Nights of Change von Myska_Antari ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Er schwieg, während er hinter mir herlief und schien in Gedanken zu sein. Erst als wir weit genug von der Stadt weg waren, erhob er wieder das Wort. „Die kannten dich“, entfuhr es ihm und ich drehte meinen Kopf zu ihm um. „Wieso kannten dich die?“ „Wieso sollten sie mich nicht kennen? Ich wohne schließlich in ihrer Nähe“, erwiderte ich ihm, doch er schien nicht zufrieden mit meiner Antwort. „Wir beziehen von ihnen die Sachen, die wir für unseren Sohn brauchen. Meist gibt meine Frau ihnen eine Liste, auf welcher steht, was sie braucht und die suchen ihr das dann bis zur nächsten Nacht zusammen. Wir bezahlen sie auch gut dafür.“ „Die treiben also Handel mit euch“, schloss er und ich nickte. „Warum hast du mir davon nichts erzählt?“ Ich zuckte mit Schultern und wandte mich wieder von ihm ab, um weiterzugehen. Er schimpfte etwas Unverständliches, ehe er mir erneut folgte. Als wir uns meinem Haus näherten, spürte ich plötzlich die Anwesenheit eines anderen Vampirs. „Ich habe dich etwas gefragt“, wiederholte Milan erneut, der den anderen wohl nicht bemerkte, und er griff nach meinem Arm. Sofort drehte ich mich zu ihm um, packte ihn und riss ihn zu Boden. Überrascht starrte er mich an, während ich ihn mit einer Hand unter mir festhielt und mich zu ihm hinabbeugte. „Wir werden von meinesgleichen gerade verfolgt“, flüsterte ich ihm zu. „Bleib am Boden und spiel einfach mit, okay?“ Seinem Blick nach war er überhaupt nicht davon begeistert. „Und du hast gedacht, du könntest mich aus dem Hinterhalt angreifen?“, knurrte ich ihn dann laut an und hörte, wie unser Verfolger nähertrat. „Ich werde dir zeigen, was ich davon halte.“ Ich packte ihn am Hals und beugte mich wieder zu ihm hinab. „Dreh deinen Kopf zur Seite und tu so, als hätte ich dir gerade dein Genick gebrochen“, forderte ich ihn leise auf. Er schluckte kurz, kam dann aber meiner Aufforderung nach und spielte den Toten für mich. Ich ließ ihn wieder los und lachte, ehe ich mich erhob und zu dem anderen Vampir umdrehte, der mich verwundert ansah. Ich erkannte in ihm einen der Boten des Königs, der einen Brief für mich zu haben schien. „Sie jagen jetzt sogar schon Euch?“, entfuhr es ihm und er warf einen kurzen Blick zu dem Mann. „Ihr solltet Eure Familie umsiedeln, denn wo einer von diesem Abschaum fällt, tauchen bald noch mehr von denen auf.“ Ich nickte und ging auf den Mann zu. „Das weiß ich und ich werde sie von hier fortschaffen“, erwiderte ich ihm und nahm ihm das Schreiben ab, welches er für mich hatte, ehe ich es entfaltete und las. Wie ich es erwartet hatte, wurde ich zurück ins Königshaus gerufen, um mich dort wieder zum Dienst zu melden. Wirklich erfreut darüber war ich nicht, zumal ich mich im Moment immer noch um Milan kümmern musste. „Richte ihm aus, dass ich erst einmal meine Familie in Sicherheit bringe, bevor ich zu ihm komme“, sagte ich dem Boten und reichte ihm das Schreiben zurück, wobei mir allerdings auffiel, wie er zu dem am Boden liegenden Mann starrte. „Er scheint noch zu leben“, meinte er zu mir. Ich warf auch einen Blick zu Milan und nickte. „Keine Sorge, um den kümmere ich mich gleich“, versicherte ich dem Boten. „Kehr du jetzt zurück zum König und richte ihm meine Antwort aus.“ Der Mann nickte und wandte sich von mir ab, ehe er sich ein paar Schritte von mir entfernte und seine Flügel rief. Ich sah ihm nach, wie er sich mit diesen in die Luft erhob und davon flog und erst, als er weit genug weg war, atmete ich auf und drehte mich zu Milan um, der sich immer noch nicht rührte. „Er ist weg. Du kannst aufstehen“, meinte ich zu ihm und sofort erhob er sich wieder. Er murrte irgendetwas Unverständliches und kam auf mich zu. „Wird der nicht zurückkommen und überprüfen, ob du mich getötet hast?“, fragte er dann. „Du hättest ihm auch erklären können, dass ich dein Gast bin, statt mich umzureißen und zum Tod spielen zu verdonnern.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich wollte nicht riskieren, dass er bemerkt, dass du im Moment ein Vampir bist. Bei dem, was du da trägst, hätte das Fragen aufgeworfen“, erklärte ich ihm und zeigte auf die Wappen an seinem Mantel. „Ihr Jäger habt jetzt nicht den besten Ruf unter uns Vampiren.“ Er rollte genervt mit den Augen. „Das beruht auf Gegenseitigkeit“, gab er zurück und wandte sich ab von mir, um weiter in Richtung meines Hauses zu gehen. Ich seufzte und folgte ihm. „Mir ist übrigens etwas Seltsames aufgefallen, vorhin bei dem Stadtwächter“, erhob er wieder das Wort, nachdem er durch die Haustür eingetreten war und sich zu mir umgedreht hatte. „Ich hatte für einen kurzen Moment das Gefühl, als könnte ich das Blut in seinen Adern sehen.“ Ich runzelte die Stirn, während ich die Tür verschloss. Für mich als Vampir war es nicht sehr ungewöhnlich, so etwas zu können. Ob er das jetzt konnte, weil er so war wie wir? „Das ist ein Vampirding“, erklärte ich ihm daher und wieder einmal verzog er das Gesicht. „Man, ich hoffe, ich werde das bald wieder los“, meinte er und wandte sich von mir ab, um seinen Mantel wieder in sein Zimmer zu bringen. Ich wartete allerdings nicht auf seine Rückkehr, sondern ging in die Küche, wo meine Frau bereits mit Christian zu Abend aß. Mein Ausflug mit Milan zu dieser Stadt hatte fast die ganze Nacht gedauert. „Ihr seid endlich zurück“, begrüßte mich meine Frau verwundert. „Ich hatte eigentlich etwas früher mit euch gerechnet.“ Ich nickte und ließ mich auf meinem Stuhl nieder. „Er ist nicht so schnell wie wir und kann nicht fliegen“, erwiderte ich ihr. „Außerdem sind wir einem Boten vom König begegnet.“ Sie hob skeptisch eine Augenbraue. „Dann wissen die jetzt also von ihm?“, riet sie, doch ich schüttelte den Kopf. Hinter ihr betrat Milan den Raum und er ging zum Schrank, um sich einen Teller zu nehmen, damit er sich etwas zu essen darauf vorbereiten konnte. „Nein, da wir so getan haben, als hätte ich ihn getötet. Allerdings habe ich dem Boten gesagt, dass ich dich und unseren Sohn jetzt von hier wegschaffen werde, um euch in Sicherheit zu bringen“, erklärte ich ihr und sie schien nicht erfreut darüber zu sein. „Bis ich das getan habe, werde ich allerdings nicht zum Königshaus zurückkehren. Das habe ich ihm auch gesagt.“ „Trotzdem will ich nicht umziehen“, murrte sie und wandte sich wieder Christian zu, der uns schweigend beobachtete. Milan setzte sich neben ihm und wollte nach dem Brot greifen, doch ich packte seine Hand und stoppte ihn. „Lass das lieber“, warnte ich ihn. „Du hast das heute Morgen schon versucht. Du erinnerst dich?“ Ich ließ ihn los und er knurrte verärgert. „Da war ich auch gerade erst aus meinem Fieber erwacht. Dass mir schlecht geworden ist, lag vermutlich daran“, gab er zurück und er nahm sich trotzig eine der Brotscheiben, ehe er in diese hinein biss und seinen Bissen ohne groß zu kauen hinunterschluckte. „Siehst du? Ich kann das essen ohne Probleme und damit endlich meinen Hunger stillen.“ Er biss erneut ab, stoppte dann aber und runzelte die Stirn. „Oh nein, bitte nicht“, fluchte er und hielt sich die Hand vor seinen Mund, ehe er aufsprang und wie bereits heute Morgen in Richtung Badezimmer eilte. Dieses Mal folgte ich ihm jedoch nicht. Stattdessen holte ich mir ein Messer und halbierte die Scheibe, in welche er gebissen hatte. Die unversehrte Hälfte legte ich zurück zum Rest und die andere schmiss ich in den Müll. „Er wird Blut brauchen“, sagte ich dann und wandte mich meiner Frau zu. „Nur wie bekommen wir diesen Sturkopf dazu, dies zu akzeptieren?“ Sie zuckte nur ratlos mit den Schultern. „Ist Onkel Milan etwa so wie ihr?“, mischte sich Christian ein und drehte seinen Kopf zu mir um. Ich nickte und merkte, wie er anscheinend nachdachte. „Es ist das aber noch nicht so lange und muss erst noch ein paar Dinge darüber lernen“, ergänzte ich meinem Nicken und hörte, wie der Abwesende aus dem Badezimmer zurückkam. „Warum gehst du jetzt nicht mit deiner Mama Zähne putzen, während ich nach dem Onkel sehe?“ Er nickte und kletterte von seinem Stuhl. „Heute ist sogar Badetag, Papa“, verkündete er mir stolz, ehe er sich an seine Mutter wandte und mit ihr die Küche verließ. Ich sah ihnen nicht hinterher, sondern räumte nur den Tisch ab, bevor ich ebenfalls aus der Küche ging und nach Milan suchte. Er saß auf seinem Bett und hatte sein Gesicht in seinen Händen vergraben. „Solch eine Scheiße“, fluchte er und ich konnte Tränen in seinen Augen sehen. „Ich bin doch kein Monster!“ Ich seufzte und ging langsam auf ihn zu, bis ich nahe genug an ihm war, um ihm auf seine Schulter zu klopfen. Er reagierte sofort, indem er meine Hand wegstieß und mich böse anfunkelte. „Das ist alles deine Schuld“, schimpfte er. „Du bist daran schuld, dass ich diese Probleme jetzt habe!“ „Es war nicht meine Absicht, dass du zu einem Vampir wirst, doch das bist jetzt und es sieht wohl nicht danach aus, als würde sich das wieder ändern“, erwiderte ich ihm. „Und wenn dich der Hunger plagt, dann solltest du es vielleicht einmal mit Blut probieren.“ Vehement schüttelte er den Kopf und wandte sich von mir ab. „Nur über meine Leiche!“, gab er zurück. „Und jetzt verschwinde. Ich will allein sein und meine Ruhe haben.“ Ich zögerte einen Moment in der Hoffnung, dass er noch etwas sagen würde, doch da er schwieg, verließ ich schließlich sein Zimmer und zog hinter mir die Tür zu, wobei ich diese allerdings gleichzeitig verschloss. Wenn er allein sein wollte, dann sollte er das auch so haben. Außerdem wollte ich nicht riskieren, dass er dieses Haus verließ, während ich schlief. Denn daran, dass ihm Sonnenlicht nun auch schaden konnte, hatte ich keine Zweifel mehr, und davor wollte ich ihn schützen. Neben mir trat meine Frau mit unserem Sohn auf dem Arm aus dem Badezimmer. „Hast du mit ihm geredet?“, wollte sie wissen und ich nickte. „Also wird er es morgen mit Blut versuchen?“ „Es wäre besser, aber er weigert sich zu akzeptieren, dass er es braucht“, entgegnete ich ihr und nahm ihr Christian ab, „Er wollte jetzt erst einmal allein sein und weil ich befürchte, dass er hinausgehen könnte, während wir schlafen, habe ich ihn eingeschlossen.“ Sie schien nicht wirklich erfreut darüber. „So dumm wäre er sicherlich nicht“, meinte sie und gab mir einen Kuss. „Und jetzt bring Christian ins Bett. Der hat schon ganz müde Augen.“ „Gar nicht wahr, Mama“, protestierte dieser sofort und ich lachte leise, ehe ich ihn in sein Kinderzimmer brachte und ihn dort in sein Bett legte. Dann holte ich mir eines seiner Märchenbücher und las ihm aus diesem vor, bis er friedlich eingeschlafen war. Leise verließ ich sein Zimmer und suchte meine Frau in unserem Schlafzimmer auf, um mich mit ihr nun auch zur Tagesruhe zu begeben. Dieses Mal träumte ich von dem Kampf mit Milan und davon, dass ich ihn damit tatsächlich getötet hatte. Danach waren noch mehr von seinen Leuten aufgetaucht und hatten meine Frau umgebracht und meinen Sohn entführt. Seine Schreie nach mir ließen mich aus dem Schlaf hochschrecken und ich stellte sofort fest, dass meine Frau bereits aufgestanden war. Langsam erhob ich mich aus dem Bett und suchte nach ihr, wobei meine Suche nicht lange dauerte, da sie mit einem Buch in der Hand im Wohnzimmer saß und las. „Christian hatte einen Albtraum und hatte mich vorhin deshalb geweckt. Ich habe ihn zurück ins Bett gebracht und bin bei ihm gewesen, bis er wieder eingeschlafen ist. Allerdings konnte ich danach nicht mehr schlafen“, erklärte sie mir ungefragt und legte das Buch zur Seite. „Soll ich unser Frühstück vorbereiten, während du Christian und Milan weckst?“ Ich nickte und sie erhob sich aus ihrem Sessel, während ich mich abwandte und zunächst einmal in das Zimmer unseres Sohnes schritt. Vorsichtig ging ich zu seinem Bett und hockte mich vor ihn hin, ehe ich ihn ansprach. „Aufstehen, Großer“, sagte ich ihm und strich ihm sanft über den Kopf. „Der Mond ist bereits aufgegangen.“ Verschlafen öffnete er seine Augen. „Wirklich?“, fragte er und setzte sich langsam auf. „Ich habe geträumt, dass du mich verlässt. Ich will nicht, dass du mich verlässt, Papa.“ Ich nahm ihn tröstend in den Arm. „Das werde ich schon nicht. Ich werde immer zu dir zurückkommen, auch wenn ich einmal für längere Zeit weg bin“, versicherte ich ihm und spürte, wie er sich in meinem Hemd festkrallte. „Das verspreche ich dir und jetzt zieh dich bitte an, damit wir frühstücken können.“ Er lockerte seinen Griff ein wenig und sah mich fragend an. „Spielen wir danach wieder?“, wollte er wissen und ich ließ ihn los, was er mir ebenso gleich tat. „Ja“, erwiderte ich ihm und reichte ihm seine Sachen, damit er sich umziehen konnte. „Schaffst du das allein?“ Er nickte und lächelte stolz. „Ich bin schließlich schon groß“, gab er zurück und ich schenkte ihm ein Lächeln. „Gut, dann gehe ich jetzt Onkel Milan wecken und du gehst bitte in die Küche, wenn du dich angezogen hast.“ Ich strich ihm noch einmal über den Kopf, ehe ich mich abwandte und zurück ins Wohnzimmer schritt. Dort öffnete ich die Tür zum Gästezimmer und erwartete einen erbosten Milan, weil ich ihn eingesperrt hatte, als ich in sein Zimmer trat. Zu meiner Überraschung war er allerdings nicht mehr dort. Stattdessen entdeckte ich, dass sein Fenster geöffnet war. Ich fluchte, ehe ich zu diesem rannte und hinaussah. Irgendwie hatte ich nicht damit gerechnet, dass er durch das Fenster abhauen würde.  Warum nur war dieser Idiot jetzt geflohen und wohin? Er konnte doch nicht einfach allein da draußen herumrennen. Was, wenn er irgendetwas Dummes anstellte? Ich sollte ihn besser suchen, bevor er sich oder andere in Gefahr brachte. Eilig wandte ich mich ab und lief ins Wohnzimmer, wo mich meine Frau verwundert aus der Küche heraus ansah, während ich mir meine Schuhe anzog. „Er ist durch das Fenster geflohen“, erklärte ich ihr kurz und öffnete die Haustür. „Ich werde ihn suchen gehen, bevor er irgendetwas anstellt.“ Ich hörte nicht, ob sie mir irgendetwas erwiderte, als ich hinauseilte. Vor unserem Haus entdeckte ich frische Pferdespuren, was mich schließen ließ, dass er sich sein Pferd geschnappt hatte und davongeritten war. Das und die Tatsache, dass ich sein Tier nicht mehr entdecken konnte. Ich fluchte noch einmal und folgte der Spur, die er hinterlassen hatte. Wirklich weit war er vermutlich noch nicht und selbst auf seinem Pferd würde ich ihn mit Leichtigkeit einholen. Jedenfalls sollte ich das. Leider irrte ich mich und ich verlor die Spuren seines Pferdes. Damit wusste ich nun nicht mehr, wohin er geflohen war. Ratlos sah ich mich um, während der Mond die Landschaft um mich erhellte. Ich atmete tief durch und schloss meine Augen, um mich darauf zu konzentrieren, irgendeine Spur von ihm zu finden. In der Ferne hörte ich Wolfsgeheul und weil wir Vollmond hatten, wunderte mich dies nicht wirklich. Allerdings machte es das vermutlich noch gefährlich für Milan. Er war schließlich unbewaffnet. Ein schwacher Geruch stieg mir in die Nase und ich wusste sofort, dass dieser von ihm kam. Wenn ich diesem folgte, könnte ich ihn finden. Ohne groß nachzudenken, nahm ich diese Spur auf und eilte ihm mit Hilfe von dieser hinterher. Sie führte mich bis in ein kleines unscheinbares Dorf, in welchem es lediglich drei kleine Häuser gab und sie endete leider auch genau dort, was wiederum hieß, dass er hier irgendwo war. Während ich mich umsah, roch ich plötzlich Blut und entdeckte eine geöffnete Tür bei einem der Häuser. Scheinbar hatte sein Verlangen nach Blut ihn übermannt und hatte sich hier einen Menschen gesucht, von dem er trinken konnte. Das war definitiv nicht gut. Ich eilte zu besagtem Haus und trat hinein. „Scheiße, Scheiße, Scheiße“, hörte ich ihn, „Das wollte ich doch gar nicht. Bitte, lass diese Blutung endlich aufhören!“ Ich entdeckte einen Esstisch, als ich eintrat, und eine Frau, die neben diesem bewusstlos auf dem Boden lag. Ich sah an ihrem Bauch, dass sie schwanger war, entdeckte jedoch keine Bisswunden an ihrem Hals. Anscheinend hatte er sie schon einmal verschont. Ich ging um den Tisch und entdeckte ihn mit einem Jungen im Arm am Boden sitzend. In seinen Augen las ich Verzweiflung, während er mit einem Stück Stoff auf eine Wunde am Hals des Knaben drückte. Damit war es also dessen Blut, welches ich gerochen hatte. Milans erstes Vampiropfer war ein Kind geworden. Etwas, was ihn vermutlich noch Jahre verfolgen würde. „Ich wollte das doch gar nicht“, jammerte er und ich hockte mich vorsichtig zu ihm hin. Dann streckte ich meine Hand nach ihm und dem Jungen aus und stellte fest, dass der Knabe tatsächlich noch lebte. Dabei wäre ich davon ausgegangen, dass Milan ihn umgebracht hatte. „Nathaneal“, sprach er nun mich an. „Es tut mir leid. Ich hätte nicht einfach gehen dürfen. Aber ich wollte einfach nach Hause und …“ Er stockte und sah auf den Jungen in seinem Arm und so langsam verstand ich, warum er ausgerechnet hier gelandet war. Das hier war seine Familie. Er hatte zu ihnen so sehr zurückgewollt, dass er einfach durch das Fenster bei uns geflohen war, um zu ihnen zu gelangen und als er dann endlich bei ihnen war, hatte ihn seine Gier nach Blut übermannt. Ich fluchte innerlich dafür, dass ich ihn nicht früher gefunden und aufgehalten hatte. „Es hört einfach nicht auf zu bluten“, fuhr er fort und zeigte mir die Bisswunde am Hals seines Sohnes. Ich nickte und streckte die Hand nach der Verletzung aus. Es wunderte mich nicht, dass Milan nicht wusste, wie man Blutungen als Vampir stoppte. Woher hätte er auch davon wissen sollen? Er war ja schließlich noch nicht so lange einer und ich war mir auch nicht sicher, ob er dazu überhaupt in der Lage war. Ich stoppte die Blutung bei dem Jungen, verzichtete allerdings darauf, die Wunde gänzlich verheilen zu lassen. Milan wirkte überrascht über meine Aktion und sah mich irritiert an. „Wie hast du das gemacht?“, wollte er wissen und ich nahm ihm den Jungen vorsichtig ab. „Das eine Fähigkeit unter Vampiren. Etwas, was du noch nicht gelernt hast und wovon ich auch noch nicht weiß, ob du es überhaupt erlernen kannst“, gab ich ihm zurück und merkte, wie der Knabe in meinen Armen sich zu regen begann. „Was wolltest du hier?“ „Ich wollte sie warnen und ihnen sagen, was mit mir passiert ist“, erklärte er mir und warf einen Blick an mir vorbei zu seiner Frau. „Ich wollte, dass sie sich vor den Vampiren in Sicherheit bringen, weil ich befürchtete, dass diese sie nun verfolgen würden. Leider kam ich nicht wirklich dazu, es ihnen zu erzählen, bevor sie bewusstlos wurden, und dann habe ich … habe ich …“ Wieder stockte er und weinte. „Sie werden es überleben“, versicherte ich ihm und in ihm schien neue Hoffnung aufzukeimen. „Wir werden allerdings nicht hier bleiben, bis sie erwachen. Ich werde sie jetzt in eines eurer Bett legen und du wirst ihnen derweil einen Brief schreiben, in dem du ihnen das erklärst, was du sagen wolltest, verstanden?“ Er nickte und zeigte zu der Tür rechts von ihm. „Da ist unser Schlafzimmer. Leg sie dort ab“, wies er mich an und ich ging mit dem Jungen an ihm vorbei in besagtes Zimmer. Vorsichtig legte ich diesen auf das Bett dort und betrachtete ihn einen Moment lang. Milan hatte ihn nur schützen wollen und ihn dabei selbst gefährdet. Wäre ich nur etwas schneller gewesen, dann hätte ich das verhindern können. Ich schüttelte den Kopf und kehrte zurück in ihre Wohnstube, wo ich seine Frau vom Boden hochhob. Sofort verspürte ich nicht nur ihren, sondern auch den Herzschlag des Ungeborenen, was mich zumindest in der Richtung beruhigte, dass seine Aktion diese beiden nicht gefährdet hatte. Ich trug auch sie in das Schlafzimmer und legte sie neben dem Jungen ab. Dann fiel mein Blick auf die Wunde des Knaben und ich überlegte, ob ich sie verheilen lassen sollte oder nicht. Die Narbe eines Vampirbisses könnte manchen meiner Artgenossen zeigen, dass bereits jemand von diesem Kind Blut trank, auch wenn es verpönt war, dies zu tun. Es würde ihm vielleicht einen Schutz bieten. Es gab aber noch eine effektivere Methode, um andere Vampire von ihnen erst einmal fernzuhalten. Ich biss mir in meine Hand, sodass ich etwas von meinem Blut in diese bekam, und berührte damit die Verletzung bei dem Jungen. Dadurch, dass dort bereits sein eigenes klebte, würde meine Markierung, die ich hier gerade mit meinem Blut setzte, niemandem auffallen. Lediglich andere Vampire würden es riechen können. Er zuckte zusammen, als ich das tat und starrte mich plötzlich an. „Was …?“, begann er und klang dabei sehr schwach. Ich schüttelte den Kopf und legte ihm einen Finger auf den Mund, ehe ich mich zu ihm hinabbeugte und ihn dazu brachte, mir in die Augen zu sehen. „Sh. Schlaf weiter, mein Junge“, flüsterte ich ihm zu, während er sich langsam in meiner Hypnose verlor. Als er wieder schlief, kehrte ich zu Milan zurück, der mit besorgtem Blick und ein paar Blättern in der Hand zu mir sah. „Ich habe es ihnen aufgeschrieben“, meinte er und wollte mir die Zettel reichen. Ich lehnte diese allerdings ab. „Leg deinen Brief dorthin, wo sie diesen finden und dann lass uns von hier verschwinden, bevor irgendwer bemerkt, was passiert ist“, wies ich ihn an und er nickte, ehe er den Brief ins Schlafzimmer zu seiner Frau brachte. Ich wartete geduldig auf ihn und hörte ihn, wie er sich von ihr verabschiedete. Da sie ihm aber nichts erwiderte, war sie noch nicht erwacht. Als er schließlich zu mir zurückkehrte, schien er ein schlechtes Gewissen zu haben, was mich aber auch nicht wunderte. „Ich werde dich jetzt wieder mit zu mir nehmen. Aber ich werde den Weg nicht laufen“, erklärte ich ihm und verließ mit ihm sein Haus. Als wir auf dem Platz davor standen, drehte ich mich zu ihm um, damit ich meine Flügel rufen konnte, ohne ihn mit diesen zu treffen. Er wirkte ein wenig überrascht über diese und wich vor mir zurück. „Du willst fliegen?“, schloss er und ich nickte. „Wir könnten auch das Pferd nehmen. Das hält uns bestimmt beide aus.“ Ich ging nicht auf seinen Vorschlag ein, sondern packte ihn mir und erhob mich mit ihm in die Lüfte. Er zappelte und fluchte, während der Boden unter ihm in die Ferne rückte. „Bist du sauer auf mich?“, fragte er dann plötzlich und hielt sich seine Hände vor die Augen. Ich erwiderte ihm nichts, sondern steuerte nur den Wald mit ihm an, in welchem mein Zuhause lag. Ich landete vor diesem und ließ Milan erst los, als er wieder festen Boden unter seinen Füßen hatte. Er nahm seine Hände von den Augen und sah sich um, als wollte er herausfinden, wo wir waren. „Ich habe tatsächlich kurz gedacht, du würdest mich umbringen wollen“, gestand er mir dann. „Weil ich Scheiße gebaut habe.“ Ich schüttelte den Kopf. „Wenn ich das wollte, würde ich das nicht auf diese Weise machen“, erwiderte ich ihm und ging an ihm vorbei hinein in den Wald. „Komm jetzt.“ Er folgte mir sofort. Als wir uns meinem Haus näherten, roch ich, dass Krieger des Königs dort gewesen waren und ich beschleunigte meinen Schritt, weil ich plötzlich Angst um meine Familie bekam. Milan eilte mir hinterher. Ich hoffte, dass sie meiner Frau nichts getan hatten und auch meinem Sohn nichts. Es gab ja schließlich auch keinen Grund dazu. Wir hatten uns nichts zuschulden kommen lassen und lebten nach den Gesetzen. Aber wenn der König seine Krieger zu uns schickte und keine Boten, dann ging es um etwas Größeres, als mich nur zu sich zu bestellen. Ich sah, dass im Wohnzimmer noch Licht brannte, als wir mein Zuhause endlich erreichten, und ich atmete tatsächlich erleichtert auf, weil es in mir die Hoffnung verstärkte, dass es meiner Familie gut ging. „Was ist denn los?“, wunderte sich Milan hinter mir und ich drehte mich zu ihm um. „Warum hattest du es plötzlich so eilig? Ist etwas …“ Er stockte und ich erkannte, wie Panik in ihm aufstieg. Ob er die Krieger jetzt etwa roch? „Irgendwer Fremdes ist hier. Irgendwer Starkes“, flüsterte er dann und ich nickte. „Also nimmst du das auch endlich wahr. Ja, es stimmt, es waren Krieger vom Vampirkönig hier, aber sie sind bereits weg“, erklärte ich ihm und wandte mich wieder von ihm ab. „Ich muss meine Frau fragen, was die von uns wollten.“ Er erwiderte mir nichts, sondern folgte dicht hinter mir, als ich zum Haus schritt und dieses betrat. Meine Frau saß im Wohnzimmer und schien Koffer zu packen, was mich wunderte. Sie sah jedoch auf, als ich eintrat. „Ihr müsst von hier weg“, sagte sie mir. „Der Bote, dem ihr gestern begegnet seid, hat bemerkt, dass Milan zu einem Vampir geworden ist und hat dies dem König erzählt, und dieser will nun eine Erklärung dazu. Ich habe ihm gesagt, dass du nach ihm gerade suchen würdest und ich dir von seiner Aufforderung, diesen zu ihm zu bringen, berichten würde.“ Ich schluckte und bemerkte den besorgten Blick, den mir Milan zuwarf. „Da sie befürchten, dass seine alten Kollegen sich an uns rächen könnten, lassen sie Christian und mich morgen abholen und an einen sicheren Ort bringen“, ergänzte sie. „Ich denke, sie werden uns zum Königshaus bringen.“ Das gefiel mir überhaupt nicht, daher knurrte ich unzufrieden. „Ich kann euch auch von hier fortschaffen“, erwiderte ich ihr, doch sie schüttelte den Kopf. „Verschwinde mit Milan sofort von hier“, forderte sie mich auf. „Er darf auf gar keinen Fall zum König.“ Ich hörte, wie er schluckte, und drehte meinen Kopf kurz zu ihm. „Dann will ich mich aber noch verabschieden, bevor ich mit ihm fliehe“, meinte ich zu meiner Frau und ging zu ihr, um sie in den Arm zu nehmen. Sie erwiderte mir die Umarmung und gab mir einen traurigen Kuss. „Christian schläft bereits und denkt, du suchst nach Milan. Ich werde ihm nicht verraten, dass du wieder hier warst, damit er nicht hinterfragt, warum du nicht nach ihm gesehen hast, bevor du geflohen bist“, erklärte sie mir und ich nickte traurig. „Nimm dir deine Waffen mit und sorge dafür, dass sie Milan nicht finden.“ Sie küsste mich noch einmal, ehe sie mich losließ. Ich atmete tief durch und wandte mich an Milan. „Du hast es gehört. Ab heute sind wir beide auf der Flucht. Nimm dir deine Waffen und deine Tasche und geh bitte in die Küche“, wies ich ihn an. Er nickte unsicher und ich ging in mein Schlafzimmer, um mir mein Schwert und meine Ausrüstung zu holen, ehe ich mit diesen in die Küche schritt und dort unter Beobachtung von Milan in unseren Vorratsschränken nach etwas suchte. Ich holte zwei Flaschen mit abgefülltem Blut hervor. Mit denen wären wir erst einmal versorgt, wenn wir sparsam davon tranken. Er war allerdings nicht sonderlich erfreut darüber, als ich seine Tasche leerte und dafür die Flaschen und meine Ausrüstung bis auf das Schwert in dieser verstaute. Die Decke, welche ich ebenso einpackte, würde uns von Nutzen sein, dessen war ich mir sicher. Ich ließ ihn auch seine Dolche in die Tasche legen, bevor ich sie verschloss und anhob, um sie mir über die Schulter zu werfen, damit ich sie tragen konnte. „Willst du das wirklich meinetwegen tun?“, zweifelte er und ich nickte. „Ich habe dir versprochen, dass ich nicht verraten würde, was passiert ist und wenn ich dafür mit dir fliehen muss, um dich irgendwo hinzubringen, wo du nicht in die Hände anderer Vampire gerätst, dann werde ich das tun“, erwiderte ich ihm. „Wenn ich dich versteckt habe, werde ich meine Familie vom König wegholen und woanders hinschaffen.“ Er folgte mir aus der Küche und aus dem Haus und sah besorgt in den Himmel, kaum dass wir draußen standen. „Vertrau mir. Ich lasse nicht zu, dass sie dich finden“, versicherte ich ihm und er nickte, ehe ich mit ihm an meinem Haus vorbei tiefer hinein in den Wald ging. Dort wären wir etwas geschützter vor der Sonne, sobald diese aufgehen würde. Aber eigentlich wäre es besser, wenn ich einen Platz für unsere Tagesruhe finden würde. Vielleicht wäre dies auch erst einmal ein gutes Ziel. Über alles Weitere könnte ich mir auch noch später mit ihm zusammen Gedanken machen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)