gedacht, dass Sex für dich so eine gewichtige Sache ist. Ich dachte, du wärst da jetzt ein wenig befreiter, denn du hast dich wirklich zum Positiven verändert. Vor allem seit du aus Frankreich zurück bist, wirkst du wie ein neuer Mensch. Für mich ist Sex am schönsten, wenn ich auch darüber spreche und mich frei darüber freuen kann. Aber ich muss auch akzeptieren, dass es für dich eine ganz private Sache ist, die du nur mit den Leuten teilst, die du dir selbst aussuchst, denn dazu hast du das volle Recht. Ich weiß, ich kann es jetzt nicht mehr gut machen, aber ich verspreche dir, ich werde es in Zukunft besser machen. Ist das okay für dich?“

Seto nickte langsam und wischte sich die Augen ab. Er hasste es, wenn er heulte. Er hatte schon so viel geweint und er wollte das nicht mehr. Er wollte es einfach nicht mehr.

„Es klingt jetzt vielleicht etwas doof“ meinte Yami vorsichtig, „aber ich kenne mich und ich weiß, dass mir früher oder später wieder irgendein Spruch rausrutscht. Und ich muss dich bitten, dass du mir ein wenig dabei hilfst, dass ich dich nicht noch mal verletze. Ich habe es gerne so, dass ich bei besonders harten Sachen, die mit echter Unterwerfung zu tun haben, ein Wort abmache, welches die Sache dann eindeutig abbricht. Wenn ich es mal wieder übertreibe, dann sag doch bitte einfach Stopp, ja? Ich werde natürlich alles versuchen, mich zu beherrschen, aber wenn es mit mir durchgeht und ich merke es nicht, dann sag bitte Stopp und ich halte sofort den Rand. So kannst du selbst entscheiden, wie weit wir unsere Späße führen und wann Schluss ist. Denn wie gesagt, manchmal scherzt du mit und manchmal tut es dir weh und ich weiß nicht, woran ich bei dir bin. Und ... ähm ... eine letzte Sache noch ... vielleicht verstehst du mich dann ein wenig. Ich spreche gerne über Dinge, die mich freuen, die mich bewegen. Und deshalb spreche ich auch gerne über dich. Vielleicht wirkt es für dich verletzend, aber das ist meine Art, Liebe auszudrücken. Weißt du, ich bin nun mal nicht wie Yugi. Ich kann nicht so mit dir umgehen, wie du es verdient hast, so sehr ich es auch versuche. Wir beide passen einfach nicht zusammen. Aber ich hoffe, dass uns das nicht auseinander bringt. Denn du bist mir wirklich wichtig. Nicht weil Yugi dich liebt oder weil du ein Teil von Seth bist - ich liebe dich als den Menschen, der du bist. Ja. Und wenn dir doch irgendwas einfällt, wie ich es dir beweisen kann, dann halte dich nicht zurück. Also, wenn ich irgendwie zu McDonalds gehen soll, ohne was zu kaufen, dann ist das zwar grausam, aber das mache ich auch für dich.“

Da musste Seto doch wieder ein wenig lächeln. Yamis Humor war eben auch etwas eigen.

„Darf ich dich jetzt in den Arm nehmen?“

Das durfte er dann auch wieder. Seto nickte und vorsichtig versöhnten sie sich wieder in einer festen Umarmung. Eigentlich mochten sie sich ja, aber sie waren wie die zwei Phasen eines Magneten - sie gehörten zusammen, aber sie stießen sich einfach ab. Bei zwei so unterschiedlichen Charakteren war es ja nun mal nicht immer ganz einfach ... vor allem, wenn sich einer davon auch noch in der Selbstfindung befand.

„Schön. So gefällt es mir besser“ seufzte Yami und konnte einfach ewig so in seinen Armen liegen. „Etwas kühl vielleicht, aber wenn’s dämmert, holen wir uns ne Decke, okay?“

„Ich will eigentlich nur noch nach Hause“ gab Seto zu.

„Stimmt, du musst heiraten“ lächelte Yami ihn an. „Noch mal alles Gute dafür. Ich freue mich riesig für euch beide, dass ihr es jetzt endlich wagt. Yugi scheint sich deiner ja sehr sicher zu sein.“

„Ja“ lächelte er damit gleich viel zuversichtlicher. Er konnte es noch immer nicht glauben. Vom ersten Tag an konnte er einfach nicht glauben, dass Yugi ihn ausgesucht hatte. Dass er mit ihm zusammensein wollte und dass er ihm seine Liebe schenkte. Yugi war sein Segen, sein Leben, seine Liebe.

„Du liebst ihn wirklich, oder?“ interpretierte Yami dieses Strahlen im Eisblau.

„Ja, ich liebe ihn“ sagte er leise. „Ich würde alles für ihn tun. Alles.“

Und wenn Seto so bewusst ‚Alles’ sagte, dann wusste Yami, dass er wirklich Alles meinte. Für Yugi würde er alles aufgeben, alles tun, alles erreichen. Yugi war der Inhalt und der Grund seines Lebens. Yugi war von Anfang an derjenige gewesen, der ihn trotz aller Missverständnisse und Hindernisse selbstlos geliebt hatte. Und für Seto war er einfach die Versicherung, dass sein Leben besser war als es gestartet hatte.

„Dann kann ich dir das ja jetzt auch nicht wieder ausreden“ flachste Yami. „Armer Yugi, da hat er sich ja was angelacht.“

„Hey!“

„Ach, übrigens! Bevor du gleich vor Schreck wieder tot umfällst: Sethos wird ab sofort bei uns leben.“

„Wenn du mich foppen willst, musst du dir was Besseres einfallen lassen“ meinte Seto und drückte ihn nach alter Grummelart von sich weg.

„Nein, wirklich“ schwor Yami und hakte ihn am Arm ein, um ihn zurück zu den anderen zu ziehen. „Rah hat ihn vor die Tür gesetzt und jetzt sitzt er hier auf der Erde fest. Er meinte, er könnte auch zu Seth gehen, aber so würde die Versöhnung mit Rah noch schwieriger werden. Wusstest du eigentlich, dass Sethos zu Seth ‚Vater’ sagt?“

„Natürlich“ meinte er angefasst. „Als ich tot war, haben wir viel miteinander gesprochen. Ich glaube, Sethos war froh, dass er jemanden zum Reden hat, der ihm nachfühlen kann, wovon er spricht. Er hängt sehr an Seth und hat typische Sohngefühle für ihn. Ich kann mich aber nicht dazu überwinden, ihn Vater zu nennen. Für mich gibt es nur meinen Vater Tadashi. Aber Sethos hat nur ihn. Und dass er kein Mensch ist, belastet ihn sehr. Es muss schwer sein, wenn man nicht weiß, wo man hingehört. Und ich glaube, dass er mich zurückbegleitet hat, sollte nicht gegen Rah gehen und er wollte mir auch nicht nur einen Gefallen tun, sondern einfach Seth zeigen, dass er ihn noch immer liebt. Hach, die Welt ist so kompliziert.“

„Dann passt du hier ja gut rein.“

„Lass doch mal die Sprüche. Wenn hier jemand kompliziert ist, dann du.“

„Nein. Joey ist kompliziert.“

„Okay, darauf kann man sich einigen.“ >Du aber auch.<
 


 


 

Chapter 13
 

Sie gingen gemeinsam zurück und da machte Seto doch ganz schön große Augen, als Sethos sich herumdrehte und ihn liebreizend anlächelte.

„Was ... du bist ja wirklich hier.“

„Ich hab doch gesagt, das ist mein Ernst“ schmollte Yami. „Ab und zu darfst du mir gerne mal glauben.“

„Sei gegrüßt, mein lieber Eraseus“ lächelte Sethos und stand dann auch schon direkt vor ihm. Schön zu sehen, dass er schon gar nicht mehr größer war als Seto selbst, so im direkten Vergleich. Das hieß dann wohl, dass seine beiden Brüder dann jetzt wohl ausgewachsen waren. Auch wenn Seto und selbst Seth gegen ihn wohl immer etwas jünger wirken würden.

„Ähm ... tja ... aber dass Rah dich rausgeworfen hat, war doch wohl ein Witz, oder?“

„Ich befürchte nein. Ich sitze jetzt hier fest.“

„Das ist ja wunderbar!“ strahlte Seto und war wohl der Erste, der hier kein spontanes Mitleid erübrigen konnte. „Dann ziehst du bei uns ein und wir können wieder Halma spielen und Federnpusten.“

„Und aus den Wolken kleine Figuren formen“ strahlte er und schloss Seto sofort in seine Arme. Die beiden freuten sich ganz eindeutig, dass Sethos jetzt hier festsaß.

„Die beiden hatten ja wohl Spaß“ lächelte Yugi. Seto und Sethos schienen sich während Setos Tod wohl ziemlich gut die Zeit vertrieben zu haben. Auch wenn es nur knapp ein halbes Jahr gewesen war, waren sie scheinbar eng zusammengewachsen. War vielleicht auch kein Wunder, denn Seto stand ihm sicher am nächsten - schließlich war er als Eismagier der Vertreter der Wassermagie auf Erden und somit zumindest magisch sein engster Verwandter. Nur geküsst wurde sich nicht. Seto küsste eigentlich nur wenige Leute und dazu schien Sethos nicht zu gehören ... vielleicht hatte er auch einfach zu viel Respekt vor ihm, als dass er ihn so einfach abschleckte. Da fehlte ihm Seths Mut dann doch.

„Schön, dass du da bist, Mann“ klopfte er ihm dafür fast ungewohnt kumpelhaft auf die Hüfte.

„Schön, dass du auch wieder da bist“ lächelte Sethos.

„So, da wird das jetzt auch geklärt haben, können wir vielleicht nach Hause?“ hetzte Noah schon wieder. Seine Zeit war knapp bemessen und er hatte einen ganzen Haufen Arbeit. Er konnte sich gerade anderes vorstellen, als barfuss am Strand zu stehen.

„Wir müssen erst noch die anderen einsammeln“ meinte Tea.

„Welche anderen?“ guckte Noah sie fragend an.

„Wenn du nicht telefoniert hättest, hättest du es mitbekommen“ half sie. „Mokuba, Joey, Tristan und Marie sind mit dem Boot raus zum Angeln.“

„Angeln? Aber sie haben doch gewusst, dass wir nach Hause wollen. Und wo zum Teufel haben die so schnell ein Boot her? Und Angeln?“

„Da hinten vom Verleih“ zeigte sie. „Wenn wir sie zurückholen wollen, müssen wir ihnen wohl hinterher.“

„Dann mal los“ rieb Yami sich die Hände. „Ich war noch nie angeln. Klingt lustig.“

„Klingt lang“ meinte Noah.

„Muss man da nicht Fische erschlagen?“ schaute Seto besorgt. „Was für ein grausiger Sport.“

„Man kann sie auch hinterher wieder reinwerfen, Liebling“ beruhigte Yugi.

„Und warum fische ich sie dann erst raus? Das ist doch Unsinn ... genau der richtige Sport für Joey. Totaler Schwachsinn von vorne bis hinten.“

„Also, gehen wir jetzt auch noch angeln“ freute sich Nika und hopste mit der lachenden Felicitas auf dem Arm gen Bootsverleih.

Und der Rest musste dann mehr oder weniger gezwungen hinterher.
 

Sie mieteten sich aber nicht so ein kleines Fischerboot, wo man selbst rudern musste, sondern nahmen sich gleich die einzige Jacht mit dem aussagekräftigen Namen ‚Drunken Baby’, welche eigentlich dem Eigentümer gehörte, der auch schon ganz gut angeschwipst war. Aber da der im Moment eh keine Kundschaft hatte und die spontanen Gäste gut zahlten, gab er auch gerne sein Prachtstück heraus.

So konnte Noah in Ruhe unter Deck wieder telefonieren, während die anderen sich entweder Liegestühle auf Deck rausstellten und Nini sich von Papa Seto zeigen ließ, wie man mit dem großen Rad so ein großes Schiff lenkte. Sie fuhr zwar selbst wie eine Betrunkene, aber beide hatten hörbaren Spaß dabei.

Nur als sie die anderen in ihrem Anglerboot dann einholten, übernahm Seto wieder das Steuer, um sie nicht aus Versehen in ihrer rudernden Nussschale mit dem schönen Namen ‚Tripple’ zu überfahren.

Und weil es da oben wesentlich gemütlicher aussah, kletterten sie an der kleinen Leiter an Deck und würden eben von dort aus ihre Angeln noch mal auswerfen, denn gefangen hatten sie in dieser kurzen Zeit noch nichts.

Na ja, fast nichts. Joey hatte fröhlich ordentlich Seetang rausgefischt und Mokuba eine brennende, weil giftige Qualle gefangen, die er Mokeph gerne mal zu Versuchszwecken zeigen würde. Aber als er schon beim Versuchszweck der Objektübergabe Teas bösen Blicken ausgeliefert war, schmiss er sie lieber wieder rein, bevor es Ärger gab und im Hause Gardener der Haussegen schief hing.

„Gibt’s hier eigentlich Haie?“ fragte Joey neugierig, als Seto neben ihm an der Reling erschien und den kleinen Anker festgemacht hatte, damit sie die Strömung nicht durch die Gegend trieb.

„Kann ich mir nicht vorstellen“ meinte der tief brummend. „Wenn’s welche gäbe, würde ich dich sofort reinschmeißen.“

„Ich liebe dich auch“ seufzte Joey und guckte sich angestrengt mit zusammengekniffenen Augen etwas in weiterer Ferne an.

Seto folgte seinem Blick, aber er konnte da nicht viel erkennen, außer Wasser und die Mauer aus dicken Steinen, welche diese Lagune vom großen Meer trennte.

„Was glotzt du denn so blöd?“ knurrte er neugierig. „Wenn du angeln willst, geb ich dir nen Tipp. Wirf mal erst mal deinen Haken rein.“

„Da hinten blubbert das.“

„Wahrscheinlich ein Thunfisch mit Blähungen.“

„Meinst du echt? Vielleicht ein Wal.“

„Ach, Quark. Da blubbert nichts. Und Wale gibt’s hier auch nicht. Die kommen hier wegen der Mauer da hinten gar nicht rein. So was wird häufiger gebaut, damit Wale nicht an gefährlichen Orten stranden.“

„Und wenn hier doch einer drin ist?“

„Verdammt, Köter! Hier sind keine Wale drin und leider auch keine Haie. Wo blubbert das denn? Da ist nichts!“

„Ja, jetzt ja nicht mehr. Aber eben. Und vorher da hinten.“

„Dir ist die Sonne nicht bekommen. Nerv mich nicht mit deinen unterqualifizierten Kommentaren“ grummelte er und ließ Joey eben da stehen, wo er war. Von wegen da blubberte was - so ein Schwachmatenkram.

„Vielleicht ist da ja doch ein großer, fetter Fisch“ freute sich Joey kichernd. „Wenn der blubbert, ist er an der Oberfläche und dann brauche ich den nur absammeln. Und Yugi kocht dann ein leckeres Fischfilet daraus. NICHT WAHR, YUGI?“

„Mit wem redest du überhaupt?“ fragte Seto aus einiger Entfernung, wo er gerade Tato ein Stück Seil aus dem Mund friemelte und den Kleinen selbst auf den Arm nahm. „Yugi ist mit Nini mal eben im Häuschen.“

„Na, da sind wir ja ganz aus dem Häuschen!“

Seto schüttelte nur den Kopf und nahm sich neben Seth eine Sonneliege. Joeys Gelaber war ihm echt gerade zuviel.

„Na, hat er dich genervt?“ brummte Seth ohne Betonung und ohne die Augen zu öffnen, als Seto sich und Tato neben ihm niederließ.

„Das ist doch Dauerzustand“ seufzte er und wurde allein durch Seths Entspannung schon ganz müde. Ganz schön anstrengend dieser ganze Tag. Vielleicht noch ein Nickerchen und dann wirklich langsam mal nach Hause.

„Aber ich glaube, Joey hat mit seinem Geblubber gar nicht so ...“

„WHUUAA!“ schreckte Seth hoch und wäre fast mit Narlas Kopf zusammengestoßen, als die ganz plötzlich über ihm erschien.

„Erschreck dich doch nicht so, Papa.“

„Erschreck du mich nicht so, Tochter! Du sollst dich nicht so anschleichen!“

„Whuuaahahaha!“ lachte Tato und klatschte in die Hände. Lärm fand er einfach gut.

„Ja ja, lach du nur, du Mini. Warte nur, bis du alt genug zum Duellieren bist. Dann zeigt Onkel Sethi dir mal, was du ...“

„Whuuaahahaha!“ klatschte er wieder. „Tethi whuuaahahahaha!“

„Was ich eigentlich sagen wollte, war, dass Joey ... Papa, hör mir doch mal zu“ forderte sie und setzte sich ganz frei bei ihrem unaufmerksamen Vater auf den Schoß, damit er ihr endlich mal zuhörte.

„Was wolltest du mir über deinen Sklaven sagen?“ guckte er sie brummig an.

„Joey“ berichtigte sie lieb. „Ich glaube, Joey hat gar nicht so Unrecht mit seinem Geblubber. Also, ich will es nicht beschreien, aber ich spüre etwas im Wasser. Ich weiß nicht, was es ist, aber es ist riesig.“

„Ich sag’s doch“ grummelte Seto. „Ein Thunfisch mit Blähungen.“

„Spürt ihr denn da nichts?“

„Da ist nichts, Schatz“ küsste Seth sie lieb auf die Nase. „Pass lieber auf, dass du nicht ins Wasser fällst.“

„Nicht so wie Joey“ lachte Nini und kuschelte sich zu Papa und ihrem Brüderchen auf die Liege dazu. Sie war wohl fertig mit Pipi machen und kam jetzt ganz schnell zu Papa und Brüderchen zurück.

„Warum?“ schaute Narla gleich besorgt über ihren Tollpatsch von Freund. „Ich hoffe doch, dass er noch trocken ist.“

„Bei seiner Stubenreinheit wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher.“

„Du hast aber auch wieder Sprüche heute, Seto.“

„Joey ist schwimmen gegangen“ erzählte Nini. „Da hat’s geblubbert, hat er gesagt und jetzt will er den Blubberfisch mit dem Netz einfangen. Können wir den dann mit nach Hause nehmen und bei Opa in den Gartenteich setzen? Papa, sag doch mal.“

„Opa Fisseteich“ grinste Tato. „Könne Fisse su Opa mache. Viele Fisse blubb. Blubberdiblupp!“

„Das ist so typisch für ihn“ seufzte Seto genervt. „Kaum sieht er was, schon springt er hin. Na hoffentlich kann er schwimmen.“

„Er muss ja schwimmen, denn beim Anmachen der Tripple sind die Ruder ins Wasser gefallen“ lachte Narla.

„Die darf Joey dann selbst bezahlen.“

„Nein, mein Lieber“ musste sie ihn dann doch mal in Schutz nehmen. „Diesen Mist hat dein kleiner Bruder verbockt. Das war nicht Joey.“

„Hm, trotzdem seine Schuld.“

„Wieso ist denn das jetzt seine Schuld?“

„Es ist immer Joeys Schuld.“

Was aber eindeutig nicht unbedingt Joeys Schuld war, war eine ungewöhnlich hohe Welle, welche plötzlich ihre Jacht herumschaukelte. So hoch, dass schon das Deck leicht nass wurde und das Wasser in mehreren kleinen Wellen über die Planken spülte.

„Warum sind denn hier so hohe Wellen?“ fragte Tristan, der da eben auftauchte. „Ich dachte, mit dieser Lagunenabsperrung wird die Brandung gebrochen.“

„Irgendwas ist hier faul“ bemerkte Sethos tonlos und kam auch eben aus dem Führerhäuschen, wo er sich das geschenkte Shirt des Bootsverleihers angezogen hatte. Es war zwar babyblau und total verwaschen, aber es passte zu seiner hellen Dreivierteljeans. Er sah richtig aus wie ein Beachboy damit - wenn man ihn so sah, käme man niemals auf den Gedanken, dass er der höchste aller Heiligen war.

„Wenn du das sagst, beunruhigt mich das doch“ meinte Seth.

„Ich hab doch gesagt, ich spüre da etwas“ wiederholte Narla beleidigt.

„Wir sollten lieber wieder ans Ufer gehen“ bat der hohe Priester. „Diese Welle eben war nicht natürlichen Ursprungs. Und die anderen sollen ihre Angeln einholen.“

„Das war ja ne kurze Bootsfahrt“ trauerte Tristan. „Na gut, ich sage den anderen bescheid, dass wir zurückfahren. Fischen wir noch Joey rein und ...“

Aber dafür wäre es jetzt etwas spät.

In der Ferne donnerte es laut, obwohl keine Regenwolken am Himmel waren. Wie der Donner eines aufziehenden Gewitters und das unterstrich nur Sethos’ Vermutung, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.

„Gibt es Regen?“ fragte Nini laut juchzend. „Ich mag Gewitter. Mit Blitzen und kleinen Hagelkörnern. Ich mag Hagelkörner.“

Doch ein Gewitter war das absolut nicht.
 

Direkt auf dieses unheimliche Donnern wühlte sich das Wasser auf und ein riesiger Kopf wie von einem Meerungeheuer stieg aus dem Wasser empor.

Die Wellen schlugen hoch und dieses Monstrum war ... gigantisch.

So dunkelgrün, dass es fast schwarz war, weiße Augen und hellgrüne, lange Fangzähne, welche aus seinem runden Maul ragten. Auf seiner Haut saßen weiße Pocken fest und es klebte Seetang an ihm. Wie ein Monster aus der Tiefe.

Doch es war nur für wenige Sekunden zu sehen und verschwand mit einem heiseren Kreischen wieder in den Tiefen der Lagune.

In der Ferne hörte man nur Joey ziemlich panisch rufen, denn dieser gewaltige Kopf war nur wenige Meter neben ihm wieder untergetaucht. Dieses Ungeheuer war viel furchteinflößender als ein weißer Hai oder ein Thunfisch mit Blähungen.

„Wir müssen Joey aus dem Wasser holen!“ rief Nini und zeigte in die Ferne, wo durch diese hohe Welle ziemlich weit abgetrieben ein blonder Schopf zu erkennen war und zwei Zahnstocher, welche wild um Hilfe winkten. Diesen Fisch wollte Joey wahrscheinlich nicht mit seinem Catcher einsammeln und durch nur eine Welle wollte er auch nicht mehrere hundert Meter vom Boot weggespült werden.

„Halt! Du bleibst hier!“ konnte Seth seine Tochter gerade noch festhalten, als die über die Reling ins Wasser springen wollte.

„Aber wir müssen ihn da rausholen!“ schrie sie selbst in Panik. „Weißt du eigentlich, was das ist?“

„Das ist ein Tiefseedrache“ antwortete Sethos ruhig. „Eigentlich greifen sie keine Menschen an.“

„Aber eigentlich haben Tiefseedrachen auch nichts in Lagunen zu suchen!“ schrie Narla. „Die gehören in die Tiefsee! Wenn der Joey nun frisst?“

„Beruhige dich, Priestertochter. Ich hole ihn“ sagte er ruhig und trat selbst an die Reling heran, um nach Joey zu sehen. Er musste ja erst mal schauen, wo die Welle ihn so schnell hingetrieben hatte.

Doch in diesem Moment kam erneut eine gewaltige Welle auf und es erschien das aufgerissene Gebiss dieses dunklen Drachen, der zehn Mal so groß war wie der größte Wal. Wer glaubte, dass Blauwale die größten Lebewesen der Erde waren, der hatte sich getäuscht. Dieser Tiefseedrache schlug seine immense Größe um Längen. Ein Blauwal wäre für ihn wie ein Häppchen zum Frühstück und für seine riesigen Fänge nur ein kleiner Bissen.

Es ging viel zu schnell, da tauchte der Drache donnernd wieder unter und zog die Jacht in den entstandenen Strudel hinein, obwohl sie am Anker hin - doch der musste sich wohl gelöst haben. Sie drehten sich ein paar Mal um sich selbst und hielten sich fest, um nicht auch gleich über Bord zu gehen.

„Wo ist Joey?!“ Jetzt durfte seine Freundin aber Panik bekommen, denn der blonde Schopf war soeben mit der letzten Welle verschwunden. Man hörte kein Rufen mehr und der leuchtend blonde Schopf war auch einfach weg.

„Verdammt! Keiner von euch geht ins Wasser!“ fluchte Sethos und sprang selbst mit einem gekonnten Hechtsprung von Bord aus in die Tiefe ...

... und verschwand.
 

Die Wellen beruhigten sich, das Donnern war verstummt und die Zurückgebliebenen schoben Panik. Diese Stille bedeutete sicher nichts Gutes, wenn nicht mal die Möwen noch kreischten. Das Wasser wurde so ruhig, dass es spiegelglatt war. Nicht eine Regung war zu sehen und das war richtig gruselig.

Vielleicht lag die Ruhe des Wassers daran, dass Sethos jetzt untergetaucht war, aber wenn erst Joey verschwand und er dann so schnell handelte und der Anblick dieses Tiefseemonsters ...

Nichts war zu sehen, nichts zu hören. Als wäre diese Lagune ein toter See und gestattete es keinem Wort, diese Totenruhe zu durchschneiden.

Mittlerweile waren auch die anderen dazugekommen und starrten wie gebannt, wortlos auf die Stelle in der Ferne, wo eben noch ganz kurz Joeys Kopf zu sehen war.

„Und was ist ... wenn ...?“ wollte Tea bangend fragen, aber Mokeph griff sie nur an der Hand und verhinderte, dass sie das aussprach.

Wenn dieses Ungeheuer Joey wirklich gefressen hatte, dann wäre das eine Katastrophe. Der Drache war schon beim ersten Auftauchen gefährlich nahe an Joey dran gewesen und beim zweiten Mal hatte er ihn dann wohl erwischt.
 

Plötzlich wurde die Stille durchbrochen.
 

Mit einer gewaltigen Wasserfontäne schoss Sethos aus dem stillen Wasser heraus und streckte sich in den Himmel hinauf, der Sonne entgegen. Er schien beim Auftauchen ganz schön Speed draufgehabt zu haben, als er jetzt mit einem heftigen Knallen wieder an Bord landete und keuchend schnell auf die Beine kam.

Allein das war nicht normal, dass ein Mensch aus eigenem Antrieb mehrere Meter aus dem Wasser bis an Deck einer Yacht springen konnte. Aber Sethos hatte zum Wasser wohl eine ganz eigene Beziehung.

„Wo ist Joey?“ rief Seto, dem jetzt doch auch Angst und Bange war.

„Er hat sich eingeklemmt“ schnaufte Sethos und versuchte sich möglichst schnell das Shirt über den Kopf zu ziehen, was aber mit seinen langen Haaren so ziemlich schwierig war. „Hilf mir doch mal!“ fluchte er und schon war Mokuba zur Stelle und zog dem gebückten Sethos das Shirt über den Kopf und von den langen Haaren herunter.

„Warum musst du dir denn ausgerechnet jetzt das T-Shirt ausziehen?“ schimpfte Narla vor Angst. Es gab doch wohl Wichtigeres als sich jetzt freizumachen.

„Weil ich nicht atmen kann und Luft für Joey brauche“ keuchte Sethos und sprang ohne Hemd sofort wieder rückwärts zurück ins Wasser. Wäre die Situation nicht so dringend gewesen, hätte man wenigstens genießen können, wie elegant seine Sprünge über die Reling waren. Jeder Kunstspringer wäre neidisch geworden.
 

Den Sinn hinter seinen Worten konnte so schnell keiner erkennen, aber letztlich war Sethos wohl der Einzige, der hier etwas machen und Joey da einigermaßen unbeschadet wieder rausholen konnte ... oder ihn zumindest überhaupt wenigstens rausholen konnte.

Es war ja schon gut zu hören, dass er nicht gefressen worden war, sondern sich wohl bloß irgendwie verhakt hatte, aber er war jetzt schon sicher zwei Minuten unter Wasser und das war eine verdammt lange Zeit.
 

Sie traten vorsichtig an die Reling heran und versuchten da unten irgendetwas zu erkennen, aber das Wasser war nur glatt und ohne Regung. Nichts zu sehen. Absolut nichts. Kein Blondschopf, der plötzlich auftauchte und ihnen sagte, dass alles nur ein Scherz war und sich tierisch darüber amüsierte.

Wenn Joey da wirklich nicht wieder rauskam ...
 

Umso mehr erschreckten sie sich, als Sethos aus dem Wasser schoss und seine silbernen Flügel in den Himmel streckte. Er stieg mehrere hundert Meter hoch und zog eine lange Fontäne mit schäumendem Wasser hinter sich her, welche wie Silberstaub im Sonnenlicht glitzerte.

Dicht hinter ihm wuchs das dunkelgrüne Ungeheuer aus dem Wasser und schob ihm sein riesiges Maul hinterher. Dagegen wirkte Sethos richtig klein, denn dieser Drache war kolossaler als ein Kriegsschlachtschiff und seine Zähne waren furchteinflößender als die größten Kanonen und Speere. Seine Stimme wie ein tiefer, furchteinflößender Bass, welcher die Knochen allein durch Schwingung zum Brechen bringen konnte.

Und obwohl dieser Drache sicher an die hundert Meter heranreichte und eine hohe Welle verursachte, konnte er den kleinen Weißen in der Luft doch nicht erreichen. Er war mit dem Wasser verbunden, aber Sethos konnte sich zusätzlich auch in die Luft erheben - das war sein eindeutiger Vorteil. Und durch seine fehlende Größe war Sethos wesentlich schneller und wendiger als dieser Koloss.

Unverrichteter Dinge fiel er ins Wasser zurück und warf dabei die Jacht fast um, als wäre es nur ein Papierschiffchen. Unglaublich, dass es solche Lebewesen auf der Erde überhaupt noch gab. Er erinnerte mehr an einen Dinosaurier aus längst vergangener Zeit.
 

Erst als der Riese vollständig wieder verschwunden war, landete Sethos sicher auf den Planken der nassen Jacht und hatte glücklicherweise auch Joey im Arm.

„JOEY!“ Schon war Narla herbeigeeilt und schloss den nassen Hund erleichtert in ihre Arme. „Mann, ich wäre fast gestorben vor Angst um dich! Mach doch nicht so einen Scheiß!“

„Boah, jetzt hab .. ich auch ... echt mal richtig ... Schiss bekommen“ keuchte er und ließ sich doch zu gerne an ihren vollen Busen drücken. Sicher zitterte er noch ein wenig von dem Schrecken, aber jetzt war er ja wieder in Sicherheit. Dank Sethos.

Der musste selbst erst mal seine Flügel einfalten und verschwinden lassen, denn für solche Gliedmaßen war diese kleine Jacht dann doch nicht groß genug. Sie bekam unter dem Gewicht der riesigen Schwingen richtig Schlagseite und so stellte Sethos als erstes Mal das Gleichgewicht wieder her, damit keiner ins Wasser rutschte.

„Danke, Alter“ meinte Joey ganz atemlos aus der Puste. „Du hast mir ... das Leben gerettet.“

„Schon okay“ antwortete er ziemlich triefend und versuchte mal seine Haarpracht zu bändigen, welche ihm kreuz und quer am Körper klebte. Für so was waren seine prächtigen Haare ja nun doch etwas umständlich.

Und dabei entdeckten die anderen etwas wirklich Überraschendes.

An den Hüften, kurz über den Beckenknochen, da klafften zwei rote Wunden wie Halbmonde. Doch sie bluteten nicht, obwohl sie eine gesunde rote Farbe hatten. An dem rhythmischen Zusammenziehen, stieß man notgedrungen darauf, dass er da etwas hatte, was wirklich alles andere als normal war. Und es war doch verwunderlich, dass Sethos trotz der Anstrengung und des langen Tauchgangs nicht mal keuchte - wohingegen Joey ziemlich mit seiner Luft zu kämpfen hatte.

„Sethos?“ fragte Mokuba total erstaunt. „Sind das Kiemen?“

Das würde auch erklären, weshalb er sich das Shirt ausziehen musste, bevor er richtig in die Tiefe tauchen konnte. Der Stoff hatte ihm die Atemwege verdeckt.

„Ähm ... ja“ erwiderte er knapp und legte seine Hände schützend darauf, damit die anderen aufhörten, da so hinzustarren. Und als er sie wieder wegnahm, waren sie auch schon verschwunden. Er konnte wohl kontrollieren, wann er über seine Kiemen und wann über die Lunge atmete.

„Jetzt verstehe ich auch, warum du mich geknutscht hast“ eröffnete Joey.

Als er nämlich unter Wasser an diesem Riesen fest hing und ihm die Luft ausging, als er schon fast ertrunken wäre, da war Sethos plötzlich da und legte ihm seine Lippen auf den Mund, wodurch Joey wieder atmen konnte. Er musste also durch die Kiemen geatmet haben und hatte einen Teil davon an Joey durch seine Lunge weitergeben.

„Wärst du lieber ertrunken?“ fragte er leer zurück. Diese Sache war ihm peinlich und eigentlich hatte er nicht gewollt, dass jemand herausfand, dass er nun mal etwas anders gebaut war. Er hatte zwar mal gestanden, dass er Wasser atmen konnte, aber nicht die Art und Weise wie er es tat.

„Dann bist du ja fast ein Fisch“ strahlte Yami. „Ist das cool! Ist das normal bei Wassermagiern?“

„Weiß ich nicht.“ Sethos machte nicht den Anschein, dass er sich da groß drüber unterhalten wollte. Außerdem: Woher sollte er wissen, ob das für Wassermagier normal war? Er war doch leider der einzige, welcher jemals geschaffen wurde.

„Hey danke, Sethos“ lächelte Joey. „Ohne dich wäre ich echt aufgeschmissen gewesen. Gut, dass du da bist. Du hast mir das Leben gerettet.“

„Du hast später noch Zeit, mir die Füße zu küssen“ grummelte er. „Erst mal müssen wir uns überlegen, wie wir den Drachen hier wieder rauskriegen. Wenn er hier bleibt, wird er verhungern.“

„Wie kommt der hier überhaupt rein?“ fragte Tristan noch immer erstaunt. „Dieser Lagunenverschluss da hinten, dient doch eigentlich dazu, dass hier keine Wale stranden. Wie kommt dann so ein gigantischer Drache hier her?“

„Vielleicht war er hier schon drin“ überlegte Seto. „Wir wissen ja nicht, wie lange die Mauer schon steht. Vielleicht haben die Bauarbeiten ihn eingeschlossen.“

„Die Mauer steht seit etwa zwei Monaten“ meinte Joey und ließ sich von Narla wohlumsorgt das Haar mit einem der Liegetücher trockenrubbeln, welches sie Seth unterm Arsch geklaut hatte. „Die sind hier am ganzen Küstenstreifen gebaut worden. Das ist hier in der Gegend ein Versuch von Tierschutzorganisationen. Eigentlich sollen die Wale draußen gehalten werden.“

„Das kommt aber hin“ meinte Sethos. „Eigentlich greifen Tiefseedrachen keine Menschen an, aber der hier muss gigantischen Hunger haben. Wenn er wirklich seit zwei Monaten eingeschlossen ist, dann wird er sich irgendwann anderes Futter suchen müssen. Ich habe gesehen, dass er die Lagune schon ordentlich vertieft hat, weil er sich hier nicht richtig bewegen kann.“

„Aber wenn die Bauarbeiten ihn eingeschlossen haben, muss das doch jemand bemerkt haben“ stellte Noah treffend fest. „Ich meine, so einen Giganten übersieht man doch nicht einfach und so groß ist die Lagune ja nun auch wieder nicht.“

„Tiefseedrachen halten Sommerschlaf“ erklärte Narla. „Sie mögen die Wärme nicht, das macht sie schläfrig. Aus irgendeinem Grunde ist er hergekommen und die Wärme der Oberfläche hat ihn in seinen Schlaf verfallen lassen. In der Tiefsee ist es ja immer sehr kalt, also wäre das doch eine Erklärung dafür, dass ihn keiner bemerkt hat.“

„Warum macht er das denn nicht wie in Free Willy?“ schlug Mokuba mit seiner seltenguten Idee vor. „Er könnte doch einfach über die Mauer rüberspringen und wäre wieder draußen.“

„Hast du gesehen, wie groß der ist?“ gab Seth zu bedenken. „Ich glaube kaum, dass er sein Gewicht vollständig aus dem Wasser heben kann.“

„Außerdem ist er blind“ ergänzte Sethos. „Vielleicht ist das der Grund, weshalb er hier ist und nicht wieder rauskommt. Er hat sich schlicht verschwommen.“

„Woher willst du denn wissen, dass er blind ist?“ fragte Joey. „Der hat mich doch ganz zielsicher ins Visier genommen.“

„Aber verschluckt hat er dich nicht. Ich sehe es daran, dass seine Augen weiß sind. Normalerweise sind sie schwarz, um das wenige Licht in der Tiefsee besser zu nutzen. Aber jetzt, wo er so lange an der Oberfläche ist, muss das Licht ihn blind gemacht haben. Armer Bursche.“

„Kein Grund, mich gleich fressen zu wollen“ murrte Joey und ließ sich von Marie ein Handtuch reichen, da das eine schon ziemlich feucht war. So weit ging seine Drachenliebe nicht, dass er als Mittagessen enden wollte.

„Sei froh, dass er dich nicht gefressen hat, sondern du dich nur in seinen Schuppen verhakt hast“ meinte Sethos und ließ das Thema dann auch beiseite. Er hatte vollstes Verständnis dafür, wenn der Riese im Wasser hungerte.

Und wie der hungerte.
 

Doch von diesem freundlichen Verständnis bekam der nicht viel mit.

Der Gigant nahm jetzt wohl noch mal neuen Anlauf. Dass er Joey als Appetithäppchen nicht haben konnte, schien ihn nur noch hungriger zu machen.

Erneut stieg er aus der Tiefe empor und die hochschlagenden Wellen setzten den halben Strand unter Wasser. Ein lautes Donnern ging durch die Luft und alle sahen nur dieses gigantische Maul auf sich zukommen. Eigentlich wäre es nur ein Happs und er konnte die ganze Jacht verschlucken, sie mit seinen grünlichen Zähnen zerreißen und alle, die darauf waren, würden binnen Sekunden entweder zwischen seinen Fängen zerquetscht werden oder im ganzen Stück in seinem Magen landen, nur um dort langsam und qualvoll zersetzt zu werden.

Dieses ohrenbetäubende Donnern machte auch nicht gerade Mut auf Besserung und eigentlich hielt sich jeder nur am anderen fest und passte auf, dass die Kinder ihm nicht als erste ins Wasser rutschten. So einen Riesen konnte man schlecht aufhalten, wenn er mitten im Sprung war.

Außer Sethos.

Er zeigte sich recht unbeeindruckt und riss den Mund auf. Er schmetterte ihm einen solchen Schrei entgegen, dass die ganze Jacht bebte. Dass aus so einem scheinbar menschlichen Körper ein solches Donnerwetter entfliehen konnte, war nicht normal. Sein tiefgehender Schrei eines gigantischen Weißen hallte in die Ferne des Meeres hinaus und ließ sogar die Frontscheibe des Bootes entzwei springen.

Bis jetzt hatten sie immer gedacht, Seto und Seth hätten gewaltige Stimmen, aber hier zeigte sich, dass Sethos noch um ein Vielfaches mächtiger war. Wenn seine Macht so überwältigend und endlos war wie sein Brüllen, dann war er wirklich das mächtigste Wesen auf dieser Erde und brauchte keinen Feind zu fürchten. Nicht ein mal so einen übergroßen Tiefseedrachen.

Und ob man es glaubte oder nicht - der Drache ließ von seinem Vorhaben ab und schloss sein Maul, bevor das ganze Boot darin verschwand.

Es fehlten nur Zentimeter und er hätte Sethos berühren können, der direkt an der Reling stand und ihn mit intensiv blauen Augen anstierte.

Der dunkle Riese schnaufte verächtlich und grummelte etwas leiser. Sein heißer, fischiger Atem schlug ihnen allen ins Gesicht und diese Reißzähne sahen verdammt furchteinflößend aus. Aber anscheinend war Sethos noch viel furchteinflößender, auch wenn er nicht den Anschein machte. Wenn ein solcher Gigant sich einem priesterlichen Drachen in menschlicher Gestalt unterwarf, dann konnte das nur bedeuten, dass sein Gegenüber wesentlich mächtiger war.

Sethos streckte nur ganz ruhig seine Hand aus und legte sie dem Giganten auf die Spitze seines feucht glänzenden Mauls. Er drückte ihn leicht von dem Boot weg und mit einem sanften Grummeln verschwand der Tiefseegigant wieder im warmen Wasser der Lagune - ohne Beute.
 

Okay, jetzt musste sich der Schock erst mal legen. Die Kinder weinten und die Erwachsenen atmeten auch ziemlich außer sich.

Das war verdammt eng gewesen.

„Ich will hier weg“ heulte Nini und verkroch sich in Yugis Armen. „Das ist nicht mehr lustig.“

„Ist ja vorbei, Schatz“ tröstete Yugi, während Seto den kleinen Tato auf dem Arm hatte und den beruhigen musste. Risa quengelte auch laut und Felicitas weinte leise in Nikas Armen. Für die Kleinen war das wirklich ein ziemliches Schockerlebnis, wenn da so ein Riese aus dem Wasser stieg und sie fressen wollte.

„Wow danke, Sethos“ atmete Yami genauso schwer wie die anderen.

„Ja, echt“ meinte auch Mokeph. „Ich hab ja gewusst, dass du was drauf hast, aber das war jetzt echt heftig.“

Dass der sonst so ausgeglichene und ruhige Sethos so dermaßen heftig seine Position behaupten konnte, war umwerfend. Und das war wahrscheinlich noch nicht mal alles gewesen, was er konnte.

„Zuerst solltet ihr ans Land zurück“ beschloss er, ohne darauf einzugehen und wie von selbst bildete sich im Wasser eine Strömung, welche die Jacht sehr sicher das letzte Stück an den Anlegersteg zurückbrachte. Dass dabei der Anker noch im Wasser war, schien kein großes Hindernis zu sein. Durch die Wellen waren sie eh schon nahe zurück am Ufer und so waren sie auch alle froh, als sie aus der Jacht stolpern durften und wieder festen Boden unter den Füßen hatten.

„Kümmere dich bitte um den Bootsverleiher“ bat Sethos leise zu Seth.

Der arme Mann lag nämlich halb unter seinem Schreibtisch verkrochen und hatte anscheinend schreckliche Angst. Das war ja auch nicht normal, dass da so ein Untier in seiner Lagune herumschwamm.

„Und was machst du jetzt?“ fragte Yugi, als Sethos Kehrt machte. „Können wir dir irgendwie helfen?“

„Ich werde den armen Drachen hier rausbringen“ antwortete er ruhig. „Wenn er hier noch länger bleibt, wird er verhungern. Selbst wenn wirklich noch andere Badegäste zu seinen Opfern werden, so reicht ihm das nicht. Er muss hier raus, damit er nicht stirbt. Er ist einer der letzten seiner Art.“

„Aber wie willst du das denn machen?“ fragte Mokuba zu Recht. „Du kannst ihn doch wohl schlecht auf die Schultern nehmen und über die Mauer tragen. Die Lagune ist doch zugemacht.“

„Es wundert mich aber, warum der Drache den Schutzwall nicht einreißt“ meinte Noah. „Genug Kraft hätte er doch. Wenn er dagegen springt, müsste er doch rauskommen.“

„Du weißt das, aber er nicht“ erwiderte Sethos. „Der Drache kann nicht sehen, wie dick der Wall ist. Im Zweifelsfalle verletzt er sich selbst und so dumm sind Drachen nicht.“

„Sollen wir dir helfen, die Mauer einzureißen?“ fragte Seto. „Mit ein paar Energiewellen müsste das doch gehen.“

„Aber dann werden sich die Leute fragen, warum der Schutzwall kaputt ist. Die Erklärung könnte recht schwer werden. Packt lieber eure Sachen zusammen und überlasst den Rest mir.“

Mit diesen Worten verschwand er dann auch und ging langsam auf den Schutzwall zu ... was ein absolut verblüffendes Bild war. Er schwamm nicht etwa, sondern er setzte einen Fuß vor den anderen und ging über das spiegelglatte Wasser. Ohne unterzugehen oder zu straucheln.

Es war, als würde das Wasser unter ihm fest werden ...

„Sag mal, Seto“ fragte Mokuba leise. „Hast du die Lagune gefroren?“

„Er hat Kräfte, von denen wir keine Ahnung haben“ antwortete er ruhig. „Es hat sicher seinen Sinn, weshalb es keine Wassermagier außer ihm gibt.“

„Er sieht aus wie Jesus“ staunte Tristan ihm hinterher.

„Da bekommt die Bibel doch gleich ne andere Bedeutung“ flachste Yami, welcher diesen Anblick aber auch erst mal verarbeiten musste.

Dass man jemanden übers Wasser gehen sah, war ja nun keine Alltäglichkeit. Vor allem besonders, wenn es jemand wie Sethos war, welcher mit seiner hohen Gestalt und dem irrsinnig langen Haar langsam auf den Horizont zuging, unter ihm das spiegelglatte Wasser.

Seth schüttelte nur den Kopf und ging in das Steghaus, um sich dort um den verängstigten Bootsverleiher zu kümmern. Wahrscheinlich würde eine kleine Hypnose schon ausreichen, um ihm einzureden, dass das alles hier nur ein Traum aufgrund von übermäßigem Alkoholgenuss war.
 

Draußen aber spielte sich etwas Übernatürliches ab.

Während Sethos stolz übers Wasser schritt, erschien unter der geschliffenen Oberfläche ein tiefschwarz wabernder Schatten. Das musste der Drache sein, welcher unter ihm folgte. Er hatte Sethos sicher als seinen Herrn akzeptiert und würde ihm nicht mehr von der Seite weichen.

Es war ein faszinierendes Bild. Ein Mann wie Sethos, so außerordentlich hübsch und ruhig, ein so edler Priester, der übers Wasser lief, als wäre es sein angestammter Weg. Und unter ihm ein unheilverheißender Schatten, der jeden Moment aus dem Wasser schießen konnte und doch diesem viel kleineren Wesen über ihm gehorchte und ihn als seinen Meister annahm.

Es war also wahr. Sobald Sethos das Wasser berührte, konnte er es leiten, wie es ihm beliebte. Er konnte es wild aufwirbeln, doch die natürlichste Reaktion war, dass es totenstill wurde, als würde es sich andächtig verhalten unter seiner mächtigen Erscheinung. Als wäre das Wasser der Spiegel seines Ichs.

Irgendwann blieb er mitten auf der Oberfläche stehen und wies mit einer einzigen ausladenden Geste nach vorn.

Der Schatten unter ihm schwamm ein Stück vor ihn und blieb dann stehen, ohne sich weiter fort zu bewegen.

Es wehte nicht mal mehr ein laues Lüftchen, als Sethos seine Arme weit nach links und rechts ausstreckte und ein markerschütterndes Vibrieren durch den Untergrund ging. Das Wasser schien zu wanken, obwohl keine Wellen zu sehen waren.

Dann geschah etwas, was wirklich wie ein billiger Abklatsch klang, aber wie ein Wunder aussah. **Ich hab gestern Bruce Allmächtig geguckt und fand die Szene mit der Tomatensuppe sehr inspirierend. XD**

In der Mitte der breiten Lagune entstand ein leichter Riss, der langsam immer größer wurde. Links und rechts von ihm wallte sich das Wasser auf und ein Krater dazwischen wurde so tief, dass man bis auf den blankgelegten Meeresgrund blicken konnte, wo wellengeformter Sand, Muscheln, Steine und etwas Seetang verstreut lagen.

Er hatte wirklich die Macht, das Wasser zu teilen.

Doch auch für ihn war das kein Spaß, sondern harte Arbeit und so konnte er diesen Zustand nicht lange halten und diese Massen voneinander trennen.

Mit einem gewaltigen Rauschen ließ er die beiden aufgetürmten Wasserwälle los und so entstand in der Mitte, wo sie wieder aufeinander prallten, ein mehrere Meter hoher Schwall, welcher den nahe tauchenden Drachen direkt in seinen Sog zog und in der Mitte gefangen hielt.

Jetzt mobilisierte der Herr des Wassers noch mal all seine Kraft und schob diesen riesigen Wasserschwall über die steinerne Mauer hinüber, welche die Lagune verschloss und dem armen Drachen die Flucht verwährte.

Man sah nur, wie eine Unmenge an Wasser wie durch einen Tsunami auf die andere Seite flog und in sich einen so gigantisch grollenden Drachen beherbergte, dass einem eine Gänsehaut über den Körper lief.

Er hob den Drachen mit dem Wasser zurück ins offene Meer.

Zurück in seine Freiheit.
 

Nur langsam klang das laute Grollen ab und die wilde Wasseroberfläche bildete sich zurück in gemütlich schlagende Wellen. Sethos kippte entkräftet nach hinten und verschwand in der halb geleerten Lagune.

Vorbei war das Spektakel zur Rettung eines Tiefseegiganten.
 

„Okay“ brach Joey das drückende Schweigen. „Das war besser als Free Willy.“

„Der hat’s echt drauf“ lächelte Yami und nahm Seth in den Arm, der so böse dreinblickend neben ihm stand. „Nicht so viel wie mein Schatz, aber auch ganz nett.“

„Dich beeindruckt wohl auch gar nichts, was? WHUUAA! Atemu, nimm deine Hände da weg!“

„Tethi whuuaahahaha!“
 


 

Chapter 14
 

Sethos war nach einigen Minuten unbeschadet aus dem Wasser gestiegen und wurde natürlich erst mal bewundernd angesehen.

Das war doch wirklich beeindruckend, wenn man einen kleinen Teil dieser unglaublichen Macht sah, die er hatte. Und das war mit Sicherheit noch nicht alles. So ein Priester war wirklich nur einem Gott würdig.

Aber Sethos wollte nicht weiter darüber sprechen. Er fühlte sich nicht so gut dabei und eigentlich wünschte er sich nichts mehr, als dass er einfach als ganz gewöhnlicher Mensch hier sein konnte. Neben Rah war es ja vielleicht schön, wenn er ihm so große Fähigkeiten zu Füßen legen konnte, aber auf der Erde fühlte er sich wie ein Elefant unter Mäusen. Lieber wäre er eine Maus gewesen.
 

Aber auch wenn er so anders war, wurde er in den Mäusebau mitgenommen.

Die geplante Nacht im Hotel wurde kurzerhand gestrichen, denn Noah drängelte. Er hatte schon so viel Zeit verloren und er wäre auch trotzig alleine nach Hause geflogen, wenn der Rest ihm nicht mit einem Seufzen gefolgt wäre.

So kam es eben, dass sie schon einige Stunden später wieder zurück im trauten Heim waren.

Der Großteil war von der Reise erschöpft und wollte mit einem kleinen Matratzenbesuch die Zeitverschiebung erträglich machen. Nur Noah ging an die Arbeit und Joey plagte das schlechte Gewissen - und so folgte er ihm eben in die Stadt und würde dort also noch etwas schufften.

Seto interessierte das erst mal herzlich wenig, dass die beiden so viel Arbeit hatten. Für ihn war es erst mal wichtig, dass er sich bei Opa blicken ließ und danach seine Freundesliste durchtelefonierte, um eben ein Lebenszeichen von sich zu geben.

Durch die Bank weg freuten sich natürlich auch alle. Olivier fiel fast in Ohnmacht, Sylvie konnte vor Jubeln gar nicht mehr aufhören zu schreien und Makoto brach in Tränen aus. Die meisten anderen waren einfach nur baff, aber positiv. Dass Seto viele merkwürdige Eigenheiten hatte, das wussten sie ja, aber nicht, dass er solche Scherze mit ihnen abzog. Immerhin waren sie alle auf seiner Beerdigung gewesen und hierfür musste Seto sich eine ziemlich gute Notlüge einfallen lassen, die einigermaßen plausibel klang und auch für die Presse etwas hermachte. Zumal er ja auch in sämtlichen Akten toderklärt worden war.

Denn just am nächsten Morgen stand in allen Zeitungen, dass der Wirtschaftsdrache wieder zum Leben erweckt worden war und in Italien auch schon gesehen wurde.

Was sollte er den Leuten also erzählen?

Folgendes: Seine Krebserkrankung war echt und er hatte auch tatsächlich mit dem Tode gekämpft. Aber um nach so einer schweren Leidenszeit in Ruhe genesen zu können, hatte er sich selbst für tot erklärt, um seine Ruhe vor der Öffentlichkeit zu haben. Er war reich und so war es angeblich kein Problem, jemanden zu finden, der ihm diese Meldung auch veröffentlichte. Er hatte dafür auch nicht etwa jemanden bestochen, sondern einfach so sehr darum gebeten, für seine angeknackste Psyche, welche ja nun kein Geheimnis mehr war und da hatte man eben ein Einsehen mit ihm. Ob die Öffentlichkeit das jetzt toll fand oder nicht. Um seine bereits bekannte Extravaganz in Sachen Skandale wusste jeder und so nahm man ihm die Story auch tatsächlich ab. Damals den Rollentausch mit seinem Double hatte man ihm ja auch abgekauft, da konnte selbst die Todesnachricht nicht mehr schocken. Wenn man Kaiba hieß, konnte man sich alles erlauben. Und schließlich wurde er nur für tot erklärt, die echte Sterbeurkunde hatte es niemals gegeben, da sie auch nicht aufzufinden war ... Dank Noahs Connections.

Damit war auch mal wieder bewiesen: Manchmal war die einfachste Lügengeschichte, so wirr sie auch klingen konnte, die glaubwürdigste. Und wenn Seto behauptete, der Himmel wäre in Wirklichkeit grün, würde er auch dafür stichhaltige Beweise finden!

Seinen engsten Freunden aber erzählte er, dass dieses nur ein gemeiner Test gewesen war, weil er wissen wollte, wer wirklich zu seiner Beerdigung kam und nicht versuchte, ans Erbe zu kommen. Er hatte schon so viel menschliche Niedertracht kennen gelernt, dass er einfach wissen wollte, woran er war. Natürlich waren seine Freunde etwas pikiert bis ziemlich schwer beleidigt hierüber, denn wer Seto kannte, der wusste, dass so eine Aktion selbst für ihn etwas heftig war, aber glaubwürdig war das allemal. Er wurde einfach kurz angeschimpft und musste dann versprechen, so etwas nie nie nie nie nie nie wieder zu tun.

Okay, meistens telefonierte er mit jedem Einzelnen nicht unter zwei Stunden und musste sich mehr als ein Mal entschuldigen, seine Freundschaft und sein Vertrauen beteuern. Aber hätte er ihnen etwas gesagt, wäre seine Ruhepause ja auch für die Medien nicht glaubhaft gewesen und aufgeflogen, bevor sich seine Gesundheit erholt hatte. Seto fand tausend Ausreden und kam sich wegen des ganzen Lügens am Ende schon richtig schuldig vor ... aber was sollte er denn sagen? Dass er ne lebendige Mumie war? Wenn er das behauptete, hielt man ihn nicht nur für ein Arschloch, sondern dann war er obendrein auch noch ein unglaubwürdiges Arschloch.

Was für ein Glück, dass seine Freunde ihn trotzdem liebten. Sie drohten zwar damit, ihm die Freundschaft zu kündigen, sollte er so einen Schocker jemals wieder mit ihnen abziehen ... aber Seto hatte ja auch nicht vor, noch mal zu sterben. Jedenfalls nicht, bevor sein Lebensalter dreistellig war.
 

Aber aus den geschäftlichen Dingen hielt er sich weites gehend heraus. Er musste sich jetzt erst mal in Ruhe sortieren und überlegen, ob sein Leben wirklich richtig ausgerichtet war oder ob er nicht viel eher in eine ganz andere Richtung gehen wollte.
 


 

So vergingen etwa vier Wochen und das Leben normalisierte sich weitesgehend.
 

Bis endlich das schönste Erlebnis des Jahres anstand.

Yugis und Setos Hochzeit. **Seht ihr? Ich tue es wirklich! Die Schutzgelder (Mh... ist die Beta2 jetzt so begriffsstutzig oder müsste das nicht eher „Bestechungsgelder“ heißen? *drop*) zeigen langsam Wirkung. ^^** **Nein, es sind Schutzgelder, damit ich den Bishis nix antue. Ich nehme Bargeld, Überweisungen, Sachwerte, Kreditkarten und Kommis. Man muss ja sehen, wie man sich ein Auskommen sichert. Und diese Hochzeit haben sich meine Leser wirklich so einiges Kosten lassen.**
 

Der Termin im spanischen Konsulat war schnell gemacht und so ging es voll in die Planungen.

Es war schwierig zu entscheiden, wie groß die Hochzeit denn sein sollte.

Sollte es ein riesiges Medienspektakel werden oder lieber ganz klein im engsten Kreis? Und das mussten Yugi und Seto ganz alleine entscheiden, wie sehr sie es publik machen wollten.
 

Da kam es gerade recht, dass Seto wieder nach Hause kam, als auch Yugi gerade seinen Wagen in der Garage geparkt hatte. Er hatte ihre beiden Süßen vom Kindergarten abgeholt, wo ja jetzt auch Tato regelmäßig und gern zu Gast war.

„Da kommt Papa!“ jubelte Nini, als sie Setos silbernen Sportpfeil durch das Tor tuckern sah und er ihr mit der Lichthupe gleich vorab einen Gruß schickte, auch wenn sie ihn durch die dunkel getönten Scheiben gar nicht sehen konnte.

„Halt! Hier geblieben, junge Dame!“ krallte Yugi sie gleich fest, als sie freudenentbrannt auf ihn zulaufen wollte. „Erst wenn der Motor aus ist. Nicht vorher vor ein Auto laufen.“

„Aber das ist doch Papas Auto!“

„Auch nicht vor Papas Auto darfst du laufen. So was ist immer gefährlich.“

Ihr Gesichtsausdruck war zwar nicht sonderlich begeistert, aber sie musste nun mal auf Papa hören. Sie stand voller Erwartungen in den Startlöchern und beobachtete gespannt, wie das glänzende Auto einfuhr, einparkte und dann endlich der Motor ausgestellt wurde.

„JETZT ABER!“ Da durfte sie dann auch endlich loslaufen und Papa die Tür aufmachen. „MEIN PAPA IST ZUHAUSE!“ Noch bevor Seto aussteigen konnte, krabbelte sie zu ihm hinein und betätigte bei ihrer Kuschelattacke aus Versehen die laute Hupe, welche sofort durch die gesamte Tiefgarage schrillte.

Tato jubelte laut und freute sich über den plötzlichen Lärm, während Nini aus dem Inneren des Wagens nur niedlich kicherte und ihren Papa am liebsten wohl gar nicht mehr los ließ.

Immerhin hatte sie ihn jetzt seit fast sieben Stunden nicht gesehen!

Dafür ging aber die Beifahrertür auf und Sethos stieg heraus. Yugi fand einfach jedes Mal aufs Neue, dass der Sonnenpriester in so weltlicher Kleidung verblüffend surreal aussah. Seine teure Blue Jeans, die schwarzen Lederstiefel und das weiße Hemd schmückten ihn trotz ihrer Schlichtheit - aber mit diesen umwerfenden Haaren war er einfach jedes Mal ein Hingucker. Selbst wenn er nur einen Pferdeschwanz trug, sah er unglaublich aus und seine Gangart war so edel, so elegant wie ein Fluss, welcher sich in der Abenddämmerung durch die Canyons schlängelte. Seine ganze Aura war so ausbalanciert, dass er selbst eine schlichte Garage **Kaiba-Schlichtheit** in einen zauberhaften Klang versetzte.

„Hallo Aitemu“ lächelte er freundlich und nickte ihm herzlich zu, als er die Tür zum Wagen zuschlagen ließ.

„No ein Tethi!“ jubelte Tato. „Hallo! Hallo! Hallo! Hallo!”

„Ja! Hallo, Tato!” lachte noch ein Sethi und winkte ihm fröhlich zurück.

„Hallo Sethos!“ grüßte Yugi, der Tato vor Begeisterung gar nicht mehr festhalten konnte und ihn auf dem Boden absetzte, damit ihn seine krummen Beinchen selbst hinübertrugen.

Aber auch wenn Yugi gerade in einen Gedankengang über Sethos vertieft war, faszinierte ihn der Blick auf Seto noch viel mehr.

Sein Liebling stieg aus dem Wagen und hatte dabei ihre kleine Prinzessin auf dem Arm, welche ihm wohl einen Schokoriegel aus dem Handschuhfach gemopst hatte und sich nun daran gütlich tat.

Und Kinder standen ihm so gut. Er hielt sie so zärtlich auf seinem Arm, ließ sie sich so weich anschmiegen ... er kannte keinen Menschen, der mehr Sanftheit besaß als ihn. Und eigentlich empfand Yugi ihn als noch viel fesselnder. **Stellt euch Seto mal in Zeitlupe mit ein bisschen Licht und Wind vor ...**

Seto trug ein dunkelblaues, kurzärmliges Hemd, an welchem er die ersten zwei Knöpfe sommerlich geöffnet hatte. Er schob sich die Sonnenbrille hinauf und strich sich damit das erdige Haar aus der Stirn wie mit einem Haarreifen, als er sich von seiner Kleinen ein Stück Schokolade in den Mund stecken ließ. Seine graue Stoffhose umspielte so weich seine grazilen Hüften, schmeichelte seinen sündhaften Beinen, dass Yugi ganz warm wurde. Nur ganz entgegen dieser sanften Erscheinung, trug er knallbunt geblümte FlipFlops. Zum einen, weil er gern die Füße frei hatte, vor allem im Sommer und zum anderen, weil Nini diese Schuhe im Kindergarten bemalt und ihm geschenkt hatte. Er hätte auch kein Problem damit, dem Präsidenten der Vereinigten Staaten mit knalligen FlipFlops unter die Augen zu treten. Seto liebte alles, was seine Kinder ihm schenkten, auch wenn andere das als eigenartig empfanden. Aber Seto war nun mal etwas eigenartig. Deswegen liebte Yugi ihn ja so sehr. Setos Art zu lieben war so vorsichtig, aber doch so intensiv. Man wusste nie, was sein verqueres Hirn als nächstes plante und ...

„Aufwachen“ tippte Sethos ihn an, als Yugi echte Stielaugen auf Setos Po bekam. Der hatte sich nur umgedreht, um den Schlüssel ans Bord zurückzuhängen, aber Yugi bewunderte seinen Körper einfach von oben bis unten.

„Was ... ja.“ Gut, jetzt hatte Yugi gemerkt, dass er glotzte.

„Ähm ... Yugi?“ sprach er dann noch vorsichtig weiter.

„Ja? Was denn?“ lächelte er verträumt herauf.

„Ähm ... du ... sorry, aber du hast einen Ständer.“ So was merkte Mann ja nicht immer, aber wenn Yugi damit weiter herumlief, würde sich sicher so manch einer über ihn amüsieren. Und spätestens Nini würde dann fragen, wenn sie das sah. Sie hatte da eh noch ein Rätsel offen, denn als sie Doofmann letzte Woche wecken wollte, guckte da auch so ein stockiges Ding in die Höhe, welches sie nicht einordnen konnte. Yami hatte daraufhin ein ziemliches Donnerwetter von Seto über sich ergehen lassen müssen, aber er konnte da ja nicht wirklich was für, wenn die Kleine ihm überraschend ins Bett krabbelte und ihn mitten aus einem feuchten Traum weckte.

„Oh, Mist“ lächelte Yugi ertappt und verschränkte die Hände vorm Schritt, um das freche Ding ein bisschen herunterzudrücken. Das stach ja nun doch ziemlich hervor. Vielleicht sollte er in Setos Gegenwart einfach wieder engere Hosen tragen.

„Gock mol, Baba“ schmatzte Nini fröhlich. „Hab isch Baba geglaud.“

„Na, wenn er sich beklauen lässt“ meinte er und bekam von Seto einen lieben Kuss zur Begrüßung aufgeschmatzt. Viel zu kurz, wie er fand.

„GNUUTS!“ Natürlich ... den durfte man doch nicht vergessen.

„Hallo, Knutschipups“ lachte Seto und gnuutste den Kleinen dann auch.

„Wo seid ihr denn gewesen? Ich hab euch vermisst“ fragte Yugi.

„Recherchen“ lächelte Seto. „Wollen wir erst mal raufgehen? Ich erzähle dir dann alles.“

„Ja!“ jubelte Nini und sprang Papa vom Arm. „Ich hab Tassi was mitgebracht. Ich weiß jetzt, wie man Papierschwalben baut und das muss ich ihr zeigen!“

Und schon war sie fort. Den Weg von den Garagen in den kleinen Vorraum, in die Empfangshalle, in den Privatbereich, in das Wohnzimmer kannte sie in- und auswendig.

„Solche Energie hätte ich auch gerne“ seufzte Seto, legte Yugi den Arm um die Schultern und folgte der Kleinen direkt.

Sethos ging etwas schmunzelnd dahinter, ließ Tato mit seinen Haaren spielen und beobachtete interessiert, wie Yugis Hand an Setos Arsch wanderte und dort genießend liegen blieb. Der fand das nur angenehm, aber seinen kleinen König machte es sichtlich heiß, denn sein Gang war doch recht gequält und mit der freien Hand hielt er noch immer seine freche Hose zurück.

„Hast du einen schönen Tag gehabt?“ begann Seto einfach mal ein normales Gespräch.

„Ja, doch schon“ meinte Yugi. „Der Trainer hat mich ganz schön gequält, aber geschieht mir recht. Er meint’s ja nur gut. Und Falsetto hat sich wohl auch gefreut, dass er mal richtig ausgepowert wird. Und bei dir?“

„Hm, mein Tag war easy. Joey hat mich genervt, bis er zum Termin musste, Yami hat mich genervt, bis er zum Training musste, Mokuba war in der Uni, Sethos hat gepennt, aber Risa war da. Die hat mich dann ein bisschen unterhalten, bis sie eingeschlafen ist. Tja, dann hab ich nen Anruf bekommen und hab Takato in der Stadt getroffen.“

„Wer ist denn Takato?“

„Ein Bekannter von Noah. Der Initiator der Schwulen- und Lesbenvereinigung und wir haben über unsere Hochzeit gesprochen.“

„Du willst jetzt diesen Takato heiraten? Schade. Dann muss ich meinen Smoking zurückgehen lassen.“

In Setos Kopf rasselte und rauchte es, aber da stieg er nicht hinter. Also guckte er Yugi nur ganz verwirrt an und seine süßen, ahnungslosen blauen Augen sahen einfach zum Anbeißen aus. **Hmmmm, Augen ...**

„Lass es, Liebling“ lachte Yugi und lehnte sich vertrauensvoll in seinen Arm.

Nur leider ließ sein Liebster ihn los, als sie die Treppe in den ersten Stock hinaufstiegen und er vorging, um die Tür zu öffnen. Der Ausblick auf Setos schwingenden Po machte es nicht wirklich erträglicher und Yugi musste ganz schön schlucken. Warum war er denn plötzlich nur so angeheizt? Er hatte doch nur etwas genauer hingesehen ... es war vielleicht nur die Vorfreude auf die Hochzeit in einer Woche, aber ... musste Seto auch immer so verdammt erotisch aussehen? Vor allem im Sommer, wenn er eigentlich immer leicht gerötete Wangen hatte und dann immer diesen gewärmten Touch ausstrahlte ... wie gemein.

„Ich nehme den Prinzen mit“ beschloss Sethos und schleppte Tato auf dem Flur gleich mit sich fort.

„Was willst du denn mit ihm?“ guckte Seto. „Wir sind doch jetzt hier. Du musst nicht auf ihn aufpassen.“

„Ich werde den zukünftigen Enaseus ans Beten heranführen, wenn es euch recht ist.“

„Na dann viel Glück“ meinte er. „Da hat Seth sich schon die Zähne ausgebissen. Tato und stillsitzen passt nämlich nicht so richtig zusammen. Und wenn er mal still ist, ist er müde oder macht in die Windel.“

„Ich altere ja zum Glück nicht“ lächelte der große Priester. „Ich habe genug Zeit.“

„Fragt sich nur, ob Tato auch so viel Zeit hat.“

Sethos schmunzelte nur und ging mit Tato weiter, wahrscheinlich aufs Dach, wo die Sonne schön warm raufschien. Wohl auch oder eben gerade damit seine Papas ein wenig unter sich sein konnten.

„Er ist genauso ein Spinner wie Seth“ beschloss Seto für sich. „Babys müssen nicht beten lernen.“

„Na, komm“ lächelte Yugi und hielt ihm die Tür ins Schlafzimmer auf.

„Kriege ich nichts zu essen?“

„Können wir nicht erst ... na ja ... du wolltest doch ... wollen wir nicht ... du weißt schon was ...?“

„Stimmt! Ich wollte duschen!“

„Öh ... schade.“

„Was?“

„Okay! Ja! Gehen wir duschen.“ >Und spielen Ständer verstecken.<

„Yugi, ich glaube, dir bekommt die Hitze nicht“ beschloss er und ging einfach an ihm vorbei ins Zimmer, während der kleine Pharao an der Tür stehen blieb **und der kleine Pharao steht und steht und steht ... ich glaube, den Witz im Wortspiel kriegt hier eh keiner mit T__T** und sie fest ins Schloss fallen ließ. **Bumms XD**

Drinnen knüpfte er sich gleich das Hemd auf und merkte gar nicht wirklich, wie Yugi ihn mit Blicken viel schneller auszog. Der stand **XD** noch immer an der Tür und schaute herüber, was Seto erst dann realisierte, als er sein Hemd auf die Sofalehne legte und fragend herüberschaute, weil es ihn ja doch wunderte, weshalb er dort so lange stand. **und stand und stand und stand ... okay, Ruhe jetzt!**

„Willst du nicht herkommen?“ fragte er verwundert. „Du musst da nicht an der Tür stehen leiben.“ **Da bekommt das Wort ‚standhaft’ doch gleich ne andere Bedeutung. Ach, ich wollte doch ruhig sein jetzt! Mann!**

„Sag mal ... könntest du vielleicht auch deine Hose ausziehen?“

„Hatte ich zum duschen doch eh vor. Du bist eigenartig, Yugi.“ Aber davon ließ er sich noch nicht aus der Ruhe bringen. Völlig unbesorgt löste er die Knöpfe und den Reißverschluss und ließ sie auf den Boden herab, nahm sie auf und legte sie neben das Hemd.

„Yugi?“ Aber als Yugi sich da noch immer nicht wegbewegte, diesen glasigen Blick hatte und die Hände ringend vor sich verschränkte, da wurde er doch ernsthaft stutzig. „Was hast du denn? Ist dir nicht gut? Hat dein Trainer dich so geschafft? Möchtest du dich vielleicht lieber hinlegen?“

„Na ja ... ich ...“ Beste Erklärung war wohl einfach die Hand wegzunehmen und ihm sein Problem zu zeigen.

Und Seto staunte nicht schlecht. Wo kam das denn so schnell her?

„Ich bin total erregt ... du machst mich an, Liebling“ gab er rotwangig zu.

„Seit wann bist du so schüchtern?“ wunderte er sich doch ernsthaft, nachdem er das jetzt auch eingeordnet hatte. War ja nicht das erste Mal, dass Yugi so ein Problemchen hatte. Da brauchte er doch nicht schüchtern sein! Das war doch wohl ein zu lösendes Problem.

„Weil wir doch unsere Hochzeit besprechen wollten“ erklärte er ernsthaft, während sein Liebling auf ihn zuging wie ein Panther.

„Ja, nach dem Sex schlafe ich ja dummerweise meistens ein“ meinte Seto, griff seine warmen Hände und zog ihn mit sich herüber auf die weiche Couch, setzte ihn hin und strich ihm verliebt über die rotgehauchten Wangen. „Aber um dein Problem kann ich mich auch so kümmern. Bisher haben wir das noch immer zu deiner Zufriedenheit gelöst. Darf ich?“

Die Antwort setzte sein Liebling einfach mal voraus. Er begann sofort mit der Problemlösung, indem er Yugi seine Zunge aufdrängte und schon die Hitze in ihm schmeckte. Er hatte diese ganz bestimmte Süße, wenn er erregt war. Wie als würde Seto seine Hormone schmecken, welche er dann abstrahlte.

Er spreizte Yugis Beine an den Knien und warf sich selbst noch schnell ein Kissen auf den Boden, denn er wusste, dass sonst seine Knie litten, wenn es länger dauerte. Auch wenn die zitternde Zunge und seine fahrigen Hände nicht das Zeichen gaben, dass es heute länger dauern würde. Das würde eher ein kurzes Spielchen werden.

Er löste den Kuss und hörte zu gerne Yugis helles Seufzen, welches er mit geschlossenen Augen herausließ.

Ohne Umwände kniete er sich direkt zwischen seine Schenkel und zog vorsichtig den Gummibund seiner Sommerhose hinab, um das gute Stück zu befreien.

„Wow!“ staunte er mit weiten Augen. Der war ja schon ziemlich groß und hart. „Wie hast du das denn gemacht? Hast du vorgearbeitet?“

„Wenn du die ganze Zeit mit dem Hintern wackeln musst“ glühte Yugi ihn an. Setos Hintern wirkte besser als jeder Hotmaker. „Aber dein Mund ist auch nicht übel. Zwar nicht ganz so eng, aber auch nicht übel.“

„Nicht übel?“ guckte er zu ihm hoch. „Ich hoffe, nach meiner Behandlung fällt dir noch ein anderes Adjektiv ein. Aber zieh mir dieses Mal nicht so doll an den Haaren, ja? Das wäre echt nett von dir.“

„Ich versuch’s hhhaaaahhhhh“ lächelte Yugi und stöhnte im selben Moment leicht auf, als ihm die Erregung in den Kopf schoss.

Seto hatte begonnen mit seiner Zunge neckisch über die harte Spitze zu schlecken und das zischte dem Besitzer durch die Knochen, bis es im Hirn eine kleine Explosion auslöste. Sofort schnellten seine Hände an Setos Kopf und wollten ihn herunterdrücken, aber ...

„Yugi. Haare“ kam es nur ermahnend von Seto, der dieses Mal seine Frisur gerne behalten wollte. Vor drei Tagen hatte Yugi ihn unabsichtlich einen ganzen Büschel leichter gemacht und die kahle Stelle hatte er jetzt noch. Es wäre also wirklich nett, wenn dieser schmerzhafte Anfeuerungsversuch dieses Mal ausblieb.

„Sorry“ nuschelte er und legte seine Hände brav in den kühlen Nacken. Da lagen sie gut und fingen hoffentlich keinen Streit an.

„Braver Pharao“ raunte er und begann von neuem die heiße Spitze mit seiner Zunge zu umkreisen.

Er hört das leise Stöhnen und versuchte einen Blick nach oben einzufangen. Aber sein Liebster hatte den Kopf so weit zurückgelegt, dass er nichts sehen konnte.

Er ließ sich eben ganz auf ihn ein und Seto wusste, dass er es liebte, wenn er einen geblasen bekam. Das war einfach eine von Yugis Vorlieben und dass er selbst dabei leer ausging, störte ihn eigentlich nicht weiter. Schließlich opferte sein Liebster sich häufig genug für ihn auf und Seto wusste, dass er ihn schon so einige Nerven gekostet hatte. Außerdem mochte er es, wenn er sah, wie sein Noch-Verlobter sich rückhaltlos in seine Hände gab und ihm einfach vertraute. Andere empfanden das vielleicht als Erniedrigung, wenn sie dies ständig taten, aber Seto empfand es als schön, wenn er so einen kleinen Teil seiner Liebe ausdrücken konnte. Erniedrigend waren andere Dinge - aber nicht, dem geliebten Menschen eine kleine Vorliebe zu erfüllen.

Sanft fuhr er mit der Zunge an der ganzen Unterseite entlang, strich zwischen seine Hoden und fuhr feucht wieder hinauf, wo endlich schon der erste Lusttropfen auf ihn wartete. Erfreut leckte er ihn ab und saugte sich sogleich den nächsten heraus, was von Yugis Seite nur mit einem „Me~ehr“ gedankt wurde. „Liebling, mach!“ flehte er und knetete seinen Nacken. „Ich komme gleich!“

„Sagst aber vorher bescheid, ja? Ich will das Zeug nicht noch mal ins Auge kriegen.“

Das war nämlich auch schon vorgekommen und relativ unschön, wenn Yugi einfach losspritzte und Seto sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte.

„Bhescheidh“ keuchte er schwer und schaute mit hochroten Wangen an sich hinunter, wo diese traumhafte Zunge noch immer ihr gemeines Spiel trieb und ihn hinhalten wollte. „Lhiebling, bhitthe! Ichh brauchhe dhich. Bhitthe, lhass mhich khommen. Nimm dhen ganzhen Mhund! Bhiiiiitte!“

„Aber beschwere dich hinterher nicht, dass es zu kurz war.“ Also erbarmte sich der meckernde Drache und legte den nächsten Gang ein.

Er hielt das steife Glied mit der einen Hand fest und legte die andere auf Yugis Hüftknochen, um seine Bewegungen zu kontrollieren.

„Setho, mhach!“

„Ich will nur nicht, dass du wieder so doll zustößt“ meinte er beleidigt. „Du hast nämlich manchmal die dumme Angewohnheit, dass du ständig reinstößt und ich immer nur zurückziehen kann.“

Es war doch echt zum Ausflippen. Yugi war geil wie Hulle und Seto war nur am Meckern und am Anweisungen geben.

„Ichh bhin brhavh“ atmete er und senkte verkrampft seinen Kopf. „Bhitthe mhach. Lhass mhich nhicht bhettheln.“

„Na gut, dann will ich mal nicht so sein.“

„Zhu ghütigh.“

Aber dann hatte sich der Drache endlich auch ausgemeckert. Endlich nahm er die ganze Härte in den Mund und saugte kräftig daran. So kräftig, dass Yugi den Kopf zurückwarf und laut aufstöhnte. Fast wäre er vom Sofa gerutscht, wenn sein Liebling ihn nicht abgestützt hätte.

Er bewegte erst langsam, aber dann schneller seinen Kopf auf und ab, je nach dem wie schnell Yugis Atem ihm folgen konnte. Er machte feste Lippen, schob immer wieder die weiche Haut vor und zurück und fühlte, wie das Blut in seinem Glied pulsierte, es größer machte, heißer, härter.

„Mhehr Zhunghe ...“ keuchte Yugi und bekam seinen Wunsch dann auch umgehend.

Seto setzte mehr Zunge ein und während er saugend seine Härte pumpte, umspielte er die Spitze immer wieder in kleinen Kreisen. Mit seiner Hand massierte er die Wurzel, an die er mit den Lippen nicht herankam und fühlte mit der anderen, dass das Becken schon gefährlich zuckte, er sich aber wohl zurückhielt zuzustoßen. Braver Yugi.

Nur seine Fingernägel im Nacken taten etwas weh und brannten nach einer Minute ziemlich heftig.

„Haach, Yugi!“ schimpfte Seto mit sabbrigem Mund als er erbost auftauchte. „Leg die Hände doch mal auf meine Schultern und kneif nicht so. Das tut weh!“

„Aaa~aaahhhh ...“ Yugi tat aber, was ihm gesagt wurde. In diesem Moment hätte er wohl alles getan. Er legte seine Hände auf diese wunderbar breiten Schultern und hielt sich dort fest - bemüht ihn nicht zu kneifen.

„Danke“ knurrte er und machte sich wieder an die Arbeit.

Erst saugte er sich an der warmen Eichel fest, dann fest tiefer und Yugi bekam das Gefühl, er hätte da unten einen kleinen Vampir sitzen.

Doch endlich wurde das saugende Gefühl gelöst und er wurde wieder schneller. Die Zunge umkreiste ihn und seine Hände waren einfach göttlich, so kühl, so kräftig, so zärtlich. Seto hatte einfach seine Technik absolut perfektioniert und fand irgendwie auch Spaß daran, ihn in den Wahnsinn zu treiben. Sonst war der beim Sex immer derjenige, der alles in der Hand hatte, aber hier durfte Seto sich auch mal austoben.

Yugi drückte seine Schultern und war erleichtert, als die Hand seines Lieblings etwas locker ließ und er nun doch vorsichtig zustoßen durfte. Immer rein in die feuchte Enge, welche ihn mit den schönsten Lüsten lockte. Die Zähne, die ihn leicht streiften, die Zunge, die ihn wahninnig machte, die Lippen, die ihn massierten. Setos Mund war ein Wunderwerk der Natur.

„SCHEISSHE! HICH KHOMMHE! HICH KHOMME! VHERDHAMMT ... OH SETHO! DHU BHIST SO GHUT! HÖR NHICHT AUFH! HÖR NHICHTH AUFH! HICH KHMOMME! HICH ... AAAAA~AAAAAHHHHH~HH~HH~HH ....“

Endlich löste sich dieser schreckliche Druck und drängte nach außen. Es fühlte sich so gut an, wie Seto leicht stoppte und geduldig alles trank, was ihm in den Mund floss. Er hörte das leise Schlucken, hörte ihn ein zweites Mal schlucken und spürte dann endlich wie der heiße Schmerz abflaute und sein Körper ganz locker wurde.

Erleichtert stöhnte er auf und ließ seinen Kopf zurück auf die Sofalehne sinken.

„Das war gut“ atmete er mit einem zufriedenen Lächeln. Jetzt war es besser. Jetzt konnte er wieder klarer denken.

„Fällt dir kein anderes Wort ein? Von ‚nicht übel’ zu ‚gut’ ist keine große Steigerung.“

„Wahnsinn“ schwärmte er erschöpft. „Totale Befriedigung, Leidenschaft, Erregung, Geilheit. Haaahhhh Orgasmus. Noch mehr?“

„Das waren aber Nomen, Yugi. Hast du keine Adjektive?“

„Seit wann ist dir Grammatik beim Blasen so wichtig?“ guckte er skeptisch und noch immer leicht atemlos an sich hinunter. „Und warum bist du nur am Schimpfen?“

„Ich schimpfe doch gar nicht.“

„Doch. Tust du. Die ganze Zeit schon.“

„Ach ja? Was schimpfe ich denn?“

„Spritz mir nicht ins Auge, stoß nicht in meinen Mund, reiß mir nicht die Haare aus, kneif mir nicht in den Nacken. Nichts darf man mehr bei dir, du Mimose.“

„Und du hast schon wieder geflucht beim Kommen. Es wäre nett, wenn du nicht ‚Scheiße’ sagst, wenn du fertig wirst. Das verdirbt den Appetit.“

„Du tust ja echt so, als sei das ne Strafe, mir einen zu blasen. Dabei ist das alles nur deine Schuld.“

„Ach ja?“ schimpfte er ziemlich angefasst, fast schon böse. „Warum ist schon wieder alles meine Schuld?“

„Weil du einfach zu geil bist. Weil du mich in ein lüsternes Subjekt verwandelst. Würdest du dich nicht so unzüchtig gebärden, würdest du mich auch nicht so unkontrolliert machen!“

„Die Adjektive gefallen mir“ lächelte er und kletterte Yugi in den Arm, legte seinen Kopf auf den befriedigten und mittlerweile wieder eingepackten Schoß, um sich den Kopf kraulen zu lassen, was Yugi auch ganz folgsam sofort tat. So wurde aus dem schimpfenden Drachen ganz schnell ein schmusiges Katzenbaby.

„Hach, du bist echt ein Original“ seufzte er dann auch. Seto war eben in letzter Zeit etwas schwerer zu handeln als früher. Besonders süß war er, wenn er so wie jetzt, bis auf die Unterhose entkleidet auf seinem Schoß lag, sich zusammenrollte wie ein kuscheliges Kitten und sich kraulen ließ. Im Sommer brauchte Yugi wenigstens keine Angst haben, dass er sich dabei erkältete.

„Sag doch mal danke, Yu-chan“ murrte er dennoch leise weiter. „Du hast dich gar nicht für den Job bedankt.“

„Danke, mein Liebling. Du bist fantastisch. Danke, dass du mich von meinem Druck erlöst hast.“

„Sag, dass du mich liebst.“

„Ich liebe dich.“

„Sag, warum du mich liebst.“

„Mit Nomen oder mit Adjektiven?“

„Mit Pronomen.“

„... Häh?! Mein, dein, unser?“

„Erwischt“ grinste Seto und seine blauen Augen hatten ein unheimlich zufriedenes Leuchten. Er genoss diesen Moment, das sah man. „Wusstest du eigentlich, dass der Plural von Pronomen, nicht Pronomen, sondern Pronomina lautet? Es gibt die Indefinitpronomina, die Interrogativpronomina, die Reziprokpronomina, die ...“

„Seto ...“ seufzte Yugi und verdrehte die Augen. „Muss das jetzt sein?“

„Aber weißt du, was ich nicht weiß? Warum gibt es von Plural eigentlich keine Mehrzahl? Von Singular gibt es zwar auch keine Mehrzahl, aber das ist vielleicht noch logisch. Ich weiß nur, dass der Begriff Plural vom lateinischen plures abstammt und das bedeutet übersetzt ‚mehrere’. Aber ich weiß nicht, warum es von Plural keinen Plural gibt ... meinst du, das ist schlimm - so eine Bildungslücke? Vielleicht gibt es ja auch einen Plural von Plural und ein Singular von Singular und ich weiß es nur nicht. Wäre das nicht schrecklich? Vielleicht heißt es ja Plurale und Singulare ... hast du da schon mal drüber nachgedacht? Obwohl ein Plural von Plural ja eigentlich Quatsch wäre, weil es ja an sich ein Plural ist. Und trotzdem sagt man EIN Plural, obwohl es doch an sich schon ne Mehrzahl bildet. Und bei Singular ist es das gleiche nur umgekehrt. Kann es mehrere Singulare geben, obwohl ein Singular ja eigentlich nur auf einen begrenzt sein dürfte und wenn ich jetzt mehrere Einzelteile habe, dann sind das ja doch Singulare, obwohl’s eben mehr als einer ist oder werden das dann Plurale, obwohl es ja nur einen Singular von Plural gibt? Also muss es von Singular einen Plural geben, oder? Aber muss es denn auch von Plural einen Plural geben? Ich meine, ich kann ja nicht einzeln mehrere Stücke haben ... obwohl wenn ich zwei Schalen mit Pluralen habe ... aber wie zählt man denn einen Plural und mehrere Singulare jetzt? Irgendwie tut sich da ein Paradoxum auf. Da hab ich echt ne Lücke. Ich glaube, das muss ich mal nachschlagen, so’n Mist.“

„Deine Lücken hätte ich gerne.“

„Das interessiert dich gar nicht, oder?“ Das stellte Seto ja früh fest ...

„Doch, das interessiert mich brennend“ flachste er zurück. „Wen würde das nicht interessieren? Jetzt weiß ich ja, dass Nini das Plappern nicht von mir hat.“

„Ich plappere nicht.“

„Doch. Tust du.“

„Aber nicht so wie Nini.“

„Nein, du plapperst wie Seto. Das ist Plappern für höhere Semester.“

„Gar nicht wahr.“

„Doch wahr. Und jetzt sei ruhig, sonst wird Joey böse, dass du dich mit mir und nicht mit ihm zoffst. Du willst doch nicht etwa fremdzoffen, oder?“

„Ja, das war wirklich untreu von mir“ stellte er so trocken fest, dass Yugi das fast schon zum Schreien komisch fand. Seto nahm das mit der Zofftreue wirklich sehr ernst. „Vielleicht solltest du mich lieber bestrafen. Lieber du als Joey.“

„Na gut. Zur Strafe werde ich dich jetzt küssen“ drohte Yugi ihm grinsend an.

„Sag erst, wo du mich küsst.“

„Überall, wo du willst. Du weißt doch, dass ich mit Vorliebe die ganz versteckten Stellen nehme. Also, wo magst du es? Wo soll ich dich bestrafen?“

„Mit oder ohne Zunge?“

„Grundsätzlich immer mit. Weißt du doch. Also? Wo soll ich dich küssen?“

„Genau hier auf der Couch.“

„Ich werde nie verstehen, was Joey daran so toll findet“ seufzte er, gab es auf, diesen verqueren Kopf verstehen zu wollen und küsste seinen komplizierten Geliebten mit Zunge auf den Mund und das ganz ungrammatikalisch und treu.

Nach einiger Zeit begann er nicht nur Setos Haar zu kraulen, sondern auch seine Brust zu streicheln. Vielleicht beruhigte ihn das ja und man konnte dann auch ein normales Gespräch mit ihm führen. Obwohl er ja ganz süß war, wenn er sich so verworren gab. Manchmal war so eine pubertäre Seele ja was ganz Süßes.

„Yu-chan?“ seufzte er verträumt, als Yugi ihm seine Zunge wieder entzog.

Jetzt war er wieder ein wenig ruhiger, entspannter.

„Ja, mein Liebling?“ lächelte er zu den geschlossenen Augen zurück.

„Ich liebe dich.“

„Ich liebe dich auch.“

„Ja ... das sind schöne Verben.“

„Mann, Seto!“ lachte er mit einem haltlosen Kopfschütteln. „Willst du mich wieder in den Wahnsinn treiben?“

„Nein, ich bin nur in der Stimmung, dich etwas zu foppen. Schlimm?“

„Nein, ach was. Sag nur vorher bescheid.“

„Damit ich dir nicht ins Auge foppe?“

„Ja, das auch, du Komiker.“

„Ich wollt ich wär ein Huhn,

ich hätt nicht viel zu tun.

Ich legte vormittags ein Ei

und nachmittags da wär ich frei.

Mich lockte auf der Welt,

kein Ruhm mehr und kein Geld,

und fände ich das große Los,

dann verlöre ich es doch ja bloß.

Ich bräuchte nie mehr ins Büro,

ich wäre dämlich aber froh,

drum hab ich mir gedacht:

Ich wollt ich war ein Huhn,

ich hätt nicht viel zu tun,

ich legte täglich bloß ein Ei

und Sonntags auch mal zwei juchhei!

Die Eier werden manchmal rar,

sie stehn’ auch gut im Preis,

drum ist das Huhn ein großer Star,

den man dann zu schatzen weiß.

Und hab ich manchmal keine Lust,

ein kluger Mensch zu sein,

erwacht ein Wunsch in meiner Brust

und ich gestehe ihn mir ein.

Ich wollt ich war ein Huhn,

ich hätt nicht viel zu tun,

ich legte täglich bloß ein Ei

und Sonntags auch mal zwei juchhei!

Ich bräuchte nie mehr ins Büro,

ich wäre dämlich, aber froh oh oh.“

„Du spinnst doch!“ lachte Yugi und wuschelte ihm glücklich durchs Haar. Dass Seto einfach mal aus Spaß anfing, irgendwelchen Quatsch zu singen, war mal was Neues. Das konnte ja nur heißen, dass er ziemlich gute Laune hatte. „Wie kommst du denn auf so einen Text?“

„Du hast Komiker gesagt und das hat mich an die Comedian Harmonists erinnert. Die CD hast du mir doch selbst geschenkt.“

„Ja, aber gehört hab ich sie nie. Ich hab auch nie mitgekriegt, dass du sie mal hörst und ich dachte, du magst sie vielleicht nicht.“

„Nee, die liegt ja auch im Auto. Was meinst du, warum ich mit Vorliebe selbst fahre? Es ist echt schön. Du kurvst die Straße runter, bei Sonne kurbelst du das Fenster auf oder das Dach, wenn du ein Cabrio fährst und singst die schönsten Melodien. Das ist sehr entspannend. Und die Texte sind manchmal so schön albern.“

Das Bild musste Yugi sich erst mal vorstellen. Der coole Seto, schwer reich, teurer Sportwagen, dunkle Sonnebrille, lauter Motor und im Radio laut zu den Comedian Harmonists singend. An der Ampel guckten bestimmt alle Leute. Aber das war wie mit den bunten FlipFlops - er liebte es einfach. Und Yugi liebte es, wenn Seto das Gefühl der Freiheit auskostete, welches er früher niemals hatte.

Außerdem begannen Setos kleine Macken langsam wirklich süß zu werden. Je weniger er an seinen Psychosen litt, desto größer wurden seine Macken.

„Ach, deswegen höre ich die CD nie Zuhause“ lächelte er. „Schade.“

„Na, dafür singe ich dir ja was vor.“

„Blowing and singing Seto, was?“

„Ich hab viele Talente. Weißt du doch.“

„Die freie Zeit tut dir gut, hm?“ flüsterte Yugi zufrieden und stupste seine hübsche Nase an.

„Ich bin so glücklich“ lächelte er leise zurück. „Ich lebe wieder und auch wenn ich keinen Plan von nichts habe, bin ich glücklich. Ich habe dich, habe die Kinder, habe alle anderen und einen Kühlschrank voller Schokoeis. Es stört mich zwar etwas, dass ich im Moment kein eigenes Geld besitze, weil ich ja alles verschenkt habe, aber meine Kreditkarten funktionieren irgendwie trotzdem. Und arbeiten müsste ich auch mal wieder, aber bis dahin singe ich Lieder und freue mich auf unsere Hochzeit. Weißt du, eigentlich lohnt es sich auch erst hinterher wieder arbeiten zu gehen.“

„Was? Warum lohnt sich das erst hinterher wieder?“

„Ach, Yugi. Du Dummerchen“ lächelte Seto unentwegt. „Wenn ich arbeite, brauche ich Visitenkarten. Und es wäre doch dumm, wenn ich jetzt welche machen lasse, wo ich doch in einer Woche schon Muto heiße und nicht mehr Kaiba. Ergo: Ich muss noch warten.“

„Du und deine verschraubten Gedanken“ lachte Yugi. „Aber willst du im Ernst meinen Namen annehmen? Ich meine, ich hätte nichts dagegen, Kaiba zu heißen. Der Name hat Kraft.“

„Aber Muto“ seufzte Seto. „Der Name hat Liebe. Liebe ist wichtiger als Kraft.“

„Aber Seto Muto. Zwei Mal O hört sich doch merkwürdig an.“

„It’s the big O“ grinste Seto lüstern. „Und zwei mal hintereinander ist doch noch besser. Du bist der einzige, bei dem ich zweimal O mache.”

„Ich will nur nicht, dass du es bereust“ meinte er dafür ganz ernst. „Für diesen Namen hast du hart gearbeitet und jeder kennt dich so. Kaiba hört sich einfach mehr nach Reichtum und Respekt an. Willst du das wirklich aufgeben?“

„Aber Muto bedeutet mehr, Yugi. Es bedeutet Liebe, Familie, ein Zuhause. Daran kann Kaiba nicht heranreichen. Meine Namen werden immer besser, immer schöner. Wie es klingt, ist doch egal. Was man fühlt, das zählt. Oder bist du auf den Namen Kaiba so scharf?“

„Na ja, schön wäre es schon. Wenn jemand ‚Mr. Kaiba’ sagt, hat er immer so einen tiefen Respekt in der Stimme. Der Name an sich hat schon Macht. Aber ich glaube, der Name wäre mir zu groß. Muto verbindet mich mit meiner Familie und ich freue mich, wenn du da so gerne reinmöchtest. Yugi Kaiba ... das klingt, als hätte ich einen Strickpullover an, der mir bis zu den Knöcheln reicht. Und einen Doppelnamen finde ich irgendwie auch blöd.“

„Weißt du was?“ überlegte Seto dann in einem etwas bedrückten Ton. „Wenn deine Mutter nicht geheiratet hätte, dann hießest du jetzt auch Nandare.“

Was sollte Yugi dazu sagen? Es stimmte ja, dass ihre Mütter beide denselben Namen trugen bis eine von ihnen heiratete. Nur eben, dass Setos Eltern niemals verheiratet waren. Der Gedanke daran, dass sie eigentlich als Cousins verwandt waren ... für gewöhnlich schnitt keiner von ihnen dieses Thema überhaupt nur an.

„Möchtest du darüber sprechen?“ fragte Yugi vorsichtig. Er mochte dieses Thema nicht. Es klang nach Inzest, nach einem Fluch. Der Name Nandare war voll böser Gefühle und Erinnerungen.

„Ich hasse diesen Namen“ wisperte Seto mit unsicherer Ehrfurcht in der Stimme, als würde man ihn für diese Meinung strafen können. „Deine Mutter ist ihn losgeworden ... und ich möchte auch ein Muto sein. Es ist gut, dass du nicht Nandare heißt ... dann wäre unsere Hochzeit für mich etwas Trauriges ... kannst du das verstehen? Dann würde ich dich bitten, dass wir doch Kaiba heißen.“

„Seto Eraseus Muto“ flüsterte er ihm auf die Lippen. „Klingt schön. Nach Liebe, nach Zuhause, nach Familie ... nach uns. Dann heißen wir eben beide Muto und du kommst ganz nahe zu mir. Dann kommen wir aus einer Familie und bilden eine Familie. Das ist etwas Gutes.“

Sie küssten sich und waren sich also sicher. Der Name Kaiba war nicht mal halb soviel wert wie Muto. Kaiba bedeutete Kälte, Argwohn, Intrigen, Betrug und Angst. Aber Muto bedeutete Menschlichkeit, Unendlichkeit, Treue und ein Obdach für alle, die eines brauchten. Kein Muto würde jemals einen schutzsuchenden Menschen abweisen.

Sie lösten den langen, schönen Kuss und hielten ihre Köpfe noch einen Augenblick zusammen. Es war so vertraut, so angenehm, wenn sie sich so nahe waren.

„Du hast dich also mit Noahs Freund Takato getroffen“ lächelte Yugi und nahm langsam das Thema wieder auf. „Was wollte er denn von dir?“

„Ach ja. Yugi, wir müssen uns jetzt echt um unsere Planungen kümmern!“

„Das sage ich dir doch schon seit vier Wochen“ schmunzelte er. „Zuerst kann es dir nicht schnell genug gehen und dann hast du immer anderes zu tun. Das bist so typisch du.“

„Takato ist der Initiator der Schwulen- und Lesbenvereinigung.“

„Ich weiß. Und warum hast du ihn getroffen? Willst du jetzt lesbisch werden?“

„Hast du dir schon mal überlegt, ob wir unsere Hochzeit im Fernsehen übertragen lassen?“

„Ähm ...“ Jetzt war er aber baff und für einen Moment ziemlich überfahren. „Nein, ehrlich gesagt nicht. Ich dachte so eine normale Pressemeldung tut es auch.“

„Aber es ist schwer in diesem Land mit Homosexualität.“

„Ja, ich weiß. Deshalb ja.“

„Aber vielleicht können wir etwas dazu beitragen, dass es besser wird. Takato hat einen Sender aufgetan, der uns live übertragen würde. Vielleicht können wir damit Akzeptanz schaffen und gerade nach den ganzen Skandalen, die wir hatten, wäre ich froh, der ganzen Welt zu zeigen, wie sehr ich dich liebe und verehre. Und ich wäre stolz zu zeigen, dass ich dich glücklich machen kann.“

„Och, du bist ja süß.“

„Ich hatte mir das folgendermaßen gedacht“ erklärte Seto und setzte sich auf, um Yugi besser seine Ideen unterbreiten zu können. In Augenhöhe war das leichter, als wenn er ihm auf dem Schoß lag. Dass er in Unterhose nicht gerade ernst und glaubhaft wirkte, merkte er wohl noch weniger. „Also, pass auf. Die Mädchen bestehen darauf, dass wir einen Polterabend machen. Ich stehe zwar nicht so aufs Geschirr zerschmeißen, aber wir können dann alle Familien einladen und feiern. Nachdem ja nun Seth und Marie, und Tea und Mokeph und Tristan und Nika so ganz ohne Feier geheiratet haben, sollten wir was ganz Großes machen. Und auf dem Polterabend können dann alle zusammenkommen, die zu unserer Familie und zu der unserer Freunde gehören. Wie hört sich das an?“

„Und das willst du im Fernsehen übertragen?“

„Nein, nicht doch. Das ist einfach nur unsere Familienfeier. Yugi, ich hatte noch nie eine Familienfeier. Bitte bitte bitte!“

„Ja, ist ja gut“ lachte er. „Wir machen eine Familienfeier. Und weiter?“

„Danach ist dann die Trauung. Da kommen dann alle, die Lust haben. Also unsere Freunde können wir einfliegen lassen und die Familien können auch noch mal kommen, wenn sie wollen und das kann dann im Fernsehen übertragen werden. Aber wirklich nur die Trauung. Danach gibt es noch eine kleine Feier ohne Fernsehen. Ich möchte eine Hochzeitstorte mit zehn Stockwerken!“

„Oh je“ guckte Yugi. „Die muss ich doch hoffentlich nicht selbst machen.“

„Nein, ich brauche dich ja noch“ lächelte er und war ganz aufgeregt. Das Planen wurde langsam immer ernster und der lang ersehnte Tag rückte immer näher. „Denn danach ist unsere ganz private Zeit. Während die anderen weiterfeiern, machen wir zwei uns aus dem Staub und feiern nur mit uns alleine. Joey passt auf die Kinder auf und wir ... na ja. Du weißt schon.“

„Ja, ich weiß schon“ schmunzelte Yugi. Ihre Hochzeitsnacht. Die Nacht der Nächte.

„Was hältst du davon?“

„Da brauche ich mir ja keinen Kopf mehr machen. Du hast das ja alles schon in Planung.“

„Aber nur, wenn es dir so passt. Ich meine, das ist ja auch deine Hochzeit irgendwie.“

„Aber das wird viel Planung, Seto. Wir müssen Gästelisten schreiben, Einladungen verschicken, ne Geschenkeliste machen, die Örtlichkeiten buchen, die Feiern durchorganisieren, die Transporte ...“

„Damit belasten wir uns nicht“ beschloss er. „Das nehmen alles unsere Freunde in die Hand. Joey schreibt die Gästelisten und verschickt die Einladungen, Mokuba sorgt für alle Transporte, Tristan für die Örtlichkeiten, Noah behält alle Checklisten im Auge, die Mädchen kümmern sich um alles Schöne. So ungefähr vielleicht. Oder?“

„Was heißt denn ‚alles Schöne’?“

„Weiß ich nicht. Das hat Tea gesagt“ guckte Seto. „Sie hat so Worte benutzt wie Romantik und Tradition. Marie will unsere Hochzeitskleidung schneidern.“

„Und Yami macht die Torte“ fürchtete Yugi - berechtigt.

„Nein, der macht das, was er kann ... na ja, wozu er sich aufgedrängt hat. Er will unsere Nacht organisieren.“

„Und was heißt das? Ich meine, ich vertraue ihm ja, aber es wäre nett zu wissen, was er vorhat. So kann man ihn vielleicht noch ein bisschen ausbremsen. Nicht mir, sondern vielleicht dir zuliebe.“

„Letztlich machen wir ja doch, was wir wollen“ erwiderte er mit verliebten Augen und entließ ihm auch so bald nicht wieder aus diesem verträumten Blick. Seine blauen Augen glänzten und seine Wangen wurden ganz erwartungsfroh rot allein bei diesem schönen Gedanken. „Yugi, nur du und ich. Wenn wir Eheleute sind, unsere Hochzeitsnacht, ein Hochzeitskuss ... Yugi, es wird so wunderschön werden. Ich bete, dass alles schön wird.“

„Kannst ja Tato fragen, vielleicht hilft er dir beim Beten.“

„Du Komiker!“

„Du Huhn!“
 


 

Chapter 15
 

Die Planung wurde den beiden wirklich immens erleichtert.

Alles, worum Yugi und Seto sich kümmern mussten, war dass sie regelmäßig zu Marie und Nika mussten, um immer wieder neu Maß zu nehmen und auf irgendeinen Stoff zu tippen, ohne dass sie wussten, was da überhaupt für sie gemacht wurde. Aber das wussten sie im Allgemeinen bei nichts, was da für sie vorbereitet wurde. Sie wussten nur, dass sie heiraten wollten und alles andere war da doch Nebensache. Nur ihre Freunde machten darum einen riesigen Terz und steckten seit dem Startschuss rund um die Uhr in den Vorbereitungen.
 

Bis dann endlich die erste Etappe bevorstand: Der Polterabend alias Setos erste Familienfeier ... wobei der friedliebenste aller Drachen sich vehement gegen das Kaputtschlagen von Geschirr ausgesprochen hatte!

Selbstverständlich kam Opa - ganz klar, der durfte nicht fehlen und stand ganz oben auf der Gästeliste.

Und danach alle Familien ihrer kleinen Hausfamilie. Es würde sicher spannend werden, zumal auch Tristans Mama eingeladen war. Und wenn die Party nicht in Gang kam, dann hörte man einfach Elisabeth Taylor zu und der Abend war gerettet ... mehr oder weniger.

Außerdem fand das alles in dem wunderschönen Gartenpark der Kaibas statt, was sehr weitläufig war und jeder konnte sich über die frische Sommerluft des Abends freuen. Selbst das Wetter war ihnen wohlgesonnen wie bestellt.
 

Opa wurde natürlich von Seth persönlich abgeholt, weil er ja nun doch auch nicht jünger wurde, aber alle anderen mussten selbst kommen.

Überpünktlich, weil nervös, kam Joeys Vater als Erster zur Feier. Er hatte sich extra sein bestes Jackett angezogen, obwohl er darin jetzt schon schwitzte. Er trug so feine Klamotten nicht häufig und bewegte sich dementsprechend steif darin, aber da Joey ihm diesen teuren Zwirn gekauft hatte, zog er ihn eben auch an - auch wenn Fliegen nicht so ganz seiner Kragenfreiheit entsprachen. Dafür mochte er aber diese dunkelgrüne Farbe, welche selbst Joey gern trug. Da hatten Vater und Sohn doch etwas gemeinsam.

„PAPA!“ Kaum hatte Joey ihn am Tor entdeckt, flog er ihm auch schon in die Arme. Sein Vater war erst ein Mal in der Villa zu Besuch gewesen, aber er fühlte sich nicht so recht wohl hier. Alles so groß und so teuer und so wie er sich kannte, würde er ja doch nur irgendwas runterschmeißen. Sein Geschick musste Joey wohl geerbt haben.

„Wie siehst du denn aus, Junge?“ schaute sein Vater an ihm rauf und runter. Joey hatte sich gar nicht so fein gemacht, sondern hatte ne schmutzig aussehende Jeans mit dicken Flecken und ein grünes, ärmelloses Hemd mit Kragen an ... etwas gewöhnungsbedürftig. „Du bist ja ganz schmutzig. Geh dir mal schnell ne neue Hose anziehen.“

„Nein, Papa. Das ist Mode“ grinste er stolz auf seine teuren Designerjeans. „Ich find’s auch komisch, aber Nika sagt das wäre hipp. Und die muss es ja wohl wissen.“

„Seit du ein Juppie bist, verstehe ich dich immer weniger“ zweifelte er. Früher war er so ein rüder Haudrauf gewesen und nun kleidete er sich nur mit den feinsten Stoffen. Was Geld und Freunde doch alles bewirken konnten.

„Egal, ich hab dich lieb, Papa. Komm mit, wir haben Nudelsalat.“

„Oh! Nudelsalat!“ Das war eine Sprache, die alle Schichten sprachen.

Joey führte ihn also nur ein Stück weit zu den anderen, die schon alle gemütlich da saßen und es sich mit einem Drink unter den bunten Sonnenschirmen gemütlich machten. Sie hatten extra wie auf einer Gartenparty passend kleine Tischgruppen aufgestellt und später konnte man in der Mitte ein Lagerfeuerchen anzünden. So konnte die Feier im Zweifelsfalle auch bis morgen früh gehen.

„Hallo!“ winkte er fröhlich in die Runde und bekam ein fröhliches „Hallo!“ wieder zurück. Nur Yugi und Seto als Gastgeber standen auf und begrüßten ihn direkt.

„Ach, ihr beiden!“ strahlte er sie an, als Joey ihn dort abstellte. „Alles Gute! Ich FREUE mich ja so für euch!“

„Danke, Mr. Wheeler“ lächelte Yugi und ließ sich die Hand schütteln.

„Ach, Yugi! Alles Gute! Ich hab’s immer gewusst! Ich bin so happy!“

„Ja ja, danke!“ lachte er, als er einfach von dem alten Hund geknuddelt wurde. Der konnte einfach nicht aus seiner Haut und dass er große Stücke auf den kleinen Yugi hielt, daraus machte er auch kein Geheimnis. Er hatte Joey damals echt von der gefährlichen Kante zu einem Straßenkindes fortgeholt. Was ohne Yugi aus ihm geworden wäre, daran wollte er gar nicht denken.

„Und für Sie auch, Seto. Alles Gute“ strahlte er, umarmte ihn aber nicht, sondern drückte ihm dafür die Hand ganz fest. Dass Seto nicht gern angefasst wurde, hatte Joey ihm ja zur Genüge eingebläut.

„Ja. Dankeschön“ lächelte auch er. „Schön, dass Sie kommen konnten, Joseph.“

„Oh, ein Lächeln vom großen Kaiba! Ich muss ein Glückskind sein.“

„Gewöhnen Sie sich nicht dran.“

„Na gut. Ähm ... Joey sagte, ich soll kein Geschenk mitbringen, weil ... also ...“ Er hatte sich einfach drauf verlassen und war mit leeren Händen gekommen. Auch wenn das untypisch war für einen Polterabend. Doch wenn Joey sagte, er solle sich unterstehen, etwas zu kaufen ...

„Nein, das stimmt schon“ beruhigte Yugi ihn ganz lieb. „Keine Geschenke heute. Wir haben ja schon alles.“

„Puh“ seufzte er erleichtert. „Und ich hatte schon Angst, mein Sohn führt mich wieder an der Nase herum.“

„Papa, das würde ich doch niemals machen“ schmunzelte er unschuldig.

„Glaub ihm kein Wort“ lachte Narla und hakte sich gleich bei dem alten Wheeler ein, um ihn zu begrüßen. „Hallo Joseph. Geht’s dir gut?“

„NARLA!“ Er freute sich einfach über alles heute und küsste sie sogar erfreut auf die Wange. „Wie geht es dir, Mädchen? Und deinem Baby? Alles in Ordnung mit meinem Enkelchen?“

„Ja, alles gut“ versicherte sie und ließ sich seine leicht faltigen Arbeiterhände auf den Bauch legen, damit er selbst die kleine Wampe fühlen konnte. Immerhin war sie jetzt auch schon im fünften Monat und man sah schon ganz gut was. Auch wenn ihre Kleidung das noch ein wenig zu kaschieren versuchte und man schon genau hinsehen musste, um unter diesem knöchellangen Rock und der weiten Bluse einen Bauch erkennen zu können.

„Wisst ihr schon, was es wird? Kann man schon was sehen?“

„Ja, wir wissen es. Aber wir verraten es nicht.“

„Auch nicht mir? Nur ins Ohr?“ Ach, diesen Hundeblick hatte er auch drauf. Genau die gleichen braunen Augen wie Joey und denen konnte sie einfach nicht widerstehen. Also schob sie seine blonde Wuschelmähne zur Seite und flüsterte ihm ganz leise ins Ohr.

Natürlich machten die anderen ganz große Elefantenohren, aber hören konnten sie nichts. Sie mussten sich wohl gedulden, bis er oder sie da war.

„DAS IST JA WUNDERVOLL!“ jubelte er und knuddelte die viel größere Narla fast zu fest. Wobei er sich wohl auch gefreut hätte, wenn es ein anderes Geschlecht geworden wäre. Er war einfach nur froh, dass er bald ein Opa sein würde. „Dann kann ich ja jetzt anfangen, Sachen zu kaufen, die ich ih...“

„Pscht“ hielt Joey ihm gleich den Mund zu. „Papa, nicht verraten.“

„Mkay“ nuschelte er und wurde wieder frei gelassen. „Bin ich denn der einzige Gast oder kommen noch mehr?“

„Nein, ich bin schon da!“ rief Opa und winkte ihm fröhlich.

„Mr. Muto! Du auch hier! Prima, dann bin ich ja nicht der Älteste!“

„Oh! Soll das heißen, du hältst mich für alt, Mr. Wheeler?“

„Ach, nicht doch. Sag mal, hast du den Nudelsalat schon gesehen?“

„Da hinten. Schnapp dir einen Teller und setz dich neben mich.“

Na, die beiden würden heute Abend ja bestimmt Spaß haben. Früher auf den Elternabenden in der Schule hatten sie schon immer ihre helle Freude und es war doch nett, wenn man sich nach so langer Zeit mal wieder sah. Da hatte man sich viel zu erzählen.

Und da es gerade Schlag 19 Uhr war, trudelten jetzt nach und nach auch die anderen Gäste ein.

Etwas alternativ kamen dann die nächsten. Mit dem Fahrrad zum hohen Haupttor herein radelten zwei verdammt gutaussehende junge Männer, die selbst gerade frisch verheiratet waren. Der eine ganz dezent in dunkler Stoffhose und ärmellosem, weißen Hemd gekleidet und der andere in einem Aufzug, der gen Himmel schrie. Neonpinke Hose, weiße Lackschuhe, gelb-rosa geschecktes Hemd ... den sah man schon vor Kilometern. Wenigstens schien das Baumwolle und nicht Nylon zu sein.

„Kommt direkt hier her!“ winkte Mokuba laut rufend, damit die beiden auch ja abbogen und nicht zum Haupteingang hinfuhren, wo sie ja doch niemanden antreffen würden. Vielleicht hätten sie Schilder aufstellen sollen?

„Buenos Diaz!“ winkte Enrico fröhlich herüber und radelte gleich voraus.

Sein Mann James direkt hinter ihm und so ließen sie ihre Fahrräder gleich auf dem Rasen liegen und kamen Händchenhaltend näher. Die beiden hatten sich einfach gefunden ohne sich gesucht zu haben und waren so glücklich, dass man es ihnen ansah. Und natürlich waren sie eingeladen, denn Enrico gehörte ja schließlich zu Nikas Familie.

„Schön, dass ihr hier seid“ freute die sich sofort, war bereits vorgelaufen und umarmte ihren Bruder, bevor der überhaupt richtig ankommen konnte. Endlich ein Familienmitglied, welches sie umarmen durfte. Schade, dass er sich weigerte, aus Portugal auszuwandern, sie hätte ihn so gerne bei sich in der Nähe.

„Wo ist denn Noah?“ fragte James, nachdem er Tristan die Hand geschüttelt hatte, der nur etwas langsamer hinterher trottete.

„Hat noch einen Termin“ gestand Mokuba tonlos. „Er sagt, er kommt in einer Stunde dann nach. Bis dahin musst du leider mit mir Vorlieb nehmen. Tut mir ja leid.“

James schaute ihn an und wusste gar nicht, ob das jetzt wieder ein Seitenhieb war oder ernst gemeint. Mit Mokuba kam er nie besonders gut klar, aber der musste doch jetzt sehen, dass er von Noah nichts mehr wollte, weil er ja schon verheiratet war!

„Ich ... freue mich trotzdem, hier zu sein. Danke für die Einladung.“

„Ich freue mich auch, dass ihr hier seid. Ihr beide.“ Also überwand Moki sich doch und schüttelte seinem alten Rivalen die Hand. Er wollte einfach lernen, Vertrauen zu haben und er wusste ja auch, dass James nicht so schlecht war, wie er ihn machte. Er stand sich nur mal wieder selbst im Weg.

„Jetzt aber erst mal zu unserem Hochzeitspaar“ meinte Enrico und schaute sich in diesem riesigen Park um. „Wo sind sie denn?“

„Da vorne“ zeigte Mokuba. „Kommt, ich bringe euch hin.“

„Und? Habt ihr eine gute Reise gehabt?“ fragte Nika gleich und hakte sich bei ihrem Brüderchen ein.

„Ja, wir sind heute Mittag gelandet und erst mal ins Hotel ne Runde schlafen“ lächelte er. „Der Jetlag, du weißt schon.“

„Von wegen Jetlag“ schmunzelte James hinter ihm. „Vorhin warst du noch ganz fit und hast mich nicht schlafen lassen wollen, Ricopicco.“

„Aha“ grinste Nika wissend. Da hatte wohl jemand erst hinterher geschlafen.

„Bitte keine pikanten Details, Jamey“ bat er so nebenbei. „Und bei euch? Viel Vorbereitungsstress?“

„Außer dass es Seto nervt, dass er nicht weiß, was er morgen anziehen wird ... nö, sonst eigentlich nicht. Das meiste hat ja Noah in die Hand genommen.“

„Wofür wir ihm schrecklich dankbar sind“ lächelte Yugi, als die Gäste bei ihnen am Tisch ankamen und die beiden sich erhoben.

„Hallo Yugi, danke für die Einladung“ nickte Enrico und schüttelte ihm die Hand.

„Ja, alles Gute“ meinte auch Jamey und tat es ihm gleich, während sein Rico schon Seto begrüßte, den er bis jetzt ja noch nicht persönlich kannte. Den todgeglaubten großen Bruder von Mokuba kannte er nur vom Hörensagen.

„Alles Gute für die morgige Hochzeit, Mr. Kaiba“ lächelte er deshalb besonders freundlich. „Ich wünsche Ihnen nur das Beste und freue mich, Sie in diesem schönen Rahmen endlich kennen zu lernen.“

„Vielen Dank, dass Sie der Einladung gefolgt sind, Dr. Enrigues“ antwortete er ebenso höflich und stellte fest ... doch ja, er mochte ihn ebenso spontan wie er auch Nika gemocht hatte. Enrico sah Nikolas zum Verwechseln ähnlich, man erkannte sofort die Familienzugehörigkeit. Außerdem sah man ihm an, dass er durchaus intelligent und guterzogen war, was Seto an Menschen schnell zu schätzen wusste. Und auch er hatte diese bunten, faszinierenden Augen. „Als Nikas Bruder bin ich froh, Sie begrüßen zu dürfen. Sie hat schon so viel Gutes von Ihnen erzählt.“

„Die schlechten Sachen behalte ich ja auch lieber für mich“ lachte er. „Sonst dürfte ich wohl kaum hier sein.“

„Stimmt, sonst säßest du jetzt in der Besserungsanstalt“ meinte James und schubste ihn frech zur Seite, um Seto die Hand zu geben. „Hallo Kaiba. Alles klar bei dir?“

„Dich hätte ich ja fast übersehen, James“ antwortete er abschätzig und ließ seinen musternden Blick über diese schrille Kleidung gleiten. „Von deinem Stylisten?“

„Nein, aus ner portugiesischen Zeitschrift. Ist doch wichtig, dass Mann mit der Mode geht. Gefällt’s dir?“

„Dann geh mal lieber wieder nach Portugal, in Domino gewinnst du damit keinen Blumentopf.“

„Blumentöpfe hab ich genug. Ich muss nichts gewinnen“ schmunzelte er.

„Hoffentlich bleibt dir das erspart“ flüsterte Enrico zu Yugi hinter geheimnisvoll vorgehaltener Hand. „Nach der Hochzeit ticken die Ukes total aus.“

„Rico, ich höre dich“ rempelte Jimmy ihn an.

„Dann hör weg. Das machst du doch immer, wenn ich mal was Wichtiges sage.“

„Das liegt daran, weil du so wenig wichtige Sachen sagst.“

„Und wie ist es mit einem Drink?“ lächelte er ihn versöhnlich an. „Schön Stößchen?“

„Klar doch“ nickte er mit leuchtenden Augen. „Lass uns Bruderschaft trinken. Los los los ...“

„Wir dürfen doch?“ nickte Enrico fragend auf die Sektpyramide am Rande der Tischkreise.

„Natürlich“ meinte Yugi. „Geht ihr man trinken.“

„Mokuba, machst du das?“ bat Seto.

„Klar, kommt schon“ meldete er sich sofort und schob beide in Richtung Getränkelager. Aber wirklich erwischen konnte er nur Jimmy und zog mit dem schon mal fort, während Enrico noch kurz stehen blieb.

„Sorry, ich wollte noch fragen, wo meine beiden Freundinnen sind“ fragte er freundlich zu Yugi.

„Wer?“ guckte Seto ahnungslos.

„Ihre kleine Prinzessin und meine Neffin“ erklärte er. „Ich hab Nini am Telefon versprechen müssen, dass ich ihr ein Taschentuch mitbringe, mit dem sie uns dann zum Abschied winken kann. Jamey hat extra ein Seidentuch für sie eingefärbt. Und ich hab dann noch eines für Feli gemacht, damit sie nicht leer ausgeht.“

„Da hinten“ zeigte Yugi auf die Sandkiste, welche ein paar Meter weiter unter einem großen Baum stand. Dort spielten die beiden Mädchen im Sand, bauten kleine Burgen, machten Kuchen aus Förmchen, malten im trockenen Sand ...

„Den Babys haben wir natürlich auch etwas mitgebracht, damit sich niemand benachteiligt fühlt. Ich hoffe, eine Packung Holzbauklötze sind in Ordnung?“

„Natürlich, das ist lieb von dir, Enrico“ lächelte Yugi.

„Ja, wir dachten, wenn das Hochzeitspaar schon keine Geschenke haben will, dann bringen wir wenigstens den Kindern was mit. Ich hab die Bauklötze hinten im Fahrradkorb. Ich denke mal, die zwei schlafen schon?“

„Ja, da hinten“ nickte Seto. Etwas ab, aber noch gut sichtbar stand ein Laufstall mit dicken Matratzen ausgelegt, wo man hinter den Stäben zwei Babys schlummern sah. Tato und Risa waren einfach noch zu klein und brauchten ihren Schlaf. Nini und Feli waren ja schon größer und durften deswegen auch mal länger aufbleiben, bis sie von selbst müde wurden.

„Komm, Feli wird sich freuen, dich zu sehen“ Nika schnappte sich seinen Arm und selbst ihre bunten Augen lachten voll der Wiedersehensfreude.

„Ich freue mich ja auch, meine Kleine in den Arm zu nehmen“ lächelte er, schmatzte seiner Schwester einen kleinen Kuss auf die Wange und ging mit ihr zusammen erst mal die Mädchen begrüßen, nachdem er Seto und Yugi noch mal freundlich zunickte. Jamey konnte auch noch einen Moment warten und außerdem unterhielt der sich gerade recht angeregt mit Mokuba und da wollte man nicht unbedingt stören. Noah wäre nur froh, wenn die zwei endlich mal einen Draht zueinander fanden. Einzeln waren beide echte Schätzchen, aber zusammen kriegten sie es irgendwie bis heute nicht so richtig auf die Reihe.

„Er ist wirklich freundlich“ bemerkte Seto zu Tristan, der hier irgendwie bei der Aufteilung übrig geblieben war.

„Ja, Nika liebt ihn total und Feli auch“ bejahte er. „Es ist so süß, wenn Rico mit Feli telefoniert. Dann strahlte sie bis über beide Ohren, aber sagen tut sie nichts. Er macht das wirklich ganz toll mit ihr.“

„TRIIIIIISTAAAAAAAAN!!! DA BIST DU JA!“

„Oh mein Gott!“ Tristan drehte sich geschockt herum und sah das Grauen auf sich zukommen.

Seine Mutter!

Und sie hatte Kuchen im Gepäck, obwohl das gar nicht gewünscht war.

Und jetzt schrie sie hier über die ganze Fläche und würde ihn auch gleich abknutschen wollen. Die beiden Herren, welche hinter ihr hertrotteten, schienen so ziemlich dasselbe zu denken wie Tristan. Denn so besonders glücklich sahen sein Vater und sein großer Bruder auch nicht aus.

Doch die Rettung sprang sofort dazwischen. Die einzige Person, welche Mutter Taylor unter Kontrolle hatte - Marie.

„MAMA!“ rief sie und hinderte sie sofort am aufgeregten Weiterwackeln.

„Mariechen!“ freute sie sich und blieb strahlend vor ihr stehen. „Mädchen, du siehst fabelhaft aus! Wie geht’s dir denn, mein Schatz?“

„Prima geht’s mir, Mama“ schmunzelte sie und zeigte auf das große Kuchenblech, welches sie vor sich herbalancierte. Papa und Leo hatten dafür den ganzen Arm voller Gugelhupf und Torte. „Was hast du denn mit dem vielen Kuchen vor?“

„Yugi heiratet doch morgen! Er will ja keine Geschenke haben, aber so ganz mit leeren Händen kommen, ist doch auch nicht fein. Er ist doch so ein lieber Junge! Ich wusste aber nicht, welchen Kuchen er gerne mag und für Kaiba muss ich ja auch was mitbringen und da wusste ich auch nicht genau. Also hab ich gleich fünf Kuchen gemacht.“

„Das ist ja schön, Mama“ lächelte sie beruhigend. „Möchtest du dich nicht erst mal hinsetzen?“

„Oh nein! Ich muss doch erst dem Hochzeitspaar guten Abend sagen.“

„Guten Abend, Elisabeth.“ Juhu, Seth kam auch zur Verstärkung und begrüßte seine Schwiegermutter.

„Seth! Hallo!“ strahlte sie ihren wundervollen Schwiegersohn an. „Ach, du siehst wieder fantastisch aus. Wo bekommst du nur immer diese Muskeln her? WOW! Du bist so ein hübscher Mann. Hach, wäre ich doch nur ein paar Jahre jünger ...“

„Hör auf, du bringst ihn doch in Verlegenheit“ bat ihr Mann, der sie jetzt auch endlich erreicht hatte. „Hallo Marie, hallo Seth.“

„Hallo Papa” antwortete Marie und küsste ihn auf die Wange, während Seth von Trutschenmama zwei Lippenstiftküsse bekam und ihr dann als Gentleman das Kuchenblech abnahm.

„Seth, wo werden wir das los?“ jammerte Leo mit dem schweren Kuchen auf dem Arm.

„Hier! BEI MIR!“

„BLEIB SITZEN, ATEMU!“

„Dein Freund“ bemerkte Papa Taylor dunkel, der damit noch immer nicht klarkam. Seth hatte ihm seine Tochter weggeheiratet und pflegte gleichzeitig eine sexuelle Beziehung zu diesem blonden Typen und Marie sagte nicht mal etwas dagegen. Ob das christlich war? Nein, das hatte er sich für seine Tochter nicht gewünscht. Aber er hielt sich mit Kommentaren zurück, denn sonst bekam er Zuhause noch etwas auf den Deckel. Auch wenn seine Frau diese Zusammenhänge nicht unbedingt erfasste ... oder einfach so tat, als würde sie es nicht, denn so dumm wie sie aussah, war sie gar nicht.

„Ja, Johann. Mein Freund“ entgegnete Seth ernst, denn darüber wollte er nicht diskutieren. Atemu gehörte zu ihm und wenn ihn jemand nicht akzeptierte, war das nicht sein Problem und auch nicht Atemus. Sollten sich die Leute doch im stillen Kämmerlein ärgern, aber seinem Pharao damit nicht das Leben schwer machen.

„Ach! Das ist ja Yami!“ jubelte Mama Taylor, die das gar nicht so eng sah ... aber sah sie denn überhaupt mal was eng? „YAMI!“ rief sie und lief wild herumwinkend zu ihm rüber. „Wann kommst du mal wieder zum Kartenspielen vorbei? Wir vermissen dich in unserer Skatrunde!“

„Mama!“ lachte Marie ihr laut hinterher. „Wolltest du nicht erst mal Yugi und Seto hallo sagen?!“

„OH JA! Wie unhöflich. Johann, dass du mich auch nicht aufhältst!“

Ihr Mann seufzte nur und überging das geflissentlich, während Yugi sich nur einen grinste und Seto auch ganz glücklich aussah, dass die Party jetzt in Schwung kam. Wenn Tristans Mama da war, wurde es immer wild. Lustig für die einen und peinlicher für einige andere. Meistens genau dann, wenn sie anfing, Kindergeschichten über ihre Süßen auszubreiten. So wusste bald jeder, dass Tristan ne Windelallergie hatte, dass Marie erst mit drei Jahren Haare auf dem Kopf hatte, dass Leo die erste Klasse wiederholen musste und und und ...

Und natürlich mussten sie sich auch bald mit Nikas Familie bekannt machen ... zwar schaute Mr. Taylor etwas pikiert, als er hörte, dass ihr Bruder schwul geheiratet hatte, aber seit Nikas Verwandlung durfte er sich eh über nichts mehr wundern. Leo stürzte sich gleich aufs Büffet, aber natürlich alles erst, nachdem man das Hochzeitspaar begrüßt und beglückwünscht hatte. So herzlich, dass Seto und vor allem der ach so süße und herzensgute Yugi von der trutschigen Mama zwei dicke Lippenstiftküsse auf den Wangen hatten.
 

Wer aber dachte, dass das jetzt alles gewesen war, der kannte das Haus Kaiba schlecht.

Gegen halb acht kamen noch mehr Gäste dazu, in Form von Teas Eltern. Die hatte bis jetzt noch kaum jemand wirklich kennen gelernt, da ihr Verhältnis zur Tochter wohl etwas unterkühlt war. Aber auf eine Einladung von so hoher Stelle musste man natürlich zusagen.

Und sie hatten sich fein gemacht. Tea sah ihrer Mutter sehr ähnlich. Brünettes Haar und einen recht guten Körperbau. Nur dass Teas Auftreten nicht ganz so hochnäsig war. Ihre Mutter sah ein bisschen aus wie eine Anwältin mit ihrem roten Kostüm und dem Minirock, der hochgesteckten Frisur und der schwarzen Handtasche, wobei sie sich mit ihren Stöckelschuhen auf dem Rasen ein wenig schwer tat. Ihr Vater hatte dafür kaum Ähnlichkeit mit seiner Tochter. Er war ein mittelgroßer Mann, der schon keine Haare mehr auf dem Kopf oder sie zumindest abrasiert hatte, damit man die kahle Platte nicht sah. Er hatte eine sehr dominierende Nase und auf den ersten Blick einen sehr sportlichen Körperbau. Sein teurer Anzug sagte aber auch aus, dass dieses Paar wohl nicht wenig Geld verdiente und auch etwas auf sich hielt.

„Sind das deine Eltern?“ sprach Seto sie an, als sie an ihm vorbeigehen wollte.

„Ja“ antwortete sie leise. „Ich hätte nicht gedacht, dass sie wirklich kommen.“

„Wie lange hast du sie jetzt schon nicht gesehen?“

„Seit Weihnachten im vorletzten Jahr. Sie wohnen nicht hier in der Stadt, das weißt du doch.“

Da waren die beiden auch schon nach dem kurzen Marsch über die Wiese angekommen und schauten zuerst mal zu Seto hinauf.

„Mr. Kaiba. Guten Tag. Es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen“ eröffnete ihr Vater und schüttelte ihm sachlich die Hand. „Wir danken Ihnen für Ihre freundliche Einladung.“

„Es freut mich, dass Sie gekommen sind, Mr. Gardener. Mrs. Gardener“ nickte er auch zu ihr.

„Guten Tag, Mr. Kaiba“ lächelte sie gekünstelt und nahm seine ausgestreckte Hand, während ihr Mann dann Yugi die Hand schüttelte und sie dem gleich folgte.

„Yugi“ nickte sie nüchtern. „Wir wünschen dir und deinem Mann alles Gute für die Zukunft.“

„Vielen Dank, Mrs. Gardener“ nickte Yugi mit seinem süßen Lächeln zurück. Ihm sah man gar nicht an, dass er mit den beiden niemals so richtig warm geworden war.

Was aber allen auffiel, war, dass sie zuerst die Gastgeber begrüßten und an Tea noch kein einziges Wort gerichtet hatten. Man wusste ja, dass sie mit Teas Entscheidung, Tänzerin zu werden, niemals wirklich einverstanden waren, aber jetzt verstand man auch, warum sie nicht viel mehr als höflichen Kontakt zu ihren Eltern hielt.

Aber dann endlich! Ihre Mutter sah sie an und schüttelte ihr die Hand. Keine Umarmung, kein Kuss. Wie als sei sie eine Fremde, der man nur die Hand gab.

„Gut siehst du aus, Tea“ eröffnete sie lieblos. „Schön, dass wir dich hier mal besuchen können.“

„Ich freue mich auch, dass ihr hier seid, Mama. Seid ihr gut hergekommen?“

„Der Stau, das Kofferpacken, du kennst das ja“ meinte ihr Vater und schüttelte ihr auch nur die Hand. Sehr verhalten.

„Ja, ich weiß. Danke, dass ihr euch den langen Weg gemacht habt.“

„Wir haben ja gehofft, du würdest mal zu uns zu Besuch kommen, aber du hattest ja immer so viel zu tun. Wolltest du in diesem Jahr nach Planung nicht schon in einem großen Musical in den USA tanzen? Was ist denn daraus geworden?“

Boah, ganz fieser Seitenhieb freundlich getarnt.

„Ich habe Wichtigeres zu tun gehabt, Papa, Mama.“ Irgendwann musste es mal raus und wann war ein besserer Moment als jetzt? Jetzt hatte sie die Rückendeckung ihrer Freunde direkt vor Ort.

„Was kann denn wichtiger sein als die Verwirklichung deines Lebenstraumes?“ verpasste ihre Mutter ihr gleich den nächsten Stich. Von dieser Seite hatte Tea niemals Unterstützung erfahren, nur weil sie nicht das tun wollte, was ihre Eltern sich für sie vorgestellt hatten.

„Ich habe geheiratet“ sagte sie offen und griff nach Mokephs Hand, der sich eben schon schweigend neben sie gestellt hatte.

Ihre Eltern guckten für einen Moment ziemlich überfahren, aber fingen sich dann binnen Sekunden wieder.

„Du hast Mokuba Kaiba geheiratet?“ erwiderte ihre Mutter doch etwas zweifelnd.

„Nein, er heißt Mokeph. Mokeph Gardener“ stellte Tea ihn vor und Mokeph nickte versucht freundlich. Seine Schwiegereltern waren wohl nicht so das Gelbe vom Ei.

„Aha.“ Tja, was sollte man dazu mehr sagen?

„Und noch mehr“ fuhr sie ebenso kühl fort. „Wir haben gemeinsam eine sieben Monate alte Tochter. Hanarisa. Sie liegt dort hinten und schläft“ wies sie auf den beschatteten Babystall, wo sie und Tato ihr Schläfchen hielten. „Und ich bin wieder im zweiten Monat schwanger.“

Gut, spätestens das setzte dem Ganzen doch die Krone auf. Genau das hatte sie ihren Eltern so lange verschwiegen. Vielleicht hätte sie es ihnen doch früher sagen sollen, denn so bekamen sie gleich die volle Breitseite. Verheiratet, Mutter und schwanger - mehr ging nicht. Aber wie auch immer. Jetzt war es raus und blieb draußen.

Vielleicht realisierten ihre Eltern jetzt, was ihnen alles entgangen war, wenn sie sich nicht im ihre Tochter scherten.

„Ja, dann herzlichen Glückwunsch“ flötete ihre Mutter und schüttelte Mokeph die Hand. „Nett, Sie kennen zu lernen, Mr. Gardener. Wie lange kennen Sie meine Tochter denn schon?“

„Schatz, vielleicht sollten wir uns erst mal hinsetzen“ bat ihr Vater und legte seinen Arm um sie. „Tea, setzt ihr euch zu uns? Wir können uns dann noch ein wenig unterhalten.“

„Das können wir auch jetzt“ forderte Mokeph heraus und nahm nun ebenfalls seine Frau in den Arm. „Wenn Sie irgendetwas gegen unsere Verbindung haben, dann nur immer frei heraus.“

„Oh, Sie verstehen das falsch. Wir heißen Sie in der Familie willkommen. Dafür wäre es aber hilfreich, wenn wir uns ein wenig unterhalten können. Natürlich sind wir interessiert daran, für wen unsere Tochter sich erwärmen konnte.“

Die Reaktion war überraschend. Teas Eltern waren so was von kalt, dass es schon fast wehtat. Sie umarmten ihre Tochter nicht, sondern schüttelten ihr die Hand. Sie wollten nicht sofort das Enkelkind sehen und sie siezten ihren Schwiegersohn. Kein Wunder, dass Tea ihnen gerne auswich und selbst auch nur den nötigsten Kontakt zu ihnen pflegte. Ihre Eltern hielten sich für Neureiche und da bewahrte man doch sehr die Contenance.

„Ja, setzen wir uns“ nickte Tea, ließ Mokeph nicht von der Hand und nahm mit ihren Eltern an einer freien Ecke der verschiedenen Tischgruppen Platz, wobei sie sich doch ziemlich dicht neben ihren Mann und den Vater ihrer Kinder setzte. Natürlich hatte sie etwas Bammel vor der Meinung ihrer Eltern, selbst wenn sie niemals ein wirklich liebevolles Verhältnis hatten. Über ihre Eltern zu sprechen, war die Mühe nicht wert - sie hatte eine neue, eigene Familie, wo sie geliebt wurde und auch mal ihre Meinung ändern durfte, selbst wenn sie nicht ins Konzept passte.

„Ich hatte mir Teas Eltern etwas anders vorgestellt“ gab Seto leicht enttäuscht zu. Wahrscheinlich hatte er, weil er Tea so sehr liebte, eine ganz andere Erwartung an die Menschen, welche sie auf die Welt gebracht hatten.

„Tja, kann nun mal nicht jeder die perfekte Familie haben“ meinte Yugi neben ihm.

„Ich glaube, ihre Eltern wollen perfekt sein - das ist ihr Problem.“

„Das bringen Familienfeiern so mit sich, Liebling. Da kommt auch immer der Teil der Verwandtschaft, mit dem man nicht unbedingt eng zusammenhängt.“

„Ich mag aber Joeys Vater“ heiterte Seto sich selbst etwas auf. „Komm, wir setzen uns zu ihm, ja? Er ist immer so lustig.“

Er nahm Yugi bei der Hand und zog ihn dort herüber, wo auch Tristans Familie saß und es schon ganz heiter zuging. Eigentlich war Mama Taylor der absolute Knaller, aber das war genau das Richtige, um die trockene Stimmung einer Familienfeier etwas aufzuwerten.
 

Es wurde gegessen, es wurde getanzt und sogar Noah kam mit einer Stunde Verspätung dazu und holte sich erst mal was zu Trinken, weil er da schon den ganzen Tag nicht zu gekommen war. Und natürlich ließ er sich von James erst mal den ausführlichen Bericht der letzten Wochen geben. Wie es so mit Enrico klappte, wie er sich in Portugal eingerichtet hatte, welche Pflanzen er für die Hochzeit ausgesucht hatte und so weiter und so fort. Enrico lud dafür den Rest bei Nika ab und erzählte der mit leuchtenden Augen, wie glücklich er war.
 

Als die Feier gerade schon mitten im Gange war, tauchte dann noch mehr unverhoffter Besuch auf.

Joey lud sich gerade noch mal neu seinen Teller voll, als er auch schon laut über den ganzen Platz gerufen wurde.

Er drehte sich um und freute sich im ersten Moment. Er wollte schon zurückrufen und hinlaufen, aber dann erstarrte er noch im gleichen Moment.

Über Serenitys Besuch freute er sich ja - aber nicht über das Erscheinen seiner Mutter.

Joeys Mutter hatte bis jetzt noch absolut niemand kennen gelernt, da sie mit ihrer Tochter ja so weit weg wohnte. Aber jeder wusste, dass sie damals ihren Mann mit dem kleinen Joey hatte sitzen lassen, um sich ihrer Karriere zu widmen. Und da passte ein kleiner Rabauke wie Joey einfach nicht in die Planung.

„Wer hat denn die Gästeliste gemacht?“ schaute Joey zu den anderen herüber und sah gar nicht so sonderlich begeistert aus, dass irgendwer nun auch seine Mutter eingeladen hatte.

Aber da alle ganz ahnungslos taten, würde er den Schuldigen so leicht wohl nicht finden können.

„Hallo, Joey!“ freute sich Serenity und warf sich in seinen Arm. „Du siehst gut aus!“

„Du auch, Süße“ lächelte er zurück. „Niedliches Kleidchen. Seit wann stehst du denn auf Blümchen?“

„Hat Mama ausgesucht. Manchmal ist sie etwas eigenartig, weißt du?“

„Ja, weiß ich“ raunte er und schaute dann seine Mutter an, welche die letzten Schritte auf ihn zukam und direkt vor ihm stehen blieb.

Joey war einen halben Kopf größer als sie und das schien sie doch sehr zu beeindrucken. Sie hatte ihn zuletzt als kleinen Jungen gesehen oder eben kurz im Fernsehen oder in der Zeitung. Aber jetzt sah sie vor sich einen stattlichen jungen Mann, der alleine voll im Leben stand und ein dickes Bankkonto besaß. Kein Vergleich zu dem kleinen Schreihals, den sie damals zurückließ.

Und Joey sah sie kaum verändert, außer dass sie ihm plötzlich kleiner und ein wenig älter vorkam. Sie hatte verblüffende Ähnlichkeit mit seiner kleinen Schwester, aber das war auch das einzig sympathische, was er spontan ausmachen konnte. Nicht mal ihr mintgrünes Kostüm mit Dreiviertelrock konnte er spontan mögen.

„Hallo, Joey“ versuchte sie zu lächeln. „Du bist groß geworden.“

„Ja, stell dir vor.“ So abweisend kannte man den fröhlichen Joey gar nicht. Seine Miene hatte sich verfinstert und sein Gesicht ließ kaum noch Schlüsse auf seine Gefühle zu, die er sonst immer auf der Zunge trug.

„Wer ist denn das, Joey?“ fragte Narla lieb und nahm ihn direkt bei der Hand. Natürlich wusste sie genau, wer das war, aber vielleicht brauchten die beiden erst mal einen Friedensstifter.

„Das ist meine Mutter“ stellte er nickend vor. „Mutter, das ist Narla. Meine Freundin.“

„Guten Tag, Narla. Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen“ lächelte sie höflich und hielt ihr die Hand zum Gruße hin. Aber als Narla ihr freundlich die Hand gab, geriet die Mutter doch ins Staunen. Sie schaute unverwandt auf Narlas kleine Wampe, welche ja nun doch ziemlich offensichtlich nicht ein Fettpolster war. Aus der Ferne sah man es nicht, aber wenn man näher hinschaute ...

Sie schaute überrascht zu Joey auf, der das wohl erst erklären sollte ... aber er tat es nicht. Er tat gar nichts. Er ging einfach auf Distanz.

„Narla ist schwanger“ erklärte dafür Serenity. „Im fünften Monat jetzt. Oder?“

„Genau“ erwiderte sie gefasst freundlich. „Wir freuen uns schon sehr auf das Baby.“

„Wie alt bist du denn, wenn ich das fragen darf? Hält es dich nicht von deinem Beruf ab?“ Narla sah ja älter aus als sie war. Allein schon durch ihre imposante Größe, welche sie von den Genen ihres Vaters haben musste.

„Oh nein“ schüttelte sie den Kopf. „Ich bin jetzt siebzehn und gehe noch zur Schule.“

„Und ich dachte, du wärst mittlerweile etwas überlegter, Joey“ fragte sie ihren distanzierten Sohn. „Findest du nicht, dass es etwas früh ist für ein Baby? Oder bist du gar nicht der Vater?“

„Dich hat es ja nicht zu kümmern, nicht wahr?“ Joey war richtig angefressen. Es war so klar, dass sie wieder etwas zum Meckern fand. Jetzt war Narla ihr zu jung, aber das Problem kannte er ja selbst. Doch dass ihm auch noch unterstellt wurde, er wäre nicht der Vater, das war doch die Höhe!

„Tja ja, wir werden Großeltern“ lachte sein Vater und tauchte neben seiner Ex auf.

„Hallo Papa!“ freute sich Serenity und ließ sich von ihm küssen. Im Gegensatz zu ihrem Bruder hatte sie Kontakt zu beiden Elternteilen und war über die Ferien nicht selten bei ihrem Vater zu Gast. Er hatte sich immer um BEIDE Kinder gekümmert.

„Hallo Joseph“ antwortete sie und ließ den Blick an ihm auf und ab schweifen. „Wie kannst du dir denn als Putzkraft so einen Anzug leisten?“

„Ich bin mittlerweile Hausmeister“ lächelte er als hätte er diesen Seitenhieb gar nicht mitbekommen. „Und den Anzug hat Joey mir gesponsert. Ich finde Fliegentragen zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber was tut man nicht alles für seine Kinder, nicht wahr? Und bei dir, Vivien? Wie läuft es so?“

„Besser, danke. Ich bin jetzt stellvertretende Vorsitzende der Firma. Und wir haben auch einen Hausmeister.“

„Schön, das freut mich für dich.“ Also entweder war der alte Hund zu doof, um es zu merken, wie sie auf ihm rumhackte oder er gab sich einfach so freundlich, um dem Streit aus dem Weg zu gehen. Gestritten hatten sie sich damals ja wirklich schon genug.

„Wir gehen jetzt erst mal Yugi und Seto begrüßen“ meinte Serenity und zog ihre Mama gleich mit, wobei sie Narla aber zusätzlich noch als Unterstützung bekam. Sie musste ihre Eltern nicht streiten sehen, zumal ihr Bruder erst mal wieder runterkommen musste von dem Schock, dass er so plötzlich seine Mutter sah. Und schließlich begrüßte man doch das Hochzeitspaar zuerst, wenn man schon eingeladen wurde.

„Sie kann dann auch gleich wieder gehen“ knurrte Joey, der mit seinem Vater alleine zurückblieb und ihr dunkel nachsah.

„Sei nicht so zu ihr, Joey.“

„Es ist frech, dass sie hier einfach auftaucht. Nach all den Jahren. Und sie ist so eine falsche ... hach, dafür fällt mir kein Wort ein.“

„Sei ihr nicht böse. Sie weiß es nicht besser“ bat sein Alter und legte mal ganz lieb den Arm um seine Schultern. „Sie hat ihre Schwerpunkte im Leben eben anders gesetzt. Wenn sie so glücklich ist, dann lass sie.“

„Papa, hast du schon vergessen, wie abgefuckt sie ist? Sie hat uns einfach sitzen lassen, weil wir in ihr ach so perfektes Leben nicht reinpassen. Sie hat von goldenen Tellern gegessen, während wir nur hartes Brot hatten.“

„Und unser Leben?“ fragte er leise. „Joey, überlege doch mal, wessen Leben nun perfekter ist. Sie arbeitet den ganzen Tag und die arme Serenity steht auch nur an zweiter Stelle. Aber wir beide haben uns. Du bist so jung schon viel erfolgreicher als sie in ihrem ganzen Leben, du wirst dein Kind nicht im Stich lassen und warum das alles? Weil ihr Verhalten dir beigebracht hat, dass es falsch ist, selbstsüchtig zu sein. Auch wenn es wehtut, aber sie hat uns beiden damit eine wichtige Lektion erteilt. Und jetzt werde dir klar, wer nun glücklicher ist. Ich als Hausmeister und du als schwergewichtiger Firmenboss, Vater und Sohn? Oder sie als egoistisches Arbeitstier mit einer Tochter, welche die Flucht ergreifen wird, wenn sie erst alt genug ist? Wenn Vivien alt ist, wird niemand mehr da sein. Aber wir werden immer zusammensein, weil wir so sind wie wir sind. Du solltest nicht sauer auf sie sein, sondern sie viel mehr bemitleiden. Denkst du nicht auch?“

„Hast du Ghandis Tagebuch gefrühstückt?“ seufzte er.

„Nein, ich hab einen Sprüchkalender in der Küche hängen“ lachte er. „Und jetzt komm. Lass uns einen schönen Abend haben. Nimm dein Weibchen in den Arm und genieße die schöne Abendluft.“

„Und du? Was wirst du machen?“

„Ich werde jetzt erst mal diese dumme Fliege abnehmen!“ schimpfte er und friemelte sich das Teil jetzt doch ab. „Ich hab sie für dich angezogen, aber irgendwann ist dann auch mal Schluss mit lustig.“

„Ich hab dich lieb, Papa“ lächelte er und half ihm die Fliege abzumachen. Hinter der naiven und tollpatschigen Fassade steckte eben doch ein Mann, der ein gutes und weises Herz hatte. Eigentlich war Joey jetzt doch zum ersten Mal wirklich froh, dass seine Mutter ihn bei seinem Vater gelassen hatte. Sie hatten es zwar schwer gehabt, aber die ganze Zeit hatten sie etwas besessen, was seine Mutter auf diese Art niemals haben würde.

Sie hatten sich gegenseitig.
 

Im Verlaufe der Feier kam Seto dann zu der Überzeugung, welche wohl die meisten Leute schon gemacht hatten - nämlich, dass Familienfeiern eine ganz schreckliche Angelegenheit waren. Teas Eltern waren eine herbe Enttäuschung und Joeys Mutter war ebenso kalt. Da passte sie mit den alten Gardeners doch gut an denselben Tisch, wo sie dann auch etwas unter sich gelassen wurden.

Er war richtiggehend enttäuscht und ließ ein wenig den Kopf hängen. Er hatte so eine rosane Vorstellung von einer schönen Familienfeier, wo alle zusammenkamen und fröhlich miteinander feierten, aber so was? Das war doch wirklich ernüchternd.
 

Wirklich heftig ging es dann aber zur Sache, als gegen halb zehn Uhr die letzten Gäste eintrafen.

Eigentlich hatte niemand mehr so wirklich damit gerechnet, aber es kamen tatsächlich noch Leute, die auch wohl eingeladen worden waren. Nur von wem, das wusste spontan keiner.

„Wer ist denn das?“ zeigte Yugi auf die beiden, die da im Abendlicht über die grüne Wiese marschiert kamen.

Sie war relativ zierlich, trug ein olivgrünes Kleid und graues Haar hochgebunden. Aber trotz ihrer ergrauten Haare, wirkte sie nicht alt. Wohl nicht älter als 50 plus fünf Jahre vielleicht. Wie eine rüstige Dame.

Er hingegen war das totale Gegenteil von ihr. Glatzköpfig und viel zu übergewichtig. Seinen dicken Bauch schob er vor sich her und seine stattliche Größe gab ihm einen bärigen Touch. Zwar trug er eine Anzughose mit Jackett, aber sein Gang wirkte eher kräftig auftretend, als würde er so feine Kleidung nicht häufig tragen. Vielleicht war er früher mal ein nett aussehender Mann gewesen, aber jetzt wirkte er eher wie eine Couchkartoffel.

„Das sind ...“ staunte Nika, ihr fiel gleich alles aus dem Gesicht und griff Tristan hilfesuchend am Ärmel. „Das sind meine Eltern.“

„Ich dachte, sie wollten nichts mehr mit dir zu tun haben?“ fragte Yugi überrascht von der Seite. „Wie kommt es, dass sie trotzdem hier sind?“

Doch dass Noah aufstand und ihnen gleich entgegenkam, klärte die Sache wohl.

Er hatte sie eingeladen und keiner wusste, wie er das wieder hinbekommen hatte. Er hatte nicht mal jemandem etwas davon erzählt und es war fraglich, wie viel die Gäste überhaupt wussten.

„Es freut mich, dass Sie kommen konnten, Mrs. Amon, Mr. Amon“ lächelte er ihnen mit seinem Standardlächeln zu. Sein typisches Manipulationslächeln.

„Na ja, so viel Glück ist ja selten“ antwortete Mr. Amon mit seiner tiefen, leicht vernuschelten Stimme und schüttelte mit seinen prankigen Händen Noahs dagegen zierlich wirkende Hand.

„Ja, wir haben noch nie etwas gewonnen“ lächelte Mrs. Amon als Noah auch ihr die Hand reichte.

„Ja, sie sind wirklich vom Glück bevorteiligt.“ Er drehte sich zu den anderen herum und lächelte auch seine Freunde freundlich an. „Wenn ich vorstellen darf? Das hier sind Mrs. und Mr. Amon. Unsere beiden Losgewinner, welche per Zufallsprinzip eine Einladung zur Verlobungsfeier ergattert haben.“

„Guten Abend“ nickte die grauhaarige Dame höflich und wand sich flüsternd wieder an Noah. „Um ehrlich zu sein, hatte ich mir diese Feier etwas größer vorgestellt. Ist das denn in so hohen Kreisen nicht sonst üblich?“

„Wir feiern nur im kleinen Kreise.“ Man sah Noah richtig aufatmen, als Seto dies sagte und das Spiel sofort mitspielte.

Die beiden waren nur mit einer List von Noah hergelockt worden. Sie glaubten wirklich, sie hätten ein Los gewonnen, welches ihnen eine Einladung auf eine dieser berühmten und begehrten VIP-Partys ermöglichte. Für gewöhnlich waren diese Feste rauschend, man sah viele Promis und ging als Normalverbraucher in der Menge unter, nur um sich später zu freuen, wenn man den Kurzbericht davon im Fernsehen sah und sagen konnte, da sei man gewesen.

Tja, und nun kamen sie hier an und es war nicht mal halb so viel los, wie sie es sich von so einem Einladungsfreilos versprochen hatten.

„Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht, dass die Feier etwas kleiner ist“ lächelte auch Yugi und schüttelte den beiden die Hand. „Wir freuen uns natürlich sehr, dass Sie gekommen sind.“

„Sie wohnen ja wirklich wunderschön hier“ staunte Mrs. Amon und sah sich noch mal beachtend um. „Wirklich sehr groß und weitläufig. Sie müssen wohl viel Personal beschäftigen, um das alles so gut instand zu halten.“

„Ja, wir haben einen eigenen Wohnflügel für das Personal“ erklärte Seto, welcher heute Abend natürlich nicht einen Schritt von Yugis Seite wich. „Aber im privaten Bereich ist es wie bei allen anderen. Keiner will den Abwasch machen.“

„So was! Wohnen Sie denn nicht alleine hier? Ach, was rede ich?“ lachte sie. „Bitte entschuldigen Sie. Wie unhöflich von uns. Zuerst wünschen wir Ihnen alles Gute für die Zukunft. Nicht wahr, Arno?“

„Natürlich“ entgegnete er nur mit seiner dunklen Stimme. Er schien nicht so aufgeregt zu sein wie seine Frau oder er zeigte es nur nicht. Oder er hatte einfach eine schrecklich verschrobene Ansicht und war mit dieser Eheschließung nicht einverstanden - wie sollte er da Glückwünsche überbringen? Spaß zu haben, schien er hier jedenfalls nicht.

„Vielen Dank Ihnen beiden“ lächelte Yugi sie weiter an. „Wollen Sie sich vielleicht zu uns setzen oder wären Sie eher an einer Geländeführung interessiert?“

„Oh, wirklich?“ freute sie sich. „Sie würden uns wirklich Ihr Gelände zeigen? Na, wann hat man da schon mal die Möglichkeit zu? Sag du doch auch mal was, Arno.“

„Jo, alles was du meinst“ brummte er nur tief. Er schien wohl kein Mensch zu sein, den man leicht aus der Reserve locken konnte. Ganz im Gegensatz zu ihr, denn sie schien ehrlich ein wenig aufgeregt und freute sich über die Einladung.

„Aber wir möchten Sie natürlich nicht vom Feiern abhalten!“

„Sie halten uns nicht ab. Vielleicht finden wir ja jemanden, der Sie hier ein bisschen herumführt. Jemand Interesse?“ fragte Yugi und drehte sich zu den anderen um.

Während der eine Tisch einfach weiterquatschte und natürlich die meisten Gäste mit diesen beiden nicht viel anzufangen wussten, wurde Nika schrecklich bleich im Gesicht. Ihre Eltern hatten sie noch gar nicht erkannt, obwohl sie schon herübergeschaut hatten. Aber mit dem Mann von damals hatte sie auch nur noch wenig gemeinsam und die mittlerweile schlafende Felicitas auf ihrem Arm, verdeckte sie wohl auch recht gut.

„Ich kenne mich hier zwar selbst noch nicht so gut aus, aber ich mache das gerne“ bot Enrico an und ging ganz offen auf die beiden zu. Ihn konnte wohl gar nichts schrecken und so selbstbewusst wie er war ... immerhin war das sein Vater, den er lange Zeit gesucht und niemals persönlich getroffen hatte ... und doch schauten alle beide einen Moment etwas überrascht, auch wenn sie das nicht spontan zu deuten wussten. Enrico hatte ja nun auffallend Ähnlichkeit mit Nika damals. Nicht zu 100%, aber die Ähnlichkeit war doch vorhanden. „Aber vielleicht bekomme ich ja Unterstützung von jemandem, der sich hier Zuhause fühlt? Was meinst du?“ hakte er noch mal bei Nika ein und drängte sie so geradezu zu einer Aktion. Schließlich hatte Noah diese kleine Notlüge ja wohl ihr zuliebe gebraucht.

Sie stand etwas fahrig auf und sah ihre Eltern entsprechend unsicher an.

Die beiden wollten doch ganz eindeutig nichts mehr von ihr wissen. Selbst das schöne Fotoalbum war ungeöffnet zurückgekommen. Und deshalb wussten ihre Eltern gar nicht, dass sie bei den Kaibas eine neue Heimat gefunden hatte - sonst wären sie sicher nicht hergekommen.

Aber jetzt wo sie aufstand und die beiden sie ziemlich prüfend ansahen, da schien es in ihren Köpfen zu rappeln. Irgendwas war da mit dieser Frau, aber es war nicht greifbar. Etwas war komisch, aber man konnte nicht sagen, was.

Bis es dann irgendwann auch auffiel. Natürlich immer der Mutter, die ihre Kinder immer bis aufs Härchen kannte.

„Nikolas?“ Sie mochte es gar nicht aussprechen und es hörte sich so eigenartig an in Bezug zu dieser so veränderten Person.

„Ähm ... nein“ druckste sie zaghaft, verschreckt, befangen. „Ich ... ich heiße jetzt Nika. Nika Taylor ...“

„Du ... du hast ... nun ja … dich verändert“ bemerkte sie ziemlich überrascht.

„Ja, ich ... Mama, ich habe geheiratet. Das hier ist Tristan, mein Mann“ zeigte sie auf ihn und packte die Gelegenheit gleich beim Schopfe, nach seiner Hand zu greifen und sich fast schmerzhaft daran festzuhalten. „Und das hier ... das ist unsere Tochter. Felicitas“ gestand sie weiter und drückte das schlummernde Mädchen auf ihrem Arm an sich.

„Du hast ein Kind?“ fragte sie noch immer neben der Spur, aber ... es war als könne man sehen, dass sie spätestens mit dem Blick auf das Kind warm wurde. „Arno, wir sind Großeltern.“

„Das ist ja wohl die Höhe!“ schimpfte er und stieß seine Frau ziemlich ruppig von seinem Arm weg. Er stapfte auf Nika zu und blieb nur knapp vor ihr stehen. Mit seinem bärigen Gewicht wirkte Nika direkt zerbrechlich neben ihm. Besonders, da er so sehr in Rage schien, dass er sich wohl beherrschen musste, nicht seine Hand zu erheben, wobei Tristan doch arg so aussah, als würde er umgehend zurückschlagen, wenn er sich schon nicht dazwischenwerfen konnte. „Was fällt dir eigentlich ein?“ schrie er sie wütend an. „Lockst uns hier her mit diesem Trick! Hast du es nicht kapiert? Du bist nicht mehr unser Sohn!“

„Nein, ich bin eure Tochter!“ schrie sie ihm unter den Tränen zurück, die sie schon so lange in sich trug und die er niemals hatte sehen wollen.

Natürlich begann die Kleine auf ihrem Arm zu weinen, weil sie von der Lautstärke sofort geweckt wurde und Angst bekam von diesem riesigen Mann, der vor ihr so brüllte. Sie schrie sehr laut, was aber größtenteils verschluckt wurde, als sie ihr Gesicht an Nikas Busen drückte, um nicht hinsehen zu müssen.

„Und dieses Balg da!“ zeigte er auf sie. „Wo hast du die geklaut? Du bist doch pervers! Nikolas, was denkst du dir dabei? Du bist so anomal, dass du nicht mehr klar denken kannst, du perverser Idiot!“

„Arno, jetzt reicht es aber“ fuhr seine Frau dazwischen und zog diesen Bären mit Mühen, aber immerhin ganze zwei Meter zurück. „Schrei hier nicht so herum. Du bringst das Kind zum Weinen.“

„Lass dich nie wieder blicken, Nikolas. Hast du das verstanden? Du bist eine Schande für deine Familie“ zischte er wütend und drehte sich um, machte ein paar schnelle Schritte und ...

„Arno, wenn du jetzt gehst, reiche ich die Scheidung ein.“ Was war das denn jetzt? Die zierliche Grauhaarige drohte ihm? Und sie stand dabei fast schützend vor Nika, während sie ihren Mann mit Blitzen in den Augen ansah. Jetzt ging’s ja wohl ab hier.

„Ich hab dir gesagt, wir hätten nicht herkommen sollen, Magdalena. Komm jetzt. Von diesem Anblick wird mir speiübel.“

„Nein, es reicht mir jetzt!“ schimpfte sie zurück und die anderen standen jetzt noch verdutzter da. Was sollte das hier werden? Ein Ehekrieg? Wie aus dem Nichts heraus? „Ich habe das lange genug mitgemacht. Bei all deinen Querelen habe ich die Klappe gehalten, aber jetzt reicht es mir, Arno. Sieh ihn dir doch an. Sieh dir unseren Sohn an! Sieh hin!“

„Ich sehe keinen Sohn. Mein Sohn ist tot und diese Hure da hat ihn auf dem Gewissen.“

„Wir sind Großeltern“ antwortete sie ihm bittertraurig. „Nikolas ist verheiratet. Und wir haben das alles verpasst. Ich lasse mir von dir doch nicht mein Kind wegnehmen.“

„Lass diese Diskussion“ drohte er ihr dunkel und wütend. „Darüber reden wir Zuhause. Komm jetzt.“

„Nein! Es geht immer nur nach dem, was du willst. Aber jetzt ist es genug. Du hast Nikolas immer weggeschickt, aber er lebt sein Leben auch ohne uns. Willst du das?“

„So was nennst du leben? Hör auf mit diesem Schwachsinn. Das Thema haben wir abgehakt.“

„Nein, DU hast es abgehakt. Ich noch lange nicht! Und jetzt sage ich dir mal was!“ Sie war richtig auf Hochtouren. Sie stapfte zu ihm hin und baute sich wie ein schimpfender Grashüpfer vor dem Riesen auf. „Ich habe immer die Klappe gehalten. Egal, was war! Ich habe mir immer sagen lassen, was ich machen soll, aber damit ist jetzt Schluss. Ich habe genug davon. Im Gegensatz zu dir will ich sehen, wie mein Kind aufwächst, wie es lebt, wie es liebt. Du hast mich immer unterdrückt und mich betrogen. All die Jahre lang, aber damit muss jetzt endlich Schluss sein.“

„Was redest du denn da? So was müssen wir nicht hier diskutieren. Komm jetzt nach Hause, Magdalena.“ Er wollte das nicht nur nicht diskutieren, sondern vor allem nicht vor all den Leuten hier. Er schaute sich schon nervös um, denn so eine aufmüpfige Frau war ja nun doch ziemlich peinlich.

„Um weiter freundlich zu ignorieren, wie du mich hintergehst? Ich sage dir mal was, Arno. Ich war dir eine gute Frau, all die Jahre ... aber wenn du mir jetzt mein Kind wegnimmst und mir mein Enkelkind verweigerst, dann war’s das mit uns.“

„Mama, bitte“ versuchte Nika einzuschreiten. Sie wollte doch nicht, dass sich ihre Eltern ihretwegen so fetzten.

„Nikolas, du hältst dich da jetzt mal raus, Junge“ bat sie fest und sah nur weiter ihren Gatten an. „Arno, es ist genug jetzt. Es reicht mir. Hältst du mich denn für blöd? Denkst du ich habe nicht gemerkt, wie du mich all die Jahre belogen und hintergangen hast? Wenn du mir jetzt Nikolas vorenthältst, kann ich das nicht länger akzeptieren. Wenn dir deine Kinder nichts bedeuten, ist das traurig. Aber ich liebe meinen Sohn! Wenn es sein muss auch ohne dich!“

„Ich habe dich niemals belogen oder hintergangen! Was redest du denn hier?“

„Ach nein? Arno, es begann doch schon in unseren Flitterwochen, dass du eine andere hattest.“

„Maggie, nicht hier vor den Leuten.“ Wenn das beruhigend klingen sollte, ging es wohl daneben.

„Doch! Genau jetzt und hier! Hier ist Ende, mein Lieber. Es steht mir bis hier! Ich habe immer den Mund gehalten.“ Sie schrie schon fast, stand mit erhobenem Finger vor ihm und schien ihre Sicherung absichtlich nicht wieder reinzudrehen. „Denkst du, ich habe nichts gewusst von deiner Geliebten in Portugal? Die Briefe, die Telefonate, die Fotos, dein SOHN? Ich habe das alles gewusst und immer den Mund gehalten. Als das Geld ständig vom Konto verschwand, habe ich gehofft, du schickst es dieser armen Frau, damit sie DEIN Kind ernähren kann, aber stattdessen hast du dir ein Auto gekauft. Was zum Teufel sollen wir mit ZWEI Autos? Ich hab nicht mal einen Führerschein! Aber ich habe den Mund gehalten. Und dann deine Spielsucht, die Schulden, die du gemacht hast. Und ich habe den Mund gehalten. Deine unzähligen Affären in den ganzen Jahrzehnten, denkst du, ich habe das nicht gemerkt? Für wie blöd hältst du mich? Das Geld, welches du mit vollen Händen rauswirfst? Von wegen, dein Lohn wurde gekürzt! Versoffen und verspielt hast du es! Es in Kneipen den Weibern zugesteckt! Und ich habe Zuhause mit unserem Sohn auf dich gewartet und ihm erzählt, du wärst ein Held. Ich habe immer gehofft, du besserst dich. Ich habe alles versucht mit dir, dir immer beigestanden, aber jetzt ist Schluss. Als du Nikolas damals rausgeworfen hast, selbst da habe ich den Mund gehalten. ABER ES REICHT! Ich habe ein Enkelkind und das habe ich mir immer gewünscht. Wenn du mir diesen Wunsch jetzt auch unterschlägst und von mir verlangst, ich solle den Mund halten, dann war’s das!“

Wow ... tja ... sie war wohl gar nicht so klein und hilflos wie sie den Anschein machte. Sie hatte alles mitbekommen und aus Liebe und Treue zu ihm niemals etwas gesagt. Aber jetzt sah sie, dass sie Oma war und das musste irgendwas in ihr auslösen, was sie nicht mehr aufhalten wollte.

„Du redest Blödsinn, Maggie“ sagte er nur wieder, aber vor Nervosität war er schon ganz rot im Gesicht und seine Hände zitterten. Wären sie hier nicht unter Leuten, wer wusste, was er vielleicht im Affekt getan hätte?

„Ach ja? Ich rede Blödsinn? Sagt dir der Name Enrigues etwas?“

SCHOCK!

Doch er ließ sich nichts anmerken ... zumindest versuchte er es. „Nein. Nie gehört.“

„Ach nein? So hieß doch die Frau, welche sich angeblich um dein kaputtes Knie gekümmert hat? Deswegen mussten wir doch immer Urlaub in Portugal machen, damit du zur Heilpraktikerin gehen konntest. Und ich wusste, dass deine Knie völlig gesund waren, denn du warst Zuhause niemals beim Arzt. Außerdem solltest du dir mal unsere Telefonrechung ansehen, da steht nämlich auch, welche Nummer uns angerufen hat. Schon komisch, dass sich ein junger Mann mit demselben Namen wie deine angebliche Knietherapeutin Jahre später bei dir meldet und du mir nicht einen Ton sagst.“

„Das ... das ist ein Zufall. Ein Geschäftspartner. Wieso prüfst du überhaupt nach, mit wem ich telefoniere? Du spionierst mir nach! Das ist Industriespionage!“

„Du arbeitest auf dem Bau! Du mixt Zement! Da hat man keine Geschäftspartner im Ausland! Komm, hör doch auf zu lügen. Ich weiß doch, dass dein Sohn versucht hat, mit dir in Kontakt zu treten. Und selbst den hast du abgelehnt. Ich habe das Gespräch doch gehört. Früher hast du das Foto von ihm weggeworfen und später willst du nicht mal mit ihm sprechen! Du bist so verlogen!“

„Du belauscht mich?“

„Nein, du bist schlecht darin, deine Lügen glaubwürdig zu verpacken“ erwiderte sie langsam etwas ruhiger, aber schwer enttäuscht, dass sie so lange falsche Hoffnungen in ihren Mann gesetzt hatte. „Und anstatt ihm seinen Wunsch zu erfüllen, sagst du ihm, er soll sich zum Teufel scheren. Wie kannst du nur? Und Nikolas, MEINEN SOHN!, den wirfst du auch raus. Ich habe immer gehofft, dass noch ein guter Kern in dir steckt, aber das ja wohl vergeblich. Ich war dir immer eine gute Frau und du hast jedes Jahr eine andere Affäre. Wie viele Kinder hast du noch? Kannst du dich nicht mal um deinen einzigen, offiziellen Sohn kümmern? Um unser Enkelkind?“

„Willst du mir jetzt etwa vorwerfen, Nikolas sei meinetwegen so ein Perversling?“

„Ich weiß nicht, was in seinem Kopf vor sich geht. Du lässt mich ja nicht. Immer redest du mir irgendwelche Sachen ein und ich will das nicht mehr.“

„Du redest Unsinn! Ich habe keine unehelichen Kinder und Nikolas ist einfach verkommen - verdorben!!!“ Die Schande auf seinen Sohn zu schieben, war wohl die einfachste Methode, sich nicht zu diesen eigenen, verdorbenen Lügen zu bekennen.

„Nein, das stimmt nicht. DU bist verkommen und verdorben! Warum bestreitest du das alles?“

„Weil ich nicht weiß, warum du solche Lügen verbreitest! Du hast keine Beweise für all das. Du sitzt doch den ganzen Tag Zuhause und reimst dir was zusammen!“

„Das ist aber auch nicht richtig“ meinte Enrico ganz ruhig. „Ich bin der Beweis, dass sie nicht lügt. Ich weiß es.“

„Du bist ...?“ Jetzt war er erstrecht fertig. Das ging alles zu schnell.

„Ich bin Enrico Enrigues“ stellte er sich kühl vor. „Ich habe Nika gefunden, schon vor einigen Wochen. Aber wir haben immer Rücksicht auf dich genommen. Hätte ich gewusst, dass deine Frau schon bescheid weiß, hätte ich viel eher auf ein Treffen bestanden. Aber so wie es aussieht, ist deine Frau ja wohl nicht die einzige für dich, was? Und ich dachte, ich mache deine Ehe kaputt ...“ Das konnte er doch selbst nicht glauben. Er hielt sich zurück, um eine kaputte Ehe nicht zu stören?

„Ich kenne diesen Mann nicht!“ bestritt er weiter vehement, doch den leicht panischen Blick konnte er nicht bestreiten. „Du solltest dich mal untersuchen lassen, Magdalena. Du leidest ja an Verfolgungswahn.“

„Nein, ich leide an dir, Arno. Alles, was ich will, ist, dass du Nikolas in den Arm nimmst und dich bei ihm entschuldigst. Dafür, dass du dich nie um ihn gekümmert hast und dafür, dass du ihm Unrecht getan hast. Denn mir tut es auch Leid“ gestand sie und sah Nika mit Tränen in den Augen an. „Es tut mir leid, Nikolas. Es tut mir leid. Bitte verzeih mir.“

„Mama ...“ Das hatte Nika jetzt nicht erwartet. Wer schon?

„Du spinnst doch ganz. Jetzt weiß ich ja, woher er das hat.“

„Warum kannst du deine Kinder nicht lieben, Arno? Warum nicht?“ schrie sie ihn noch böser an.

„So was soll ich lieben?“ zeigte er auf Nika. „So einen Versager? Was willst du denn mit ihm machen? Was sagen die anderen? Wie willst du das den Nachbarn erklären?“

„Das darfst du schön selber machen. Ich habe immer alles für dich erklärt und deine Entschuldigungen glaubwürdig gemacht. Aber jetzt nicht mehr, Arno. Entweder bist du jetzt für deine Familie da, wie es sich für einen Vater gehört oder du kannst sehen, wo du bleibst. Denn meine Liebe zu meinem Kind geht viel tiefer als die Liebe zu einem Lügner wie dir.“

Dann war Stille.

Angespannte, aufgeheizte Stille.

Er sah sie sicher einige intensive Sekunden an.

Drehte sich dann um.

Und ging.

Wütend stapfte er über den Rasen davon und wollte sich damit nicht weiter abgeben. Wie alle Männer, wenn sie nicht weiter wussten, ergriff er einfach die Flucht und dachte, das wäre ein Zeichen von Stärke.

Aber wirklich stark war hier ganz jemand anderes.

Die eingetretene Stille wurde nur von einem Schluchzen durchschnitten, welches die arme Mrs. Amon losließ. Immerhin hatte sie wohl soeben ihre Ehe beendet, weil sie es einfach nicht mehr ertragen konnte.

„Mama .. du ...“

„Ach, Nikolas!“ weinte sie und fiel ihr heulend in die Arme, sonst wären ihr sicher die Knie weggebrochen.

Tja ... und nun? Was sollte man dazu sagen?

Außer Yami, der es wusste. Er klatschte anerkennend in die Hände und nach und nach fielen auch die anderen mit ein. Das war echt mutig von der kleinen Frau. Sie nahm ihren unnormalen Sohn in Schutz und jagte für ihr Kind, ihren Mann fort. Und das obwohl sie ihm Jahre lang treu ergeben war. Aber zu sehen, dass sie in das Leben ihres Kindes nicht mehr hineingehörte, schmerzte sie tausend Male mehr als ihren Mann zu verlieren. So würde sicherlich jede gute Mutter reagieren. Erst die Kinder, dann alle anderen.

Tristan reichte den schluchzenden Weibern ein Taschentuch, damit sie ihre Tränen trocknen konnten. Er hatte Nika auch die Kleine abgenommen, damit sie ihre Mutter umarmen konnte.

„Dankeschön“ schniefte seine Schwiegermutter und versuchte wieder ein wenig zu lächeln. Zwar noch ziemlich geschafft, aber tapfer.

„Mama ... heißt das ... du bist mir nicht mehr böse?“ hoffte Nika zaghaft.

„Ich war die niemals böse, Nikolas“ antwortete sie mit einem tiefen Blick. „Ich verstehe dich noch immer nicht und am Anfang war ich geschockt. Aber anstatt dir beizustehen, lasse ich mich verschrecken und dich alleine in deiner Not. Es tut mir leid, Nikolas. Es tut mir so unendlich leid. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen, dass ich nicht für dich da war, als du mich gebraucht hast. Es tut mir so leid.“

„Mama! Natürlich! Ich bin ... Mama, ich bin so glücklich, dass du da bist.“

Sie schlossen sich wieder in den Arm und hatten jetzt sicher viel zu besprechen.

Aber das wichtigste war ... „Und das ist meine Enkelin?“ fragte sie und schaute die Süße auf Tristans Arm verheult an. Das süße Mädchen mit der hellen Haut, dem dunklen Haar und diesen unglaublich klaren Augen. Und die sah auch zurück, auch wenn sie noch etwas verschreckt war von dem Gebrülle eben. Doch Tristan hielt sie ja fest und da fühlte sie sich dann auch nicht allein gelassen.

„Ja, Mama. Sie heißt Felicitas.“

„Wie hübsch sie ist“ lächelte sie und berührte vorsichtig die rosarote Wange, was die Kleine sich auch glatt gefallen ließ. Sie reagierte zwar nicht gerade mit einem strahlenden Lächeln, aber sie ließ es reaktionslos über sich ergehen. „Woher kommt sie? Oder ist das Ihre Tochter?“ fragte sie vorsichtig zu Tristan. Konnte ja sein, dass er schon Kinder gehabt hatte.

„Nein, sie ist adoptiert“ erwiderte Nika noch etwas zittrig.

„Wie alt ist sie denn? Eins? Vielleicht zwei?“

„Nein, sie wird bald vier, Mama. Sie ist in ihrer Entwicklung etwas zurück, aber das ist ne lange Geschichte.“

„Du hast mir ja wohl wirklich viel zu erzählen“ schniefte sie wieder und hatte das Taschentuch bitternötig. „Und geheiratet hast du auch?“

„Ja, ich heiße jetzt Taylor“ nickte sie. „Tristan hier ist mein Mann. Wir lieben uns sehr.“

„Na, das hoffe ich doch“ lächelte sie und wollte Tristan vorsichtig die Hand schütteln. Aber der sprang über seinen Schatten und nahm seine Schwiegermutter auch in den Arm, was diese absolut erleichterte.

„Ja, dann gehören Sie ja wohl jetzt zu unserer Familie, was?“ Oh je! Mama Taylor im Anmarsch! Haltet eure Hüte fest!

„Das ist meine Schwiegermutter“ stellte Nika vor. „Elisabeth Taylor.“

„Und Sie sind Magdalena, ja?“ strahlte sie und umarmte sie auch einfach mal so im Rahmen des Ganzen. „Wie schön, dass wir Nikas Mutter kennen lernen. Herzlich willkommen bei der Taylor-Familie. Ich bin Elisabeth, mein Mann Johann, unser ältester Sohn Leonard, unsere Tochter Marie und ja, Tristan kennen sie ja. Leonard ist leider noch immer nicht verheiratet, aber Marie ist mit Seth verheiratet. Nicht wahr, Schatz? Bist du doch!“

„Ja, Mama“ lächelte sie nur brav.

„Also, wenn Sie irgendetwas brauchen, Magdalena, oder wenn Sie Hilfe bei Ihrer Scheidung benötigen ...“

„Mama, werde nicht gleich so direkt“ bat Tristan pekiert. So etwas sagte man doch nicht gleich bei der Vorstellung. Als Fremder in offenen Wunden nachzubohren, war unfein.

„Aber warum denn nicht? Es stimm doch. Oder habe ich das falsch verstanden? Also MEIN Johann würde so etwas niemals tun. Er ist ein guter Mann, auch wenn er manchmal schimpft. Aber die Kinder sind alle aus dem Haus und er geht ja nun auch bald in Rente. Wissen Sie? Ist besser so. Sein Rücken.“

„Mama, das interessiert doch niemanden.“ War Tristan etwa der einzige, der sich von ihr peinlich gemacht fühlte?

„Vielen Dank, Elisabeth“ lächelte sie aber wirklich dankbar. „Sie sind sehr freundlich.“

„Hey, klar! Sie gehören doch jetzt zur Familie.“

„Die Taylors sind eine sehr liebe Familie“ bestätigte Nika. „Wirklich, sehr sehr lieb. Sie haben Feli und mich beide herzlich aufgenommen.“

„Das glaube ich gerne, mein Schatz“ nickte sie etwas nervös und schaute dann Enrico vorsichtig an. „Und Sie sind ...?“

„Enrico Enrigues“ stellte er sich noch mal vor und gab ihr freundlich die Hand. „Ich hoffe, es stört sie nicht, wenn ich Kontakt zu Nika halte.“

„Nein, nein“ seufzte sie. „Bitte entschuldigen Sie, aber ich bin etwas durch den Wind im Moment.“

„Sie können mich gerne duzen“ lächelte er sie lieb an. „Ich bin mir sicher, dass Sie und Nika sich jetzt viel zu erzählen haben. Ich möchte Sie wirklich nicht stören.“

„Nein, ich habe wirklich nichts gegen dich“ betonte sie. „Ich meine ... ich ... also.“

„Sie sind sehr freundlich. Ich freue mich darauf, Sie näher kennen zu lernen.“ Mit seiner positiv offenen Art war Enrico einfach unschlagbar.

„Und ... was machst du so? Ich meine, nachdem dein Vater ja nun nicht ... also, ich hoffe, du hattest keine großen Nöte und ... bitte sei ihm nicht böse. Er ist etwas ... na ja ...“

„Nein, ich bin kein Mensch, der sich viel ärgert“ versprach er. „Ich bin Arzt in Portugal und habe ein gutes Auskommen auch ohne Alimente. Meine Mutter konnte gut für mich sorgen, auch ohne Mann. Und ich habe vor einigen Wochen spontan geheiratet. Meinen Freund James dort drüben“ nickte er auf James.

Und in ihrem Gesicht konnte man den Schock geradezu sehen - noch ein Schwuler.

Aber damit hatte es auch den Vorteil, dass Enrico gleich die größten Schocker startete und dann in eine offene Beziehung zu ihr eröffnen konnte. Er war kein Freund von großen Lügengeschichten.

„Vielleicht möchten Sie sich etwas hinlegen?“ bot Yugi freundlich an, da die Gute doch ziemlich wacklig war. **Überall Schwule @__@ ... Mütter gegen Zwangsverschwulung auf die Barrikaden!!!**

„Oh nein, ich möchte Sie wirklich nicht stören. Ich ...“

„Sie stören nicht“ bat auch Mokuba gleich. „Wir haben genügend Gästeraume. Bitte bleiben Sie gern über Nacht. Nika wird sich sicher gut um sie kümmern, nicht wahr?“

„Ja, Mama. Bitte bleib hier“ bat sie dann auch.

„Bring sie doch hinein und ruht euch etwas aus“ bat Tristan und umarmte seine Frau lieb, um ihr wenigstens das Gefühl von einem Stück Sicherheit zu geben. „Wir kommen hier schon zurecht. Geh nur. Ich bringe die Kleine ins Bett und du lässt dir Zeit, hm?“

„Du hast einen sehr lieben Mann, Nikolas. So freundlich ...“ lächelte die Mutter ganz hin und weg von Tristans Höflichkeit. Ja, gut erzogen war er - das musste man der trutschigen Mama Taylor lassen. Ihre Kinder waren alle höflich.

„Ja, ich weiß“ lächelte sie zurück. „Aber Mama ... bitte ... würdest du vielleicht Nika zu mir sagen? Das wäre mir wirklich wichtig.“

„Ja, natürlich. Entschuldige. Ich brauche wohl noch etwas, um mich daran zu gewöhnen ... Nika ... entschuldige ...“

„Danke ... Mama ... ich danke dir. Ich bin so froh, dass du hier bist.“ Sie konnte es noch gar nicht fassen ... plötzlich hatte sie wieder eine Mama.

„Jetzt geht schon rein“ drängelte Tristan. „Lass sich deine Mutter hinlegen, bevor sie uns noch wegklappt.“

„Ja. Komm, Mama.“

„Dann komme ich ja doch noch zu meiner Geländeführung“ scherzte sie mit einem neuen Schniefen. Sie lächelte Noah an und sagte nur ein ergebenes „Danke, Mr. Kaiba. Ich danke Ihnen allen.“

„Herzlich willkommen in der Familie“ lächelte Noah mit Tränen in den Augen. „Bitte ruhen Sie sich aus und bleiben Sie, solange Sie möchten.“
 

Nika führte ihre Mutter ins Haus und sagte lieber erst mal nichts darauf, als Sethos ihnen von dort gerade entgegenkam und sich von ihr einen doch sehr verwirrten Blick einfing, welchen er aber nur mit einem freundlichen Nicken quittierte.

Nicht nur, weil er in seinem schlicht weißen Baumwollhemd und der dunkelblauen Sommerhose, noch dazu barfuß, einfach unglaublich aussah, zumal er sogar sein wallend langes Haar offen trug. Nein, dass Seto und Seth irgendwie verwandt waren, konnte man sich ja noch zurechtspinnen, aber bei ihm spürte man sofort eine merkwürdige Aura. Etwas Eigenes, was man sich nicht allein mit der äußeren Erscheinung erklären konnte.

„Kommst du auch mal aus dem Pool gekrochen?“ scherzte Yami ihn sofort an, als er die Tischgruppen erreichte. Wohl auch, um die staunenden Gäste zu wecken, damit sie aufhörten, ihn anzustarren.

„Guten Abend“ eröffnete er mit seiner ganz eigenen, fließenden Stimme in die Runde der Menschen hier. „Mein Name ist Eleseus Sethos und ich freue mich, Sie hier zu sehen.“ Kennen tat er wahrscheinlich alle hier, doch nur aus der Ferne. Hier auf der Erde aber war sein Name den Menschen unbekannt.

„Auf die Gefahr hin, dass Tristan mich gleich wieder anfährt“ sprach dann aber seine Mutter doch zuerst. „Entschuldigen Sie die Frage, aber sind Sie ein Bruder von Seth?“

„Nein, das kann ich erklären“ schritt Seto ein und stellte sich fast schützend neben Sethos, bevor der noch irgendwas antwortete. Er konnte ja schlecht die Wahrheit vor allen ausbreiten, doch lügen konnte er allein vom Job her nicht. Da sah Seto das etwas lockerer. „Nachdem ich in Seth einen so überraschend ähnlichen Doppelgänger gefunden habe, haben wir uns gefragt, ob es vielleicht noch jemanden gibt, der uns ähnlich sieht. Und meine Agenten haben dann ihn in Europa gefunden. Unglaublich, dass es drei Menschen gibt, die sich so ähnlich sehen, nicht wahr?“

„Ja, damit ist die These bewiesen, dass es jedes Gesicht zwei Mal auf der Erde gibt. Oder sogar öfter.“ Wunderbar. Mama Taylor kaufte ihm die Story ab und wohl auch alle anderen, weil die so anerkennend nickten. „TRISTAN!!!“

„MAMA!!!“ >Schreck, was nun wieder?<

„Kannst du nicht auch mal deinen Doppelgänger suchen? Du hast bestimmt einen.“

„Mama, so was ist sehr teuer, weißt du?“ rettete Marie und zog sie fort, damit sie sich hinsetzte und Sethos nicht noch irgendwelche verfänglichen Fragen stellte. „Das kostet sehr viel Geld und so viel haben wir nicht. Das ist so ein Hobby von Seto, weißt du?“

„Ach so. Ja, Seth hat erzählt, dass er ziemlich viele Hobbys hat ...“

Puh, alles gerettet. Nachdem einige sich einen Abendgruß erlaubt hatten und sich dann durchgehend alle wieder dem Essen oder dem Gespräch widmeten, durfte er dann wohl auch bleiben.

„Jetzt aber mal ehrlich“ flüsterte Seto, als er Sethos ans Büffet begleitete und doch tatsächlich ein paar Meter von Yugi abrückte.

„Was denn, Eraseus?“ erwiderte er ruhig, nahm sich einen Teller und suchte mit den Augen die lange Tafel ab.

„Bitte schwöre mir, dass es nicht noch mehr von uns gibt. So langsam komme ich in Erklärungsnot.“

„Schwören kann ich dir nichts“ erbat er sich und schaute ihn doch ehrlich zugewand an. „Was Vater tut, vermag ich nicht zu sagen, aber ich weiß nichts davon, dass er noch mehr Söhne geboren hat. Wenn er einen hätte, würde ich ihn sicher kennen, aber schwören kann ich darauf nicht.“

„Hauptsache, die Wahrscheinlichkeit ist gering“ schloss er und zeigte auf die große Schüssel in der Mitte. „Straciatellacreme, sehr lecker. Große Schokostücke.“

„Hab Dank für den Rat“ lächelte er und befolgte den sogar.

Während Seto sich zurück zu Yugi und Opa an den Tisch trollte, belud Sethos sich seinen Teller mit einer großen Portion Straciatella. Wenn sie schon empfohlen wurde und Seto sie mochte, war doch davon auszugehen, dass auch er sie mochte. Zwar war es ein merkwürdiges Gefühl, dass er, je länger er hier auf der Erde blieb, auch immer mehr ihren Gesetzen unterlag oder es einfach von Tag zu Tag mehr spürte. In der ersten Zeit war das Essen für ihn ein Vergnügen gewesen bis es ihn langweilte und er dann aber feststellte, dass er es brauchte. Zwar konnte er sicher lange Strecken ohne Nahrung auskommen, aber das Drücken im Magen wurde dann schnell unangenehm. Solche Zwänge wie essen oder schlafen war er nicht gewohnt. Allein in den letzten Wochen hatte er mehr geschlafen als in den vergangenen Jahrtausenden. Das Leben auf der Erde und die Gesetze, welche es mit sich brachte, darum hatte er zwar gewusst, aber je besser er sie kennen lernte, desto mehr spürte er, wie theoretisch sein Wissen war. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass Rah ihm so unendlich weit fort vorkam ...

Er drehte sich um und suchte nach einem ruhigen Platz an einem der Tische. An dem einen Tisch ging es wild zu, denn dort saßen die Taylors mit Seth und Atemu mittendrin. Selbst Mokuba hatte sich der illusteren Runde angeschlossen und trank bestimmt schon sein xtes Glas Punsch.

Am anderen Tisch saßen Tea und Mokeph, welche sich höflich, aber doch recht befangen mit ihren Eltern und Joeys Mutter unterhielten. Auf so eine angespannte Situation hatte er nun keine Lust und einmischen wollte er sich dort nicht.

Am dritten Tisch saßen Yugi und Seto gemeinsam mit Opa und dem Rest der Wheelers inklusive Narla. Dort ging es auch heiter zu, da Seto und Joey mal wieder kurz davor waren, sich wegen irgendwas die Köpfe einzuschlagen. Das war ihm eindeutig zu laut.

Da beobachtete er, wie Noah soeben von James und Enrico allein am Tisch zurückgelassen wurde und noch so lange lächelte bis beide hinter dem Springbrunnen verschwunden waren. Wohl um einen Moment unter sich zu sein. Doch dann senkte er den Kopf und blickte verloren in sein Glas mit Weißwein, scheinbar keine Lust, sich an einen der volleren Tische zu setzen.

Also gesellte Sethos sich zu ihm, blieb aber kulant neben seinem Stuhl stehen.

„Störe ich dich oder darf ich mich setzen?“

„Nein, setz dich ruhig“ erwiderte Noah leise und nippte an seinem Glas.

Also setzte sich der hohe Priester und versuchte den ersten Löffel des empfohlenen Gerichtes. Er ließ es sich auf der Zunge zergehen und beschloss schon jetzt, dass dies heute sicher nicht sein letzter Teller gewesen war.

Noah hingegen hatte noch gar nichts gegessen, denn vor ihm stand nicht mal benutztes Geschirr. Nur das Weißweinglas, welches seinen Blick fesselte.

Doch wenn Sethos ihn so näher betrachtete, schien Noah doch etwas blass. Sein Blick nicht wirklich an dem Getränk interessiert und dafür irgendwo weit abgeschweift in seinen eigenen Gedanken.

„Du machst einen bedrückten Eindruck“ bemerkte er halb fragend, halb feststellend.

„Sieht nur so aus“ erwiderte er tonlos und nippte noch mal einen Schluck von seinem teuren Zungenkitzler. „Und du? Wie geht’s dir? Du schläfst viel.“

„Mir ist langweilig. Ich hab nichts Besseres zu tun als zu schlafen“ antwortete er und stoppte aber nicht, sein Abendbrot zu genießen. „Noah, wenn du über irgendetwas sprechen möchtest, dann tu es und lass es nicht auf deinem Herzen lasten.“

„Liest du etwa meine Gedanken?“

„Man muss kein Gedankenleser sein, um deine roten Augen zu erkennen. Mokuba hast du erzählt, es seien Freudentränen für Nika?“

„Du liest doch meine Gedanken. Du warst noch gar nicht hier, als ich ihm das gesagt habe.“

„Ich habe bessere Ohren als du denkst.“ Er nahm sich noch einen Löffel Creme und blickte ihn wohl absichtlich nicht an. „Wenn du es für gut hältst, deinen Geliebten über deine Sorgen im Unklaren zu lassen, ist es deine Sache, aber ...“

„Du hast Recht, es ist meine Sache“ fuhr er zwar ruhig, aber doch entschieden dazwischen. „Steck dich da nicht rein, Sethos.“

„Ich will mich nicht reinstecken“ beruhigte er und blickte ihn doch mit einem Ausdruck in seinen ozeantiefen Augen an an, vor welchem Noah sich gewollt, durchschaut vorkommen musste. „Ich darf mich nicht einmal reinstecken, denn dies ist nicht mein Gebiet. Ich mische mich nicht in die Geschicke der Götter, weswegen ich dir auch nichts sagen darf. Aber du solltest wissen, du bist nicht so allein, wie du glaubst. Hab mehr Vertrauen, denn auch du wirst von Rah sehr geliebt. Wenn du es nur zulässt und ihm dein Herz öffnest.“

„Ja, ich weiß“ seufzte er in sein Glas hinein. „Lass mich einfach. Ich bekomme das schon geregelt.“

Sethos wand seinen Blick ab und hielt sich mit seinem Urteil, sowie mit schlauen Ratschlägen zurück. Er mochte Noah als Menschen und schätzte ihn. Er durfte sich jedoch nicht erlauben, so viel Mitleid zu empfinden, dass er sich in sein Leben mischte. Menschen durften sich gegenseitig in ihre Leben einmischen, aber nicht jemand wie er. Sethos wusste, er würde nur mehr durcheinanderbringen, als er ordnen konnte.
 

Für Noah mussten die Götter sorgen ...

Kapitel 16 bis 20

Chapter 16
 

Der Polterabend ohne Polter ging dann noch bis etwa Mitternacht, bevor die Familien sich auf den Weg zurück nach Hause machten. Bis auf Nikas Mutter, welche im Gästeflügel der Villa übernachtet hatte und nun erst mal planen musste, wie es mit ihrem Mann weiterging. Doch da die Taylor ihr über Tristan noch mal ihre vollste Unterstützung zugesichert hatten, würde sie mit Sicherheit nicht alleine dastehen.

Und Enrico und James fanden auch ein Plätzchen zum Schlafen in der Villa, denn die beiden hatten so dermaßen einen über den Durst getrunken, dass sie nicht mal mehr wussten, in welchem Hotel sie eigentlich abgestiegen waren.
 

Nun kamen sie aber in die spannende Zeit. Nur noch ein Tag zur Vorbereitung und morgen Mittag würde dann geheiratet werden. Es gab viel Arbeit, aber zuerst wurde mal ausgeschlafen.

Bis auf Noah, der sich keine Pause gönnte.

Leider schon wieder.

Der saß schon ganz früh in der Küche, noch bevor alle anderen überhaupt nur ans Aufstehen dachten. Mit einem starken Kaffee an seiner Seite zog er sich schon so früh die Ausdrucke der trockenen Berichte aus seinen gestrigen Mails rein, bevor er gleich los musste.

„Oh, du bist schon auf?“ Noch jemand, der früh hoch war.

Seth kam herein und hatte gar nicht erwartet, hier schon jemanden zu treffen, bevor sich die Sonne überhaupt ganz ans Aufgehen machte.

„Hm“ erwiderte Noah nur kurz, wischte sich über die Augen und sah nicht mal von seinem Papier hoch.

„Das riecht ja nach Kaffee. Ich dachte, du trinkst nur Tee. Ist auch noch ein Becher für mich übrig?“

Noah wies wortlos nur zur Seite auf die Kaffeemaschine, wo bestimmt noch ne halbe Kanne drin war. Das sollte ja wohl reichen.

Etwas müde noch, schenkte Seth sich seinen feuerroten Lieblingsbecher voll und setzte sich gegenüber von dem frühen Vogel, der noch immer nicht aufsah.

Seth duckte sich ein wenig und wollte einfach nur mal schauen, was Noah da las, aber da entdeckte er dicke Tropfen auf dem Papier, welche die Tinte verschwimmen ließen.

„Noah?“ fragte er ganz vorsichtig. „Weinst du?“

„Nein, mir tränen nur die Augen“ antwortete er, auch wenn seine Stimme nicht wirklich überzeugend klang. Er wischte sich noch mal über die Augen, um das salzige Wasser loszuwerden und setzte sein standardisiertes Lächeln auf. Aber zu seinen roten Augen passte das nicht wirklich.

„Was ist denn los?“ hakte er besorgt nach und ging um den Tisch herum, um ihn in den Arm zu nehmen.

„Nichts. Wirklich“ beteuerte Noah, aber an Seth kam keiner vorbei. Er setzte sich neben ihn und schloss ihn einfach in den Arm.

Er hielt ihn ganz fest und spürte, wie fertig der Arme war. Ob das nun von der vielen Arbeit kam oder von einer Krankheit, war schwer zu sagen. Auf jeden Fall ging es ihm nicht so gut wie sonst. Er hatte kaum Spannung, eher Verspannung und fühlte sich doch so matschig an.

„Noah, was ist los?“ wollte er noch mal wissen und wischte ihm die neuen Tränen fort. „Es sieht dir nicht ähnlich, so traurig zu sein. Ist es die viele Arbeit?“

„Nein, es ist nur ... ich bin nicht so gut drauf. Ich weiß auch nicht.“

„Vielleicht wirst du krank.“

„Nein. Es ist alles okay. Ich kann es nicht sagen ... ich bin einfach nur ein bisschen geschafft. Wahrscheinlich zu wenig Schlaf letzte Nacht.“

„Nur deswegen weint man aber nicht gleich“ erwiderte Seth ganz richtig. „Das ist mir gestern Abend schon aufgefallen. Nach dem Auftritt von Mrs. Amon hast du dich mit deinem Drink zurückgezogen und die Tischplatte angestarrt. Und jedes Mal, wenn Moki was von dir wollte, hast du ihn abblitzen lassen. Wir wissen ja, dass du gestresst bist, aber jetzt mache ich mir Sorgen um dich.“

„Brauchst du nicht. Ich muss mir nur mal einen Tag frei nehmen. Dann geht es wieder. Es ist nichts.“

„Noah“ schaute er ihn durchdringend an. „Ich will deine Gedanken nicht lesen, aber das sieht ein blinder mit nem Krückstock, dass dir was auf der Seele brennt.“

„Es ist nur ... als ich sie gestern so gesehen habe ...“ stammelte er und wollte sich das eigentlich selbst nicht richtig eingestehen. Doch unter Seths Blick fühlte er sich fast so nackt wie unter dem von Sethos gestern Abend. Dieses Gespür für andere Menschen, war doch wirklich manchmal unheimlich.

„Wen denn? Noah, was ist los?“ Noah und Traurigkeit passte eigentlich nicht zusammen. Und auch nicht, dass er etwas verbarg. Das war nicht seine Art.

„Ist dir eigentlich aufgefallen, dass ich der Einzige bin, der keine Familie mehr hat?“

„Das ist doch nicht wahr“ tröstete er sofort entschieden. „Du hast doch Seto und Mokuba. Deine Brüder.“

„Aber sie sind doch nur adoptiert. Und mittlerweile komme ich mir vor, als hätten sie mich adoptiert. Jeder hat irgendwen und ich? Ich habe keinen einzigen Verwandten mehr, der bei mir ist.“

„Aber Noah, das ist ...“

„Jeder, Seth. Jeder hat irgendwen. Du hast deinen Bruder und hast bei den Taylors zugeheiratet UND du hast eine Tochter. Seto hat Mokuba, Yugi hat seinen Opa, Joey hat seine Schwester und beide Eltern, Nika hat ihre Mama zurück, Tea hat auch noch Eltern. Jeder hat irgendjemanden, nur ich nicht. Ich hab überhaupt keine Familie mehr.“

Das war es also, was ihm auf der Seele lag. Noah war der einzige, der keinen Verwandten mehr hatte. Niemanden, den er zu einer Familienfeier einladen konnte. Natürlich fühlte er sich einsam, wenn alle eine Familie zum Einladen hatten und nur er sich wie adoptiert vorkam, obwohl er der einzige gebürtige Kaiba war..

„Das ist doch Unsinn, Noah“ meinte Seth, der das aber durchaus gut verstehen konnte. „Sieh doch mal Atemu. Er hat doch auch keine Familie mehr.“

„Aber er hat Yugi. Das ist das Gleiche. Ich hab doch gesagt, es ist nichts. Ich sollte das wieder vergessen.“

„Weißt du eigentlich, dass Stress auch auf die Psyche schlägt?“ fragte er dann ganz bitterernst. „Noah, ich würde sagen, du bist ausgebrannt. Normalerweise würde dir so etwas gar nichts machen. Du würdest nicht mal daran zweifeln, dass Seto und Mokuba wirklich deine Brüder sind. Ich glaube, du hast ein Burnout und das bringt meistens auch Depressionen mit sich. Du solltest etwas kürzer treten.“

„Das geht im Moment nicht. Ich habe so viele Sachen am Laufen. Wenn alles vorbei ist, werde ich mal die Beine hochlegen. Jetzt finde ich da keine Ruhe für.“

„Denkst du oft an deine Familie?“ horchte Seth ganz lieb. Vielleicht brauchte Noah auch einfach nur mal jemanden zum Reden. Über Sachen, die er mit Mokuba nicht besprechen wollte, denn von Gozaburo war der nicht so begeistert - und doch hatte Noah seinen Vater geliebt. „Was ist mit deinem Vater? Denkst du manchmal an ihn?“

„Sag es bitte nicht den anderen, aber ... ja, ich denke oft an ihn“ gestand er leise voller Schuldbewusstein und lehnte sich fast ungewollt dich an Seths breite, warme Schulter, die er ihm eben dazu hinhielt. „Ich weiß, dass er Seto und Mokuba schlecht behandelt hat, aber zu mir war er immer korrekt. Gut, er war niemals besonders herzlich und er hat mich nie in den Arm genommen oder mich abends zugedeckt. Aber er hat sich um meine Ausbildung gekümmert. Alles war reine Erziehung ohne Gefühle, das hat er gemacht. Bei schwierigen Sachen überlege ich häufig, wie er das gemacht hätte. Auch wenn es niemand verstehen kann ... verdammt, er war doch mein Vater. Ich wünschte, ich könnte ihn hassen, aber so weit geht meine Solidarität nicht. Ich kann doch meinen Vater nicht hassen für Dinge, die er mir niemals getan hat.“

„Das verlangt auch niemand, dass du deinen Vater hassen musst.“

„Aber niemand hat eine gute Meinung von ihm. Ich weiß ja, dass er ein Menschenfeind und ein Betrüger, ein gnadenloser Mensch war, aber er war mein Vater. Ich kann doch meine Gefühle für ihn nicht abstellen.“

„Das verlangt niemand von dir, Noah. Wirklich niemand.“ Aber er konnte es verstehen, dass er nicht über seinen Vater sprechen konnte. Gozaburo war ein schrecklicher Mensch gewesen, grausam und unnachgiebig. Er hatte Noah sogar im CyberSpace einfach zurückgelassen - aber er war trotzdem sein Vater. Und über diese Gefühle konnte er mit niemandem sprechen, weil er wohl Angst hatte, man würde ihn nicht verstehen. Für gewöhnlich schien Noah auch niemals Probleme damit gehabt zu haben, aber wenn seine Nerven eh schon angeschlagen waren, fielen manche Dinge eben schwerer als sonst.

„Gestern habe ich nach langer Zeit wieder an meine Mutter gedacht“ erzählte er und sank ungewollt tiefer in Seths warmen Armen ein.

„Und? Woran denkst du, wenn du an sie denkst?“

„Sie war so wunderschön“ flüsterte er. „Sie hat immer gut gerochen und ihr Haar hatte so kleine Locken, wenn es geregnet hat. Abends hat sie mir etwas vorgesungen und sie blieb immer da, bis ich eingeschlafen war. Sie war so lieb und ... ich vermisse sie, Seth. Ich vermisse sie sehr. Mehr als alle anderen Menschen. Und dabei erinnere ich mich kaum noch an ihr Gesicht.“

„Ja, das kann ich verstehen“ nickte er und ließ Noah einfach weinen. Der Arme war total fertig mit den Nerven und die Familienfeier gestern musste eine Qual für ihn gewesen sein, obwohl er sich so sehr engagiert und sich selbst für Nika und ihre Familie eingesetzt hatte. Aber ihm fehlte nun mal seine Familie und seine momentane Überlastung tat ihr übriges. „Woran ist deine Mutter denn gestorben? Wenn ich das fragen darf.“

„Es war ein allergischer Schock. Weißt du, sie hat so gerne gegärtnert. Sie war so stolz auf ihre Rosenbüsche. Der Arzt sagte, sie habe sich an einem Dorn gestochen und ist dann mit den Chemikalien des Bodendüngers in Kontakt gekommen. Man hat sie tot im Garten aufgefunden.“

„Und außer ihr und deinem Vater hattest du keine Verwandten? Was ist mit deinen Großeltern?“

„Meine Großeltern sind schon tot und On... nein, ich hab keine Verwandten mehr.“

„Onkel wer?“ Seth konnte man auch nichts vormachen. Der hörte besser zu als einem lieb war. „Du wolltest doch etwas sagen eben.“

„Nein, ich hab keine Verwandten mehr. Es ist ...“

„Noah“ bat er inständig und drückte ihn so fest, dass er sich einfach nicht verlassen fühlen durfte. „Du musst nicht darüber sprechen, aber wenn dich etwas beschwert, dann friss es nicht in dich hinein. Bitte tu uns das nicht an.“

„Ich hab noch einen Onkel“ erzählte er dann und schlug den traurigen Blick nieder auf seine ringenden Hände. „Onkel Gordon ist der jüngere Bruder meines Vaters. Als ich noch klein war, waren wir viel zusammen. Ich habe ihn häufig besucht und er mich. Es kam mir vor, als sei er mein bester Freund. Er hat mir damals beigebracht, wie man richtigen Tee kocht. Mein Vater hatte niemals viel Sinn für die schönen Dinge des Lebens, aber Onkel Gordons Blick war immer so voller Liebe. Er war immer das, was ich bei meinem Vater vermisst habe. Aber irgendwann ist er nicht mehr zu Besuch gekommen. Und ich durfte ihn auch nicht mehr besuchen. Ich war damals acht oder neun, als seine Besuche aufhörten. Das war kurz nach dem Tod meiner Mutter. Mein Vater sagte mir, er sei ins Ausland gezogen und wolle wegen eines Streits nichts mehr mit uns zu tun haben. In dieser Zeit habe ich mich sehr an meinem Vater festgehalten, denn er war der einzige Mensch, der noch da war. Ich wollte alles für ihn tun, damit er mich nicht auch verließ.“

„Hast du ihn denn nie gesucht?“ hakte Seth nach. „Deinen Onkel Gordon meine ich. Du hast doch jede Menge erforscht, während du im Internet fest hingst. Hast du niemals den Wunsch, wieder Kontakt zu ihm aufzunehmen?“

„Doch, natürlich habe ich nach ihm gesucht. Er ist nach Kanada gezogen, aber mehr weiß ich nicht. Nach so vielen Jahren ... ich kann doch nicht einfach bei ihm auftauchen und sagen ‚Hallo! Da bin ich!’ Das geht doch nicht.“

„Warum denn nicht?“ ermutigte Seth ihn. „Er hat sich doch nicht mit dir gestritten, sondern mit deinem Vater. Da kannst du doch nichts für.“

„Nein, ich ...“

„Noah, wenn es dir so wichtig ist, dann versuche es doch einfach. Seine Adresse rauszukriegen, dürfte doch wohl kein Problem sein. Wenn es noch Bruchstücke von deiner Familie gibt, dann sei doch glücklich. Woher willst du es denn wissen, wenn du es nicht versuchst?“

„Es sind so viele Jahre vergangen. Ich weiß ja nicht mal, ob er überhaupt noch in Kanada wohnt. Ich hab auch lange nicht an ihn gedacht bis ... bis gestern Abend.“

„Wenn du es möchtest, dann kontaktiere ihn doch“ ermutigte er ihn weiter. „Mehr als dich wegschicken, kann er ja nicht. Und wenn er vielleicht genauso denkt? Wenn er auch denkt ‚ach, so viele Jahre’? Du kannst es doch nicht wissen. Schreibe ihm doch einen Brief. Du musst ihn ja nicht gleich anrufen.“

„Ich habe keine Zeit, ihn zu kontaktieren. Es liegt so viel an im Moment. Ich habe jetzt keine Zeit. Die Tarifverhandlungen, die vielen Neugründungen, die neuen Finanzgesetze, Mitarbeiterentwicklung, Produktausrichtungen ...“

„Dann vielleicht, wenn deine heiße Zeit vorbei ist“ unterbrach Seth. „Wenn du wieder etwas Ruhe hast, dann denke doch in Ruhe darüber nach. Und nach einem richtigen, echten Urlaub geht es auch deiner Psyche wieder besser. Mit so einem Burnout ist nicht zu spaßen. Frag Enrico, der wird dir das auch bestätigen.“

„Reicht mir schon, dass Mokuba an mir rumdoktort“ seufzte er. Mokuba lief den ganzen Tag hinter ihm her und verlangte, dass er sich frei nahm. Aber wie denn, wenn gerade jetzt im Moment so wichtige Saisonverträge anstanden? Er hatte jetzt einfach keine Zeit für freie Zeit.

„Aber schröpfe dich nicht so viel, ja?“ bat er dennoch streng. „Deine Kondition ist auch nicht unbegrenzt. Du bist nur ein Mensch, Noah.“

„Bitte erzähl keinem, was ich dir gesagt habe“ sagte er und sah ihn traurig an. „Ich will nicht, dass sich alle in meine Sachen stecken.“

„Wenn du Kontakt zu deinem Onkel möchtest, ist das nur deine Sache“ nickte er verständnisvoll. „Ich würde auch nicht wollen, dass mir jeder reinredet. Nimm dir Zeit dafür und wenn du jemanden brauchst, dann bin ich immer für dich da. Das weißt du aber, nicht wahr?“

„Ja, das weiß ich. Danke, Seth“ seufzte er und drückte ihn noch mal, bevor er ihn losließ und seinen mittlerweile kalten Kaffee herunterschüttete.

„Sag doch was, dann wärme ich ihn dir auf“ lachte Seth, als Noah angewidert das Gesicht verzog. Wem schmeckte schon kalter Kaffee und dann auch noch, wenn man eigentlich Teeliebhaber war?

„Warum bist du überhaupt so früh auf?“ fragte er dann lieber im Gegenzug. „Halb sieben Uhr ist doch keine Zeit für einen Langschläfer wie dich.“

„Lela hat mich geweckt“ lächelte er. „Ich weiß gar nicht, was sie wollte, denn sie ist gleich wieder abgedüst. Im Sommer ist sie ja immer gar nicht drin zu halten. Wahrscheinlich wollte sie nur hallo und guten Morgen sagen. Ich dachte mir dann, ich mache mich etwas frisch und bringe Atemu Frühstück ans Bett. Da freut er sich sicher drüber.“

„Ja, kommt ganz drauf an, was du ihm auftischst.“

„Och, ich dachte da an ... mich?“ zwinkerte er mit seinem frechen Auge.

„So so“ lächelte er zurück. „Und mit was bestrichen? Er steht ja auf Senf.“

„Ich steh auf Honig. Also gibt es Honig“ beschloss Seth, trank seinen Becher aus, erhob sich vom Stuhl und griff sich den Honig aus dem Regal, während er seinen Becher in die Spüle stellte.

„Willst du ihn denn schon wecken?“

„Wir haben einen langen Tag voller Vorbereitungen vor uns. Wenn nicht jetzt, wann denn dann? Und du? Hast du Mokuba schon geweckt?“

„Ich hab ihm den Wecker gestellt. Er ist doch alt genug.“

„Es gab mal Zeiten bei euch, da habt ihr euch gegenseitig geweckt“ seufzte Seth doch etwas mitleidig. Er war zwar auch manchmal genervt von Atemu, aber es würde ihm fehlen, wenn man sich morgens nicht mehr lieb oder mit ein paar erotischen Fiesigkeiten wecken kam.

„Diese Zeiten kommen zurück, wenn ich Zeit dafür habe. Ich muss jetzt auch los, damit ich heute Mittag wieder hier bin.“

„Habt ihr eigentlich schon jemanden ausgeguckt, der Yugi ins Hotel fährt? Du hast doch alle Planungen an dich gerissen ...“

„Ich denke, das macht spätestens Roland, wenn ihm einer bescheid sagt. Mokuba will sicher bei Seto bleiben. Da fällt mir ein: Hat den beiden eigentlich jemand gesagt, dass sie heute getrennt werden?“

„Also, ich nicht“ meinte Seth. „Dann sollte das irgendwer mal schleunigst tun.“

„Irgendwer ist aber jemand anderes als ich“ meinte Noah und schob seine Akten zusammen, die er gleich unter den Arm nahm. „Bis später, Sethi!“

„Ja, bis später Noah“ verabschiedete er und schon war Noah auch schon zur Tür raus. „Der muss sich schleunigst frei nehmen“ murmelte er noch zu sich selbst und versank in Gedanken, während er ins Schlafzimmer ging. Noah sah gar nicht gut aus. Ganz blass und seine Augen waren so traurig. Er war wirklich ausgebrannt und total überarbeitet. Aber bevor er seine Verträge nicht unter Dach und Fach hatte, würde er auch keine Erholung finden.
 

Doch seine Gedanken wurden fortgeblasen, als er die Tür öffnete und seinen Geliebten im Bett schlummern sah. Er hatte ja heute Nacht bei seiner Frau geschlafen und so war es ein süßes Bild, wenn er seinen Pharao so vorfand.

Der Sonnenaufgang schien schon durch die hellen Vorhänge und er schlief wie meist im Sommer bei offenem Fenster völlig nackt im Bett. Er hatte es auch mal wieder geschafft und seine Decke runtergeworfen und sich an Seths Kissen geschmust, weil ihm dann kalt wurde, dem kleinen Tollpatsch. Und bei Kälte flüchtete er immer auf Seths Bettseite. Wenn er so dalag, sah er fast unschuldig aus. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen und sein Atem ging so beruhigend gleichmäßig.

>Wie schön er ist< lächelte er in sich hinein und wollte dennoch an die Arbeit gehen, ihn zu wecken.

Behutsam setzte er sich neben ihn in das große Bett, zog sich das Shirt über den Kopf, streifte die leichte Hose ab und schraubte das Honigglas auf. Er senkte den Finger hinein und betrachtete die goldene Masse, welche schon fast wieder heruntertropfte, bevor er sich ein wenig davon erst auf die eine, dann auf die andere Brustwarze schmierte und sich schon darauf freute, wenn das süße Zeug gleich abgeleckt würde.

Den Rest behielt er auf der Fingerspitze und führte ihn langsam an die königlichen Lippen heran.

Zuerst tat sich gar nichts, aber er wusste genau, wie gerne Atemu es hatte, wenn er ihn so weckte.

Das süße Stupsnäschen begann ein wenig zu schnüffeln und nahm den guten Geruch des Honigs auf. In Seths Augen war er noch süßer als der Honig, wenn er seine zarten Nasenfalten so niedlich kräuselte. Er tippte noch mal leicht die Lippen an, welche sich dann gleich verträumt darum schlossen und seine warme Fingerspitze festhielten. Die weiche Zunge spielte um jedes Stück, welches mit süßer Masse beheftet war und raubte sich genießend alles, was sie bekommen konnte.

Aber als Atemus Aufmerksamkeit stieg und er begann unzüchtigen Blödsinn mit seiner Zunge zu machen, da wollte Seth seinen Finger doch gerne wiederhaben.

Er zog ihn heraus und der geweckte Pharao ließ ein wohliges Seufzen hören.

„Guten Morgen, mein Priester“ lächelte er ohne die Augen zu öffnen.

„Guten Morgen, Majestät“ hauchte Seth ihm einen leisen Kuss auf die Lippen. „Seid Ihr gewillt, auch den Rest des flüssigen Goldes zu suchen?“

„Da brauche ich nicht lange suchen. Ich weiß, wo Ihr beliebt, es zu verstecken, mein geliebter Wüstenprinz“ wisperte er und tauchte direkt zwischen seine Arme ab.

Natürlich hatte er sich nicht geirrt. Er wusste immer, wo Seth kleine Überraschungen für ihn bereithielt. Spielerisch schleckte er die Süße von den zarten Knospen, welche sich unter seinen Bemühungen schnell erhärteten und sich ihm gierig entgegenstreckten. An der ersten Station hielt Seth sich ja noch zurück, aber spätestens als er schmatzend an der zweiten saugte, keuchte er entrückt auf und drehte seinen Pharao herum.

Schnell zog er seine Unterwäsche von den Beinen und kniete sich über ihn, um am liebsten sofort über ihn herzufallen - unzüchtige Attacke war also voll erfolgreich.

„Na, du hast es ja eilig heute Morgen, was?“ glühte Yami zu ihn hinauf und griff an die harte Erektion, die ihm sehr gut in der Hand lag. „Und du bist ja schon viel wacher als ich.“

„Magst du dein persönliches Weckkommando nicht?“

„Oh doch, ich liebe es“ betonte er vorfreudig. „Und wie willst du mich noch weiter wecken? Wie wäre es, wenn ich mal wieder dich nehmen darf?“

„Bleib einfach liegen. Der Rest liegt bei mir, Pharao“ stimmte er also zu und seine blauen Augen entbrannten in einem glänzenden Feuer. Seth war in Stimmung und alles, was er jetzt noch wollte, war hier und jetzt unter ihm.

„Ach ja, du bist so gut zu mir“ seufzte Yami, als sein Liebster sich herabbeugte und ihm mit grausamen Lippen einen deftigen Knutschfleck verpasste. Es pochte und erhitzte sich an dieser Stelle und machte sich auch optisch hübsch neben dem Mal vom letzten Gute Nacht sagen.

Der alte Pharao legte zufrieden den Kopf zur Seite und ließ den Oberen einfach machen. Nur liegen und genießen, konnte er gut.

Er liebte Morgensex. Da startete der Tag doch ganz zauberhaft.

Nur leider fiel sein Blick dabei auf die Uhr neben dem Bett und erschreckt musste er feststellen: „Schon gleich viertel vor sieben!“ rief er und war Seth schneller entfleucht als der überhaupt reagieren konnte.

„Ja und?“ fragte der verwirrt, als Atemu ihm unter den Beinen durchflutschte. Er drehte sich um, setzte sich aufs Bett und verstand nicht, warum er jetzt aufsprang und sich die Hose anzog, anstatt mit ihm eine Nummer zu schieben.

„Ich muss doch Yugi wegbringen“ hetzte er und griff noch schnell nach der Haarbürste, um sich seine blondgefärbte Tolle zu bändigen und in einem kleinen Zopf verschwinden zu lassen.

„Atemu? Es ist nicht mal sieben Uhr. Yugi und Seto schlafen noch.“

„Ja eben!“ rief er und krallte sich ein frisches Shirt aus dem Schrank. „Die beiden sollen sich doch einen Tag vor der Hochzeit nicht sehen.“

„Seit wann kümmerst du dich um solche Bräuche, Pharao? In Ägypten wurde nie so ein Heckmeck um eine schlichte Eheschließung gemacht.“

„Weil mir Tea sonst die Hölle heiß macht. Ich bin dafür zuständig, Yugi abzulenken und wegzubringen. Sie sollen sich doch erst morgen zur Trauung sehen. Das steigert die Sehnsucht.“

„Aber Atemu! Ich muss entschieden protestieren!“ schimpfte er enttäuscht. „Was ist denn mit meiner Sehnsucht nach einer Nacht ohne dich? Ich hab doch auch Bedürfnisse. Komm schon. Nur fünf Minuten, dann kannst du gehen. Nur einen Quicky.“

„Ach, ich wünschte, dass ich nicht so verschlafen hätte. Dann hätte ich dich geweckt“ trauerte Yami und trabte zum Bett zurück. Er griff darunter und holte eine große Holzkiste hervor, kramte kurz darin herum, schloss das Ding und schob es wieder unters Bett. „Wir sehen uns später. Und dann erledige ich auch all meine Pflichten zu deiner vollsten Zufriedenheit“ versprach er und küsste seinen Priester - viel zu kurz, wie dieser fand. „Ich liebe dich“ setzte er noch kurz hinzu, drückte ihm einen Vibrator in die Hand und eilte aus dem Raum. Für das Ärgste konnte Seth auch alleine sorgen, bis er später dann etwas ausgiebiger Zeit für ihn fand.

Der arme Teufel sah nur etwas enttäuscht die Tür zufallen und ärgerte sich doch ziemlich.

Hier saß er nun mit einer Latte und einem pochendem Hintern und der Garant für guten Morgensex war soeben verschwunden. Das Leben konnte ja so gemein sein.

„Ach, Atemu“ seufzte er entnervt. „Das kriegst du wieder.“

Aber was sollte es? Musste er eben selbst Abhilfe schaffen.

Er griff sich das Gleitgel, welches zwischen ihren Matratzen steckte, schraubte es auf und befeuchtete den noppigen Vibrator, damit es alles gut flutschte.

Er legte sich auf den Rücken, spreizte die Beine und führte ganz langsam das harte Plastik in sich ein, welches schon ganz verheißungsvoll zu zittern begann.

Ganz langsam glitt er das Ding in sich hinein und bewegte es ein paar Male vorsichtig hin und her, vor und zurück.

Die Hitze stieg in ihm auf, als der den feuchten und etwas kalten Kunststoff in sich fühlte und die kleinen Noppen seine Enge reizten. Mit Atemu war es besser und vor allem war der warm, aber so musste es halt auch gehen. Wenn er jetzt nicht ein paar harte Stöße wie angedroht, bekam, würde er den ganzen Tag unbefriedigt durch die Gegend laufen und seinen Frust an Leuten auslassen, die es nicht verdient hatten.

Eigentlich wollte er ja Seme sein, aber als Atemu ihn mal um Abwechslung gebeten hatte und nun nicht da war ... alleine nahm er auch jegliche Stimulation, die er bekommen konnte.

Und je mehr er den vibrierenden Stab in sich bewegte, je lockerer er selbst wurde und ihm das Blut durch die Ohren rauschte, desto größer wurde seine Lust, die er endlich in leisem Stöhnen in den Raum entließ.

Bis er sich selbst so weit geweitet hatte, dass es nicht mehr wehtat.

Dann griff er sich an seine heiße Erektion und begann sich sofort hart zu pumpen. Mit der anderen Hand stieß er sich immer wieder den festen Stab hinein und suchte nach seinem eigenen Lieblingspunkt. Er hörte sich selbst laut aufkeuchen, als er seine Suche endlich erfolgreich abschließen konnte und erneut darauf zuhielt.

Er pausierte zwischendurch kurz und drückte so fest zu, bis es schmerzhaft wurde. Wirklich richtig schmerzhaft und es ihn selbst quälte - genau wie Atemu ihn gerne ärgerte, wenn er mit seiner Härte in ihn hineinstieß. Dann erst, wenn der Schmerz die Lust fast übertrumpfen wollte, machte er weiter, um seine Erregung noch zu steigern und nach seiner Befriedigung zu suchen. Und ihm hoffentlich einen schnellen Orgasmus zu bekommen, denn warten wollte er nicht mehr.

Seine Hände wurden schneller und er fühlte die Hitze in sich ansteigen, das Verlangen, welches seinen Körper schüttelte. Seine Wangen glühten, seine Stimme steigerte sich hechelnd laut und endete in lautem, regelmäßigem Stöhnen.

Er legte noch einen Gang drauf, stieß sich selbst immer heftiger, immer härter, bewegte seine Hüften, atmete schneller und litt immer wieder, warf seinen Kopf hin und her und kniff die Augen zu. Er spürte, wie sein Orgasmus von ihm Besitz ergriff und wollte diese Phase gern noch ein bisschen länger halten, aber dafür war er schon zu schnell gewesen.

Er bäumte sich auf, stieß sich selbst noch mal hart hinein und rubbelte über seine feuchte Spitze, welche binnen Sekunden den Druck abfallen und ihm sein weißes Ergebnis über den Bauch laufen ließ.

Er genoss seine selbstgemachte Lust in den letzten Zügen und sank dann entspannter in den weichen Stoff der Matratze ein. Langsam zog er sich den Vibrator heraus und griff sich ein paar von den Kleenextüchern, welche sie immer neben dem Bett zu stehen hatten. Erst säuberte er seine Gerätschaft und legte sie auf die andere Bettseite ab. Mit den übrigen Tüchern wischte er sich schnell den Bauch sauber und befreite auch seinen Hintern von dem verwischten Gel.

>Hätte nicht gedacht, dass ich so scharf bin< dachte er noch selbst, denn das war ja jetzt doch ziemlich schnell gegangen. Für gewöhnlich ließ er sich gerne Zeit, wenn er es schon mit sich selbst trieb, aber das war ja jetzt ne Rekordleistung. >Solange hätte Atemu doch nun wirklich Zeit gehabt. Das waren niemals mehr als zwei Minuten.<

Fürs erste tat es das auch, aber Atemu würde später noch mal ranmüssen.

Er seufzte noch mal und fiel dann rückwärts in die zerknautschten Kissen zurück. Das offene Fenster ließ ihn frösteln und so deckte er sich gemütlich zu und beschloss, dass er noch ein wenig schlafen wollte. Seine Pläne für den Morgen hatten sich ja nun in Luft aufgelöst.
 

Er war schon halb eingedöst, als er neben sich eine drängelnde Bewegung registrierte. Müde schlug er die Augen auf und erkannte, wie Seto sich in seinen Arm kuschelte und sah Tato, welcher zwischen den beiden gebettet wurde und auch noch halb schlief.

„Guten Morgen, Kleiner“ lächelte Seth und strich seinem süßen Hikari durch das verwuselte Haar.

„Nein, nicht Morgen“ brummte der. „Es ist noch mitten in der Nacht und Yami macht so einen Terror. Den sollte man einsperren.“

„Warum?“ schmunzelte er. „Was hat er schon wieder gemacht?“

„Er hat Yugi weggezerrt und mitgenommen. So schnell konntest du gar nicht gucken.“

„Hast du dich denn wenigstens von Yugi verabschieden können?“

„Verabschieden?“ guckte Seto ihn müde an. „Ich hab ihm gesagt, er soll leiser quengeln. Warum denn verabschieden?“

„Weil du ihn doch erst zur Trauung wieder siehst.“

„...“ Geschockter Blick. „WAS?!“

„Oh, das hast du nicht gewusst“ stellte Seth belustigt fest. „Man sieht sich doch einen Tag vor der Trauung nicht. Erst morgen wenn ihr heiratet, siehst du ihn wieder. Deswegen bleiben Yugi und einige andere bis morgen im Hotel.“

„In welchem Hotel?“

„Denkst du, das sage ich dir?“ lachte er. „Bestimmt nicht.“

„Dann lese ich deine Gedanken!“

„Versuche es und ich benutze meinen Zauberstab, um dich zum Schweigen zu bringen.“

„Hast du so was nötig? Du bist wirklich weit gesunken, mein Yami. Seit wann brauchst du einen Zauberstab?“

„Seit genau jetzt“ grinste Seth, griff über ihn und holte den sauberen Vibrator hervor, neben den Seto sich unbemerkt gelegt hatte. „Also, sei lieb oder ich bringe den zum Einsatz, um deine Suche zu verhindern“ drohte er und hielt das noppige Stück gut sichtbar vor seine Augen.

„Du bist gemein“ knurrte Seto enttäuscht. Einen ganzen Tag ohne Yugi? Und mit wem sollte er da seine Vorfreude teilen? Seine Freunde konnten ja so gemein sein!

„Na komm, wir schlafen noch ne Runde“ lächelte Seth, legte das gute Stück wie eine Waffe neben sich auf die Kommode und kuschelte sie drei noch mal zusammen.

Er würde seinen Hikari schon ablenken, bis morgen endlich sein großer Tag kam.
 

Aber dieses Ablenken stellte sich als schwieriger heraus als es geplant war.

Nach dem Aufstehen war das Erste, was Seto machte:

Zu Joey gehen und ihn aushorchen.

Doch gerade, bevor Seto seine Gedanken lesen wollte, da zerrte Seth ihn weg.

Nach dem Frühstück ging er zu Mokuba - Aushorchen.

Wieder zerrte Seth ihn weg.

Zur Strafe musste er mit Seth beten, auch wenn ihm nicht danach war ... doch sein Yami hielt drohend den Zauberstab bereit und Seto musste brav sein, wenn er sich für Yugi aufsparen wollte.

Kaum war Seth mal aufs Örtchen verschwunden, da tauchte Seto kurzerhand im Atelier auf und wollte Marie aushorchen.

Aber ehe er es sich versah, war mal Sethos schnell zur Stelle und zog ihn weg. **Da ist irgendwo ein Nest!**

Seto kochte. Keiner wollte ihm sagen, wo Yugi steckte.

Aber IDEE!!! Opa anrufen ... Mist, keiner Zuhause - der war bei Yugi.

Seto kochte schon nicht mehr, er bruzelte.

Gerade rechtzeitig kam ein Hoffnungsschimmer:

Nini hatte Sehnsucht nach Papa Yugi und wollte hingefahren werden.

Juhu!

„Wo ist Papa denn? Nini, Süße. Mein Mäuschen! Wo ist Papa?“

„Keine Ahnung“.

>Grrrrrrr.<

So hielt Seto sich für schlau und schickte die Kleine zu Tante Tea, damit sie da mal fragte, wo Papa Yugi denn war.

Und was sagte die Prinzessin?

„Papa hat gesagt, ich soll dich fragen, wo Papa ist, damit er mich hinfahren kann.“

Tja, Seto - Pech gehabt.

Nini durfte mit Onkel Moki hin - Papa Seto musste Daheim bleiben.

Kein Rankommen.

Der Pharao war abgeschirmt.
 

Also musste der ungeduldige Drache sich gedulden ...

... und sich gedulden ...

... und sich gedulden ...

... und sich gedulden ...

... und sich gedulden ...

... und sich gedulden ...

... und sich gedulden ...
 

Es war doch zu gemein, dass er Yugi nun den ganzen Tag nicht sehen durfte. Erst morgen würde er ihn vor dem Traualtar zu Gesicht bekommen.

Sein Yugi ...

Wie er wohl aussehen würde? Ob er weiß trug, wie er es versprochen hatte?

Aber ein schwarzer Smoking würde ihm auch stehen. Das würde sein goldenes Haar noch eher zum Glänzen bringen ...

Doch eigentlich war es doch egal, wie er aussehen würde - Hauptsache Yugi kam überhaupt.

Seto stellte sich an das Geländer des großen Balkons und blickte hinab in den sommerlichen Garten.

Wie ruhig es hier war. An seine Ohren drang das Gezwitscher der Vögel, sogar das Quaken einer Ente, welche sich mit den weißen Schwänen weiter hinein im Garten am kleinen See niedergelassen hatten. Unter seinem Fenster lief ein Pfau entlang und verschwand schon wieder hinter dem nächsten Busch. Ihr Garten war ja früher schon ein Paradies gewesen, aber Noah hatte das alles noch perfektioniert. Mit seinem Gespür für schöne Dinge und seiner Passion der Gärtnerei hatte ihr riesiges Grundstück wirklich mehr den Touch eines Schlossparks, als den eines Gartens.

Und jetzt war es so ruhig.

Seth saß auf der anderen Seite des Gartens und betete sein Mittagsgebet. Mokuba war mit Nini zu Yugi gefahren und Tato lag im Bettchen und hielt sein Schläfchen.

Zeit für Papa nachzudenken und diesen ruhigen Moment zu genießen, nachdem sich sein Tag bis jetzt zwar aufregend, aber erfolglos gestaltet hatte.

Morgen würde er heiraten. Wirklich richtig heiraten. Eine Ehe schließen.

Es gab jemanden, der sich ihm wirklich versprechen wollte ... der sich an ihn in Liebe binden wollte.

Er und Yugi waren nun über sieben Jahre zusammen und wenn Seto diese sieben Jahre zurückdachte, hätte er niemals daran geglaubt, dass er überhaupt mal heiraten würde. Damals sehnte er sich nach dem Tode und morgen würde er aus reiner Liebe einen anderen Menschen heiraten.

Sein Leben hatte sich grundlegend verändert.

Er war stark geworden, seine Liebe war stark geworden. Er hatte alles, was man sich nur wünschen konnte. Er war finanziell gut gestellt und sein Herz schlug gesund in seiner Brust. Er hatte mit seinen Freunden eine tolle Familie. Er hatte Kinder und ab morgen einen Ehemann. Sein Leben war perfekt. Perfekter ging es gar nicht.

Okay, natürlich wäre es nett, wenn er noch eine Arbeit hätte, die ihn ausfüllte oder wenn er auch den verbliebenen Rest seiner Psychosen los wäre. Wenn seine Seele endlich erwachsen werden konnte und er nicht aufpassen musste, wieder irgendeinen Teil abzustoßen und sich damit selbst wieder zu zerreißen.

Sein Leben fühlte sich noch immer an wie ein Hochseilakt, aber im Gegensatz zu früher, war er nun gefestigt und würde nicht auf dem harten Boden aufschlagen. Er würde erst von stützenden Seilen gehalten werden und dann auf weichen Matten landen.

Sollte er wirklich fallen, gab es jemanden, der ihn auffangen würde.

Und doch wäre es schön, wenn er sich endlich von dem lösen könnte, was ständig, allgegenwärtig, selbst noch heute, drohte, ihn zu stürzen.

Morgen begann für ihn ein neuer Lebensabschnitt. Morgen war der Tag, an dem er seinem Leben die bestmögliche Wendung geben würde.

Trotz seines Glücks lastete auf seinen Schultern eine Last, welche er noch immer nicht abgeworfen hatte. Er konnte es bisher einfach nicht. Konnte sich nicht davon befreien. Er konnte es überdecken, es ertragen, aber sich befreien ... wahrlich frei sein ... ?

Bei den schmerzhaften Gedanken an früher, zog sich sein Magen zusammen, er verspannte sich, sein Herz klopfte viel zu stark und es fühlte schon jetzt die nächste Demütigung heranrauschen.

Warum nur hatte sie ihn niemals geliebt?

Er war nicht schlecht!

Yugi liebte ihn doch ... warum konnte sie das nicht auch?

Was hatte er falsch gemacht damals?

Warum konnte sie ihn nicht lieben?

Er klammerte sich am Geländer des Balkons fest und senkte den Kopf.

Was hatte er nur falsch gemacht, dass sie ihn nicht lieben konnte? Er hatte immer alles getan, war immer brav gewesen und doch hatte er es niemals geschafft, sie zufrieden zu stellen. Was war nur mit ihm, dass die Frau, die ihm das Leben geschenkt hatte, ihn als hassenswert betrachtete? Sie wollte ihn nachträglich abtreiben - an diese geschriebenen Worte erinnerte er sich noch so genau. Er war schon geboren und dann beschloss sie ihn abzutreiben. Über Jahre hatte sie versucht ihn hinzurichten, ihn zerstört.

Bei dem Gedanken daran, fühlte er sich wieder wie der kleine Junge von damals. Heute war er ein starker Mann, ein Vater. Ein Mensch, der lebte. Doch damals ...
 

„SETO!“ Klang so, als hätte ihn diese Stimme nicht zum ersten Mal gerufen, aber jetzt erst nahm er sie auch wirklich wahr.

Er hob seinen Blick von seinen Füßen und schaute hinunter in den Garten, wo direkt unter seinem Balkon Tea stand und ihn anlächelte. Tea ... das erste weibliche Wesen, dem er jemals Vertrauen geschenkt hatte. Die Erste, die sich von ihm lieb haben ließ und ihn nicht fortstieß. Seine erste richtige Freundin.

„Du bist ja ganz verträumt“ stellte sie belustigt fest. „Woran denkst du gerade?“

„Wo ist Risa?“ wollte er lieber wissen. Sie war nämlich alleine unterwegs und für gewöhnlich hatte sie doch immer ihr Baby dabei. Aber Mokeph war zu Yugi gefahren und hatte seine Tochter nicht mitgenommen. Wo also war ihre Kleine?

„Hallo Tea, schön dich zu sehen“ seufzte sie resignierend. „Risa schläft bei Feli. Ich war eben bei Nika und da sind die zwei eingepennt. Ist auch ganz schön, wenn ich mal einen Moment die Arme frei habe.“

„Es gibt doch nichts schöneres als ein Baby auf dem Arm zu haben“ meinte Seto.

„Aber sie ist doch jetzt schon ein halbes Jahr alt. So langsam wird sie zu schwer, um sie ständig mit sich rumzutragen.“

„Findest du? Sie ist doch noch so klein ...“

„Ja, für dich. Du stemmst aber auch andere Gewichte als ich.“

„Na ja ...“ Gut, das stimmte wohl. Seto konnte auch zwei Babys den ganzen Tag mit sich herumtragen, aber Arme, die nicht so stark waren wie die seinen, die wurden halt schneller mal lahm.

„Und was machst du jetzt? Ist gar keiner bei dir?“ fragte sie fröhlich weiter.

„Warum? Meinst du, ich muss beaufsichtigt werden? Ich bin doch kein kleines Kind mehr!“

„Schade, du warst so niedlich“ zwinkerte sie. „Komm doch runter, dann können wir ein bisschen spazieren gehen. Die Pfauen haben ein Nest gebaut hinten im Wäldchen ...“

Wenn er sie da unten so stehen sah, fühlte er sich gleich ganz anders. Die dunklen Gefühle und die Selbstzweifel, die eben noch über ihn kamen, wurden von ihr einfach weggelächelt. Es war nicht rechtens, dass seine Mutter ihn hasste. Tea mochte ihn doch und sie war auch eine Frau und eine Mutter. Vielleicht war es wirklich nicht seine Schuld, dass sie ihn verabscheut hatte.

Doch konnte er sich da so sicher sein?

„Was ist denn mit dir?“ unterbrach sie in einem besorgten Ton sein Schweigen. „Ist dir nicht gut? Bist du doch so nervös wegen morgen?“

„Tea ... würdest du mit mir wegfahren?“ fragte er sie ganz besonders lieb.

„Ich kann dir nicht sagen, wo Yugi ist. Ich weiß es nicht mal.“

„Nein, ich meine nicht zu Yugi. Würdest du mich auf eine kleine Spritztour begleiten?“

„Eine Spritztour?“ strahlte sie. „Natürlich! Nur du und ich?“

„Ich bringe Tato bei Noah vorbei. Der kann mal für ne Stunde aufpassen. Ich treffe dich an der Garage, ja?“ Und schon hatte er sich umgedreht und war ins Babyzimmer gegangen, nachdem er sich einen kleinen Umschlag vom Tisch gegriffen hatte und in die Tasche steckte. **P.S. Einen unheilverheißenden Umschlag ... oder so eine von meinen lang vermissten Prophezeiungen. ^^**
 

Tato lag so friedlich schlummernd in seinem Bettchen und er war direkt süß, wenn er auch einfach mal nichts tat. Seit er laufen konnte, musste man ja noch mehr auf ihn aufpassen als früher und alles unter einem Meter in Kleinkindgreifweite in Sicherheit bringen, bevor es angekaut wurde. Der kleine Wirbelwind.

Ganz vorsichtig nahm Seto ihn aus dem Bett heraus und trug ihn auf seinem Arm vorsichtig erst ins Schlafzimmer, ein Stück über den Flur bis er im Hausbüro ankam, wo er wie vermutet Noah antraf. Der schrieb mit schnellen Fingern auf seiner Tastatur, und hatte ein Headset auf dem Kopf. Ab und zu ließ er mal ein „Hm“ oder „Okay“ oder „Nein“ hören und war scheinbar mit zwei Sachen gleichzeitig beschäftigt. Und nun brachte Seto ihm auch noch ein schlafendes Kleinkind, auf das er aufpassen sollte.

Und wie verschaffte Seto sich am schnellsten Gehör? Einfach einen Knopf drücken und das Telefonat war beendet.

„HEY!“ schimpfte Noah und sah wütend zu ihm auf. „Das war ein wichtiges Gespräch!“

„Kannst du ein oder zwei Stunden auf Tato aufpassen? Ich muss was erledigen.“

„Nein, kann ich nicht!“ Noah befand das für keine gute Idee. „Ich muss mich nicht nur um die Orga deiner Hochzeit kümmern, sondern nebenbei auch noch das Geschäft aufrecht erhalten. Anstatt mir hier reinzufunken, könntest du dich lieber mal bedanken!“

„Was ist denn nur los mit dir in letzter Zeit?“ fragte Seto wohl nicht nur ihn, sondern auch sich selbst. „Warum bist du so gereizt? Du verlierst doch sonst auch nicht die Nerven, aber in letzter Zeit machen wir uns ganz schön Sorgen um dich.“

Dazu sagte Noah gar nichts, sondern blickte ihn nur undurchdringlich an. Irgendwie hatte Noah sich verändert. Er war doch eigentlich von Grund auf ein ausgeglichener, ruhiger Typ, der gerne festen Boden unter den Füßen hatte und doch immer einen Sinn für die Schönheit des Lebens hatte. Und nun war Noah total gestresst, gehetzt und launisch. Er sollte sich das Nest seiner geliebten Pfauen ansehen und nicht wegen der Arbeit ins Schimpfen geraten ..

„Kannst du nun auf Tato aufpassen oder nicht?“ hakte Seto noch mal ein. Aus Noahs Blick nahm er schon heraus, dass dieser keine große Lust hatte, jetzt eine Grundsatzdiskussion zu führen. Noah mochte es nicht, wenn man ihn bevormundete und noch weniger, wenn man ihm reinredete.

„Wo willst du denn hin?“ wollte er wissen.

„Ich möchte mit Tea wegfahren und Tato schläft doch so ruhig. Ich bin wieder zurück, bevor er munter wird.“

„Nein ... ist schon in Ordnung. Entschuldige bitte.“ Er stand auf und nahm das schlafende Kleinkind entgegen. Tato war es ja gewohnt, dass er herumgeschleppt wurde und von daher hatte er ein solches Urvertrauen entwickelt, dass er einfach weiterschlief, selbst wenn er herumgereicht wurde.

„Danke, lieb von dir“ nickte er dankend. „Hast was gut bei mir.“

„Ich erinnere dich bei Gelegenheit dran. Und jetzt sieh zu, dass du wegkommst, bevor dein Sohnemännchen dich noch bei deinem Date stört.“

„Date“ schnaufte Seto halb beleidigt, halb ... aufgebend? „Wenn was mit ihm ist, bin ich per Handy zu erreichen.“

„Schon klar. Bis dann.“

„Hm.“ Der Drache küsste sein Junges noch ein Mal auf die Stirn, blickte Noah noch ein Mal an und machte sich dann auf den Weg zur Garage.

Machte sich auf den Weg, endlich seine Vergangenheit loszulassen, bevor er ab morgen seine Zukunft festhalten musste.
 

Dort wartete Tea auch schon auf ihn und besah sich in der Zwischenzeit Yamis Motorräder, die ganz vorne in der Ecke standen. Eigentlich war die Garage der Kaibas mehr ein ziemlich großer Raum voll teurer Geschosse. Nicht nur Yamis Bikes standen dort, sondern sicher auch 20 verschiedene Autos. Davon mindestens 15 arschteure Sportwagen und der Rest nicht weniger teure Familienschlitten. Nur die sechs Limousinen standen auf einem separaten Teil des Geländes, da diese ja niemals ohne Chauffeur gefahren wurden.

„Hast du dir schon einen Wagen ausgesucht?“ lächelte Seto und umarmte sie einfach mal, weil er gerade so schön hinter ihr stand. Aber ganz langsam, damit sie und das Baby unter ihrem Herzen sich nicht erschreckten. Und so ließ er auch ganz liebevoll seine beiden Hände auf ihrem langsam spannenden Bauch liegen, spürte das unschuldige Leben in ihr heranwachsen.

„Du hast gar keinen Motorradführerschein, oder?“ fragte sie ihn und ließ sich einfach zu gerne von ihm kuscheln, lehnte sich vertrauensvoll ein Stück nach hinten.

„Nein, leider nicht. Aber Seth hat einen, da musst du den fragen, ob er mal mit dir fährt.“

„Ja, ich weiß. Er hat vorletzten Sommer mit Yami eine Tour durchs ganze Land gemacht. Einen ganzen Monat waren sie mit den Motorrädern und einem Zelt unterwegs. Aber ich dachte, vielleicht hast du ja auch einen. Du kannst doch sonst auch alles fahren.“

„Können tue ich das bestimmt, kein Ding. Aber Yugi mag es nicht und deswegen tue ich es auch nicht - ihm zuliebe.“

„Stimmt ja“ seufzte sie. „Yugi ist ja kein großer Freund von Zweirädern.“

„Nein, leider nicht“ meinte auch er ein wenig wehmütig, ließ sie los und nahm sich einen der Schlüssel, die da am Schlüsselbrett hingen und jedem zur Verfügung standen, der gerade einen Wagen brauchte.

„Ich finde, wir nehmen den Schwarzen“ zeigte Tea auf ein schwarzes Sportcabrio, welches neben einem roten und einem blauen stand. „Nach Regen sieht’s ja nicht aus, oder?“

„Ich glaube nicht“ lächelte er, mit einem ferngesteuerten Klicken sprangen die Türen auf und Tea konnte sich gleich auf dem kühlen, ebenso schwarzen Ledersitz niederlassen. In solchen Highclass-Modellen merkte man eben doch, dass sie teurer waren. In welchem Auto fand man sonst schon Ledersitze und ein Armaturenbrett aus gelacktem Edelholz? Was Autos anging, bewies Seto wirklich Geschmack.

„Wie kommt es eigentlich, dass du für alles einen Führerschein hast und nur für Motorrad nicht?“ wollte sie wissen, als er neben ihr einstieg und sich mit ihr gemeinsam anschnallte.

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“ lachte er, ließ die meterlange Garagentür auffahren und ehe sie es sich versahen, brausten sie in die Sonne hinaus, über das Gelände in Richtung Haupttor.

„Na ja, dachte ich immer“ meinte sie und strich sich das Haar aus dem Gesicht. „Du kannst doch alles. Hubschrauber fliegen und Zeppelin. Und Boote steuern, Düsenjets ... gibt es etwas, was du nicht kannst?“

„Nein, ich glaube nicht.“

„Es ist aber ungewöhnlich, dass ein einziger Mensch so viele Führerscheine hat und nur für Motorrad nicht. Ist das nicht eigenartig?“

„Ich bin nun mal etwas eigenartig, weißt du doch“ lachte er.

„Du bist doch nicht eigenartig!“ schmunzelte sie. „Reiche Leute sind nie eigenartig. Die sind extravagant.“

„Oder so.“ Und schon waren sie aus dem Tor raus und fuhren die lange Allee entlang. Hier war ja so gut wie nie etwas los, denn das Gelände rundherum gehörte noch immer zum Kaiba-Anwesen. Erst in ein oder zwei Kilometern würden sie an anderen Villen vorbeikommen.

„Kannst du mir jetzt vielleicht mal auf meine Frage antworten?“ bat sie.

„Warum ich so viele Führerscheine habe?“

„Ja, das würde mich mal interessieren.“

„Gozaburo hat drauf bestanden“ antwortete er ehrlich. „Er sagte immer, es sei wichtig, dass man in allen Situationen gerüstet ist und sein Fahrzeug bedienen kann. Nur für Motorräder hatte er nichts übrig. Ich hab das zwar gelernt, aber er meinte, das wäre überflüssiger Quatsch. Deshalb kann ich zwar fahren, habe aber keinen Führerschein.“

„Oh ... ach so ... ähm ... entschuldige. Ich wollte dich jetzt nicht an ihn erinnern.“

„Schon gut“ lächelte er sie an. „Was das angeht, hatte sein Drill ja auch was Gutes. Wer weiß, was ich sonst alles nicht gelernt hätte?“

„Aber man kann doch auch glücklich sein, ohne das alles zu können. Außerdem bist du so begabt, dass du dir das auch hättest selbst beibringen können. Ich kenne sonst niemanden, der innerhalb eines Monats eine komplett neue Sprache lernt und sie akzentfrei beherrscht. Dein Brain ist doch echt krass, wie Joey sagen würde.“

„Na ja, manchmal ein bisschen weniger zu wissen, wäre aber auch nicht schlecht“ meinte er wahrlich ein wenig sehnsüchtig. „Joeys Kopf hätte ich ab und an gerne mal. Dann würde ich mir wohl nicht ständig über Sachen Gedanken machen, die es gar nicht wert sind.“

„Was für Gedanken sind denn das?“

Dass er so lange für die Antwort brauchte, war ja schon fast beunruhigend. Sonst war Seto immer schlagfertig und hatte sofort etwas parat. Aber wenn er über eine Antwort nachdachte, bedeutete das ja nur, dass er mehrere zur Auswahl hatte.

„Nur so Gedanken“ antwortete er dann schließlich, ohne näher darauf einzugehen. Waren wohl keine schönen Gedanken. „Und bei dir, Liebes? Alles in Ordnung? Wie geht’s Theresa? Was sagt der Arzt?“

„Alles in Ordnung“ lächelte sie gerührt darüber, dass er fast jeden Tag nach dem Zustand ihrer Schwangerschaft fragte. „Ich bin ja erst in der neunten Woche. Ich hab also noch ein bisschen Zeit, bevor ich nicht mehr weiß, ob meine Strümpfe zueinander passen.“

„Du meinst, weil du dich dann wieder kugelst?“

„Ja, genau“ lachte auch sie. „Weißt du eigentlich wie nervig das ist, wenn du mit so einem schweren Bauch herumläufst? Das geht ganz schön auf den Rücken, du kannst dich nicht mehr bücken und deine Brüste drücken, so dick sind sie. Eigentlich ist ne Schwangerschaft ganz schon unbequem.“

„Aber es ist doch etwas Schönes“ schwärmte er dafür mit leuchtendem Blick. „Zu fühlen, wie ein neues Leben in dir beginnt. Einen neuen Menschen zu schaffen. Zu fühlen wie er wächst und auf ewig mit dir verbunden sein wird. Ihr Frauen habt wirklich Glück.“

„Von wegen Glück“ seufzte sie. „Glaube mir, du möchtest das gar nicht. Selbst Seth meinte, wenn Männer Kinder kriegen würden, würde die Menschheit aussterben. Und Seth ist doch ein ziemlich kräftiger Mann.“

„Ihr Frauen seid stärker als man es euch zumutet. Das wird viel zu oft unterschätzt, finde ich. Außerdem könnt ihr etwas, was ein Mann niemals können wird.“

„Du meinst schwanger werden?“

„Nein“ sagte er und blickte sie einen Moment bewundernd an. „Ihr könnt Seelen erschaffen.“

Dem konnte sie in diesem Moment gar nichts entgegensetzen. Seto war einfach ein hoffnungsloser Romantiker und so ganz Unrecht hatte er ja auch nicht. Männer konnten kämpfen und regierten noch heute die Welt mit Kraft, Machenschaften und Kriegen - aber sie konnten keine Seelen erschaffen.

Das konnten nur Götter und Frauen.

„Du bist gemein, Seto“ meinte sie und senkte rotwangig den Blick.

„Warum denn?“ guckte er und sah dann aber lieber schnell wieder auf die Straße, bevor er vom Weg abkam. „Warum bin ich gemein? Hab ich dich beleidigt?“

„Nein ... aber wenn es Yugi und Mokeph nicht geben würde, dann wäre ich Hals über Kopf in dich verknallt.“

„Das meinst du doch nicht ernst!“ hoffte er und ohne es zu merken, gab er unweigerlich noch etwas mehr Gas. Sie? In IHN?

„SETO! DIE AMPEL!“

Mit einem Quietschen brachte er den Wagen zu stehen und war mit den Vorderrädern schon über die Haltelinie. Das hatte ihn jetzt doch ziemlich geschockt.

Hier fuhr zwar gerade keiner lang und die Kreuzung war vollkommen leer - aber rot war die Ampel trotzdem.

„Das hast du doch jetzt nur im Spaß gesagt“ wiederholte er noch mal ungläubig.

„Nein, warum denn?“ gab sie zaghaft zu. „Du bist ein toller Mann. Du siehst super aus, du bist intelligent, hast Humor, du zeigst Gefühle und du bist reich. Was könnte ein Mädchen sich mehr wünschen?“

„Du siehst das falsch“ hielt er dagegen. „Ich bin ein Exjunkie und ein Alkoholiker. Meine Intelligenz ist ne Strafe, über meine Witze lacht kein Arsch und Gefühle zeige ich, indem ich austicke und entweder heule oder wegrenne. Jede Frau, die sich mit einem wie mir einlässt, sollte selbst mal in die Klapse gehen. Außerdem bin ich vor dem ersten Kaffee nicht ansprechbar und in Liebesdingen eine ganz schrecklich neurotische Klette.“

„Aber du hast Geld“ lächelte sie. „Das kannst du nicht abstreiten.“

„Doch, kann ich! Im Moment hab ich nicht mal fünf Dollar auf’m Konto!“ Aber dann musste er doch mit ihr lachen. „Ich hab ja nicht mal ein Konto!“

„Ja, das kommt davon, wenn man sich tot stellt“ kicherte Tea. „Aber du lebst doch ganz gut so.“

„Ja, Geld hab ich lange genug verdient“ meinte auch er, der nach diesem netten Lacher mal durchatmete und wieder aufs Gas ging, als die Ampel grün wurde. „Ich hab jetzt immer alle mit durchgefüttert. Jetzt will ich auch mal gefüttert werden.“

„Na ja, das Geld ist ja noch immer deines irgendwo. Ich meine, du hast es ja Yugi vererbt, aber jetzt wo du wieder da bist, müsstest du es umschreiben lassen.“

„Ach, mir ist das egal. Ob das Geld jetzt auf meinem oder auf Yugis Konto liegt, ist völlig wurscht.“

„Aber, Seto, sag mal ehrlich. Bedeutet dir das Geld wirklich so wenig? Das habe ich mich schon immer gefragt“ bat sie und strich sich das Haar in den Fahrtwind zurück.

„Na ja, egal ist mir Geld natürlich nicht. Es ist schon wichtig, dass man etwas hat, damit man sein Essen bezahlen kann. Armut ist wirklich eine sehr erniedrigende Sache. Jedem ist Geld wichtig, das ist so. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, ob ich lieber Geld oder eine Familie hätte, dann würde ich auch in Lumpen auf der Straße leben und wäre glücklich dabei.“

„Ernsthaft?“

„Ja, ernsthaft. Aber schöner ist es natürlich, wenn man seiner Familie auch etwas bieten kann. Ich möchte nicht, dass irgendein Kind in Angst und Armut auflebt. Das hat kein Mensch verdient. Meinen Kindern soll es besser gehen als mir.“

Sie war beeindruckt. Wie frei er darüber sprach, obwohl er all diese Erfahrungen selbst gemacht hatte. Seto wusste, wie es war, wenn man hungerte, wenn man keine Kleidung hatte und vom Schmutz bedeckt wurde, so dass es niemanden mehr gab, der einen berühren wollte. Und er kannte auch die andere Seite. Wie es war, wenn man Geld und Macht besaß und sich alles leisten und herausnehmen konnte. Aber wirklich wichtig waren ihm die Dinge, die man nicht mit Geld kaufen konnte - eine Familie.

„Ich bin froh, dass ich euch habe“ lächelte er und griff nach ihrer Hand, die so zart auf ihrem Knie lag. „Danke, dass ihr meine Familie seid.“

„Seto ... hör auf. Ich bin doch so nahe am Wasser gebaut“ bat sie, aber sie drückte seine eiskalte Hand trotzdem ganz warm.

„Wenn Mokeph uns sehen würde, würde er vor Eifersucht platzen“ lachte er dann erschrocken auf, setzte den Blinker und war auch schon abgebogen. Es war erstaunlich wenig Verkehr auf dieser ländlichen Route. „Wie läuft es denn überhaupt mit euch? Ist er lieb zu dir?“

„Ja, im Prinzip schon. Er kümmert sich wirklich süß um Risa und er passt gut auf mich auf, jetzt wo ich wieder schwanger bin.“

„Und außer Prinzip? So ganz überzeugt klingst du ja nicht, Liebchen.“

„Ich hätte mir gerne noch etwas Zeit gelassen, bevor das nächste Kind kommt“ seufzte sie und lehnte sich in dem weichen Sitz zurück. „Ich wollte doch wenigstens meinen Abschluss machen, aber so intensiv tanzen ist nicht gut und ich will mein Baby doch behalten.“

„Das ist doch aber nicht alles“ meinte er. In ihrer Stimme hörte er doch, dass da noch mehr war, worüber sie sonst wohl nicht sprach.

„Ich glaube, er ist unzufrieden“ gestand sie ihm. „Er hat sich so gefreut, dass seine Sperre endlich vorbei ist und er wieder randarf. Aber jetzt, wo Theresa auf dem Weg ist, fasst er mich nicht mehr an. Okay, ich gebe ja zu, dass mir das auch unangenehm wäre im Moment, aber ... so ein bisschen mehr als kuscheln, wäre doch schon schön. Und ich weiß doch, dass ihm diese Zurückhaltung sehr schwer fällt.“

„Hast du mal mit ihm darüber gesprochen?“ Seto bog noch mal ab, beschleunigte schnell und fuhr auf die Autobahn auf. Aber auf der langsamen Spur, damit der Fahrtwind nicht zu sehr in den Augen schnitt. Hier war eh nur 80 erlaubt, auch wenn sein Wagen locker das Dreifache schaffte.

„Er schaltet ja immer gleich auf Stur“ meinte sie. „Ich hab’s schon aufgegeben, mit ihm darüber zu sprechen. Immer, wenn ich das Thema anschneide, kommt er mir mit ägyptischer Religion. Von wegen Schutz des Lebens und Enthaltsamkeit und so weiter. Da hat er wirklich extreme Ansichten.“

„Er ist eben von Apophis so erzogen worden. Ich glaube, Mokeph ist wohl in einigen Sachen noch religiöser als Seth. Seth kann sich ja von Yami immer noch rückversichern und die Religion mitbestimmen. Aber Mokeph ist kein Priester und deswegen lebt er in einem bestimmten Rahmen, der viel enger ist. Er meint das nicht böse.“

„Ich weiß es ja ...“ Aber so ganz leicht war das eben auch nicht, wenn man mit so einer alten Seele zusammenwar, die noch auf uralte Rollenverteilungen beharrte. Er hatte sich ihretwegen ja schon eingeschränkt und dasselbe wollte sie für ihn tun. Er würde nur eine einzige Frau haben und sie musste sich dafür mit seinen manchmal radikalen Ansichten anfreunden.

„Aber die Kinder sind doch hoffentlich keine Einschränkung für euch“ erwiderte er in einem vehementen Ton. „Die Kleinen können da nichts für. Und ihr sollt doch Kinder haben, weil ihr euch liebt und nicht nur, weil ihr das mit der Verhütung nicht gebacken kriegt.“

„Natürlich, die Kinder sind voll erwünscht“ schwor sie dem besorgten Onkel Seto sofort. „Natürlich lieben wir beide uns, also ich zumindest liebe ihn sehr. Aber es ist nun mal nicht immer ganz leicht mit einem Pascha wie ihm.“

„Ja ja, die Pfade der Liebe sind unergründlich“ lächelte er.

„Heißt das nicht eigentlich, Gottes Pfade wären unergründlich?“

„Nein. Sind die nicht tief und dunkel?“

„Nein, mein Engel. Das waren stille Wasser.“

„Ach ja ... stimmt.“

„Ja“ lächelte sie - war ja nur ein Scherz gewesen mit seiner Verwirrung. „Wo fahren wir eigentlich hin? Warum fahren wir Autobahn und nicht eine gemütliche Strecke?“

„Weil ... ich ...“ Er sagte es ganz vorsichtig, als ob er befürchtete, dass Tea böse auf ihn werden könnte. „Ich wollte nicht alleine fahren.“

„Wohin denn fahren? Seto, wo willst du hin? Ich meine, ich begleite dich ja überall hin, aber wenn du anfängst so zu drucksen, mache ich mir Sorgen um dich.“

„Wir fahren ... ich ... Tea, ich hoffe, dass du mich begleitest ... ins Gefängnis.“

„Du willst ...“ >Das ist doch nicht sein Ernst!< „Seto, das ist doch nicht dein Ernst. Du heiratest morgen und willst ausgerechnet jetzt noch deine Mutter sehen?“

„Bitte, ich wollte nicht alleine fahren“ bat er noch mal und blickte sie kurz mit einem ungeschlagenen Babyblick an, bevor er seine blauen Augen wieder auf die Straße richtete.

„Aber was willst du denn da?“ Tea sah die Katastrophe schon nahen. „Sie hat dir noch nie gut getan, Seto. Bitte zieh dich so kurz vor deinem großen Tag nicht selbst wieder runter.“

„Aber ich ...“

„Seto“ unterbrach sie ihn und griff seine Hand, während sie ihn liebevoll von der Seite ansah. „Ich möchte doch nur nicht, dass es dir wieder schlecht geht.“

„Vielleicht kannst du das nicht verstehen, aber ich kann nicht heiraten, ohne sie einzuladen.“ Super, Seto! Der brachte ja einen Schocker nach dem nächsten.

„Du willst sie einladen? Seto, bei aller Liebe, aber sie sitzt doch nicht aus Spaß im Gefängnis.“

„Ich weiß. Ich verstehe es ja selbst kaum, aber ... Tea, sie ist doch meine Mutter. Man kann doch nicht heiraten, ohne seine eigene Mutter einzuladen.“

„Seto, sie war dir nie eine Mutter!“ beschwor Tea ihn, denn verständlicherweise hielt sie sein Vorhaben für eine mehr als schlechte Idee. „Sie wird dir alles kaputtmachen! Bitte, Seto, hör auf mich. Bitte geh da nicht hin! Ich flehe dich an, lass es gut sein!“

„Ich werde da hingehen. Mit oder ohne dich“ antwortete er ihr ganz hart. Aber dann wurde seine Stimme sofort wieder etwas weicher. „Mit dir würde ich mich aber besser fühlen.“

Und was sollte sie jetzt machen? Seto hatte sich das in den Kopf gesetzt und würde es auch durchziehen. Aber es musste doch jemand bei ihm bleiben! Auf der anderen Seite konnte Tea ihn kaum stützen, wenn es ihm danach schlecht ging. Jeder wusste, dass seine Mutter ihn hasste ... nur Seto wollte es nicht wahrhaben. Es war zum Heulen, wenn man sah, wie sehr er dennoch an ihr hing. Sie hatte seine Kindheit zur Hölle auf Erden gemacht und ihn zum Schluss fast umgebracht. Und doch versuchte er es immer wieder. Er wollte ihr immer noch nahe sein. Er sehnte sich nach einer Mutter, die ihn lieb hatte. Trotz des ganzen Hasses und des ganzen Leides, kam er nicht von ihr los.

„Bitte, komm mit, ja?“ bat er noch mal ganz lieb. „Ich kann morgen nicht heiraten ohne sie einzuladen. Wahrscheinlich wird sie nicht mal kommen, aber ich muss ihr doch die Möglichkeit geben. Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient.“

„Seto ... ich bin mir nicht so sicher, ob sie überhaupt eine zweite Chance möchte.“

„Aber ich hab sie jetzt seit Jahren nicht gesehen. Sie bekommt doch eine Therapie im Gefängnis. Ihr Psychiater hat mich sogar mal angeschrieben und gebeten, dass ich ihm etwas aus meiner Sicht erzähle, um ihr bei der Therapie zu helfen. Sie macht bestimmt Fortschritte.“

„Und was hast du gemacht?“ fragte sie vorsichtig.

„Damals hab ich es abgelehnt, sie zu treffen“ antwortete er ganz ehrlich. „Das war zu einer Zeit, wo es mir selbst nicht so gut ging. Aber, Tea, jetzt fühle ich mich stark. Ich habe ein gutes Leben und ich glaube, ich bin ein guter Mensch ... vielleicht. Ich war ja auch ein ziemlicher Kotzbrocken, aber ihr habt mich trotzdem in den Arm genommen. Ich war so ätzend, ein so gemeiner Kerl und ihr habt mir trotzdem beigestanden. Vielleicht braucht sie ja auch nur jemanden, der sie in den Arm nimmt und sie liebt. Auch dann, wenn sie um sich tritt. Vielleicht braucht sie jemanden so dringend, wie ich jemanden brauchte.“

„Seto ...“ Sie sprach es wirklich nur ganz zurückhaltend aus. „Vielleicht hast du ja sogar Recht. Aber ich glaube, du bist nicht derjenige, der das machen sollte.“

„Aber ich muss es doch wenigstens versuchen. Tea, bitte versteh das doch! Ich muss es tun ... sonst finde ich keine Ruhe. Ich kann keinen neuen Abschnitt in meinem Leben beginnen, wenn ich noch immer die alte Last mit mir trage.“

„Es bringt ja doch nichts, mit dir zu diskutieren“ seufzte sie und lehnte sich mit einem flauen Gefühl im Magen zurück.
 

Das war nicht gut.

Das war gar nicht gut ...
 


 

Chapter 17
 

Es war schon ein sehr eigenartiges Gefühl, als sie auf das Gelände der Justizvollzugsanstalt fuhren.

Erst mussten sie durch ein großes Tor hindurch, an dem sich ein Wachmann scheinbar ihr Kennzeichen notierte und parkten dann letztlich auf einem kleinen Platz, wo noch etwa zehn Autos standen.

Sie stiegen aus und noch während Tea sich mulmig umblickte, bot Seto ihr schon seinen Arm an. Er war ja schon mal hier gewesen ... ein Wunder, dass er freiwillig noch ein zweites Mal kam. Sie wäre am liebsten schon jetzt beim ersten Mal wieder weggefahren.

Rundherum war ein kleiner Wald und das klobige Gebäude mit den scharfen Ecken war nichts weiter als glatter Stein aus hellem grau, in dem man noch die zementierten Nähte sah. Der kleine Platz aus staubiger Erde ringsum war mit einem hohen Stromgitter und Stacheldraht umzäunt. An den Fenstern waren tatsächlich feste Gitterstäbe und einige Leute hielten ihre Hände heraus, riefen etwas, was man unten nicht verstehen konnte oder sie guckten einfach nur. Das Ding hier sah aus wie der Führerbunker persönlich ... und während sie so darüber nachdachte und mit Seto auf den Eingang zuschritt, kam ihr der Gedanke, dass seine Mutter genauso unangenehm war wie der Führer und hier hoffentlich gut weggesperrt war. Sie war Hitler und Seto ihr ganz persönlicher Jude. Ob es eine gute Idee war, wenn er wirklich zu seinem größten Feind zurückkehrte? Eigentlich fürchtete Seto nicht mal den dunklen Seth so sehr wie seine eigene Mutter - und doch kehrte er immer wieder zu ihr zurück. Warum nur tat er sich das immer wieder an? ... Das war doch wirklich schon grausamer als Masochismus.

"Du hast wirklich einen Knacks" sagte sie leise, als sie an einem überdachten Stück und kurz vor einem gläsernen Wachhäuschen ankamen - war bestimmt Panzerglas.

"Ich weiß" antwortete er nur leise. Er war sich schon bewusst darüber, dass das hier eine schlechte Idee war ... aber irgendwas in ihm drin trieb ihn zurück zu ihr - zu der Frau, die doch eigentlich seine Mutter sein sollte.

"Guten Tag" sprach sie die füllige Frau mit dem strengen Zopf aus fettigem Haar an, welche dort sicher und beschützt hinter ihrem Panzerglas saß.

"Guten Tag" grüßte auch Seto und trat heran. "Wir möchten uns für einen Besuch anmelden."

"Sind Sie schon vermerkt?" erkundigte sie sich ganz sachlich und tippte etwas auf einem Ding, was wohl ein zehn Jahre alter Computer war.

"Nein, wir sind spontan hier."

"Na gut ... mal sehen ..." Sie tippte noch ein bisschen mit ihren wuchtigen Fingern bis sie gefunden hatte, was sie suchte. "Wen möchten Sie denn besuchen?"

"Akemi Nandare." Setos Stimme hatte so einen eigenartigen Ton, wenn er diesen Namen aussprach. Als wäre es ein Zauberspruch für einen bösen Fluch. Oder das Codewort zur Apokalypse.

"Nandare Nandare Nandare ..." murmelte sie, während sie sich weiter nach unten scrollte. "Ah, hier hab ich's. Akemi Nandare ... das ist ja ungewöhnlich, sie bekommt nie Besuch. Frauen, mit diesem Vergehen, werden selbst innerhalb der JVA geschnitten. Darf ich fragen, was Sie von ihr wollen, Mr. Kaiba?"

"Nein" sagte er ganz hart und legte sein kaltes Pokerface auf. Dass Sie so persönliche Dinge ansprach, passte ihm gar nicht in den Kram.

"Das war auch nur rhetorisch gemeint. Ich brauche den Besuchsgrund für die Akten, zumal Prominente für gewöhnlich keine Straffälligen besuchen. Außerdem muss ich es ihrem Betreuer melden. Das hier ist ja schließlich kein Hotel. Also: Besuchsgrund?"

"Ich möchte sie einfach sprechen, ja?" blaffte er sie zischend an.

"Jetzt hören Sie mir mal zu, Mr. Kaiba" blaffte sie erbost zurück und funkelte ihn aus ihren kleinen Augen an. "Ich versuche hier nur, meinen Job zu machen und mich an die Vorschriften zu halten. Und da gibt es weder für Sie noch für mich eine Extrawurst. Also geben Sie mir jetzt bitte ihren Personalausweis, den ihrer Begleiterin und sagen mir den Besuchsgrund. Außerdem die angedachte Dauer des Besuches. Ansonsten muss ich Sie leider wieder fortschicken, denn ich habe diese Richtlinien nicht gemacht."

Okay, das musste er so schlucken, denn sie hatte ja Recht. Sie machte nur ihren Job und dass er sich persönlich angegriffen fühlte, konnte sie ja nicht wissen.

Also atmete er tief durch und beschloss, dass er nicht die Fassung verlieren wollte.

"Natürlich, entschuldigen Sie" bat er und holte seinen Ausweis aus der Gesäßtasche. Den legte er ihr hin und auch Tea legte ihren eigenen aus der Handtasche dazu und schoben beide unter der kleinen Öffnung unter dem Glas hindurch.

Sie nahm die zwei Stücke und tippte wohl ein paar Daten ab.

"Angedachte Dauer des Besuches?" fragte sie ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.

"Na ja ... ne Stunde?" überlegte Seto.

"Höchstens eine halbe Stunde. Mehr Zeit ist nicht erlaubt" berichtigte sie. "Ich trage sie also für eine halbe Stunde ein. Besuchsgrund?"

"Ich will sie zu meiner Hochzeit einladen."

Okay, da klappte der guten Dame doch die Kinnlade in den Keller und sie blickte mit großen Augen auf. Vor ihr stand der große Seto Kaiba und der wollte einen Knacki zu seiner Hochzeit einladen ... und gleich kam ein rosa Osterhäschen vorbeigehoppelt ...

"Wir sind hier aber nicht bei der Versteckten Kamera, oder?" fragte sie perplex.

"Nein, das ist mein Ernst. Sie hat doch Ausgänge ab drei Jahren guter Führung, oder?"

"Ja ... aber nur betreut und nur ein Mal im Quartal. Ähm ... bitte verzeihen Sie, wenn ich nachhaken muss, aber warum wollen Sie Mrs. Nandare zu sich einladen?"

"Ich ..." Okay, Seto. Sag es! "Weil sie meine Mutter ist."

Jetzt wurde die Wärterin blass wie gebleichtes Papier. "Sie ... sind ...?"

"Sie müssen das ja nicht gleich an die Presse verkaufen. Also, darf ich jetzt durch, bitte?" Es war ihm unangenehm, wenn das jemand wusste. Aber wenn er da reinwollte, musste er nun mal wahrheitsgemäße Angaben machen.

"Mr. Kaiba ... sind Sie ... sind sie der Junge, den sie ...?"

"Ja, ich bin der Grund, warum sie einsitzt. Tragen Sie es bitte ein und lassen uns dann passieren, ja? Dankeschön!"

"Ich werde dann ihren Seelsorger anrufen, dass er bei dem Treffen dabei ist. Aus den Daten ihrer Akte, wäre das mit Bestimmtheit besser" meinte sie und schob die Ausweise zurück.

Sie drückte einen Knopf und die dicke Eisentür sprang auf. Zutritt gewährt.

Seto und Tea packten ihre Papiere wieder ein und folgten dann durch die offene Tür.

Sie sah an ihm hoch, aber noch schien er recht umgänglich zu sein. Natürlich war ihm die Anspannung ins Gesicht geschrieben - auch wenn wahrscheinlich nur sie das sah - aber er beherrschte sich noch.
 

Kaum hatten sie den Führerbunker - wie Tea das Gebäude für sich getauft hatte - betreten, da kam ihnen auch schon eine weitere, sehr stämmige Frau entgegen. In ihrer dunkelgrünen Uniform wirkte sie schon sehr wuchtig, sehr kräftig. Aber ihr dicker Zopf aus lockigem Haar gab ihr doch ein wenig Fraulichkeit zurück. Auch wenn sie ansonsten eher einem Bodybuilder ähnlich sah. Na ja, war ja auch ein Frauengefängnis und als Wärterin musste man eben gewisse Voraussetzungen mitbringen. Der einzige Mann hier war wohl nur der Herr ganz am Eingang, der die vorbeikommenden Wagen zählte.

"Guten Tag" grüßte sie freundlich und schüttelte erst Seto, dann Tea die Hand. "Sie möchten zu Mrs. Nandare?"

"Ja." Mehr brauchte Seto dann ja auch nicht zu sagen. Der Informationsfluss war in diesem Betrieb ja einsame Spitze, da könnte sich so manch ein Dienstleister ein Beispiel dran nehmen.

Er nahm Teas Hand und hielt sie frisch kühl, während er wie hypnotisiert dem breiten Hintern der Wärterin folgte, der vor ihnen herschwankte.

"Sie sind mit den Richtlinien für Besuche vertraut?" fragte sie routiniert.

"Ja" antwortete Seto nur wieder kurz.

"Ähm ... ich nicht" brachte Tea vorsichtig an. Sie war noch nie in einem Knast gewesen und war eigentlich auch nie scharf darauf gewesen.

"Also, Mrs. Gardener" setzte die breite Wärterin an. "Es ist durchaus nicht so wie Sie es aus Filmen kennen. Wir haben keine Trennscheiben und auch keine Telefone. Okay, die haben wir auch, aber nicht in diesem Falle. Wir bitten Sie nur einfach, die Gefangenen nicht länger als nötig zu berühren und sich einer Leibesvisitation zu unterziehen, bevor Sie vorgelassen werden. Damit verhindern wir, dass Sie verbotene Stoffe oder Gegenstände hereinschmuggeln. Der Besuch wird überwacht sein und wegen bestimmter Umstände, die hier gegeben sind, in einem separaten Raum stattfinden. Außer Ihnen werden noch zwei Wärter und der Betreuer anwesend sein. Sie werden videoüberwacht und können den Besuch jederzeit abbrechen, genauso wie wir das Gespräch jederzeit abbrechen können. Noch Fragen?"

Wow, die hatte nen scharfen Ton drauf. Aber na ja, das hier war ja auch ein Gefängnis. Mit Freundlichkeit kam man hier wohl nicht weit.

"Nein ... danke" nickte sie und hakte sich lieber bei Seto ein, als nur seine Hand zu halten.

Jetzt wusste sie gar nicht, wovor sie zuerst Angst haben sollte. Davor, dass Seto austickte, vor seiner Mutter, vor der Wärterin oder vor diesem grauenhaften Gebäude an sich. Sie beschloss, dass sie niemals eine Straftat begehen würde ... Gefängnis war echt nicht witzig.
 

"So, bitte hier herein. Mrs. Nandare ist schon da" zeigte sie und wies auf das rote Licht, welches über der Tür brannte. Hieß wohl, dass hier besetzt war.

"Sie entschuldigen?" kam plötzlich eine Stimme von der Seite und die etwas größere Frau, welche bis eben noch stumm und reglos an der Tür gestanden hatte, fummelte plötzlich an Teas Beinen herum - Durchsuchung, falls sie etwas mitschmuggelte.

Diese große Frau, welche dieselbe dunkelgrüne Uniform trug, aber nicht so einen schönen Lockenzopf, sondern streng nach hinten gebundenes, blondes Haar und eine unreine Haut hatte, nickte zu ihrer Kollegin und wollte dann an Seto ran.

Aber der wich erst mal einen großen Schritt zurück und hob abwehrend die Hände vor sich, um sie fern zu halten.

"Nicht anfassen" befahl er kühl. Er hasste es, wenn er von Fremden angefasst wurde. Noch immer und das würde sich wohl auch Zeit seines Lebens nicht mehr ändern. Hier war doch schon die erste Einschränkung, welche seine Mutter ihm für den Lebensweg mitgegeben hatte.

"Mr. Kaiba, jetzt bitte keine Starallüren" bat die Große, die noch lange nicht so groß war wie Mr. 2 Meter und 7.

"Er trägt nichts Gefährliches bei sich. Sie müssen ihn nicht durchsuchen" versuchte Tea ihn zu verteidigen, aber wie gesagt, kam man hier mit Freundlichkeit und Nächstenliebe nicht weit.

"Sie müssen sich hier doch unseren Richt..." wollte sie sagen, aber da fuhr er ihr gleich dazwischen.

"Das sind keine Allüren. Das hier" zeigte er und holte seinen Ausweis heraus, "das ist ein offizieller Vermerk, der besagt, dass Sie mich bei Durchsuchungen nicht berühren dürfen. Ich genieße Immunität in staatlichen Gebäuden. Da hat ihre Kollegin geschlampt, wenn sie das nicht gesehen hat."

"Zeigen Sie." Und schon hatte die Breitärschige sich seinen Ausweis geschnappt und sah das kleine Label, welches unten eingebrannt war. Nicht schön, aber selten. "Bitte verzeihen Sie" bat sie und gab ihm den Ausweis wieder zurück. "Für gewöhnlich haben nur hohe Politiker so einen Aufkleber oder Mitglieder aus Königshäusern."

Sie konnte ja nicht wissen, dass Seto den eher aus psychischen Gründen trug - wobei er natürlich auch einen gewissen politischen Einfluss hatte und morgen in ein ganz besonderes Königshaus einheiratete.

Doch hierfür hatte er wirklich jede Menge Geld fließen lassen, um dieses Recht auf Immunität zu bekommen.

Hauptsache, er wurde nicht angefasst!

"Dann müssen wir Sie aber trotzdem abstrahlen" bat die Große mit dem blonden Zopf und zog einen kleinen Plastikstock aus dem Gürtel, welcher fast aussah wie ein ägyptisches Ankh auf billig getrimmt.

Das ließ Seto sich dann aber eher gefallen. Er streckte brav die Arme von sich und ließ sich nach Metall abtasten. Natürlich trug er nichts weiter bei sich, nicht mal Kleingeld hatte er in der Tasche und den Autoschlüssel hielt er in der Hand, so dass der nicht piepen konnte. Und wenn so ein Stab über ihm schwebte, bekam er auch weniger Angst, als wenn fremde Hände an ihm rummachten. Den Damen kam das vielleicht arrogant vor, aber sie kannten eben nur seine Oberfläche.
 

Damit waren die beiden Uniformierten dann aber auch endlich fertig und hatten keine weiteren Einwände mehr im Petto.

Die Dame mit dem Lockenzopf öffnete die Sicherheitstür und sofort hörte man ein paar Worte, welche umgehend wieder verstummten.

Zuerst trat Seto herein und dicht hinter ihm Tea alias seine Rückendeckung.

Als sie an seinem angenehm breiten Rücken vorbeiblickte, sah sie dann auch den Horror in Person. Schade, dass sie so eine auffällige Ähnlichkeit mit Mokuba hatte, denn sie war eine echte Schönheit. Ihr tiefschwarzes Haar, ihre großen, schwarzen Augen, ihre helle Haut, ihre zarten Lippen und die ganze Statur so elfengleich. Aber ihr Gesicht war angespannt und sie fixierte Seto mit einem so stechenden Blick, dass es Tea das Herz schmerzte.

Wie er sich nun wohl hinter seinem Pokerblick fühlen musste?
 

Die beiden Wärterinnen blieben draußen und hier drinnen gab es sogar männliche Wärter. Einer stand an der Tür, wo Seto und sie eben reingekommen waren und der andere an der Tür gegenüber, welche wohl zu den Zellen führte. Also hatte sie sich geirrt und es gab durchaus männliche Wärter in diesem Bunker.

Inmitten dieses mittelgroßen Raumes stand ein schlichter, grauer Plastiktisch für etwa acht Personen, aber nur vier Stühle.

Sehr karg und nüchtern war es hier - sehr kalt, obwohl die Sonne durch das verglaste und vergitterte Fenster ein wenig hereinschien und doch nicht wirklich Harmonie in diese abweisenden Wände bringen konnte.

Auf der einen Seite saß die trügende Schönheit und neben ihr ein untersetzter Mann mit schmaler Brille und kaum noch Haaren auf dem Kopf, welche über seine glänzende Glatze gekämmt waren - bestimmt der angesprochene Betreuer oder Seelsorger.

Und der stand jetzt auch noch auf, als niemand etwas sagte.

"Guten Tag. Ich bin Dr. Zewa **wisch und weg ... mir fiel kein schlauer Name ein** und würde gern hier bleiben, wenn es Ihnen recht ist" nickte er Seto besonders freundlich zu. Bestimmt war er voll informiert über seine Patientin und wusste deswegen auch, wer Seto war.

"Tag" erwiderte Seto nur kurz und blickte weiter seine Mutter an, die ihn auch nur mit einem scharfen Blick aufspießte. Es war ein Wunder, dass sie noch nichts gesagt hatte. Für gewöhnlich war es doch ihre Taktik, dass sie freundlich anfing und dann ganz schnell auf ihren Sohn losging, aber jetzt saß sie einfach schweigend da und ließ nicht locker mit ihrem Gestarre.

"Bitte setzen Sie sich doch" lächelte Dr. Zewa und wies überflüssigerweise auf die beiden Stühle gegenüber. Therapeuten hatten irgendwie immer so einen etwas eigenen Touch. So eklig verständnisvoll und glatt.

Seto nahm sich fest den Stuhl, zog ihn vor und setzte sich direkt gegenüber seiner Mutter. Also nahm auch Tea sich einen Stuhl und setzte sich an seine Seite. Am liebsten hätte sie nach seiner Hand gegriffen, ihn in den Arm genommen ... wie er sich fühlte, sah man ihm nicht an. Er hatte einfach diese kalte Miene, welche zwar nichts herausscheinen ließ, aber dafür wusste Tea, dass in diesem Moment alles auf ihn eindrang, auf ihn einhämmerte, ihn einengte und gefangen setzte.

Warum nur setzte er sich solch einem Psychostress aus?

Vielleicht sollte sie doch irgendeinem Glauben beitreten, denn dann könnte sie jetzt ein Stoßgebet schicken. Sie würde darum bitten, dass Seto heil aus seiner schlechten Idee rauskam und hoffentlich endlich einsah, dass seine Mutter ihn nicht hasste, weil er etwa nicht liebenswert, sondern weil seine Mutter selbst ein kranker Mensch war.

"Guten Tag, Mutter" begann er und versuchte wohl, möglichst ruhig und sicher zu klingen. "Wie geht es dir?"

Man sah richtig, wie es in ihr arbeitete. Am liebsten wäre sie wohl aufgesprungen und hätte ihn erwürgt, aber sie blieb reglos sitzen und stierte ihn an.

Je länger Tea ihren Blick sah, desto mehr verstand sie, warum Seto nicht gerne länger angesehen wurde. Warum er es hasste, wenn man ihn durchdringend anstarrte. Er hasste es, wenn man ihn so mit Blicken bombardierte, wie sie es jetzt tat.

Tea wurde kalt und dafür, dass Seto so ruhig war, begannen nun ihre Hände zu zittern. Unter diesem Blick fühlte man sich nackt und klein. Und wenn man, so wie Seto früher, eh schon nackt und klein war, dann starb man unter diesem Blick wie ein Schneeglöckchen in der Wüstenhitze.

Er hatte damals niemals wirklich eine Chance gegen sie gehabt ...

Kein Wunder, dass der Drache so viele krankhafte Psychosen hatte ... drei Minuten mit Frau Adolf alleine und Tea würde auch in die Klapse müssen oder sich zumindest die Hucke zusaufen und mit Drogen volldröhnen ... kein Wunder, dass Seto so zerstört war ... allein dieser Blick war reinste Folter.

"Was willst du hier?" Endlich antwortete sie ihm auch etwas und durchbrach ihr Schweigen. Auch wenn ihre Stimme nicht besonders freundlich klang, so redete sie dennoch endlich und starrte nicht nur herüber.

"Ich wollte dich gern sehen" erwiderte er angespannt, versuchte jedoch vorbildlich, einen liebevollen Ton in die Stimme zu legen. Für Teas Geschmack klang er aber erschreckend unterwürfig. Er hatte Angst und versuchte doch, sie für sich zu gewinnen, indem er brav war. "Und eben hören wie es dir geht. Bist du gesund soweit?"

"Ja, ich bin gesund. Und du auch?"

"Ja, ich bin auch gesund, Mutter" versuchte er sich weiter an etwas Smalltalk. "Weißt du, ich habe jetzt lange in Frankreich gelebt und bin aber wieder zurückgekommen. Vielleicht weißt du aus der Zeitung, dass ich morgen heiraten werde?"

"Die Schlampe da?" nickte sie auf Tea, die merklich zusammensank. Diese Frau war echt die Gesandte der Bosheit.

"Nein, ich werde Yugi heiraten. Wir sind nun schon so viele Jahre zusammen und ich liebe ihn sehr. Yugi ist Jockey und seit kurzem zum zweiten Mal Weltmeister im Galopprennen. Er hat mir in Rom einen Antrag gemacht und ich habe ihn angenommen. Und ... na ja, deswegen bin ich hier."

"Es hieß, du wärst tot" meinte sie in einem Ton, als hätte man sie persönlich beleidigt. "Du sahst echt scheiße aus auf den letzten Bildern."

"Ja, ich war ziemlich schwer krank. Ich sehe mir die Fotos aus dieser Zeit nicht mal an" gab er zu. "Ich bin froh, dass ich wieder besser aussehe und nicht wie ein Halbtoter."

"Dass du jetzt besser aussiehst, habe ich nicht gesagt" fuhr sie ihm in ihrem ‚Hör gefälligst besser zu!'-Ton dazwischen.

"Aber jetzt bin ich wieder gesund und freue mich, dass ich es überlebt habe" sprach er möglichst unbeeindruckt weiter. "Ich weiß jetzt, was es für eine Freude sein kann, wenn man weiß, dass man lebt."

"Schön für dich. Meine Freude über dein Leben hält sich da leider in Grenzen."

Unbemerkt leise atmete Seto sich selbst Ruhe zu und schluckte die aufkommenden Tränen herunter. Sie war noch immer so gemein zu ihm, dabei kam er in Frieden und wollte gar keinen Streit.

"Mutter, bitte sag doch nicht so gemeine Sachen" bat er traurig. "Ich bin hier, um dich zu meiner Hochzeit einzuladen. Mir wurde gesagt, du könntest betreut ausgehen und ich würde mich sehr freuen, wenn du deine Teilnahme einrichten könntest. ... Hier."

Er schob ihr einen Briefumschlag über den Tisch, den er sich schnell aus der Tasche gefischt hatte. Seine Hände zitterten und verrieten, wie angespannt er war. Und trotz seiner immensen Angst suchte er nach einem Kontakt zu ihr. Nach irgendetwas, was ihm sagte, dass sie doch ein paar kleine Gefühle positiver Art für ihn hatte.

Sie war doch schließlich die Frau, die ihn zur Welt gebracht hatte. Die Frau, welche ihm das Leben schenkte ... die Frau, welche seine Seele geboren hatte.

"Was ist das?" fragte sie garstig ohne den Umschlag entgegenzunehmen.

"Deine persönliche Einladung" antwortete er flach. "Wenn du möchtest, lasse ich dich morgen von einem Fahrer abholen und schicke dir vorher gerne etwas Schönes zum Anziehen und auch einen Stylisten, der dich mal so richtig verwöhnt. Mit Make-Up und Massage und was du willst. Ich würde mich wirklich freuen, wenn du kommen könntest. Ich möchte dir so gerne Yugi vorstellen und ... und deine Enkelkinder."

"Meine ... meine was?" Jetzt hatte er sie doch aus der Fassung und zum Staunen gebracht. Ihr Mund stand offen und ihr fielen gleich die Augen aus dem Kopf.

"Deine Enkel, ja" lächelte Seto freudig und in seinen Augen spiegelte sich die pure Liebe. Hoffnung. Vielleicht konnte sie ihn lieben, wenn sie sah, was er alles geschafft hatte ... dass er ihr sogar zwei herzallerliebste Enkelkinder bieten konnte. "Die beiden würdest du sicher mögen. Wir haben eine Tochter und einen Sohn. Ilani ist jetzt fast fünf Jahre alt. Eine kleine, blonde Prinzessin, die jeden vollsabbelt, der sich das gefallen lässt, das ist unsere Nini. Sie ist so süß und unglaublich lieb. Mein Augenstern, mein Mäuschen. Und unseren Sohn Asato. Tato ist jetzt knapp über ein Jahr alt und hat gerade laufen gelernt. Er kann auch schon sprechen und erzählt dir die tollsten Sachen. Aber am liebsten wird er geknutscht. Knutschen ist seine Lieblingsbeschäftigung und sein Hobby ist es, sich alles in den Mund zu stecken, was nicht niet- und nagelfest ist. Er ist ganz lieb, aber ein kleiner Wirbelwind mit einem ziemlich eigenartigen Humor für sein Alter. Er ist sehr liebenswert und man sieht schon, was er für ein großer, stattlicher Mann werden wird. Alle beide sind ganz wundervolle, brave Kinder."

"Du bist doch eine Schwuchtel, ein Schwanzlutscher. Du kannst keine Kinder haben, wenn du dich in den Arsch ficken lässt, du Idiot" war ihre Meinung zu der Sache.

Es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn sie in die Rolle der Großmutter hätte schlüpfen wollen.

"Yugi und ich haben sie adoptiert" antwortete er etwas traurig, dass sie scheinbar nicht ganz so großen Gefallen an den Kindern fand wie er. Sie dachte ja nicht mal an die beiden - nur an Seto. "Bitte, Mutter. Gib dir einen Ruck und lerne meine Familie kennen. Ich bin ein anderer Mensch geworden und es wäre mir eine Freude, wenn ich dich an meinem Leben teilhaben lassen darf."

"Teilhaben?" lachte sie laut. "Du willst mich teilhaben lassen? Du bist echt unglaublich dämlich. Dein Leben gehört doch schon mir! Ich habe dich unter größtem Ekel auf die Welt gebracht und deswegen gehörst du mir alleine. Du denkst, nur weil du mal ein paar Jahre frei rumlaufen darfst, bist du gleich ein anderer Mensch? Nein, Seto, du wirst dich niemals ändern. Du bist und bleibst nichts weiter als ein kleines Stück Abfall. Eine Missgeburt. Wertlos, seit du aus mir rausgekrochen kamst."

Seto musste merklich schlucken und Tea fragte sich, warum dieser tolle Therapeut nur dasaß und sich seine Notizen machte. Sollte er denn nicht einschreiten und die Ausbrüche seiner Patientin unterbinden, anstatt sich die Brille auf die Nase zurückzuschieben?

Armer Pechvogel Seto.

Er hatte es nicht verdient, dass man einem Pechvogel wie ihm auch noch die Federn stutzte.

"Warum sagst du so gemeine Dinge?" fragte er traurig und senkte seinen Kopf, blickte sie flehend unterwürfig an. "Mutter, ich komme hierher zu dir, um dir zu sagen, dass du mir wichtig bist. Und kannst nur mit Beleidigungen um dich werfen. Hast du denn gar kei...?"

"Wie redest du überhaupt mit mir? Sei gefälligst etwas respektvoller, du Miststück! Du bist doch wirklich so was von verdorben! Warum kannst du nicht sein wie dein Bruder? Mokuba ist brav, lieb und ein toller Sohn. Er ist sauber und intelligent. Aber DU! Du bist so ... es ist mir richtig peinlich, dass etwas wie du aus meinem Körper gekommen ist! Ich könnte kotzen bei dem Gedanken! Eigentlich hättest du wie ein Stück Scheiße den Abfluss runtergehen sollen! Du bist so ...!"

"Mutter, bitte!" So langsam ging Seto die Fassung flöten. Er wurde so traurig, so beschwert. Er liebte sie trotz allem, weil sie seine Mutter war und sie machte ihm nur klar, wie schlecht er war. Warum nur? Warum?

"Nein, nichts bitte! Sieh dich doch mal an, du Dreckstück! Du willst heiraten und das nicht nur einen Mann, du Schwanzlutscher, sondern auch noch deinen eigenen verkommenen Cousin! Du bist eine Schande für alle Nandares! Du bist ein Schandfleck für alle, die du überhaupt nur anglotzt! Und dein Cousin, der dich jeden Tag durchfickt, auch! Ihr wart schon immer verdorben!"

"Mich kannst du beleidigen so viel du willst, aber bitte lass Yugi in Ruhe" bat er ganz lieb. "Yugi ist ein wundervoller, liebevoller und sanfter Mensch. Und nicht verkommen."

"Er war früher schon verkommen. Er und der Rest der Mutos waren immer ach so perfekt! Meine Schwester hat ihren Sohn für was Besseres gehalten, aber als ich ihr das Gegenteil beweisen wollte, hast du versagt! Du bist so ein Versager! Genau wie dein Vater!"

"Papa war kein Versager! Er war dumm, aber er war ein guter Mensch! Du darfst nicht so über ihn sprechen! Papa war lieb!"

"DAS IST INZEST!" schrie sie ihn an. "Und deine Kinder sind verdorbene Bälger! Die gehören ins Heim! Abgeschlachtet, diese kleinen Biester, die du ..."

"JETZT REICHT ES!" Jetzt wurde Papa Seto sauer, sprang auf und haute auf den Tisch so laut, dass selbst die Wächter an den Türen sich erschraken. "ÜBER MICH KANNST DU HERZIEHEN, ABER WAGE ES N I E M A L S WIEDER, MEINE KINDER ZU BELEIDIGEN!"

"Du wagst es, mich anzuschreien?" zischte sie und erhob sich nicht mal von ihrem Stuhl. Selbst Tea lief ein kalter Schauer über den Rücken, wenn Seto so laut wurde, denn mit dem Eisdrachen war nicht zu spaßen, wenn man seine Kinder anging. Aber seine Mutter zuckte nicht mal mit der Wimper. Sie hatte nicht die geringste Angst vor ihm.

Sie sah ihn nur mit funkelnden Augen an. Sie ergötzte sich daran, wenn ihr Sohn Tränen in den Augen hatte. Sie liebte es, ihn zu quälen. Sie liebte es einfach.

"Ich wage sogar noch viel mehr" zischte er zurück.

"Du hast dich wirklich nicht verändert, du Missgeburt. Du bist noch immer ungehorsam und schmutzig. Minderwertig. Nicht mal den verfickten Dreck unter deinen Nägeln bist du wert."

"Meine Fingernägel sind sauber. Sieh hin!" zeigte er ihr beide Hände. "Als ich noch bei dir lebte, waren sie niemals sauber. Weil du es nicht gebacken kriegst, deine Elternrolle ernst zu nehmen."

"DU WAGST ES! DU DRECKIGES SCH..."

Doch in diesem Moment drang ein Sonnenstrahl zu dem kleinen Fenster herein, welches eigentlich so schmutzig war, dass es gar keinen so klaren Strahl durchlassen konnte. Das Licht der warmen Sommersonne fiel direkt auf den Tisch und erhellte einen langen Streifen auf dem grauen Plastik. Als würde der durchdringende Glanz hier eine Grenze ziehen zwischen Seto und dieser Frau, die es nicht wert war, dass er sie Mutter nannte.

Rah war bei allen, die ihn brauchten ...

"Nein, jetzt hörst du mal mir zu" fuhr er kräftig dazwischen, noch bevor sie ihre nächste Hasstirade loslassen konnte. "Sieh mich an, Mutter! Ich bin ein Mann. Ein erwachsener Mann. Ich bin ein Familienvater und ich habe alles, was man sich nur wünschen kann. Ich sehe super aus, ich bin intelligent, habe Humor, ich zeige Gefühle und bin reich. Was könnte eine Mutter sich mehr von ihrem Sohn wünschen? Aber du degradierst mich immer wieder auf etwas, was ich noch nie sein wollte. Früher hast du mich um deine Liebe betteln lassen, aber das hat sich geändert!" Die Tränen quollen aus seinen Augen hervor und was er sagte, fiel ihm nicht leicht. Aber er sagte es trotzdem alles. Alles, was auf seinem Herzen war. Endlich stand er auf und verteidigte sein Glück. Das Glück, für welches er hart gearbeitet hatte - nie wieder würde er sich nehmen lassen, was ihm gehörte. "Heute flehe ich nicht mehr um deine Liebe. Weil ich sie nicht brauche! Früher hätte ich sie gebraucht, aber du hast mir alles verweigert, was man einem Menschen nur verweigern kann. Du hast mir alles genommen, meinen Stolz, meine Würde, meine Träume. Du hast mich zerstört. Glückwunsch, das hast du geschafft. Aber das ist vorbei, Mutter, hörst du? Es ist vorbei! Heute bettele ich nicht mehr um deine Liebe. Ich bin hier, um dir MEINE Liebe anzubieten. Und ob du sie annimmst oder nicht, liegt alleine bei dir. Denn eines will ich dir mal sagen." Und das sagte er ganz ruhig, reichte Tea seine Hand und zog sie hinauf. "Ich fahre jetzt nach Hause, Mutter. In mein Zuhause. Zu meinem Mann, meinen Kindern und dem Rest meiner lieben Familie. Ich werde heiraten und glücklich leben bis ich alt und grau bin. Du hingegen sitzt hier drin. Einsam und alleine in deiner kalten Zelle bis du alt und gebrechlich bist. Und jetzt denke in Ruhe darüber nach, wer von uns beiden besser dran ist und wer hier um wessen Liebe zu betteln hat. Guten Tag, Mutter."

Ohne Teas Hand loszulassen, ging er auf die Tür zu, bekam sie vom Wärter geöffnet und konnte ohne weitere Einwände hindurchgehen. Kurz bevor sie hinter ihnen wieder geschlossen wurde, hörte man seine Mutter schreien. Wütend, laut, voller Hass.

"DU WIRST WIEDERKOMMEN! DU VERDORBENES, ARSCHGEFICKTES ..."

Was für ein Glück, dass die Tür schallisoliert war. So einen neuen Schwall erniedrigender Worte hätte er jetzt wirklich nicht gebrauchen können.

Und ob sie verstanden hatte, was er ihr sagen wollte?

Wahrscheinlich nicht.
 

Seto ließ ein wenig den Kopf hängen und wusste scheinbar ganz selbstständig, wo der Ausgang war. Vielleicht wollte er auch einfach nicht, dass man seinen Gesichtsausdruck sah und so ließ er sich das Haar in die Stirn fallen und blickte sich nicht um.

Er ging und es fiel ihm sichtlich schwer, nicht zurückzublicken.

Tea traute sich im Moment lieber nicht zu, ihn anzusprechen.

Wer wusste, wie er reagieren würde?

Um sich selbst machte sie sich da keine Sorgen, aber neben ihnen liefen die zwei uniformierten Wärterinnen und ob Seto sich vor denen die Blöße geben und Gefühle zeigen wollte? ... Wohl eher nicht.

"MR. KAIBA!" Und dann rief ihnen auch noch dieser schweigende Therapeut hinterher.

Was wollte der denn jetzt noch?

Auf den Ruf hin, blieb Seto so abrupt stehen, dass Tea ihm fast in die Seite gelaufen wäre. Der Gute war völlig überreizt und so plötzliche Bewegungen sahen ihm für gewöhnlich nicht ähnlich ... zumindest wenn er entspannt war.

Er hob den Kopf und zeigte einen so leeren Blick, dass es Tea am eigenen Leibe wehtat. Seine sonst so hellen, verspielt sanften Augen waren so leer - ob Eis auch sterben konnte?

"Mr. Kaiba!" atmete der kleinere Mann, als er ihn erreichte und erst verschnaufen musste. Er war eben nicht nur nicht der Schlankste, sondern der Sportlichste anscheinend auch nicht. Und dass seine Hose ihm schon lange vom runden Bauch gerutscht war, hatte er sicher auch nicht mitbekommen.

"Was wollen Sie?" fuhr Seto ihn in einem eiskalten Ton an. Auf die anderen musste allein dieser Ton in der Stimme wie arrogante Ablehnung und snobistische Aufspielung wirken - aber Tea sah, dass er in diesem Moment eigentlich nur wegrennen wollte.

Seine Arroganz war keine Arroganz, sondern Angst.

"Ich möchte mich kurz mit Ihnen unterhalten" keuchte er noch immer außer Atem und sah an dem übergroß gewachsenen Drachen empor. "Wollen wir in mein Büro gehen?"

"Nein." Das war doch mal ne klare Ansage. Manchmal konnte er sich eben so klar ausdrücken, dass man ihn mal ausnahmsweise nicht missverstand.

"Ich kann ja verstehen, dass Sie damals nicht gekommen sind, als ich sie zum Gespräch eingeladen hatte, Mr. Kaiba. Aber bitte lassen Sie mich Ihnen ein paar Dinge sagen. Nicht nur ihrer Mutter zuliebe, sondern auch für Sie."

"Ich habe meinen eigenen Psychiater. Danke" lehnte er kalt ab. Er brauchte nicht noch jemanden, der an ihm herumdokterte. Dafür besaß er wirklich seine eigenen Seelenklempner, denen er allein mit dieser Aktion hier das nächste Jahresgehalt gesichert hatte.

"Genau, das habe ich mir gedacht" nickte er trotzdem verständig und freundlich. Also, entweder verstand er nicht, dass Seto nicht mit ihm reden wollte oder er war mutiger als er aussah. "Mr. Kaiba, Ihr Mutter leidet an einer Aggressionsneurose. Ich weiß noch nicht, wodurch diese Aggression Ihnen gegenüber ausgelöst wird, aber ich möchte Sie bitten, dass Sie bei sich selbst einige Dinge in Betracht ziehen."

"Was ich betrachte und was nicht, geht Sie nichts an, Dr. Zewa."

"Mr. Kaiba, wissen Sie überhaupt, was Aggression bedeutet?" schaute er ihn freundlich an. "Ich denke nämlich, dass im Falle eines ..."

"Aggression" wiederholte Seto und sah ihn leer an. "Als Aggression, lateinisch aggredi, übersetzt herangehen oder angreifen, werden Verhaltensweisen bezeichnet, die eine Realisierung individueller oder kollektiver Vorzüge durch Drohung, Zurückdrängung, physischer Beeinträchtigung wie Verletzung oder gar Tötung eines tatsächlichen oder vermeintlichen Feindes oder Rivalen ermöglichen sollen. Aggressives Verhalten steht eng im Zusammenhang mit Angriffs-, Flucht- und Verteidigungsverhaltensweisen, auch agonistisches Verhalten genannt. Die Reaktionsstärke des aggressiven Verhaltens ist sowohl auf eine aktivierte innere Bereitschaft im Rahmen eines bestimmten ‚Funktionskreises', als auch auf äußere aggressionsauslösende Situationen zurückzuführen.

Im Zusammenhang mit menschlichem Verhalten kann sich Aggression in verbalen oder tätlichen Angriffen gegenüber Personen, Personengruppen und Sachen, oder -wie im Tierreich auch- in Drohverhalten, Kommentkämpfen, sowie ritualisierten Auseinandersetzungen, etwa im Sport, im Spiel oder im Beruf durch Wettbewerb äußern.

Im Tierreich ist aggressives Verhalten weit verbreitet und wird von Verhaltensbiologen meist dahingehend interpretiert, dass es dem direkten Wettbewerb um Ressourcen, der Fortpflanzung oder dem Nahrungserwerb dient. Es wird daher -speziell seitens der Ethologie- häufig auch als ‚Angriffs- und Drohverhalten' bezeichnet und mit spezifischen Auslösern, den Schlüsselreizen, in Verbindung gebracht."

"Ähm ... ja ..." Damit hatte der gute Herr nicht gerechnet. Aber in letzter Zeit gab Seto diesem Impuls häufiger nach und sagte einfach etwas, was er gespeichert hatte. Ob er dabei merkte, was er sagte, wusste man nicht. Entweder überlegte er sich das oder er spulte es einfach ab wie eine Kassette.

Doch damit war er noch nicht fertig. "Im Sprachgebrauch wird der Begriff Aggression meist mit unangepasstem, zerstörerischem und destruktivem Verhalten in Verbindung gebracht, die beim Menschen meist durch folgende Faktoren gekennzeichnet sind:

1. von der Schädigung.

2. von der Intention.

3. von der Normabweichung.

Beim Menschen wird unter ‚aggressivem Verhalten' in erster Linie eine direkte oder indirekte physische und/oder psychische Schädigung eines Lebewesens oder die Beschädigung eines Gegenstandes verstanden, unabhängig davon, was letztlich Ziel dieser Handlung ist. Wichtig ist dabei die Absicht, unabhängig davon, ob es zu einer Schädigung kommt oder nicht - wenn zum Beispiel das Opfer in letzter Sekunde ausweicht. Die verschiedenen Aggressionstheorien lassen sich unterteilen in Theorien, die aggressives Verhalten auf bestimmte Faktoren zurückführen.

Formen der Aggression sind:

1. offene, physische Form: Schlagen, körperliches Bedrohen oder Tötung.

2. offene, verbale oder nonverbale Form: Beleidigen, spotten, Gesten und mimische Ausdrucksweisen, schreien.

3. verdeckte Form: Phantasien.

4. indirekte Form: Sachbeschädigung, üble Nachrede, Mobbing, Schikanen, Barrieren errichten.

5. emotionale Form: Stress, Ärger, Wut, Groll, Hass.

In vielen Fällen gilt aggressives Verhalten als ein Versuch, ein bestimmtes Problem zu lösen. Aggressives Verhalten wird dann ‚instrumentell' eingesetzt, was bedeutet, es wird versucht, auf diese Weise bestimmte Ziele zu erreichen. Davon abzugrenzen ist die feindselige Aggression, deren Ursache Frustration und Wut und nicht die Erreichung eines gesellschaftlich anerkanntes, übergeordnetes Ziels ist.

Weitere motivationale Unterscheidungsmerkmale sind abgegrenzt in:

1. positive, z.B. im Krieg, versus negative .

2. spontane versus reaktive versus befohlene.

3. ernste versus spielerische.

‚Typische' Aggressionsziele sind zum Beispiel:

1. Das Durchsetzen eigener Wünsche und Interessen, die mit Wünschen anderer im Konflikt stehen.

2. Beachtung durch andere finden, die Rangordnung aufwerten oder erhalten.

3. Reaktion auf Aggression anderer. Abwehr- und Notwehrverhalten.

4. Vergeltung erlittener Aggressionsakte als Rache.

Ja, ich weiß, was Aggression bedeutet."

Der gute Seelenklempner staunte über dieses geballte Wissen. Entweder war dieser junge Mann vor ihm ein außerordentlicher Rhetoriker, oder ein Spinner - oder einfach extrem hochbegabt.

"Ich bin beeindruckt" musste er nickend anerkennen. "Aber eigentlich wollte ich Ihnen sagen, dass ich unter anderem die Vermutung einbeziehe, dass das aggressive Verhalten Ihrer Mutter auch auf einen genetischen Defekt zurückzuführen sein kann. Die Forschung hinkt hier leider noch sehr, aber es muss nicht unbedingt seelische Ursachen haben. Vielleicht fehlt ihr wie beim Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, ADS, ein Botenstoff im Gehirn, welches Informationen dann falsch oder gar nicht auswertet."

"Und warum dann immer ich?" fragte er und auch, wenn er sich Mühe gab, es zu verbergen - man hörte die Traurigkeit in seiner Stimme. "Warum reagiert sie nur auf mich so? Bei einem genetischen Defekt müsste sie Menschen generell so behandeln."

"Wie gesagt, ich bin mir noch nicht sicher" wiederholte er noch mal und schob sich abermals die Brille auf die Nase zurück. "Ich wollte Ihnen sagen, dass vielleicht auch Sie diesen Defekt geerbt haben könnten. Man sagt sich, auch Sie seien ein sehr aggressiver Mensch, der ..."

"Wenn Seto eines nicht ist, dann ist es aggressiv" schritt nun auch Tea mal zu seiner Verteidigung ein. "Seto ist ein sehr ruhiger und liebevoller Mensch. Er hasst Aggressionen und ..."

"Aber Hass ist auch ein aggressives Gefühl" warf der Arzt ein.

"Ja, vielleicht" versuchte sie händeringend zu erklären. "Aber Seto hasst nichts und niemanden! Ich wollte nur sagen, dass ..."

"Lass es gut sein. Danke, Tea" unterbrach Seto sie freundlich und legte seinen Arm um ihre Schultern. Er hatte sie nicht mitgenommen, damit sie ihn verteidigte. Er brauchte einfach jemanden zum Festhalten. Einen Menschen, der ihn daran erinnerte, wo er hingehörte. "Dr. Zewa, ich danke Ihnen für Ihre Mühen, aber bitte lassen Sie mich und meine Psyche in Ruhe. Sie sollen meine Mutter therapieren und nicht mich. Wenn Sie Ihre Aggression abstellen können, bin ich Ihnen auf ewig dankbar. Aber bis dahin kontaktieren Sie mich bitte nicht weiter. Nicht, weil ich ihr nicht helfen will, sondern weil ich einfach genug mit mir selbst zu tun habe. Sonst noch etwas?"

"Nein. Danke, Mr, Kaiba" dankte er und nickte freundlich. "Es fällt Ihnen wohl sehr schwer, sich von ihr loszusagen. Das sehe ich. Es ist zwar verwunderlich, aber nicht unnormal, dass sie an Ihrer Mutter hängen, obwohl sie Ihr schlimmster Alptraum sein muss. Aber ich lobe es, wenn Sie auch auf sich selbst ein wenig Rücksicht nehmen."

"Wie gesagt, ich brauche keinen weiteren Psychiater" verdeutlichte er nur noch mal und blickte ihn weiter kalt an. "Guten Tag, Doktor."

"Ihnen auch noch einen guten Tag, Mr. Kaiba. Und alles Gute für Ihre Hochzeit morgen. Ich hoffe, Sie und ihr Lebensgefährte werden glücklich miteinander."

"Das werden wir sicher. Danke." Damit ließ er es dann aber doch genug sein, drehte sich um und ging weiter direkt auf den Ausgang zu. Genau den Weg, den sie gekommen waren.
 

Als sie endlich wieder im Auto saßen und die Türen geschlossen hatten, atmete er halb erleichtert, halb erschöpft durch.

Tea hatte sich bis jetzt nicht getraut ihn anzusprechen. Wenn er reden wollte, würde er das sicher von selbst tun. Wahrscheinlich wollte er erst in Sicherheit sein, raus aus diesem schrecklichen Gebäude und weit weg von dieser ebenso schrecklichen Frau.

Etwas erstaunt war sie dann aber doch, als Seto den Motor anließ, aufs Gas drückte und ohne einen Blick zurück auf die Straße fuhr. Dass er jetzt noch so ruhig war und autofahren konnte, hätte sie nicht gedacht. Wollte er denn über nichts sprechen? Sie hätte erwartet, dass er weinte oder schlimmeres - aber selbst nachdem er seine kalte Maske abgenommen hatte, schien er nichts in dieser Richtung geplant zu haben.

"Seto?" fragte sie dann doch vorsichtig, als er sich in die Brusttasche griff und wahrscheinlich nach Zigaretten suchte. "Du ... also, du musst das nicht in dich reinfressen. Das ist nicht gut und ..."

"Ich fresse nichts in mich rein" versprach er und holte zu ihrer Erstaunung nicht seine Zigaretten, sondern sein Handy hervor, welches er mit einem gezielten Handgriff vor sich in die Armatur einklemmte.

"Aber du ... Seto ... tut mir leid. Ich bin etwas ... erstaunt" darüber, dass er nicht ausflippte oder zusammenbrach, sich selbst verletzte oder eine Attacke nach der nächsten bekam.

"Du wirst es nicht glauben, aber ich bin auch erstaunt" antwortete er aber etwas geschafft und drückte einen Knopf hinter seinem Lenkrad. "Ich glaube, es liegt daran, dass du einfach da warst ..."

Tea überlegte gerade noch, was das für elektronischer Klimbim war, den er da wieder betätigte, aber diese Frage wurde gleich beantwortet, als nach einem kurzen Klicken, Yamis Stimme durch die Luft hallte.

"Seto!" lachte er fröhlich. Ja, er hörte sich sogar ein wenig außer Atem an. "Wieso rufst du SCHON WIEDER auf Yugis Handy an?"

"Wieso gehst du schon wieder an sein Handy ran, ist die Frage" schoss er sofort zurück. "Los, hau ab jetzt. Gib mir Yugi."

"Vergiss es! Ihr kriegt euch erst morgen wieder. Außerdem ist Yugi gerade beschäftigt."

"Das interessiert mich nicht. Los, gib ihn mir."

Vielleicht wollte Seto mit ihm sprechen. Mit Yugi besprach er es immer zuerst, wenn ihm etwas auf der Seele lag - oder eben mit Seth. Doch die Sehnsucht nach Yugi war hier wohl größer.

Aus dem Hintergrund hörte man ein leises "Wer ist das?" und identifizierte sofort Yugis helle, weiche Stimme. Unverkennbar.

"Seto" antwortete Yami zur anderen Seite.

"Oh! Gib ihn mir!"

"Ihr zwei seid echt schlimmer als zwei zusammengeklebte Fruchtbonbons" schimpfte Yami spaßhaft, man hörte es laut Poltern und ein

"Yami! Komm runter da!" sagte ihnen, dass er sich wohl gerade vor dem ums Handy kämpfenden Yugi in Sicherheit gebracht hatte. Der wollte auch mit seinem Liebling sprechen, aber da mussten sie erst am ollen Pharao vorbei, der dazu seine eigene Meinung hatte.

"Yami, jetzt gib Yugi schon das Handy" bat auch Tea über die Freisprecheinrichtung.

"Hey, Tea! Hi!" lachte der aber nur. "Wenn ihr wüsstet, wie sauer Yugi mich gerade ansieht, würdet ihr mir einen Notar für mein Testament vorbeischicken."

"Yami, was will Seto denn?" war wieder Yugis etwas leisere Stimme aus dem fernen Hintergrund zu hören. Wahrscheinlich stand er gar nicht so weit weg, aber Fernsprechhandys gab es ja nun leider noch nicht.

"Was willst du denn?" fragte er dann wieder zu Seto in den Hörer hinein.

"Ich ... ich ..." Was würde er jetzt darauf sagen? Dass er ganz dringend jemanden brauchte? Dass er kurz vorm Heulen war? Dass die Hochzeit verschoben werden musste? "Sagst du Yugi, dass ich ihn liebe?"

"Yugi, Seto sagt, er liebt dich" gab das Hindernis weiter und man konnte sein fröhliches Lächeln richtiggehend in der Stimme wahrnehmen.

"Sag ihm, ich liebe ihn auch. ICH LIEBE DICH, LIEBLING!"

"Er liebt dich auch, Liebling" lachte Yami, bevor ein Rascheln durch die Leitung ging und eine noch viel hellere Stimme ertönte.

"Je t'aime aussi, Papa!"

"Nini" hauchte Seto mit einem leisen Lächeln auf den Lippen. "Je t'aime plus, ma petite princesse."

"On se marie demain, Papa! Je serre ma tenue jolie et Papa aussi. Se réjouis-tu?"

Tea war erstaunt, wie fließend die kleine Nini die französische Sprache beherrschte. Zuhause wurde kaum Französisch gesprochen, obwohl sie ja nun nicht gerade wenig redete. Doch Nini schien das egal zu sein, in welcher Sprache sie plapperte. Hauptsache, sie wurde verstanden. Yugi hatte mal erwähnt, dass sie ihre Kinder zweisprachig erzogen - aber in dem Alter war das echt ein Hammer. Anscheinend hatten nicht nur Yugi und Joey in den Jahren der Abwesenheit so einiges geschafft.

"Naturellement, je me réjouis" lächelte Seto und hatte doch eine kleine Träne im Auge. "Tu es toujours joli, ma souris douce. Gibst du Papa einen Kuss von mir?"

"Einen ganz dicken?"

"Nein, noch viel dicker. Und trete mal Yami, wenn du ihn triffst."

"AUA! NINI!" Okay, sie HATTE ihn getroffen.

"Ich liebe dich, Papa. Au revoir!" Und noch ehe Seto etwas erwidern konnte, hatte die Kleine aufgelegt. Sie war wohl genauso hibbelig wie Yami im Moment. Und Yugi? Der schien zwar ganz ruhig, aber das musste bei ihm nicht viel heißen.

Seto legte durch ein neues Klicken hinter seinem Lenkrad auf und fuhr zurück auf die Autobahn, von wo sie auch gekommen waren.

Der Wind wehte ihnen um die Nase und eigentlich sah die Gegend hier im Sommer wunderschön aus. Weite Felder, zwischendurch ein Hochsitz zum Jagen, die Straße war frei, die Sonne schien hell ... apropos Sonne ...

"Seto?" sprach sie ihn zaghaft noch mal an und wandte ihren Blick auf den Drachen, der sich gerade seine Sonnenbrille aufsetzte.

"Hm?" machte er nur schlicht.

"Wodurch kam das ... dass ... dass du so plötzlich ...?"

"Ich weiß es nicht" beantwortete er diese nur halb gestellte Frage. "Ich dachte, ich würde zusammenbrechen, ich wollte weglaufen. Aber dann war da plötzlich ... so eine Kraft in mir. Die Trauer und die Angst ist noch immer da, aber ... diese Kraft hat sie verdrängt. Ich wusste gar nicht, dass ich so eine Kraft habe. Ich bin traurig, aber ... auf eine andere Weise fühle ich mich stark. Leer und glücklich zugleich ... kannst du das verstehen?"

"Dich wird man wohl nie verstehen" lächelte sie. Vielleicht war ihm dieser Sonnenstrahl, welcher durch das schmutzige Fenster hereinbrach, gar nicht aufgefallen. Aber vielleicht ... ja, ganz vielleicht hatte Rah seine schützende Hand über ihn gehalten und ihm die Kraft gegeben, seiner Mutter die Stirn zu bieten. Die Kraft, welche Seto niemals wirklich gehabt hatte. Aber nun war er empfänglich für Rahs Kraft, seine Worte, seinen Schutz. Er musste es nur zulassen. Man spürte es nicht immer, aber manchmal gab es eben doch ein höheres Geschick, welches die Erde leitete. Und Seto hatte da oben ganz eindeutig bei jemandem einen Stein im Brett.

"Und nun?" fragte sie weiter. "Was willst du jetzt machen? Ich meine ... du willst doch da nicht wieder hin, oder?"

"Nein, ich werde sie nie wieder aufsuchen. Selbst, wenn sie irgendwann wieder draußen ist" antwortete er abgeklärter als man es ihm zutraute. "Weißt du, Liebes, ich bin in den letzten Jahren ein ganz anderer Mensch geworden. Ich hab's selbst gar nicht gemerkt, aber ... ich glaube, die Zeiten, wo ich klein und ängstlich war, sind vorbei. Die Zeiten, in denen ich einsam und arm war, sind vergangen. Ich bin jetzt jemand und ich habe etwas. Ich glaube, ich habe meine Angst im Griff und kann ich mich auch Problemen offen gegenüberstellen, ich habe an Mut und Stärke gewonnen. Ich habe keinen Grund mehr, verzweifelt zu sein, mich oder mein Leben zu hassen. Es gibt so vieles, was ich habe. Ich habe ein warmes Zuhause und genug Geld für zwei Leben. Ich habe eine liebevolle Familie, welche immer für mich da ist" lächelte er und griff einfach nach ihrer Hand, um sie festzuhalten. "Ich habe Kinder, die mich lieben, mich brauchen und um die ich mich kümmern darf. Und ab morgen habe ich sogar einen Ehemann. Und alle sind gesund. Ich habe so vieles, was mich glücklich und stark macht ... ich brauche keine Mutter mehr."

Da konnte sie doch nur "Wow" hauchen. "Das hört sich richtig gut an."

"Ja, nicht war?" meinte auch er, drehte den Blick auf sie und schenkte ihr eines der schönsten Lächeln, welches er jemals verschenkt hatte. "Ich glaube, jetzt kann ich erwachsen werden."

"Erst mal heiratest du und dann wirst du erwachsen, ja?"

"Ja" seufzte er und fuhr die direkte Abfahrt herunter. "Möchtest du noch ein Eis essen gehen? Mit Sahne und Schokosauce?"
 

Es tat zwar weh, aber ...

... jetzt konnte er heiraten ...

... und erwachsen werden.
 

Jetzt konnte er die Vergangenheit loslassen, um seine Zukunft festzuhalten.
 

Und dieser kleine Ausflug blieb unter ihm und seiner Tea.
 


 

Chapter 18
 

Es wurde eine schlaflose Nacht für alle, denn Seto begann doch langsam, sie mit seiner Nervosität anzustecken. Selbst die sonst so tiefschlafende Nini verzog sich heute Nacht zu Joey ins Bett, weil: „Papa ist voll nervig heute. Da kann ich gar nicht richtig einschlafen. Der redet immer nur von Papa ...“

Es war zum Heulen.

Und das tat Seto auch am nächsten Morgen schon zum Frühstück. Mitten im Bissen ins Brot begann er einfach zu schluchzen, weil er es nicht fassen konnte. Nur noch sechs Stunden und er würde heiraten! Nur noch sechs Stunden und Yugi würde sein Jawort annehmen. Er musste einfach heulen ... er hielt es nicht mehr aus.

Es war schrecklich. Auf Seto aufzupassen und ihm Taschentuchnachschub zu besorgen, war vielleicht der härtere Job, als wenn man bei Yugi bleiben konnte. Aber auch das hatte Nachteile. Kaum kehrte jemand von Yugi zurück, schon hatte man Seto an der Hacke kleben, der tausend Fragen stellte. Geht es Yugi gut? Wird er rechtzeitig da sein? Hat jemand an die Ringe gedacht? Hat Yugi ihn noch lieb? Sind alle lieb zu ihm? Er kam doch auf jeden Fall, oder?

Und das erste Mal im Leben wünschte man sich, man könne Seto einfach an die Leine legen und an der Autobahn aussetzen ... oder ihn wahlweise in den Kleiderschrank wegsperren. Irgendwie war er ja doch niedlich, wie er so nervös war - aber, dass er nervös war, würde er NIEMALS zugeben. So ein Quatsch auch. Er und nervös? Auf keinen Fall!

Er wurde den Rest des Tages mit Nini im Kinderzimmer festgehalten, wo sie sich gemeinsam Arielle ansahen ... drei Mal hintereinander, damit Seto mal wieder ein bisschen runterkam.
 

Bis es dann endlich so weit war.

**Nehmt das jetzt mal als positive Prophezeiung, ja? Aber gewöhnt euch nicht dran, denn das war die letzte für nächste Zeit. ^^**
 


 

Es war alles arrangiert und neben dem ganzen Vorbereitungsstress musste jeder auch noch die Zeit finden, sich schnell umzuziehen. Seth war schon vorgefahren, um die TV-Arbeiten zu überwachen und so war Mokuba sein Haupthändchenhalter. Tato wurde von Mama halb plattgedrückt, bis Sethos den Kleinen lieber an sich nahm.

Yugi ging es aber nicht unwesentlich anders. Er wurde in den letzten Stunden dann auch nervös und Yami haute ihm immer wieder auf die Finger, damit er sich nicht die Nägel abpulte. Opa saß auch noch mit im Wagen hin, aber Yugi würde eh einen anderen Eingang nehmen. **So als Seme ...**
 

Allmählich wurde es spannend.

Als Yugi ankam, nahmen sie den Hintereingang **XD**, um dem ganzen Auflauf an Freunden und Bekannten zu entgehen. Außer Opa und Yami hätte er eh gerade niemanden gebrauchen können.

Die spanische Botschaft in Domino lag wirklich schön. Ein nettes, helles Haus umgeben von einem hoch umzäunten Gelände. Ein bisschen wie auf einer Immobilienwerbung.

Senhor Temanez begrüßte Yugi sogar persönlich, als er in den kleinen Warteraum vor den Trauungssaal trat. Der spanische Botschafter war erschreckend jung. Yugi hatte viel eher einen knorrigen Alten erwartet, der etwas mehr nach Politiker aussah. Aber Senhor Temanez konnte nicht viel mehr als zehn Jahre älter sein als er selbst. Also, älter als 40 war der nie und nimmer! Er trug einen feinen, eierschalenen Anzug und eine auffallend gelbe Krawatte. Doch seine dunkelbraunen Augen strahlten eine solche Wärme ab, dass Yugi sich sofort wohl bei ihm fühlte. Ein echter Südländer, dunkle Haut, dunkles Haar und wunderbar weiße Zähne. Wäre er kein wichtiger Mann hier, könnte er genauso gut Modell werden. Er war schlank und kräftig und durchschnittlich groß. Irgendwie fühlte man sich spontan wohl neben ihm und seinem warmen Lächeln

„Mr. Muto!“ begrüßte er ihn freudig und schüttelte ihm die Hand. Sein spanischer Akzent war zwar deutlich herauszuhören, aber das passte auch nur zu ihm. „Schön, dass Sie so rechtzeitig da sind. Geht es Ihnen gut so kurz vor der entscheidenden Stunde?“

„Ja, danke“ lächelte Yugi, während der Botschafter noch schnell Opa und Yami die Hand reichte.

„Mr. Muto, Mr. Muto … mi dios, drei Mr. Mutos auf ein Mal. Meine Güte, so viel Wirbel um eine Hochzeit habe ich ja auch noch nie erlebt“ strahlte er trotzdem hell, selbst etwas nervös, aber schrecklich gut gelaunt. „Der Fernsehsender hat mir die halbe Einrichtung durcheinander gebracht und wir mussten sogar unsere Schiebewand öffnen, um alle Gäste unterzubringen. Wir mussten noch nie unsere Schiebewand öffnen! Na ja, Sie sehen ja, ich bin wahrscheinlich viel aufgeregter als Sie.“

„Das glaube ich kaum“ lachte Yugi. „Ich hoffe, Sie hatten nicht zu viele Umstände.“

„Doch, die hatte ich“ lächelte er gut gelaunt. „Aber dieses sind schöne Umstände, die ich mir gerne mache. Für gewöhnlich traue ich nur spanische Paare, aber für meinen Freund Kaiba tue ich viel. Wissen Sie, er hat mir mal sehr aus der Patsche geholfen und ich bin glücklich, dass ich mich endlich revanchieren kann. Es ist bereits alles vorbereitet, wollen Sie es vielleicht sehen?“ bot er an und führte Yugi, Yami und Opa auch ohne Antwort in den Festsaal hinein, wo gerade die ersten Gäste Platz nahmen.

Er sah schon die Ishtars mit Ryo im Anhang und winkte ihnen glücklich zu. Und schon war auch Opa weg, um sie schnell persönlich zu begrüßen. Ryo hatte er jetzt auch schon seit Jahren nicht gesehen und dabei war er doch früher so häufig im Spieleladen zu Gast! Selbst ihre alten Freunde, die nach Amerika ausgewandert waren, saßen schon da und Sally musste Nora jetzt schon trösten, weil sie auf Hochzeiten immer heulen musste. Marc und Jacques hatte er eben auch schon im Durchlaufen gesehen und Seth motzte gerade lautstark den Kameramann zusammen, der doch tatsächlich mit nach vorne wollte - aber das konnte der sich abschminken. An Seth kam keiner vorbei und besonders bei der Hochzeit seines Hikaris wurde Wert auf höchste Perfektion gelegt - auch wenn Seth doch ein wenig den Kopf schüttelte über so viel Wirbel. In Ägypten waren Hochzeit eine alltägliche Sache. Hätte er bei jeder seiner Ehefrauen so ausschweifend feiern müssen, wäre er ja jetzt noch dabei.

Ansonsten war der Saal reich geschmückt. Es hingen wunderschöne Girlanden aus echten Rosen an der Decke, große kunstvolle Vasen mit roten und blauen Rosen bestückt und Vergissmeinnicht wunderschön drapiert auf dem altarähnlichen Schreibtisch zwischen frischen Maiglöckchen ... zu dieser Jahreszeit! Die Blumenarragements an den Fenstern mussten auch von James sein. Das war sein Geschenk zur Hochzeit, dass er alles den ganzen Tag so wunderschön geschmückt hatte. In Sachen Blumen war er einfach der Beste und es war wahrlich nicht leicht, im Hochsommer Maiglöckchen zu bekommen. Doch ihm war gesagt worden, wie sehr Yugi diese zarten Schneeblumen liebte ...

„Es wird folgendermaßen aussehen“ erklärte Senhor Temanez und holte Yugi aus seinen staunenden Gedanken ab. „Ihre Freunde haben darauf bestanden, die Trauung möglichst traditionell zu gestalten, obwohl wir ja nicht in einer Kirche, sondern quasi im Standesamt sind. Deshalb habe ich gemeinsam mit ihren Freunden den Ablauf so eingerichtet. Sie werden bereits hier stehen ... Mr. Muto?“

Yugi war schon wieder in Gedanken vertieft und konnte es noch gar nicht fassen.

Das hier war nur für ihn. Der ganze Aufwand, alle kamen, alles war so wunderschön hergerichtet ... und Seto würde ihn endlich richtig heiraten. Sein größter Wunsch ging heute in Erfüllung.

„Ja?“ meldete er sich aufgescheucht, als er seinen Namen hörte. Und doch konnte er seine feuchten Augen kaum verbergen.

„Ich mache es kurz. Versprochen“ lächelte der junge Botschafter ganz beruhigend und zog ihn herüber, links neben den Schreibtisch. „Hier werden Sie stehen. Sie haben sozusagen die Rolle des Bräutigams. Ihr Liebster wird dort zur Tür hereintreten und auf Rosenblättern hier her nach vorne wandeln. Hach, ist wandeln nicht ein schönes Wort? Dazu werden wir etwas festliche Musik einspielen. Wir haben sogar Livemusik, aber die Band macht gerade Pause und liegt in der Sonne. Sie haben den ganzen Morgen für sie geprobt, nachdem sie mit Verzögerung aus Frankreich gekommen sind.“ Na, wer das war, das konnte Yugi sich schon denken. „Wenn Ihre ‚Braut’ dann endlich hier vorne angekommen ist, werden wir beginnen. Ich werde eine kleine Ansprache halten und Ihre Gäste werden Ihnen ein Lied singen, in welches Sie gerne mit einstimmen können. Eigentlich weiß ich gar nicht, warum die Band heute so lange geprobt hat ... denn dieses Lied haben sie nicht ein einziges Mal gespielt ... na ja, ich war auch nicht immer hier. Oh, ich wollte es ja kurz machen! Entschuldigung, also: Nach dem Lied werden Sie sich dann gegenseitig ihre Hochzeitsschwüre geben und ... Sie haben doch etwas vorbereitet?“

„Das Einzige, woran ich gedacht habe“ lächelte Yugi verlegen. Er hatte die ganze Nacht daran gesessen und gegrübelt, was er Seto sagen wollte. Aber wahrscheinlich würde er eh alles aus dem Bauch machen müssen, da er unter Garantie vergaß, was er alles sagen wollte in diesem ganz besonderen Moment.

„Sehr schön“ nickte er lieb. „Nachdem Sie sich die Liebe geschworen haben, werden Sie die Ringe tauschen. Keine Angst, ich habe sie zu diesem Zeitpunkt noch in unserem Save. Sie sind also schon hier vor Ort.“

Das hatten Yugi und Seto auch beschlossen. Sie hatten die inoffiziellen Hochzeitsringe abgenommen und wollten sie sich noch mal offiziell anstecken. Für neue war kein Bedarf, denn so fanden endlich auch diese Ringe ihre wahre Bedeutung und nicht ‚nur’ eine herzmäßige.

„Und dann natürlich der Hochzeitskuss“ schwärmte er. „Wenn Sie dann bereit sind, machen wir ganz kurz den schriftlichen Kram, das heißt, wir unterschreiben gemeinsam Ihre Trauungsurkunde. Aber das geht schnell. Möchten Sie das Dokument vorher ansehen? Mr. Kaiba hat zwar schon alles in Augenschein genommen, aber vielleicht möchten Sie auch einen Blick darauf werfen.“

„Wenn Seto es gesehen hat, wird es schon stimmen“ vertraute Yugi darauf.

„Oh nein!“ lachte er. „Verzeihen Sie, ich meine Noah Kaiba. Er hat alles durchgesehen.“

„Dann ist es auch okay“ nickte er entschieden. Noah hatte nicht viel weniger Ahnung von solchen Dingen als Seto. Außerdem hatte Yugi gerade anderes zu tun, als sich mit Paragraphen herumzuärgern, zumal er wahrscheinlich eh nichts Falsches finden würde. Noah hatte sicher aufgepasst, dass alles seine Richtigkeit hatte.

„Sehr schön“ redete der freundliche Senhor Temanez weiter. „Und Trauzeugen haben Sie auch benannt. Ich habe hier ... Moment“ bat er und fischte sich einen mehrfach gefalteten Zettel aus der Hemdtasche, den er erst umständlich auffummeln musste bis er endlich seine Klaue entziffern konnte. „Auf Ihrer Seite wären das Ihr Bruder Yami Atemu Muto und Mokuba Kaiba, ja? Und auf der Seite Ihres Gatten haben wir Seth Aleseus Pasrahcal Taylor und Noah Kaiba. Ist das richtig so?“

„Er nimmt Noah?“ guckte Yugi überrascht. „Ich dachte, er wählt Joey.“

„Das haben die beiden schon abgeklärt“ warf Yami ein, der treu an Yugis Seite stand und das alles mit überwachte. „Es sind ja leider nicht mehr als zwei Trauzeugen zulässig. Natürlich hängt er an Joey, aber er sagt, dass Noah letztlich doch der Anlass dafür war, dass alles in Gang gekommen ist. Hätte er nicht mit Mokuba angebändelt, wäre das alles so niemals passiert. Und natürlich hat Joey dafür Verständnis und ist auch nicht böse drum. Er will nur dafür das größte Stück Torte haben.“

„Ähm ... okay.“ Wenn die beiden das so beschlossen hatten, dann würde Yugi sich nicht dagegen stellen. Würde schon seine Richtigkeit haben und irgendwo hatte Seto ja Recht. Eigentlich hatten sie das alles nur Mokuba und Noah zu verdanken.

„Haben Sie jetzt noch irgendwelche Anmerkungen, Mr. Muto?“ fragte Senhor Temanez und steckte seine Spickzettelchen weg. „Irgendwas nicht in Ordnung, irgendwas zu meckern, irgendwas zu ändern? Vielleicht noch irgendwelche Wünsche offen, die wir erfüllen können?“

„Nein, es ist alles wunderbar“ antwortete er und ... musste ganz plötzlich schluchzen und sich selbst überrascht die Hände vor den Mund halten. Er wurde einfach von seinen Gefühlen überrannt. Das alles hier kam ihm vor wie im Traum. Nur noch eine halbe Stunde und er würde sich trauen lassen.

„Jetzt flenn hier mal nicht rum“ lachte Yami und nahm ihn fest in den Arm. Er konnte durchaus verstehen, warum sein Hikari so aufgewühlt war. Er stand ganz kurz vor der Erfüllung seines sehnlichsten Traumes. Er hatte Seto todgeglaubt und nun heiratete er ihn ...

„Dann setzen Sie sich jetzt gerne noch einen Moment nach hinten und genießen ein Glas Schampus“ schlug der Botschafter vor. „Ich bekomme gerade ein Zeichen, dass Ihr Liebster eingetroffen ist und sich gerade umzieht. Dem werde ich jetzt noch mal dieselbe Predigt halten. Nur für eine Ortsbegehung ist jetzt keine Zeit mehr. Die Limousine muss wohl im Stau gesteckt haben. Aber wie auch immer. Mr. Muto, wir sehen uns dann zur Trauung“ verbeugte er sich ein wenig und machte sich dann im leichten Galopp auf zu Seto, um dem noch mal das Gleiche zu erzählen.

„Und wir legen jetzt noch mal die Füße hoch“ meinte Yami und zog Yugi hinter sich her in eine ruhige Ecke. Der zitterte schon wie Espenlaub vor Aufregung und Freude. So aufgewühlt war er noch nie gewesen, ihm war so schlecht, sein Herz klopfte in den Ohren und ihm wurde schwindelig - aber Seto ging es wohl auch nicht besser und das tröstete dann doch ein wenig.
 

Es dauerte noch eine endlos lange halbe Stunde, welche wie im Zeitraffer verflog und in welcher Yugi einfach nur dasaß, sich von Yami irgendwelchen Mist zur Beruhigung erzählen ließ und er schon das dritte Glas in seinen Händen hielt. Nicht, weil er schon so viel getrunken hatte, sondern weil ihm die filigranen Dinger immer runterfielen vor Nervosität.

Doch endlich steckte der Botschafter den Kopf herein und lächelte herzallerliebst.

„Mr. Muto, wir wären so weit“ strahlte er selbst voll der Freude. „Kommen Sie dann zu uns?“

„Musst du noch mal aufs Klo?“ grinste Yami.

KLIRR!

„Yugi, das war jetzt Glas Nummer drei. Spitzen Hattrick“ lachte er ihn an und nahm ihn einfach schon wieder in den Arm. Der arme Kleine war ja ganz unzurechnungsfähig vor Glück. „Und? Willst du nicht doch noch mal schnell aufn Topf?“

„Eigentlich will ich nur noch nach Hause“ hibbelte er, befreite sich aus Yamis Umklammerung und zurrte sich noch mal das Jackett zurecht.

„Was denn? Nicht direkt zur Hochzeitsnacht?“

„Yami, ich bin jetzt echt nicht zu Späßen aufgelegt“ bettelte er und band sich den Zopf eben noch zum zehnten Mal neu. Es musste für Seto einfach alles perfekt sitzen.

„Hey, jetzt lass doch mal locker“ bat Yami und hielt das kleine Nervenbündel einfach von hinten fest. „Was soll denn schon groß schief gehen?“

„Mann, es geht doch immer irgendwas schief. Entweder stürmt ein machthungriger Tyrann herein und reißt die Weltherrschaft an sich und wenn es das nicht ist, dann krachen die Blumengirlanden runter oder ich stolpere und maule mich voll auf die Fledde. Dann denkt Seto doch, Wunder was für ein Idiot ich bin. Vielleicht hab ich auch irgendwo einen Fussel hängen und Seto kann da nicht dran vorbeigucken.“

„Da wird schon nichts Schlimmes passieren“ versuchte Yami zu beruhigen. „Du willst Seto, Seto will dich, ihr wollt euch gegenseitig - was wollt ihr mehr? Yugi, es wird wunderschön werden und nach der Hochzeitsnacht kann dein Drache drei Tage nicht sitzen. Du wirst schon sehen.“

„Meinst du?“ fragte er und schaute mit so großen Welpenaugen, dass Yami ganz süß ums Herz wurde. Yugi glaubte da noch immer nicht dran, dass es endlich so weit sein sollte. **Armer Yugi ... wer hat ihn denn nur so verschreckt? ... Ich jedenfalls nicht ... oder? Nein, ich doch nicht!**

„Ja, meine ich. Also los! Lasset das Liebesduell beginnen.“

„Du spinnst doch“ beschloss Yugi und ging halt hinaus in die Höhle des Löwen.
 

Und sofort sah er, dass alle da waren. Wirklich alle.

Die Stuhlreihen waren VOLL bis auf den letzten Platz!

Sogar extra angereiste Freunde und Bekannte aus Frankreich. Leute und Lehrer eingeflogen aus Setos Musikschule, Kollegen und Trainer aus Yugis Rennställen, all ihre Freunde, auch alte. Sogar seine alte Klassenlehrerin, die er damals um Joey und Tristans Versetzung angefleht hatte, konnte er hinten erkennen. Es waren wirklich alle gekommen. Was für ein Aufwand und das nur, weil er heiratete.

Er sah die Kameras, die ihn fixierten, aber vor allem die wunderschöne Beleuchtung und seine liebsten Freunde in den vordersten Reihen. Ihre Trauzeugen standen schon vorne am geschmückten Pult und alle lächelten ihn glücklich an. Bis auf Seth, der sich wohl noch um Seto kümmern musste und gar nicht zu sehen war.

Yugi bot aber auch einen schönen Anblick.

Wenn man ihn so sah, staunten doch viele, die ihn lange nicht gesehen hatten. Wer ihn noch als schmächtigen, schüchternen Jungen in Erinnerung hatte, der sah ihn doch innerlich gewachsen. Aus dem naiven Bübchen war ein selbstständiger Mann geworden. Der kleine, blonde Zopf machte ihn richtig erwachsen, aber auch ein wenig jugendlich verwegen. Sein weißer Frack mit dem seidengrauen Rüschenhemd, die teuren Schuhe und die noch teureren Manschettenknöpfe gaben ihm einen direkt edlen Touch. Zwar war er nicht besonders groß, aber er sah plötzlich wirklich richtig erwachsen aus. Kein Vergleich mehr zu dem kleinen, schüchternen Jungen von früher. Jetzt war er so stark und mutig, dass er vor Millionen von Menschen eine Ehe schließen wollte, die immer vom Großteil abgelehnt wurde und es auch in Zukunft sicher nicht leicht haben würde. Das brauchte wirklich riesigen Mut und noch größere Liebe. Und zu seiner Liebe stand er ohne Einschränkungen.

Es wurde gerade so spannend ruhig im Saal, als von draußen eine aufgebrachte Stimme drang.

„ICH GEHE DA SO NICHT REIN! ... NEIN! LASS MICH GEFÄLLIGST LOS! ICH MACHE MICH DOCH NICHT ZUM AFFEN!“ Seto war schon wieder am Keifen und wusste wohl gar nicht, dass die wartenden Gäste im Saal ziemlich belustigt schmunzelten. Das war doch so typisch für die alte Keifnudel.

„Seto, du siehst toll aus“ hörte man Nika etwas leiser versichern.

„Ja, du bist wunderschön. Los, komm jetzt rein“ drängte auch Marie. Die beiden schienen ihn ja eingekleidet zu haben und Seto schien das nicht so toll zu finden. Vielleicht durfte er ja seine FlipFlops nicht anziehen ...

„Ich sehe total unmöglich aus! Seth! Gib mir deinen Anzug! Wir tauschen!“

„Seto, du siehst super aus. Komm jetzt rein, sonst muss deine Hochzeit ausfallen.“

„Was? ...“ Oh, das machte ihn jetzt aber traurig. Seine Hochzeit musste wegen Kleidungsfragen ausfallen? Nun ja, es dauerte einige Sekunden, bis er den Braten gerochen hatte. „Das ist nicht lustig! Ich will was anderes zum Anziehen! Ihr macht mich voll zum Honk! Ich bin doch keine Braut!“

„Doch, bist du.“

„Bin ich nicht!“

„Du bist der Uke!“

„BIN ICH NICHT!“

„Aber du spielst die Braut. Das ist deine romantische Rolle. Los und jetzt geh rein.“

„NEIN!“

„Willst du jetzt heiraten oder nicht?“

„JA! ABER NICHT SO WIE ICH AUSSEHE!“

„Du machst mich malle“ seufzte Seth, packte ihn an den Schultern und schob ihn gut hörbar, da Seto wütend auf dem Boden zu stampfen versuchte und sich nach Kräften dagegen wehrte, zum Eingang des Saales.

„ICH WILL NIIIIIIICHT!“ quengelte er noch, aber nach einem kurzen Murmeln von seinem unnachgiebigen Yami stand er dann auch schon vor aller Augen. Alle hatten ihre Köpfe nach ihm ungewandt und schauten ihn an.

Jetzt konnte er auch nicht mehr zurück. Nun war es zu spät.

Und so übel wie Seto meinte, sah er gar nicht aus. Okay, Nika und Marie hatten sich unübersehbar an ihm ausgetobt und das passte so gar nicht zu seinem männlich coolen Gehabe, aber er sah wirklich wundervoll aus. Wie eine Braut in maskulin. Ein heiratender Uke.

Er trug eine lange, strahlend weiße Seidenhose, welche ihm bis über die Füße wallte, wo man nur mit Mühe ein paar weiße Lackschuhe erkennen konnte, was seine langen, wunderbaren Beine so himmlisch herausstechen ließ. Der Hammer aber war sein Oberteil. In derselben Seide wie die Hose, war ein sehr knappes Hemd geschnitten, welches ihm schmeichelnd eng um den Bauch und die Brust und dann ebenso eng bis an die Ellenbogen reichte, wo es dann wieder weiter wurde und seine Hände verdeckte. Jedoch das, was vorne mit Mühe über den Bauchnabel ging, wallte hinten bis in die Kniekehlen. Wie eine kleine Schleppe. Und darüber ein grob gewebtes Samtnetz, welches ihm über die Schultern hing und noch ein Stück weiter bis an die Waden reichte. So sah es wirklich aus, als trüge er ein männliches Brautkleid ganz in silbrigem Weiß. Die beiden Modeschöpferinnen hatten ihn wirklich wörtlich in Samt und Seide gekleidet. Dazu noch ein paar silberne Knöpfe, ein paar kleine Kettchen und Applikationen und schon war Seto die perfekte Braut. Seine Haare hatten sie gar nicht viel verändert, außer, dass sie ihm alles mit viel Volumen geföhnt hatten und sie ihm noch immer tief in die Stirn über seine eisblauen Augen fielen.

Yugi wurde fast vom Schlag getroffen, als er ihn so sah. Sein Liebling sah aus wie ein Wesen aus einer anderen Welt. So wunderschön. Natürlich ziemlich außergewöhnlich, aber trotzdem ... wunderschön.

Seto sah etwas verunsichert zu Yugi hinüber und war nicht so sehr davon überzeugt, dass er so heiraten konnte. Was war nur in die Mädchen gefahren, dass sie ihn so herausgeputzt hatten?

„So, jetzt könnt ihr loslaufen“ flüsterte Seth und schon tauchten hinter Seto seine beiden Kleinen auf. Nini hatte Tato an der Hand, weil der alleine noch nicht so wirklich gerade laufen konnte und mit der anderen Hand warf sie nach und nach ein paar bunt gemischte Rosenblätter auf den Boden, auf welchen ihr Vater dann wandeln durfte. Auch Tato hatte man so ein kleines Körbchen um den Hals gebunden und als er sah, wie Nini die Blätter aus ihrem auf den Boden warf, da fing er auch lustig damit an. Sachen runterwerfen konnte er gut ... nur eben, dass Nini sie sanft und betont damenhaft zu Boden gleiten ließ und er sie mit Kraft runterpfefferte, damit die Dinger auch ja unten ankamen und bald auch das erste Blatt im Mund verschwand, wo er dann genüsslich darauf herumkaute.

Doch die beiden hatte man auch schön schick gemacht. Nini hatte ein zartrosa Kleidchen an und eine süße Frisur mit Blümchenspangen und Tato trug einen Minismoking in weiß mit süßer, babyblauer Krawatte. Und als Blumenkinder machten sie sich doch gar nicht so schlecht.

Die feierliche Musik zum Einmarsch hatte mit Anlaufen der Kinder zwar schon gestartet, aber Seto brauchte noch einen kleinen Ruck, bis er sich auch endlich in Bewegung setzte. Wie einen störrischen Esel musste Seth ihn den ersten Meter schieben, aber danach schüttelte er wohl innerlich sein Haupt und dachte sich: >Augen zu und durch. Und wer lacht, kriegt ne Klage. Wenigstens muss ich keinen Brautstrauß mit mir rumschleppen.<

Er atmete tief, richtete sich zu voller Größe auf und schritt dann mit höchstem Stolz hinter seinen Kindern her. Schritt für Schritt kam er seinem Ziel näher und jetzt fiel auch bei Yugi alle Nervosität ab. Sein Liebster sah so klasse aus, die Stimmung war so feierlich und überall nur lächelnde Gesichter. Das haute doch den stärksten Mann um. **Yugi, pass bloß auf, dass du nicht umfällst! Da schicke ich AUSNAHMSWEISE mal keinen irren Weltherrschafteroberer und dann kippst du mir um! Lass das, sonst werde ich WIRKLICH böse! Und du weißt, was das bedeutet!**

Als Seto ihn endlich erreichte, streckte er ihm seine Hand aus und der griff auch sofort danach. Sie sahen sich tief in die Augen und schon schossen die Tränen hoch. Zwar heulten sie nicht laut, aber das alles hier war zu schön, um wahr zu sein. Endlich würden sie es schaffen. Endlich, endlich, endlich.

Die Kinder wurden von Joey in Empfang genommen und nach einem kurzen Lob sicher in die erste Reihe gesetzt.

Als die Musik leiser wurde und auch endlich endete, durften sich auch Yugi und Seto setzen und die Trauzeugen an ihre Seite. Mit dem Rücken zu den Gästen und frontal zu dem freundlichen Senhor Temanez, welcher sich sichtlich freute, dass er so eine schöne Hochzeit beginnen durfte.

Er nickte den beiden Trauenden noch ein Mal ermutigend zu, ordnete seine Redeunterlagen, welche er gemeinsam mit all den guten Freunden erstellt hatte und würde sich alle Mühe geben, diesem großen Ereignis gerecht zu werden.

„Ich heiße Sie herzlich willkommen in der spanischen Botschaft in Domino“ begann er feierlich und blickte lächelnd ins Publikum. „Liebe Verwandte, Freunde, Bekannte **Leser** und Zuschauer vor den Bildschirmen Daheim. Wir sind heute hier zusammengekommen, um einer Eheschließung beizuwohnen, welche wirklich etwas ganz Besonderes ist. Nicht nur, dass es eine der ersten gleichgeschlechtlichen Ehen ist, welche hier getraut wird, nein. Dieses Ereignis ist auch durch die große Öffentlichkeit eine Besonderheit, denn schon lange vor diesem Tag war die Beziehung dieser beiden Männer immer wieder öffentlichen Anklagen, Attacken und Lügen ausgesetzt. Doch bis zum heutigen Tage gab es nichts, was die Liebe der zwei verhindern oder vernichten konnte.

Begonnen hat alles vor einigen Jahren **mit einer doch eher müden Fernsehserie, wo alle anders übersetzte Namen bekamen und ... oh, Seth guckt mich gerade böse an. Ich glaube, ich halte mal lieber die Klappe ...**. Als Schulkameraden standen sich Seto Kaiba und Yugi Muto damals das erste Mal gegenüber. Doch auch, wenn sich Yugi unbemerkt innerhalb kurzer Zeit unsterblich verliebt hatte, so beharrte Seto doch nur darauf, ihn möglichst öffentlich zu übertrumpfen. Eine persönliche Beziehung über dies hinaus hat sich in den ersten Jahren damals nicht entwickeln können. Als erbitterte Kontrahenten wurden beide weltbekannt, doch was niemand ahnte: Es steckte viel mehr hinter diesen ewigen Kämpfen, als man glauben mochte. Nachdem Yugi immer wieder bewiesen hatte, dass er der Einzige war, der den mächtigen Drachen bezwingen konnte, so bezwang er ihn später nicht nur im Kampf, sondern auch in der Liebe, was diese beiden letztlich dem heutigen Tage ein großes Stück näher brachte. Dies war sicher der viel härtere Kampf und der Beginn einer Liebesbeziehung, welche in ihrer Romantik und Dramatik manchmal selbst für die Beteiligten schwer zu leben war.

Die Öffentlichkeit bekam mit reißenden Hetzkampagnen nur wenig davon mit, was wirklich hinter den Kulissen geschah, denn sonst wäre die Anerkennung, welche diese beiden verdient haben, schon viel eher aufgekommen.

Ihr gemeinsamer Weg war geprägt von Intrigen und Verrufen, welche gegen ihre Verbindung arbeiteten. Doch auch geprägt von einer so innigen Verbundenheit, dass selbst die schwersten Hürden, ob nun öffentlich oder intim, überwunden werden konnten. Von einer Verbundenheit, welche viel tiefer geht als die Liebe, welche sie die meisten Menschen jemals empfinden konnten. Viele Probleme konnten gemeinsam gelöst, Hürden übersprungen, Gerüchte bekämpft und neuer, nahrhafter Boden für eine gemeinsame Zukunft geschaffen werden. Würde ich sagen, dass diese beiden gemeinsam durch dick und dünn gegangen sind, so wäre dies noch eine maßlose Untertreibung und könnte nur die Spitze dessen darstellen, was wirklich geschehen ist.

Doch die Vergangenheit mit all ihren dunklen Ereignissen, soll heute ein Ende finden und die Lehren daraus dabei helfen, dass die Zukunft noch heller gestaltet werden kann, um ein gemeinsames Leben in Frieden und Einigkeit zu ebnen.

Um Akzeptanz zu schaffen für eine Liebe, welche trotz aller Schwierigkeiten und Unverständnisse erblüht ist und noch für Jahre blühen soll. Nicht nur für dieses Paar, sondern für viele andere nach ihnen. Für die Freiheit der Liebe und die Einigkeit der Menschen, so verschieden oder gleich sie auch sein mögen. Als Symbol für die Einigkeit über die Grenzen von Normen hinweg und als gemeinsamer Weg, welcher ab heute nicht mehr auf losem Schotter begangen werden soll, sondern auf gefestigtem Grunde, Hand in Hand mit dem Menschen, für den man sich entschieden hat. Mit dem Menschen, für welchen man vom Schicksal bestimmt wurde, für welchen man gekämpft hat und von welchem man unsterblich geliebt wird. Euch beiden, Yugi und Seto, wünsche ich alles Gute für die Zukunft und viel Kraft, um auch alle weiteren Schwierigkeiten gemeinsam zu bewältigen. Ohne dass die Liebe zwischen euch jemals in den Hintergrund treten muss, sondern wie ein Schild vor euch stehe und euch schütze. Gemeinsam in Einigkeit.“

Damit schloss er seine kurze Ansprache, welche ihm wirklich gelungen war. Zwar hatte er von ihren Freunden noch viel mehr Information bekommen, aber vieles davon war einfach nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Und doch hatte er ihre tiefgehende Liebe so treffend dargestellt, dass manche sogar eine kleine Träne im Auge hatten.

Nach zwei oder drei Sekunden Ruhe begann die Band aufzuspielen mit einem Lied, welches zwar so schön schlicht war, dass es jeder ohne Textvorlage mitsingen konnte, aber welches auch genau das ausdrückte, was man den beiden nur wünschen konnte.

Die erste Strophe wurde noch von allen gemeinsam gesungen und das laut heraus, damit es jeder hören konnte. Und sogar Nini konnte laut mitsingen, was sie auch so kräftig tat, dass sie damit viele andere zum Lachen brachte.
 

„Viel Glück und viel Segen

auf all euren Wegen,

Gesundheit und Frohsinn

sei auch mit dabei.“
 

Für die nächsten Strophen wurde ein zweistimmiger Kanon versucht. Yugis Seite begann mit „Viel Glück und viel Segen auf all euren Wegen“ und sang dann laut weiter, während Setos Seite dagegen tönte. Natürlich wie bei jedem Kanon verhaspelte sich der eine oder andere, aber das fiel durch die Lautstärke der singenden Menge gar nicht auf.

Keine Ahnung, wer dieses einfache Lied ausgesucht hatte, aber es war eben wirklich leicht von jedem zu singen und verdeutlichte so auch, dass nicht jede Eheschließung trocken und langweilig sein musste. Für gewöhnlich sang man zwar nicht auf einem Standesamt, aber nehmen ließ es sich diese Truppe nicht.

Yugi und Seto konnten sich nur an der Hand halten und versuchen, die Tränen zu unterdrücken. Das war doch wirklich gemein. Sie hatten so lange umeinander gekämpft und nun wurden sie besungen. Alles nur für sie. Es war grausam. Sie konnten sich nicht mal in die Augen sehen, sonst würden nur wieder alle Gefühle herausbrechen. Vielleicht hätten sie lieber doch nur ganz alleine zu zweit heiraten sollen. Dann würden sie nicht von so vielen Leuten angeschaut. Und trotzdem freuten sie sich sehr, dass so viele Menschen bei Ihnen waren, deren Glück ihnen am Herzen lag.

Als die Musik endete, wurde nur noch kurz gemurmelt, denn jetzt würde es endlich zum ganz spannenden Teil übergehen.

Der Botschafter erhob sich und nickte auch Yugi und Seto zu, damit sie von ihren Stühlen aufstanden und sich einander zuwandten.

Er nahm das mit weißem Samt bespannte Kissen in beide Hände und hielt es feierlich nach vorn, damit die zwei danach greifen konnten.

„Sie dürfen jetzt Ihre Ringe tauschen“ lächelte er selbst super glücklich. „Nehmen Sie sich Zeit für die Dinge, die sie einander sagen möchten. Aber bitte nicht zuviel Zeit, denn um 18 Uhr kommt das Reinigungspersonal.“

Da musste der Saal doch grinsen und die Anspannung hob sich ein wenig hinweg. Dass die beiden da vor dem Altar angespannt waren, konnte man sehen. Aber auch, dass diese Anspannung nichts weiter war als pures Glücksempfinden.

Yugi nahm es mal wieder in die Hand, den Anfang zu machen.

Er griff nach dem Ring aus klarem Amethyst mit einer einzigen eingefassten Mini-Silberperle und hielt ihn ganz fest, während er sich Setos hand reichen ließ und auch diese ganz fest hielt. Und da sein Liebling noch eine Hand frei hatte, legte er diese auf Yugis, damit sie sich aneinander festhalten konnten.

Zittern taten sie beide. Das sahen selbst die Gäste in der hinterletzten Reihe, aber das zeigte nur, wie aufgewühlt und unendlich überwältigt sie voneinander waren.

Ganz langsam hob Yugi den Blick und fand glückliche Tränen, welche aus Setos Augen liefen, wenn er zurückblickte. Seine Lippen bebten, sein ganzer Körper war angespannt. Dieser Moment war unglaublich intensiv.

Vielleicht der intensivste, welchen sie jemals erlebt hatten.

„Ich hab mir vorgenommen, so viel zu sagen und jetzt fällt mir kaum was ein“ musste Yugi verheult zugeben. „Ich weiß nur noch, dass ich dich liebe. Keine Worte der Welt können beschreiben, wie sehr ich dich liebe. Schon seit ich damals verstanden habe, warum mein Herz so laut klopft, wenn du nur vorbeigehst, seitdem habe ich mir diesen Tag heute herbeigesehnt. Damals hast du mich nicht eines einzigen Blickes gewürdigt und mich nur bemerkt, wenn du mich niederringen und demütigen wolltest. Und ich habe das immer mitgemacht, damit ich dir nahe sein konnte. Als wir dann damals bei dir eingezogen sind und du mich fast jeden Abend aus dem Ausland angerufen hast, da war es unerträglich. Du warst so kurz angebunden, hast nur schnell nach Mokuba gefragt und mich sofort wieder abgewimmelt. Du wolltest niemals wirklich mit mir sprechen. Egal, wie sehr ich es versucht habe, du hast mich gnadenlos auflaufen lassen und ich hatte nicht den Mut zu mehr. Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben und ich dachte, ich müsse mir diese Idee von uns beiden aus dem Kopf schlagen. Aber als du dann wieder zurück warst und ... du warst so hilflos. Da habe ich das erste Mal ganz klar gesehen, woran ich immer geglaubt habe. Nämlich, dass du der empfindsamste, liebevollste und anschmiegsamste Mensch bist, den ich jemals kennen gelernt habe. Du bist so unendlich zärtlich, so sensibel und anhänglich. Mein geliebter Engel. Ganz langsam hast du mir mehr von dir gezeigt und du hast mein Herz mit deiner unglaublichen Persönlichkeit gefangen genommen. Du musstest dich an mir festhalten und ich habe dich gern von dort aufgehoben, wo du warst. Du warst der erste Mensch, der mir das Gefühl gab, dass ich wichtig bin. Ich und nur ich. Du warst der Erste, der wirklich nur mich gesehen hat, so wie ich bin. Du warst der Erste, bei dem ich mich gebraucht fühlte. Du warst, bist und bleibst der Erste, dem ich mein Herz sofort ohne jedwedes Bedenken aushändigen würde. Wir haben so viel gemeinsam durchgemacht, aber egal wie schwer es war, wir haben uns immer geliebt, uns immer über unser eigenes Schicksal hinweggesetzt. Egal, wie groß die Welt auch sein mag und egal, wie groß die Probleme zwischen uns waren - wir haben uns immer wieder gefunden. Egal, wie weit wir uns entfernt haben, du bist immer wieder zu mir zurückgekehrt und ich habe voller Zuversicht mit dir um uns gekämpft. Ich habe niemals an dem Menschen gezweifelt, der heute vor mir steht. Ich habe immer daran geglaubt, dass du eines Tages so aufrecht stehst, wie es dir gebührt. Und meine Freude darüber, wer du bist, wer du wirklich bist, die ist unendlicher als das Universum. Ich schwöre dir, dass meine Liebe zu dir niemals enden wird. Egal, was noch kommen kann und sicher kommen wird. Es ist mir egal. Solange wir nur zusammen sind. Ich will für alle Zeit, solang meine Seele noch Atem hat, mit dir gemeinsam existieren. Auf ewig. Nur mit dir. Wir.“

„Yugi ...“ Seto war den Tränen noch näher. Ohne Vorlage waren das doch wirklich tiefgehende Worte. Und auch wenn Yugi ihm das alles schon so oft gesagt hatte, wirkte es in diesem Rahmen noch tausend Male echter, lauter, unzweifelbarer.

Seto spürte, wie der Botschafter ihn am Arm anstupste und ihm das Kissen hinhielt. Jetzt war Seto dran, seinen Ring zu nehmen und ihn mit einigen Worten bereit zu halten.

Mit zittrigen Fingern nahm er den teuren Saphirring mit einer eingefassten Goldperle und hielt in fest umschlungen, damit er ihm nicht runterfiel. Das hätte noch gefehlt!

„Ich liebe dich so sehr“ begann er und seine Stimme war so brüchig, dass nicht mehr viel fehlte und er würde gleich gar nichts mehr herauskriegen. „Ich bin dir so unendlich dankbar für alles, was du für mich getan hast. Du hast immer zu mir gehalten, obwohl ich es dir wirklich nicht einfach gemacht habe. Du hattest oft genug guten Grund dazu, einfach deine Sachen zu packen und mich zu verlassen. Aber du hast es nie getan. Das werde ich wohl niemals verstehen. Ich werde niemals verstehen, wie du es mit einem Menschen wie mir nur aushalten kannst. Ich bin schrecklich. Ich bin launisch, psychisch labil und egozentrisch. Doch du bist immer für mich da gewesen. Dir war mein Leben immer wichtiger als mir selbst. Du warst immer bei mir, egal was uns gerade wieder im Weg stand. Ob ich mal wieder den Glauben an mich verloren hatte, ob ich den Glauben an die Liebe verloren hatte. Selbst wenn ich mich unmöglich aufgeführt habe, ob ich um mich getreten oder mich versteckt habe. Als ich auf Entzug saß und selbst als ich nicht mal mehr richtig am Leben war. Du warst immer bei mir und hast mir das Gefühl gegeben, dass ich ein menschliches Wesen bin, welches Liebe und Geborgenheit verdient hat. Wenn ich nicht mehr leben wollte, wenn ich an allem verzweifelt bin, hast du es mit deiner ganz eigenen Art wieder zum Guten gewendet. Jedes Mal, wenn ich zerstört in der Gosse lag, dann kamst du, hast mich aufgehoben und mir ein Zuhause gegeben. Egal, in welcher Finsternis ich stand, du hast deine Arme ausgebreitet und bettest mich bis heute in Licht und Wärme. Du hast so viel Geduld mit mir, du hast mich niemals gedrängt oder mir etwas abverlangt, was ich nicht geben konnte. Du hast mich immer mit so viel Verständnis und Zärtlichkeit behandelt, wie ich es niemals kennen gelernt habe. Egal, was es war, du warst in allem der Erste für mich. Du warst derjenige, der mich wirklich in diese Welt geboren hat. Du hast alles ertragen und mir so oft gezeigt, dass es trotz allem noch einen Grund gibt, aus dem es sich zu kämpfen lohnt. Wenn ich den Mut zum Leben und den Glauben an das Recht meiner Existenz verloren habe, hast du mir einfach etwas Warmes gekocht, mich in eine flauschige Decke gehüllt und dir mit mir einen Film angesehen. Du hast niemals versucht, in mich zu dringen oder mich zu analysieren, du hast niemals versucht, mich auszunutzen oder mich für deine Zwecke zu missbrauchen. Du hast mir zugehört. Als erster Mensch in meinem Leben hast du mir wirklich zugehört. Nicht nur den Worten, die aus meinem Mund drangen, sondern auch die Sprache meines Körpers und die meines Herzens hast du verstanden. Und du hast nicht nur zugehört, sondern es verinnerlicht und mit mir gesprochen. Du hast mich verstanden. So verstanden, wie es kein anderer Mensch je könnte - nicht mal ich selbst. Du hast mir gezeigt, wer ich sein kann und wie das Leben für mich sein kann. Du hast für mich und mit mir gekämpft. Ich kann dir niemals zurückgeben, was du mir geschenkt hast. Aber ich will dir meine Liebe zu Füßen legen und dem Leben dafür danken, dass mir ein Mensch wie du begegnet ist. Mit deiner Einzigartigkeit, mit deiner ruhigen und starken Art bist du für mich der wichtigste Punkt in meinem Leben. Und ich will nicht mehr, dass es mein Leben ist, sondern unser Leben. Denn jetzt glaube auch ich an das, woran du niemals gezweifelt hast. Ich glaube daran, dass wir zusammengehören. Auf ewig. Nur mit dir. Niemals zweifle ich an dir.“

Jetzt war es Yugis Part, überwältigt zu sein. So ein offenes Liebesgeständnis, ein Dank, ein Versprechen. So lange war er für so viele immer nur der nette Junge gewesen, aber Seto sagte der ganzen Welt, dass er mehr war. Dass er ein Kämpfer war, ein Mensch, dessen Liebe an die Unendlichkeit grenzte. Weil er es so empfand.

„Bitte erheben Sie sich“ durchschnitt die freundliche Stimme des Botschafters den Saal und alle erhoben sich von ihren Stühlen, um ihren Respekt zu zeugen vor dem, was schon so lange sehnlich erwartet wurde. „Stecken Sie nun bitte den Ring an und sprechen Sie mir nach“ bat er und lächelte die zwei wohlwollend an. „Ich, Yugi Muto, nehme dich, Seto Eraseus Kaiba ...“

„Ich, Yugi Muto, nehme dich, Seto Eraseus Kaiba ...“ sprach er ihm voller Rührung nach und ließ ganz langsam den Ring an Setos rechten Ringfinger gleiten.

„... zu meinem gesetzlich angetrauten Ehemann.“

„... zu meinem gesetzlich angetrauten Ehemann“ zitterte er weiter.

„Ich will dich lieben und ehren ...“

„Ich will dich lieben und ehren ...“

„... dich achten und für dich sorgen ...“

„... dich achten und für dich sorgen ...“

„... dich respektieren und dir treu sein ...“

„... dich respektieren und dir treu sein ...“

„... in guten wie in schlechten Tagen ...“

„... in guten wie in schlechten Tagen ...“

„... in Krankheit und Gesundheit ...“

„... in Krankheit und Gesundheit ...“

„... in Reichtum und in Armut ...“

„... in Reichtum und in Armut ...“

„... bis, dass der Tod uns scheidet.“

„... auf dass uns auch der Tod nicht scheiden möge.“

Okay, den letzten Satz hatte Yugi zwar nicht ganz korrekt nachgesprochen, aber so empfand er es nun mal. Und der freundliche Senhor Temanez lächelte dazu nur und fuhr einfach fort, als er sah, dass der Ring an Setos Finger gut saß.

„Bitte sprechen auch Sie mir nun nach: Ich, Seto Eraseus Kaiba, nehme dich, Yugi Muto ...“

„Ich, Seto Eraseus Kaiba, nehme dich, Yugi Muto ...“ sprach auch er und steckte Yugi den teuren Ring an seinen zitternden Finger. Mittlerweile rannen bei beiden die Tränen so stark, dass sie sich kaum noch sehen konnten.

„... zu meinem gesetzlich angetrauten Ehemann.“

„... zu meinem gesetzlich angetrauten Ehemann.“

„Ich will dich lieben und ehren ...“

„Ich will dich lieben und ehren ...“

„... dich achten und für dich sorgen ...“

„... dich achten und für dich sorgen ...“

„... dich respektieren und dir treu sein ...“

„... dich respektieren und dir treu sein ...“

„... in guten wie in schlechten Tagen ...“

„... in guten wie in schlechten Tagen ...“

„... in Krankheit und Gesundheit ...“

„... in Krankheit und Gesundheit ...“

„... in Reichtum und in Armut ...“

„... in Reichtum und in Armut ...“

„... bis, dass der Tod uns scheidet.“

„... auf dass uns auch der Tod nicht scheiden möge“ schloss auch er sich dieser Meinung an und blickte Yugi tief in die Augen - sofern er sie denn durch die dicken Freudentränen erkennen konnte.

Jetzt war es geschafft. Jetzt endlich waren sie fast verheiratet.

Aber eben noch nicht ganz.

„Sie dürfen Ihre Versprechen nun mit einem Kuss besiegeln“ lächelte Senhor Temanez die beiden erwartungsvoll an.

Dies war ein magischer Moment. Sie schauten sich so tief in die Augen, dass sie fast im Blick des anderen versanken. Ihre Wangen waren feucht von den vielen Tränen, aber ihre Lippen wurden von einem so glücklichen Lächeln geziert, dass jeder dieses überwältigende Glücksgefühl durch den Raum flirren spüren konnte. Die zwei waren so gefangen in ihrer eigenen Glückseligkeit, dass sie am liebsten gar nicht daraus erwachen wollten.

Bis sie eben geweckt wurden von einer kleinen Mädchenstimme, die das ganze nicht so überwältigend fand, sondern es als Fest betrachtete.

„Schalalalalalalala sei ein Mann! ~ Nun geh doch endlich ran! ~ Ich sag dir! Küss ihn doch! Uhu~hu! Schalalalalalalala nein oh nein! ~ So geht das nie oh nein! ~ Ich sag dir! Küss ihn doch!“

„Ihr habt wohl Arielle geguckt, was?“ schmunzelte Yugi seinen Liebling an.

„Drei Mal hintereinander“ seufzte er und tat es endlich ... wenn man schon angefeuert wurde.

Endlich zog Yugi ihn nach unten, Seto beugte sich hinab und sie schenkten sich den magischen Kuss. Den Hochzeitskuss. Der Kuss, der ihre gemeinsame Zukunft einläuten sollte. Tief suchten ihre Zungen nacheinander und sie hörten nur am Rande, wie alle laut in die Hände klatschten und feierten.

„Der Kuss der wahren Liebe!“ jubelte Ninis alles übertönende Stimme und klatschte so laut in die Hände, dass sie ganz rot wurden und kribbelten.

Lange hielten und genossen sie ihren Hochzeitskuss, den Kuss, den es nur dieses eine Mal geben würde.

Als sie sich voneinander lösten und gegenseitig die Tränen fortwischten, wurden sie auch schon an den Armen genommen und umgedreht. Der Botschafter schob ihnen feierlich ein Stück Papier und zwei teure Füllfederhalter herüber. Die Trauungsurkunde. Die Trauzeugen hatten schon unterschrieben und nun fehlten nur noch ihre zwei Unterschriften, damit alles seine Gültigkeit hatte.

Schnell griffen sie sich die Stifte und setzten ihre Namen in die letzten zwei freien Felder. Jetzt war es komplett. Jetzt waren sie wirklich verheiratet für den Rest ihres Lebens.

„Viel Glück Ihnen beiden“ nickte Senhor Temanez und lächelte ihnen noch mal zu, bevor sie aus dem Saal fortgeschleift wurden. Sie wurden mit Blumen und Reis beworfen wie es sich gehörte. Und alle jubelten ihnen zu, aus reinem Glück, dass die beiden es jetzt endlich geschafft hatten.
 

**NEIN! Yugi, lass mich los! Ich muss noch ne Katastrophe einbauen! Nein, lass mich nur noch eine ... ... ... ... Seto? Was willst du mit dem Baseballschläger ...? Mkay, ihr habt gewonnen. Ich lasse es so ... vielleicht ... vielleicht auch nicht? ^^**
 


 

Chapter 19
 

In der eigens angemieteten Location war es genauso feierlich geschmückt wie in der Botschaft. Mit einem ganzen Tross kamen die Leute hier an und als Yugi schon mindestens 50 Leuten die Hand geschüttelt und von mindestens noch mal so vielen einen Kuss auf die Wange bekommen hatte, hörte er auch auf zu zählen. Ihm fiel nur auf, dass er niemanden vermisste.

Alle waren da. Alte und neue Freunde, von hier und aus dem Ausland. Und alle mit ihren Partnerinnen und Partnern. Eine echte Beispielshochzeit, wie sie in jeder Organisationsbroschüre geschrieben stand.

Das Büffet war reichlich, ließ keinen kulinarischen Wunsch offen und für Nachschub sorgten zwanzig Bedienstete, welche sich bis spät in die Nacht ausschließlich um das Wohl der Gäste kümmern würden.

Setos alte Band nahm ihren Platz auf der Bühne ein und begann mit einem fröhlichen Lied.

„Wow“ staunte Yugi mit offenem Mund, als er sich hier umblickte. Überall Blumen und Lichter, weiße Stoffe, selbst der Boden war poliert, die Fenster groß und alles war von dem wunderbaren Abendlicht durchflutet. Wunderschön.

„Wehe, sie gefällt euch nicht!“ Plötzlich war Marie da und schob das frisch getraute Paar in die Mitte des Raumes, wo sich schon eine Horde von Gästen versammelt hatte.

Ein noch größeres „WOW!“ entkam Yugis Lippen, als er hinaufblickte.

Seto sagte dazu zwar nichts, aber auch ihm stand der Mund offen, als er hinaufblickte - und wenn ein Riese wie er mal nach oben blickte, war das wirklich was Besonderes.

Vor ihnen türmte sich eine Hochzeitstorte auf.

Feinste Konditorei, weicher Boden mit allen schönen Dingen. Die sieben Stockwerke bestanden jedes für sich aus einer eigenen Riesentorte. Ganz unten der Anfang war schlichter Marmorkuchen ohne Überzug, aber dafür gespickt mit kleinen Schokoperlen. Darüber ein heller Sandkuchen mit Schokoladenzeichnungen. Das nächste Stockwerk war ein Früchtekuchen, dessen Boden so soft aussah und dessen Belag von Erdbeeren dominiert wurde. Stockwerk Nummer vier war eine Schokotorte, welche verdächtig nach Opas Torte aussah - auch wenn diese hier so groß und hoch war, dass sie für eine ganze Armee gereicht hätte. Darüber wartete ein eine Marzipantorte mit einer so dicken Marzipanschicht, dass es aussah, als würde der Kuchen nur ausschließlich aus Marzipan bestehen und die kleinen Schokoblätter und Nüsse darauf, schrieen geradezu danach, abgepflückt zu werden. Stockwerk sechs war kein richtiger Kuchen, sondern eine gewaltige Anhäufung von Minikuchen, die man in die Hand nehmen und im Happs verspeisen konnte. Sicher weicher Muffinteig darin und mit verschiedenen Schokoladen in verschiedenen Stärken überzogen, von weißer Schokolade bis hin zu 99%iger Dunkelmasse.

Torte Nummer sieben war das Highlight schlechthin. Eine Torte aus weißer Sahne, mit blauer und violetter Lebensmittelfarbe verziert. Aufwendig, es musste Stunden gedauert haben, bis der Konditor das so hinbekommen hatte. Und oben über allem thronte aus Zuckerguss geformt ein brüllender weißer Drache, der sich über einer goldenen, mit feinsten Edelsteinen aus Bonbons besetzten Krone gebärdete und sie unter seinen Krallen schützte.

„Und? Was sagt ihr?“ strahlte Marie sie erwartungsfroh an. „Gefällt sie euch?“

„Du spinnst doch!“ rief Yugi und drehte sich zu ihr um. „Das ist ja gigantisch!“

„Seto wollte zwar zehn Stockwerke, aber ich dachte, sieben sind besser“ zwinkerte sie fröhlich. „Ihr seid doch jetzt sieben Jahre zusammen und ich dachte mir, das hat doch Symbolwert.“

„Wer hat denn die Figuren da oben gemacht?“ zeigte Yugi bis ganz hinauf.

„Ich“ freute sie sich. „Ich hoffe, sie gefallen dir. Ich hab mal vier Wochen beim Konditor gearbeitet und ... na ja, ich hab sie nicht ganz alleine gemacht. Mein Exchef hat mir ein bisschen geholfen.“

„Danke, Marie“ seufzte Seto und nahm sie ganz überwältigt in den Arm.

Marie wusste gar nicht, wie sie da so plötzlich drauf reagieren sollte, denn sonst hatte sie mit Seto doch auch nicht viel zu tun. Aber dass er sich freute, freute sie noch tausend Mal mehr. Schließlich war die Torte doch etwas, woran man sich sein Leben lang erinnerte und es wäre schön, wenn Seto mal ein paar mehr schöne Erinnerungen geschenkt bekommen könnte.

„Ja, die Torte ist super“ bedankte sich auch Yugi und umarmte sie, nachdem Seto von ihr abgelassen hatte. **Mit ‚sie’ ist Marie gemeint und nicht die Torte. ^^**

„Aber jetzt müsst ihr die auch anschneiden“ beschloss Mokuba und zeigte auf das lange Messer, welches direkt daneben, neben den Türmen von Tellern und Gabeln lag.

„Bevor ihr nicht anschneidet, kriegen wir nix zu beißen“ beschwerte Joey sich und schob Seto eben mit eigener Kraft bis vor den Tisch, damit er nach dem Messer griff und endlich das Büffet eröffnete.

„Könnte dir mal nicht schaden“ brummte er.

„Was?“ Und Joey konnte so schnell nicht folgen ...

„Wenn du mal nichts zu beißen kriegst.“

„Später, Drache, später“ grinste er klopfte ihm auf die Schulter. „Jetzt mach schon, Alter. Das ist doch Tradition. Wir machen auch’n Foto!“

Seto schaute indessen lieber zu Yugi rüber, der Mie auch gerade wieder aus seiner dankenden Knuddelei entließ. Durfte er wirklich die Torte anschneiden? Das wäre doch wirklich fast ne Sünde, so ein schönes Gebilde kaputt zu machen.

Aber Yugi sah das anders. Der ging zu seinem Liebling rüber, nahm sich das Messer und lächelte ihn herzallerliebst an.

„Lass uns anschneiden, ja? Ich wollte so was immer schon mal machen.“

Also seufzte Seto und ließ sich eben auch ohne körperlichen Nachdruck bis vor die Torte stellen, wo er dann seine Hand aufs Messer legte, Yugi seine darüber und sie gemeinsam den ersten Kuchen ganz unten aufschnitten - auch weil der gut auf Yugis Höhe stand.

Natürlich wurden ordentlich Fotos gemacht und es wurde geklatscht. Die beiden sahen wirklich süß aus zusammen als Bräutigamspaar. Wie Seto ganz vorsichtig das schwere Messer festhielt und Yugi seine Hand ganz zärtlich darüber legte und sie zusammen das erste Stück herausschnitten. Und auch wenn es ihnen wohl sichtlich ein bisschen peinlich war, dass sie von so vielen Leuten angesehen wurden, so hatten sie doch nicht nur ein beschämtes, sondern auch ein glückliches Rot auf den Wangen.
 

Sie hatten das Messer noch gar nicht ganz weggelegt, da wurden auch schon die nächsten Forderungen an sie gestellt.

„Und jetzt tanzen!“ jubelte Yami und hüpfte den beiden vor die Nase. „Los! Einen Fruchtbarkeitstanz! Das ist doch Tradition!“

„Heute tanzt man aber leider keinen Fruchtbarkeitstanz mehr, sondern Walzer“ verdrehte Seth die Augen und legte ihm freundlich die Hand auf die Schulter, bevor er dazu noch so einen schlauen Kommentar losließ. Und da sollte noch mal jemand behaupten, Seth hinge zu sehr an der Vergangenheit.

„Aber tanzen könntet ihr wirklich mal“ hauchte Sethos und schob seinen Kopf liebevoll über Setos Schulter an sein Ohr. „Sonst tanze ich mit Yugi. Wäre dir das lieber, Kleiner?“

„Nenn mich nicht Kleiner“ knurrte er, griff nach Yugis Hand und schleifte den Armen noch mit dem Überraschungsmoment auf die Tanzfläche. Yugi wusste gar nicht so recht, wie ihm geschah, denn seelisch hatte er sich darauf eingerichtet, dass Seto sich gerne noch ein wenig mehr bitten ließ und eigentlich war er noch immer von der Torte bezaubert .... aber die Androhung des Hohepriesters schien ja Erfolg zu zeigen und Seto musste nicht lange gebeten werden.

„So kennt man dich ja gar nicht“ grinste Yami. „Was heizt dich denn plötzlich so an, dass du ihm den Mann ausspannen willst, hm? Großer Sonnenpriester?“

„Gar nichts“ sagte er schlicht und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich hatte gerade nur keine Lust darauf, dass Eraseus wieder so lange wie eine Katze um den heißen Brei läuft.“

„Darf ich fragen, wer du überhaupt bist?“ schaute James ihn an, der sich gerade von Enrico ein dickes Stück Schokokuchen in die Hand drücken ließ, welche vom Servicepersonal mit Leitern nach unten befördert werden musste. „Dass Seth und Seto sich ähnlich sehen, wusste ich ja. Aber nicht, dass es von euch noch einen Dritten gibt. Ich meine, wo hat man denn noch ein Double wie dich aufgetrieben?“

„Ja, so eine auffällige Ähnlichkeit ist doch ungewöhnlich“ meinte auch Jean, der sich bis jetzt nur nicht getraut hatte zu fragen. „Seto und Yugi haben uns niemals etwas von dir erzählt.“

„Ach, so ähnlich sind sie sich doch gar nicht“ meinte Yami mit einem glänzenden Schmunzeln. „Mein Schatz wäre zu faul, sich sooooo lange Haare wachsen zu lassen. Der hat ja nicht mal Haare auf der Brust.“

„Ich wusste nicht, dass du neuerdings auf Körperbehaarung stehst“ warf Seth überrascht ein. „Ich bin immer fleißig am rasieren und am lasern und du sagst kein Wort? Aber steige ich denn wenigstens mit Bart in deiner Meinung?“ brummte er und fuhr sich mit der Hand demonstrierend über seinen zwar mittlerweile gut gewachsenen, aber leider schief geschnittenen Bart. Er konnte malen wie ein Meister, aber modellieren konnte er nicht. Marie quengelte schon ständig, dass sie ihm sein Gesichtshaar hübsch zurechtstutzen wollte, damit es nach was aussah, aber nein, der Herr wollte das selbst machen. Typisch!

„Ich meine Haupthaar. Auf dem Kopf, Priesterchen“ lächelte er. „Aber eigentlich ist es gut so. So lange Haare stören doch nur beim Sex, findest du nicht?“

„Jetzt auf dem Kopf oder auch woanders?“

„Na, überhaupt. Stell dir mal vor, du hättest so lange Haare wie Sethos. Nein, das wäre unpraktisch. Ich liebe deinen Körper so wie er ist. Mit oder ohne Haare.“

„Und trotzdem gaffst du ihn ständig an, Atemu. STÄNDIG!“

„Aber du bist doch viel hübscher und ...!“

„Wenn du mich nicht attraktiv findest, ist es ja nett, das zu wissen, Pharao“ motzte auch Sethos. „Dann sind deine Komplimente auch nur warme Luft, ja?“

Und Yami stand jetzt böse in der Mitte. Jetzt war nicht nur Seth beleidigt, sondern der Oberdrache auch noch. Er wusste gar nicht, an welcher Front er zuerst kämpfen sollte ... und ob kämpfen überhaupt so eine gute Idee war. Mit einem kam er ja noch zurecht, aber zwei zugleich? ... Oh oh ... „HEEEEY!“ rief er und klatschte in die Hände, während er sich einfach umdrehte und auf die Tanzfläche lief. „Jetzt tanzt doch endlich euren Fruchtbarkeitstanz!“ Und ließ die schnaubenden Drachen da einfach stehen.

Zum Glück sah er nicht, wie die beiden sich anschmunzelten und sich gegenseitig mit einem Zwinkern lobten. Im Doppelpack bewegten sie sogar einen Pharao dazu, die Flucht zu ergreifen.

„Ihr seid eine komische Truppe, wisst ihr das? So Unrecht hatte Muto dann ja doch nicht“ stellte ein sehr kleiner Mann fest, der eine Frau im Arm hatte, die sie selbst genauso wenig kannten. Mussten wohl irgendwelche Freunde aus Frankreich sein, wenn man den Akzent bemerkte und der kleinen Größe nach zu urteilen, war das sicher einer von Yugis Jockey-Kollegen. Die waren ja alle nicht sonderlich riesig und der Arme sah neben seiner Freundin genauso albern aus wie Yugi neben seinem Setoriesen. Obwohl er eigentlich ganz süß war mit dem dunklen Haar und den hellbraunen Augen und so windschnittig schlank. Und seine Freundin etwas moppelig wie ein Elefantenbaby mit roter Lockenmähne ... tja ja, wo die Liebe hinfiel, da wuchs kein Gras mehr.

„Ja, wir sind eben nicht ganz die Norm“ pflichtete Seth freundlich bei. „Aber wer ist das schon?“

„Nur so eine auffällige Ähnlichkeit“ überlegte James noch immer und der war ja nun auch kein Dummer.

Doch sein Mann wusste das und konnte sich auch denken, dass er hier lieber nicht weiterforschen sollte. Deshalb legte er den Arm um seine Hüften und lächelte ihn liebevoll an. „Jamey, sei nicht immer so neugierig“ neckte Enrico und schnuffelte sich verliebt an seine Halsbeuge.

„Ich würde aber doch gerne wissen, was du mit deinen Haaren machst“ fragte er trotzdem neugierig weiter. „Ich hab so oft versucht, meine lang wachsen zu lassen, aber ohne Extensions läuft da gar nichts. Wie machst du das nur?“

„Magie“ lächelte Sethos verschwörerisch.

„Aaaaaach sooooo ...“ Wie schön! Jimmy hielt das für einen Witz und fragte nicht weiter nach. Und Enrico war auch erleichtert. Nicht, dass er ihm nicht vertraute, aber es war ihm lieber, wenn sein Liebster von diesen Dingen so wenig wie möglich mitbekam - das brachte nur immer Ärger und Unglück.

Und während sie da so standen und versuchten, die anderen von der Ähnlichkeit zwischen Sethos, Seth und Seto abzulenken, sorgte das frisch vermählte Paar dann auch selbst für Ablenkung.
 

Mit einem lauten Schwall klassischer Musik setzte ein romantischer Walzer ein, den die beiden auch recht passabel aufs Parkett brachten.

Es sah zwar sehr gewöhnungsbedürftig aus, wenn ein mehr als zwei Meter großer Riese und ein kleiner Mensch wie Yugi miteinander tanzten und dabei auch noch versuchten, sich nicht auf die Füße zu treten, aber sie machten trotzdem einen so glücklichen Anschein, dass selbst Leuten wie Yami und Joey ein witziger Kommentar versagt blieb. Die Tanzschritte hatten sie drauf!

Und wie gesagt, machten die beiden das recht anständig. Seto gab sich einfach Mühe, kleinere Schritte zu machen und er tat etwas, was er sonst niemals beim Tanzen tat. Er ließ sich führen. Yugi konnte zwar nicht mal im Ansatz so gut tanzen wie er, aber dafür hatte er echte Führungsqualitäten. Nicht nur hier, sondern in der ganzen Beziehung bestimmte er, wo es lang ging und wie lange es ging. Seto verließ sich da auf ihn und hatte damit immer gut gelegen.

Sie drehten sich im Kreise, drückten sich aneinander und bei einigen schnelleren Drehungen sah es aus, als wolle Yugi ihm lieber auf den Arm hopsen, aber er ließ es bleiben. Stattdessen schaute er hinauf in die schönsten Augen, welche jemals das Licht der Welt gesehen hatten.

Und Seto genoss auch diesen Moment des puren Glücks. Als Eheleute wollten sie zu allererst essen und tanzen und damit ihren Grundstein für alles Folgende legen. Er fühlte sich so wohl bei ihm, seine Hände fühlten sich so warm und zärtlich an, Yugi war einfach der perfekte Mensch. Auf der ganzen Welt konnte er sich nichts Schöneres vorstellen, als mit diesem Mann den Rest seines Lebens zu verbringen.

„Ihr seid alle unhöflich!“ meckerte die Prinzessin mitten rein und stellte sich beleidigt mit den Händen in die Hüften gestemmt zwischen die Gäste.

„Nini“ schaute Mokuba überrascht herunter. „Warum denn? Wir haben doch gar nichts gemacht.“

„EBEN!“ schimpfte sie. „Keiner fordert mich zum tanzen auf. Bin ich nicht beliebt? Joey sagt, nur beliebte Leute werden zum Tanzen aufgefordert. Und warum fordert mich dann niemand auf?“

„Na, Joey muss es ja wissen“ knurrte Seth und blickte hinüber auf die andere Seite des Saales, wo ebenfalls alles mit Gästen voll war und der Betreffende sich gerade mit seinem alten Kumpel Tom und Ryo gemeinsam über das Büffet hermachte.

„Ulti? Tanzt du mit mir?“ quengelte sie und zupfte an seinem weißen Jackett, welches er sich einfach aus Setos Schrank genommen hatte. Der brauchte seines ja heute nicht ... hatte nur den Nachteil, dass er jetzt dasselbe trug wie Seth.

„Oh, dann bin ich also beliebt“ lächelte er und kniete sich gaaaaaaanz weit zu der kleinen Prinzessin herunter. „Wenn du mich schon aufforderst, Verehrteste.“

„Ja, du bist sehr beliebt bei mir“ lächelte sie ihn verliebt an. „Und danach forderst du mich auf, ja?“

„Wie Ihr wünscht, Eure Hoheit.“ Er reichte ihr seinen Arm, an den sie sich ranhängte wie ein Klammeraffe und sich ohne Bodenberührung auf die Tanzfläche tragen ließ. Das sah noch lustiger aus als bei Seto und Yugi, da hier der Größenunterschied wesentlich einschneidender war. Aber ein Mann, der das Wasser teilen und darauf laufen konnte, der konnte auch mit so was fertig werden. Also hob er sie auf den Arm, nahm so gut es ging eine Tanzhaltung ein und wirbelte sie herum, bis sie quiekte vor Glück. Wenn’s weiter nichts war!

„Dann ist die Tanzfläche wohl freigegeben“ freute sich James und griff nach Enricos Arm, während er seinen Teller für ihn hinstellte und sein Rico eben später essen musste.

„Du willst nicht mit mir tanzen“ unterstellte der hoffend.

„Doch, natürlich!“ grinste der. „Komm schon, Ricopicco. Tu mir den Gefallen.“

„Du weißt genau, dass ich nicht tanzen kann. Ich kann ja vieles, aber tanzen gehört nicht dazu. Außerdem will ich nicht.“

„Du kannst sehr wohl tanzen. Sehr gut sogar, feige Ausrede. Du tanzt sogar gern. Tanzen ist dein Hobby.“

„Ja, bevor du mir fast den Fuß gebrochen hast. Ich berichtige mich, ich kann nicht MIT DIR tanzen ... und will auch gar nicht. Ich will einfach nur hier stehen und meinen Kuchen in Ruhe essen.“

„Bitte“ flehte er und bekam ganz feuchte Augen. „Wenn du mir einen Korb gibst, muss ich weinen und ...“

„Ja, ich weiß“ stöhnte er und hielt sich verzweifelt die Stirn. „Dann verläuft deine Wimperntusche und du bist den ganzen Abend ungenießbar.“

„Er hat’s kapiert“ flüsterte er triumphierend zu Noah gewand und zog seinen armen Mann im selben Atemzug aufs Parkett. Den hatte er sich ja schnell zurechterzogen. Und wenn Jameys Wimperntusche verlief, gab’s eine Woche keinen Sex - das hielt auch der stärkste Mann nicht aus, wenn so ein schwuler Vogel zickig wurde.

„Tristan?!“ rief Nika von der anderen Seite und kam schneller herüber, als dem lieb war.

„Ihr habt mich nicht gesehen!“ rief er noch und verschwand so schnell es ging in der Menge. Tanzen? Er tat ja vieles für seine Frau, aber nicht tanzen! Beim besten Willen nicht!

„Männer“ seufzte Marie, als Nika an ihr vorbeihastete und hinter ihm her zwischen den Leuten verschwand. Doch dann blickte sie auf ihren eigenen und musste lächeln. „Na, Großer? Tanzt du mit mir?“

„Ich bin aber nicht unmännlich, wenn ich mich nicht weigere, oder?“ fragte der zur Sicherheit lieber nach. Seth war nämlich jemand, der gegen tanzen so gar nichts einzuwenden hatte. Und mittlerweile waren auch so viele Männer von ihren Frauen auf die Tanzfläche gezerrt worden, dass sie sich da schon fast auf die Füße traten.

„Du bist der männlichste Mann, den ich kenne, Zuckerschnütchen“ zwinkerte sie und zog ihn ebenfalls aufs Parkett.

Man hörte ihn nur noch murmeln „... Zuckerschnütchen ...?“ Aber zu melden hatte er da gerade nichts mehr.
 


 

So kam die Feier recht schnell in vollen Gange.

Einige von ihren Freunden und Bekannten hatten natürlich mittlerweile auch selbst Kinder und mussten diese nicht Zuhause lassen, um zu feiern. Stattdessen hatte ein schlauer Organisator einen extra Raum eingerichtet, wo jede Menge Spielzeug lockte und die Kinder so ebenfalls ausreichend beschäftigte. Besonders für Feli war so ein Auftrieb nichts und Menschenmassen machten sie nervös und quengelig. Da war es ihr lieber, wenn sie mit ihren Freunden und einigen anderen Kindern den Ball hin und her rollen lassen konnte. Das war ja auch viel spannender als so eine doofe Feier. Und nachdem Nini ausreichend getanzt und sich ihrer Beliebtheit versichert hatte, ging sie dann auch wieder zu ihresgleichen und kaute Feli ein Ohr ab. Tato interessierte sich da ja leider eher für Risa und dafür, ihr den Rücken abzuklopfen, als dafür, seiner großen Schwester zuzuhören. Und als dann auch noch etwa fünf andere Kinder im Alter zwischen eins und sieben hereinkamen, wurden die auch erst mal von der geballten Ladung Nini erschlagen. Sie hatte eben das Talent dafür, sich schnell Freunde zu machen.

Die Erwachsenen indessen genossen die Feier. Mit so reichlich Tanz und Musik konnte man ja auch einfach nur Spaß haben. Die Leute, die sich kannten, freuten sich, dass sie sich wiedersahen und die Leute, die sich nicht kannten, machten sich eben miteinander bekannt.

Und wenn man sich so umschaute, war es erstaunlich, was für einen großen Bekanntenkreis sie hatten. Kumpels, die sie noch von früher aus der Schule kannten und Menschen, die sie später mit ihrer Arbeit kennen und mögen gelernt hatten. Yugis Freunde erkannte man hauptsächlich daran, dass sie alle abgebrochene Zwerge waren, da sie ja alle aus einem Rennstall kamen und sogar drei Leute aus konkurrierenden Rennställen waren eingeladen worden und sogar gekommen. Denn nur, weil man auf der Bahn gegeneinander ritt, musste das ja nicht heißen, dass man sich nicht trotzdem mögen konnte.

Setos Freunde erkannte man daran, dass die meisten total schräge Vögel waren - Künstler eben. Nicht nur seine Band, die er auf der Uni kennen gelernt hatte, sondern auch einige Leute, welche er von seiner Studienzeit auf der Musikschule für Gehandicapte mitgebracht hatte. Und davon waren einige wirklich richtig abgedreht. Der eine war ganz in schwarz gekleidet und sah aus wie Marilyn Manson persönlich, der andere saß zwar im Rollstuhl, aber der hatte leuchtende Bemalung überall und ein Mädchen unter ihnen hatte eine so grelle Frisur mit so viel Haarspray, dass es einen schon wunderte, ob das nicht doch eher ne Perücke war. Aber alles waren ganz liebe Leute, die nichts Böses im Sinn hatten - und Seto war das Aussehen von Menschen ja bekanntlich ziemlich schnuppe. So auch bei einem jungen Mann, der wohl krankhaft fettleibig war und an irgendeiner Genkrankheit litt, mit der er sich kaum bewegen konnte. Oder einer Frau, welcher ein Bein amputiert war und sie dafür eine Prothese in Form eines Ziegenbocks a la Teufel trug. Doch so lustig wie die miteinander umgingen, hatte man direkt Lust, zu dieser wilden Truppe dazuzugehören. Und so sicher wie Joey sich zwischen denen bewegte, wusste man, dass sie sich wohl auch schon ein Weilchen kannten.
 

Seto und Yugi hatten dafür so viel zu tun, dass sie sich dabei aus den Augen verloren. Seto verlor Yugi genau dann aus den Augen, als seine süße, taubstumme Makoto ihn begrüßte und er unbedingt mit ihr tanzen wollte. Yugi verlor seinen Liebling aus den Augen, als er ins Kinderzimmer laufen musste, weil Tato, der ja bekanntlich alles in den Mund stecken musste, sich einen Splitter in die Lippe gerammt hatte und jetzt ganz doll weinte. Es war zwar nicht mal ein kleines Blutstöpfchen zu sehen und irgendwann wusste er schon gar nicht mehr, warum er eigentlich weinte, aber Papa Yugi musste ihn trotzdem ein paar Minuten auf dem Schoß schuckeln - bis Risa angerobbt kam und Tato mit ihrem sabbernden, zahnlosen Mund angrinste und Papa Yugi damit völlig uninteressant machte. Ja, Tato stand auf sabbernde, zahnlose Weiber.
 

Tja, und was tat ein Yugi, der plötzlich nichts mehr zu tun hatte?

Er hatte zwar noch lauter Leute, die ihn gerne begrüßen und knutschen wollten, aber geplant hatte er etwas anderes. Dafür hatte er sich Hilfe bei Setos schrägen Freunden gesucht, um ihm hoffentlich eine ganz besondere Freude zu machen. Er lief zwar schon jetzt rot an und es kostete ihn ziemlich viel Überwindung, aber die schrägen Vögel bauten ihn auf, klopften ihm auf die Schulter und mit jeder Menge „Get It Started, Yu-chan“’s kletterte er dann auch auf die Bühne und löste damit erst mal einen Moment Verwirrung bei denen aus, die es mitbekamen.

Doch spätestens als die Musik endete und es still wurde im Raum, drehte auch Seto sich aus seiner Unterhaltung mit Diana heraus und sah, dass Yugi auf der Bühne stand, hochrot im Gesicht war und ihn direkt durch den ganzen großen Raum anblickte.

„Ja! Eine Rede! Eine Rede!“ jubelte Mokuba und klatschte in die Hände.

„Ähm ... nein“ antwortete Yugi nervös und erfuhr damit auch schockhaft, wie laut so ein Mikrofon sein konnte. Wie schaffte Seto das nur immer, hier so cool zu stehen?

„Madames et misseurs“ sprach dafür der Manson-Typ umso selbstsicherer mit seiner tiefen, tonlosen Stimme ins Mikrofon. „Veuillez entendre sa chanson. Le petit est courageux.“

„Yugi, n'est pas petit!“ schimpfte Seto böse bis ans andere Ende des Saales. Wehe dem, der seinen Yugi klein nannte!

„Mais il est courageux“ grinste der dunkle Kerl. „TREEEEEEES courageux!“

„Kann er das auch so sagen, dass wir ihn verstehen?“ bat Mokuba doch etwas sehr beleidigt. Wenn die erst anfingen, französisch zu labern, verstand man ja kein Wort.

„Nich ich spreche Rede!“ gestikulierte er wild zurück. So ein paar Brocken verstand er ja, aber eben nicht so besonders gut.

Dafür stellte sich die Frau mit dem Ziegenbein ans Mikro und lächelte breit. „Ladies and Gentlemen, please listen to Yu-chans song. It costs a big piece of courism for him to stand here and to sing for his … Yu-chan, how did you always call him? Leibling? For his Setodarling in any case. So please be gentle to him … he doesn’t sing that bad that you’d have to run away too far. So give him applause and shut up if you don’t like it! Because it’s not for you - it’s for his one and only Leibling.”

„Ja, danke … sehr aufbauend” nuschelte Yugi. War ja nett gemeint, aber so wurde es nur noch peinlicher.

„C’mon, Yu-chan. You aren’t that shy” lachte sie, humpelte nach hinten und setzte sich auf einen Stuhl hinter dem Schlagzeug.

Kaum hatte sie ihre Sticks zur Hand genommen und den Takt angesetzt, setzten auch die anderen Freaks mit ein und spielten das Lied, welches sie gemeinsam extra für Seto zur Hochzeit geschrieben hatten.

Der stand da hinten nur mit groß staunenden Augen und da ging es allen anderen nicht wesentlich anders. Dass Seto singen konnte, wussten sie ja, aber dass Yugi mal für ihn sang, hätten sie nicht gedacht. Das musste doch echte Liebe sein, dass er sich dazu durchringen konnte.

Und so schlecht sang er gar nicht, dass man weglaufen musste.

Er sang sogar richtig gut.

Er holte tief Luft und versuchte es einfach. Wenn er sich schon zum Deppen machte, dann tat er es wenigstens für den Mann, den er liebte.

Und so ein bisschen Country passte doch auch ganz gut zu einem weltklasse Jokey.
 

„My love is stronger now than you'll ever know

Heute ist meine Liebe stärker als du es jemals verstehen wirst

and it won't ever let you go

und sie wird dich niemals mehr gehen lassen

My love is wider than the ocean can be

Meine Liebe ist weiter als der Ozean sein kann

and it’s deeper than the deep blue sea

und tiefer als die tiefe blaue See
 

My love goes higher than a mountain can rise

Meine Liebe steigt höher als ein Berg wachsen kann

and I see it there in your eyes

und von dort sehe ich es in deinen Augen

My love gets tougher when the going gets rough

Meine Liebe wird stärker, wenn die Umständer rauer werden

and believe me, I've got more than enough

und glaube mir, Liebe habe ich mehr als genug
 

Keep tryin', babe, keep holding on

Versuch es weiter, Liebling, halt noch ein wenig aus

There's a place we belong

Es gibt einen Ort, an den wir gehören

Where things are good, where love is strong

Wo die Dinge gut sind, wo unsere Liebe stark ist
 

I'm never ever gonna leave you to cry on your own

Ich werde dich niemals einsam weinen lassen

Never ever gonna not go and pick up the phone

Niemals liegenbleiben und das Telefon ignorieren

I'm never ever gonna let you be chilled to the bone

Ich werde dich niemals erschöpft zurücklassen

No, no, never

Nein, nein, niemals

No, no, never

Nein, nein niemals
 

I'm never ever gonna leave when you're lost in the storm

Ich werde dich niemals inmitten des Sturmes verlassen

Never ever gonna not keep you safe where it's warm

Dich niemals von dort verweisen, wo du warm und geschützt bist

I never ever will desert you when your heart is torn

Ich werde dich niemals abweisen, wenn dein Herz leidet

No, no, never

Nein, nein, niemals

No, no, never

Nein, nein, niemals
 

My love shines brighter than a twinkling star

Meine Liebe scheint heller als ein blinkender Stern

Baby, no matter where you are

Liebling, egal wo du bist

and my love keeps burning like an eternal flame

Meine Liebe brennt wie ein immerwährendes Feuer

You can feel it, when I'm calling your name

Du kannst es fühlen, wenn ich deinen Namen rufe
 

I'm never ever gonna leave you to cry on your own

Ich werde dich niemals einsam weinen lassen

Never ever gonna not go and pick up the phone

Niemals liegenbleiben und das Telefon ignorieren

I'm never ever gonna let you be chilled to the bone

Ich werde dich niemals erschöpft zurücklassen

No, no, never

Nein, nein, niemals

No, no, never

Nein, nein niemals
 

I'm never ever gonna leave you to cry on your own

Ich werde dich niemals einsam weinen lassen

Never ever gonna not go and pick up the phone

Niemals liegenbleiben und das Telefon ignorieren

I'm never ever gonna let you be chilled to the bone

Ich werde dich niemals erschöpft zurücklassen

No, no, never

Nein, nein, niemals

No, no, never

Nein, nein niemals.”
 

Am Ende des Liedes hatte Seto schon den ganzen Saal durchquert und schaute mit erstaunten Augen zu Yugi empor. Und der schaute relativ schüchtern zurück und verschränkte die Hände hinter sich, damit er nicht sah, wie er mit ihnen rang. So gut wie Seto war er sicher nicht und er wollt nicht tippen, ob sein Liebling jetzt so erstaunt war, weil er das so toll fand oder weil er nicht verstehen konnte, weshalb man so jemand Talentfreiem überhaupt ein Mikro in die Hand drückte.

„Yugi ...“ atmete er erstaunt und seine tiefblauen Augen bekamen einen unglaublichen Glanz, je mehr ihn ein Lächeln zierte. „Warum hast du mir nie gesagt, dass du Country singen kannst?“

„Na ja ... du hast ja nie gefragt“ lächelte er ihn hoffend an. „Und von Können kann ja auch keine Rede sein. Aber ... hat’s dir ein bisschen gefallen?“

„Ein bisschen? Yugi, du bist ja ein Spaßvogel!“

„Und du ein Pechvogel, dass du so was geheiratet hast ...“

„Ja, ich kann wirklich Pech haben“ beendete Seto diesen Fluss an Unselbstbewusstsein und streckte ihm seine Arme entgegen. Yugi ließ sich darauf ganz vertrauensvoll nach vorne fallen, wurde aufgefangen und mit einem tiefen Kuss belohnt. Mit einem halben Ohr hörte er, wie die anderen ihm und der Band Applaus spendeten und wohl auch gar nicht so unbegeistert waren.

Hauptsache war aber, dass sein Liebling es gemocht hatte. Yugi war sich da nicht so sicher, ob er sich da wirklich nicht zur Lachnummer gemacht hatte, aber wenn es nach Seto ging, war er sowieso der tollste Typ der Welt. Yugi brauchte sich ja nur mal die Hände waschen und schon fand Seto zehn Gründe, warum er das gut fand und sein Yugi das NonPlusUltra der Menschheit war. Also kein Grund an sich zu zweifeln.

„Na, Pascal? Wie sieht’s aus?“ klopfte ihm dann mitten im Kuss sein Kumpel Jacques auf die Schulter und grinste ihn an. „Willst du dich nicht mit einem Liedchen revanchieren? Wir haben doch so lange nichts zusammen gespielt, mon amie.“

„Liedchen?“ Und schon tauchte auch Olivier neben ihm auf und hatte manchmal ein besseres Gehör als man es ihm zutraute. „Pascal spielt mit uns?“

„Nein!“ schimpfte der. Er hatte so was in der Art überhaupt nicht geplant! Er wollte viel lieber mit Yugi rumknutschen, als seinen nervigen Freunden nachzugeben.

„Okay, ich hole die anderen“ grinste er, drückte Yugi seinen angefangenen Teller Nudelsalat in die Hand und verschwand in der Menge, um den Rest der Band einzufangen.

„Jacques, sag ihm, er soll das lassen!“ meckerte Seto noch immer und nahm Yugi den Teller ab, um ihn gleich Joey in die Hand zu drücken, der eben neben ihm auftauchte und ja sonst auch sein persönlicher Müllschlucker war.

„Ich finde es gut. Sing deinem Gatten doch mal ein Lied, Pascal. Zier dich nicht immer so, wenn man was von dir will“ schmunzelte er und kletterte auf die Bühne.

Seto wollte gerade weiter meckern, als Olivier strahlend an ihm vorbeihoppelte und Marc, Sibelle und Betty im Gepäck hatte, die sich wohl auch darauf freuten, mal wieder mit ihm spielen zu können. Und vorsichtshalber schenkten sie ihm nicht mal einen Blick, sondern übernahmen direkt die Instrumente, die da standen. Einfach anzufangen war manchmal die bessere Variante als zu versuchen, ihren Star mit seinen Allüren überreden zu wollen.

„Hab ich hier denn gar nichts zu melden?“ donnerte er die Leute auf der Bühne an.

„Jetzt sing deinem Yugi doch mal ein Lied. So schwer kann das doch nicht sein“ murmelte Marc und band sich die Gitarre um, die hoffentlich schon gestimmt war.

„Du bist echt ein fieser Idiot“ schimpfte Joey und drückte der armen Nika den Teller in die Hand, obwohl die nur an ihm vorbeigehen wollte.

„Halt doch mal die Klappe!“ schallte Seto zurück. „Dein Gekläffe kann ich gerade gar nicht gebrauchen. Verzieh dich!“

„Trotzdem lass dir das mal gesagt sein!“ bellte das Köterchen zurück. „Für Yugi singst du ständig irgendwelche Lieder, aber für mich hast du noch nie eins gesungen. Ey, du bist wirklich total gemein!“

„Sing dir doch selber ein Lied!“

„Ich hab immer für dich getan und gemacht und nie singst du für mich! Selbst den Kindern singst du abends was vor, aber mir nie!“

„Soll ich dir jetzt auch Schlaflieder singen und dich zudecken? Dir fehlen doch ein paar Latten am Zaun!“

„Nein, du sollst nur mal auch für mich singen. Oder hast du mich nicht lieb?“

„Nein, hab ich nicht!“

„Ich hab dich auch nicht lieb!“

„Oh, du bist gemein, Köter!“

„Du bist noch viel gemeiner, Drache!“

„Und wenn ich dir jetzt was singe ...“ seufzte Seto und fasste sich genervt an die Stirn. „Versprichst du dann, ruhig zu sein und nicht weiter zu nerven?“

„Nein“ grinste Joey.

„Manchmal würde ich dich gerne an die Wand klatschen“ knurrte er und war erstaunlich schnell zu den anderen auf die Bühne geklettert, nahm das Mikro entgegen, steckte es in den Halter und musste erst den Ständer ziemlich weit hoch stellen ...

„Singt er jetzt echt für mich?“ staunte Joey da hinauf. Das hätte er jetzt nicht gedacht, dass er seinen Drachen so weit getriezt bekam, dass er ihm ein Liedchen trällerte.

„Sieht so aus“ lächelte Yugi. „Sei doch froh.“

„Du bist aber nicht böse, oder?“

„Ähm ... nee. Warum denn?“

„Na, weil er doch eigentlich ein Liebeslied für dich singen sollte.“

„Ach das“ winkte Yugi locker ab. „Das macht er doch öfter. Eigentlich bin ich mal ganz gespannt, was er fühlt, wenn er mal für jemand anderen singt. Freu dich doch.“

„Ach, Yugi!“ jubelte Joey und nahm ihn plötzlich in einer festen Knuddelei gefangen, die ihn schon fast erdrückte. „Wenn du nicht schon verheiratet wärst ...“

„Finger weg ...“ grummelte es von oben dazwischen und der arme Hund wurde von einem so fröstelnden Blick getroffen, dass er ihm die Härchen am ganzen Körper aufstellte. Tja, solange bis er Yugi losließ und seine Hochzeitspläne gefälligst auf jemand anderen projizierte.

„RUHE! SETO SINGT FÜR MICH!“ keifte Joey dafür dann aber durch den ganzen Saal, damit es auch ja jeder wusste.

Auch wenn alle anderen schon mitbekommen hatten, dass der Drache sich da oben postiert hatte und nur noch darauf wartete, dass der Köter endlich seinen Yugi losließ.

„Mein Leben ist ein Hund!“ sang Seto laut ins Mikro und das noch bevor seine Band überhaupt richtig fertig war. „Es bellt, es beißt, es frisst und scheißt und manchmal reibt sich’s an meinem Bein! Oh nein, mein Leben ist kein Schwein NEIN, mein Leben ist ein Hund!“ **Link lohnt sich nicht. Ist nur ein Auszug aus einem WIZO-Song. XD**

Daraufhin guckte Joey erst mal ziemlich überrumpelt.

Das war jetzt also sein Lied? Ohne Musik? Nur so ein ganz doofer Reim? Und so ... so was von gemein?

„Pascal, du bist fies“ lachte Marc, der Joeys dummen Ausdruck ebenso zum Schießen fand wie Seto, der jetzt ein ziemlich fieses Grinsen im Gesicht stehen hatte. Ja, er wusste eben, wie er seinen Köter ruhig bekam.

„Mal gucken, ob wir das Lied noch können ...“ murmelte Betty vor sich hin und zählte an den Fingern noch mal den richtigen Takt ab, damit sie nichts falsch machte. War ja nun doch schon ein Weilchen her, seit sie gemeinsam etwas gespielt hatten.

„Dieses Lied hat Pascal schon vor ein paar Jahren geschrieben“ erzählte Jacques ins Mikro. „Also, seid gnädig, wenn es nicht so perfekt kommt, ja?“

„Dieser Song ist für meinen besten Freund“ lächelte Seto dafür umso versöhnlicher ins Mikro. „Der mich unendlich nervt, und den ich aus dem tiefsten Grunde meines Herzens auf die andere Seite der Welt wünsche.“

„Ich kann dich auch nicht leiden“ flüsterte Joey leise ... irgendwie wurde ihm gerade unheimlich, wenn er in Setos Augen blickte. Er hatte noch nie ein richtiges Lied bekommen und ihn jetzt da oben stehen zu sehen und zu wissen, dass er echt nur für ihn sang ... das war irgendwie besonderer als sonst.
 

Und Seto gab sich wirklich ein bisschen Mühe für ihn. Ein Lied, welches er schon vor Jahren geschrieben und nur nie richtig gespielt hatte.

Dabei war es doch für Joey, der ihm mehr bedeutete als er zugeben würde.

Es begann ganz langsam, als die Band anspielte ...
 

„Ich zeige auf die Sterne, doch du siehst nur den Mond.

Ich rufe HALT und du rennst dabei los.

Will ich Dir was erzählen, dann kann ich mir sicher sein,

dass du woanders hängst und Dich fürchterlich langweilst.

Wenn ich sage SCHWARZ, setzt du sofort auf rot,

ob es klappt oder nicht, du versuchst es andersrum.

Du hältst nichts von meinen Macken, ich kann deine nicht verstehen.

Kein Wunder, dass man uns so gut wie nie zusammen sieht!“
 

Doch es wurde richtig wild und laut als die Band härtete Töne anschlug und aus dem Anfangs so leisen Lied den richtigen Punk rausholte ... richtig schnell und chaotisch, so wie Setos Beziehung zu seinem Köter ja auch irgendwo war.
 

„Wir werden niemals einer Meinung sein,

und wenn sich's nur ums Wetter dreht!

Frag mich nicht warum, ich brauche dich.

Jeden Tag reicht uns der kleinste Streit,

um aufeinander loszugehen.

Frag mich nicht wieso, ich liebe dich!“
 

Doch dann wurde Seto wieder etwas leiser, blickte hinunter und seinem Hündchen direkt in seine treuen, braunen Augen ...
 

„Wenn dir etwas gefällt, steht für mich schon lange fest,

ich kann's nicht ausstehn, weil's langweilig ist.

Doch wenn es uns mal schlecht geht, suchen wir zusammen Trost,

unser Mitleid füreinander war schon immer groß.
 

Wir werden niemals einer Meinung sein,

und wenn sich's nur ums Wetter dreht.

Frag mich nicht warum, ich brauche dich.

Jeden Tag reicht uns der kleinste Streit,

um aufeinander loszugehen.

Frag mich nicht wieso, ich liebe dich!
 

Wenn ich dich haben kann, dann merke ich, ich will dich gar nicht mehr,

ist es umgekehrt, hab ich Angst, dass du mir nicht gehörst.

So war's bei uns schon immer, es wird niemals anders sein,

würdest du's noch mal versuchen, ich wär sofort dabei!
 

Wir werden niemals einer Meinung sein,

und wenn sich's nur ums Wetter dreht.

Frag mich nicht warum, ich brauche dich.

Jeden Tag reicht uns der kleinste Streit,

um aufeinander loszugehen.

Frag mich nicht wieso, ich liebe dich!

Frag mich nicht wieso, ich liebe dich!

Frag mich nicht wieso, ich liebe dich!“
 

Tja ... da war Joey noch baffer ...
 

Aber nach Setos kleinem Gesang und dem durchaus punkig tanzbaren Song wurden sie beide auseinander gerissen und wieder musste sich das Bräutigamspaar um all ihre Gäste gleichzeitig kümmern. Sie tanzten mit allen möglichen Leuten und fanden zwischendurch nur unter größter Anstrengung mal die Möglichkeit, etwas zu essen.

Auf alberne Hochzeitsspiele wurde glücklicherweise verzichtet, aber das hinderte niemanden daran, so richtig viel Spaß zu haben und ausgiebig dieses schöne Ereignis zu feiern.

Und sogar Joey hatte mal was, worüber er sich ziemlich lange freuen konnte ...
 


 

Chapter 20
 

Langsam wurde es später und später und die Feier war noch immer in vollem Gange. Die Gäste hatten Spaß, die Musik war absolut tanzflächenlockend, das Essen war lecker und wer nicht beschwipst war, der war auch so lustig drauf. Die Kinder waren meist irgendwo in ihrer eingerichteten Spielecke, um sich die Zeit zu vertreiben und es fand sich auch immer jemand, der auf sie aufpasste und mit ihnen spielte. Bis auf Nini, welche sich wohl vorgenommen hatte, jeden Gast mindestens ein Mal zu nerven und ihn zu fragen, ob man denn auch Spaß hätte. Ja ja ...

Doch im Allgemeinen war es wirklich eine vorzeigbare Feier. Das Büffet wollte nicht leer werden und mit dem Eintreten der Nacht wurde auch die Lichttechnik mehr zur Disco umfunktioniert, da hatte sich der professionelle DJ doch gelohnt, denn nach ein paar Stunden wollte ja auch die Live-Band mal mitfeiern und nicht ‚arbeiten’.

Während die Kiddys also langsam müde wurden, wurden die Erwachsenen gerade erst richtig wach und tummelten sich auf der Tanzfläche. Schließlich war man jung und wollte die Nacht durchfeiern! Die Stimmung war ja auch entsprechend gelöst.
 

„Hey!“ Noah hörte diese Stimme an seinem Ohr und musste das Handy kurz absetzen, um sich umzudrehen. Da stand Jimmy vor ihm und sah ihn vorwurfsvoll an. Hatte man ihn also doch gefunden. Er hatte sich doch EXTRA in die ruhigste Ecke neben dem Kinderraum verkrümelt, da hier keine lauten Boxen standen und auch sonst weniger los war.

„Was?“ flüsterte er und hielt das Handy zu.

„Musst du schon wieder arbeiten?“ wollte er leicht beleidigt wissen. „Noah, hier wird gefeiert. Wenigstens heute Abend kannst du doch mal ...“

„Das ist aber wichtig“ rechtfertigte er sich rüde und nahm einfach das Telefon wieder ans Ohr. „Entschuldigen Sie, Mr. Kurawa. Was ich eigentlich sagen wollte: Wenn die Wertpapiere im Durchschnitt noch fünf Cent fallen, sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, das Ressort Finanzierung für das G7-Joint-Venture im nächsten Halbjahr abzustoßen. Ich hoffe, Sie haben bereits einen Entwurf ausgearbeitet für den Fall, dass wir vorher einen DT-Check zum ACR beim IG einreichen müssen. Ich will nicht so ein Desaster haben wie beim letzten Communicate-Over der DTE.“

Jimmy stand daneben und fühlte sich wie am Bahnhof. Was auch immer Noah da quatschte, wenn es sich erst auf das nächste Halbjahr bezog, hatte das doch wohl noch ein paar Tage Zeit, oder nicht? Überhaupt hatte Noah sich verändert. Früher wäre es undenkbar gewesen, dass er sich auf der Hochzeit seines Bruders mit geschäftlichen Dingen belastete ... überhaupt sah ihm das nicht ähnlich. Sonst achtete er immer darauf, auch genug Zeit für Privates zu haben, aber Enrico hatte schon von Mokubas Sorgen berichtet, dass Noah in letzter Zeit mehr arbeitete als sonst. Es war also nicht bloß eifersüchtiges Geplänkel, sondern tatsächlich wahr, dass er etwas wenig Zeit für anderes als das Unternehmen hatte. Und jetzt, wo er mit der Hochzeitsorganisation durch war, musste er wohl Liegengebliebenes aufholen.

Doch noch während er das so dachte, legte er mit einem Schimpfen „Dann tun Sie das noch heute! Ich will das Papier morgen bis zehn Uhr auf meinem Schreibtisch haben!“ das Gespräch auf und seufzte genervt durch.

Genervt? Noah war sonst nie genervt ...

„Was ist denn?“ fragte er Jimmy zwar etwas ruhiger, aber trotzdem sichtlich genervt.

„Nichts weiter“ erwiderte er unsicher über diese Situation. „Ich wollte nur mal sehen, wo du bist.“

„Hier bin ich, wie du siehst. Hast du nichts zu tun?“

„Ähm ... außer feiern? Hier ist eine Feier, weißt du?“

„Ja, weiß ich. Ich hab sie selbst organisiert.“

„Noah, warum bist du so angefressen?“ fragte er direkt auf den Kopf zu. „Du arbeitest etwas viel, findest du nicht?“

„Du hörst dich schon an wie Mokuba. Und ich sage dir, du hast da keine Ahnung von. Also halte dich da bitte raus. Da kannst du mir nämlich nicht bei helfen. Im Gegenteil.“

„Entschuldige ... ich störe dann auch nicht weiter. Sorry.“

Er wollte sich umdrehen und gehen, aber da besann er sich wohl doch noch mal. Noah legte ihm die Hand auf die Schulter und seufzte tief.

„Nein, entschuldige, Jimmy. Ich wollte dich nicht anmachen. Ich bin nur etwas überreizt im Moment.“

„Schon gut.“ Er drehte sich noch mal um und setzte ein vorbehaltloses Lächeln für ihn auf. „Du bist halt ein wichtiger Mann. Aber heute heiratet doch dein Bruder. Da solltest du ihm den Gefallen tun und nur heute Abend ein bisschen weniger machen. Morgen ist auch noch ein Tag.“

„Hm ... vielleicht.“

„Außerdem wollte ich dir sagen, dass Takato gerade gekommen ist“ redete er aufmunternd weiter. „Er wollte dich wenigstens begrüßen.“

„Takato? Wollte der nicht schon viel früher hier sein?“

„Ja schon. Aber er hatte noch Ärger im Sender wegen der Übertragung, doch jetzt ist er hier. Er hat sogar seinen neuen Freund mitgebracht. Den musst du dir angucken!“ Er griff Noahs Arm, hakte sich ein und schleifte ihn einfach wieder mit zurück. „Ich dachte schon, er bleibt ewig Single, weißt du? Er ist ja immer so wählerisch, aber sein Neuer ist echt schnuckelig.“

„Findest du?“

„Ja, total. Ich freue mich für ihn. Er hat’s verdient, endlich einen Schatzi zu haben. Er hat erzählt, dass sie sich kennen gelernt haben, als er bei Takato im Geschäft ne neue Hifi-Anlage kaufen wollte. Er hat ihm erst nen Sonderpreis gemacht und danach sind sie was trinken gegangen. Süß, oder?“

„Na ja ... wie heißt er denn?“

„Öhm ...“ War ja klar. Klatsch und Tratsch konnte Jimmy sich immer merken, aber mit Namen hatte er es nicht so. Wahrscheinlich war alles so interessant gewesen, dass er das Wesentliche mal wieder vergaß. „Auf jeden Fall passen sie voll gut zusammen. Er ist viel kleiner als Takato und hängt immer an ihm dran. Richtig niedlich, wie verliebt er ist. Da sieht man sofort, wer der Uke ist.“

„Ach, du meinst, so wie bei dir und Enrico?“

„Wieso?“

„Weil Enrico doch der typische Seme ist. Da erkennst du wohl in Takatos Neuem gleich nen Seelenverwandten, was?“

„Hey, lass das“ kicherte er und piekte ihn gemein in die Seite. „Du bist doch auch Seme, also muss Takato ja wohl dein Seelenverwandter sein. Hach, so Semes sind doch ne feine Sache.“

„Vor allem, wenn jeder seinen eigenen hat“ mischte sich plötzlich auch Mokuba dazwischen, trennte die beiden und hakte sich selbst in Noahs Arm ein. Ganz fieser Angriff von hinten. Er mochte es einfach nicht sehen, wenn ein anderer an Noahs Arm hing. Vor allem nicht Jimmy! Egal, ob er jetzt verheiratet war, er war trotzdem Konkurrenz. Er war zu hübsch und zu ukig. Viel ukiger als Mokuba und er durfte die Leine seines Hasen ja nicht allzu lang lassen ... nicht, dass das irgendwann doch nach hinten losging.

„Mokuba ...“ Da war auch Noah einen Moment verdutzt. „Wo kommst du denn so schnell her?“

„Ich hab dich auch gesucht. Und dann flirtest du hier mit Jimmy rum.“

„Ich habe nicht geflirtet. Wir haben uns nur unterhalten.“

„Ja, natürlich. Und deswegen hältst du ihn auch im Arm.“

„Ich halte ihn nicht IM Arm, sondern er sich AN meinem Arm. Sei nicht ...“

„Das stimmt, Mokuba“ versuchte auch Jimmy zu retten. „Wie oft soll ich es noch beteuern? Ich baggere nicht an Noah rum.“

„Ja, weil ich immer rechtzeitig zur Stelle bin“ giftete er ihn mit blitzenden, kohleschwarzen Augen an. „Ich sag’s dir zum letzten Mal: Hände weg von Noah.“

„Mokuba, es ist gut jetzt“ bat der noch höflich, aber leicht angedunkelt. Er verstand es ja, dass sein Häschen schnell eifersüchtig wurde, aber das musste auch irgendwo eine Grenze haben.

„Dann lass es einfach.“ Typisch, Mokuba musste immer das letzte Wort haben. Es war doch wohl Noahs Fehler, wenn er mit jemand anderem in aller Öffentlichkeit flirtete. Da musste man auf der Hut sein, wenn man ihn behalten wollte. Außerdem vernachlässigte Noah ihre Beziehung in letzter Zeit auffällig häufig. Lieber klopfte Mokuba vorher alle Büsche ab, bevor da doch was drin war. Wenn das weiter so ging, musste er ernsthaft nachforschen, ob sein Hase wirklich so viel arbeitete oder ob da etwas anderes hinter steckte. Irgendeinen Grund musste es haben, dass er in letzter Zeit so schwer anzusprechen war.

Durch die Menge hatten sie sich schnell hindurchgemogelt und auch, wenn Jimmy vorging, machte er sich etwas klein. Er war hier Gast und sich mit Mokuba anlegen wollte er auch nicht. Dafür war er zu sehr Pazifist. Der jüngste Kaiba konnte unter Umständen ganz schön bissig werden und das wollte er nicht provozieren.

Da war es gut, dass sie schnell bei der angesteuerten Gruppe ankamen und er sich in Enricos Arme flüchten konnte. Da war es wenigstens sicher, denn Rico war groß und stark und würde sicher für ihn Partei ergreifen, selbst wenn er an Noahs Arm gehangen hatte - was für ein Glück, dass sein Mann nicht besonders eifersüchtig war, dafür war er viel zu selbstbewusst.

Aber dieses Thema kam gar nicht mehr zur Sprache, als Takato Noah gegenüberstand und dafür sogar sein angeregtes Gespräch mit Yugi unterbrach.

„Ich dachte schon, du kommst nicht mehr!“ lächelte Noah, als sie sich umarmten und sich freundschaftliche Wangenküsse schenkten.

Das allein passte Mokuba auch schon wieder nicht und dementsprechend dunkel schaute er die beiden auch an. Takato war für seinen Geschmack auch viel zu gutaussehend. Nicht wesentlich kleiner als Noah, kurzes, nach hinten geföhntes, brünettes Haar, eine kleine, spitze Nase und ein dazu passend spitzes Kinn, aber sein Gesicht war wirklich schön anzusehen. Im Allgemeinen war er relativ kräftig, durchtrainiert und dieser feine Nadelstreifenanzug stand ihm wirklich gut. Eigentlich zeigte nur beim näheren Hinsehen das kleine bisschen Make-Up auf seinem Gesicht, dass er ans andere Ufer gehörte.

„Das dachte ich auch“ meinte Takato und klopfte ihm kumpelhaft auf die Seite. „Aber als du noch einen Chauffeur geschickt hast, musste ich ja doch einen Zahn zulegen. Mensch, so Limousine könnte ich jeden Tag fahren. Und der Champagner war bestimmt auch nicht besonders preiswert.“

„Gehört alles zum Gesamtpaket“ nickte Noah. „Danke noch mal, dass du dich um das Handling mit den Medien gekümmert hast. Das hat uns wirklich viel Arbeit abgenommen.“

„Aber nein, ich muss mich bedanken. Hab ich bei Yugi auch schon getan“ lächelte er kurz zu dem herunter, bevor er Noah wieder ansah. „Diese Hochzeit öffentlich zu machen, ist doch wirklich eine der besten Gelegenheiten, unsere Flagge mal in den Wind zu halten und damit zu zeigen, dass wir nicht die sexbesessenen Homos sind, als die wir immer abgestempelt werden. Ich bin auf die Reaktionen in den nächsten Tagen gespannt. Bis jetzt schien es ja ganz gut aufgenommen zu werden.“

„Das hoffen wir doch. Danke auf jeden Fall, dass du dich da so engagierst.“

„Klar, gerne. Aber jetzt möchte ich dir gern jemanden vorstellen.“

„Ja, Jimmy hat schon erzählt, dass du einen neuen Freund gefunden hast.“

„Na ja, eigentlich hat er viel mehr mich gefunden“ schmunzelte er, griff nach hinten und zog seinen neuen Schatzi ein Stück nach vorne. Der hatte sich so brav hinter ihm versteckt, um nicht zu stören, doch jetzt wurde er trotzdem nach vorn gezerrt.

Und genau wie Jimmy erzählt hatte, sah man sofort, dass er das Ukelos gezogen hatte. Im Gegensatz zu Takato war er nämlich nicht besonders groß, eher mit Mühe 1,70 m und Noah sah auf den ersten Blick, dass der zwar schwul war, aber wohl noch nicht so lange geoutet. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit leuchtend weißem Hemd und der erste Schritt zur neuen Persönlichkeit waren wohl die paar Rüschen vorne, ein Kettchen um den Hals und zwei Ringe an den schlanken Fingern. Außerdem war das Ohrloch auch noch nicht ganz verheilt und noch etwas rot, aber er trug denselben Ohrring wie Takato. Mit seinen hellblauen Augen und den sichtlich dunkelrot getönten Haaren wirkte er aber trotzdem sehr hübsch. Vorher war er wohl eher ein unauffälliges Geschöpf, aber Takato war schon dabei, ihn sich zurechtzuschwulen. Immerhin musste sein Freund doch zu seinem Image passen und so jung wie er war, schien man aus ihm noch einiges herauskitzeln zu können.

„Das ist Yoru“ stellte er stolz vor. „Meine neue Eroberung.“

„Guten Abend“ lächelte Noah freundlich und schüttelte ihm die Hand.

„Guten Abend, Mr. Kaiba“ entbrachte er freundlich, aber auffällig nervös. Es wäre wohl für jeden ungewohnt, wenn man spontan in so eine Gesellschaft hineingeriet. Dass Takato der Leiter der Schwulen- und Lesbenvereinigung war, hatte er ja sicher gewusst. Aber sicher nicht, dass er als seine Begleitung auf so prominente Feiern eingeladen wurde.

„Du kannst ruhig Noah zu mir sagen. Takatos Freunde sind auch meine Freunde.“

„Natürlich, danke Noah ...“

„Und das hier ist mein Partner Mokuba“ stellte er das klammernde Etwas an seinem Arm vor.

„Hallo Yoru“ nickte er nur kurz zur Begrüßung. „Darf ich mal fragen, wie alt du bist?“

„Ähm ... warum?“

„Yoru ist 22“ antwortete Takato für ihn. „Er ist noch ein bisschen schüchtern. Das hier ist das erste Mal, dass wir als Paar auf eine offizielle Veranstaltung gehen.“

„Du bist noch nicht so lange geoutet, oder?“ fragte Noah freundlich nach.

„Nein“ musste er leicht rot zugeben. Also hatte er richtig getippt. Der Süße da war ein Frischling und konnte damit noch nicht so umgehen. Er wurde von Takato wohl so ziemlich ins kalte Wasser geworfen. Nicht umsonst war der große Vorsitzende als Schwulmacher bekannt. Er suchte sich ständig Leute, die er outen konnte. Das war seine auserkorene Mission: Sexuelle Befreiung für alle. Damals hatte er sich auch Jimmy angenommen und man sah ja, was für ein warmes Brüderchen dabei herausgekommen war. Aber es ging ihm gut damit. Umso schöner, dass er jetzt jemanden gefunden hatte, den er nicht nur missionieren, sondern auch lieben konnte.

„Ach, keine Angst. So schlimm ist das nicht“ sprach Jimmy ihm fröhlich zu. „Takato ist echt ein Schnuckel, mit dem hast du einen guten Fang gemacht.“

„Ich weiß“ antwortete er leise und schlug seinen beschämten Blick zu Boden.

„OH! Ist er nicht süß?“ quietschte Takato und musste ihn einfach knuddeln. „Er ist wirklich das süßeste Kerlchen von allen.“

„Hör auf, zu sagen, dass ich süß bin“ meckerte er leise, ließ sich aber trotzdem von ihm im Arm halten. Das war wohl auch noch ungewohnt, dass man sich jetzt als süß betiteln lassen musste.

„Aber wenn es doch so ist?“

„Komm schon, sei lieb zu ihm“ lachte Noah, als das Gesicht seines Süßen immer roter wurde. „Am Anfang ist das noch ungewohnt, also überfall ihn nicht gleich.“

„Ja ja, ich hab ja Verständnis“ seufzte er und ließ ihm wieder etwas freie Luft zum Atmen. „Aber ich war schon lange nicht mehr so verliebt. Am liebsten würde ich die ganze Zeit nur noch knuddeln.“

„Dabei ist er sonst gar nicht so kuschelig“ zwinkerte Noah. „Ich glaube, unser Takato entdeckt gerade selbst ganz neue Seiten.“

„Irgendwie ja. Aber ich liebe das“ schwärmte er. „So schnell wird mein Yoru mich nicht mehr los. Aber spätestens wenn er meine Schwester erlebt, wird er froh sein, dass er schwul ist.“

„Oh ja“ stimmte Mokuba auch mit großen Augen zu. „Du hast Takatos Schwester noch nicht kennen gelernt?“

„Nein“ gab der Kleine erschrocken zu. „Ich hab nur schon gehört, dass sie ...“

„Sag es ruhig, sie ist ein Mannsweib“ lächelte der Schwulmacher. „Sie ist ja nicht ohne Grund für den Lesbenteil des Vereins zuständig. Glaub mir, die sagt knallhart, was ihr in den Sinn kommt. Dagegen bin ich noch richtig zahm.“

„Ja, die ist echt heavy“ nickte Mokuba eifrig. „Sie ist ja ganz lieb, aber ziemlich laut.“

„Das muss auch ein hartes Los sein“ überlegte Yugi. „Wenn der Sohn schwul ist und die Tochter lesbisch. Was sagen denn eure Eltern dazu?“

„Takatos Eltern sind lieb“ antwortete Yoru vertrauensvoll. „Wir waren letztes Wochenende da und sie waren sehr freundlich. Sie haben mir sogar Tipps gegeben, wie ich es ... na ja, wie ich es meinen Eltern beibringen soll.“

„Ja, das ist bestimmt das Schwerste“ stimmte Yugi zu. „Aber du schaffst das sicher. Wenn du es richtig verpackst und es ihnen schonend sagst, dann verstehen sie es sicher. Wenn sie dich lieben, werden sie es verstehen.“

„Wie war das denn bei dir?“ wollte er ganz vorsichtig wissen. „Ich meine ... dein ... dein Mann ist ja auch nicht so ... gewöhnlich.“

„Ach, das wurde ganz toll aufgenommen“ lächelte Yugi. „Ich hab ja keine Eltern mehr, aber mein Großvater hat ganz toll reagiert. Weißt du, er wusste ja schon, dass mein großer Bruder mit einem Mann zusammenwar und da hat er bei mir niemals was dagegen gesagt. Eher im Gegenteil. Er hat Seto sofort für sich adoptiert.“

„Ja? Wirklich?“

„Ja, klar. Manchmal geht Seto ihn auch einfach mal so besuchen. Die beiden mögen sich wirklich. Schade, dass Opa schon nach Hause gefahren ist, sonst könnte er dir auch was erzählen. Aber er ist ja nicht mehr der Jüngste, weißt du?“

„Na ja, gerade dann. Ist das nicht eher die ältere Generation, die ... na ja, so einen Lebensstil ... nicht so ... gut findet?“ Wie schüchtern er sich die Worte zurechtkramte. Er wollte nichts Falsches sagen und so frei über seine Partnerwahl zu sprechen, fiel ihm sichtlich schwer.

Doch den anderen, selbst Takato fiel das extrem ins Auge, dass er mit Yugi ganz anders sprach. Sonst war er immer so schüchtern und hielt sich eher noch zurück. Als würde er in Yugi ganz plötzlich Vertrauen haben und das Gefühl, über alles mit ihm sprechen zu können. Kein Wunder, der Zwerg sah nicht besonders bedrohlich aus und war ein sanfter Gesprächspartner. Es war leicht, mit ihm eine Konversation zu finden.

„Och, mein Opa ist da wirklich klasse“ lächelte er. „Das war er schon immer. Er hat mir die Sache leichter gemacht als ich mir selbst. Ich weiß noch, als ich ihm Seto das erste Mal als meinen Freund vorgestellt hab. Ich hab vorher schon mit ihm über vieles gesprochen und so wusste er, was auf ihn zukam. Er hat extra für uns gekocht und seine berühmte Schokotorte gemacht. Damit hat er sich in Setos Herz gekocht und als Seto ihm am Abend sogar seinen Computer neu einrichten konnte, waren die beiden die besten Freunde. Glaube mir, Vorurteile sind das Schlimmste, was es gibt. Mein Opa ist überhaupt nicht alt und verkorkst und Seto ist nicht so ein harter Kerl wie man meint. Sind deine Eltern denn vorurteilsbehaftet?“

„Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht“ antwortete er offen. „Wir haben nie über solche Dinge gesprochen. Weißt du, ich komme aus einer ziemlich bürgerlichen Familie und sie sind zwar in vielen Sachen sehr offen, aber ich weiß nicht ... na ja, wie das ‚da’ so aussieht. Ich hab schon ein bisschen Angst davor, sie zu besuchen.“

„Ich glaube, das brauchst du gar nicht“ sprach Yugi ihm gut zu und die anderen überließen ihm einfach das Feld. So viel wie jetzt hatte Yoru ja den ganzen Abend noch nicht gesprochen. Er wagte sich sogar aus Takatos Armen hervor, als Yugi auf ihn zutrat und mit ihm sprach. Anscheinend hatte der kleine Pharao irgendetwas an sich, was ihn vertrauenswürdig machte. „Schau mal, dein Takato ist doch ein ziemlich hübscher Kerl, oder?“

Yoru nickte nur und wurde wieder etwas rot auf den Wangen. Doch ja, seinen Schatz fand er schon ziemlich hübsch.

„Siehst du? Außerdem ist er doch auch sehr gebildet und hat als Verkäufer einen guten Job. Er engagiert sich in einer sozialen Einrichtung und weiß sich zu benehmen. Warum sollten deine Eltern ihn nicht mögen?“

„Na ja ... ich weiß nicht?“

„Ich glaube, das mit euch beiden wird was“ zwinkerte er ihm ganz lieb zu. „Das hab ich im Gefühl. Ich kenne euch zwar nicht so gut, aber Mokuba hat mir schon viel Gutes über Takato erzählt. Mit dem machst du dein Glück, ganz bestimmt.“

„Ja ... bestimmt“ flüsterte er und schaute verliebt an seinem Schatz hoch. Der war auch ganz ruhig geworden und ließ seinen schüchternen Yoru einfach reden. Es war doch nur gut, wenn er jemanden gefunden hatte, mit dem er sprechen konnte.

Die beiden hätten bestimmt auch noch sehr gut weitergeredet, wäre nicht plötzlich Nika bei ihnen aufgetaucht und hätte Yugi am Arm gezogen.

„Sorry“ schnaufte sie ganz außer Atem.

„Was ist denn?“ guckte Yugi sie erschrocken an. „Was rennst du hier so rum?“

„Yugi, du musst dem ein Ende setzen“ flehte sie. „Yami räumt das Büffet auf und Seth ist mit Mokeph Zigaretten holen. Bitte, bring da irgendwie Ruhe rein. Auf uns hört er ja nicht.“

„Was soll das heißen, er räumt auf?“

„Er schüttet alles zusammen, was zusammen gehört.“

„Oh je ...“

„JA GENAU! Wenn Seth nicht da ist, wen sollen wir denn sonst fragen?“

„Entschuldige bitte“ bat Yugi noch schnell zu Yoru. „Ich muss mal eben meinen großen Bruder bändigen. Wir sehen uns bestimmt später irgendwie noch mal.“

„Ja, hoffentlich“ lächelte er zurück und schon war Yugi mit Nika in der Menge verschwunden, um das Büffet davor zu retten, neu sortiert zu werden. Das war so klar! Wenn Seth weg war, wurde Yami schnell langweilig und er suchte sich andere Betätigungsfelder. So etwas gehörte unter Aufsicht gestellt!

„Yugi ist sehr nett“ befand Yoru zufrieden. „Ob sein Bruder auch so ist?“

„Yami? Um Gottes Willen!“ lachte Mokuba. „Nein, die beiden sind was das angeht ziemlich verschieden. Wenn du bei Yami das Thema Sex anschneidest, läufst du Gefahr, eine persönliche Lehrstunde zu bekommen. Glaube mir, das wünschst du dir nicht. Außerdem ist Yugi auch nicht das, was er scheint.“

„Wie? Er schien doch ganz nett ... oder nicht?“

„Doch, nett ist er“ schmunzelte der Wuschel ziemlich breit. „Aber er ist ein ziemlicher ... wie hat Yami das noch ausgedrückt? Ein kleiner Super-Seme.“

„Was?!“ Das schockte den armen Yoru doch jetzt wirklich. „Yugi ist ...?“

„Seme, jupp“ grinste er noch breiter. „Das hast du nicht gewusst? Yugi liegt immer oben.“

„Nein, du verarscht mich doch!“

„Doch, ehrlich. Mein großer, böser Bruder ist Yugis kleiner Uke. Kannst du mir ruhig glauben. Yugi ist ziemlich durchsetzungsfähig und dominant. Der hat den Drachen total unter Kontrolle und wenn er nur dreißig Zentimeter größer wäre, würde er wohl auch anders wirken. Nur weil er so klein ist, sollte man ihn nicht als Uke abstempeln, denn er ist wirklich alles andere als das.“

„Aber Yugi und Seto haben sich gesucht und gefunden“ meinte Noah. „Yugi ist nur so ein Oberseme, weil Seto auch der Oberuke ist. Die haben sich gegenseitig geformt. Das bezieht sich ja nicht nur aufs Schlafzimmer, sondern aufs ganze Zusammenleben. Seto ist ziemlich anspruchsvoll, aber letztlich hat immer Yugi das letzte Wort in allem.“

„Wir haben sogar das Beweisfoto“ grinste Mokuba. „Seto hatte beim Torteschneiden die Hand unten. Das sagt doch wohl alles.“

„Es ist nicht immer alles so wie es scheint“ lächelte James ihn lieb an. „Als ich Rico zum Beispiel diesen Sommer kennen gelernt habe, da hat er gleich gesagt, dass er kein Interesse an Männern hat. Und nicht mal drei Monate später wollte er mich plötzlich heiraten.“

„Dann bist du ja auch noch nicht so lange schwul“ stellte Yoru erstaunt fest.

„Ich?“ lachte Enrico ungläubig. „Ich bin überhaupt nicht schwul. Bestimmt nicht!“

„Aber ... du ...?“

„Ich bin durch und durch hetero. Ich schwöre es dir.“

„Das stimmt“ argwöhnte Jimmy skeptisch. „Ich hab neulich einen Playboy in seinem Koffer gefunden. Und der hatte ein aktuelles Datum.“

„Musst du das jedem erzählen, James?“

„Ja, muss ich“ stritt er zurück. „Du bist verheiratet! Wieso kaufst du dir dann solche Heftchen?“

„Na komm, der Playboy ist kein Heftchen.“

„Ach, jetzt sag nur, du liest das wegen den interessanten Artikeln da drin?“

„Sage ich ja gar nicht. Ich habe mir den gekauft, weil ich das Cover schön fand und mir auch die anderen Bilder ansehen wollte. Die sind wirklich gut geworden und das Fräulein darauf ist doch wirklich herzeigbar.“

„Du siehst, es ist nicht alles, wie es scheint“ schlichtete Noah. „Enrico ist mit nem Mann verheiratet, ohne richtig schwul zu sein. Oder frag mal Mokuba. Der hat nie darüber nachgedacht, in welches Lager er gehört.“

„Das musste ich auch nie“ erzählte der. „Seit ich 14 bin, bin ich in Noah verliebt. Jetzt bin ich 23 und liebe ihn immer noch. Die Frage nach der Ausrichtung stellte sich da nie wirklich, denn jemand anderes außer Noah kam nie in Frage. Und dass er schwul ist, wusste ich von Anfang an. Aber ein Problem war das nie.“

„Moki war mein erster Freund, meine erste Liebe“ lächelte er seinen süßen Wuschel verliebt an. „Der erste und einzige Mann in meinem Leben.“

„Das hättest du jetzt nicht gedacht, was?“ lachte Enrico, als er Yorus verwirrtes Gesicht sah. „Aber soll ich dir mal den größten Hammer erzählen zum Thema ‚Es ist nicht alles, wie es scheint’? Hast du die Frau eben gesehen, die Yugi abgeholt hat?“

„Die Schwarzhaarige?“ zeigte er verdutzt in die Menge. „Warum? Ist sie lesbisch? So sah sie gar nicht aus.“

„Nein, sie ist nicht lesbisch“ sprach er heiter weiter. „Sie ist verheiratet und bereits Mutter einer kleinen Tochter. Aber kannst du dir vorstellen, dass sie mal so aussah wie ich?“

„Wie? ... Wie du? ...“

„Nika ist meine Halbschwester, aber als sie noch Nikolas war, war sie mein Halbbruder. Sie hat erst dieses Jahr ihre OP gehabt und ist auch offiziell eine Frau. Soviel zum Thema.“

Das setzte dem doch jetzt die Krone auf. DAS hätte er nicht gedacht. Erst die Verwirrung darüber, dass der freundliche, kleine Yugi der große Seme war und jetzt war die schönste Frau im Raum mal ein Mann gewesen ... vieles war nicht so wie es schien.

„Aber ...“ fragte er vorsichtig. „Ist ihr das nicht unangenehm, wenn du das so einem Fremden erzählst?“

„Also erst mal bist du ja nicht fremd. Takato ist ein Freund von Jamey, also bist du als sein Partner auch mein Freund und als mein Freund bist du auch Nikas Freund. Und zweitens macht sie da kein großes Geheimnis drum. Sie ist nämlich auch der Auffassung, dass sie mit ihrem Beispiel zeigen möchte, dass auch ‚unnormale’ Dinge ganz ‚normal’ sein können, wenn sie im richtigen Licht gesehen werden. Natürlich bindet sie das nicht jedem auf die Nase und das tue ich ja auch nicht. Aber ich habe das Gefühl, du bist ja schon offen für so etwas, oder?“

„Na ja ...“

„Also, jetzt ist es aber wirklich gut“ lächelte Takato und nahm seinen Süßen schützend in seine Arme. „Ich wollte ihn vorstellen und nicht schocken lassen.“

„Sorry“ lachte Mokuba ihn lieb an. „So sind wir nun mal. Wir sind schon ein Freakverein, das wissen wir. Pass auf, dass du uns nicht zu nahe kommst, das ist ansteckend.“

„Ich weiß auch was, was ansteckend ist.“ Jimmy grinste bis über beide Ohren, aber die übrigen standen einen Moment auf dem Schlauch.

Sie sahen ihn an ... sahen ihn an ... sahen ihn an ... bis der Wasserstau im Schlauch mit einem BÄNG platzte.

„JIMMY!“ rief Takato überwältigt und umarmte ihn sofort. „Denkst du dasselbe wie ich?“

„Ich glaube schon!“

„Warum? Was denn?“ wollte auch Noah wissen.

„Noah?“ grinste Takato ihn breit an. „Hast du heute deinen Regenschirm dabei?“

„Natürlich nicht“ antwortete Mokuba für ihn. „Draußen ist glühend heißer Sommer. Noah braucht keinen Regenschirm.“

„Sehr schön“ zwinkerte Jimmy und Noah musste doch etwas verzweifelt lächeln.

„Moki“ seufzte Enrico tief. „Ich glaube, das war ein Insider.“

„Nein“ flehte Noah dann ängstlich, als Jimmy ihn auch weiter so unheilverheißend anblickte. „Ich war angetrunken an dem Abend.“

„Egal!“ sprachen Takato und Jimmy wie aus einem Munde.

„Komm schon, du kannst toll singen und tanzen“ bettelte Jimmy. „Bitte! Bevor ich nach Portugal in mein Kaff zurückmuss.“

„Du willst es doch auch“ griente Takato verschwörerisch. „Komm schon, Noah. Zur Feier des Tages. Oder müssen wir dich erst wieder abfüllen?“

„Ihr gebt ja doch keine Ruhe, oder?“

„Genau!“ Und schon wurde Noah links und rechts an den Armen gegriffen und weg geschleift.

Zurück blieben Mokuba, Enrico und der kleine Yoru und wussten nicht, was jetzt überhaupt Sache war. Ihre Liebsten waren ja wohl ein eingeschworenes Trio, da konnte man schlecht mithalten.

„Tjaaaa“ streckte Enrico sich weit nach oben zur Entspannung. „Was machen wir jetzt? Tanzen oder Trinken?“

„Trinken“ plädierte Mokuba. „Oder Yoru?“

„Ähm ... ja, wenn ihr mich mitnehmt.“

„Klar doch, aber dann nicht ans Büffet. Wer weiß, ob Yugi den Kampf gewinnen konnte. Gehen wir an die Bar. Da gibt’s bestimmt auch Zigaretten.“

„Ich denke, du willst Arzt werden?“ stichelte Enrico, während sie beide zusammen den schüchternen Yoru unter ihre Fittiche und mit in Richtung Bar nahmen. „Warum rauchst du dann? Das ist kein gutes Beispiel.“

„Bei mir ist das was anderes. Mir schadet das nicht“ zwinkerte er. Enrico wusste schon, warum ihm das nicht schadete. Es gab schwerlich irgendwelche Substanzen, welche einem Heilhexer schaden konnten. Solange er nicht fünf Schachteln am Tag vernichtete, blieb er kerngesund.
 

„COOL! COOL! JAAAAA! STRIPTEASE!!!” schallte Yamis Stimme durch den Saal und seine Hände klatschten laute Anfeuerung. Anscheinend hatte er etwas Interessanteres als die Büffetneuordnung gefunden.

Die Musik sollte eigentlich nur eine kurze Pause machen, um dann gleich weiter laut aus den Boxen zu schallen, aber da kam nichts mehr.

Auf der improvisierten Bühne ging ein Spotlight an und da standen die drei Ausgebüchsten. Noah ganz links, Jimmy in der Mitte und Takato ganz rechts. Die drei Oberschwulen vom Dienst vor aller Augen.

„Hi! Hi! Hi!“ sprachen sie nacheinander laut in die Mikros, welche vor ihnen standen.

„We are your weathergirls“ grinste Jimmy. „And we have good news for you!”

„Better listen!” griente Takato und langsam setzte auch die altbekannte Musik an, die ja wohl jeder schnell zuordnete.

„Get ready all you lonely boys and leave those umbrellas at home!” rief Noah und wie eine geübte Boygroup streckten sie alle ihre Hände in die Höhe und läuteten mit einem einhelligen

„ALL RIGHT!“ den Höhepunkt der Party ein.

Und natürlich begannen sie zu singen. Der DJ hatte das richtige Lied, sogar in Karaoke-Version und machte ihnen die Sache mit dem richtigen Pop-Licht ein wenig schmackhaft.

Sie sahen schon prima aus, zwei Semes und in ihrer Mitte ein kleiner Uke. Bekennend schwul und stolz darauf.
 

**Heute schon Wetterbericht gehört?**

** http://youtube.com/watch?v=lkJEOoK-51s **
 

„Feeling is rising - uh rising!

Das Gefühl steigt auf - oh, so hoch!

Barometer's getting low - how low boy, uh-oh!

Das Barometer fällt - so tief, Jungs! Oh oh!

According to all sources - what sources now!

Allen Quellen nach - und was für Quellen!

The street's the place to go - we better hurry up!

Man sollte auf die Straße gehen - wir sollten uns beeilien!

'Cause tonight for the first time - first time!

Denn heute Nacht zum ersten Mal - zum allerersten Mal!

Just about half past 10 - half past 10!

Genau um halb elf - um halb elf!

For the first time in history

Zum ersten Mal in der Geschichte

It's gonna start raining meeeeen!

Wird es Männer regnen!“
 

Die ruhige Musik endete und mit einem Knall gingen die bunten Scheinwerfer an, die Discokugel begann sich zu drehen und die drei legten einen so dermaßen mitreißenden Gruppentanz auf die Bretter, dass spätestens jetzt jeder im Raum hinsah.

Das passte doch wirklich mal zur ersten Homo-Hochzeit der Stadt. Eine ganz persönliche Wettervorhersage von den Stammgästen der Schwulenclubs, die noch immer im Untergrund kräuchelten, jetzt nach oben getragen und für alle visuell dargestellt wurden.

Und Spaß hatten die drei auch noch dabei. Sie griffen sich ihre Mikros und sangen fast lauter als der DJ die Musik drehen konnte.
 

„It's raining men, Hallelujah!

Es regnet Männer, Hallelujah!

It's raining men, Amen!

Es regnet Männer, Amen!

I'm gonna go out, I'm gonna let myself get

Ich muss nach draußen, ich lasse mich anlachen

Absolutely soaking wet

Absolut triefend nass

It's raining men, Hallelujah!

Es regnet Männer, Hallelujah!

It's raining men, every specimen

Es regnet Männer, alles Ansichtsexemplare

Tall, blond, dark and lean

Groß, blond, dunkel und schlank

Rough and tough and strong and mean!

Rau und hart und stark und zeigbar!“
 

Die Menge der Gäste begann, ihnen zuzujubeln, klatschte im Takt mit den Händen oder einige sangen sogar laut mit.

Und die drei hatten wirklich überhaupt keine Skrupel, sich so richtig auszuleben. Na und? Sie waren halt schwul und warteten auf einen Männerregen! War doch alles prima! Und Spaß machte es auch.

Wirkliche Tanzschritte hatten sie zwar nicht, aber dafür echte Entertainingqualitäten. Sie rissen alle anderen mit, sangen laut und klar und meinten, was sie sangen. Sie feuerten alle anderen zum Mitmachen an und tanzten umeinander, unterhielten ihr Publikum.

Ja, man konnte sich richtig vorstellen, wie die drei zusammen auf Clubtour gingen und sich in den Nachtbars bei Gleigesinnten amüsierten, die Konservativen missionierten mit ihrer lebenslustigen, starken Art.
 

„God bless Mother Nature

Gott sengne Mutter Natur

She's a single woman too

Sie ist doch auch nur eine Frau

She took on the heavens

Sie nahm sich den Himmeln an

And she did what she had to do

Und tat, was sie tun musste

She fought every angel

Sie kämpfte gegen jeden Engel

She rearranged the sky

Sie schuf den Himmel neu

So that each and every man

So dass jeder einzelne Mann

Could find the perfect guy!

Den perfekten Typen finden kann!
 

It's raining men, Hallelujah!

Es regnet Männer, Hallelujah!

It's raining men, Amen!

Es regnet Männer, Amen!

It's raining men, Hallelujah!

Es regnet Männer, Hallelujah!

It's raining men, Amen!

Es regnet Männer, Amen!“
 

Die Musik wurde wieder ein wenig leiser, ein wenig verheißungsvoller.

Das Licht dunkler und ihre Stimmen tiefer.

Die Luft kribbelte, als sie ihre Köpfe zusammenrotteten und jeder wartete nur noch auf den großen Knall. Die Musik war so quälend ruhig, dabei wollte jeder nur noch laut mitsingen bei Noah und seinen beiden Freunden.
 

„I hear stormy weather movin' in

Ich höre stürmisches Wetter auf uns zukommen

'Bout to break it, about to begin

Gleich beginnt es, gleich bricht es herein

Hear the thunder, don't you lose your head

Höre den Donner, verliere jetzt nicht den Kopf

Rip up the roof and stay in bed - rip up the roof and stay in bed!

Reiß das Dach ein und bleib im Bett - reiß das Dach ein und bleib im Bett!”
 

Endlich kamen sie zum großen Finale, drehten noch mal richtig auf. Getragen von dem Jubeln der Menge gaben sie alles, sangen bis ihre Stimmen sich überschlugen und ihr Lachen war so ehrlich.

Sie hatten Spaß an sich und ihrem Leben und das übertrug sich auch auf alle anderen. Das bunte Licht, die lebensfrohe Musik und dieses gewisse Etwas, was heute Abend in der Luft lag. Es passte einfach alles zusammen.
 

„God bless Mother Nature

Gott sengne Mutter Natur

She's a single woman too

Sie ist doch auch nur eine Frau

She took on the heavens

Sie nahm sich den Himmeln an

And she did what she had to do

Und tat, was sie tun musste

She fought every angel

Sie kämpfte gegen jeden Engel

She rearranged the sky

Sie schuf den Himmel neu

So that each and every man

So dass jeder einzelne Mann

Could find the perfect guy!

Den perfekten Typen finden kann!
 

Feeling is rising - uh rising!

Das Gefühl steigt auf - oh, so hoch!

Barometer's getting low - how low boy, uh-oh!

Das Barometer fällt - so tief, Jungs! Oh oh!

According to all sources - what sources now!

Allen Quellen nach - und was für Quellen!

The street's the place to go - we better hurry up!

Man sollte auf die Straße gehen - wir sollten uns beeilien!

'Cause tonight for the first time - first time!

Denn heute Nacht zum ersten Mal - zum allerersten Mal!

Just about half past 10 - half past 10!

Genau um halb elf - um halb elf!

For the first time in history

Zum ersten Mal in der Geschichte

It's gonna start raining meeeeen!

Wird es Männer regnen!“
 

Bei den letzten Zeilen sang der ganze Saal mit, klatschte und hüpfte.

Die drei hatten es wirklich drauf, den Leuten einzuheizen und sie mitzureißen. Egal, ob man nun schwul war oder nicht, man fühlte sich in diesem Moment einfach zugehörig. Die Musik rann bis unter die Decke und zu den offenen Fenstern hinaus. Das Licht so hell und wild wie die wilden Drei auf der Bühne.
 

„It's raining men, Hallelujah!

Es regnet Männer, Hallelujah!

It's raining men, Amen!

Es regnet Männer, Amen!

It's raining men, Hallelujah!

Es regnet Männer, Hallelujah!

It's raining men, Amen!

Es regnet Männer, Amen!

It's raining men, Hallelujah!

Es regnet Männer, Hallelujah!

It's raining men, Amen!

Es regnet Männer, Amen!

It's raining men, Hallelujah!

Es regnet Männer, Hallelujah!

It's raining men woah woah woah woah woah woah, Amen!

Es regnet Männer woah woah woah woah woah woah, Amen!

It's raining men - tall and blond and dark and lean

Es regnet Männer - groß und blond und dunkel und schlank

It's raining men - and rough and tough and strong and mean

Es regnet Männer - und rau und hart und stark und zeigbar

It's raining men - come on! - Hallelujah!

Es regnet Männer - kommt schon! - Hallelujah!

It's raining men, Amen!

Es regnet Männer, Amen!”

Kapitel 21 bis 25

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Kapitel 26 bis 30

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Kapitel 31 bis 35

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Kapitel 36 bis 40

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Kapitel 41 bis 45

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Kapitel 46 bis 51 (Ende)

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Kommentare zu dieser Fanfic (13)
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Von:  Kaia16
2007-05-19T16:30:16+00:00 19.05.2007 18:30
Hi
Also ich bin Faul ich geb es zu. ich möchte nicht zu allen teilen was schreiben sonst fallen meine Finger ab, also dachte ich mir dieser teil ist das beste mittel *g*
Also was kann man alles zu dieser FF sagen?? Ich finde sie einfach klasse. Auch wenn sie so lang ist wierd sie nicht langweilig, sondern nur besser. Du übertriffst dich immer wieder selbst. Viele FF's werden langweilig, oder ziehen sich hin wie Kaugummi und man hat keine lust mehr zu lesen, aber hier trifft das auf kein einziges Wort zu. Ich freue mich schon jetzt riesig auf den nächsten teil und ish hoffe nur Seth stirbt nicht oder so, aber da muss ich wohl noch etwas abwarten. Also im großen und ganzen möchte ich einfach meine Bewunderung für dein erstklassiges werk aussprechen.
Meinen Respekt hast du längst

Deine teuer(und faule)
Kaia
Von:  Bra
2007-03-12T16:24:55+00:00 12.03.2007 17:24
Moin
Ich find deine FF immer wieder geil.Die hat auf meinen Computer schon fast 2 MB drauf.
Ech krass.
Schreib ganz schnell weiter.
Das Ende war echt gemein. Mich so auf die Follter zu spannen.
Hab dich ganz doll lieb. Dein größter Fan. Bra
Von: abgemeldet
2007-01-31T23:15:42+00:00 01.02.2007 00:15
Ersteinmal: WOW. Ich liebe deine FF's und weiß noch immer nicht, wo du all deine Ideen herhast XD Aber egal, von wo- Hauptsache, da gibts noch mehr^^
Zum Ende: . . .wie Unfair. Ich hab mir in den Arsch gebissen, weil ich so frustriert war. Ich möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht...

LG
*plü*
Atü~

P.S. Deine Schleichwerbung von Nika war so gut, das ich vor lachen vom Stuhl gefallen bin^^
Von:  Lillyko
2007-01-06T22:21:25+00:00 06.01.2007 23:21
Hi mein liebes knuddeliges wuddeliges Masu!
Ich hab es gerade ausgelesen und muss erst noch mal eine Nacht drüber schlafen! eins erstmal: es war wieder super!!!!!!
Du kriegst dann wieder eine E-mail, wenn ich etwas wacher bin, so wie du es gewöhnt bist! du schnuckel!!!



Aber das ende!! *aaaaaaaaaaaaaaahhhh*
was macht du denn mit dem armen Seth und seinem dunkeln Papa Seth! *buwäääääääääääääääääh*
okay, ich muss aufhören, also bis bald!!!
*knuddlwuddl*gnuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuts*
*leise schnief*
dat Lillyko
Von:  Darina
2006-12-26T15:29:17+00:00 26.12.2006 16:29
Hi!
Ich bin fertig!! Und ich bin absolut begeistert. Sag mal hast du am Anfang nicht gesagt, dass man keine Taschentücher braucht? Musst doch aufstehen und welche holen!
Du hast mal wieder einfach alles über den haufen gekehrt, weißt du das! Es war immer klar, das Seth und Ati sich lieben und jetzt tickt Seth so aus. Bin echt mal gespannt, was der jetzt genau hat.
Und ganz toll!!! Noah hat endlich eine eigene Familie. *sichfürihnfreu* Und dann auch noch so eine liebe Schwester. Deine Drachenfamilie wird immer größer! Wenn die alle bei Kaibas einziehen wollen, müssen die ja noch anbauen. Und überall sind kleine Kinder! Ich find das so süß, wie die reden, oder wie Tato mit seinem Windelpacket durch die Gegend rennt.
Nur das Ende ist ja doof. So mitten im Satz eigendlich. Ich freu mich schon auf die Fortsetzung!
Also einen dicken Knutsch für Masu für das tolle Weihnachtsgeschenk (auf die Geschichte deut)
Liebe Grüße
~ Rina
Von:  Lillyko
2006-12-02T18:24:54+00:00 02.12.2006 19:24
Hi mein kleines Masu!
Ich muss als erstes sagen, ich bin noch nicht durch, nicht mal annährernd. ich würde ja gern, aber die zeit fehlt mir. Trotzdem möchte ich schon mal meinen senf dazugeben:
Er ist wieder da, ich liebe dich dafür! *seto hinterher düs und ihn knuddln will*

Ich bin voll begeistert und ich freunde mich auch damit an, das seth sich so einen coolen bart stehen lässt! Yugis und Setos wiedersehen war toll. Bye the Way, als er in der Küche aufgetaucht ist und Ati ihn gefragt hat ob er ihn küssen kann war ich begeistert von seiner reaktion. Sie haben ja schon bei im letzten teil etwas zueinander gefunden. (*auf die eine Bettszene deut*) Ich bin froh, dass sie sich endlich wieder besser verstehen!
Sehr wichtig und super umgesetzt fand ich auch das Mokuba endlich einen Standpunkt zu seiner Mutter bezogen hat, ich hatte schon lange drauf gewartet, aber du hast das super gemacht! es ist absolut nachzuvollziehen das er so empfindet *ihn mal drückt* der arme kleine hat ja auch soviel mitgemacht, das ist gegen seto nur immer untergegangen. Die beiden sind echt tolle brüder! Man muss sie einfach lieb haben.
Ich werd mal noch sehen wie sich das mit Mie und Seth entwickelt...
Ich bin, wie ich schonmal geschrieben habe, absoluter Verfächter von Atemu und Seth und ich finde das sie (zumindest in deiner fantastischten Saga) einfach zusammengehören!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
aber ich mag die Mie eigentlich auch sehr gern und wichtig ist das die drei mit der Situation klar kommen. Ich werde noch ein bisschen weiterlesen, bevor ich dazu stellung beziehe, du hast ja in deiner subtilen Art *auf die spoilerwarnung deut* so kleine andeutungen gemacht!
Bis bald (je nachdem wie ich voran komme mit lesen *schnüff*)
freue mich auch auf mehr von "Gras", das Ende des 29. Kapitels ist so..... Hilfääääääääääääääääääää Seth komm und rette ihn!!
Also fühl dich geknuddlt und geknutscht!
Liebe Grüße, dat Lillyko
Von:  Onagadori-sama
2006-11-30T14:50:33+00:00 30.11.2006 15:50
Yeah!! Ich bin die erste Schreiberin!! ^^v Mir gefällt dieses Kapitel einfach am besten!!!! ^-^c
Von: abgemeldet
2006-11-27T13:23:07+00:00 27.11.2006 14:23
Da du mir ja netter Weise eine Mail geschickt hattest, konnte ich es heute zuende lesen ^-^
Hoffe du schickst mir auch den nächsten Teil.

So, nun aber zu meinem Kommi:
Das war wieder mal wieder ein toller Teil. Ich bewundere dich echt. Allein die ganzen Ideen und wenn ich dann auch noch bedenke, wie lang jeder Teil ist. Also ich hätte schon längst die Lust daran verloren.
Aber mit einem du hattest unrecht: Meine Augen wurden an mehreren Stellen feucht.
Einmal, als Yami und Seto am Meer mit einander geredet haben, dann natürlich bei der Hochzeit, als Noah im Krankenhaus operiert wurde und als Joey nach der Geburt seiner Tochter nach Hause gekommen ist. Aber ich habe auch viel geschmunzelt und gelacht ^-^ Süß fand ich auch jetzt zum Schluss, wo Mama-Seto im Kindergarten war ^o^
Außerdem finde ich es auch besonders niedlich, wenn Seto mit den Kindern zusammen ist. Und an Tato hab ich sowieso einen Narren gefressen, schon seit er das aller erste Mal aufgetaucht ist. Hach so ein süßes, freches und kuschel-knutsch-verrücktes Drachenbaby.
Was mich nur ein bisschen stört ist, dass Joey und Narla auch ein Mädchen haben. Kein Wunder, wenn Tato mal ein richtiger Playboy wird, bei dem Harem der sich da um ihn versammelt.
Aber niedlich scheint Klein-Joey doch zu sein, auch wenn man von ihr noch nicht viel gehört hat. Feli is natürlich auch ne süße Maus. Könnten Mokeph und Tea nicht doch noch nen Jungen bekommen. So als Spielkamerad für Tato, denn als Junge nur unter Weibern is nich toll, dass kenn ich von nem Klassenkameraden.
Im Großen und Ganzen, mag ich alle Charakter, die neu dazu gekommen sind. Außer diese Mrs. I-sowieso. Ich mag sie nicht, also merk ich mir ihren Namen auch nicht.
Jetzt will ich nur noch wissen, was mit Seth los ist und die Stimme, war doch garantiert der Gott Seth. Was hat der nur wieder vor. Das muss ich echt wissen. Ich warte zwar gerne, bis du fertig bist, aber ich hätte nichts dagegen, wenn es schnell geht ^-^


Tja, mehr weiß ich nicht zu sagen ^o^

Bey, bey, dein wartender Fan Tina ^^
Von:  Allmacht
2006-11-26T17:00:34+00:00 26.11.2006 18:00
Hi!
Erst mal danke, dass ich Teil 12 als Mail zugeschickt habe bekommen. Ich muss sagen: PHÄNOMENAL!!!
Du hast die Story wunderbar weiterentwickelt. Ich weiß, dass du überlegst, die Geschichte enden zu lassen, aber ich muss sagen, es wäre schade.
Die Figuren in diesem Teil werden immer erwachsener. Seto scheint auch immer besser drauf zu sein. Schade war natürlich das mit Narlas Baby. Ich hoffe doch, dass Seth zurückkommt. Lass ihn ja nicht sterben (*droh, lach*). Mein einziger Kritikpunkt an der Geschichte: Sethos. Ich weiß ja, dass er nichts auf der Erde tun darf, aber innerhalb der Familie hätte er dennoch etwas aktiver sein können.
Ich hoffe, dass du dich entschließt, die Geschichte nicht mit dem nächsten Teil enden zu lassen.
Würd dir auf die Geschichte auf alle Fälle eine 1+ verpassen.
lg Julia
Von:  Onagadori-sama
2006-11-26T16:48:54+00:00 26.11.2006 17:48
O.O KOMMT SETH ZURÜCK????? D E R SETH? DER GOTT S E T H???
^^ Ich hoffe es! Ich liebe diesen Kerl!!

Der neue Seto Muto gefällt mir auch sehr gut! Und Ilani war einfach nur zum brüllen komisch in dieser STory! Einfach nur niedlich! Schade das ich sie nicht mehr so mag wenn sie größer wird. Dieses kleine Mädchen ist doch eigentlich total niedlich!

Ansonsten... -.- Ich will mal endlich einen coolen Kampf von Seto sehen, so als Drachenmagier... mir egal mit wem, aber du beschreibst diese SEzenen auch so immer ganz gut, ich will mal sehen wie er kämpft und so richtig abgeht wie Müllers Mieze!!


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