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Anime Evolution: Nami

Vierte Staffel
von

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Große Wellen

Prolog:

„Daness Flight eins neun eins, sie sinken zu tief. Überflüge über die Hauptstadt dürfen nur bis einhundert Kilometern Höhe erfolgen.“

„Bodenkontrolle, hier Daness Flight eins neun eins. Wir korrigieren.“

„Daness Flight eins neun eins, wir sehen keine Veränderungen. Korrigieren Sie Ihren Sinkflug.“

„Bodenkontrolle, hier Daness Flight eins neun eins. Wir korrigieren bereits.“

„Daness Flight eins neun eins, Sie befinden sich jetzt über der Hauptstadt. Drehen Sie ab und nehmen Sie mehr Höhe auf.“

„Bodenkontrolle, hier Daness Flight eins neun eins. Wir… Was zum…“

„Bodenkontrolle! SCHIEßT UNS AB! VERDAMMT, SCHIEßT UNS AB! WIR… ARGH!“

„Daness Flight eins neun eins, was ist passiert? Daness Flight eins neun eins, was ist passiert? Antworten Sie! Ich sende Hilfskreuzer in Ihre Richtung! Sie… Bei allem was mir heilig ist… Daness Flight eins neun eins, das ist nicht euer Ernst! Nein, verdammt, nein!“

**

Es war schon merkwürdig, wie das Schicksal einem mitspielen konnte. Mit dreizehn verlor ich meine Mutter durch einen Autounfall. Mit vierzehn wurde ich der erste Pilot eines Mechas auf Seiten der Menschheit. Mit fünfzehn wurde ich entführt, amnesiert und traumatisiert.

Mit sechzehn war das Leben relativ ruhig, aber bedingt durch meine Gedächtnislücken waren über die Hälfte meiner Mangas für mich absolut neu.

Mit siebzehn zog mein Leben wieder an. Ich stieg wieder in einen Mecha und verteidigte die Menschheit erneut – ausgerechnet zu einer Zeit, als unser Feind, die Kronosier, die letzten und alles entscheidenden Attacken plante.

Mit achtzehn führte ich die Attacke von vier Schiffen auf den Mars an, die zweite übrigens, an der ich teilnahm.

Mit neunzehn versteckte ich mich auf dem Mond und nahm einen ruhigen Job bei einer Firma an, die meinem Vater gehörte. Aber dieses Leben war nicht von langer Dauer, denn letztendlich konnte ich die Welt nur wegen meiner kleinlichen, ein wenig gequälten Seele nicht ewig alleine lassen. Ich nahm ein Kommando auf der AURORA an.

Mit zwanzig aber war ich auf dem Weg in den sicheren Tod. Torum Acati und sein Schiff, die KON, brachten mich und Joan Reilley ins Heimatsystem der Naguad – zumindest glaubte ich, in den sicheren Tod zu fliegen, als Rädelsführer einer Rebellion, als Anstifter zur Desertation, als erklärter und verifizierter militärischer Gegner.

Nie hätte ich mir denken lassen, dass man mir plötzlich die Sorge um zwei Sonnensysteme aufbürden würde, und sich bald schon ein drittes aufdrängen würde, um meine enorme Pflicht noch zu verschärfen.

Aber wenn ich dachte, dass eine Steigerung meiner Probleme und Nöte nun nicht mehr möglich war, dann sollte ich bald einsehen, wie sehr ich mich irrte…
 

1.

Das System, in dem sich die AURORA befand, hatte einen Namen. Es hatte sogar zwei, nämlich einen terranischen und einen der Naguad. Und wenn die Anelph nicht seit Jahren daran gewöhnt gewesen wären, den Sternkatalog der Naguad zu benutzen, hätte es sicherlich noch einen dritten Namen gehabt.

Ansonsten war das System reichlich uninteressant. Keine Planeten, weder atmosphärelose Gesteinsbrocken, noch Gasriesen. Lediglich Asteroiden, Gigatonnenweise Asteroiden.

Dazu ein paar hundert Kometen, die zur Sonne zogen oder von ihr zurückkehrten.

Ach ja, natürlich gab es auch noch die Begleitschiffe der AURORA in diesem System. Und eine weitere Fraktion, bestehend als rochenähnlichen Kampfschiffen, die seit dem Sprung in dieses System ihr bestmöglichstes getan hatten, um das gigantische Trägerschiff zu zerstören.

Und wenn es so weiterging, dann würden sie mittelfristig auch Erfolg damit haben.

**

Seit zwei Stunden hatten sich die drei Slayer an Bord versammelt, um ihre phänomenale KI-Kraft in den Antrieb der AURORA zu pumpen, während zeitgleich die gravitatorischen Systeme auf Volllast liefen. Es war abzusehen, dass irgendetwas in naher Zukunft schlapp machen würde. Entweder die Slayer, der Antrieb oder die Gravitationskontrolle.

Von den Menschen, Anelph und Kronosiern an Bord gar nicht zu reden.

Es war einen Tag her, seit Tetsu Genda, Kommodore und eigentlicher Kommandant des Gigantschiffs, mit einer Korvette und einer handverlesenen Mannschaft aufgebrochen war, um die Rochenschiffe nach ihrem letzten Rückzug zu observieren. Ergebnis war eine verstümmelte Nachricht gewesen, deren Essenz in zwei Worten beschrieben werden konnte: Haut ab!

Sakura Ino, Admiral und Anführerin der Expedition, saß seit dieser Zeit auf dem Platz des Kapitäns der AURORA. Sie hatte Tetsu da raus getrieben, deshalb nahm sie jetzt seine Pflichten an. So dachte sie und so machte sie es auch – obwohl es zwanzig hoffnungsvolle Offiziere in dieser Zentrale gab, die sowohl erfahren als auch befähigt genug waren, um den Job zu übernehmen.

Sakura misstraute ihnen nicht. Nein, es hatte andere Gründe. Sie hatte ihn los geschickt. Sie hatte ihn getötet.

War das ihr Schicksal? War sie schlecht für ihre Umgebung? Tötete sie? Oder vernichtete sie einfach nur Ideale und Zukünfte der anderen? Eine Mischung aus beidem?

Nein, sie durfte sich solchen Gedanken nicht hingeben, nicht ihre Pflichten vernachlässigen. Es war noch gar nicht lange her, da hatte sie geglaubt, Akira wäre getötet worden, hinterhältig, heimtückisch und schmerzvoll.

Ihre Reaktion war es gewesen, die Auslöschung der Axixo-Basis zu befehlen. Einzig ihr Bruder Makoto hatte richtig reagiert und alles gestoppt, bevor ein Feuersturm eventuell den zu dieser Zeit bewusstlosen Akira gefährdet hätte – und tausende Unschuldige dazu.

Sie durfte sich nicht wieder dazu hinreißen lassen. Sie musste… Sie musste funktionieren.
 

„Einschlag gemeldet. Dritter Außenschirm. Explosionskraft achtzehn Megatonnen. Schirm fällt um neun Prozent“, meldete die technische Abteilung.

Ursprünglich hatten fünf Schirme die AURORA umgeben, jeder stärker als der andere. Die angreifenden Rochen – Raiderschiffe der Core-Zivilisation – hatten aber bereits zwei geknackt und waren nun dabei, den dritten anzugreifen. Ein schneller Blick zur Seite verriet Sakura, dass diese Arbeit bereits zu vierzigeinhalb Prozent verrichtet war.

Ihnen standen immer noch einhundertneunzehn gegnerische Kampfschiffe gegenüber, obwohl die Kanoniere des Giganten ebenso wie die Offiziere und Mannschaften der Begleitschiffe ihr Bestes taten, um diesen Nachteil wieder auszugleichen.

Vor allem die Hekatoncheiren gaben ihr Bestes.

Wenn sie hier jemals heile herauskamen, schwor sich Sakura, dann würde Daisuke den Service under Fire der Klasse eins von ihr entgegen nehmen. Und die Hekatoncheiren würden ihren längst überfälligen Deep Space Honor in Gold aus ihren Händen entgegen nehmen.

Falls sie es raus schafften.

„Einschlag gemeldet. Dritter Außenschirm. Explosionskraft zwanzig Megatonnen. Schirm fällt um zehn Komma zwei Prozent!“

„Daisuke, was machst du da draußen? Kannst du die Angriffe auf unseren Rücken nicht abstellen?“, blaffte Sakura.

Ein Hologramm flammte vor ihr auf und zeigte das Gesicht Daisuke Hondas durch das Visier seines Helms. Es wirkte erschöpft und eingefallen. „Was denkst du versuche ich hier draußen? Meine Kottos haben erneut drei Rochen vernichtet, dazu dreiundzwanzig Mechas. Wir leisten hier Schwerstarbeit und unterstützen nebenbei Admiral Richards und die Begleitschiffe, wo wir nur können!“

Sakura legte eine Hand an die Stirn. „Entschuldige, Daisuke, ich wollte meinen Ärger nicht an dir auslassen.“

„Es ist schon in Ordnung. So konnte ich meinen Ärger wenigstens an dir auslassen“, erwiderte der Hekatoncheire mit einem breiten Grinsen.

Sein Gesicht verzerrte sich zu einem Ausdruck höchster Konzentration, dann entspannte er sich wieder. „Vier Rochen. Kottos Prime Ende und aus.“
 

Das Hologramm erlosch. Sakura warf sofort einen Blick auf die aktuelle Kampflage. Es war wie die Tage zuvor. Die Hekatoncheiren schlugen sich hervorragend und hatten eher wenige Verluste, von denen ein großer Teil durch Reparaturen ausgeglichen werden konnte. Daisuke war sogar so weit gegangen, auf einen Banges zu wechseln – mit der Mühle war er noch mal lockere zehn Prozent besser.

Aber die Begleitschiffe und die Daishis mussten mächtig Federn lassen. Ihre Verlustquote war viel zu hoch.

Und die Hekatoncheiren konnten das Schiff unmöglich alleine verteidigen.

Außerdem war da immer noch das Problem, dass jeder Raider, der es nahe genug an die AURORA heran schaffte, KI-Biester aussetzte. KI-Biester, konzentriertes, eigentlich unorganisiertes KI, welches lediglich von einem unterbewussten Willen besessen war und strikt einem Auftrag folgte. Die letzten KI-Biester waren auf die Führungsoffiziere der AURORA angesetzt gewesen und sie hatten große Mühen gehabt, ihrer Herr zu werden.

Auch die Schiffe hatten stark leiden müssen, fünf lagen in den Werften und wurden notdürftig wieder kampfklar gemacht. Doch selbst ihre Geschütze, soweit sie funktionierten, griffen in den Kampf ein, wenn es nötig war. Und es war verdammt oft nötig.

Manchmal fragte sie sich, ob die Raider einfach nur mit ihnen spielten, so wie eine Katze mit einer gefangenen Maus, oder ob die massive Gegenwehr de Besatzung der AURORA ihre Pläne bisher wirklich vereitelt hatte.

„Einschlag gemeldet. Dritter Außenschirm. Explosionskraft dreiundvierzig Megatonnen. Schirm drei fällt in sich zusammen.“

Na toll, na toll, da waren es nur noch zwei Schirme. Und zwei Tage bis zum frühstmöglichen Punkt, ab dem sie nach Alpha Centauri springen konnten.

**

Es gab nicht viele Dinge, die mich noch erschüttern konnten. Ich meine, Hey, meine Mutter, die ich seit sieben Jahren tot glaubte, war wieder aufgetaucht, wenngleich nur als Hologramm, meine vermeintliche Hinrichtung als Rebell und Hochverräter hatte sich als Beförderung zum Erben des Vorsitzes des Rates der Arogad entpuppt, meine Freundin war mir hinterher geflogen um mich zu retten – und hatte mich nicht dafür getötet, dass ich verzweifelt und vereinsamt mit Joan geschlafen hatte, und der Oberste Gerichtshof hatte mir bestätigt, dass die Erde, der Mars und die Anelph-Welt Lorania mir gehörten.

Nun, letzter Punkt war nicht so einfach zu erklären. Diese Welten waren nicht mein Spielzeug, mit dem ich tun und lassen konnte was ich wollte. Das ließen die strengen Kolonialgesetze der Naguad gar nicht zu. Auch wenn manche Häuser diese ab und an aushebelten.

Nein, vielmehr war ich zum Aufpasser ernannt worden, zum Steuerneintreiber und, was das Wichtigste war, zum Sprachrohr dieser Welten im imperialen Rat. Fazit war, dass Lorania und Terra nun eine eigene Stimme im Rat hatten, was vorher nicht der Fall gewesen war.

Wie gesagt, ich dachte nicht wirklich daran, dass es noch irgendetwas geben konnte, was mich zu überraschen vermochte.

Das war drei Sekunden, bevor der Alarm durch den Turm der Daness gellte, in dem ich mich seit einem Tag aufhielt.
 

Ich schreckte auf. In einem Moment war ich noch im Gespräch mit Sostre Kalis, dem Neffen von Mitne Daness und derzeitigem Erben der Position des Ratsvorsitzes, im nächsten redeten alle durcheinander.

Wir befanden uns im Großraumbüro in der Turmspitze, ein Bereich, der locker drei Stockwerke gefüllt hätte, wäre er nicht einzig mit dem Schreibtisch des Hausvorsitzenden, einer Konferenzecke und diversen Sitzgruppen gefüllt gewesen. Gerade noch hatte eine Vertraute des Hauses – ausgeliehen vom verbündeten Haus Awarima, die grünlichen, gelockten Haare, das schlanke Gesicht und die fast schwarze Haut sprachen für sich – mir einen einheimischen Tee gereicht, der mir nun die Hand verbrühte. Im nächsten Moment war ich aufgesprungen, um zu Megumi zu kommen, die ebenfalls stand und irritiert ihren Großvater Mitne ansah, den Vater ihrer Mutter.

Der große Mann hielt eine Hand gegen sein Ohr gepresst und lauschte über den Lärm der Sirenen hinweg den Nachrichten, die über sein Headset einflossen.
 

Ich hatte noch nicht einmal zehn Meter der Strecke geschafft, als Sora Fioran mich gewaltsam abbremste und sich schützend vor mir stellte. Zu meinem offenen Entsetzen musste ich feststellen, dass Franlin ebenso verfuhr.

Ich wollte gerade zu einer Schimpftirade ansetzen, erklären, dass mir im Turm eines Verbündeten nichts passieren konnte, da überschlugen sich bereits die Ereignisse.

Die Türen sprangen auf, bewaffnete Infanteristen in den weißgoldenen Uniformen der Daness liefen herein, sicherten die Türen und… Hielten auf mich zu.

Über zwanzig Mann richteten ihre Waffen auf mich und meine beiden Untergebenen.

Gina Casoli, die von Megumi als Beistand mitgenommen worden war, schob sich unauffällig-auffällig zwischen Megumi und die bewaffneten Wachen.

Das alles war sehr schnell gegangen, und nun sah ich in etliche Waffenmündungen, hauptsächlich auf Energieträgerbasis, in der Lage, mich schon bei einem Streifschuss zu pulverisieren. Ich grinste matt. Hätte ich nicht mein KI unter Kontrolle. Ich traute es mir durchaus schon zu, einen solchen Schuss abzulenken oder zu kompensieren. Oder zwei, oder drei, oder vier… Okay, vielleicht übernahm ich mich bei zwanzig doch erheblich.
 

Der Alarm wurde abgestellt, ich, Franlin und Sora waren komplett umstellt.

Und ein ziemlich aufgebrachter Henry William Taylor versuchte auf diese Etage zu gelangen und wurde schließlich von Vern Attori mitgenommen. Allerdings unter strenger Bewachung weiterer Soldaten.

Ich sah erklärungsheischend von Mitne zu Sostre, danach zu Megumi, aber meine Freundin hob nur die Schultern.

„Mylord Arogad, es tut mir Leid, aber bis auf weiteres muss ich Sie unter Arrest nehmen“, sagte Vern ernst. Seine Stirn war schweißbedeckt. Leise orderte er ein Dutzend Angestellter herum und forderte ein Aufnahmegerät und eine Sendeanlage.

„MITNE, VERDAMMT!“, brüllte ich, alle Höflichkeiten und Protokolle außer Acht lassend. „IST DAS DIE HÖFLICHKEIT DER DANESS? ICH DACHTE, WIR SIND VERBÜNDETE!“

Megumi sah ihren Großvater an, fragend, verzweifelt.

Mitne, der seine Großtochter erst seit zwei Tagen kannte, versuchte ihr zu zu lächeln, aber es war nur eine schmerzerfüllte Grimasse.

„Aris. Es tut mir unglaublich Leid, aber du und deine Leute werden… Für unbestimmte Zeit unsere Gäste sein.“

„Geiseln? Sind wir Geiseln?“, blaffte ich wütend.

Mitne nickte. Na, wenigstens war er ehrlich. „Ja, aber nicht nur. Vor allem müssen wir zeigen, dass du noch lebst.“

Dass ich noch lebte… Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Was war passiert? Was war so schlimm, dass Mitne Daness, Oberhaupt der Familie Daness und Herr über einen eigenen Planeten, mich, die Nummer drei der Erbfolge – auch wenn die Türme nicht wirklich ein feudales System hatten, so gingen die Posten oft generationenlang an direkte Nachfahren, was die Ratssitze betraf – für den Ratsvorsitz der Arogad hier unter Waffengewalt festsetzte?

Henry versuchte zu mir durchzubrechen, aber ich bemerkte es und winkte ab. Niemand bezweifelte seine Loyalität, und sein Tod oder eine Verwundung hätte uns absolut nichts genützt.

Henry und loyal. Noch vor einem Jahr hätte ich mir ein Stück Gehirn raus geschnitten als das auch nur zu denken. Aber ich hatte mich geirrt. Und das war eine wesentlich angenehmere Erfahrung gewesen als das hier! Diese Misere!

„Mitne!“, rief ich erneut, mich mit dieser verbalen Entgleisung auf eine Stufe mit dem Daness stellend.
 

Der Ratsvorsitzende kam zu uns, so weit es Vern Attori zuließ. Er sah mir ernst in die Augen. Dann senkte er den Blick. „Es gab einen Angriff auf den Turm der Arogad. Ein Kriegsschiff ist in den gesperrten Luftraum eingedrungen und hat den Turm bombardiert.“

„Verluste? Schäden? Nachrichten über die Mitglieder des Ratsvorsitzes? Wo ist das Kampfschiff jetzt?“ Die Fragen sprudelten automatisch. Ich hatte keine Zeit, schockiert zu sein. Ich hatte keine Zeit, mir Sorgen um Opa Oren, Yohko, Yoshi, Mama, Joan und die anderen zu machen. Ich konnte da nicht dran denken, nicht jetzt.

„Wir haben noch keine konkreten Nachrichten. Es wurden aber definitiv großkalibrige Atombomben eingesetzt. Die Sicherheitsschaltung hat die Schirmfelder aller neun Türme zusammengeschaltet, das hat das schlimmste verhindert. Aber es gab im Zentrum der Belastung mehrere Explosionen von durchgehenden Energiegeneratoren und Projektoren. Es heißt, die ersten hundert Meter des Arogad-Turms liegen in Trümmern. Weite Teile des Umlandes, die nicht vom gekoppelten Schirm geschützt waren, sind von einem radioaktiven Fallout betroffen. Da die Schirmfelder aber fünfzig Kilometer Durchmesser erreicht haben, gab es zumindest keine Verwüstungen durch Druckwellen und die Feuerwalze der Atomexplosionen.“
 

Meine Hände begannen zu zittern. Das war keine Verzweiflung, keine Angst, keine Bitterkeit. Das war mein Verlangen danach, etwas zu tun.

„Wir müssen sofort Teams aufstellen, die mit der Evakuierung der verseuchten Regionen beginnen. Fordert Hilfe von anderen Türmen und der Regierung an. Reguläres Militär muß eingesetzt werden. Wir holen die Naguad zuerst einmal in den Schirm und quartieren sie vor allem in Militäranlagen und den Türmen ein, soweit die Kapazitäten ein. Die Schirme dürfen nicht abgeschaltet werden. Aber wir können, um Überfüllung zu vermeiden, Naguad durch die Luft zu anderen Städten evakuieren. Mobilisiert dafür die Flotte.

Infanteristen in Kampfrüstungen sollen die Trabantenstädte bis auf den letzten Stein durchkämmen, um auch das letzte Lebewesen zu finden. Wir müssen unsere Ärzte auf radioaktive Verseuchung einstellen. Entsprechende Medikamente müssen bereitgestellt werden.

Und ich muß zu meinem Turm. Sofort.“
 

Energisch ging ich los, wurde aber von den stur auf mich gerichteten Waffen gestoppt.

„Es tut mir Leid, Aris, aber ich kann dich nicht gehen lassen. Nicht gerade jetzt, wo der Rat der Arogad vermisst wird und die Befehlsstruktur in Unordnung ist.“ Mitne atmete tief durch. „Aris, es war ein Daness-Schiff, das den Arogad-Turm bombardiert hat!“

Ich verstand, und doch wieder nicht. Langsam öffnete und schloss ich meine Hände. Und versuchte zu begreifen, was mir der Ältere gerade gesagt hatte.

Ich sah zu Sostre herüber, der abwehrend die Hände hob. „Das war keine Aktion von uns, Akira.“

Ich nickte schwer. „Ja. Das war sie sicher nicht. Also, wie soll es weitergehen?“

„Bis auf weiteres wirst du im Turm arrestiert, Aris Arogad. Solange wir dich als Geisel brauchen, damit die Arogad nicht aus Rache diesen Turm angreifen. Erste Meldungen berichten bereits davon, dass Fioran, der traditionelle Verbündete der Arogad, eine Kompanie seine Attentäter mobilisiert hat. Aris, wir brauchen dich hier als Faustpfand!“

„Und Haus Arogad braucht mich, damit ich diese Bescherung aufräume!“, blaffte ich wütend. „Willst du, dass wir einen Bürgerkrieg vom Zaun brechen, Mitne?“

„Nein, deshalb sollst du ja auch hier bleiben! Wir schicken den Arogad Aufnahmen von dir und deinen Leuten, damit sie sehen, dass du lebst. Und damit sie wissen, dass ein Angriff auf unseren Turm auch ein Angriff auf dich ist. Zumindest bis wir geklärt haben, was überhaupt passiert ist!“

Ich lachte rau auf. „Mein lieber Mitne, hast du eigentlich schon mal daran gedacht, dass dieser Turm genauso wenig sicher ist wie der Turm der Arogad?“

Ich hasste es, wenn ich Recht hatte, und vor allem hasste ich es, wenn Stahl zerbarst wie Papier und ein roter Schemen auf mich zuhuschte. Ja, so etwas hasste ich am meisten.
 

2.

Admiral Baldev Bhansali blickte auf eine lange Karriere zurück. Er war von der indischen Wet Navy zur UEMF gekommen, hatte einen Posten als Erster Offizier auf der alten MIDWAY bekommen, sich dort bewährt und Kapitän der NEW YORK geworden. Dort hatten die überragenden organisatorischen Fähigkeiten des Inders dazu geführt, dass er schnell Chef eines eigenen Geschwaders wurde, des ersten permanent gebildeten Geschwaders.

Er hatte die Erde verteidigt, während der Mars das zweite Mal angegriffen wurde und sein Bestes gegeben, um die kronosischen Flotten zu binden und Akira Otomo Zeit zu erkaufen, Schiffe von ihren Heimathäfen fern zu halten. Die Mission gelingen zu lassen.

Er wusste, die Geschichte würde ihn nur als Zuträger sehen, aber das war ihm egal. Seine Pflicht folgte einem höheren Ideal als Ruhm in den Geschichtsbüchern, die vielleicht ohnehin nur ein oder zwei Jahrhunderte interessant genug waren und dann raus gekürzt wurden, um neueren, interessanten Geschichtsdaten Platz zu machen.

Er war es gewesen, der nach dem Fall des Mars eine Flotte zum Entsatz Akira Otomos aufgestellt und befehligt hatte. Er war es gewesen, der Otomos Umschließungsangriff des Anelph-Konvois maßgeblich ausgeführt hatte. Und er war es gewesen, dem ein Jahr später das Kommando über seine eigene Flotte angeboten wurde, die 1. Flotte, die Heimatflotte Sol-System.

Doch Baldev hatte abgelehnt. Dies war nicht seine Berufung gewesen. Die hatte sich acht Monate später ergeben, als die Arbeiten an der AURORA fast abgeschlossen worden waren und die Erde die ersten eigenen Sprungantrieb en Masse herstellen konnte. Die 2. Flotte wurde ausgerufen, die Patrouillenflotte. Diesmal bewarb sich der Inder um diesen Posten und bekam den Zuschlag.

Damit kommandierte er von seinem Flaggschiff aus, der KAVEMN, einem Zulu Zulu der Anelph – sie selbst nannten den Schiffstyp ja lieber Bakesch – drei Geschwader mit insgesamt sechsundzwanzig Schiffen vom Typ der Fregatte bis hinauf zum Schlachtkreuzer. Und betraut mit dem wichtigsten Auftrag, den die Menschheit nun, im Angesicht der Bedrohung durch die Anelph vergeben konnte: Patrouillen in den umliegenden Systemen der heimischen Sonne. Verteidigen, bremsen, bevor die Naguad zu schnell zu nahe waren.

Mit drei Geschwadern eine sehr schwierige Aufgabe, die er jedoch meisterte.

Doch der letzte Befehl, den er von Executive Commander Otomo erhalten hatte, trieb ihm das erste Mal in seiner Karriere den Angstschweiß auf die Stirn. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, wie wichtig seine Aufgabe wirklich war. Und wie schwer es die Erde treffen würde, wenn er versagte.

**

„NEUN UHR, SIEBEN AB!“, blaffte Kenji Hazegawa über Funk.

Takashi Mizuhara reagierte. Der Gegner, der ihn aufs Korn genommen hatte, attackierte ihn also von links und schräg unten. Er brauchte seinen Sparrow nur taumeln zu lassen, um erstens der Attacke zu entkommen und zweitens eine gute Schussposition zu erreichen.

Tatsächlich flog ihm der gegnerische Mecha direkt vor die Rohre, die Raketenrohre, um genau zu sein.

Takashi feuerte eine Fünfersalve Clusterraketen, die sie von den Naguad übernommen hatten. Aus fünf Raketen wurden fünfzig, die den Core-Mecha mit einem feinen Netz aus Explosionen überzog. Kurz darauf ging der Reaktor der Maschine hoch.

„Danke, Kenji“, brummte der ehemalige Schulsprecher der Fushida Oberstufe und suchte nach dem nächsten Gegner. In dieser Schlacht führte er das Gyes-Regiment an, ein schweres Erbe von Yohko. Er hatte unter ihr gedient und war sowohl von ihren Führungsqualitäten und ihrem Können als Pilotin mehr als begeistert gewesen. Genauer gesagt hatte er sich nur deshalb auch in einen Sparrow gezwängt, weil ihn gefallen hatte, mit welcher Leichtigkeit Yohko Otomo in dieser Maschine zu kämpfen pflegte.

Nun war er vom Bataillonschef zum Regimentskommandeur aufgerückt. Kenji hatte ein ähnliches Schicksal ereilt. Megumi Uno, oder besser gesagt Jora Kalis, ein offenes Geheimnis in der Division, hatte das Oberkommando von Akira übernommen. Und der bärengroße Kenji war als Chef von Briareos nachgerückt.
 

Das war die Sachlage, während sich zwei Bataillone von Gyes und Briareos eine heftige Prügelei mit einem Schwarm Mechas des Cores lieferten, die im direkten Anflug auf Lorania waren. Zeitgleich führten über sechzig Rochenschiffe einen Angriff auf der anderen Seite des Planeten; Kommodore Takahara stellte sich dem mit seiner SUNDER und acht weiteren Schiffen entgegen. Die Rochen hatten in etwa die Stärke einer kronosischen Fregatte, und Kei kommandierte das kampfstärkste Schiff im Sektor. Zudem unterstanden ihm mit der GRAF SPEE, der PRINZ EUGEN und der BISMARCK die derzeit stärksten Schiffe der Menschheit zur Verfügung, die GRAF SPEE war zudem ein Veteranenschiff des zweiten Marsangriffs, und die anderen Kommandeure und Mannschaften waren keine Anfänger, beileibe nicht.

Aber dies war nur ein kurzes, erstes vortasten, ein Geplänkel der Core-Truppen, um die Abwehrbereitschaft der Terraner zu testen.

Ein gutes hatte die Sache aber. Wenigstens ging es endlich los, die ungewisse Warterei war vorbei, die sie alle ergriffen hatte, seit Michi Torah und Akari Otomo sie alle gewarnt hatte.

Nun standen sie hier, in einem Fallkurs, der sie relativ zu Lorania still im Raum stehen ließ, weil Geschwindigkeit und Winkel an diese Welt angepasst waren, während die angreifenden Mechas der Core-Schiffe mit Geschwindigkeitszuwachs auf Lorania zurasten.

Das bedeutete einen Vorteil für die Core-Truppen, weil sich Takashis Leute langsamer bewegten. Sobald sie die Hekatoncheiren passiert hatten, würde jede weitere Sekunde die Bekämpfung schwerer machen, bis sie unmöglich wurde. Außer, die Hekatoncheiren traten auf die Pedale und hetzten den Mechas des Gegners hinterher.

Erleichtert wurde dies, weil seine Truppen ohnehin in Richtung Loranias unterwegs waren.

Aus diesen Gründen hatte er sich auch gegen einen Frontalangriff entschieden, der sie mit einem Geschwindigkeitsvektor fort von Lorania gebracht hätte. Sie hätten zwar nur ein relativ kleines Zeitfenster für die Gefechte gehabt und damit auch nur ein kleines Fenster, in denen Kämpfe – und damit Verluste – möglich waren, aber die beiden Bataillone hätten aufwändig wenden, Geschwindigkeit aufnehmen und dem Gegner hinterherhetzen müssen.

Zwar hatten die Korvetten rund um Lorania die LRAOs mit den sechs Resonatortorpedos ausgeschleust und die Resonatorfelder hüllten nun gerade mit den scheiibenförmigen Wirkungsfeldern die ganze Welt ein – Starts und Landungen waren selbstverständlich in dieser Zeit untersagt und Takashi hoffte inständig, dass kein LRAO mit aktiviertem Resonatorfeld auf Lorania abstürzte – aber sie hatten noch keinerlei Ahnung, ob die Felder überhaupt auf die Truppen des Core wirkten. Es waren Cyborgs, geschaffen aus Metall und gezüchtetem, organischem Material, das nie dazu bestimmt war, einem Menschen auch nur zu ähneln. Metallschrott und Biomüll, wenn Takashi es genau nahm, sehr genau nahm. So waren auch die Cyborg-Infanteristen auf dem Mars gewesen, die neueste Errungenschaft des Legats.

Es hatte ihn trotzdem nicht beruhigt, als er sie bekämpft hatte, damals.
 

„Das war es, großer Anführer. Der Gegner ist durch. Verfolgen?“

„Ruhig, Kenji. Bisher verläuft alles nach Plan. Wie viele haben wir erwischt?“

„Von zweihundertfünfzig angreifenden Mechas haben wir einhundertsieben erwischt, weitere sechsunddreißig beschädigt. Die Eagles schicken ihnen noch ein paar Abschiedsgrüße hinterher, das sollte die Zahl auf hundertzehn oder mehr erhöhen.“ Kenji atmete tief durch. „Ich hoffe, Makoto weiß, was er tut.“

„Das hoffe ich auch. Ortung, haben wir weitere Feindeinheiten zu erwarten?“

„Nicht aus diesem Vektor, Sir.“

„Gut. Verluste?“

„First Head Briareos hat fünf Ausfälle, zwei davon Totalverluste.“

„First Head Gyes hat acht Ausfälle, einer davon Totalverlust.“

Takashi spürte, wie seine Hände die Griffe der Steuerung viel zu fest umklammerten. Verdammt! Verdammt, verdammt! Jeder Pilot, der hier oben unter seinem Kommando starb, kam niemals wieder! Jeder Pilot, der nie die Erde wieder sehen würde, lastete fortan auf seinem Gewissen. Natürlich waren die Verluste moderat, um nicht zu sagen lächerlich gegen einen solchen Gegner, nachdem sie sich ihnen mit lediglich sechzig Mechas entgegen gestellt hatten. Aber es waren dennoch zuviel. Drei Tote. In Gedanken machte Takashi drei Striche auf einer imaginären Liste.

„First Head Briareos, First Head Gyes, wir verfolgen den Gegner!“

„Verstanden!“, hallte es ihm dutzendfach entgegen.
 

Makoto Ino spielte ein gefährliches Spiel. Während er Kei Takahara die gegnerischen Schiffe aufhalten ließ, hatte er Takashi befohlen, ein entsprechendes Kontingent an Mechas durchkommen zu lassen. Der Gedanke, der dahinter steckte, beunruhigte den Chef der Gyes ungemein. Die Mechas der Core-Truppen waren mit Cyborgs bemannt, eigentlich hirnlosen Gesellen, aber es schien, dass die K.I.s der Core-Banges nur funktionierten, wenn sich jemand mit ihnen verband. Das machte die Maschinen langsamer und reduzierte ihren Kampfwert, glücklicherweise, was sie mit purer Masse ausglichen. Was Makoto in diesem Zusammenhang wissen wollte, war eines: Wirkte das Resonatorfeld auf die Cyborgs?

Die Antwort war schon interessant, aber wenn Takashi daran dachte, was über einhundert Mechas auf Lorania anrichten konnten, sobald sie durchgebrochen waren…
 

Takashis Truppen beschleunigten. Dabei nahmen sie nur unwesentlich mehr Fahrt auf als die Core-Einheiten. Immerhin wollten sie die gegnerischen Truppen zwar einholen, aber nicht an Lorania vorbeirasen, weil das Bremsmanöver zu lange dauerte.

Auf diese Weise hatte das Ganze ein wenig von einem Schildkrötenrennen, bei dem die Hekatoncheiren nur langsam aufholten. Aber real betrachtet rasten sie hier mit Geschwindigkeiten durch das eisige Weltall, die einen Wernher von Braun zu Tode erschrocken hätten.
 

Dann war es soweit, zwanzig Core-Mechas lösten sich vom Hauptfeld und griffen die Welt an. Gebannt starrte Takashi auf die Ortung. Sie hatten Truppen im Orbit, außerdem befestigte Bodenstellungen, die bis in eine Höhe von vierhundert Kilometern feuern konnten. Aber beide Monde Loranias waren gerade auf der ihnen abgewandten Seite, also perfekt für einen solchen Angriff. Die Forts und die dort stationierten Truppen würden nicht eingreifen können.

Eine Kompanie Hawks warf sich den Angreifern entgegen, attackierte sie kurz und zog sich dann in den Bereich zurück, der bereits zum Antitechnikfelt gehörte.

Die Core-Truppen schluckten den Köder und folgten ihnen.

Als die ersten Einheiten das Feld erreichten, endeten die Manöver. Alle zwanzig Einheiten hielten strikt ihren Kurs bei, der sie direkt auf den Planeten führte.

Drei Einheiten wurden von den Hawks abgeschossen. Als die nunmehr siebzehn Mechas tiefer kamen, setzte sporadischer Beschuss von der Oberfläche ein. Alle Core-Einheiten, die über bewohntem Gebiet niederzugehen drohten, wurden systematisch ausradiert.

Neun Einheiten blieben übrig und rasten dem Erdboden entgegen. Auf sie wartete ein Bataillon der Fünften Banges-Division, nur für den Fall, dass sie einen ähnlichen Trick versuchten wie Akira damals beim zweiten Marsangriff.

Doch die Befürchtungen des jungen Japaners erwiesen sich als unbegründet. Alle neun Maschinen rasten ungebremst weiter und schlugen beträchtliche Krater in die Planetenoberfläche.

Für eine Sekunde wusste er nicht, ob er jubeln oder vor Erleichterung einfach weinen sollte.

Das war eine Sekunde bevor sich die Core-Einheiten aufteilten.

„Verdammt, was haben sie vor?“, rief Kenji.

„Na was wohl?“, erwiderte Takashi gereizt, während sein Sparrow ins Gravitationsfeld Loranias eintauchte. „Sie versuchen, am Rand des Wirkungsfeldes nach Lorania herunter zu kommen! Alarm für die Fünfte! Alarm für die Naguad-Bodentruppen und die loranische Verteidigungsarmee!“

Kenji fluchte herzhaft, teilte seine Leute auf die Pulks der Core-Truppen auf und hetzte seinen Gegnern hinterher.
 

Tatsächlich erreichten die Mechas den Rand des Wirkungsfeldes. Hier überlappten sich die Felder von drei Resonatoren und bildeten ein undurchdringliches Schild. Aber die gegnerischen Banges schienen das Feld vermessen zu können, denn es gab zwangsläufig eine Lücke, wenn sich drei runde Felder überlappten. Um diese zu schließen hätten die LRAOs sehr viel tiefer fliegen müssen – mit den entsprechenden Risiken.

„So, so, sie können die Resonatorfelder also anmessen“, murmelte Makoto. „Sehr schön, das reduziert meine Sorgen doch erheblich.“

„Makoto, die brechen gerade durch!“, blaffte Kenji. „Wenn wir nichts tun, dann…“

„Mach mal halblang. Es ist etwas schwierig, unter diesen Lücken Bodentruppen zu stationieren, da die vertikal verteilten LRAOs Lorania umkreisen, oder?“

„Zugegeben. Also sollten wir angreifen und…“

„Schwierig, aber nicht unmöglich“, kommentierte Makoto zynisch und schickte Takashis Sparrow Bilder von der Oberfläche.

Zwei Bodenbatterien, über dreihundert Kilometer voneinander entfernt, feuerten zusammen ihre Raketen auf die durchbrechenden dreißig Mechas ab. An anderer Stelle erwarteten Banges der Naguad den Gegner. Bei Durchbruch vier übernahm eine kleine Flotte wassergebundener Raketenkreuzer den Angriff auf die Banges, unterstützt von einem eigenen Mecha-Träger.

An der vierten Stelle erhob sich die LOS ANGELES von ihrem Raumhafen, schleuste vierzig Mechas von Briareos aus und stellte den Gegner noch in der Stratosphäre.

„Macht den Deckel zu, Takashi. Keiner soll entkommen!“, befahl Makoto Ino mit erschreckend kalter Stimme.

„Roger“, antwortete der Chef der Gyes ebenso kalt und stürzte seinen Sparrow mitten durch das Antitechnikfeld auf das nächste Ziel zu.
 

3.

Nachdenklich betrachtete Eikichi Otomo die Bilder auf den allgegenwärtigen Monitoren in der Zentrale des OLYMPs. „Wie lange geht das schon?“

Commander Sikorsky, der extra für diese Angelegenheit von der Titanen-Basis auf den OLYMP gewechselt war, spreizte die Finger beider Hände und ließ nur den linken Daumen weg.

„Neun Stunden also schon? Hm.“

„Berlin. Moskau. Washington D.C., und, und, und. Es gibt weltweit mehr als achtzig Demonstrationen in Hauptstädten. Von den kleineren Demonstrationen wollen wir gar nicht erst reden, die gehen in die hunderte.“

„Die Meinung?“

„Es ist sehr verworren. Viele demonstrieren gegen deinen Sohn, Eikichi. Sie halten ihn einfach nicht für geeignet, die Erde anzuführen. Sie werfen ihren Regierungen Verrat und Ausverkauf vor. Denen kann man tausendmal sagen, dass die Geschichte mit der Übernahme nur ein taktisches Spiel ist, um die Naguad zu verlangsamen. Sie sehen nur die offizielle, von dir unterschriebene Urkunde.“

„Die zudem rechtsgültig ist. Ich habe mich entsprechend abgesichert für den Fall, dass das Imperium Inspektoren schickt.“

„Hm. Ein etwa ebenso großer Teil demonstriert für deinen Sohn. Seine Leistungen bei beiden Marsangriffen, seine Erfolge in diversen Krisen und Angriffen auf die großen Städte werden hervorgehoben und von ihnen betont. Und es sind bei weitem nicht alles nur Militärfreaks, die dort stehen. Und dann gibt es noch ne dritte Fraktion, die…Ich kann es nicht klar umreißen, für mich sind das die größten Idioten.

Jedenfalls demonstrieren weltweit mehr als eine Viertelmilliarde Menschen. Das sind die größten Massendemonstrationen, die die Erde jemals erlebt hat.“

„Was wollen deine Idioten?“

„Wie?“

„Na, die dritte Gruppe, die du Idioten nennst. Was wollen sie?“

„Freie Liebe und Weltfrieden.“

Eikichi warf dem Polen einen amüsierten Blick zu. „Ich bitte dich, keine faulen Witze.“

Sikorsky unterdrückte ein Schmunzeln. Die dritte Gruppe nennt sich Monarchisten. Sie haben ein weltweites Netzwerk aufgebaut und bereiten sich nach eigener Aussage auf die Ankunft des Herrschers vor. Ja, glaub es nur. Es gibt Menschen, die haben das mit der geschenkten Erde gefressen – oder wollen zumindest, dass es so real wir irgend möglich ist. Sie verehren Akira jetzt schon als König der Erde. Oder meinetwegen als Kaiser. Würde es nach ihnen gehen, würden wir schon anfangen, einen Palast für ihn zu bauen und einen Hofstaat zusammenstellen, die ersten Einladungen rausschicken um die Oberhäupter sämtlicher Länder der Erde zu versammeln, um dem Herrn der Erde angemessen zu huldigen.

Es ist die verhältnismäßig kleinste Gruppe. Aber sie sind am besten organisiert und sie haben genügend Leute für eigene Demonstrationen.“

„Wie niedlich“, kommentierte der Executive Commander. „Der kleine Akira hat also Fans.“

„Fans, die den Rokoko wieder aufleben lassen würden, damit die Regentschaft von Akira dem Ersten angemessen würdevoll beginnt.“

„Ich würde jetzt gerne Spinner sagen, aber du hast selbst gesagt, sie sind am besten aufgestellt, oder? Denkst du, wir können sie benutzen?“

„Eikichi, benutzen?“

„Ich habe da ein falsches Wort verwendet, entschuldige. Denkst du, unsere Interessen sind weit genug kompatibel, um eine Zusammenarbeit zu rechtfertigen?“

Sikorsky lachte leise. „Zumindest könnten wir kooperieren. Aber dafür müsste sich Eikichi Otomo mit gepuderter weißer Perücke zu einer Rede entschließen.“

„Mit so was macht man keine Witze“, brummte Eikichi.

„Das war kein Witz.“

„Mist, ich habe es geahnt.“

„Vielleicht sollten wir uns lieber mit Akiras Gegnern verbünden, hm?“

„Hm, bei denen weiß man wenigstens was man hat. Und man muß keine lächerlichen Klamotten tragen, oder?“

„Nein, nur lächerliche Uniformen.“

Eikichi grinste den anderen an. „Das muß mein schlechter Einfluss sein. Mein Humor färbt auf dich ab, alter Junge.“

„Falsch, Eikichi.“ Sikorsky hob dozierend den Zeigefinger. „Du hast mir meinen Humor geklaut.“

„Ach so“, erwiderte Otomo, bevor er zusammen mit Sikorsky in schallendes Gelächter ausbrach.

**

Kei Takahara biss sich auf die Unterlippe. Mit sieben Schiffen nebst seiner SUNDER stand er hier vor dem Orbit um Lorania und focht einen Kampf gegen die Core-Rochenschiffe.

Drei davon waren Schlachtkreuzer der Bismarck-Klasse, und dennoch fiel ihm die Verteidigung schwer.

Die SUNDER wurde erschüttert, die Schadenskontrolle meldete Lecks im Schiff und den Zusammenbruch eines weiteren der ursprünglich fünf Außenschirme.

Natürlich hatten die Rochen sich auf das stärkste Schiff eingeschossen. Natürlich entblößten sie damit ihre Flanken und wurden angreifbar. Und natürlich bezahlten sie dafür den hohen Preis in Form von horrenden Verlusten.

Aber das, was es zu gewinnen galt, die Vernichtung des derzeit kampfstärksten Schiffs in diesem System, schien es wert zu sein. Vor allem, da sich die UEMF-Flotte hier nur mit einem Teil des Gegners herumschlug, während das Gros auf seine Gelegenheit lauerte, hier einzufallen und allem Leben den Garaus zu machen.

Kei hatte die Berichte aus dem Nag-System gelesen, die Erlebnisberichte von Akiras Oma Eridia, und er wusste, wie der Core mit den Bewohnern einer eroberten Welt verfuhren. Er wusste auch, dass die Kronosier damals beinahe Akira das Gehirn entfernt hatten, um es für weniger Ressourcen in ihrem weltweit vernetzten Supercomputer arbeiten zu lassen. Die Parallele war offensichtlich, zu offensichtlich.

Er selbst hatte keinerlei Verlangen danach, den Rest seines Lebens als organische Rechenmaschine in einem Supercomputer zu verbringen. Oder sogar nur als blankes Gehirn.

„Kapitän!“, klang die Stimme von Ban Shee Ryon auf, seiner Stellvertreterin.

„Nein“, widersprach Kei.

Es war eine alte Marotte der Navy, das es an Bord eines Schiffes nur einen Kapitän geben konnte. Auf der SUNDER war er dieser Kapitän, obwohl er den Rang eines Konteradmirals innehatte, im Feld verliehen von Admiral Ino, Makotos großer Schwester.

Und eigentlich war Ban Shee die Frau im Kapitänsrang und wurde an Bord der Tradition halber als Kommodore angesprochen, also dem nächst höheren Rang.

Die Anelph hatte sehr über diese terranische Marotte gelacht. Und sie tat es teilweise heute noch.

„Kei!“, kam es diesmal eindringlicher von ihr. Sie wollte die Slayer einsetzen, die mit ihnen an Bord waren, um genau in einem solchen Fall die Schirme der SUNDER zu verstärken und den Rochenschiffe damit eine böse, eine sehr böse Überraschung zu bescheren.

Aber Kei Takahara war noch nicht bereit dazu. Er war aber durchaus bereit die SUNDER einiges an Schäden einstecken zu lassen, damit die Kraft von Emi Sakuraba und Ami Shirai eine Überraschung blieb, eine Trumpfkarte für das nächste Mal, wenn der richtige Angriff erfolgte. Außerdem hatten sie noch nicht alle ihre Trumpfkarten ausgespielt und es musste nicht gerade das Ass aus der Hand sein, fand Kei.

„Sir! Ich sollte mich melden, sobald wir Dipur bis auf zehntausend Kilometern nahe gekommen sind!“

Dipur, der kleinere der beiden Monde Loranias, war ebenso wie sein nicht wesentlich größerer Bruder Jomma ausgebaut, als Wirtschaftsumschlagplatz, Forschungsstation – und Militärbasis. Vor allem als Militärbasis. Die anelphsche Heimatverteidigung war hier ebenso vertreten wie das Militär der Naguad. Und mit denen hatten sie gerade ein Bündnis, deren Früchte sich vielleicht jetzt zeigten.

Kei nickte. „Signal an Dipur: Feuer frei!“

„Aye, Kapitän. Signal an Dipur: Feuer frei!“

Entgeistert starrte Ban Shee ihren Vorgesetzten an. Vor ihr entstand ein Hologramm der kosmischen Region, und sie konnte sehr gut sehen, wie von Dipur aus Dutzende Langstreckenraketen abgefeuert wurden. Die Rochen des Core hielten auf Lorania zu, genauer gesagt befanden sie sich in Flugrichtung des Planeten und ließen sich gerade einholen, was den Eindruck erweckte, sie würden nur sehr langsam näher kommen.

Keis Flotte hingegen hielt beinahe einen konstanten Abstand zu dieser Welt, was den Eindruck erweckte, sie würden Lorania entgegen fallen. Und dabei leicht zur Sonne hin abdriften.

Was der kleine Halunke aber wirklich mit diesem Manöver geplant hatte, wurde Ban Shee jetzt erst bewusst. Er hatte sich nicht nur langsam von Lorania einholen lassen. Die Core-Truppen, beziehungsweise das, was bei ihnen das denken übernahm hatte sicherlich damit gerechnet, dass Kei versuchen würde, die Rochenschiffe in den Wirkungsbereich der Resonatorfelder zu locken. Aber wie man sah hatten sie nicht an die Eigenbewegung der Monde gedacht und den Drift der acht Schiffe hinzugerechnet. Bestenfalls hatten sie einen Parameter in der Rechnung, den Drift der SUNDER. Aber sicherlich nicht die Eigenbewegung Dipurs.

Mit ein wenig Zeit und einer ohnehin schon verhängnisvoll geringen Distanz geschah es nun, dass sich der Mond allmählich zwischen die Core-Rochen und den freien Raum schob. Beziehungsweise der Drift der SUNDER und der anderen sieben Schiffe, die natürliche Bewegung Dipurs und die wie folgsame Lämmer folgenden Rochen diese Schiffe in eine unvorteilhafte Position brachte.

Und in ein Sperrfeuer aus Langstreckenraketen, welches zwischen sie fuhr.

„Volles Feuer auf die Frontbatterien“, befahl Kei leise.

„Aye, Skipper, volles Feuer auf die Frontbatterien“, wiederholte Ban Shee ehrfürchtig und erkannte wieder einmal die Distanz zwischen einem hart arbeitenden, aber konservativ ausgebildeten Raumfahrer wie ihr und einem intuitiven, ja, brillanten Genie wie Kei.

Die Rochenschiffe reagierten, brachen aus und versuchten zu beschleunigen. In diesem Fall bedeutete es konkret, dass sie die Nasen ihrer Schiffe von Lorania fort wandten und Gegenschub gaben, um schneller als der Planet zu werden, dem sie noch kurz zuvor entgegen gefallen waren. Und einen Kurs zu erlangen, der sie möglichst weit von Dipur entfernen würde.

„Dipur startet Banges“, meldete die Ortung.

Kei machte ein Geräusch, das wie ein abfälliges Lachen klang. „Schadensbericht.“

„Siebzehn Lecks. Drei Generatoren der Schilde ausgefallen oder beschädigt. Keine Toten, aber einundzwanzig Verletzte. Dazu kommen diverse zerstörte Waffen, die Inventur läuft noch.“

„Gut, Kommodore. Sobald die Schlacht beendet ist, fliegen wir eine Werft an. Dipur ist näher als Jomma. Wir müssen unsere Schäden reparieren, unsere Waffen ersetzen und die Vorräte an Raketen aufstocken.“ Er grinste, aber es wurde eine kalte Gesichtsregung. „Also geiz mir nicht mit diesen Waffen, Ban Shee.“

Sie erwiderte dieses Grinsen. Wieder einmal sprach der schlanke Terraner genau ihre Sprache. „Aye, Skipper.“

**

Nach einer Stunde in seiner Kabine, in der Kei die Decke angestarrt hatte, beschloss er, sich auf die Seite zu drehen. Wenn er daran dachte, wie er ganz zu Anfang seiner Karriere an Bord der SUNDER durch dieses Schiff gestrolcht war, um hier und da persönlich Hand an zu legen, weil er seine Hände nicht still halten konnte, und damit die Leute nervös gemacht hatte…

Die Matrosen und Offiziere hatten tatsächlich geglaubt, ihre Arbeit sei nicht gut genug, wenn der Alte – vielmehr nannten sie ihn Wunderkind – persönlich helfen wollte, und sei es nur beim flicken einer durch geschmorten Leitung.

Kei hatte sich einige harsche Tadel von seinem Ersten Offizier eingefangen, bevor er eingesehen hatte, dass sein Job die Führung dieses Schiffes war. Die Schadensbekämpfung, die Waffenwartung, die Mechakatapulte und dergleichen gehörten anderen. Er durfte in die Routine seiner Untergebenen, auch in deren Arbeit eingreifen, wenn er meinte, dass sie Fehler begingen. Aber helfen um einfach nur zu helfen verunsicherte sie.

Ob dies nach über einem halben Jahr der Zusammenarbeit immer noch so war, konnte Kei nicht sagen, Ban Shee hatte es ihm gründlich ausgetrieben, diese Marotte wieder aufleben zu lassen. Stattdessen hatte er sich angewöhnt, in Krisenzeiten soviel Schlaf wie möglich zu bekommen. Oder sich in seine Kabine zurückzuziehen und überfällige Berichte anzufertigen.

Oder wie jetzt, den Kampfverlauf sacken zu lassen, gründlich drüber nachzudenken und ein paar neue Strategien zu entwerfen, welche den Core beim nächsten Angriff dort packen würde, wo es wehtat.
 

Leise seufzend setzte er sich auf. Wieso griff der Core jetzt an? Bei einer so vortrefflichen Gelegenheit, wenn eine ganze Mark unsicher wurde, ja, gegen das Imperium rebellierte? Wo der Core lachender Dritter gewesen wäre, wenn Akira nicht diesen kleinen Zaubertrick aus dem Hut gezogen hätte?

Und was noch viel wichtiger war, woher hatte die Core-Zivilisation davon gewusst?

Ihm gingen noch tausend andere Gedanken durch den Kopf, über die er sich regelmäßig mit Makoto austauschte, sie zwei waren einfach auf einer Wellenlänge. Zum Beispiel die Frage aller Fragen, warum die Angriffe der Cores in den letzten Jahrhunderten, genauer gesagt seit dem Run auf die Erde, ausgeblieben waren.

Bedeutete dies, dass die Core-Zivilisation eine Flotte jenseits aller Vorstellungen aufbaute? Bedeutete dies, dass das, was sich ihnen hier draußen entgegenstellte nichts weiter als eine Wegwerf-Flotte war? Nur geschaffen, um sie beschäftigt zu halten?

Warum sonst die Zurückhaltung des Cores? Warum wurden die permanenten Angriffe nicht fortgesetzt?

Es hieß, es gab sporadische Angriffe auf die Welten des Kaiserreichs der Iovar, hier und da ein Raid, aber kein massiver Versuch mehr, ganze Welten zu erobern und deren Einwohner zu versklaven.

Laut eigenen Angaben hatten die Iovar vor ein paar Jahrhunderten eine Welt vom Core zurückerobert, die von Daina besiedelt worden war, über hundert Lichtjahre von ihren Kernwelten entfernt. Für den Core war es nur ein Nebenschauplatz gewesen, für das Kaiserreich war es ein wankelmütiger, stark bedrohter Außenposten geworden.

Aber Tatsache war, dass die Daina-Bevölkerung für den Core gearbeitet hatte. Natürlich gab es Supercomputer auf dieser Welt. Natürlich waren Daina entkernt worden, sprich, bis auf die Gehirne reduziert in den Computer integriert worden.

Aber der Rest, eine Bevölkerung von einer Milliarde, diente in Industrie und Wirtschaft dem Core.

Die Erkenntnis, dass der Core sich nicht nur auf seine Cyborgs und Supercomputer verließ, hatte das Flottenhauptquartier der Naguad sichtlich getroffen. Und ihn selbst auch, nachdem er beim durchstöbern der Flottenarchive eher zufällig auf diesen Bericht gestoßen war, nachdem das Regionalkommando die Archive für seine neuen Verbündeten geöffnet hatte.
 

Kei drehte sich auf die andere Seite. Was wollte der Core eigentlich? Der Verbund aus ehemals neun Cores, darauf programmiert, die Iovar zu unterwerfen, hatte längst eigene Ziele entwickelt. Oder waren es noch die alten Ziele, nur um etliches spektakulärer? Gewachsen?

Der junge Admiral hielt es für essentiell zu erfahren, worauf die Cores programmiert worden waren, was ihre eigentlichen Ziele waren.

Davon hing vielleicht Leben oder Vernichtung nicht nur Loranias, sondern auch des Naguad-Imperiums und des Kaiserreichs Iovar ab, von der Erde einmal ganz zu schweigen.

Sie brauchten einen Offizier, verdammt! Jemand, der genügend Verstand in der Metallschüssel auf seinen Schultern hatte um die anderen hirnlosen Einheiten zu lenken.

So jemand würde sicherlich mehr über Pläne und Ziele des Cores wissen.

Es gab bestimmt einen Offizier in dieser Flotte, mindestens einen Offizier in dieser Flotte. Keis Hände krampften sich bei diesem Gedanken zusammen. Mindestens einen. Und den wollte er haben.
 

Das Klopfen an seiner Kabinentür riss ihn wieder aus seinen Gedanken. War ein Notfall eingetreten? Musste er wieder zum Dienst? Nein, sicherlich nicht, Ban Shee hätte den Interkom benutzt und ihn angerufen.

Wollte einer seiner Leute ein persönliches Gespräch mit ihm führen? Seine Tür stand jederzeit jedermann offen, dass wussten die Matrosen und Offiziere an Bord dieses Schiffs.

Oder war es vielleicht… doch Ban Shee? Kei hatte diesen Gedanken öfters, er konnte ihn nicht abschütteln. Diesen Gedanken, dass sie herein trat, wenn er alleine war, sich zu ihm auf das Bett setzte, ihn sanft in die Kissen drückte und erst sanft und dann immer wilder zu küssen begann, bis…

Wieder klopfte es. „Es ist offen!“
 

„Hi, Kei.“ Ami Shirai trat ein, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand zum V geformt und dermaßen gut gelaunt, dass es beinahe in den Augen wehtat. Die gute Laune schwand etwas, als sie Kei auf seinem Bett liegen sah. „Komme ich ungelegen? Wolltest du gerade etwas schlafen?“

Der junge Admiral richtete sich auf. Ami Shirai hatte die Kämpfe an den Schildgeneratoren verbracht, jederzeit bereit, die unglaublich starken Schirme des Bakesch mit ihrer KI-Kraft massiv zu verstärken. Das war ein Job gewesen, der volle Konzentration verlangt hatte, und zudem zur Tatenlosigkeit verdammte. Das hatte schon bessere aufgefressen. Aber Ami wirkte frisch und unverbraucht. Ja, von ihrer üblichen Gebrechlichkeit war nichts zu sehen.

Sonst wirkte ihre Blässe und ihre Zurückhaltung so auf die Menschen, als würde sie jederzeit wegen Anämie in sich zusammen sacken.

Heute aber wirkte die blasse Haut, in Verbindung mit diesen strahlenden Augen… Nett.

„Ist in Ordnung. Ich kann sowieso nicht schlafen.“ Kei schwang die Beine aus dem Bett. „Wie kann ich dir helfen, Ami-chan?“

Die kleine Frau, die beim zweiten Marsfeldzug dabei gewesen war, trat unwillkürlich einen Schritt zurück.

Kei zog die Augenbrauen hoch. Nanu? Ami war eine sehr direkte, offene und entschlossene Persönlichkeit. Zurückzuweichen bedeutete für sie, dass sie emotional bewegt war. Gab es etwas, was ihr peinlich war? Womit sie nicht fertig wurde? Unsinn, diese Frau spaltete beim Karate auch ohne ihre Slayerpower Holzbohlen.

„Äh, es ist etwas schwierig zu erklären…“

„Ich habe Zeit.“ Kei klopfte auf den Platz neben sich. „Setz dich, Ami-chan.“
 

Ein Ruck ging durch die junge Frau und sie kam zu ihm herüber. Sie strich sich den schwarzen Faltenrock am Po glatt und setzte sich auf die Bettkante.

Kei bemerkte bei dieser Gelegenheit, dass dieser Faltenrock sehr kurz war. Überhaupt entsprach er in keiner Weise der Uniformpflicht an Bord der SUNDER, weder nach UEMF-Maßstäben, noch nach denen der Slayer. Obwohl, der kurze, schwarze Faltenrock, die weiße Uniformbluse mit der schwarzen Lederkrawatte und die langen, schwarzen Lederstiefel hatten schon etwas Uniformhaftes. Zusammen mit ihrem langen braunen Haar, das sie diesmal offen über die Schulter fallen ließ anstatt es wie sonst in zwei Zöpfe zu flechten, wirkte das reichlich erwachsen. Und… Attraktiv.

Kei runzelte die Stirn. Hatte er Ami eigentlich in den letzten beiden Jahren einmal richtig angesehen? Hatte er gar nicht bemerkt, bemerken können, dass aus der Kleinen mit der Blutarmut eine Frau geworden war, die durchaus einen Blick wert war? Okay, zwei. Gut, gut, drei.

Moment, was passierte hier? Und warum war ihr Rock hoch gerutscht? Er konnte ja beinahe ihren Slip sehen und…

„Ich habe niemanden, den ich fragen könnte…“, sagte Ami leise, „und deshalb bin ich zu dir gekommen.“

„Was? Ja, ja, ich weiß, ich bin nur ein schlechter Ersatz für Akira, aber ich stehe dir gerne mit Rat und Tat zur Seite. Worum geht es denn?“

Ami lachte auf. „Wieso Akira?“

Der junge Admiral runzelte die Stirn. „Wart ihr nicht alle in Akira verknallt?“

Ami prustete los und bedeckte ihren Mund mit beiden Händen. „Was, bitte? Habe ich da was nicht mitgekriegt? Seit wann ist Akira der Mittelpunkt des Universums?“

Irritiert sah Kei die junge Frau an. Was?

„Ich stand ungeheuer auf Yoshi, weißt du? Dieser große, blonde Kerl, diese tolle Aura… Ich mag große Männer. Leider war Yohko schneller.“ Sie seufzte. „Oder vielmehr, sie hatte die älteren Rechte.“

„Aha. Interessant. Und was will ich davon wissen?“, ätzte Kei.

„Ruhig, ruhig. Das ist doch alles Vergangenheit. Die Schwärmerei für Yoshi war doch nie was Ernstes. Sonst wäre ich zu ihm rüber gegangen, hätte ihn am Kragen gepackt – so wie dich jetzt!“ „Hey…“ „Und dann hätte ich ihm gesagt: Sag mal, bist du doof oder siehst du nicht, was ich für dich empfinde?“

Lächelnd ließ Ami Kei wieder los. „Und glaube mir, das hätte Eindruck auf ihn gemacht.“

„Äh“, sagte Kei und versuchte seinen Kragen wieder zu richten. IHN hatte es beeindruckt.

„Na egal. Das ist eben alles weit hinter mir. So weit das ich glaube, es sei in einem anderen Leben geschehen. Allerdings habe ich für dieses Leben nicht erwartet, mich neu zu verlieben. Richtig zu verlieben, meine ich.“

„Oh. OH!“

Amüsiert betrachtete Ami den Computerfreak. „Keine Angst, Kleiner. Ich bin nicht hinter dir her. Du wärst auch nicht Mann genug, um mit mir fertig zu werden.“

„Kleiner?“, echote Kei, während das Blut in seinen Ohren rauschte. Verdammt, er kommandierte einen Bakesch und war Feldkommandeur für die gesamte UEMF-Flotte im Orbit um Lorania! Und dann sollte er nicht mit einem etwas gewachsenen, anämischen Mädchen klar kommen, dass er seit fünf Jahren kannte? Was war das für ein schlechter Witz?

„Oh, wirst du etwa eifersüchtig?“, neckte sie ihn. „Vielleicht sollte ich meine Wahl noch mal überdenken und stattdessen dich nehmen, hm?“

Kei spürte, wie er bis unter den Haaransatz errötete.

„Oh, es macht ja richtig Spaß, dich zu necken, kleiner Bruder. Wenn ich das nur früher gewusst hätte.“ Wieder strahlte sie ihn an.

Kei fühlte sich indes, als hätte ihm jemand einen gigantischen Pfeil mit der Aufschrift Kleiner Bruder mitten durchs Herz gerammt.
 

Übergangslos wurde Ami ernst. Und ein wenig unsicher. Sie umkrampfte den Saum ihres Rockes und starrte zu Boden. „Weshalb ich zu dir gekommen bin, Kei, du bist der einzige, der mir helfen kann. Du bist der einzige, dem ich da vertraue, jetzt wo Yoshi, Akira und Doitsu so weit weg sind.“

Na Klasse, er war doch ein Lückenbüßer. Allerdings ein exklusiver Lückenbüßer.

„Wenn ich es kann, helfe ich dir, Ami-chan, versprochen“, sagte Kei, nachdem er sich kräftig geräuspert hatte. Sehr kräftig, um die Kehle wieder funktionstüchtig zu bekommen.

„Wirklich? Das würdest du für mich tun?“

Ihr Blick hatte etwas Strahlendes, ein wenig was von einem Stern, ein wenig von einer Nova. Für einen Moment befürchtete Kei zu erblinden und gleichzeitig hatte er Angst davor, seine Sehkraft zu behalten. Was zum Henker passierte hier?

Verlegen drückte die junge Frau beide Zeigefinger an den Spitzen aufeinander. „Und das meinst du auch wirklich ernst, Kei?“

„Ich bin vielleicht nicht Akira, aber ich schmeiße hier den ganzen Laden. Dieses Mammutschiff habe ich nicht bekommen, weil ich mich gerne drücke oder mein Wort nicht halte.“

„Das ist wahr.“ Wieder sah sie zu Boden. „Kei, ich… Ich habe mich verliebt.“

„Ja, das konnte ich schon eruieren. Wer ist denn der Glückliche?“

Verlegen verbarg sie ihr Gesicht unter ihren Händen. „Takashi-sempai.“

„Was?“ Irritiert starrte Kei die junge Frau an. „Sag mal, habe ich mich gerade verhört oder hast du Takashi-sempai gesagt?“

„Ich stehe nun mal auf große Männer. Und Takashi-sempai ist so groß, so kräftig, ein mächtiger Beschützertyp und ein Anführer und…“

„Der Chef in der Gorillaherde“, sagte Kei und bereute seine Worte sofort wieder.

„Ja, das trifft es wohl.“

Nanu? Kein Ärger, kein Aufbegehren? Takashi Mizuhara Gorilla zu nennen war im Allgemeinen nicht sehr nett, auch wenn es auf seine Statur mehr als zutraf. Wenn Ami da nicht widersprach, war sie dann… wirklich verliebt?
 

Kei atmete tief durch, versuchte sein aufgewühltes Inneres zu besänftigen. Zuletzt hatte er sich so nervös gefühlt, als er Akira mit einem falschen Liebesgeständnis aufgehalten hatte, um Zeit für Yoshi zu erkaufen. Verdammt, Ami war eine Freundin, eine sehr gute Freundin. Sie war mit einem Problem zu ihm gekommen und er hatte die Pflicht, nein, das Recht, ihr zur Seite zu stehen. „Und in den hast du dich verliebt. Hm. Wo kann ich dir da helfen? Soll ich ihm einen Brief von ihm überbringen? Soll ich euch beide in einen Raum befehlen und mit meinem Erscheinen Zeit lassen? Soll ich…“

„Was denn, was denn? Du hast ja eine ganz schöne Phantasie, Kei.“ Amüsiert winkte Ami ab. „Nein, nein, das kriege ich schon alles alleine hin. Ich bin es gewohnt, dass ich mir schnappe was ich haben will. Nicht unbedingt, dass ich es auch kriege, aber… Ich versuche es wenigstens.“

„Eine gute Eigenschaft.“

„Danke. Wofür ich dich brauche, Kei, ist… Nun, das ist mir wirklich etwas peinlich, aber… Ich hatte halt noch nie einen festen Freund, und ich denke, dass Takashi-sempai nicht nur ein Freund für ein paar Wochen oder Monate ist, sondern was Richtiges. Was ernstes und…“

Ami ergriff Keis Hände und drückte sie. „Ich will mich nicht blamieren, Kei-chan. Ich will, dass alles perfekt läuft. Ich will, dass… Ich will, dass… Ich will, dass du mit mir küssen übst.“

„WAS, BITTE?“ Erschrocken war Kei aufgefahren. Aber seine Hände steckten noch immer in Amis Griff. Sie zog daran, mit erheblicher Kraft. „Bitte, Kei-chan! Du bist der einzige an Bord, den ich fragen kann!“

Zögernd gab er dem Zug ihrer Hände nach. „Aber Ami-chan. Küssen üben! Wir sind doch keine Mittelstufler mehr! Wir sind nicht mal mehr in der Oberstufe!“

„Biiiiittteeeee. Keiiiii-chaaaaaaaan. Ich will mich eben nicht blamieren. Eine Frau hat nun mal ihren Stolz.“

Der junge Admiral fühlte seinen Widerstand schmelzen wie Butter in der Sonne. Na, wenn sie ihn auch mit diesen bettelnden Augen ansah, mit ihren langen Wimpern klimperte und einen derart bittenden Schmollmund zog… Hatte Ami eigentlich einen Waffenschein für diese Pose?

„Na gut, wenn du dich unbedingt wie ein Kleinkind aufführen willst, kann ich dir auch nicht helfen“, gab Kei klein bei.
 

Ami riss den Jungen in ihre Arme. „Oh, danke, danke, danke, Kei, du hast echt was gut bei mir!“

Verwundert registrierte der Kapitän der SUNDER zwei Dinge. Erstens, es war äußerst angenehm, sich von Ami umarmen zu lassen, und zweitens, die junge Frau hatte mehr Brust als ihr Bekleidungsstil erkennen ließ. Diese Erkenntnis vertiefte sich, je länger sie ihn an sich gedrückt hielt.

Schließlich gab sie ihn frei.

Ami räusperte sich kurz, setzte sich wieder ordentlich hin, strich ihren Rock glatt – also, wegen ihm hätte sie sich diesen Umstand nicht zu machen brauchen – und lächelte ihn an. „Also, Kei-chan, bist du bereit?“

Kei setzte zum sprechen an, schloss den Mund wieder, öffnete ihn erneut und machte mit beiden Händen eine Verlegenheitsgeste.

„Das fasse ich als ja auf.“

Bevor er es sich versah, hatten sich ihre Lippen kurz berührt, nur eine winzige Zeit, aber genug, um ihn in Aufruhr zu versetzen.

„W-was war das denn? Sollte das ein Kuss gewesen sein? Das war mehr wie der Flügelschlag eines Schmetterlings.“

„So sanft und zart?“

„Nein, so kurz und kaum spürbar.“

„Oooooh, Keiiiii-chaaaan…“

Trotzig schüttelte der Kapitän der SUNDER den Kopf. „Takashi-sempai ist ein erwachsener Mann und zwei Jahre älter als du. Mit solch einem Hauch von Kuss gibt er sich sicherlich nicht zufrieden. Ich zeig dir mal, was ich meine.“

Vorsichtig nahm er Amis Kinn zwischen Zeigefinger und Daumen und drückte seine Lippen auf die ihren. Zuerst sanft und kaum spürbar, dann aber immer nachdrücklicher, bis sie den Kuss erwiderte.

„Das war… Nicht schlecht“, meinte die junge Frau, nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten. „Ich meine, Hey, wirklich nicht schlecht.“

Kei indes wusste nicht, ob er sich über Amis Worte freuen sollte. Natürlich war es nicht schlecht gewesen. Um ehrlich zu sein, es war sogar phantastisch gewesen, sein erster richtiger Kuss! Beinahe wäre es sein zweiter geworden, wenn Akira damals… Nun, diese Erinnerung schob er weit von sich – weit, weit weg.

Und diese Küsse würden fortan Takashi-sempai gehören. Falls der sich auf eine Beziehung mit der jüngeren Shirai einließ. Irgendwie beunruhigte Kei dieser Gedanke.

„Und jetzt mal mit Zunge.“

Bevor Kei es sich versah, drückte sie wiederum ihrerseits die Lippen auf seine, nur verlangte ihre Zunge diesmal nachdrücklich um Einlass, welchen Kei schließlich gewährte.
 

„Kei-chan! Wir haben… Kei-chan?“

Erschrocken ließen die beiden voneinander ab. Ami setzte sich wieder sittlich hin und Kei suchte für ein paar Sekunden seine Dienstmütze.

Vom großen Interkom-Monitor blickte Makoto irritiert auf die beiden hinab. Er war der einzige Mensch in diesem System, der sich direkt in Keis Kabine durchschalten konnte – auch auf die Gefahr hin, ihn bei einer Indiskretion zu erwischen. „Also, nicht, dass es mich was angeht, Herrschaften“, begann der oberste UEMF-Offizier im System.

„Stimmt. Also frag erst gar nicht. Kei-chan, danke für die Nachhilfe. Ich denke, ich werde sie bei… Ich werde es gut gebrauchen können.“ Ami erhob sich und hauchte dem Admiral einen Kuss auf die Stirn. Danach zwinkerte sie Mako zu und verließ die Kabine wieder.

Makotos Gesicht war indes ein einziges Fragezeichen. „Kei?“

Der winkte heftig ab. „N-nicht was du denkst, nicht was du denkst. Das war eine Gefälligkeit, nicht mehr.“

„Was für eine Verschwendung, aber das ist dein Bier. Ich…“

„Verschwendung? Was?“

Makoto sah auf, fixierte den Freund. „Nun, ich fand eigentlich, dass ihr zwei beim küssen gut harmoniert habt. Wenn das alles nur ein Gefallen war, dann waren es wohl Perlen vor die Säue. Zumindest für einen von euch zwei.“

Kei fühlte sich, als würde ein riesiges Gewicht auf ihn niedersausen, auf das irgendein Witzbold das Wort Verlierer geschrieben hatte. „Autsch“, murmelte er.

„Und? Willst du drüber reden oder wollen wir zum Dienst kommen?“

„Dienst ist mir lieber, Mako-chan.“

„Ich sage es doch, was für eine Verschwendung. Hier, diese Bilder haben uns gerade per Funk erreicht. Sie zeigen die Reste der Rochenschiff-Flotte, die nach dem abgeschlagenen Angriff geflohen ist.“

Die Bilder wurden eingespielt und zeigten vor allem eines: Explodierende Rochenschiffe und Core-Banges, die im Nahkampf bei unglaublich schnellen Passierangriffen vernichtet wurden.

„Diese Aufnahmen sind erst wenige Minuten alt, Kei. Aber es steht außer Zweifel, dass die restlichen dreiundsiebzig Rochen ausradiert wurden.

Moment, ein Anruf auf einer anderen Frequenz.“
 

Das Bild teilte sich und zeigte nun neben Makoto noch einen älteren Naguad, der die Uniform eines imperialen Admirals trug. Seine Uniform war hellblau, ein deutliches Zeichen darauf, dass er ein Haus-Offizier war, genauer gesagt ein Arogad.

„Admiral Rogan Arogad hier. Ich grüße dich, Makoto Taral Ino.“

„Admiral. Das hier ist Konteradmiral Kei Takahara. Was verschafft uns die Ehre ihres Anrufs?“

Der Ältere schmunzelte. „Ich erlaube mir gerade, die restlichen Rochenschiffe zu vernichten, die ihr großzügigerweise habt entkommen lassen. Es ist schon ein wenig her, dass ich diese Dinger vernichtet habe, aber anscheinend habe ich es nicht verlernt. Sobald meine Flotte die Rochen passiert hat, existieren von ihnen nur noch Trümmer.“

„Flotte?“, echote Makoto.

„Meine Flotte. Oder um genauer zu sein, die Strafexpedition, die zusammen gezogen wurde, um Lorania zurück zu erobern.“ Abwehrend hob er beide Arme. „Die ehemalige Strafexpedition, mein Junge. Die Lage hat sich grundlegend geändert und es war sehr von Vorteil, dass ich als Arogad von vorne herein das Oberkommando hatte. Anfangs habe ich es dazu genutzt, um den Angriff etwas… Genauer zu planen. Später, um ein wenig Gas zu geben. Und wie es scheint kommen wir genau rechtzeitig.

Ich biete einundvierzig Schiffe auf, von denen sieben dem Haus angehören. Unter diesen Schiffen sind fünf Bakesch, darunter die AROGAD, mein Flaggschiff. Ich bitte um Erlaubnis, mich der Verteidigungslinie um Lorania anschließen zu dürfen.“

Kei und Makoto wechselten einen langen Blick. Simultan atmeten sie aus, sehr, sehr erleichtert.

„Erlaubnis gewährt, Admiral Arogad. Und, willkommen im Kanto-System!“

„Danke, Commander. Wir sprechen uns wieder, sobald das letzte Rochenschiff zerstört ist.“
 

Der Bildschirm zoomte wieder auf Makoto. „Hm, ich habe mich ohnehin schon gefragt, wo die Strafexpedition bleibt. Aber ehrlich gesagt habe ich erst in drei bis vier Tagen mit ihr gerechnet, auch mit der Möglichkeit, dass sie abgesagt wurde.“

Nachdenklich strich sich der Oberkommandierende der UEMF im Kanto-System über sein Kinn. „Fünf Bakesch sind natürlich eine willkommene Verstärkung, von den anderen sechsunddreißig Schiffen ganz zu schweigen. Aber…“

„Ich weiß, was du sagen willst, Mako-chan. Die Schiffe werden aus Kleinverbänden zusammengestellt und im ungünstigsten Fall einzeln in Marsch gesetzt worden sein. Das geht in Ordnung. Wir sind in einer Verteidigungsposition und müssen nur darauf achten, uns nicht gegenseitig abzuschießen. Keiner verlangt Zusammenarbeit darüber hinaus von den Schiffen. Weder von uns, noch den Naguad, noch den Anelph.“

„Optimist“, erwiderte Makoto.

„Schuldig im Sinne der Anklage.“

„Na dann, Herr Optimist. Ich erwarte dich so bald dein Schiff repariert ist auf Jomma. Also beeil dich etwas.“

„Aye.“

„Ach, noch etwas. Warum, sagtest du, hast du Ami Shirai noch mal geküsst?“

„Es… Es war ein Gefallen.“

Makoto runzelte die Stirn. „Steht sie so tief bei dir in der Kreide?“

„I-ich? SIE wollte einen Gefallen von mir und…“

„Ein toller Gefallen. Den würde ich auch gerne mal erteilen wollen.“ Makoto grinste anzüglich und deaktivierte die Verbindung.

Kei ließ sich auf sein Bett fallen. Der Bengel hatte leicht reden. Makoto konnte sich darüber amüsieren wie immer er wollte und mochte.

Aber für ihn selbst war die Sache verfahrener. Ami-chan, warum ausgerechnet Takashi? Warum Takashi und nicht jemand der besser zu ihr passte?

Er setzte sich wieder auf. Verdammt, bevor er das zuließ, musste Takashi-sempai aber zuerst an ihm vorbei!
 

4.

„Das ist es dann also“, murmelte Sakura leise. Im Hologramm vor ihr wurde die kosmische Umgebung dargestellt, natürlich in verzerrter Perspektive, sonst hätten die Distanzen zwischen den Schiffen dazu geführt, dass entweder die Schiffe nicht alle ins Holo gepasst hätten oder die Darstellung zu klein gewesen wäre.

Beide Varianten waren ihr im Moment lieber als das, was sie gerade sah. Ein massiver Angriff mit allen Rochenschiffen, die bisher von den Computern der AURORA erkannt und katalogisiert worden waren, inklusive eines zehnprozentigen Zuwachses von neuen Einheiten.

„Mir bleibt wohl keine andere Wahl, oder?“, flüsterte sie lächelnd.

Erschrockenes Raunen ging durch die Zentrale. „Admiral! Ma´am! Sie wollen doch nicht etwa…“

„Admiral!“

Sakura Ino winkte ab. „Es ist meine Entscheidung, nicht die der Crew.“

Sie sah in die Runde. „Falls ich nachher nicht mehr dazu komme, will ich es jetzt sagen. Es war mir eine Ehre, mit Ihnen allen zu dienen. Und es war eine Ehre, euren Kapitän gekannt zu haben.“

Die anwesenden Offiziere und Mannschaften erhoben sich. Dann salutierten sie dem Admiral zu. Sakura erwiderte.

„Okay, nachdem das geklärt ist, lasst uns etwas Unvernünftiges machen!“

Entschlossenes raunen erfüllte die Zentrale.

Sakura zog das Mikrofon der internen Kommunikation zu sich heran und schaltete sich zum ganzen Schiff und allen Einheiten der Flotte durch.

„Hier spricht Admiral Ino von Bord der AURORA. Unsere Lage ist verfahren, beinahe aussichtslos. Angesichts dieser Situation befehle ich… Nein, ich bitte darum, dass Sie alle mir Ihr Vertrauen schenken.

Der Feind greift uns mit frischen Verstärkungen an, fährt in unserem Kielwasser und kommt schnell näher. Dies ist unsere einzige und beste Gelegenheit, um den Hammer des Hephaistos einzusetzen. Admiral Richards, Colonel Honda, Sie wissen was das für ihre Leute und Schiffe bedeutet. Ein Kegel mit einem Durchmesser von fünfundvierzig Grad Heckwärts der AURORA muß zehn Sekunden vor Aktivierung des Hammers geräumt sein.

Achtung, Achtung. An das Personal der Landebuchten acht bis zwölf, an das Personal der Geschütze vierunddreißig bis siebenunddreißig. Räumen Sie Ihre Positionen binnen einer Minute total. Die kommandierenden Offiziere weisen Sammelpunkte zu. Der Hammer des Hephaistos wird in genau fünfundfünfzig Sekunden aktiviert.“

„Rückmeldungen von der Flotte, den Hekatoncheiren und den Landebuchten und Geschützen. Sie beginnen mit den Aktionen.“

„Verstanden. Aktivierung des Hammers auf meinen Befehl.“
 

Die Uhr tickte unerbittlich dahin. Schiffe und Mechas der AURORA begannen den avisierten Kegel zu räumen und die Evakuierung der angesprochenen Geschützstellungen und Landebuchten ging gut voran.

„All Green, Admiral, all Green.“

Sakura sah auf die Uhr. Fünfundfünfzig Sekunden. Nicht schlecht für eine nie geprobte Aktion.

„Aktiviert den Hammer des Hephaistos!“
 

Übergangslos schalteten einige Hologramme um, zeigten nun die Oberfläche der AURORA.

Dort begannen sich Risse im Boden zu bilden, zwei der Geschützstellungen wurden aus unerfindlichen Gründen angehoben. Eine der Landebuchten fiel in sich zusammen.

Dann schob sich eine metallene Plattform durch das Gestein. Ihr folgte der Zusammenbruch der restlichen Geschütze und Landebuchten; an deren Stelle fuhr ein gigantisches Geschützrohr aus dem Boden.

Der Hammer des Hephaistos, eine fest installierte Waffe, ein Partikelbeschleuniger von unglaublicher Vernichtungskraft, aber nicht besonders beweglich. Er konnte um dreihundertsechzig Grad geschwenkt, aber nur um wenige Grad gesenkt oder aufgerichtet werden.

Eine plumpe, wenngleich gewaltige Waffe, die alles in ihrem Wirkungsbereich vernichtete, und sich nicht um Freund oder Feind scherte.

Einer der bestgehütetsten Trümpfe der AURORA, bis zu diesem Moment nicht einmal erprobt und nur wenigen Offizieren bekannt.

Die Chance, dass ihnen dieses Ding um die Ohren flog, war nicht von der Hand zu weisen. Andererseits trat Sakura lieber mit einem großen Knall als mit vielen kleinen ab.

„Beginnt die Aufladung!“

„Aufladung beginnen!“ „Zehn Sekunden bis maximale Ladung erreicht ist! Neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier…“

Die Zeit tickte wieder unerbittlich dahin, Sakura konnte sich vom Anblick der Sekunden nicht lösen.

„Drei… zwei… eins… Aufladung erfolgt!“

„Feuer!“

„Aye. Feuer!“
 

Die Oberfläche der AURORA begann zu vibrieren. Vor dem Abstrahlfeld der Kanone bildete sich eine grellweiße Glocke. Sekunden darauf feuerte der Hammer des Hephaistos und entwickelte beim Abschuss wie erwartet ein kegelförmiges Abstrahlfeld.

Auch wenn die Waffenleistung gewaltig war – so gewaltig, dass in einigen Bereichen der AURORA die Energieversorgung kollabierte – so barg sich darin auch der größte Fehler. Denn der Waffenkegel würde so weit auseinander driften, bis der Partikelstrahl so breit und hoch und dabei so dünn geworden war, dass er nicht einmal mehr dazu ausreichen würde, einem Menschen einen Sonnenbrand zu verursachen.

Diesmal aber reichte er aus, um die Verfolgerformation voll zu treffen.

„Bericht!“, schnarrte Sakura.

„Neunundfünfzig verifizierte Treffer, ich wiederhole, neunundfünfzig verifizierte Treffer! Der Hammer des Hephaistos hat neunundfünfzig Rochenschiffe versenkt!“

Jubel brandete durch die Zentrale. Sakura nickte zufrieden. „Gut, das war der erste Schuss. Wann ist der nächste Schuss möglich?“

„In zwei Stunden, elf Minuten.“

„Gut. Der nächste Schuss wird um einiges schwieriger. Wir müssen damit rechnen, dass die Rochen sich nach diesem Verlust weiter auffächern und zudem darauf achten, wohin wir den Hammer drehen. Wir…“
 

„Ma´am, K zu K für Sie!“

Admiral Ino sah auf. Kommandant zu Kommandant-Verbindungen waren eher selten, aber immens wichtig.

„Durchstellen.“

Einer der Bildschirme vor ihr wechselte und zeigte unverkennbar einen Inder, genauer gesagt einen Hindu, allerdings ohne Turban, in dem Punkt enttäuschte er die Erwartungen.

„Admiral Bhansali!“

„Admiral Ino. Danke für das Feuerwerk, das Sie gerade für unser Eintreffen gegeben haben. Wir sind gerade ins System gesprungen, um der AURORA Deckung zu geben.“

„Gut, dann leiten Sie sofort Wendemanöver ein und gehen Sie auf Gegenkurs. Ich hoffe, Sie schaffen diesen Gewaltakt, um zur AURORA aufzuschließen. Wir…“

„Admiral Ino. Deckung geben ist vielleicht etwas unklar ausgedrückt. Ich bin hier nicht mit ein paar Schiffchen unterwegs, sondern mit der gesamten 2. Flotte, sechsundzwanzig Einheiten, unterstützt von fünf Fregatten der 1. Flotte. Mein Flaggschiff, die KAVEMN, ist ein Bakesch. Dazu unterstehen mir zwei Schiffe der Bismarck-Klasse, die SCHARNHORST und die HINDENBURG. Ich erlaube mir, Ihren Rückzug zu decken und die Rochenschiffe zu vernichten.“

„Ich stelle Ihnen Schiffe meines Begleitkommandos zur Verfügung! Vier Zerstörer der…“

„Negativ, Admiral. Das gleiche Problem wie bei mir. Bis die Schiffe gewendet haben und auf meinem Kurs und meiner Geschwindigkeit sind, vergehen Stunden. Keine Sorge, wir werden mit den Rochenschiffen fertig. Aber feuern Sie ruhig noch einmal mit dem Hammer, um unsere Chancen noch mehr zu verbessern.“

„Einverstanden, Admiral.“

„Gut. Wir passieren die AURORA in einer Stunde und elf Minuten.“

„Wir freuen uns darauf.“

„Ach, Admiral Ino, verdammt gute Arbeit bisher.“

„Apropos gute Arbeit, eine meiner Korvetten ist da draußen verschollen. Wenn Sie Zeit und Gelegenheit haben, meinen Kurs abzufliegen, dann halten Sie bitte nach ihr Ausschau.“

„Das werde ich, Admiral. Bis bald.“

Der Bildschirm erlosch wieder.

„Wir sind gerettet.“ Mit einem erleichterten Seufzer ließ sich Sakura wieder auf ihren Sessel fallen.

Die frohe Nachricht wurde sofort an die Flotte weitergegeben und begeistert aufgenommen.

„Irgendwann“, sinnierte Sakura, „irgendwann wird das Glück dieses Schiffes aufgebraucht sein… Und dann haben wir hoffentlich wieder Akira an Bord.“

**

Der rote Schemen entpuppte sich als Mecha, genauer gesagt als Hawk. Um wirklich präzise zu sein, es war Lady Death. Der gigantische Kampfroboter legte eine riesige Hand zwischen mich und die waffenstarrende Wächterfront, was mich vom Anblick diverser feuerbereiter Mündungen befreite.

„Sie bedrohen einen Stabsoffizier der UEMF. Das kann ich nicht zulassen. Beenden Sie Ihre feindseligen Handlungen, oder ich muß entsprechend des Protokolls handeln!“

Ich sah, nein, ich spürte, wie die Verwirrung im Raum anstieg. Halb erwartete ich, dass nach Lady Death nun auch noch Prime hereingeprescht kam, aber das war wohl etwas viel verlangt.

„Wir können doch nicht…“, begann Mitne Daness. Dann sah er Megumi an. „Solia. Tu etwas. Es ist dein Banges.“

„Es ist ein Hawk, und es tut mir Leid, aber das sind Überrangorder, die kann nicht einmal ich überbrücken. Letztendlich ist Akira mein Vorgesetzter und rein technisch bin ich dazu verpflichtet, ihn mit meinem Leben zu beschützen.“

„Solia“, begann Mitne in beschwörendem Tonfall, „wir müssen Aris in unsere Hand bekommen! Nur wenn wir ihn als Geisel präsentieren, wird Arogad nicht in einem ersten Anfall von Blutrausch über uns herfallen! Verdammt, Solia, ich will einen Krieg verhindern!“

„Und was ist, wenn die Geiselnahme von Akira der letzte Grund ist, der ihnen noch fehlt, um Amok zu laufen? Wir wissen nicht, was mit dem Rat der Arogad passiert ist. Vielleicht sind alle tot und Akira ist der Herr des Ratsvorsitzes. Wenn wir ihn dann als Geisel präsentieren, fallen vielleicht alle Häuser über uns her!“ Wütend starrte Megumi ihren Großvater an, allerdings nur mit mäßigem Erfolg.

Mitne sah zum Loch in der Wand. „Ich kann eigene Banges nachziehen.“

„Oder du kannst Akira machen lassen was er will, Opa.“

Erstaunt sah der Vorsitzende des Hauses Daness seine Enkelin an. „Hat er einen Plan?“

„Akira hat immer einen Plan. Und wenn er keinen hat, improvisiert er.“ Sie schenkte mir einen Blick, der mich davon überzeugt hätte, von hier zur Erde zu laufen. „Nicht wahr, Akira?“

Ich muß zugeben, ich muß einen sehr dummen Ausdruck auf meinem Gesicht gehabt haben, denn Henry begann mich auszulachen.

Das aber brachte mich auf eine Idee. Wer lachte, kämpfte nicht.

„Natürlich habe ich einen Plan. Aber dafür brauche ich die volle Unterstützung des Rates der Daness. Wenn es nicht klappt, kannst du gerne noch mal die Geiselnummer probieren.“ Ich sah zu Megumis Cousin rüber. „Sostre?“

„Du hast meine Rückendeckung, Junge. Lassen wir die Dinge laufen und sehen dabei zu was passiert.“ Der junge Daness schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, das mich stark an Megumi erinnerte – und ähnlich gut aufbaute.

„Ich brauche eine Live-Verbindung, so groß und so gut wie möglich.“

„Wohin?“, fragte Vern Attori, der Stabschef, der bereits auf die neue Situation reagierte.

Ich grinste dünn. „Überallhin, Vern.“
 

Epilog:

Ich war nervös. Nun, wer konnte es mir verdenken? Immerhin hatten Vertreter des Hauses Daness Waffen auf mich gerichtet, während Vertreter meines Hauses –Fairerweise sollte ich Henry nicht vergessen – ihre Waffen auf die Daness gerichtet hatten. Und dazwischen steckte immer noch Lady Death, diesmal hoch aufgerichtet im Hintergrund, aber jederzeit bereit, einen Schritt vorzutreten, um mich zu schützen. Ein beunruhigender Gedanke.

Zur gleichen Zeit versuchte ich so etwas wie eine Rede zu improvisieren, wirklich gut und respektgebietend in meiner UEMF-Uniform auszusehen und einen Krieg zwischen den beiden mächtigsten Häusern der Naguad zu verhindern. Sie waren alle Daima, schlimmer noch, alle Naguad. Ein Konflikt, hier im Herzen des Imperiums war mit dem Angriff eines Daness-Kreuzers auf den Arogad-Turm wie das Damokles-Schwert der klassischen Sage. Es schwebte über unseren Häuptern, aufgehängt an dünnem Rosshaar und konnte beim kleinsten Windstoß reißen.

Und in der Hauptstadt tobte gerade ein Sturm, ganz davon abgesehen, dass mehrere Randstädte radioaktiv kontaminiert waren. Noch nicht verseucht, aber kontaminiert, schlimm genug, dass Koromando und Grandanar, zwei der mittleren Häuser, bereits die Evakuierung eingeleitet hatten. Ich wollte, dass die anderen Häuser nachzogen, vor allem Daness und Arogad. Aber zwanzig Minuten nach dem hinterhältigen und auf eine gewisse Weise erfolgreichen Angriff sah es nicht so aus, als würden die Türme Hilfstruppen zusammenstellen. Die anderen, mit den beiden Häusern verbündeten Türme, Elwenfelt und Fioran bei den Arogad sowie Bilas und Awarima bei den Daness, schienen sich in diesen Strudel ebenfalls hineinziehen zu lassen.
 

Seit einiger Zeit gab es erste Bilder vom Arogad-Turm. Die obersten acht Stockwerke sahen furchtbar aus. Die Außenhülle war an Dutzenden Stellen eingerissen und dunkler Rauch drang hervor. Rettungsmannschaften hatten es noch nicht so hoch geschafft, aber es stand außer Frage, dass die Schäden von durchgehenden Aggregaten verursacht worden waren, nicht vom atomaren Angriff.

Die Rettungsmannschaften waren noch nicht besonders weit, aber die Zentralregierung und die Arogads waren es. Während eine kleine Flotte Korvetten der Flotte das Daness-Schiff aufbrachte, welches gefeuert hatte, sammelte sich die hiesige Flotte der Haus-Schiffe der Arogad symbolisch über dem Turm, nur in einhundert Kilometer Höhe.

Auch Daness begann Schiffe heran zu ziehen, aber es waren nicht halb so viele wie bei den Arogad. Ein Desaster lag in der Luft. Man konnte es riechen, schmecken, beinahe berühren.

Nervös lüftete ich meinen Kragen. „Verbindung?“

„Steht in fünf Sekunden. Wir übertragen Ihr Bild auf alle Empfänger im Sonnensystem und als riesiges Hologramm zwischen die Türme. Wir brechen damit ein halbes Dutzend Gesetze, Meister Arogad. Ich hoffe, das ist es wert.“

Ich nickte Attori zu. „Sagen Sie mir hinterher, ob es das wert war. Schießen Sie mich auf die Kanäle.“

Attori nickte und zählte stumm an seinen fünf Fingern fünf Sekunden herab.
 

Drei. Zwei. Eins. On.

Ich sah in die Kamera, machte mir klar, dass ich in diesem Moment als anderthalb Kilometer großes Monster auf dem Platz stand, der zum geometrischen Mittelpunkt der neun Türme erklärt worden war. Und zugleich auf jedem Bildschirm und Hologramm erschien, welches dies zuließ.

„Mein Name“, begann ich, „ist Aris Arogad. Ich beanspruche hiermit vorübergehend den Vorsitz des Rates des Hauses Arogad.“

Ein kleiner Bildschirm erhellte sich, bildete einen Flottenoffizier in der blauen Hausuniform der Arogads ab. Ich kannte das Gesicht und auch den Namen. Gorda Taral, einen entfernten Vetter meines Onkels Aris Taral.

„Hier spricht Admiral Taral, derzeit oberster Offizier im System. Ich erkenne Ihren Anspruch an, Meister Arogad. Bitte harren Sie noch etwas aus. Wir sind dabei ein schlagkräftiges Kommando zusammen zu stellen um Sie aus dem Daness-Turm zu befreien.“

Ich runzelte die Stirn. Und schämte mich für die theatralische Geste, auch wenn sie erforderlich war.

„Es gibt da zwei Begriffe, die ich in Ihren Worten nicht verstehe, Admiral Taral. Das erste ist Kommando. Und das zweite ist befreien.“

„Nun, Meister Arogad, es ist offensichtlich, dass die Daness nach ihrem misslungenen Attentat auf unseren Turm das neue Oberhaupt des Hauses als Geisel halten. Ich stelle gerade meine besten Leute zusammen, um diesen Missstand zu beenden.“

„Da ist sehr löblich von Ihnen, Admiral. Aber darf ich annehmen, dass Sie dabei Gewalt gegen den Turm der Daness anwenden werden?“

„Natürlich wenden wir dabei Gewalt an, aber nicht so plump wie die Daness. Sie werden keine Sekunde in Gefahr sein, Meister Arogad.“

„Aha. Es wird also zu Zerstörungen kommen?“

„Sicherlich wird es zu Zerstörungen kommen, entsprechend der Gegenwehr der Daness.“

Ich nickte verstehend. „Ja, schon klar. Ich bin General, und den Rang habe ich mir nicht schenken lassen. Ich verstehe die Notwendigkeit von Kollateralschäden im Einsatz.“

„Es freut mich, dass Sie es so verständnisvoll sehen, Meister Arogad.“

„Und ich verbiete Ihnen einen Kommandoeinsatz, um mich zu befreien.“

„Entschuldigen Sie, wenn ich erst auf Ihre Befehle höre, sobald Sie bei mir an Bord sind, Meister Arogad.“

Ich schnaubte wütend aus. „Ihr Eifer in allen Ehren, Admiral. Aber wenn Sie an meinem persönlichen Eigentum auch nur einen Kratzer machen, dann sprechen wir zwei uns unter vier Augen!“

„Wie gesagt, ich verstehe Ihre prekäre Situation als Geisel und… Ihr Eigentum?“

Hinter mir wurde geraunt. Ich hoffte, dass Megumi diese Geräusche des Missmuts so weit wie möglich unterdrückte.

„Ich habe bei Lady Solia Kalis soeben um ihre Hand angehalten. Ihre Mitgift ist der Turm der Daness. Das bedeutet, dass ich ab sofort der Eigentümer dieser schmucken Immobilie bin. Und Sie verstehen sicherlich, dass ich nicht will, dass sie beschädigt wird.“

Das raunen wurde lauter. Dazwischen war ein unterdrücktes lachen zu hören, eindeutig Sostre.

„Die Daness werden Lady Daness niemals den Turm als Mitgift mitgeben! Das ist Unsinn, Meister Arogad!“, presste der Admiral zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Natürlich tun sie das. Bei dem Brautpreis, den ich für Solia Kalis bezahle.“

Ich konzentrierte mich einen Moment, die eigentliche weiße Uniform der UEMF verschwand und machte der Hausuniform der Arogad Platz. Ich hielt meine Hand in Megumis Richtung ausgestreckt und sie trat zu mir. Zuerst mit einem unverschämten Grinsen, als sie in die Erfassung der Holoabtaster geriet jedoch mit einem Lächeln.

„Der Brautpreis für Lady Daness ist eine Welt“, sagte ich schlicht und spürte, wie Megumi vor Entsetzen zitterte.

„Meister Arogad! Sie haben doch nicht etwa die Welt Arogad verschenkt?“, rief der Taral entrüstet.

„Natürlich nicht. Arogad gehört mir nicht, oder? Die Welt, die ich meiner Lady zu Füßen lege ist… Die Erde.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2007-05-18T09:18:06+00:00 18.05.2007 11:18
Hammer!!! *_* Vorallem das Ende dieses Kappis. XDDD
Von:  Miyu-Moon
2006-10-06T12:26:18+00:00 06.10.2006 14:26
Dann nähern wir usn tatsächlich dem Ende? Ich geb´s auf...Wann gibt es den einen Termin für die Hochzeit?


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