Boston Boys - Fragmente von Vampyrsoul (Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe) ================================================================================ Kapitel 35: Eloy – November 2016 -------------------------------- Mit einer Hand suchte ich den Schlüssel in meiner Jackentasche, mit der anderen versuchte ich, mir Leonardo zumindest für den Moment vom Hals zu halten. »Warte kurz, bis ich die Tür auf hab.« Er murrte leise, entfernte sich nicht von mir und nahm auch nicht die Hände unter meiner Jacke hervor, aber wenigstens beanspruchte er nicht mehr meine ganze Aufmerksamkeit, sodass ich zumindest die Tür aufschließen konnte. Kaum waren wir im Wohnungsflur, nahm er meine Lippen wieder in Beschlag. Früher wäre mir nie eingefallen, einen Mann zu küssen, solange wir nicht hinter verschlossener Tür waren, geschweige denn mit einem auf offensichtlich auf ein Date zu gehen oder in der Öffentlichkeit Händchen zu halten. Nun war es mir egal. Es gab niemanden mehr, vor dem ich es geheimhalten müsste, und ich genoss die Dates mit Leonardo. Eigentlich hatte ich ihn nach dem Konzert nach Hause fahren wollen, aber er hatte ziemlich deutlich gemacht, dass ihm diesmal noch nicht der Sinn danach stand, den Abend zu beenden, und meine Wohnung war deutlich näher. Auch jetzt drängte er mich in Richtung des Schlafzimmers, wobei ich keinerlei Widerstand leistete. Ganz im Gegenteil, ich half ihm gern bereits auf dem Weg aus der Jacke. Lachend zog er mich mit aufs Bett und grinste dann, weil ich mich etwas schwer tat, mich aufzurichten und nicht mein ganzes Gewicht auf ihm liegen zu lassen. Neckend spielte ich mit einer Locke, die ihm ins Gesicht gefallen war. »Und, wie geht’s jetzt weiter?« Kurz verzog er verwirrt das Gesicht, dann grinste er wieder, streckte seine Finger nach mir aus und machte sich an meinen Hemdknöpfen zu schaffen. Schmunzelnd sah ich mir das an, ließ ihn machen und wartete, bis er fertig war. Dann schob ich meine Hände unter sein Shirt, versicherte mich mit einem Blick in sein Gesicht, dass es okay war, und schob es ihm dann über den Kopf. Langsam küsste ich mich über die warme Brust. Es war so angenehm, mal wieder nackte Haut unter den Fingern zu spüren und mit der Zunge den salzigen Geschmack aufzunehmen. Er erschauerte, reckte sich mir entgegen. Andächtig betrachtete ich ihn und schmiegte mich weiter an. Ich wollte so viel mehr von ihm sehen, berühren, riechen, schmecken. Während ich mich über seinen weichen Bauch küsste, raunte ich: »Was möchtest du?« »Mach weiter.« Ich runzelte die Stirn. Nicht so hilfreich. Was genau sollte ich weitermachen? Küssen? Ausziehen? So oder so konnte es nicht schaden, wenn ich ihm half, die Schuhe loszuwerden. Die Socken ließ ich jedoch vorerst an seinen Füßen. Ich war wirklich nicht sicher, wie weit er gehen wollte. Wir hatten bei den vorhergehenden Dates nicht darüber gesprochen, was wir mochten, und gerade war es für mich nicht lesbar. Streichelnd fuhr ich mit den Händen über seine Hüften und die Seiten, lächelte ihn sanft an und küsste ihn, als er es erwiderte. Ich streichelte langsam über seinen Hals und das Schulterbein, sah ihm dabei liebevoll in die dunklen Augen. »Was möchtest du?« »Was wohl?«, kam die unerwartet patzige Antwort, die mich verwirrt zurückweichen ließ. Ich zuckte mit den Schultern und bemühte mich um einen ruhigen Ton. »Ich weiß es nicht. Darum frage ich ja.« Leonardo richtete sich etwas auf und funkelte mich fast schon böse an. »Ist das nicht offensichtlich?« Mit einer Hand auf seinem Oberschenkel hoffte ich, ihn zu beruhigen. Seine Reaktion ergab für mich keinen Sinn. »Nein, für mich nicht. Du könntest gerade so einiges wollen. Und ich habe keine Lust auf Ratespielchen.« »Dann vergiss es!« Er schob mich grob von sich und rappelte sich aus dem Bett hoch. Ohne Shirt verließ er das Schlafzimmer. Verwirrt sah ich ihm nach. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Dabei waren doch all unsere Dates bisher so gut verlaufen. Die Aussicht, ihn diesmal berühren zu dürfen, war wirklich gut gewesen. Aber offensichtlich waren wir noch nicht so weit und hatten noch einigen Gesprächsbedarf. Seufzend knöpfte ich mein Hemd wieder zu und schnappte mir Leonardos Shirt und Schuhe. Letzteres stellte ich zusammen mit meinen an die Kommode, wo ich auch unsere Jacken aufhängte, dann folgte ich ihm ins Wohnzimmer. Mit verschränkten Armen saß Leonardo auf der Couch, den Rücken etwas zur Tür gedreht. Ich war zumindest froh, dass ich mir wohl keine Sorgen machen musste, dass er einfach aus der Wohnung stürmte. »Möchtest du etwas trinken? Tee? Kaffee? Kakao?« Da er nicht antwortete, ging ich davon aus, dass er nur Wasser wollte, und machte nur mir einen Kaffee in der Küche, bevor ich ins Wohnzimmer zurückging und mich neben ihn setzte. Ich hielt das Shirt in seine Richtung. »Möchtest du das anziehen, während wir reden?« Er schüttelte den Kopf, weshalb ich es neben die Getränke auf den Tisch legte. »Also, warum möchtest du mir nicht sagen, was du willst?« Er drehte sich etwas um und sah mich finster an. »Weil es doch offensichtlich ist! Und ich nehme das Wort nicht in den Mund! Das ist eklig.« »Nein, ist es nicht. Ich könnte mir so einiges vorstellen, was ich mit dir anstellen möchte. Selbst wenn ich einfach vorausgesetzt hätte, dass du etwas Sexuelles möchtest, bleibt noch so viel übrig.« Ich streichelte zärtlich über seine Schulter. »Daher weiß ich auch nicht, welches Wort du meinst. Blowjob? Handjob? Sex? Rimming?« Obwohl es nicht sonderlich hell war, war zu erkennen, dass er rot wurde. »Alle.« Ich unterdrückte das Seufzen. Ja, ich hatte befürchtet, dass er nicht gern darüber redete, ich tat es auch nicht unbedingt gern, aber ich hätte dennoch gern gewusst, was er sich vorstellte. »Du musst sie ja nicht aussprechen. Du kannst mir auch einfach zeigen, was du möchtest.« »Du kannst auch einfach weitermachen und wir sehen, was sich ergibt.« Was sich ergibt ... Also im Klartext: Was ich anfing und er mitmachen würde, egal ob er es ihm so gefiel oder nicht, weil er glaubte, mir damit einen Gefallen zu tun. Ich bezweifelte, dass er den Mund aufbekam, wenn ihm etwas nicht taugte. Aber das konnte ich ihm schlecht ins Gesicht sagen. »Ich würde aber gern etwas tun, was dir besonders gefällt. Gibt es denn nichts, was du dir im Vorfeld vorgestellt hast?« »Schon«, gab er leise zu. »Aber ich mag nicht darüber reden. Und warum sagst du dann nicht, was du möchtest.« Nun seufzte ich doch. Was sollte es, dann würde ich ihm eben sagen, was ich befürchtete. Jedoch nicht, bevor ich nicht etwas dichter an ihn gerutscht war. Ich wollte ihn notfalls an der wütenden Flucht hindern können. »Weil ich Angst habe, dass du es mir einfach nur recht machen möchtest und nicht sagst, wenn du etwas nicht magst. Ich will ...« Er riss sich aus meinem Griff los und stampfte durchs Wohnzimmer. Vor der Fensterfront blieb er stehen und blickte mit verschränkten Armen hinaus. Nachdem er eine Weile geschwiegen hatte, erwiderte er: »Dasselbe könnte ich dir auch unterstellen.« Langsam stand ich auf, näherte mich ihm und legte die Arme von hinten um ihn. »Du weißt, dass es nicht so ist.« Wieder schwieg er, diesmal länger. Dann seufzte er, ließ sich in meine Umarmung fallen. »Du hast ja recht.« »Ich will gar nicht recht haben.« Ich griff fester zu. »Ich möchte nur, dass wir beide Spaß haben.« »Müssen wir dafür wirklich über sowas reden?« Der Unwille war noch immer deutlich zu hören. »Warum ist das so schlimm?« Ich zögerte für einen Moment, wollte nicht schon wieder in ein Fettnäpfchen treten, sprach dann aber meinen Gedanken aus: »Hast du mit John nie darüber gesprochen, was du magst?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, nie.« »Oh.« Nicht, dass ich mit Mat viel darüber gesprochen hätte, aber wir waren auch beide sehr deutlich in dem gewesen, was wir wollten; oder eben nicht wollten. »Wir haben halt das gemacht, was wir gerade tun wollten.« »Ihr?«, fragte ich bewusst provokant nach. Leonardo senkte etwas den Kopf. »Hauptsächlich er.« Ich nickte. Das passte zu dem, was ich von den beiden erlebt hatte. Nicht, dass ich glaubte, John hätte ihn ausgenutzt oder so, aber manchmal hatte ich das Gefühl, dass sich Leonardo durch den Altersunterschied einschüchtern ließ, die Verantwortung abgab. Ein Altersunterschied, der bei uns ähnlich groß war. »Und? Wie war es? Wenn die Frage nicht zu weit geht.« Er zuckte mit den Schultern. »Okay.« »Gab es denn etwas, was dir besonders gut gefallen hat?« Dass er auf die Frage sofort rot wurde, sagte wohl alles. »Hättest du genau das gerade gern mit mir ausprobiert?« Ich schmunzelte, als ich ihm das ins Ohr flüsterte. Schüchtern nickte er. »Dann wirst du mir wohl sagen müssen, was es ist. Ich würde es wirklich gern wissen. Und wenn du magst, dann erzähl ich dir danach, was ich gern mit dir gemacht hätte.« Es dauerte, bis er wieder nickte und sich in meinen Armen herumdrehte. Sofort legte ich eine Hand in seinen Nacken und streichelte ihn. Ein paar Mal atmete er tief durch, bevor er langsam erklärte: »Ich wollte gerne ... Also, dass ich auf dem Bauch liege und du hinter mir ... und ...« »Analverkehr?«, erlöste ich ihn von seiner Qual, nach angenehmeren Worten für die Beschreibung zu suchen. Er nickte, schmiegte sich noch enger an mich. »Hmm, das klingt gut.« Ich küsste mich über seinen Hals. »Würde ich wirklich gern tun. Gerne auch, während du auf dem Rücken liegst. Ich mag dich dabei küssen. Oder magst du das nicht?« »Doch!« Ich schmunzelte. Oh, das war eindeutig. Vielleicht sah das alles gar nicht so schlecht aus, wie zuerst befürchtet. Dann wollte ich mal meine Schulden einlösen: »Ich hätte dir gern ein’n geblasen. Oder dich bis zum Orgasmus geleckt.« Beim letzten Satz ließ ich meine Hand über seinen Hintern wandern, wobei die Fingerspitzen auf der Spalte lag, die sich auch über seiner Hose abzeichnete. Er vergrub sein Gesicht weiter in meiner Brust. »Das Erste ist okay. Aber nur, wenn du das machst. Ich ... Ich mag das nicht so gern. Das Zweite hab ich noch nie versucht.« Zärtlich strich ich durch seine Haare. »Dann heben wir uns das für ein anderes Mal auf. Und es ist in Ordnung, wenn du keine Blowjobs magst. Ich werd sicher nicht darauf bestehen.« »Danke.« »Nein, nichts zu danken. Das ist selbstverständlich.« Er reagierte nicht darauf. Dafür fragte er nach einer Weile: »Wollen wir dann ...« »Wenn du noch immer möchtest: gern. Ich bin aber auch nicht böse, wenn wir einfach nur noch kuscheln, wenn dir die Lust vergangen ist.« »Nein! Ich möchte. Und dich dabei ansehen.« Ich küsste sein Ohr und raunte: »Sehr gern.« Endlich hob er wieder den Kopf und küsste mich so gierig, als hätte es die Unterbrechung nie gegeben. Ich hatte mein Hemd schon lange wieder verloren, da raunte ich: »Gleitgel ist im Badschrank. Ich warte im Schlafzimmer auf dich. Dort ist es gemütlicher.« Leonardos Gesicht nahm kurz einen verwirrten Ausdruck an, dann nickte er, küsste mich flüchtig und machte sich auf den Weg. Ich sammelte alle Kleidungsstücke ein, die mir unterwegs begegneten, und nahm sie mit ins Schlafzimmer. Kurz dachte ich darüber nach, mich vollständig auszuziehen, entschied mich dann aber dafür, das Leonardo zu überlassen. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er noch etwas brauchte, bis er wirklich bereit war, loszulegen. »Huch? So schnell?« Deutlich früher, als ich ihn erwartet hatte, stand er in der Schlafzimmertür. Doch als er näherkam, bemerkte ich, dass er noch immer seine Jeans trug, in der Hand hielt er die Tube Gleitgel. Unsicher brummte ich. So hatte ich mir das nicht vorgestellt, als er ins Bad gegangen war. Dabei hätte ich damit rechnen müssen. Es passte mehr mit der Vorstellung zusammen, die Leonardo von Sex hatte. Vielleicht war das hier doch ein Fehler? »Was ist?« Er kam näher und warf die Tube auf das Bett. Ich schüttelte den Kopf und konnte nur über mich selbst lachen. »Tut mir leid, ich hatte das mit dem Gleitgel etwas anders gemeint. Ich bin es gewohnt, dass mein Partner das lieber allein im Bad macht.« Aus diesem Grund hatte ich die vor einigen Wochen vorsichtshalber gekaufte Tube auch dorthin gestellt. Im Schein der gedimmten Lampe sah ich, dass seine Ohren sich wieder rot färbten. »Oh.« Verlegen kratzte ich mich am Oberarm. »Und jetzt?« »Würdest du das trotzdem machen? Ich ... fass mich da nicht so gern an.« Natürlich nicht. Was hatte ich mir bei der ganzen Sache nur gedacht? So sehr ich Leonardo mochte und mittlerweile auch begehrte: Das aus uns mehr werden sollte, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Er war zu jung, zu unerfahren, zu schüchtern. Wie sollte das auf lange Sicht funktionieren? Ich holte tief Luft, um ihm zu sagen, dass wir den Abend besser beenden sollten, konnte es aber nicht. Wie er vor mir stand, den Blick leicht gesenkt und von der Situation absolut verunsichert, wurde mir klar, dass es nicht nur ihm so ging. Dass wir solche Mühe hatten, auf einen Nenner zu kommen, lag nicht nur an seiner Unsicherheit, sondern auch an meiner. Ich wollte ihn nicht verschrecken, war übervorsichtig und erwartete gleichzeitig, dass er sich nach meinen Gewohnheiten richtete, von denen er nicht einmal etwas wusste. Ich konnte ihn nicht wegschicken, nur weil ich zu feige war, meine Schwäche einzugestehen. Diesmal war es an mir, den Blick zu senken. Unsicher rieb ich mir über den Nacken. »Kannst du mir dabei helfen? Ich hab das noch nie gemacht, würde es aber gerne versuchen, wenn es dir gefällt.« Obwohl ich ihn nicht ansah, war ich mir seines schockierten Blickes bewusst. Die lange Pause bis zu seiner Antwort sprach Bände. Seine Füße tauchten in meinem Blickfeld auf und seine Hand griff nach meiner. Sanft zog er sie von meinem Nacken weg. »Ja, natürlich. Das ist auch überhaupt nicht schwierig.« Erleichtert lächelte ich ihn an und küsste ihn, während ich ihn zum Bett schob. Vielleicht mussten wir uns in einigen Dingen noch einspielen, aber das bekamen wir schon hin. Ich war sicher, er würde noch auftauen und ich konnte von ihm lernen, etwas geduldiger zu sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)