Back to December von Khaleesi26 (Eine Michi Kurzgeschichte) ================================================================================ Kapitel 1: 1 Tag vor Weihnachten - Heute ---------------------------------------- Meine Beine zittern, als ich den Raum betrete. Nicht, wegen der wunderschönen Weihnachtsdekoration, die das gesamte Wohnzimmer schmückt. Nicht wegen der vielen Gäste, die sich bereits angeregt unterhalten. Die meisten von ihnen scheinen in Begleitung zu sein und trinken bereits ihren ersten Glühpunsch. Und auch nicht wegen Kari, die aufgeregt neben mir steht und auf eine Reaktion von mir wartet. „Gefällt es dir?“, erkundigt sie sich neugierig und sieht dabei so aus, als würde sie gleich wie ein kleines Kind auf und ab hüpfen. Sie strahlt übers ganze Gesicht. Ich schenke ihr ein warmes Lächeln. „Natürlich. Du hast dich selbst übertroffen. Das wird eine ganz wundervolle Verlobungsfeier.“ Ja, ihr habt richtig gehört – Verlobungsfeier. Kari und Takeru kamen auf die Idee, ihre Verlobungsfeier mit einer Weihnachtsfeier einen Tag vor Heilig Abend zu verbinden. Quasi zwei Fliegen mit einer Klappe. Das Problem daran ist nur: ich mag weder das eine, noch das andere. „Danke, Mimi“, erwidert Kari stolz und lässt den Blick über den Raum schweifen als wäre es ein Kunstwerk. Überall hängen Lichterketten, die das Haus in warmes Licht tauchen, Mistelzweige, Zuckerstangen und Kunstschnee, wo man nur hinsieht. Der Geruch von Zimt und Nelken hängt in der Luft. Ein wunderschön geschmückter Weihnachtsbaum rundet das weihnachtliche Ambiente ab. Man kann sagen: es ist perfekt! Nur nicht für mich, denn ich bin schon seit Tagen aufgeregt wegen dieser Feier. „Du siehst genauso nervös aus wie ich“, stellt Kari mit einem einzigen Blick auf mich fest und legt dabei die Hand auf ihren kugelrunden Bauch. Ich glaube, in 2 Monaten ist es bei den beiden soweit und ihr erstes gemeinsames Kind erblickt das Licht der Welt. Unfassbar wie schnell die Zeit vergeht. „Ist das so offensichtlich?“, entgegne ich mit einem unsicheren Lächeln. „Das ist völlig verständlich, Mimi“, versucht Kari mich zu beruhigen und legt einen mitfühlenden Blick auf. „Ihr habt euch schließlich seit 6 Jahren nicht gesehen.“ „7, um genau zu sein“, korrigiere ich sie, während ich mich Frage, wie ich dieses Aufeinandertreffen überstehen soll. Die letzten Jahre habe ich es erfolgreich geschafft, mich bei solchen Veranstaltungen zu drücken, hatte Ausreden parat oder habe den Job davor geschoben – nur um nicht auf Tai, meinen Ex-Freund zu treffen. Aber diesmal kam ich nicht umhin, die Einladung anzunehmen. Kari und Takeru werden schließlich heiraten und sie erwarten ein Kind. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, diese Einladung auszuschlagen, auch wenn das bedeutet, dass ich Tai heute das erste Mal seit 7 Jahren wieder sehe. Ich habe tatsächlich keine Ahnung, was er heute macht oder wie es ihm geht oder ob er in Begleitung kommt. Aber ich habe darauf vertraut, dass Kari genug Gäste eingeladen hat, damit ich ihm erfolgreich aus dem Weg gehen kann. Und so wie es aussieht, stehen meine Chancen nicht schlecht. „Keine Sorge“, merkt Kari an, als sie meinen Blick sieht, der abwesend durch den Raum schweift, auf der Suche nach einer ganz bestimmten Person. „Er ist noch nicht da, er verspätet sich etwas – typisch mein Bruder eben.“ Ich grinse unsicher und nicke, obwohl es die Sache nicht besser macht. Kari schenkt mir noch ein zuversichtliches Lächeln, bevor sie von ihrem Verlobten zurück zu den Partygästen gezogen wird, die ihren Ring bewundern wollen. Ich atme tief durch und gehe anschließend direkt zu dem festlich gedeckten Buffettisch, um mir ein großes Glas Punsch einzuschenken. Der heiße Alkohol wird hoffentlich meine Nervosität wegzaubern. In der folgenden Stunde unterhalte ich mich mit verschiedenen Leuten, um mich abzulenken und sogar Sora ist da, die ich ebenfalls lange nicht gesehen habe. Also gehe ich zu ihr und frage, wie es ihr so geht und was sie so macht. Wir versinken schnell in eine angeregte Unterhaltung und ich bin froh, dass ich hier jemanden gefunden habe, mit dem ich mich so gut verstehe. Unser Gespräch wird jedoch unterbrochen, als ich Kari aufgeregt „Da bist du ja endlich!“ durch den Raum rufen höre. Meine Augen wandern automatisch zu ihr, als sie auch schon nach vorne zur Tür eilt, um ihren großen Bruder zu begrüßen, der gerade hereingekommen ist. Ich ziehe die Luft ein und halte den Atem an, als meine Augen auf ihm haften bleiben. Er sieht umwerfend aus! Noch viel besser als ich ihn in Erinnerung habe. Vielleicht liegt es nur an dem schicken Anzug, den er trägt oder den perfekt sitzenden Haaren. Oder diesem Lächeln. Warm und herzlich, wie immer. Kari umarmt ihren Bruder zur Begrüßung, der gleich darauf zur Seite tritt, um einer jungen Frau Platz zu machen, die Kari ebenfalls umarmt. Mein Herz setzt einen Schlag aus. Scheiße! Natürlich ist er in Begleitung gekommen. Was auch sonst? Verdammt! Wieso habe ich nicht irgendjemanden von der Arbeit gefragt? Jetzt stehe ich wie die letzte Idiotin hier, während er seine … wunderschöne Freundin mitgebracht hat. Sie ist wirklich hübsch. Lange, blonde Haare, groß und schlank und ein makelloses Gesicht. Scheiße, sie sieht aus wie ein verdammtes Model. Wo hat er die denn her? Zweifelnd sehe ich an mir herab. Ich habe mich zwar auch in Schale geworfen, mit meinem weinroten Kleid und den schicken Stiefeln, aber ich bin lange nicht so attraktiv groß und die vielen Lebkuchen in letzter Zeit haben ebenso ihre Spuren hinterlassen. Nein, mit ihr kann ich definitiv nicht mithalten. Mithalten? Spinnst du, Mimi? Seit wann ist das hier ein Wettbewerb und seit wann musst du Tai beeindrucken? Hab gefälligst ein bisschen mehr Würde! Trotzdem kann ich nicht aufhören, die beiden anzustarren. Schon gar nicht, als Tai eine Hand an ihre Taille legt und sie zu den anderen Gästen geleitet. „Oh man“, weckt Sora mich aus meiner Trance, die die beiden ebenfalls beobachtet hat. „Er kann es nicht lassen.“ Verwundert sehe ich sie an. „Was meinst du?“ „Ach, nichts“, erwidert Sora schnell, als ihr Freund Yamato auch schon auf uns zukommt und sie von mir weg zieht. „Komm, Tai ist da. Lass uns die beiden begrüßen.“ Die beiden. Würg. Notgedrungen folgt Sora ihrem Freund und lässt mich allein zurück. Suchend sehe ich mich im Raum um. Sehr schön. Und unter welcher Treppe kann ich mich jetzt verkriechen? Kurzerhand stelle ich mein Glas ab, was ich vorher noch in einem Zug leer getrunken habe und gehe dann zu Kari, die zum Glück gerade weit weg von ihrem Bruder steht. „Ich gehe mich kurz frisch machen“ sage ich zu ihr. „Kann ich das Bad oben benutzen?“ Kari grinst unsicher und hat mich natürlich sofort durchschaut. „Klar. Oben den Flur entlang, die letzte Tür auf der rechten Seite. Aber das weißt du ja vermutlich noch.“ Ich nicke und verschwinde aus ihrem Blickfeld. Tai und seine Freundin sind zum Glück so abgelenkt, dass sie mich noch nicht bemerkt haben. Umso besser. Oben angekommen steuere ich sofort das Badezimmer an und schließe die Tür hinter mir ab. Ich stütze mich am Waschbecken ab und nehme einige tiefe Atemzüge, bevor ich mir kaltes Wasser über die Hände laufen lasse und ein paar Tropfen davon auf meiner Stirn verteile. Warum bin ich so nervös? Ich wusste doch von vorn herein, dass ich heute Abend auf Tai treffen würde. Ich hatte sogar Zeit mich mental darauf vorzubereiten. Ich hatte Zeit, mich so richtig in Schale zu schmeißen, denn mal ehrlich: es gibt doch nichts Schlimmeres, als seiner verflossenen Liebe völlig unerwartet zu begegnen und total unsexy auszusehen. Und trotzdem konnte es mich nicht darauf vorbereiten, was mich WIRKLICH hier erwartet. Seufzend stoße ich die Luft aus, nachdem ich das Wasser abgedreht habe und mich mitleidig im Spiegel betrachte. Das ist Folter. Keine Ahnung, wie ich einen ganzen Abend in Tai’s Anwesenheit überstehen soll. Unsere Trennung ist 7 Jahre her und trotzdem löst er noch immer was in mir aus. Das ist voll ätzend. Wieso kann ich nicht cool und unbeeindruckt sein? Ich bin sicher, er wird es sein – smart wie immer. Vermutlich wird er mich anlächeln, mich höflich fragen, wie es mir geht und mir dann seine zauberhafte Freundin vorstellen. Ich kotze. „Reiß dich zusammen, Mimi“, schreie ich mein Spiegelbild an, weil ich nicht fassen kann, dass ich so kindische Gedanken habe. Ich bin schließlich 28 Jahre alt. Ich sollte mich wie die Erwachsene verhalten, die ich bin und erhobenen Hauptes zurück zu der Party gehen. Entschlossen öffne ich die Tür, nachdem ich noch mal mein Kleid gerichtet habe und trete raus auf den Flur. Was ich nicht erwartet habe, ist, dass ich direkt in Tai’s braune Augen schaue, als ich den Kopf hebe. Er steht vor mir im Flur, die Hände in den Hosentaschen seiner schicken Anzughose vergraben und mustert mich eingehend. Und mit einem Schlag sind alle meine guten Vorsätze über Bord geworfen. „Hallo Mimi“, sagt er, während mein Herz einen Schlag aussetzt, nur um dann umso schneller weiter zu schlagen. Der Satz: zur falschen Zeit, am falschen Ort bekommt gerade eine ganz neue Bedeutung … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)