Boston Boys - Fragmente von Vampyrsoul (Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe) ================================================================================ Kapitel 27: Samsa – Dezember 2015 II ------------------------------------ Fasziniert sah ich zu Tino auf. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt, den Mund leicht geöffnet, die Augen geschlossen und atmete schwer. Der Anblick war so wunderschön, dass ich in der Bewegung stoppte, mich lieber auf meine Hand konzentrierte, die sich von seiner Hüfte erst nach unten bewegte, dann langsam hoch. Über die leicht zitternden Oberschenkel, den strafen Hintern, die Beckenknochen, hoch über die Flanken und die Brust. Er senkte etwas den Oberkörper, öffnete die Augen nur so weit, dass er mich sehen und anlächeln konnte. Meine Hand wanderte weiter über seine Schulter, den Hals, verweilte dann an seiner stoppeligen Wange. Mit dem Daumen strich ich über seine leicht spröden Lippen. Er küsste die Fingerkuppe, nahm sie ganz sanft zwischen seine Zähne. Gerade als er sie wieder losließ, stieß ich mit der Hüfte zu, beobachtete hingerissen, wie er Kopf und Körper wieder zurückwarf, er einen langgezogenen Laut ausstieß und sich sein Penis wieder aufrichtete. »Mehr!«, hauchte er, vollkommen unabhängig davon, dass ich wusste, dass er es hinterher bereuen würde. Ich richtete mich auf, drückte ihn dadurch dichter an mich, entlockte ihm einen weiteren Laut. Sanft küsste ich über seine Brust, sah dann zu ihm auf. »Bist du sicher?« »Ja. Gib mir alles.« »Wer will jetzt mehr, als er vertragen kann, hm? Und das schon zum zweiten Mal an diesem Abend?« Ich krallte meine Hände in seinen Rücken, zog ihn zu mir herunter und küsste ihn, ohne eine Antwort abzuwarten. Erst nach einigen Stößen, die unweigerlich das Sperma, welches er zuvor auf meinen Bauch hinterlassen hatte, zwischen uns verteilten, ließ ich ihn wieder los, damit er sich aufrichten und ich ihn wieder in seiner ganzen Pracht sehen konnte. Er war so, so wunderschön, wenn er sich mir hingab. Ich würde mir richtig viel Zeit mit ihm lassen, egal wie oft er sich vorher noch auf mir entladen würde. Frisch geduscht drängte ich mich an Tinos warmen Körper, der ebenfalls nach Seife roch. »Und du brauchst wirklich nichts?« »Ich hab Wasser und dich. Das reicht erstmal bis morgen früh.« Vor Verlegenheit stieß ich gegen seine Schulter. »Hör auf sowas zu sagen.« Er drehte sich schwerfällig herum und brummte wohlig, als er mich in seine Arme nahm. »Weil du es nicht magst oder weil du es nicht annehmen kannst?« »Macht es einen Unterschied?« Ich suchte mir eine bequeme Position, in der ich ihm ins Gesicht sehen konnte und trotzdem möglichst viel Körperkontakt hatte. Seine Finger fuhren in meinem Nacken streichelnd über den Haaransatz. »Bei dem einen nehme ich die Aufforderung ernst und sage sowas nicht mehr, bei dem anderen seh ich es als meine Aufgabe, dich daran zu gewöhnen.« Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. Hatte ich wirklich geglaubt, er hätte nicht vorher darüber nachgedacht, was er sagte? Nein, das passte nicht wirklich zu ihm. Solche total komplexen Dinge tat er ständig, scheinbar völlig mühelos. »Es ist in Ordnung, wenn du sowas sagst. Übertreib es nur nicht.« »Gut.« Er hauchte einen Kuss auf meinen Scheitel. »Dann noch eines für heute Abend, dann ist Schluss: Danke dir für diesen wunderschönen Abend. Ich kann mir kein besseres Weihnachtsdate vorstellen.« »Das waren zwei Sätze«, beschwerte ich mich halb schmollend. Es war gemein, sowas zu sagen, wenn ich nichts zu erwidern wusste, außer dass ich es auch toll fand. »Aber nur ein Kompliment.« Seine Hand legte sich auf meine Wange und er forderte sanft einen Kuss. Nachdem unsere Lippen mehrmals behutsam übereinandergestrichen hatten, erwiderte ich: »Ich fand es auch schön. Danke. Wenn du auch möchtest, würde ich mich über ein Zweites freuen.« Seine Augen leuchteten vor Freude. »Ich würde mich auch sehr freuen.« Ich schmiegte meinen Kopf gegen seine Brust und genoss, dass er mir den Nacken kraulte. Dabei hatte ich eigentlich vorgehabt, mich um ihn zu kümmern, nachdem er sich so verausgabt hatte. Langsam döste ich weg. »Isaac, bist du noch wach?« Tinos Stimme kam von irgendwo direkt neben mir, dennoch wirkte sie sehr weit weg. »Hm?«, brummte ich und drehte mein Gesicht in die Richtung, in der ich seines vermutete. »Was ist?« »Nichts. Schon gut, schlaf weiter. Sorry, ich wollte dich nicht wecken.« Sein Daumen strich wieder langsam über meinen Haaransatz. »Das hat auch noch bis morgen Zeit.« Ich richtete mich etwas auf und rieb mir über die Augen. »Schon okay, ich bin wach. Was ist los?« Betrübt sah er mich von unten herauf an. »Tut mir leid, ich hätte bis morgen warten sollen. Mir ist nur beim Einschlafen eingefallen, dass ich vergessen habe, das im Nachtkästchen noch etwas für dich liegt. Es ist wirklich nicht wichtig.« Noch immer schlaftrunken streckte ich mich in die Richtung und zog die Schublade auf. Darin lag neben ganz viel Krimskrams auch ein kleines Kästchen, das in weihnachtliches Geschenkpapier eingeschlagen war. »Bevor du meckerst: Es war nicht teuer und ich hab es gesehen und musste dabei an dich denken. Bitte sei nicht böse. Ich erwarte dafür auch keine Gegenleistung.« Vehement schlug ich die Schublade zu und schüttelte den Kopf. »Ich will es nicht!« »Äh ... okay. Willst du nicht erst sehen, was es ist?« Auch Tino richtete sich auf und sah vollkommen bedröppelt zu mir. Erneut schüttelte ich den Kopf. »Nein.« Ich wollte nicht schon wieder Schmuck geschenkt bekommen. Das war bisher nie gut ausgegangen. Nicht bei Peter, nicht bei Toby und Roger. Letztere hatten ebenso behauptet, keine Gegenleistung zu wollen und doch hatten sie sich immer eine erhofft. Noch einmal würde ich das nicht mitmachen. Sichtlich überfordert mit der unerwarteten Ablehnung sah mich Tino an. Dann nickte er leicht und stand mit einem tiefen Durchatmen auf. »Tut mir leid. Ich hätte fragen sollen, ob es in Ordnung ist, dir etwas zu schenken. ... Ich hab nicht erwartet, dass das so schlimm für dich ist.« Vor Schmerzen verzog er das Gesicht, während er um das Bett herumging und die Schublade wieder öffnete. »Tino, was hast du vor?«, fragte ich gleichermaßen erschrocken wie besorgt, als er auf die Schlafzimmertür zu schlürfte. Er wollte doch nicht unter Schmerzen noch weiter laufen? Und warum überhaupt? »Ich bring es erstmal in die Küche.« Zur Verdeutlichung, dass er das Kästchen meinte, zeigte er es in meine Richtung. »Es fühlt sich gerade ungut an, es in der Nähe zu haben. Morgen entscheide ich, was ich dann damit mache.« »Hey.« Ich stand auf, ging zu ihm und nahm es ihm ab. Sanft legte ich den Arm um ihn. »Dir tut alles weh. Du solltest wirklich nicht rumlaufen. Schon gar nicht wegen so einem Unsinn. Komm, leg dich wieder hin. Wenn du es wirklich unbedingt weg haben willst, bring ich es weg, aber ich hab auch kein Problem, wenn es erstmal hierbleibt.« »Bist du sicher? Du scheinst dich damit sehr unwohl zu fühlen.« Er ließ sich von mir zum Bett führen und kuschelte sich wieder in die Decke, sobald er lag. Ich legte das Päckchen auf dem Nachttisch ab und setzte mich im Schneidersitz zu ihm. Zögerlich legte er den Kopf auf meinen Oberschenkel, wo diesmal ich seinen Nacken kraulte. »Ja. Ich gehe nicht davon aus, dass es mich über Nacht anfällt.« Er lächelte leicht. »Sicher? So wirkte deine Reaktion aber gerade.« Gedankenverloren nickte ich. Ja, vielleicht hatte die Reaktion nach außen etwas übertrieben gewirkt. Aber ich konnte das wirklich nicht. Wortlos abwartend, aber ohne Forderung, strich seine Hand über meinen Oberschenkel. Eine Weile erlaubte ich mir, meinen Gedanken nachzuhängen, über den Ring nachzudenken, den mir Toby und Roger geschenkt hatten, kurz bevor sie sich verlobten. Es hatte sich immer so angefühlt, als hätten sie mir ebenfalls einen Antrag gemacht. Doch ich war so naiv gewesen, ihn anzunehmen, ihnen zu glauben, dass daran keine Erwartungen hingen. Dennoch hatte es sich immer schlecht angefühlt, ihn zu tragen, wie ein brennendes Versprechen, das ich nie gedachte einzuhalten. Nach nicht einmal einem Jahr war er bei einem Pfandverleih gelandet und ich hatte mich nie getraut, es ihnen zu sagen. Außerdem dachte ich an das Armband, das ich so oft hatte entsorgen wollen und das noch immer irgendwo in den Tiefen meines Nachttischs ruhte. Ich hatte es so lange nicht mehr gesehen, geschweige denn angefasst, dass ich mir dessen nicht einmal mehr sicher war. Es hatte nichts von seiner mahnenden Wirkung verloren, doch ich musste es nicht mehr sehen. Sollte ich ...? Ja, vermutlich war es nur fair. »Bist du mir böse?« Tino schnaufte leise. »Nein, überhaupt nicht. Es war mein Fehler. Ich hätte dich vorher fragen müssen, ob es für dich in Ordnung ist, wenn ich dir eine Kleinigkeit schenke. Ich bin eher ›böse‹ auf mich selbst, weil ich nicht darüber nachgedacht hab, wie es für dich ist.« Oh Gott, jetzt tat er mir fast schon leid. So schlimm, wie er sich das gerade auszumalen schien, war es doch gar nicht. »Wenn du mir etwas schenken möchtest, dann freue ich mich, solange es nichts Megateures ist. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du dir dabei wirklich Gedanken machen und es auch nicht übertreiben würdest. Aber ... ich kann keinen Schmuck annehmen. Das fühlt sich nicht gut an. Bisher hingen da immer Erwartungen dran, die ich nicht erfüllen konnte.« Tino, der schon bei meinem Aber leise gelacht hatte, schüttelte sich nun, da ich fertig war mit reden, vor lachen. Zwischen den Lachern presste er hervor: »Sorry! Ich hab’s gleich wieder ...« Es dauerte wirklich einen Moment, bis er fertig war, und er wischte sich eine Träne aus dem Auge. Nach Entschuldigung heischend sah er zu mir auf. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht auslachen. Danke, dass du mir das erzählt hast.« Er richtete sich mit einem leicht schmerzhaften Stöhnen auf und küsste mich. »Ich weiß, dass das für dich nicht leicht ist. Und jetzt weiß ich, dass ich nie versuchen werde, dir Schmuck zu schenken. Beruhigt es dich zu wissen, dass ich dem Geschenk kein Schmuck ist?« Skeptisch sah ich zu ihm hinüber. Es fiel mir schwer, das zu glauben, auch wenn ich nicht dachte, dass er log. Aber die Schachtel sah dem Geschenk, was mir Peter zu unserem ersten Weihnachten gemacht hatte, viel zu ähnlich. Oh! Wie Schuppen fiel es mir von den Augen, was mein eigentliches Problem war. Wieder einmal hatte mein Gehirn zu viele Assoziationen miteinander verbunden, die mir gar nicht bewusst aufgefallen waren. Im Nachhinein fiel mir auf, wie ähnlich die Situation insgesamt war. Dass ich bereits früher am Abend an meinen Exfreund hatte denken müssen, machte es nicht besser. Nun musste auch ich lachen. Ähnlich wie zuvor wohl bei Tino war es ein erleichtertes Lachen. Mit Tränen in den Augen nickte ich. »Ja, sehr.« Er setzte sich ganz auf und nahm mich in den Arm, wartete geduldig, bis ich mich beruhigt hatte. »Darf ich mich noch umentscheiden?«, fragte ich schniefend, während ich mir die Tränen abwischte. Er streckte sich, um eine Packung Taschentücher zu angeln, und hielt sie mir hin. Zärtlich streichelte er über meine Wange. »Natürlich! Aber bitte fühl dich nicht dazu verpflichtet.« »Nein, tu ich nicht. Aber du weißt ja ...« Ohne den Satz zu beenden, tippte ich mit dem Finger leicht gegen meinen Kopf. »Du kannst gar nichts dafür.« Er küsste mich auf die Stelle, an die ich getippt hatte. »Dass du es jetzt doch annehmen willst, ändert nichts daran, dass ich hätte fragen sollen. Dann wäre es auch nicht zu dem Missverständnis gekommen. Und du hast ja recht: Es kann auch ein Schmuckkästchen sein. Also ist es sogar, aber es ist kein Schmuck drin. Das verspreche ich dir.« Nun doch sehr neugierig geworden, griff ich nach dem Geschenk und wickelte es schnell, aber vorsichtig aus. Zum Vorschein kam wirklich eine kleine Schachtel, ähnlich der, in der das Armband damals gelegen hatte. Mit leicht zitternden Fingern, aber dem Vertrauen, dass mich Tino nicht anlog, öffnete ich sie. Zum Vorschein kam der Torso einer winzigen E-Gitarre aus Holz, auf das nicht nur die Details gebrannt waren, sondern auch der Schriftzug »Samsa«. Ich nahm sie heraus und stellte dabei auch gleich fest, dass sich das Oberteil abnehmen ließ. Vorsichtig nahm ich sie auseinander und entdeckte im Inneren drei Aussparungen für Picks, sowie drei hölzerne Picks, die darin lagen. In das Erste war »Blutlaster«, in das Zweite unser Logo gebrannt. Für das Dritte war Tino doch etwas kitschig geworden und hatte neben »Isaac« auch ein Herz einbrennen lassen. »Ich weiß, du hast sicher hunderte von den Dingern rumliegen, aber ich fand es ziemlich niedlich, als ich das gesehen hab, und dachte, dass wenigstens die Box auch nicht schaden kann, weil ja noch ein paar mehr reinpassen«, erklärte er. Seine Wangen hatten vor Verlegenheit eine etwas dunklere Farbe angenommen. »Das ist wirklich sehr süß! Danke dir!« Ich küsste ihn herzlich. Und meine Freude war nicht gespielt. Er hatte sich Gedanken gemacht, auch wenn ich die Picks vermutlich nie nutzen würde, weil ich Angst hatte, sie direkt zu zerbrechen. Aber die Box würde ich sicher nutzen. Was mir bei den Aufschriften vor allem auffiel: Sie waren auf mich zentriert, nicht auf unsere ... Verbindung. Natürlich war das Herz unter meinem Namen kitschig, aber eben doch echt unaufdringlich. »Und keine Sorge, Picks kann ich kaum genug haben. Die gehen ständig verloren und nutzen sich ab.« Er lachte. »Dass du mein Geschenk verlieren wirst, ist jetzt nicht so aufbauend, wie du vielleicht meinst.« Ich schmiegte mich an ihn und küsste seine Wange. »Nein, die werde ich nicht verlieren. Sie bekommen einen ganz besonderen Platz.« Den Arm um mich gelegt, rutschte Tino langsam nach unten, bis wir wieder lagen. Er küsste mich auf die Stirn, nahm mir die Box ab und legte sie zurück auf den Nachttisch, bevor er uns beide zudeckte. Seine große Hand strich über meine Wange, seine dunklen Augen hielten meine gefangen. »Ich liebe dich, Isaac«, flüsterte er. Kurz befürchtete ich eine Panikattacke, doch dann wurde mir klar, dass mein Herz vor Freude schneller schlug. Verlegen lächelte ich. »Ich dich auch.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)