Boston Boys - Fragmente von Vampyrsoul (Kurzgeschichten zur Boston Boys Reihe) ================================================================================ Kapitel 34: Eloy – September 2016 --------------------------------- Als ich aufwachte, war etwas merkwürdig. Da war etwas an meiner Hüfte, was dort nicht hingehörte. Doch es war nicht unangenehm, ganz im Gegenteil, es fühlte sich sogar außerordentlich gut an; so schön warm. Es gab jedoch ein Problem, wie ich feststellte, als ich den Kopf etwas zur Seite drehte: Vermutlich gefiel es nur mir. Denn Leonardo, dessen Hand so angenehm auf meiner Haut lag, schlief seelenruhig. Sicher hatte er sie nicht absichtlich dort platziert. Ich räusperte mich, dann flüsterte ich eindringlich seinen Namen. Er murrte leise, streckte sich etwas und rollte sich dann noch ein wenig dichter neben mir wieder zusammen. Dabei schob sich auch seine Hand etwas weiter in Richtung meiner Körpermitte. Scharf zog ich die Luft ein. »Leonardo. Hey, aufwachen.« »Hmm?« Er blinzelte und suchte meinen Blick. Sobald er ihn gefunden hatte, lächelte ich und machte eine Kopfbewegung in Richtung seiner Hand. »Vielleicht möchtest du deine Hand da wegnehmen.« Für einen Moment sah er verwundert an mir hinab bis auf meine Decke, wo sich seine Hand als Delle zeigte, dann wurde er puterrot. Eilig zog er sie zurück, rutschte von mir weg, drehte mir den Rücken zu und zog die Decke fast über den Kopf. Nur dumpf drang das »Sorry!« bis zu mir. »Alles okay.« Überzeugt klang sein Brummen nicht, aber wenigstens widersprach er nicht. Nach einigem Zögern streckte ich die Hand aus und legte sie auf seinen Oberarm. Mit kreisenden Bewegungen strich mein Daumen über die Schulter, auch wenn er sicher nicht viel davon spürte. Hoffentlich beruhigte es ihn trotzdem. Ob es half oder er einfach nur so müde war, wusste ich nicht, aber zumindest döste er nach einer Weile wieder ein. Ich dagegen konnte nur auf seinen Rücken und meine Hand starren. Es dauerte etwas, bis mir bewusst wurde, dass ich ihn zum ersten Mal bewusst und länger anfasste. Klar, wir waren seit einigen Jahren Freunde und schliefen mittlerweile öfter mal bei Toby und Roger, da blieben Berührungen nicht aus. Aber diese Berührung war bewusster. Es fühlte sich gut an. Fast so gut, wie sich Leonardos Hand angefühlt hatte, doch mit dem Unterschied, dass ich mir ziemlich sicher sein konnte, dass wir beide das mochten. Wenn es bei dem Gedanken, etwas an ihn heranzurutschen und mit den Fingern durch seine Locken zu fahren, doch nur genauso gewesen wäre. Aber ich traute mich nicht. Es hatte einige Übernachtungen bei Toby und Roger gebraucht, bis Leonardo nicht mehr komplett verkrampft am anderen Ende des Bettes gelegen hatte, sondern ganz normal und entspannt neben mir. Ich wollte nicht riskieren, dass er sich wieder unwohl fühlte, nur weil mir eine unbewusste Berührung plötzlich Flausen in den Kopf setzte. Nach einiger Zeit wurde Leonardo wieder unruhiger, bis er schließlich ganz aufwachte. Langsam und bedauernd zog ich meine Hand zurück, jedoch nicht ohne dabei leicht über seine Schulterblätter zu streichen. Schwerfällig drehte er sich um, die Decke noch immer weit hochgezogen. Leise murmelte er: »Sorry wegen vorhin.« Ich lächelte ihn leicht an. »Ich hab doch gesagt, dass es okay ist.« »Ja, weil du höflich bist und das sagen musst«, murrte er und seine Ohren färbten sich wieder rot. »Nein, weil es mich nicht stört, wenn du mich anfasst.« Diese Berührung war sogar so gut gewesen, dass ich wollte, dass er es wieder tat. Ihm das zu sagen, kam mir aber zu viel vor. Die Farbe seiner Ohren nahm weiter zu und für einen Moment lag er absolut still. Dann hob er den Blick, wollte mir wohl eigentlich in die Augen sehen, schaffte es aber nicht. Stattdessen blieb er irgendwo auf Kinnhöhe hängen. »Sicher?« »Mhm.« Da sich nun wieder sein ganzes Gesicht einfärbte, konnte ich nicht anders, als zu schmunzeln. »Okay.« Für einen winzigen Augenblick schaffte er es, mir in die Augen zu sehen, dann wanderte sein Blick wieder nach unten. Dafür rutschte er ein kleines Stück dichter an mich heran und legte sich seine Hand auf meinen Unterarm. Mit den Fingerspitzen strich er über die Innenseite und bereitete mir eine angenehme Gänsehaut. Ich schloss die Augen und fühlte die Spur nach, die er hinterließ. Das war auch schön. Anders und doch ähnlich. Es machte Lust darauf, dass er das öfter tat. Zufrieden seufzte ich und legte meine Hand wieder auf seinen Oberarm, streichelte mit dem Daumen darüber. Diesmal zog er mit den Beinen die Decke etwas herunter, sodass zumindest nur noch der Ärmel seines Oberteils den Hautkontakt verhinderte und ich seine Körperwärme spüren konnte. Außerdem rutschte er noch ein Stückchen an mich heran. Genießend wollte ich wieder die Augen schließen, doch er zog meinen Blick auf sich. Ich konnte ihn nicht abwenden und als sich unsere Blicke auch noch trafen und er erneut etwas an mich heranrollte, fuhr es wie ein Blitz durch meinen ganzen Körper. Plötzlich war da dieses Verlangen, ihn so richtig nah an mich zu ziehen. Ich wollte seine Hand wieder da haben, wo sie beim ersten Aufwachen gewesen war, und meine Hände auf seinem ganzen Körper. Und gleichzeitig wollte ich ihn doch nur einfach an mich drücken und liegenbleiben. Ich verdrängte beides und streichelte seinen Arm bis zu den Fingerspitzen entlang, während ich mich aufrichtete. »Ich muss eben ins Bad.« Ich war mir nicht sicher, ob er mir nachsah, achtete aber auch nicht darauf, als ich aus dem Bett schlüpfte und ins Bad verschwand. Während es mir auf dem Hinweg noch egal gewesen war, ob Leonardo mitbekommen hatte, warum ich ins Bad wollte, war ich mir auf dem Rückweg nicht mehr so sicher. Hoffentlich dachte er nicht, ich hätte etwas anderes getan, als meine Morgentoilette zu erledigen und mir zur Abkühlung etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen. Nun, ich würde es gleich herausfinden. Leonardo saß im Schneidersitz auf dem Bett, den Rücken zur Tür gedreht. Leise murmelte er vor sich hin, als würde er mit sich selbst sprechen. Ich räusperte mich, damit er mich bemerkte. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass er sich schnell und ertappt umdrehte, doch er ließ sich Zeit, räusperte sich nun seinerseits. »Hab ich etwas Falsches gemacht?« Ich lachte, strich mir über die Nasenwurzel. Natürlich dachte er, ich sei vor ihm geflohen. Was auch sonst? Diese jungenhafte Naivität würde er wohl nie ablegen. Ich setzte mich neben ihn auf die Bettkante. »Nein, hast du nicht. Ich musste nur eben ins Bad. Ich hab doch gesagt, dass es okay ist.« »Ja ...« Er sah mir ins Gesicht, doch seine Augen wanderten unstet hin und her. Offensichtlich wollte er noch etwas sagen, daher wartete ich. Er würde es schon schaffen, wenn ich ihn nicht hetzte. »Darf ich dich etwas fragen?«, brachte er nach einer Weile heraus. Ich grinste. »Tust du doch gerade. ... Ja, natürlich darfst du.« Er rieb die Handflächen aneinander und senkte seinen Blick darauf. »Hattest du wieder ein Date? Ich meine, nachdem dein Mann ...« Das Grinsen verschwand, dafür legte ich die Stirn in Falten. Wie kam er jetzt darauf? »Nein.« »Warum nicht?« Seine Hände schienen noch immer besonders interessant. Ich zuckte mit den Schultern. »Es hat sich schlichtweg nicht ergeben.« Zu sagen, dass ich einfach nie daran gedacht hatte, wäre genauso wahr gewesen. Die wenigen Male, die mir jemand gefehlt hatte, war es explizit Mat gewesen. Doch die Kinder ließen solche Gedanken kaum aufkommen. Ich hatte mit ihnen ausreichend zu tun. Zumindest war das bisher der Fall gewesen ... Nachdenklich nickte Leonardo, schien für einen Moment den Mut zu verlieren, doch dann atmete er tief durch und hob wieder den Blick. »Und wenn dich jemand nach einem Date fragen würde?« »Kommt darauf an, wer danach fragt.« Schelmisch schmunzelte ich ihn an. War das sein Ernst? Sein Blick suchte einen Punkt auf der Bettdecke. »Wenn es jemand von uns wäre?« »Mit ›uns‹ meinst du Toby, Roger und dich?« Verdammt, ich fand ihn gerade sehr niedlich. Andernfalls hätte es mich aber auch beunruhigt, wie schnell mein Herz schlug. Ohne mich anzusehen, nickte er. Überlegend strich ich mir über den Bart, ließ ihn auf eine Antwort warten. Es war zu verführerisch, ihn zu piesacken. Als er langsam wirklich unruhig wurde, antwortete ich: »Kommt darauf an, wer von euch fragt.« »Eloy!«, jammerte er verzweifelt und sah mich nun doch an. Ich lächelte ihn aufmunternd an und legte meine Hand dicht neben seine. »Ich denke, wenn du mich fragen würdest, würde ich Ja sagen. Bei den anderen beiden ...« »Gehst du mit mir aus?«, fragte er hastig, bevor ich den Satz beenden konnte. »Gern«, antwortete ich sanft. Ich hatte ihn wirklich genug geärgert. Außerdem konnte ich gerade gar nicht anders, zu sehr freute mich diese Frage. Natürlich hatte es mir gefallen, wenn er mich nur zufällig berührte und zu gern hatte ich seine Nähe gesucht, doch ich wäre nie auf die Idee gekommen, ihn nach einem Date zu fragen. Warum auch, ich hätte ja nicht einmal gedacht, dass es ihn überhaupt interessieren könnte. Selbst nach heute Morgen wäre ich nur davon ausgegangen, dass er es zwar als angenehm empfand, aber nicht unbedingt mehr von mir wollte. »Du musst das nicht tun, um mir einen Gefallen zu tun«, haspelte er schnell herunter und starrte mich aus großen Augen an. Diesmal kam ich dem Verlangen doch nach und zog ihn an mich. Ich streichelte mit einer Hand über seinen Rücken, mit der anderen fuhr ich in seine wilden Locken, ließ sie zwischen die Finger gleiten. Hätte ich gewusst, wie weich sie waren, hätte ich das schon viel früher getan. »Gut, eine Bedingung: Ich geh mit dir aus, wenn du aufhörst, dich weiter unter den Scheffel zu stellen und meine Aussagen anzuzweifeln.« »Tut mir leid. Es ist nur ... Ach, keine Ahnung. Ich hab nicht gedacht, dass du das wirklich willst.« »Wusste ich bis gerade auch nicht«, gab ich ehrlich zu und lächelte, als er mich erschrocken ansah. »Aber ich wollte schon die ganze Zeit gern von dir angefasst werden und dich berühren. Und das klingt nach einer guten Gelegenheit, meinst du nicht?« »Ja ...« Langsam wanderten seine Augen zu meinen Lippen und blieben daran hängen. Sein Atem ging deutlich schneller als zuvor und die Frage stand zu deutlich in seinem Gesicht, daher stellte ich sie für ihn: »Willst du mich küssen?« Schwer schluckte er und brachte kaum das Nicken zustande. Vorsichtig küsste ich ihn. Ich hatte absolut keine Ahnung, welche Art von Kuss er sich erwartete, was genau ich gerade davon wollte. Das Einzige, was in meinem Kopf ankam, war die Erlaubnis, ihn zu berühren, und die wollte ich nicht verstreichen lassen. Zum Glück äußerte er seinen Wunsch nach einem Moment der Unsicherheit. Sanft strich er über meine Wange und den Hals, presste auch seine Lippen leicht gegen meine, zerfloss fast in meinen Armen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange der Kuss dauerte, doch irgendwann ließ ich davon ab und drückte ihn noch einmal näher an mich. »Danke.« »Dir auch.« Er lächelte leicht. Weiterhin spielte ich mit seinen Locken. »Gern. Aber wir sollten gleich runter.« Langsam nickte er, dann wurde er wieder unsicher. »Was ist mit dem Date?« »Nächsten Freitag sind die Kinder bei ihrem Vater. Wenn du möchtest, gehört dir dann ab 19 Uhr meine ganze Aufmerksamkeit.« Ein umwerfendes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. »Ja, gern. Ich hol dich dann ab und wir schreiben die Woche noch, was wir machen wollen?« »Tun wir.« Flüchtig küsste ich ihn noch einmal, bevor ich ihn losließ, da sich aus dem Flur Kindergetrappel näherte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)